Die alte Jägererfahrung, daß wenn das erste Wild, der erste Vogel, nicht gefehlt worden ist, das Revier günstig bleibt, erwies sich als richtig.

Müde und hungrig, aber beglückt, kehrte Lewin um zehn Uhr morgens, dreißig Werst hinter sich, mit neunzehn Stück schönen Wildprets und einer Ente, die er an den Gürtel gebunden hatte, da sie schon nicht mehr in die Jagdtasche ging, in sein Quartier zurück. Seine Gefährten hatten schon längst ausgeschlafen, hatten Hunger empfunden und gefrühstückt.

»Halt, halt, ich weiß doch, daß es neunzehn sind,« sagte Lewin, zum zweitenmal die Schnepfen durchzählend, welche jetzt nicht mehr den charakteristischen Anblick zeigten, den sie boten, wie sie aufflogen; zusammengekrümmt und eingeschrumpft, mit dem geronnenen Blute und seitwärts herniederhängenden Köpfchen.

Die Rechnung stimmte und der Neid Stefan Arkadjewitschs kitzelte Lewin. Noch angenehmer aber war ihm, daß er, als er in das Quartier zurückkam, schon einen Boten mit einem Brief von Kity antraf.

»Ich bin gesund und munter. Wenn du Besorgnis um mich hegst, so kannst du wohl noch ruhiger sein, als zuvor. Ich habe jetzt einen neuen Leibhüter, Maria Wlasjewna,« dies war die Wehfrau, eine neue und wichtige Persönlichkeit im Familienleben Lewins. »Sie ist gekommen, um sich nach mir zu erkundigen, und hat mich vollständig gesund befunden; wir haben sie bis zu deiner Rückkunft dabehalten. Alles ist gesund und munter, aber, bitte, übereile dich nicht, und bleibe, wenn die Jagd gut ist, noch einen Tag.«

Diese beiden freudigen Ereignisse, die glückliche Jagd und der Brief seiner Gattin, waren so schwerwiegend, daß zwei kleine Unannehmlichkeiten nach der Jagd von Lewin leicht verwunden wurden. Die eine bestand darin, daß das braune Handpferd, welches gestern offenbar zu viel geleistet hatte, nicht fraß und den Kopf hängen ließ. Der Kutscher sagte, es sei kreuzlahm.

»Ihr habt es gestern übertrieben, Konstantin Dmitritsch,« sagte er; »zehn Werst sind wir gar nicht auf dem Weg gefahren.«

Die andere Unannehmlichkeit, die im ersten Augenblick seine gute Laune verdarb, über die er indessen später viel lachte, bestand darin, daß von dem ganzen Vorrat an Lebensmitteln, der von Kity in solcher Fülle mitgegeben worden war, daß es schien, als könne er in einer Woche nicht aufgezehrt werden, nichts mehr übrig war.

Müde und hungrig von der Jagd heimkehrend, hatte Lewin so lebhaft von den Pasteten geträumt, daß er, dem Quartier näher kommend, schon den Duft und den Geschmack derselben im Munde witterte, wie Laska das Wild, und sogleich Philipp befahl, sie ihm zu bringen. Da aber stellte sich heraus, daß nicht nur keine Pasteten, sondern auch keine jungen Hühner mehr da waren.

»Es gab schon Appetit,« sagte Stefan Arkadjewitsch lachend, auf Wasjenka Wjeslowskiy weisend; »ich leide doch nicht gerade Mangel an Appetit, aber dies war bewundernswert« –

»Nun, aber was jetzt thun!« sagte Lewin, mürrisch auf Wjeslowskiy blickend; »Philipp, so gieb mir Rindfleisch!«

»Das Rindfleisch haben wir gegessen und die Knochen den Hunden gegeben,« antwortete Philipp. Lewin ärgerte sich hierüber so, daß er voll Verdruß sagte: »Hätten sie nur auch nur wenigstens etwas übrig gelassen!« und das Weinen stand ihm nahe.

»So weide denn ein Stück Wildbret aus,« sagte er mit bebender Stimme zu Philipp, es vermeidend, Wasjenka anzublicken, »und lege Nesseln dazu. Laß dir wenigstens etwas Milch für mich geben.«

Bald darauf indessen, nachdem er die Milch getrunken hatte, that es ihm leid, daß er seinen Verdruß einem fremden Menschen gegenüber ausgesprochen hatte, und er begann über seinen hungrigen Zorn zu lachen.

Am Abend machten sie noch einen Streifzug, in welchem auch Wasjenka mehrere Stück erlegte und kehrten nachts heim.

Die Heimfahrt war ebenso vergnügt, wie die Herfahrt. Wjeslowskiy sang bald, bald gedachte er mit Wonne seiner Erlebnisse bei den Bauern, die ihn mit Branntwein bewirtet und ihm gesagt hatten, er solle sich nicht besinnen; bald seiner nächtlichen Abenteuer mit den Nüssen und der Magd und dem Bauer, der ihn gefragt hatte, ob er verheiratet sei, und nachdem er erfahren, es wäre nicht der Fall, ihm gesagt hatte, er solle sich nicht um die Frauen anderer kümmern, sondern möglichst bald selber heiraten. Diese Worte hatten Wjeslowskiy ganz besonders heiter gestimmt.

»Im allgemeinen bin ich außerordentlich zufrieden mit unserer Fahrt. Und Ihr, Lewin?«

»Ich bin auch sehr zufrieden,« antwortete dieser, dem es recht froh zu Mut war, aufrichtig. Er empfand nicht nur keine Feindseligkeit mehr, wie er sie in dem Hause gegen Wasjenka Wjeslowskiy gehegt hatte, sondern, im Gegenteil, die freundschaftlichste Gesinnung für denselben.