Das Osternest

Hoppla! … hoppla! … holterdiepolter! … ging’s durch die Mondgegend, daß nur so die Steinchen stiebten. Ja, waren es eigentlich Steinchen? Es klang manchmal wie Glas, wenn der Bär mit seinen Tatzen so ein Stück Mondkruste abschlug, und sah aus wie Zucker; manchmal knisterte es wie Schnee und staubte um die Reiter her, daß sie die Augen zumachen mußten, und manchmal war der Boden glatt und weich wie Gummi, der unter jedem Tritt wippte und schwippte. Dann machte der Bär so komische Sätze, daß sie beinahe von seinem Rücken herunterpurzelten. Der Sandmann kannte die Landschaft aber und rief immer vorher zur Warnung:

»Achtung – Kopf beugen!«

Dann ging es über so ein Krustengebirge. Die Kristalle sausten und prasselten ihnen um die Ohren, daß sie sich tief auf das dichte Fell des Bären ducken mußten, um nicht Beulen am Kopf zu bekommen. Oder er rief:

»Achtung – Augen zu!«

Dann stürmte der Bär durch eine Mondwüste, daß sie hinterher wie die Müllerjungen aussahen von dem weißen Staub. Oder es hieß:

»Festhalten! – Gummiteich!«

Dann ging es über so eine Schwabbelgegend, auf und nieder, wipp und wapp, daß man denken konnte, der Bär sei vollständig betrunken. Als sie aber Bescheid wußten, wie man sich zu verhalten hatte, machte es natürlich großen Spaß, und sie mußten schrecklich lachen; besonders, wenn eine Gummigegend kam. Ein schöneres Wippespiel, als der Bär mit ihnen auf diesen Gummiteichen vollführte, gab es doch sonst nirgends auf der ganzen Welt. Das kann man sich wohl denken. Und nun kamen sie in die Nähe des Osternestes. Wie von der Weihnachtswiese alles Spielzeug und alle Weihnachtssüßigkeiten kommen, so kommen aus dem Osternest die Ostereier. In einem weiten, weißen Tal lag ein riesengroßes, grünes Nest. Es war wohl so groß wie ein Berg.

Auf dem Rande des Nestes saßen ringsherum viele, viele Tausend Hühner in allen Farben; grüne, blaue, weiße, gelbe, rote, schwarze, bunte, gestreifte und gesprenkelte, eines dicht neben dem anderen, fein ordentlich die Schwänzchen nach innen, die Schnäbelchen nach außen gekehrt. Über dem Nest hing ein Strick vom Himmel herunter mit einem schönen gelben Ring am Ende. In dem Ring aber saß ein großer Gockelhahn. Der schlug alle zwei Augenblicke mit den Flügeln und krähte »kikeriki-i-i-ieh!«

Und jedesmal wenn er krähte … klack! … legte jedes von den Hühnern ein schönes, farbiges Ei von Zucker, Schokolade oder Marzipan, je nach der Farbe des Huhnes. Die Eier kullerten alle in das Innere des großen Nestes hinunter und wurden dort von vielen Tausenden kleiner, schneeweißer und knallgelber Osterhäschen aufgesammelt, fein säuberlich in Körbchen und kleine Taschen gepackt und ordentlich aufgestapelt. »So geht das immerfort«, erklärte der Sandmann im Vorüberreiten; »der Hahn kräht, die Hühner legen, die Häschen sammeln und verpacken, bis das ganze, riesengroße Nest voll ist. Und dann ist Ostern. In der Nacht vor Ostern aber nimmt jedes Häschen seine Eierlast huckepack und hoppelt damit zur Erde herunter. Dort hat jedes Haus, in dem Kinder wohnen, sein bestimmtes Häschen, das in der Osternacht die Eier bringt.«

Das alles war natürlich schrecklich interessant. Peterchen und Anneliese wollten so gern ihr Häschen noch entdecken; aber es war keine Zeit, sie ritten zu schnell. »Es ist ein gelbes Häschen!« sagte der Sandmann, als Peterchen ihn fragte. Da waren sie auch schon vorbei und hörten nur noch von fern ein paarmal den großen Hahn krähen. Immer mehr näherten sie sich jetzt dem großen Mondberg. Himmelhoch ragte er in die geisterblaue Nacht vor ihnen auf, steil und spitz. So einen Berg gab es nirgends auf der Erde; so seltsam hätte man ihn sich nicht einmal träumen können; wie von wachsweißem Teig war er, oder von gefrorener Schlagsahne. Hopp! … sprang der Bär über einen hohen Wall, der rings um den Berg herumlief, und nun waren sie am Ziele ihres großen Rittes, in einer finsteren Schlucht, am Fuße des Mondberges – bei der Mondkanone.