Den 3. bis 6. April.

Auf dem südlichen Teil von Öland liegt ein altes Krongut, das Ottenby heißt. Es ist ein ziemlich großes Gut, das sich quer über die Insel erstreckt, von einer Küste zur andern, und es zeichnet sich dadurch aus, daß es immer der Aufenthaltsort von großen Tierscharen gewesen ist. Im siebzehnten Jahrhundert, als die Könige nach Öland zogen, um zu jagen, war das ganze Besitztum nur ein einziger großer Tiergarten. Im achtzehnten Jahrhundert war hier ein Gestüt, in dem edle Rassepferde gezüchtet wurden, und eine Schäferei von mehreren Hundert Schafen. Heutzutage gibt es weder Vollblutpferde noch Schafe bei Ottenby. Statt dessen sind dort große Scharen von jungen Pferden, die in den schwedischen Kavallerieregimentern benutzt werden.

Es gibt wohl kein Gut im ganzen Lande, das ein besserer Aufenthaltsort für Tiere wäre. An der Ostküste entlang liegt die alte Schäferwiese, die über eine Viertelmeile lang ist, die größte Wiese auf ganz Öland, wo die Tiere grasen und sich so frei tummeln können wie in der Wildnis. Und da ist der berühmte Ottenbyer Hain mit den hundertjährigen Eichen, die Schatten gegen die Sonne spenden und Schutz gegen den scharfen Ostwind. Und dann darf man nicht die lange Ottenbyer Mauer vergessen, die von einer Küste zur andern geht und Ottenby von dem übrigen Teil der Insel trennt, so daß die Tiere wissen können, wie weit das alte Königsbesitztum sich erstreckt, und sich hüten, andern Boden zu betreten, wo sie nicht so geschützt sind.

Aber nicht nur an zahmen Tieren herrscht Überfluß auf Ottenby. Man sollte fast glauben, daß auch die wilden Tiere ein Gefühl davon hätten, daß auf einem alten Krongut sowohl wilde als zahme Tiere Frieden und gute Tage gewärtigen dürfen, und daß sie sich deswegen in so großen Scharen dahin wagen. Nicht nur findet man dort noch Hirsche von dem alten Stamm, und nicht nur lieben Hasen und graue Enten und Rebhühner es, dort zu leben, sondern im Frühling und im Herbst ist es auch ein Ruheplatz für viele Tausende von Zugvögeln. Namentlich lassen sich die Zugvögel gern auf dem sumpfigen Oststrand unterhalb der Schäferwiese nieder, um dort zu weiden und zu ruhen.

Als die wilden Gänse und Niels Holgersen endlich den Weg nach Öland gefunden hatten, flogen sie wie alle die andern auf den Strand unterhalb der Schäferwiese nieder. Der Nebel lag dicht über der Insel wie vorher über dem Meere. Und doch staunte der Junge über alle die Vögel, die er nur auf dem kleinen Stück des Strandes, das er übersehen konnte, entdeckte.

Es war ein flaches Sandufer mit Steinen und Wasserlachen und einer Menge angespültem Tang. Hätte der Junge wählen können, wäre es ihm wohl kaum eingefallen, sich dort niederzulassen, aber die Vögel hielten es offenbar für ein wahres Paradies. Enten und graue Gänse gingen dort auf der Wiese und weideten, näher dem Wasser liefen Schnepfen und andere Strandvögel. Die Lummen lagen im Wasser und fischten, aber am meisten Leben und Bewegung herrschte auf den langen Tangbänken draußen im Wasser. Dort standen die Vögel dicht nebeneinander und pickten Würmer auf; deren gab es hier offenbar eine zahllose Menge, denn es schien nicht, als ertöne jemals Klage über Mangel an Nahrung.

Die allermeisten Vögel wollten weiter und hatten sich nur niedergelassen, um auszuruhen, und sobald der Anführer einer Schar der Ansicht war, daß er und seine Kameraden sich hinreichend erquickt hatten, sagte er: »Seid ihr jetzt fertig, so daß wir weiterkommen können?«

»Nein, warte, warte! Wir sind lange noch nicht satt!« sagten seine Begleiter.

»Bildet ihr euch ein, daß ich euch so viel fressen lassen will, bis ihr euch nicht mehr rühren könnt?« sagte der Anführer, schlug mit den Flügeln und machte sich davon. Aber es geschah mehr als einmal, daß er umkehren mußte, weil er die andern nicht mitbekommen konnte.

Vor den äußersten Tangbrücken lag eine Schar von Schwänen. Die machten sich nichts daraus, an Land zu gehen, sondern ruhten sich aus, indem sie auf dem Wasser lagen und sich wiegten. Hin und wieder tauchten sie mit dem Halse unter und holten sich Nahrung vom Meeresgrunde herauf. Wenn sie etwas richtig Gutes ergattert hatten, stießen sie einen lauten Ruf aus, der fast wie ein Trompetenstoß klang.

Als der Junge hörte, daß am Meeressaum Schwäne lagen, eilte er auf die Tangbrücke hinaus. Er hatte nie zuvor wilde Schwäne aus einer solchen Nähe gesehen. Das Glück war ihm hold, so daß er ganz zu ihnen herankam.

Der Junge war nicht der einzige, der die Schwäne gehört hatte. Sowohl die wilden Gänse als auch die grauen Gänse und die Enten und die Lummen schwammen zwischen die Bänke hinaus, legten sich rund im Kreis um die Schwäne und starrten sie an. Die Schwäne brausten mit den Federn, schlugen die Flügel auseinander wie Segel und streckten die Hälse hoch in die Luft empor. Hin und wieder schwamm einer von ihnen zu einer Gans oder einer Lumme oder einer Tauchente hin und sagte ein paar Worte. Und da war es, als fühle sich die Angeredete so beehrt, daß sie kaum wagte, den Schnabel zu einer Antwort zu öffnen.

Aber dann war da eine kleine Lumme, so ein richtiger kleiner, boshafter Galgenstrick, der alle diese Feierlichkeit nicht aushalten konnte. Sie tauchte plötzlich unter und verschwand unter der Meeresfläche, nach einer Weile stieß einer der Schwäne einen Schrei aus und schwamm so schnell von dannen, daß das Wasser schäumte. Dann hielt er inne und begann wieder majestätisch auszusehen. Aber gleich darauf schrie ein anderer und gebärdete sich genau auf dieselbe Weise, und dann schrie noch ein dritter ebenso.

Jetzt konnte die kleine Lumme sich nicht länger unter Wasser halten; sie tauchte auf und lag nun da auf den Wellen, klein und schwarz und boshaft. Die Schwäne stürzten sich auf sie, als sie aber sahen, was für ein kleines, jammervolles Ding es war, kehrten sie plötzlich um, als hielten sie sich zu gut, mit so einer zu zanken. Aber die kleine Lumme tauchte wieder nieder und schnappte nach ihren Füßen. Das tat ihnen schrecklich weh, aber das schlimmste war, daß es ihrer Würde Abbruch tat. Plötzlich aber machten sie dem Spiel ein Ende. Sie begannen, die Luft mit den Flügeln zu peitschen, so daß ein Getöse entstand, fuhren eine weite Strecke über das Wasser hin, gleichsam springend, bekamen endlich Luft unter die Flügel und schwangen sich hoch empor.

Es wurde so sonderbar leer, als sie weg waren, und diejenigen, die sich am allermeisten über den Einfall der kleinen Lumme belustigt hatten, schalten sie jetzt wegen ihrer Unverschämtheit aus.

Der Junge ging nun wieder an Land. Dort stellte er sich hin und sah dem Spiel der Schnepfen zu. Sie glichen winzig kleinen Kranichen, hatten wie diese einen kleinen Körper, hohe Beine, einen langen Hals und leichte, schwebende Bewegungen, nur waren sie nicht grau, sondern braun. Sie standen in einer langen Reihe am Strande, gerade da, wo die Wellen heraufspülten. Sobald eine Welle gerollt kam, lief die ganze Reihe rückwärts. Sobald sie wieder hinausgesogen wurde, folgten sie ihr. Und das setzten sie stundenlang fort.

Die hübschesten von allen Vögeln waren aber doch die Brandenten. Sie waren gewiß mit den zahmen Enten verwandt, denn sie hatten wie diese einen schwerfälligen, breiten Körper, einen flachen Schnabel und Schwimmfüße, aber sie waren viel prachtvoller ausgestattet. Das Federkleid selbst war weiß, aber um den Hals hatten sie ein breites, gelbes Band und an den Flügeln einen Spiegel, der in Grün, Rot und Schwarz schimmerte, die Flügelspitzen waren schwarz, und der Kopf war schwarzgrün und metallschimmernd.

Sobald einige von ihnen sich am Strande blicken ließen, sagten die andern Vögel: »Nein, seht die doch an! Die verstehen es weiß Gott, sich zu putzen!« – »Wären sie nicht so ausstaffiert, brauchten sie sich wohl nicht in die Erde hineinzugraben, sondern könnten unter offenem Himmel wohnen, wie unsereins,« sagte eine braune Grasente. – »Sie können sich anstrengen, so viel sie wollen, mit der Nase, die sie haben, werden sie doch niemals Staat machen,« sagte eine graue Gans. Und das verhielt sich wirklich so. Die Brandenten hatten einen großen Buckel auf der Nase, der ihr ganzes Gesicht entstellte.

Am Uferrande entlang fuhren Möwen und Seeschwalben über dem Wasser hin und her und fischten. – »Was für Fische fangt ihr denn da?« fragte eine wilde Gans. – »Das sind Stichlinge. Das sind öländische Stichlinge. Das ist der beste Fisch in der ganzen Welt!« sagte eine Möwe. »Willst du einmal kosten?« Und sie flog auf die Gans zu, den ganzen Mund voll von den kleinen Fischen und wollte sie ihr geben. – »Pfui! Huh! Glaubst du, daß ich solch Jux essen mag?« sagte die wilde Gans.

Am nächsten Morgen war es noch immer ebenso nebelig. Die wilden Gänse gingen auf der Wiese und weideten, aber der Junge war an den Strand hinab gegangen, um Muscheln zu sammeln. Es waren genug davon da, und da ihm einfiel, daß er vielleicht morgen irgendwo hinkommen würde, wo er gar kein Essen bekommen konnte, beschloß er, sich einen kleinen Beutel zu machen, den er mit Muscheln füllen konnte. Am Ufer stand eine ganze Menge welken Röhrichts, das steif und zäh war, und nun machte er sich daran, einen Ranzen daraus zu flechten. Die Arbeit nahm mehrere Stunden in Anspruch, aber er war auch sehr zufrieden damit, als sie beendet war.

Um die Mittagszeit kamen alle wilden Gänse zu ihm gelaufen und fragten, ob er nichts von dem weißen Gänserich gesehen habe. »Nein, er ist nicht hier bei mir gewesen,« sagte der Junge. – »Er ist noch ganz kürzlich mit uns zusammen gewesen,« sagte Akka, »aber jetzt wissen wir nicht, wo er geblieben ist.«

Der Junge erschrak heftig. Er fragte, ob sich ein Fuchs oder ein Adler habe blicken lassen, oder ob irgendein Mensch in der Nähe gewesen sei. Aber niemand hatte etwas Gefährliches bemerkt. Der Gänserich hatte sich nur im Nebel verirrt.

Aber für den Jungen war das Unglück gleichgroß, auf welche Weise er auch weggekommen sein mochte, und er machte sich sofort auf den Weg, um nach ihm zu suchen. Der Nebel beschützte ihn, so daß er laufen konnte, wohin er wollte, ohne gesehen zu werden, aber er hinderte ihn auch, selbst zu sehen. Er lief in südlicher Richtung an der Küste entlang, ganz hinab bis an den Leuchtturm und die Nebelkanone auf der Südspitze der Insel. Überall war ein Gewimmel von Vögeln, aber kein Gänserich. Er wagte sich ganz hinab bis zum Ottenbyer Schloß, und er durchsuchte jede einzelne von den alten, hohlen Eichen, fand aber keine Spur von dem Gänserich.

Er suchte, bis es anfing dunkel zu werden. Da mußte er sich an den östlichen Strand zurückbegeben. Er ging mit schweren Schritten und fühlte sich sehr bedrückt. Er begriff nicht, was aus ihm werden sollte, wenn er den Gänserich nicht fand. Niemand in der Welt konnte er schlechter entbehren als ihn.

Aber als er über die Schäferwiese wanderte, was war wohl das große Weiße, was ihm da entgegen kam? Niemand anderes als der Gänserich. Er war ganz unbeschädigt und sehr froh, sich zu den anderen zurückgefunden zu haben. Der Nebel habe ihn so wirr im Kopf gemacht, sagte er, daß er den ganzen Tag auf der großen Wiese rund herumgegangen sei. Der Junge schlang in seiner Freude beide Arme um den Hals des Gänserichs und bat ihn so herzlich, acht zu geben, und sich nicht von den andern zu entfernen. Er versprach denn auch ganz fest, daß er das nie wieder tun wolle. Nein, nie wieder!

Aber am nächsten Morgen, als der Junge an den Strand hinabging, um Muscheln zu suchen, kamen die Gänse gelaufen und fragten, ob er den Gänserich nicht gesehen habe.

Nein, er habe ihn nicht gesehen. Ja, jetzt sei der Gänserich wieder weg. Er habe sich wohl wieder im Nebel verlaufen, wie am Tage vorher.

Der Junge lief in großer Angst davon und begann zu suchen. Er fand eine Stelle, wo die Ottenbyer Mauer eingestürzt war, so daß er hinüberklettern konnte. Dann ging er unten an den Strand hinab, der sich allmählich erweiterte und so groß wurde, daß da Platz für Felder und Wiesen und Bauernhöfe war. Auch auf das flache Hochland oben auf der Insel ging er, wo keine anderen Gebäude waren als Windmühlen, und wo der Graswuchs so dünne war, daß der weiße Kalkfelsen hindurchschien.

Aber den Gänserich fand er nicht, und als es anfing, dunkel zu werden, so daß er ohne Ergebnis an den Strand zurückkehren mußte, war er fest überzeugt, daß sein Reisekamerad verschwunden sei. Er war so mutlos, daß er nicht wußte, wozu er greifen solle.

Er war eben über die Mauer geklettert, als er dicht neben sich einen Stein herunterrasseln hörte. Als er sich umwandte, um zu sehen, was es sei, war es ihm, als könne er etwas sehen, das sich in einem Steinhaufen hart an der Mauer bewegte. Er schlich sich näher heran und sah, wie der Weiße Gänserich mit großer Mühe den Steinhaufen hinaufkletterte; er hatte den Schnabel voller Wurzelfasern. Der Gänserich sah den Jungen nicht, und dieser rief ihn nicht an; er fand, daß es das vernünftigste war, sich erst klar darüber zu werden, warum der Gänserich so einmal über das andere verschwand.

Bald entdeckte er auch den Grund. Oben im Steinhaufen lag eine junge graue Gans, die vor Freude schrie, als der Gänserich kam. Der Junge schlich noch näher heran, um zu hören, was sie sagten, und so erfuhr er denn, daß die graue Gans ihren einen Flügel beschädigt hatte, so daß sie nicht fliegen konnte, und daß ihre Gefährten ihr weggeflogen waren, so daß sie einsam und verlassen dalag. Sie war dem Verhungern nahe gewesen, als der weiße Gänserich am vorhergehenden Tage ihr Schreien gehört und sie aufgesucht hatte. Seitdem hatte er ihr beständig Futter gebracht. Sie hatten beide gehofft, daß sie gesund werden könne, bis er die Insel verlassen mußte, aber noch konnte sie weder gehen noch fliegen. Sie war sehr betrübt darüber, aber er tröstete sie, daß er fürs erste nicht abreisen würde. Schließlich sagte er ihr Gutenacht und versprach, am nächsten Tage wiederzukommen.

Der Junge ließ den Gänserich gehen, aber kaum war er fort, als er auf den Steinhaufen hinaufschlich. Er war erzürnt darüber, daß der Gänserich ihn hinters Licht geführt hatte, und nun wollte er der grauen Gans wissen lassen, daß der Gänserich ihm gehörte. Er sollte ihn nach Lappland hinauftragen, und es sei keine Rede davon, daß er um ihretwillen zurückbleiben könne. Aber als er die junge Gans näher ansah, verstand er, warum der Gänserich ihr zwei Tage Futter gebracht hatte, und warum er nicht hatte erzählen wollen, daß er ihr behilflich war. Sie hatte das feinste kleine Köpfchen, das man sich denken konnte, das Federkleid war wie die weichste Seide, und die Augen waren sanft und flehend.

Als sie den Jungen erblickte, wollte sie davonlaufen. Aber der linke Flügel war aus dem Gelenk und schleppte an der Erde hin, so daß er sie in allen ihren Bewegungen hinderte.

»Du brauchst nicht bange vor mir zu sein,« sagte der Junge und sah gar nicht so böse aus, wie es seine Absicht gewesen war. »Ich bin Däumling, der Reisekamerad des Gänserichs Martin.« Und dann blieb er stehen und wußte nicht, was er weiter sagen sollte.

Es kann zuweilen in dem Ausdruck von Tieren etwas sein, das einen zu der Frage veranlaßt, was für Wesen sind sie eigentlich. Man hat ein Gefühl, daß sie verwandelte Menschen sein könnten. So etwas war da an der kleinen grauen Gans. Sobald Däumling sagte, wer er sei, verneigte sie sich mit dem Halse auf das niedlichste und sagte mit einer so schönen Stimme, daß der Junge unmöglich glauben konnte, daß es eine Gans war, die sprach: »Ich freue mich sehr, daß du hergekommen bist, um mir zu helfen. Der weiße Gänserich hat mir erzählt, daß niemand in der Welt so klug und gut ist wie du.«

Sie sagte das mit einer solchen Anmut und Würde, daß der Junge ganz verlegen wurde. »Das kann nie und nimmer eine richtige Gans sein,« dachte er. »Das ist sicher eine verzauberte Prinzessin.«

Er bekam große Lust, ihr zu helfen und schob die eine Hand unter die Federn und befühlte den Flügelknochen. Der war nicht gebrochen, aber er mußte aus dem Gelenk geraten sein, denn sein Finger geriet in eine leere Gelenkhöhle. »Gib jetzt acht!« sagte er, umfaßte den Knochen fest und preßte ihn da hinein, wo er sitzen sollte. Er machte das außerordentlich schnell und geschickt, wenn man bedenkt, daß es das erstemal war, daß er sich damit abgab, Doktor zu sein, aber es mußte sehr weh getan haben, denn die arme kleine Gans stieß einen einzigen wilden Schrei aus und sank zwischen den Steinen nieder, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben.

Der Junge erschrak sehr. Er hatte ihr helfen wollen, und nun war sie tot. Er eilte schleunigst von dem Steinhaufen herunter und machte sich, so schnell er konnte, aus dem Staube. Er hatte ein Gefühl, als habe er einen Menschen getötet.

Am nächsten Morgen hatte sich der Nebel verzogen, und Akka sagte, daß sie jetzt ihre Reise fortsetzen wollten. Alle die andern waren gleich bereit, nur der weiße Gänserich erhob Einwendungen. Der Junge verstand sehr wohl, daß er seine Freundin, die graue Gans, nicht verlassen wollte. Aber Akka wollte nicht auf ihn hören, und die Schar begab sich von dannen.

Der Junge sprang auf den Rücken des Gänserichs, und dieser folgte der Schar, wenn auch langsam und unwillig. Der Junge dahingegen war froh, von der Insel fortzukommen. Er hatte Gewissensbisse wegen der grauen Gans und hatte nicht gewagt, dem Gänserich zu erzählen, wie es zugegangen war, als er sie hatte kurieren wollen. Es war am besten, daß der Gänserich Martin nie etwas davon erfuhr, dachte er. Trotzdem wunderte er sich, daß der Gänserich es übers Herz bringen konnte, von ihr fortzureisen.

Aber plötzlich machte er kehrt. Er konnte seine kleine Freundin nicht vergessen. Mit der Reise nach Lappland mußte es gehen, wie es wollte, er aber konnte nicht von dannen fliegen, wenn er wußte, daß sie krank und verlassen dalag und verhungern mußte.

Mit ein paar Flügelschlägen war er bei dem Steinhaufen. Aber da lag keine graue Gans zwischen den Steinen. »Daunenfein! Daunenfein! Wo bist du?« schrie der Gänserich.

»Der Fuchs hat sie wohl gefunden und aufgefressen,« dachte der Junge. Im selben Augenblick aber hörte er eine weiche Stimme antworten: »Ich bin hier, Martin! ich bin hier! Ich war nur hinunter, um ein Morgenbad zu nehmen!« Und aus dem Wasser heraus kam die schöne, kleine Gans frisch und gesund und erzählte, wie Däumling ihren Flügel wieder eingerenkt habe, und daß sie nun ganz gesund sei und bereit, die Reise mit anzutreten.

Die Wassertropfen lagen gleich Perlen auf ihren seidenweichen Federn und Däumling dachte abermals, daß sie doch sicher eine richtige Prinzessin sei.