761. Nidda

Zu des Kaiser Friedrich des Rotbart Gezeiten war im Hessenlande ein Raubgraf, der tat in der Gegend vielen Schaden; er hieß Berthold und saß auf einer Bergfeste, die hieß die Altenburg. Da er nun beim Kaiser verklagt ward, so wurde er in seiner Feste belagert und hart bedrängt. Endlich erbot sich die Gräfin, des Räubers Gemahl, zur Übergabe, begehrte aber freien Abzug mit so viel von ihren besten Sachen, als ihr Esel und sie selbst würden tragen können; das ward ihr zugesagt unter dem Beding, daß nicht etwa der Graf auf dem Esel reite, als welcher zu den Besten nicht gehöre. Die Gräfin sagte das zu, daß ihr Gemahl Berthold nicht auf dem Esel sitzen sollte, setzte aber ihre drei Söhnlein auf des Esels Rücken und nahm ihren Gemahl auf ihren eignen, und so zogen sie ab, hatten wohl auch noch einiges vom besten in ihren Taschen. Weit kamen sie nicht von der Altenburg, die nun von des Kaisers Söldnern zerstört wurde, und es gelobte die Gräfin, nachdem sie ihren Gemahl absitzen lassen, sich da anzubauen, allwo der Esel stehenbleibe. Und da blieb der Esel bald darauf nicht nur stehen, sondern sogar stecken, und die Gräfin regte ihn zum Fortgehen an und rief: Nit da, nit da! – aber der Esel stand so steif wie jene Eselin Bileams, welche redete, und sie mußten allda bleiben und bei einem Feuer die Nacht zubringen. Darauf haben sie sich dort angebaut und ein Schloß begründet, welches den Namen Nidda empfing, oder gar drei Schlösser, für jedes der Söhnlein eines. In den Kellern der zerstörten Altenburg ruhen noch große Schätze, und es sind dort viele Hufeisen gefunden worden, welche Graf Berthold, wenn er auf Raub ausritt, den Pferden verkehrt aufschlagen ließ.

In dieser Sage erscheint am frühesten die liebevolle Rettung des Mannes durch das listreiche, aber auch starke und treue deutsche Weib, die sich dann später einfach bei der Rettung des Ritters von Staupitz und vielfach bei den Weibern von Weinsberg wiederholte.

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