Sagen aus Brandenburg
Die verwunschene Prinzessin auf den Müggelbergen
Seltsame Geschichten von einem merkwürdigen Stein auf den Müggelbergen sind in der Gegend von Köpenick im Umlauf. Die Müggelheimer erklären zwar, der Stein sei zersprengt und die Teile zum Bau ihrer Brunnen verwendet worden. Der Felsblock habe der Teufelsaltar geheißen, und an der Stelle, wo er gelegen, lodere oft ein Feuer auf, das so hell leuchte, daß man es sogar in Müggelheim sehe. Sobald man aber in seine Nähe komme und nur ein lautes Wort spreche, so verschwinde es.
In Köpenick dagegen behaupten die Leute, der Stein, den man hier den Prinzessinnenstein nennt, liege noch auf einem Vorberg in der Nähe des Teufelssees, der ringsum von dunklen Fichten und Moorgrund umgeben ist. Das Wasser dieses Sees ist von fast schwarzer Farbe, und obgleich er nur klein ist, hat man sich doch bisher vergeblich bemüht, ihn zu ergründen.
Der Stein soll an Stelle eines prächtigen Schlosses liegen, in dem einst eine schöne Prinzessin gewohnt habe, die nun verwunschen und mit dem Schloß in den Berg versunken sei. Sie kommt jedoch zuweilen wieder zum Vorschein; unter dem Stein sei nämlich eine Öffnung, und von da führe ein Weg tief in den Berg hinein; daraus sieht man sie abends als altes Mütterchen am Stabe gebückt hervortreten. Andere Leute haben sie auch, namentlich um die Mittagszeit, als schönes Weib am Ufer des Teufelssees sitzen sehen, wie sie sich im Wasser beschaute und ihre langen Haare kämmte. So sah sie einst ein kleines Mädchen aus Köpenick, das in der Nähe mit ihrer Mutter Beeren gesucht und dabei die Mutter verloren hatte; weinend war die Kleine dann im Wald umhergeirrt. Da hatte die Prinzessin das Mädchen mit sich in ihr Schloß hinuntergenommen und reich beschenkt nach kurzer Zeit wieder heraufgebracht.
Sieht man die Jungfrau am Abend aus dem Berge hervorkommen, so trägt sie ein Kästchen, das leuchtendes Gold enthält; das soll der erhalten, der sie dreimal um die Kirche von Köpenick herumträgt und sich dabei nicht umsieht; dadurch wird sie erlöst. Einen Burschen hat,s einmal nach dem Golde gelüstet, und er hat das Wagestück unternommen. Er hob die Prinzessin auf den Rücken, denn sie war federleicht, und schritt mit ihr nach Köpenick. Aber je mehr er sich der Stadt näherte, desto schwerer wurde die Bürde; doch er hielt tapfer aus und kam endlich mit ihr ans Ziel. Nun begann er seinen Umgang um die Kirche. Da erschienen plötzlich Schlangen und Kröten und allerhand scheußliche Tiere mit feurigen Augen; koboldartige Wesen stürzten wild hinter dem Burschen her und bewarfen ihn mit Holzblöcken und Steinen. Aber er ließ sich durch all diese Schrecknisse nicht beirren und schritt mutig vorwärts. So hatte er schon den dritten Umgang begonnen und seine Aufgabe fast vollendet, als ihn ein grellroter Schein blendete, der so fürchterlich war, als stünde ganz Köpenick in Flammen. Da vergaß der junge Mensch das Verbot und sah sich um; doch im selben Augenblick war alles verschwunden, und ein heftiger Schlag raubte ihm das Leben.
Die Jungfrau aber harrt weiter des Mannes, der sie dereinst aus ihrer Verbannung erlösen werde, doch hat seit langem niemand mehr die Prinzessin erblickt.
Der Schatz im Brunnen des Schloßhofes zu Wiesenburg
Mitten im Burghof zu Wiesenburg steht ein reichverziertes Brunnenhäuschen. Aus der Wendenzeit her soll auf dem Brunnenboden ein Schatz ungehoben ruhen. Man erzählt, daß den Brunnenboden eine mächtige Steinplatte bilde. Unter ihr ruhe ein prächtiger Goldschmuck des Wendenkönigs Pribislav, nur in der Nacht zum 1. Mai sei es möglich, ihn zu heben. In dieser Zeit verlaufe sich nämlich auf eine geheimnisvolle Weise das Wasser und der Brunnengrund liege trocken da. Wer nun, ohne dabei zu sprechen, die Platte höbe, könne sich in den Besitz des Schatzes setzen. Vor vielen Jahren haben sich denn auch zwei Bewohner Wiesenburgs, ein Flame und ein Wende, aufgemacht, den Schatz zu suchen. Als die Uhr vom Bergfried her die zwölfte Stunde rief, ließen sie sich in den tiefen Brunnenschacht hinab. Das Wasser war fort, und sie fanden auch richtig die Steinplatte, die den Schatz verschloß. Schnell machten sie sich an die Arbeit. Schaurig hallten die Schläge mit der Hacke an den Brunnenwänden wider und tönten zu den grauen Burgmauern hinauf, kamen zurück und ballten sich wieder zu schrecklichem Getöse. Als die Schatzgräber einen Augenblick Atem schöpften und ihre Köpfe von dem mühseligen Werk aufhoben, bot sich ihnen ein fürchterlicher Anblick. Auf dem Rand des Brunnenhäuschens saßen entsetzliche Gespenster mit Hörnern, Kuhfüßen und Schwänzen, die bemüht waren, einen Galgen aufzurichten. Den Männern trat bei diesem Anblick der kalte Schweiß auf die Stirn. Aber ihrem Ziel so nahe, wollten sie die Arbeit nicht aufgeben und begannen aufs neue an der Platte zu zerren, die sich bereits zu heben begann.
Hierdurch lebte ihr Mut wieder auf, ihre Kräfte vermehrten sich, der Stein hob sich schon, als sich vom Brunnenrand eine schreckliche Stimme hören ließ: »Welchen von den beiden Geldgierigen soll ich denn aufhängen?« Die Gemeinten hoben erschrocken die Augen und sahen den Galgen bereits fertig dastehen. »Den Holländer hängt auf! « ertönte es jetzt dumpf zur Antwort. Da war aber auch des soeben Verurteilten Mut zu Ende, und mit dem verzweifelten Ausrufe: »Gnade für mich!« fiel er in die Knie. Damit war aber auch das Werk vereitelt. Ein Donnerschlag ertönte, Galgen und Teufel verschwanden. Die Platte, hinter der Gold und Silber bereits verführerisch geglänzt hatten, sank in ihre alte Lage zurück, und nur die schleunigste Flucht konnte die zwei vor dem Tod des Ertrinkens retten, da der Brunnen bereits anfing, sich schnell wieder mit Wasser zu füllen.
Die alte Hexe Frick
Einst fuhr ein Bauer nach der Mühle von Boitzenburg, um sein Getreide mahlen zu lassen. Abends als er wieder mit seinen schweren Säcken nach Hause fuhr, hörte er plötzlich ein wildes Brausen und lautes Hundegebell. Da kam ihm die Hexe Frick mit ihrem Hundegespann entgegengefahren, und die Hunde spieen helles Feuer aus Maul und Nase, so oft sie bellten. Dem Bauern wurde angst und bange, und er wußte sich Mehl den Hunden zum Fressen gab, nicht anders zu helfen, als daß er sein die auch mit Gier alles bis zum letzten Rest auffraßen. Und der Bauer wußte ganz genau, wenn er das nicht getan hätte, wäre es ihm sehr schlimm ergangen. Als er nun betrübt nach Hause kam und seiner Frau erzählte, wie es ihm ergangen, da meinte diese: »Bist du dein Mehl losgeworden, dann kannst du die leeren Säcke auch gleich mit fortwerfen.« Und der Mann tat, wie ihm die Frau geboten, brachte die Säcke auf den Hof und warf sie zum Kehricht. Als er aber am andern Morgen auf den Hof trat, da sah er zu seinem größten Erstaunen die Mehlsäcke wieder voll gefüllt beieinanderstehen, wie er sie aus der Mühle nach Hause gefahren hatte. Das war zum Dank dafür, daß der Bauer den Hunden der Hexe Frick zu fressen gegeben hatte.
Der Schmied von Jüterborg
Zu Jüterbog lebte einmal ein Schmied, der ein sehr frommer Mann war. Eines Abends, ganz spät, trat ein alter Mann ins Haus, der recht würdig aussah, und bat ihn um ein Nachtquartier. Der Schmied war zu jedermann immer freundlich und gütig; er nahm den Fremden gern auf und bewirtete ihn nach Möglichkeit. Als der Gast am nächsten Morgen weggehen wollte, dankte er seinem Wirt herzlich und sagte, der Schmied solle drei Bitten tun, diese wolle er ihm gewähren. Da bat der Schmied zuerst, daß sein Stuhl hinter dem Ofen, auf dem er abends nach der Arbeit auszuruhen pflege, die Kraft bekomme, jeden ungebetenen Gast so lange festzuhalten, bis ihn der Schmied selbst loslasse; zweitens, daß sein Apfelbaum im Garten die Hinaufsteigenden nicht herablasse; drittens, daß aus seinem Kohlensack keiner herauskomme, den er nicht selbst befreie. Diese drei Bitten gewährte der Fremde und ging darauf fort.
Nicht lange nachher, kam der Tod und wollte den Schmied holen. Dieser aber bat ihn, er möge sich doch ein wenig auf seinem Stuhle ausruhen, da er sicher von der Reise sehr ermüdet sei. Da setzte sich denn der Tod nieder, und als er nachher wieder aufstehen wollte, saß er fest. Nun bat er den Schmied inständig, er möge ihn doch wieder befreien, doch dieser wollte lange nichts davon wissen; endlich verstand er sich dazu unter der Bedingung, daß der Tod ihm noch zehn Jahre schenke. Damit war der Tod zufrieden. Der Schmied löste ihn von seinem Sitz, und der ungebetene Gast entfernte sich.
Als die zehn Jahre um waren, erschien der Tod wieder. Da erklärte ihm der Schmied, er sei bereit mitzugehen, doch solle der Tod erst noch auf den Apfelbaum im Garten steigen und einige Äpfel herunterholen, sie würden ihnen auf der weiten Reise gut schmecken. Das tat der Tod und saß wieder fest. Nun rief der Schmied seine Gesellen herbei, die mit schweren eisernen Stangen gewaltig auf den Tod losschlagen mußten, daß er Ach und Weh schrie und den Schmied flehentlich bat, er möge ihn doch freilassen, er wolle von nun an gern ausbleiben.
Als der Schmied hörte, daß der Tod ihn ewig leben lassen wollte, hieß er die Gesellen einhalten und entließ seinen Besucher von dem Baum. Der Tod zog glieder- und lendenlahm davon und kam nur mit Mühe vorwärts. Da begegnete ihm unterwegs der Teufel, dem er sogleich sein Leid klagte; aber der Satan lachte ihn aus, weil er so dumm gewesen sei, sich von dem Schmied täuschen zu lassen, und meinte, er würde bald mit dem Schmied fertig werden. Darauf wanderte der Teufel in die Stadt, klopfte bei dem Schmied an und bat, er möge ihm Herberge für die Nacht geben. Nun war,s aber schon spät; der Schmied weigerte sich, den Teufel einzulassen, und erklärte, er könne die Haustür nicht mehr öffnen; wenn er jedoch zum Schlüsselloch hereinfahren wolle, so möge er nur kommen. Das war nun dem Teufel ein leichtes, und sogleich huschte er hindurch.
Der Schmied war aber klüger gewesen als der Teufel; er hatte innen seinen Kohlensack vorgehalten, und als nun der Teufel darin saß, band er den Sack schnell zu, warf ihn auf den Amboß und ließ seine Gesellen wacker draufloshämmern. Da flehte der Teufel jämmerlich, sie möchten doch aufhören; aber die Gesellen ließen nicht eher nach, als bis ihnen die Arme von dem Hämmern müde waren und der Schmied ihnen endlich das Ende befahl. Der Schmied ließ den Teufel nun frei; doch mußte er bei dem gleichen Loch wieder hinaus, wo er hereingeschlüpft war.
Fortan trug der Teufel kein Verlangen mehr, noch einen zweiten Besuch beim Schmied von Jüterbog zu machen.
Der Name von Jüterbog
Als die Stadt Jüterbog gebaut worden war, wußte man nicht, welchen Namen man ihr geben sollte und beschloß daher, vors Tor zu gehen und zu warten, bis jemand käme; nach dem wolle man dann die Stadt nennen. So geschah’s auch, und es währte nicht lange, so kam eine Krügersfrau, Jutte mit Namen, die führte einen weißen Bock mit sich; da hat man denn nach ihr und ihrem Begleiter die Stadt Jüterbog genannt, und hat ihr deshalb einen weißen Bock zum Wappen gegeben.
Die goldene Wiege
Zwischen dem Dorfe Wadekath und dem hannöverschen Orte Wittingen liegt unweit des Weges eine goldene Wiege vergraben, die ist bis zum Rande mit Geld angefüllt. Einen Bauer aus Wadekath gelüstete es einst gar zu sehr nach diesem Schatze, da machte er denn ein Bündnis mit dem Teufel, damit der ihm dazu verhülfe. Der Teufel war auch willig und sagte, daß er ihm durch ein Zeichen den Ort angeben wolle, damit er ihn in der Nacht finden könne. So wartete denn der Bauer bis um Mitternacht und ging nun seines Schatzes schon ganz gewiß nach der bestimmten Stelle, allein wie er dahin kam, hatte der Teufel in einem weiten Umkreis Sträuße gesteckt, so daß der Bauer sich vergeblich mit Graben abmühte und nichts fand.
Mehrere Leute aus Wadekath vereinigten sich auch einmal die goldene Wiege zu heben, gingen daher zur Nacht hinaus und machten sich frisch an die Arbeit. Da ging denn auch zuerst alles ganz gut vonstatten; wie sie aber eine Welle gegraben hatten, wards anders, denn der eine hebt so von ungefähr die Augen auf, da sieht er einen schwer beladenen Heuwagen dicht an sich vorüberfahren, den zieht ein kleiner Hahn mit der größten Leichtigkeit, so daß es ihm ganz grausig wurde; kaum ist der Spuk verschwunden, so geht ein Feuer auf und erhellt rings umher den ganzen Himmel, allein sie ließen sich durch das alles noch nicht stören, sondern gruben frisch weiter. Da kamen plötzlich schwarze Männer dahergegangen, die schleppten schwere Balken heran und richteten einen großen Galgen auf. Wie der nun fertig war, stiegen sie herab und wollten den ersten der Gräber greifen um ihn daran aufzuknüpfen, da rief er unwillkürlich, nicht ihn sollten sie aufhängen, sondern seinen Nebenmann, und augenblicklich war alles wie der Wind zerstoben; aber die Wiege haben sie auch nicht gefunden.
Schloß Grunewald
Im Grunewald ist manche Stelle, wo es nicht ganz richtig sein soll; vor allem aber spukt es im Grunewalder Schloß. Waren einmal ein paar Fischer zur Herbstzeit im Schloß und hatten sich, nachdem sie bis spät am Abend gefischt, müde in dem Seitengebäude in einem eine Treppe hoch gelegenen Zimmer zum Schlafen hingelegt. Sorgfältig hatten sie die zwei Türen, sowohl die unten an der Treppe als auch die andere, welche oben vom Treppenflur in das Zimmer führt, zugemacht. Auch die dritte Tür, die nach der angrenzenden Kammer geht, war fest zu, wie sie denn auch keiner ohne die zugehörige Klinke überhaupt öffnen kann.
Als sie nun im tiefen Schlaf lagen, kam es laut und vernehmlich »trott, trott, trott« die hölzerne Treppe herauf, die Stubentür flog auf, und sausend stürzte es durch die Stube. Die Kammertür öffnete sich, und heulend wie ein Sturmwind zog’s in die Kammer hinein. Dann war’s still im Zimmer. Da mit einemmal fuhr es aus dem Schlot und polterte den Ofen hinab. Wieder war dann alles still. Die Männer aber waren gleich anfangs aufgewacht und zitterten und bebten vor Entsetzen, eiskalt fuhr es ihnen durch Mark und Bein, es wagte keiner aufzusehen, sondern alle zogen sich ihre Mäntel übers Gesicht, als es bei ihnen vorbeiging. Als aber das Tosen und Poltern im Ofen vorbei war, fuhren sie auf und im Nu, sie wußten selbst nicht wie, waren sie die Treppe hinunter und stürzten über den Hof in die Kutscherstube; erst da wagten sie aufzuatmen.
Ein anderes Mal passierte ähnliches, als sie in der Kutscherstube selbst schliefen. Da öffnete sich plötzlich die Pferdestalltür und der Kutscher kam zitternd zu ihnen in die Stube. Hinter ihm raste es wie ein Wirbelwind, riß die Flurtür auf und fuhr durch den schmalen Flur nach dem Hof hinaus. Wie sie da ans Fenster eilten, sahen sie mit Schrecken, wie es im Mondschein wild auf dem Hof und an den Wänden der Gemäuer herumjuchte und tobte wie die wilde Jagd und ganz deutlich eine weiße Gestalt da herumstürmte. Derartiges wollen die Leute, die dort verkehren, öfters erlebt haben.
Namentlich soll aber der alte Kellermeister (der auch auf dem Bild am Eingang abgebildet ist) des Nachts um zwölf Uhr noch oft die große Wendeltreppe des Schlosses herabkommen und mit den Schlüsseln klappern. Auch fangen manchmal die alten großen Bratspieße unten in der gewölbten Küche an, sich von selbst zu drehen. Das Leben, das hier früher gewesen zu der alten Kurfürsten Zeiten, erklärte dabei der Erzähler, ist noch nicht vollständig zur Ruhe gekommen, und damals ist auch manches passiert, was jetzt nicht mehr vorkommt. So soll in einem Zimmer des südlichen Flügels einmal jemand eingemauert worden sein. Einige meinen, es sei die schöne Gießerin Anna Sydow gewesen, welche Kurfürst Joachim liebgehabt und deren Geist nun noch spuke; andere behaupten, es sei eine Hofdame, welche er geliebt und die seine Gemahlin während seiner Abwesenheit lebendig da hat einmauern lassen. Wunderlich sieht die Stelle allerdings aus, zumal eine kleine Wendeltreppe im oberen Stock sich gerade an sie anschließt und früher von dort auch nach unten geführt zu haben scheint; wer weiß aber, ob da überhaupt etwas eingemauert war und die Treppe nicht einfach abgebrochen und die Stelle zugemauert wurde?
Der Name von Pritzwalk
Vor alters war da, wo jetzt die Stadt Pritzwalk liegt, ein großer Wald, bis endlich einmal mehrere Handwerker und Landleute, zur Zeit, als in hiesiger Gegend noch Wenden wohnten, Lust bekamen, sich hier niederzulassen. Wie sie nun den Anfang damit machen wollten, die Bäume auszuroden, da fanden sie einen Wolf unter einer Linde liegen, den schrien sie an.»Priz wolk« oder »Priz fouk! « das heißt zu deutsch: »Fort, Wolf! « Und wie sie nun bald darauf die Stadt an diesem Ort erbauten, da nannten sie diese Prizwalk, und den Namen hat sie bis heute behalten. Zum Andenken hat man auch einen Wolf, der unter einer Linde fortflieht, ins Stadtwappen gesetzt.
Wie Ferch entstand
Zur Zeit, als es noch Ritter im Land gab, lebte in einem Waldhaus am Schwielowsee eine Fee. Eines Tages durchstreifte ein fremder Ritter die Wälder um den Schwielowsee. Er verirrte sich. Die Nacht brach herein, ohne daß er auf den rechten Weg gekommen war. Da schimmerte durch die Baumstämme ein schwacher Lichtschein, auf den er zuging. Bald stand er vor dem Waldhaus. Auf sein Klopfen ließ ihn die freundliche Fee eintreten. Sie fand Wohlgefallen an dem schmucken Edelmann und bezauberte ihn deshalb, so daß er Pflichten und Heimat vergaß. Lange mochte er so bei der Fee geblieben sein. Da läuteten eines Tages irgendwo Kirchenglocken; denn deutlich wurde ihr Schall über den Schwielowsee getragen. Nun packte den Ritter tiefe Reue. Sofort wollte er das Waldhaus verlassen. Doch die schöne Fee hielt ihn noch einen Tag zurück. Sie wußte nicht den wahren Grund für des Ritters Verhalten und meinte, es wäre ihm nur zu einsam im Wald. Darum nahm sie ihn am nächsten Morgen bei der Hand und führte ihn auf einen Berg am Schwielowsee. Und siehe! Da, wo sonst Wälder sich ausbreiteten, lag plötzlich eine von der Fee über Nacht hervorgezauberte Ortschaft, die der Ritter vorher noch nie gesehen hatte. Dieser Ort war Ferch.
Die Sage meldet nicht, was nun geschah. Doch das ist unbestritten bis auf den heutigen Tag Wahrheit geblieben: Ferch macht noch immer auf jeden Wanderer den Eindruck, als könnte es nur von den Zauberhänden einer gütigen Fee und nicht von Menschenhand geschaffen worden sein.
Der Name von Köpenick
Vor langen Zeiten war einmal ein alter Fischer, der in der Nähe von Köpenick seinem Gewerbe nachging und namentlich am Müggelsee seine Netze auszuwerfen pflegte. Da geschah es einst, daß er auch dort war und ein großer Krebs vom See ans Ufer geschwommen kam, ihn anredete und sagte, er wolle ihm viel Glück bringen und ihn zum reichen Mann machen, wenn er ihn aus dem Wasser nähme und nach dem ersten Ort jenseits der Spree brächte. Darauf nahm der Fischer den Krebs und ging mit ihm nach Köpenick zu, wo er uneingedenk dessen, was derselbe gesagt, ihn auf den Markt brachte, um ihn zu verkaufen. Da das Tier so groß war, fand sich auch bald ein Käufer; aber da begann der Krebs auf einmal zu rufen: »Kööp nich! Kööp nich!« Nun gedachte der Fischer wieder der Bedingung, nahm seinen Krebs und ging weiter. Darauf setzte er über die Spree und kam nach Stralau, wo er den Krebs um vieles Geld verkaufte. Zum Andenken aber an die Worte, die der Krebs dort vor allen Leuten auf dem Markt gesprochen, wurde die Stadt Köpenick genannt, und die Stralauer zeigen noch alljährlich am Tag des großen Fischzugs, am 24. August, den großen Krebs, der von Köpenick dahin gebracht wurde.
Die Ruppiner Kobolde
Als die Stadt Neu-Ruppin am Ende des vorigen Jahrhunderts abbrannte und schon die Kirche in Flammen stand, sah man hoch oben auf dem Turme einen kleinen roten Kobold, der bald hier bald da aus den Luken herausschaute, und die unten stehenden Leute, denn der Kirchhof war ganz mit Menschen angefüllt, auslachte. Wie er aber hinaufgekommen, wußte sich niemand zu erklären, denn die Türen der Kirche und des Turms waren alle fest verschlossen.
Ein anderer Kobold hält sich am Ufer des Sees auf, und oft hören die Fischer abends jemanden mit lauter Stimme rufen: »Hol ööwer!« Fahren sie dann nach der andern Seite des Sees hinüber, so ist niemand da, und sie erkennen zu spät, daß der Kobold sie gefoppt, dessen lautes Hohngelächter auch alsbald aus dem Dickicht des Rohrs erschallt.
Pumphuts Tod
So gut es Pumphut in seinem Leben gegangen ist, weil er furchtbar stark war und vieles wußte, so schrecklich ist doch sein Tod gewesen. Einst wanderte er mit einem Müllergesellen durch das Land. Als sie an einem großen Baum vorüberkamen, schoß von diesem eine große, mächtige Schlange herab, gerade auf Pumphut zu. Da half kein Wehren. Grausig ist es anzusehen gewesen, wie Pumphut mit der Schlange gerungen hat. Der Schlange ist ein Kopf nach dem andern aus dem Hals herausgewachsen, bis es an die hundert waren. Pumphut ist schließlich von der Schlange lebendig verzehrt worden.
Der unfehlbare Schuß im Prenzlauer Stadtwald
Im großen Prenzlauer Stadtwald war einmal ein Jägersbursche bedienstet, der auch das entfernteste Ziel nie verfehlte. Einst traf er im Wald den Prenzlauer Pfarrherrn, und sie gingen eine Weile mitsammen weiter. Im Gespräch fragte der Pfarrer den Jägersburschen, ob er denn wohl auch ein sicherer Schütze sei.
»Wie ich schieße, will ich Ihnen gleich zeigen«, antwortete der Bursche. »Sehen Sie dort den Raben fliegen?«
Der Pfarrer bejahte, bemerkte aber zum Jäger, daß es doch schier unmöglich sei, aus solcher Entfernung einen Vogel zu treffen. Der Jägerbursche lächelte, murmelte ein paar Worte in fremder Sprache und riß das Gewehr an die Backe. Der Schuß krachte, und der Rabe fiel wie ein Stein zur Erde. Stolz auf sein Werk wandte sich der junge Forstmann wieder zu dem Pastor, gewahrte aber, daß dieser sehr ernst, fast verstört aussah.
»Nun,« fragte er heiter, »gefiel Ihnen der Schuß?«
»Der Schuß war gut,« gab der Pfarrer zur Antwort, »aber, mein Sohn, ist dir auch die Bedeutung des Spruches bekannt, den du gebraucht hast?«
»Nein,« sagte der Forstgehilfe, »was er bedeutet, weiß ich nicht. Ich habe ihn von einem alten Jäger gehört, der ihn wohl selbst nicht verstand.«
»So höre,« erwiderte der Pfarrherr ernst, »ich werde dir den arabischen Spruch verdeutschen, er lautet:
Teufel, komm, halt mir das Tier;
Ich gebe dir Leib und Seele dafür.«
Als der Jägersbursche das hörte, wurde er leichenblaß. »Bei Gott,« rief er, »das habe ich nicht gewußt.« Dann nahm er seine Flinte und zerschlug sie am nächsten Baum. Er hat nie wieder einen Schuß abgegeben.
Die drei Linden auf dem Heiligen-Geist-Kirchhof
Auf dem Kirchhof des früheren Hospitals zum Heiligen Geist (zwischen Heiligengeistgasse und Spandauer Straße) haben vor vielen Jahren drei gewaltig große Linden gestanden, die mit ihren Ästen den ganzen Raum weithin überdeckten.
Das Wunderbarste an diesen Bäumen war, daß sie angeblich mit den Kronen in die Erde gepflanzt waren und dennoch ein so herrliches Wachstum erreicht hatten.
»Aber dieses Wunder«, heißt es in einem alten Bericht, »hatte auch die göttliche Allmacht gewirkt, um einen Unschuldigen vom Tod zu erretten. Vor vielen, vielen Jahren lebten nämlich in Berlin drei Brüder, die mit der herzlichsten Liebe einander zugetan waren und mit Leib und Leben füreinander einstanden. So lebten sie glücklich und zufrieden, als dies Glück plötzlich durch einen Vorfall gestört wurde, den wohl keiner hätte ahnen können. Denn so unbescholtenen Wandels auch alle drei bisher gewesen waren, wurde doch der eine von ihnen plötzlich des Meuchelmordes angeklagt und sollte, obgleich er noch kein Geständnis getan, den Tod erleiden, da alle Umstände die ihm zur Last gelegte Tat wahrscheinlich machten. Noch saß er im Gefängnis, als eines Tages seine beiden Brüder vor dem Richter erschienen und jeder von ihnen sich des begangenen Mordes schuldig erklärte. Kaum hatte dies der zum Tod Verurteilte vernommen, als auch er, indem er erkannte, daß seine Brüder ihn nur retten wollten, der Tat geständig wurde, und so auf einmal statt eines Täters drei vor Gericht standen, von denen jeder mit gleichem Eifer behauptete, daß er allein jenen Mord begangen.
Da wagte der Richter nicht den Urteilsspruch an dem ersten zu vollstrecken, sondern legte den Fall zuvor noch einmal dem Kurfürsten vor, welcher verordnete, daß hier ein Gottesurteil entscheiden solle. Er befahl daher, ein jeder der drei Brüder solle eine junge, gesunde Linde mit der Krone in das Erdreich pflanzen, so daß die Wurzeln nach oben stünden; wessen Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott selbst dadurch als den Täter bezeichnet.
Dies Urteil sollte dann sogleich beim Anbruch des Frühlings vollzogen werden, aber siehe da! nur wenige Wochen vergingen, und alle drei Bäume, die man auf dem Heiligen-Geist-Kirchhof gepflanzt hatte, bekamen frische Triebe und wuchsen bald zu kräftigen Bäumen heran. So wurde denn die Unschuld der drei Brüder erwiesen, und die Bäume haben noch lange in üppiger Kraft an der alten Stelle gestanden, bis sie endlich verdorrt sind und anderen Platz gemacht haben.«
Die Erbauung des Klosters Lehnin
Der Markgraf Otto I. von Brandenburg jagte einst in Gesellschaft seiner Edelleute in der Gegend, wo jetzt das Kloster Lehnin steht. Von der Jagd ermüdet, legte er sich unter eine Eiche, um auszuruhen. Hier schlief er ein und träumte, daß ein Hirsch auf ihn eindrang und mit dem Geweih ihn aufspießen wollte; er wehrte sich tapfer mit seinem Jagdspieß gegen diesen Feind, konnte ihm aber nichts anhaben, vielmehr drang der Hirsch immer hitziger gegen ihn an. In dieser Gefahr rief der Markgraf Gott um Beistand an, und kaum war das geschehen, da verschwand der Hirsch und er erwachte. Er erzählte hierauf seinen Begleitern diesen Traum, und da er schon längst den Vorsatz gefaßt hatte, aus Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die ihn bisher in Gefahren gnädig beschützt hatte, und um sich der göttlichen Gnade noch mehr zu versichern, ein Kloster zu stiften, auch seine Begleiter den Traum so auslegten, daß sie meinten, der Hirsch, der erst bei Anrufung des göttlichen Namens von ihm gewichen, sei niemand als der Teufel selber gewesen, rief er aus: »An diesem Ort will ich eine Feste bauen, aus welcher die höllischen Feinde durch die Stimmen heiliger Männer vertrieben werden sollen, und in welcher ich den jüngsten Tag ruhig erwarten will!« Darauf legte er auch sogleich Hand ans Werk, ließ aus dem Kloster Sittchenbach (oder Sevekenbecke) im Mansfeldischen Zisterzienser-Mönche kommen und baute das Kloster, das er wegen der noch dem Christentum sehr abgeneigten slawischen Umwohner mit Befestigungen versah, von denen noch Spuren vorhanden sind. Weil aber ein Hirsch den Anlaß zur Erbauung des Klosters gegeben hatte, und dieser in der alten slawischen Sprache den Namen Lanie führte, so nannte er es Lehnin. In der Kirche zeigt man noch bis auf den heutigen Tag den Stumpf der Eiche, unter welcher der Markgraf den Traum gehabt, und hat ihn zum ewigen Andenken an den Stufen vor dem Altar eingemauert.
Der Schlüssel im Grabe
In der Gegend von Magdeburg, andere sagen auch in der Mark, ist vor mehreren Jahren ein Bischof oder Graf gestorben, der ist ein gar reicher Mann gewesen; da er nun aber an seinen Schätzen sehr gehangen, so hat er sie verborgen und auch der Schlüssel zu dem Kasten ist verschwunden; man sagt, der liegt bei ihm in dem Grabgewölbe und die Erben könnten ihn nur erlangen, wenn sich einer finde, der neun Nächte hintereinander bei dem Sarge wache, dann werde der Tote erlöst sein und den verschwundenen Schlüssel herausgeben. Aber das ist ein gar schweres Ding, denn der Verstorbene erscheint oft als ein ungestaltes Gespenst, das halb tierische, halb menschliche Gestalt hat, dann wieder oben als ein großer Hund, unten als ein Pferd sich zeigt und dem ähnliche Gestalten annimmt. Deshalb haben alle, die ihn zu erlösen versuchten, wieder von ihrem Unternehmen abstehen müssen, da sie zuletzt die Furcht übermannte, und keiner hat es bis jetzt über vier Nächte ausgehalten; weshalb auch die Erben dem, welcher ihn wirklich erlösen wird, für jede Nacht, da er wacht, tausend Taler geboten haben.
Das gefangene Lüchtemännchen im Havelland
Einst wollte ein Hirt abends seine Herde von der Weide heimtreiben. Als er nahe bei seinem Dorfe Ferchesar im Westhavellande war, bemerkte er, daß ihm eine Kuh fehle. Sofort kehrte er um und suchte, konnte sie aber nicht finden. Ermüdet setzte er sich auf einen Baumstumpf und zündete seine Pfeife an. Da schwirrte plötzlich eine Schar von Lüchtemännchen (Irrlichtern) heran und umringte ihn von allen Seiten. Anfangs sah er ihnen ruhig zu; als sie ihn aber gar zu dicht umschwärmten, fürchtete er, sie würden ihm das Haar versengen, und schlug mit seinem Stock um sich. Aber je heftiger er dareinhaute, desto ärger trieben sie es. Als er sich ihrer gar nicht mehr erwehren konnte, griff er mit der Hand in den Schwarm und haschte eins von den Lichtlein.
In demselben Augenblick war die ganze leuchtende Schar verschwunden, und der Hirt hatte kein Lüchtemännchen, sondern einen Knochen in der Hand, den er mit nach Hause nahm. Andern Tags fand er auf der Weide die verirrte Kuh wieder. Als er aber abends heimkehrte, war die ganze Dorfstraße voll von Lüchtemännchen, die ihn umringten wie am Tag vorher. Aber es waren ihrer noch viel mehr, und sie riefen ihm zu: »Gib uns unsern Kameraden wieder, sonst stecken wir dir dein Haus in Brand.«
Vergebens beteuerte der Hirt, er habe nur einen Knochen mitgenommen; sie drohten ihm noch ärger. Da eilte der Hirt ins Haus und hielt den Knochen auf der flachen Hand zum Fenster hinaus. Mit einemmal war es wieder ein Lüchtemännchen, das sich, von den andern umringt, ins Freie schwang, und bald war die ganze Schar hüpfend und springend zum Dorfe hinaus.
Der Hirt aber hat von dieser Zeit an keine Hand mehr gegen ein Lüchtemännchen gehoben, so viele er ihrer auch fernerhin antraf.
Die großen Steine bei Groß-Ballerstedt
Zwischen den Dörfern Groß-Ballerstedt und Grävenitz, südwestlich von Osterburg, liegen zwei gewaltige, sogenannte Hünenbetten, die aus großen Steinblöcken bestehen, die in einem Viereck gesetzt sind, in der Mitte aber liegen die größsten derselben, und zwar in dem wenige Minuten von Grävenitz in den Fichten gelegenen sechs solcher, die auf untergelegten kleineren ruhen. Um diese her sind sechzig bis siebzig in beschriebener Gestalt aufrecht aufgestellt. Diese Steine, sagt man, haben die Riesen vor alten Zeiten mit Schleudern (Slapslingers) von Schorstedt nach Grävenitz geworfen; andere erzählen, daß dort der Riesenkönig begraben liege, weshalb die Stelle auch noch »upt Graft« heißt.
Das zweite dieser Gräber liegt auf dem halben Wege zwischen Grävenitz und Groß-Ballerstedt auf einer Anhöhe mitten im Felde; ein drittes lag noch vor wenigen Jahren dicht bei Ballerstedt, ist aber jetzt zerstört, indem man die Steine zum Bau von Häusern verwandt hat. Unter diesen Steinen sollen die in der Schlacht zwischen den Markgrafen Albert und Huder erschlagenen Wenden begraben liegen. Nachdem nämlich dem letzteren die Altmark von Kaiser Heinrich genommen und dem Markgrafen Albert verliehen war, erhob sich zwischen beiden ein blutiger Krieg, in welchem Huder dreimal geschlagen wurde, zuerst südlich von Stendal bei Darnstedt, wo noch ein Steinblock mit der Spur eines Pferdehufs gezeigt wird, von dem man Ähnliches, wie von dem Steine bei Salzwedel, erzählt, dann bei Ballerstedt, und endlich bei Osterburg an dem Wasser, die Klia genannt, wo die Schlacht so blutig war, daß die Äcker noch vor dreihundert Jahren gerötet waren, und der Name der Klia in den der roten Furt umgewandelt wurde.
Die Bauern erzählen noch von allerhand Gespenstern und seltsamem Geschrei, so man hier sowohl bei Tage als bei Nacht siehet und höret, und früher wagte auch niemand, irgend einen der Steine zu verrücken oder von der Stelle zu nehmen. Ein Müller aus der Nähe unterfing sich einmal, einen derselben fortzunehmen, spaltete ihn und fertigte einen Mühlstein daraus, aber er hat kein Getreide damit mahlen können, sondern es ist wie zerquetscht darunter liegen geblieben.
Feuer bannen
Unter den Bürgermeistern, welche die Stadt Stendal bisher hatte, ist es öfter vorgekommen, daß, wenn eine Feuersbrunst ausbrach, gewöhnlich gleich mehrere Häuser vom Feuer zerstört wurden, aber seitdem der jetzige Bürgermeister das Regiment führt, ist in diesem Falle höchstens ein Haus vernichtet worden. Das ist aber so gekommen: Als nämlich auch einmal eben eine Feuersbrunst ausbrach, kam ein kleines Männchen zu ihm, brachte ihm einen Schimmel und sagte, auf dem solle er um das Feuer reiten, da werde es sogleich stille stehn. Das hat er denn auch getan, und augenblicklich war dem Feuer Einhalt getan. So hat er es jedesmal, sobald irgendwo ein Feuer aufschlug, wiederholt, und nie ist mehr als ein Haus von demselben verzehrt worden. Aber der Schimmel ist alt geworden und endlich gestorben; da war nun der Bürgermeister in großer Not, denn er sah augenscheinlich, als wieder ein Feuer ausbrach, daß es weiter und weiter um sich griff; doch faßte er sich endlich und lief nun um das Feuer herum, wie er früher herum geritten war, und siehe da! das hatte dieselbe Wirkung; das Feuer stand still. Das tut er nun jedesmal, und nie brennt mehr als ein Haus ab.
Der Schmied zu Jüterbog
Zu Jüterbog lebte einmal ein Schmied, der war ein sehr frommer Mann und trug einen schwarz und weißen Rock; zu ihm kam eines Abends noch ganz spät ein Mann, der gar heilig aussah, und bat ihn um eine Herberge; nun war der Schmied immer freundlich und liebreich zu jedermann, nahm daher den Fremden auch gern und willig auf und bewirtete ihn nach Kräften. Andern Morgens, als der Gast von dannen ziehen wollte, dankte er seinem Wirt herzlich und sagte ihm, er solle drei Bitten tun, die wolle er ihm gewähren. Da bat der Schmied erstlich, daß sein Stuhl hinter dem Ofen, auf dem er abends nach der Arbeit auszuruhen pflegte, die Kraft bekäme, jeden ungebetenen Gast solange auf sich festzuhalten, bis ihn der Schmied selbst loslasse; zweitens, daß sein Apfelbaum im Garten die Hinaufsteigenden gleicherweise nicht herablasse; drittens, daß aus seinem Kohlensack keiner herauskäme, den er nicht selbst befreite. Diese drei Bitten gewährte auch der fremde Mann und ging darauf von dannen. Nicht lange währte das nun, so kam der Tod, wollte den Schmied holen; der aber bat ihn, er möge doch, da er sicher von der Reise zu ihm ermüdet sei, sich noch ein wenig auf seinem Stuhl erholen; da setzte sich denn der Tod auch nieder, und als er nachher wieder aufstehen wollte, saß er fest. Nun bat er den Schmied, er möge ihn doch wieder befreien, allein der wollte es zuerst nicht gewähren; nachher verstand er sich dazu unter der Bedingung, daß er ihm noch zehn Jahre schenke; das war der Tod gern zufrieden, der Schmied löste ihn, und nun ging er davon. Wie nun die zehn Jahre um waren, kam der Tod wieder, da sagte ihm der Schmied, er solle doch erst auf den Apfelbaum im Garten steigen, einige Äpfel herunterzuholen, sie würden ihnen wohl auf der weiten Reise schmecken; das tat der Tod, und nun saß er wieder fest. Jetzt rief der Schmied seine Gesellen herbei, die mußten mit schweren eisernen Stangen gewaltig auf den Tod losschlagen, daß er ach und wehe schrie und den Schmied flehentlich bat, er möge ihn doch nur frei lassen, er wolle ja gern nie wieder zu ihm kommen. Wie nun der Schmied hörte, daß der Tod ihn ewig leben lassen wolle, hieß er die Gesellen einhalten und entließ jenen von dem Baum. Der zog glieder- und lendenlahm davon und konnte nur mit Mühe vorwärts; da begegnete ihm unterwegs der Teufel, dem er sogleich sein Herzleid klagte; aber der lachte ihn nur aus, daß er so dumm gewesen, sich von dem Schmied täuschen zu lassen und meinte, er wolle schon bald mit ihm fertig werden. Darauf ging er in die Stadt und bat den Schmied um ein Nachtlager; nun war’s aber schon spät in der Nacht und der Schmied verweigerte es ihm, sagte wenigstens, er könne die Haustür nicht mehr öffnen, wenn er jedoch zum Schlüsselloch hineinfahren wolle, so möge er nur kommen. Das war nun dem Teufel ein leichtes und sogleich huschte er durch, der Schmied war aber klüger als er, hielt innen seinen Kohlensack vor, und wie nun der Teufel darinsaß, band er ihn schnell zu, warf den Sack auf den Amboß und ließ seine Gesellen wacker drauflosschmieden. Da flehte der Teufel zwar gar jämmerlich und erbärmlich, sie möchten doch aufhören, aber sie ließen nicht eher nach, bis ihnen die Arme von dem Hämmern müde waren und der Schmied ihnen befahl aufzuhören. So war des Teufels Keckheit und Vorwitz gestraft und der Schmied ließ ihn nun frei, doch mußte er zu demselben Loch wieder hinaus, wo er hineingeschlüpft war und wird wohl kein Verlangen mehr nach einem zweiten Besuch beim Schmied getragen haben.
Die Hexe im Teufelssee
An den Hintergebäuden der Försterei Tornow vorbei führt ein Fußpfad hinab in eine von Kieferngehölz bestandene Schlucht, an deren einem Ende der kleine, dichtumschattete und fast kreisrunde Teufelssee liegt. Diese See, heißt es, habe seinen Namen daher erhalten, daß man einst versucht habe, den Teufel darin weiß zu waschen.
Aber auch noch eine andere Sage ist von ihm im Volk bekannt.
Einst trieb hier, so erzählt man sich in Zermützel, einem in der Nähe gelegenen Dorf, Frau Klöckner aus Binenwalde, eine arge Hexe, ihr Wesen. Schon oft war sie, wenn ein . er dort angelte, blutrot aus dem Wasser emporgestiegen und hatte den einsamen Angler am Land getötet oder auch wohl mit sich in das kühle Wasser hinabgezogen. Vergebens suchte man diesem Treiben ein Ende zu machen. Da kam man denn auf den Gedanken, sie zu erschießen; aber sooft man es auch versuchte, keine Kugel wollte treffen; ja der leichtsinnige Schütze konnte von Glück sagen, wenn er selbst bei dem Wagstück mit heller Haut davonkam, da die Kugel jedesmal zurückprallte. Da meinte denn einer, der in solchen Dingen Bescheid wußte, man solle nur eine silberne Kugel in das Gewehr laden, dann würde man sie schon treffen, denn eine Hexe könne nur mit Silber erschossen werden. Aber man befolgte den Rat nicht, da man fürchtete, die Sache könne zu teuer zu stehen kommen, wenn sie öfter fehlschlüge. Schließlich gelang es eines schönen Tages, die Hexe mit einem Milchbrot in eine Flasche zu locken und diese fest zu verkorken. Darauf machte man sich denn mit der Flasche nach Rheinsberg auf den Weg. Aber unterwegs ging die Flasche durch irgendeinen Zufall auf, und die Hexe entkam nach dem Hacht, einer dicken Schonung in der Nähe von Rheinsberg, und dort soll sie noch heute ihr Wesen treiben.
Die Stadt im Plagesee
Vor langen Jahren ging einmal ein Bauer aus Brodowin nach Oderberg. E war schon stockfinstere Nacht, und so kam er vom Weg ab und geriet in die Teufelsberge. Plötzlich gewahrte er eine Gestalt, die ihn mit unsichtbarer Hand immer weiter und weiter, bergauf und bergab führt. Auf einmal war er in einer großen schönen Stadt, die er zuvor noch nie gesehen. Und wie er sich an all der Pracht sattgesehen, wird er wieder hinausgeführt. Da sieht er sich verwundert um, und beim Schein des Mondes, der indes aufgegangen, erkennt er, daß er dicht vor dem großen Plagesee steht. Und nun hat er wohl erraten, wo er gewesen ist, in der untergegangenen Stadt im Plagesee.
Spuk in Tegel
Tegel ist ein ehemaliges Jagdhaus des Großen Kurfürsten, das zum Unterschied vom nahe gelegenen Dorf gleichen Namens Schloß Tegel heißt. Hier war ein Poltergeist zu Hause, der Tag und Nacht lärmte und den Bewohnern keine Ruhe ließ.
Zunächst war der Geist nur durch sein Lärmen lästig, schließlich aber fing er an, die Leute mit Steinen zu bewerfen. Da diese glühend heiß waren, vermutete man, daß das Gespenst seine Wurfgeschosse direkt aus der Hölle beziehe. Manchmal knallte der Geist mit Peitschen in den Räumen des Schlosses; auch mit den Eßwaren trieb er Schindluder und machte sie häufig ungenießbar, mit dem Feuer aber ging er ganz gefährlich um. Hie und da konnte man ihn sehen. Bald zeigte er sich als kleines Männchen, dann war er wieder riesengroß, einmal sah er wie ein schwarzer Kobold aus, dann wieder wie ein weißgrauer Dunst. In ganz Berlin kannte man ihn, in allen Kreisen der Gesellschaft sprach man von diesem unheimlichen Spuk. Alle Versuche, ihn zu vertreiben, blieben lange Zeit erfolglos. Endlich verschwand er und zeigte sich nicht mehr.
Goethe erinnert im Faust spöttelnd an diesen Spuk:
Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel,
Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.
Abenteuer der Kurrende-Knaben in der Kirche zu Spandau
Die Spandauer Kirche war früher katholisch, und die Kurrende-Knaben mußten die Kirche reinigen. Diese waren auch einst damit beschäftigt und in ihrem Übermut spielten sie Karten. Da kam auf einmal einer an sie heran – es war der Böse – und wollte mitspielen. Ruhig gestatteten sie es auch. Als er aber eine Karte nach der andern fallen ließ, merkten sie wohl, daß es der Böse wäre, spielten aber doch weiter, und einer, der viel verlor, meinte sogar, ihn solle der Teufel holen, wenn er noch weiter verlöre. Er spielte weiter und verlor wieder. Da sprang der Böse auf, riß ihn zu sich, zog ihn mit in die Höhe, die Mauer tat sich auf und beide verschwanden. Und der Riß in der Mauer ist noch bis auf den heutigen Tag zu sehen und kann nicht übertüncht werden.
Auch ein anderes Mal soll durch den Übermut eines Kurrende-Knaben etwas Merkwürdiges dort passiert sein. Bis vor hundert Jahren waren nämlich in der Kirche noch mächtige dicke Bücher, die an Ketten lagen. Darunter sollen auch das VI. und VII. Buch Mose gewesen sein, welche wir jetzt nicht mehr haben, in denen aber, wie man allgemein erzählt, alle die alten Zaubergeschichten enthalten sind. Wie nun wieder einmal die Kurrende in der Kirche reinmacht, kommen sie an diese Bücher, und vorwitzig, wie die Knaben sind, werden sie sich an dieselben machen und sehen, was darin steht. Kaum aber haben sie selbige aufgeschlagen und fangen an zu lesen, da wird auch die ganze Kirche von unten bis oben voll von allerhand Geistern. Natürlich überfiel sie eine furchtbare Angst, und es war noch ein Glück, daß der Prediger hinzukam, der fing an, das Buch rückwärts zu lesen – da verschwand der Spuk.
Ähnliches erzählt man auch in Bernau. Da fand einmal ein Knecht angeblich das VI. und VII. Buch Mose, welche der Gutsherr hatte offen liegen lassen. Wie der anfing zu lesen, da füllte sich, heißt es, das ganze Gehöft mit Ratten, und als er weiter las, mit Raben, die kamen von allen Seiten herbeigeflogen, dann kamen lauter schwarze Männer und anderer Spuk. Zum Glück kam auch hier der Gutsherr hinzu und bannte alles, indem er rückwärts anfing zu lesen.
Die wahre Bibel, sagt man dort, liegt in Leipzig, die wird nie losgemacht. Nur Napoleon I. hat sie sich losmachen lassen, aber ist damit auch nicht weiter gegangen als bis vor den Altar und hat dort darin gelesen. Da hat er denn gesehen, wie alles kommen würde in Rußland, welche Generale ihm untreu werden würden usw. Nichtsdestoweniger hat er den Zug nach Rußland freilich doch unternommen.
Der unsichtbare Bauer
Nur in der Johannisnacht, in der Stunde zwischen elf und zwölf Uhr, blüht das Kraut Reenefarre (Rainfarren), und wer diese Blüte bei sich trägt, der wird dadurch den übrigen Menschen unsichtbar. So ging es auch einmal einem Bauern in der Gegend von Brodowin; der fuhr nämlich gerade zu dieser Zeit mit seiner Frau nach der Stadt, um Bier zu holen, und stieg, da die Pferde im Sand nur langsam gehen konnte, vom Wagen, um ein Weilchen nebenher zu gehen. Auf einmal bemerkte seine Frau, daß er verschwunden ist, aber gleichwohl sieht sie, daß die Zügel wie vorher gehalten werden; sie ruft daher, und er antwortet ganz verwundert, ob sie ihn denn nicht sehe, er sei ja dicht neben ihr am Wagen. Aber sie sah ihn nicht, und dabei war’s doch, da ja Johannisnacht war, so helle, daß man hätte eine Stecknadel finden können. So ging’s fort bis nach der Stadt, sie sprach mehrmals mit ihm, er antwortete auch, aber blieb immer noch unsichtbar. Als sie nun nach der Stadt kamen, hörte der Wirt und alles Hausgesinde wohl den Bauern reden, aber sie sahen ihn nicht, so daß dem Bauern ganz angst wurde, weil er nicht wußte, was er daraus machen solle. Da sagte ihm der Wirt, der ein kluger Mann war, er solle doch einmal die Schuhe ausziehen; das tat er auch, und augenblicklich war er wieder sichtbar, aber nun war an seiner Stelle der Wirt verschwunden. Nach einer kleinen Weile kam auch dieser wieder zum Vorschein und brachte dem Bauern seine Schuhe, und nun waren beide wieder sichtbar wie zuvor. Das war, wie der Wirt in späterer Zeit einmal erzählt hat, daher gekommen, daß der Bauer während des Gehens mit seinen Füßen die Blüten vom Rainfarren abgestreift hatte und diese ihm in die Schuhe gefallen waren; daher hatte ihm der Wirt geraten, er solle sie ausziehen, und hatte in seiner Kammer die Blüten herausgeschüttet, die er darauf zu seinem eigenen Nutzen, da ja der Bauer nichts davon wußte, aufbewahrt hat.
Wie Brodowin seinen Namen erhielt
Als das Kloster Chorin noch von Mönchen bewohnt war, mußten viele Dörfer dahin bestimmte Abgaben leisten, aus denen die Brüder ihre Bedürfnisse bestritten. So mußte namentlich Brodowin alljährlich Brot und Wein nach Chorin liefern, und davon hat es seinen Namen Brodowin erhalten.
Die Teufelsmühle bei Neu-Brandenburg
Unweit Neu-Brandenburg lagen vor alters nicht weit voneinander in einem großen, finsteren Laubwald zwei Wassermühlen. Die eine davon hieß die Teufelsmühle, weil der leibhaftige Teufel darin wohnte. Dieser hatte mit dem Besitzer der andern Mühle einen Pakt abgeschlossen, wonach der Müller dem Teufel an jedem ersten Ta im Monat eine Seele abliefern mußte. Der Müller erfüllte seinen Vertrag pünktlich. Bald aber war er in den allerärgsten Verruf geraten, denn alle seine Gesellen waren regelmäßig nach kurzer Zeit immer wieder spurlos verschwunden. Eines Tages kam ein Müllerbursch aus dem Schwabenlande zu ihm gewandert. Er hatte keinen Heller mehr im Beutel und war ganz abgerissen, deshalb suchte er um jeden Preis Arbeit. Der Müller nahm ihn auch sofort auf und gab ihm bekannt, daß er am Ersten jedes Monats eine Fuhre Sägespäne zu fahren habe. Der Geselle erklärte sich bereit, diese Arbeit zu übernehmen, und fuhr am andern Tag, der gerade der Monatserste war, mit seiner Ladung zur Teufelsmühle hinab. Als er dort angekommen war, trat ein Herr in weitem Mantel vor das Haus und befahl ihm, die Sägespäne in eine tiefe Grube zu werfen, die im Hof ausgehoben war. In diese Grube hatte der Teufel früher stets unversehens die Gesellen hineingestürzt, wenn sie sich zum Abladen arglos dem Rand der Grube genähert hatten.
Der Müllergeselle, der schon vieles von der Mühle und ihrem Bewohner gehört hatte, weigerte sich, die Fuhre abzuladen, weil er dazu nicht gedungen sei. Wohl oder übel mußte sich jetzt der Teufel selbst an die Arbeit machen. Kaum bückte er sich jedoch über das tiefe Loch, um einen Armvoll Sägespäne hinunterzuwerfen, als der schlaue Schwabe ihn fix beim Schopf faßte und kopfüber hinabwarf. Gleich darauf stieg aus der Grube ein greulicher Schwefeldampf empor, und mit donnerndem Geprassel brachen die Mühle und alle Gebäude des Gehöfts zusammen; von dem Teufelssitz blieb nichts übrig. Eine Rauchsäule erhob sich über den Trümmern und senkte sich dann in die Grube, in die der Teufel gestürzt war. Der mutige Müllergeselle zog leichten Herzens mit seinem Gespann von dannen, der Teufel aber war von da an um seine Beute geprellt.
Der Trümmelmann des Alten Fritz
Der Alte Fritz hatte einen Trümmelmann (Trommler), den er sehr hochschätzte; denn solange dieser die Trommel rührte, war,s eine Lust im Feld zu stehn. Zuletzt freilich nützten dem König auch seine Siege nichts mehr, denn das Geld ging ihm aus; er trug schon löcherige Stiefel, in die das Wasser hineinlief, und stieg deshalb lieber nicht mehr vom Pferde.
Eines Tages ließ der König den Trümmelmann zu sich rufen und sprach zu ihm: »Trümmelmann, du mußt mir einige Scheffel Gold herschaffen, kieke mal, wo du die herkriegst!« Der Trümmelmann machte ein trauriges Gesicht, dann aber fiel ihm ein, daß man dem alten Amtmann von Chorin, einem argen Geizhals und Zauberer, der weder Frau noch Kinder hatte, nachsagte, er habe ungezählte Fässer Goldes in heimlichen Kellern lagern.
Trümmelmann machte sich also auf den Weg. Als er in Chorin anlangte, sah er die Arbeitsleute des Alten sich keuchend bei der Ernte abmühen, denn dem hartherzigen Amtmann ging nichts schnell genug. Trümmelmann stellte sich hin und begann seine Trommel zu schlagen. Gleich bei den ersten Wirbeln belebten sich die Mienen und die Glieder der Arbeiter, und bald lief die Arbeit dahin, als regten sich hundert unsichtbare Hände. Ein solcher Schwung gefiel dem Amtmann, und er überlegte, wie er die wunderbare Trommel an sich bringen könne.
Bei Nacht schlief der Trümmelmann nach schlechtem Abendessen in der Bräustube. An diese stieß eine kleine Kammer, die durch eine schmale offene Spalte mit seinem Schlafraum in Verbindung stand. Der Amtmann hatte ihm streng verboten, hier einzutreten. Gegen Mitternacht erwachte der Trümmelmann von dem Geräusch schlürfender Schritte in dieser Kammer. Dann hörte er eine schwere Tür
gehen, und dampfe Kellerluft drang bis zu ihm hin. Nach einiger Zeit schien sich die schwere Tür wieder zu schließen, und die Schritte entfernten sich.
»Ha,« dachte Trümmelmann, »das muß ich untersuchen!« Leise betrat er die Kammer, schlug mit seinem Zunder Licht und trommelte sachte mit den Trommelstöcken die Wände entlang. Auf einmal wich ein Teil der Wand zurück, und eine steile Treppe zeigte sich, die in einen Keller hinunterführte, wo mehrere Reihen von Fässern übereinanderstanden. Hier also war der Schatz! Der Trümmelmann stieg vorsichtig die Stufen hinab und versuchte, eines der Fässer zu bewegen; aber er war es nicht imstande, denn so groß war sein Gewicht.
Am nächsten Morgen geschah alles wie Tags zuvor. Der Amtmann benahm sich noch ungeduldiger, und Trümmelmann mußte trommeln, bis ihm die Hände erlahmten. Endlich – schon stieg der Vollmond herauf – war die Arbeit getan, die letzte Fuhre, ein Fuder Erbsen, in die Scheuer gebracht.
Der geizige Amtmann aber kümmerte sich nicht mehr um seinen treuen Helfer und bot ihm nicht einmal ein Abendbrot. Da las Trümmelmann mit knurrendem Magen voll Ärger die Erbsen auf, die beim Einfahren der letzten Fuhre zur Erde gefallen waren, um sich daraus selbst ein Gericht zu bereiten. Als er aber die Bräustube betrat, wo er die vorige Nacht geschlafen hatte, schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf. Rasch eilte er in die Nebenkammer, ließ die Wand zurückweichen und streute auf der Treppe, die zum Keller führte, vorsichtig einen Teil der Erbsen aus. Dann kochte er sich die übrigen und legte sich zur Ruhe nieder.
Alles geschah wie in der vorigen Nacht. Aber auf die schlürfenden Schritte und das Ächzen der Tür folgte diesmal ein dumpfer Fall. Dann war alles still. Als Trümmelmann Nachschau hielt, fand er den Alten am Fuß der Treppe tot liegen.
Nun war der König Erbe des einsamen, kinderlosen Geizhalses. Trümmelmann wollte gleich in aller Früh fort, um es dem König zu melden. Doch gerade als er seine Kammer verließ, hörte er Pferdegetrappel, und bald stand der Alte Fritz mit wenigen Getreuen selbst vor ihm und rief: »Trümmelmann, es steht schlecht, vielleicht kannst du noch helfen, her mit dem Geld und deiner Trommel !« Da berichtete Trümmelmann, was er erlebt hatte. Neun volle Wagen Gold konnte der König aus dem Keller wegschaffen lassen, und nun nahm der Krieg bald eine bessere Wendung und fand schließlich sein Ende.
Der Alte Fritz kannte nunmehr keine Geldsorgen.
Der Sichelmann
In früheren Zeiten erschien mittags um zwölf Uhr ein scheußlicher Mann von eigentümlicher Gestalt auf dem Feld. Er war furchtbar anzusehen, hatte feurig-funkelnde Augen, ein Pferde- und ein Kuhbein, an den Fingern lange Krallen und in der Hand führte er eine große Sichel. Wenn er nun mittags in der Stunde von zwölf bis eins jemand auf dem Feld antraf, so hatte dieser eine lange Unterredung mit ihm zu bestehen, und wenn er die ihm vorgelegten Fragen nicht richtig beantworten konnte, so schnitt ihm der Sichelmann den Kopf ab.
Die drei Blutstropfen
Es lebte ungefähr zur Zeit der Regierung des Großen Kurfürsten ein Brauer in der Lindenstraße, der besaß dreierlei: ein gutes Bier, einen Batzen Geld und eine hübsche Schenkin. Freute sich auch, daß letztere so keusch und sittsam war, daß sie sich auf die Liebesbeteuerungen der Gäste nicht einließ, denn er begehrte das schöne Kind selber zur Ehefrau. Aber als er damit Ernst machen wollte, ging’s ihm wie den andern, das Mädchen lachte ihn aus und wies ihn ab. Da schlich er sich zu nächtlicher Zeit in des Mädchens Kammer, wollte sie durch gleißendes Gold betören und gebrauchte schließlich Gewalt, um den Widerstand der schönen Schenkin zu brechen. Die aber entfloh vor ihm und sprang in ihrer Angst zum Fenster hinaus auf den Hof. Als der Brauer ihr nacheilte, war sie verschwunden, aber die Stelle, wo sie herabgesprungen, war durch drei Blutstropfen gekennzeichnet. Haß und Rache füllten nun das Herz des Brauers. Er schlug Lärm, behauptete, er sei von seiner Schenkin bestohlen worden und wies auf die Goldstücke hin, die in ihrer Kammer gefunden wurden, die er selbst aber dort zurückgelassen hatte. Das Mädchen wurde erwischt und nach kurzem Prozeß zum Tod verurteilt. Als man sie noch einmal nach dem Hof ihres früheren Brotherrn führte, rief sie aus: »Diese drei Blutstropfen werden für mich zeugen, wenn ich unschuldig sterben muß.« Und so geschah es auch. Die Blutflecken blieben sichtbar, so sehr sich auch der Brauer, von Gewissenspein gequält, bemühte, sie fortzuschaffen. In der Nacht erhob er sich von seinem Lager und wusch und scheuerte auf dem Hof herum, bis ihm Arme und Beine schmerzten und er sich kaum halten konnte von Ermattung. Aber auch in nächtlicher Stunde leuchteten ihm die drei Blutstropfen wie flammende Wahrzeichen entgegen, also daß er keine Ruhe mehr finden konnte bei Tag und Nacht. Da entschloß er sich, den ganzen Hof neu pflastern zu lassen. Die Steine mit den Blutstropfen hob er selber heraus, nahm sie in den Keller und zerschlug sie mit einem großen Hammer. Nun hoffte er Ruhe zu haben sein Leben lang. Als er aber am andern Morgen erwachte, sah er auf der Straße viele Gaffer vor seinem Haus stehen, hörte auch laute Verwünschungen gegen sich aussprechen. Er eilte auf die Straße und gewahrte zu seinem Schreck die drei Blutstropfen an der weißgestrichenen Wand des Hauses. Da packte ihn die Verzweiflung und in der Nacht stieg er zum Fenster hinaus auf ein Gesims und versuchte, mit den Nägeln die Blutflecken abzukratzen. Als es ihm aber nicht gelang, hob er verzweifelnd die Hände zum Himmel, verlor den Halt und stürzte auf die Straße. Dort fand man ihn am andern Morgen tot, mit zerschmetterten Gliedern. Die drei Blutstropfen aber verschwanden erst mit dem Abbruch des Hauses.
Der Teufelsdamm bei Galenbeck
Etwa zwei Meilen nördlich von Straßburg liegt an der äußersten Spitze der Ukermark der Galenbecker See; in diesen zieht sich eine ganze Strecke ein Damm hinein, und bei niedrigem Wasser tauchen noch ein paar Stücke Land wie Inseln aus dem See hervor, die gleichsam die Fortsetzung des Dammes bilden. Von diesem erzählt man sich folgendes:
Der Hirt des Dorfes mußte vor alter Zeit seine Kühe immer jenseits des Sees weiden, und da blieb ihm denn nichts weiter übrig, als sie um denselben herum zu treiben. Das verdroß ihn, und als er sich mal wieder so recht darüber ärgerte, kam plötzlich der Teufel zu ihm, welcher ihm versprach, noch vor dem ersten Hahnenruf des folgenden Tages einen Damm durch den See zu bauen, auf dem er seine Kühe bequem zum andern Ufer hinübertreiben könne, doch müsse er ihm dafür seine Seele verschreiben. Das ging denn auch der Hirt in seinem Unmut ein, und der Teufel machte sich sogleich ans Werk, und war, als es gegen Morgen kam, mit dem Damme fast fertig; da wurde denn doch dem Hirten angst, und er lief in den Hühnerstall, wo er so lärmte, daß der Hahn zu krähen begann. Eben kam der Teufel grade über den See herüber und hatte die ganze Schürze voll Erde, um den Damm damit zu vollenden, da hörte er den Hahnenruf, ließ ärgerlich die Erde mitten in den See fallen und flog, ohne seine Arbeit zu vollenden, davon. Und so unbeendigt ist denn der Damm bis jetzt geblieben.
Die Fika
Die Fika ist eine Frau gewesen, welche gern Tabak geraucht hat. Sie hatte immer etwas Sonderbares an sich und deshalb mied man sie. Ihren Tod hat sie in einer der Branitzer Lachen gefunden. Fortan wagte sich niemand mehr an die Lache, wo die Fika ertrunken war. Nun geschah es aber doch einmal, daß ein Hirt es versah und seinen Grauschimmel in der Nähe der Lache weidete. Auch er hatte früher gehört, daß es mit der Fika nicht recht richtig gewesen sei. Da er aber von ihr, seit sie gestorben war, nichts mehr vernommen hatte, so glaubte er nicht daran, sondern rief in seinem Übermut: »Fika, willst du nicht eine Pfeife Tabak rauchen?« Es rührte sich nach diesen Worten zwar nichts in der Lache, als er sich aber nach seinem Schimmel umsah, war dieser verschwunden. Nun machte er sich auf und suchte überall nach seinem Pferd. Endlich fand er den Schimmel in der Nähe der Lache. Sofort bestieg er ihn, um nach Hause zu reiten. Kaum aber saß er auf dem Pferd, so wurde dieses immer größer und größer, so daß er nicht mehr herabsteigen konnte. Da merkte er zu seinem Schrecken, daß es ein Gespenst war, auf dem er ritt. Also hatte die Fika sich für seinen Übermut gerächt.
Das vertauschte Kind
Die Unterirdischen, oder, wie sie gewöhnlich genannt werden, »Untereerdschken«, sind dickleibige, breitköpfige kleine Wesen, die indes nur selten in ihrer ganzen Gestalt erscheinen, und meistens unsichtbar ihr Wesen treiben. Gar gern vertauschen sie die neugebornen, schöngestalteten Kinder der Menschen gegen die ihrigen, die ungestaltet sind, und man sieht dabei höchstens die Hand, mit der sie das Kind fassen. Das beste Mittel, dasselbe vor dem Raube zu schützen, ist, daß man der Wöchnerin ein Gesangbuch unter den Kopf legt, oder im Augenblick des Vertauschens den Namen Jesu Christi ruft.
Eine Wöchnerin in Straußberg fühlte auch einst in der Nacht, daß plötzlich eine Hand über ihr Bett faßte, ihr Kind nahm und statt dessen ein andres hinlegte. Als es nun Tag wurde, sah sie ein Kind mit breitem dickem Kopf neben sich in der Wiege liegen, das war in schlechtes graues Linnen eingeschlagen, und das ihre war doch so schön gewickelt gewesen. Darüber war sie nun ganz untröstlich und mochte das garstige Ding gar nicht ansehen, die Nachbarinnen aber, die davon hörten und hinzukamen, sagten ihr, das Kind sei ein Untereerdschken, und sie sollte es ja recht liebreich aufziehen und nicht schlagen, sonst würde das ihre von den Unterirdischen wieder geschlagen. Das hat sie denn auch treulich befolgt, aber so rechte Liebe hat sie doch zu dem untergeschobenen Kinde nie fühlen können.
Wetter und Hagel machen
Im Jahr 1553 sind zu Berlin zwei Zauberweiber gefangen worden, welche sich unterstanden, Eis zu machen, die Frucht damit zu verderben. Und diese Weiber hatten ihrer Nachbarin ein Kindlein gestohlen und dasselbige zerstückelt gekocht. Ist durch Gottes Schickung geschehen, daß die Mutter, ihr Kind suchend, dazu kommt und ihres verlorenen Kindes Glieder in einen Topf gelegt siehet. Da nun die beiden Weiber gefangen und peinlich gefragt worden, haben sie gesagt, wenn ihr Geköch fortgegangen, so wäre ein großer Frost mit Eis kommen, also daß alle Frucht verderbt wäre.
Zu einer Zeit waren in einem Wirtshaus zwei Zauberinnen zusammengekommen, die hatten zwei Gelten oder Kübel mit Wasser an einen besonderen Ort gesetzt und ratschlagten miteinander: ob es dem Korn oder dem Wein sollt gelten. Der Wirt, der auf einem heimlichen Winkel stand, hörte das mit an und abends, als sich die zwei Weiber zu Bett gelegt, nahm er die Gelten und goß sie über sie hin, da wurde das Wasser zu Eis, so daß beide von Stund an zu Tod froren.
Eine arme Witfrau, die nicht wußte, wie sie ihre Kinder nähren sollte, ging in den Wald, Holz zu lesen, und bedachte ihr Unglück. Da stand der Böse in eines Försters Gestalt und fragte: warum sie so traurig? Ob ihr der Mann abgestorben? Sie antwortete: »Ja.« Er sprach: »Willst du mich nehmen und mir gehorsamen, will ich dir Geld die Fülle geben.« Er überredete sie mit vielen Worten, daß sie zuletzt wich, Gott absagte und mit dem Teufel buhlte. Nach Monatsfrist kam ihr Buhler wieder und reichte ihr einen Besen zu, darauf sie ritten durch dick und dünn, trocken und naß auf den Berg zu einem Tanz. Da waren noch andre Weiber mehr, deren sie aber nur zwei kannte, und die eine gab dem Spielmann zwölf Pfennig Lohn. Nach dem Tanz wurden die Hexen eins und taten zusammen Ähren, Rebenlaub und Eichblätter, damit Korn, Trauben und Eicheln zu verderben; es gelang aber nicht recht damit, und das Hagelwetter traf nicht, was es treffen sollte, sondern fuhr nebenbei. Sich selbst brachte sie damit ein Schaf um, darum daß es zu spät heimkam.
Der große Stechlin
Nahe dem Dorf Neuglobsow breitet der den Bauern von Menz gehörige große Stechlin-See seine Gewässer über einen Flächenraum von ungefähr 500 Hektar aus. Ein prächtiger Wald, mit den schönsten Eichen, Buchen und Kiefern bestanden, und hohe, zum Teil sehr steil zum Uferrand abfallende Berge schließen schützend seine silberklaren Fluten ein, welche uns gestatten, noch bei 10 Meter Tiefe bis auf den Grund zu schauen. Man glaubt, einen Alpen-See vor sich zu haben. Die bergige Beschaffenheit seiner Umgebung setzt sich noch unter dem Wasser fort, und wenn auch keine Inseln in ihm zutage treten, so erheben sich doch inmitten der sehr großen Tiefe an fünf bis sechs Stellen Berge steil bis dicht an die Oberfläche. Der Boden ist zum Teil moorig und mit Wasserpflanzen, namentlich der sogenannten Pest, dicht bewachsen; auch ganze Baumstämme, die im Lauf der Zeit in die Tiefe gesunken sind, haben sich dort eingebettet. Alle diese Umstände machen den Fischern bei ihrem Handwerk große Schwierigkeiten. Es kommt oft vor, daß Netze und Taue reißen oder Holzmassen sich in dem Fischerzeug festsetzen, ja einmal brachten die Fischer anstatt der leckeren kleinen Maräne (Coregonus albula L.), die der See in Menge birgt, mehrere Scheffel Steine in ihrem Netz ans Tageslicht.
Das alles mag mit Veranlassung gegeben haben, daß sich manches Geheimnisvolle und Sagenhafte im Verlauf der Jahrhunderte an den See geknüpft hat. Schon Bratring erzählt vom Stechlin, daß man am Tag des Erdbebens von Lissabon (1. November 1755) Bewegungen auf ihm verspürt habe, und noch heute lebende alte Personen haben es in ihrer Kindheit von den Großeltern bestätigen hören, daß der See an jenem Tag geschäumt und Wellen geschlagen habe, trotz des heiteren und stillen Wetters. Der See ist ein »Kreuz-See«, d. h., er hat eine einem Kreuz ähnliche Gestalt. Schon dieser Umstand hat dem Volk zu denken gegeben. So heißt es, kein Gewitter könne über ihn hinwegziehen, im Winter friere er nur selten zu, insbesondere aber berge er in seinem unergründlichen Innern einen ,gewaltigen und bösen purpurroten Riesenhahn, der das Messen der großen Tiefen und das Fischen an gewissen Orten nicht dulden wollte und seine Herde im See gegen die raubgierigen Menschen schirme und schütze. Die Jetzige Generation freilich weiß nur wenig oder gar nichts mehr von diesem Ungeheuer der Tiefe, allein in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ,war der große Hahn im Stechlin noch in aller Munde: schon manchem wäre er erschienen und hätte auch manchen, der seine Warnungen nicht beachtet oder gar verlacht hätte, in die Tiefe hinabgezogen.
Von diesem roten Hahn nun erzählte vor ungefähr 70 Jahren ein damals fast 50jähriger alter Mann folgende Geschichte, von deren Wahrheit er so fest überzeugt war, daß er sie auf das Evangelium beschwor.
Vor vielen Jahren lebte im Fischerhaus am Stechlin ein Fischer namens Minack. Das war ein roher und wilder Mann, der im Vertrauen auf seine gewaltigen Kräfte weder Menschen noch Geister fürchtete. Selbst wenn ihm Nachbarn und Freunde den guten Rat gaben, er solle vor dem großen Hahn im Stechlin-See Respekt haben und sich wohl hüten, an den und den Orten zu fischen, wo der Hahn es nicht dulden wolle, so lachte er nur dazu. Und wiesen sie darauf hin, daß bereits seine Vorgänger, wenn sie sich an eine der verrufenen Stellen gewagt, ihren Frevel mehrfach durch Verlust ihrer Netze und andere Unfälle gebüßt hätten, ja daß einer hier beim Fischen »den Totenzug« getan und ertrunken wäre, so ließ sich Minack durch all das Gerede nicht schrecken, sondern fischte nach wie vor, wo und wie er wollte. Einst gedachte nun Minack an einer der tiefsten und gerade darum verpöntesten Stellen einen Hauptfang zu machen, da er genau wußte, daß sich hier die Maränen besonders zahlreich aufhielten. Es war böses, stürmisches Wetter, und mit Zitten und Zagen folgten ihm seine Gesellen. Das Netz wird auf der Höhe des Sees ausgeworfen, man fährt an das Ufer und beginnt an den mehrere hundert Ellen langen Tauen das Netz herauszuwinden. Doch bald gehen die Winden schwerer und immer schwerer herum, bis man schließlich vollständig festsitzt. Minack fährt mit seinem bereitgehaltenen Nachen auf die Höhe des Sees, um das Fischerzeug, das sich vielleicht in Schlamm und Kraut verfangen haben mochte, zu lüften. Dies geschieht in der Art, daß man das Tau, an welchem das Netz befestigt ist, über den kleinen Kahn hinnimmt und diesen demnächst am Tau auf den See hinaufzieht. So machte es denn auch Minack. Doch das Tau wird immer straffer und straffer und droht schon, den kleinen Kahn unter Wasser zu drücken. Da ruft Minack seinen Gesellen am Ufer zu: »Halt! Haltet an, laßt die Winden los!« Aber der Sturm war jetzt stärker losgebrochen, und bei dem Toben der Elemente verstehen jene fälschlich: »Windet zu, windet zu!« und arbeiten um so kräftiger darauflos. Jetzt füllt sich der kleine Nachen des Minack schon mit Wasser; das straffe Tau vom Kahn herunterzuheben, ist ihm unmöglich; in seiner Todesangst holt er sein Messer hervor und zerschneidet es. In dem Augenblick, in welchem die beiden Enden des durchschnittenen Taues in die Tiefe fahren, teilt sich die Flut, und aus den Wogen rauscht der rote Hahn empor. Indem er mit seinen mächtigen Flügeln das Wasser peitscht, betäubt er mit donnerndem Krähen den Fischer und zieht ihn hinab.
Auch von einem im See versunkenen Dorf oder gar Stadt wurde früher viel erzählt, vor allem als man vor Jahren ein Stück Holz, ähnlich dem Knopf einer Dorfkirche, einmal beim Fischen aus dem Wasser zog. Fährt man an einem schönen stillen Sonntagvormittag über die Stelle, wo die Stadt untergegangen ist, so kann man noch heute, heißt es, aus dem Wasser herauf das Läuten der Glocken vernehmen.
In der Nähe der nördlichen Spitze des Stechlin, die Kreuzlaute genannt, befindet sich ein Luch. Dort erscheinen dem nächtlichen Wanderer drei Jungfrauen mit brennenden Laternen und führen ihn so in die Irre, daß er stundenlang laufen muß, ehe er den rechten Weg wieder findet.
Der Name von Krebsjauche
In der Nähe von Frankfurt liegt das Dorf Krebsjauche; hier trafen einmal ein Fuchs und ein Krebs zusammen, die wetteten miteinander, wer am schnellsten laufen könnte. Da machten sich denn beide auf, und der Fuchs, der doch seiner Sache gewiß war, ging ganz langsam voraus, der Krebs aber kniff sich ganz leise und ohne daß es der Fuchs merkte, in die Haare der Rute des Fuchses und ließ sich auf solche Weise nachschleifen. Wie sie nun dicht am Ziel waren, kroch der Krebs tiefer in die Haare hinein und kniff den Fuchs mit den Scheren so an der Rute, daß dieser wütend mit ihr um sich schlug, wobei der Krebs den richtigen Augenblick wahrnahm, losließ und so mit aller Macht ans Ziel geschleudert wurde. Da rief er vor Freude: »Krebs juchhe!« und als später an dieser Stelle ein Dorf gebaut wurde, nannte man es zum Andenken an die List des Krebses »Krebsjuchhe«, woraus dann der jetzige Name entstanden ist.
Der Bötticher bei den Unterirdischen
Öfter hat es schon des Nachts Leute in der Nähe des Klosters Chorin gerufen, daß sie dahin kommen sollen, aber nicht alle haben diese Stimme beachtet und sind darum auch nicht so glücklich gewesen, wie der Bötticher, der vor mehreren Jahren in einem der Tagelöhnerhäuser bei Chorin wohnte. Der hörte auch einmal in der Nacht die Stimme, die rief ganz laut seinen Namen, als wenn jemand in der Stube wäre, und gab ihm einen Ort im Kloster an, wo er sich einfinden solle, aber er tat, als höre er’s nicht und drehte sich um. Da rief es zum zweiten und endlich zum dritten Mal; nun stand er auf, nahm all sein Handwerkszeug, Messer, Beil, Hammer und Reifen, wie es ihm die Stimme geheißen hatte, mit sich und ging nach dem bestimmten Ort. Hier fand er ein kleines Männchen, das grüßte ihn und war sehr freundlich, sagte ihm aber, er müsse sich die Augen verbinden lassen, denn anders könne er nicht mit ihm gehen, fügte auch hinzu, daß ihm kein Leid geschehen sollte. Da ließ es denn der Bötticher geschehen, und das Männlein führte ihn nun eine ganze Strecke, bis es ihm endlich die Binde abnahm und er sich in einem geräumigen Keller sah, wo er noch eine große Menge eben solcher Männlein wie seinen Begleiter erblickte, die .mit verschiedenen Dingen beschäftigt waren, aber kein Wort sprachen. .jetzt hieß das graue Männchen den Bötticher um zwölf große Fässer, die dort standen, neue Bänder legen, er führte diese Arbeit zur Zufriedenheit aus und erhielt nun die Erlaubnis, von jedem der zwölf großen Goldhaufen, die bei den Fässern lagen, einen Teil für sich als Bezahlung zu nehmen. Darauf wurde ihm die Binde wieder vor die Augen gelegt, dasselbe graue Männlein führte ihn zurück, und er fand sich bald mit seinem Schatz allein an dem Ort, wohin ihn die Stimme zuerst gerufen hatte.
Der Kobold, der nicht weichen wollte
Ein Bauer in der Nähe von Blankensee kaufte einmal einen neuen Hof und merkte gar bald, daß es in dem Hause nicht recht richtig sei und ein Kobold sein Wesen darin treibe. Er versuchte alle möglichen Mittel, konnte ihn aber nicht los werden; da riet ihm endlich ein kluger Mann, er solle mit dem Kobold in den Wald fahren, ihn da auf einen Baum locken, und sobald er oben sei, schnell davon fahren. Das tat er denn auch, und, als er ins Holz kam, machte er sich an den ersten besten Stamm, nahm die Axt und tat, als wolle er ihn umhauen; alsbald war auch der Kobold oben in der höchsten Spitze, und schaukelte sich im Wipfel hin und her, damit er den Baum leichter zum Umsturz brächte. Kaum ersah das aber der Bauer, so sprang er auf seinen Wagen und jagte so eilig als möglich davon, aber er war nur erst wenige Schritte fort, so hört er‘s plötzlich hinter sich rufen: »Watt jechste (jagst du) denn so, de lööwst (glaubst) woll de jrööne kümmt?« und siehe da! der Kobold saß wieder hinten auf dem Wagen.
Die Wendenschlacht bei Lenzen
An vielen Orten der Umgegend von Lenzen und in der Stadt selber erzählt man sich von einer großen Schlacht mit den Wenden, die einst hier stattgefunden. Die einen sagen, das Schlachtfeld sei auf dem Marienberg vor Lenzen gewesen, andere, es sei bei Mohr, bei Seedorf und endlich auch bei Möllen gewesen, wo sich überall noch die Spuren des vergossenen Blutes am Boden zeigen, der davon ganz rot gefärbt ist. An allen diesen Orten lassen sich auch noch oft die Geister der Erschlagenen sehen und spuken dort kopflos umher oder tragen ihre Köpfe unter dem Arm. Bei Seedorf insbesondere wird erzählt, daß eine von der Löcknitz gebildete Breite, welche der Wennensee heißt, davon ihren Namen habe, daß einstmals ein ganzes Wendenheer darin seinen Untergang fand.
Die Erlösung des Großmütterchens in Gransee
Wer vor langen Jahren auf der Straße von der Stadt Gransee nach dem Dorf Schönermark wanderte, konnte, wenn er das alte Stadttor im Rücken hatte, gleich zur Linken mitten in Gärten ein kleines Gehöft erblicken, unansehnlich und zerfallen. In der ganzen Stadt war das Gerücht verbreitet, daß es dort spuke, und jedermann scheute sich, in dieser Gegend zu wohnen.
Eines Tages ließ sich ein junges, armes Brautpaar trauen. Die Hochzeit wurde gefeiert, aber nirgends in der Stadt war eine Wohnung zu finden, wo die jungen Leute hätten unterkommen können. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das verrufene kleine Haus zu beziehen. Lange wohnten sie darin friedlich, nichts geschah; weder bei Tag noch bei Nacht trat etwas Auffallendes ein.
Da, eines Abends, tat sich die Tür auf, und herein trat ein altes Mütterchen mit einem Schemel und einem Spinnrocken in den Händen, setzte sich am Kaminfeuer nieder und begann zu spinnen, ohne ein Wörtchen zu sagen. Nach ein paar Stunden erhob sich die alte Frau und ging stillschweigend, wie sie gekommen, wieder zur Tür hinaus. Anfangs erschraken die jungen Leute über die Erscheinung; als sich aber der merkwürdige Besuch Abend für Abend wiederholte, gewöhnten sie sich daran und blieben ruhig beieinander an ihrem Tische sitzen, während die Alte am Kamin ihren Faden spann. Nur eins wunderte die beiden, daß nämlich die Frau auf keine ihrer Fragen antwortete, sondern immer schwieg, als ob sie nichts hörte.
Einmal ging der junge Mann in die Stadt; es war gegen Abend, und seine junge Frau bat ihn, recht bald wiederzukommen.
»Nun, du wirst dich doch nicht fürchten?« erwiderte der Gatte. »Großmütterchen« – so pflegte nämlich das Ehepaar die Alte zu nennen, sooft von ihr die Rede war – »Großmütterchen ist ja bei dir.« Mit diesen Worten verließ der junge Ehemann die Stube.
Die Frau blieb zurück, setzte sich am Tisch nieder und schaute unverwandt der Arbeit des Mütterchens zu, das auch heute wieder erschienen war. Plötzlich rief sie: »Großmutter, Ihr spinnt ja nach links herum!«
»Meine Tochter,« gab ihr die Alte zurück, »ich danke dir; mit diesen Worten hast du mich erlöst. Zum Lohne aber für die Wohltat, die du mir erwiesen hast, tue ich dir kund, daß hier unter diesen Steinen, auf denen mein Schemel und mein Spinnrocken stehen, ein Topf mit vielem Gelde verborgen liegt. Grabe ihn aus, doch so, daß dein Mann nichts davon sieht, und verbirg ihm das Geheimnis, das ich dir anvertraut habe, bis zum dritten Tag; dann wird euch der Schatz zu glücklichen Leuten machen.«
Damit ergriff das Mütterchen Schemel und Spinnrocken und verließ das Zimmer, um nie wieder zu erscheinen. Das junge Ehepaar aber gelangte von da an zu Wohlstand und Glück.
Das schwarze Pferd
Es war im Jahr 1590, als sich in einer Nacht in der Stunde zwischen elf und zwölf Uhr in Königsberg ein schwarzes feuriges Pferd mit brennenden Augen zeigte, das lief in allen Gassen mit erschrecklichem Geräusch auf und nieder und sprang dergestalt, daß die Häuser gebebt und Feuer aus den Steinen gesprungen. Andern Morgens fand man das Bernekowsche innere Tor offen und das Pferd in dem Raum zwischen diesem und dem äußeren Tor liegen; sobald aber der Torwärter dazu kam, sprang es in die Höhe und verschwand. Dieses Pferd ist vielleicht der Satan selber gewesen, denn am selben Tage abends gegen zehn Uhr brach in einem Haus der Stadt Feuer aus, welches er vielleicht angeblasen, um der Stadt eine große Feuersbrunst anzurichten.
Der fliegende Chorschüler
In vielen Städten der Mark und namentlich in Berlin erzählt man sich folgende Sage:
Eines Tages verabredeten mehrere Chorschüler miteinander, daß sie auf den Kirchturm (in Berlin soll es der der Marienkirche gewesen sein) steigen und dort aus den Krähennestern, deren sich eine große Anzahl oben befand, die Eier ausnehmen wollten. Diesen Vorsatz führten sie auch aus und stiegen zum Turm hinauf; als sie dort ankamen, wurde zu einem der Schallöcher hinaus ein Brett gelegt, welches zwei Schüler hielten, der dritte aber kroch auf diesem Brett hinaus, um in den Ritzen und Spalten des Turms Nester zu suchen. Er fand auch bald eine große Zahl derselben, gab jedoch seinen Gefährten kein einziges der Eier, welche er dort fand, und als sie ihn nun fragten, ob sie ihr Teil nicht erhalten würden, schlug er es ihnen rund ab, weil er sagte, er habe sich allein der Gefahr unterzogen und so wolle er auch allein die Frucht derselben genießen. Da wurden die andern böse und drohten ihm, daß sie das Brett loslassen würden, wenn er ihnen nicht augenblicklich einen Teil seiner Beute abgäbe; er jedoch, der vor der Ausführung ihrer Drohung sicher zu sein glaubte, sagte, das sollten sie nur tun, dann würden sie gewiß nichts bekommen. Aber kaum hatte er das gesagt, so ließen jene das Brett los und der arme Chorschüler stürzte von der höchsten Höhe des Turms herab. Nun hatte er aber seinen weiten Mantel um, der bis unten hinab zugeknöpft war, so daß sich sogleich der Wind darunter fing, den Fall hemmte und ihn wohlbehalten und unversehrt mitten auf den Markt hinabtrug, wo er zur größten Verwunderung der Käufer und Verkäufer ankam. Ob er jetzt seinen Gefährten ihren Anteil am Gewinn gegeben, weiß ich nicht, sie mögen aber auch wohl nicht mehr danach verlangt haben.
Die Riesensteine
An vielen Orten der Altmark finden sich große, mächtige Steinblöcke, die sind gewöhnlich in Vierecken aneinander gereiht, und in der Mitte liegen dann die größten Blöcke, doch oft liegen sie auch ungeordnet und wild durcheinander. Von diesen Steinen erzählt man an mehreren Orten, daß es vor Zeiten gewaltige Riesen gegeben, die einander damit warfen. Solche Steine liegen in der Gegend von Oebisfelde und Wassensdorf, die haben die Riesen über den Drömling herüber geworfen; andere liegen bei Köbbelitz, die warfen die Riesen vom Papenberg zwischen Immekath und Klötze nach Wentze, sie zielten aber nicht recht, da fielen sie an dieser Stelle nieder. Auch in der Gegend von Steinfeld und Schinne, zwischen Stendal und Bismark liegen viele derselben, mit denen sich die Riesen beider Orte, als ein Krieg zwischen ihnen ausbrach, zu Tode warfen.
Der Fisch und der Kolk am Berliner Rathaus
Am Rathaus in der Spandauer Straße war vordem ein eiserner Fisch angebracht, der nach der Sage anzeigen sollte, wie hoch einst da das Wasser gestanden. Allein dies ist unrichtig, jener eiserne Fisch gab nämlich früher den Fischern die Größe an, unter welcher sie keine Fische mit dem Garn fangen und zur Stadt bringen durften. Ein ähnliches Bild, dessen Erklärung nicht ganz sicher ist, ist der sogenannte Kolk, ein aus Sandstein geformtes Spottbild in Vogelgestalt, mit menschlichem Antlitz und langen Tierohren, das sich an einem der niedrigen Strebepfeiler des Rathauses befindet und eine Allegorie des Prangers sein sollte, insofern früher gerade drüber das Halseisen angebracht war.
Der Teufel und die Holzhauer am Zootzen
Als die Holzhauer aus einem Dorfe am Zootzen eines Morgens in den Wald kamen, um sich an ihre Tagesarbeit zu machen, fanden sie das tags zuvor aufgeschlichtete Holz umgestoßen. Ärgerlich beschuldigten sie die Knechte des Dorfes, ihnen diesen Schabernack gespielt zu haben. Sie setzten das Holz wieder auf, fanden es aber am nächsten Morgen wieder umgestoßen. Nun beschlossen sie, daß einer von ihnen die nächste Nacht Wache halten solle, um die Übeltäter auf frischer Tat zu ertappen. Da sich aber niemand freiwillig meldete, wurde gelost. Das Los traf einen bärenstarken Mann, der erklärte, er habe sich schon melden wollen; nun sei es gut, daß ihn das Los getroffen habe. Als er dann des Nachts Wache stand, zündete er sich ein Feuer an und begann aus Langeweile Holz zu spalten.
Zwischen zwölf und ein Uhr tauchte plötzlich ein kleines rotes Männchen – es war der Teufel – neben ihm auf und fragte neugierig: »Warum setzt du denn da immer einen Keil in die Spalte? Kannst du das Holz nicht mit den Händen auseinanderreißen?«
Der Holzhauer antwortete mit der Gegenfrage: »Kannst du es denn?«
Der Kleine erwiderte, ja, das könne er. Da wählte der Holzhauer einen starken Eichenklotz aus, schlug mit der Axt hinein und setzte einen Keil in die Spalte; darauf stieß er mit der Axt gegen den Keil, um diesen ordentlich zu lockern. Als nun der Kleine den Klotz auseinanderreißen wollte, zog der Holzhauer flugs den Keil aus der Spalte und klemmte dem Männchen die Finger ein. Verzweifelt schrie da der Kleine: »Setz, doch den Keil ein! Setz, doch den Keil ein!«
Aber er war gerade an den Rechten gekommen; denn der Holzhauer packte einen Prügel und hieb tüchtig auf den Kleinen ein. Der Teufel aber schrie weiter: »Setze doch den Keil ein!« Doch je mehr er brüllte, desto kräftiger schlug der andere zu und knirschte dabei: »Wirst du uns noch einmal das Holz umstoßen?«
Nach vielen Anstrengungen gelang es dem Teufel endlich, seine Finger aus der Klemme zu ziehen und seinem Widersacher durch die Flucht zu entrinnen. Aus sicherer Entfernung aber schrie er zurück: »Nun stoße ich euch das Holz erst recht um.«
Am andern Morgen erzählte der Holzhauer seinen Kameraden wie es ihm in der Nacht ergangen sei, und machte den Vorschlag, an jedes Klafter Holz einen Klotz mit einem Keil zu stellen. Als nun der Kleine in der folgenden Nacht wieder erschien, um sein Mütchen zu kühlen, erblickte er den Klotz an dem ersten Klafter und rief: »Huh, da ist der Klotz!,« wobei er sich seine in der vorigen Nacht zerschundenen Finger besah. Darauf eilte er weiter zum zweiten Klafter; auch hier fand er einen Klotz und ebenso an den andern Holzstapeln. Da bekam es der Teufel mit der Angst zu tun, drehte sich um und lief schleunig davon, ohne jemals wiederzukommen. Die Holzstöße im Wald hatten von nun an Ruhe vor ihm.
Kohlhasenbrück
In der Nähe von Potsdam, auf der Straße nach Berlin, führt eine Brücke über die Bäke oder Telte, einen kleinen Nebenfluß der Nuthe, die Brücke heißt Kohlhasenbrück und hat von Hans Kohlhase, einem Berliner Roßkamm, der zur Zeit der Kurfürsten Joachim I. und II. einst viel von sich reden gemacht hat, den Namen bekommen. Die Sache ist recht bezeichnend für jene Zeiten und war folgende.
Hans Kohlhase war ein angesehener Bürger zu Kölln an der Spree, der einen nicht unbedeutenden Pferdehandel betrieb. Was seine Bildung anbetrifft, ist zu bemerken, daß er sogar Lateinisch verstand. Einmal kam er nun mit einigen Pferden von Leipzig zurück, da wurde er in der Nähe von Düben durch die Leute des Junkers von Zaschwitz angehalten; er sollte sich ausweisen über die Pferde, es wären sicherlich gestohlene. Vergeblich, daß er seine Unschuld beteuerte, die Pferde wurden zurückbehalten. Da klagte er den Unfall seinem Kurfürsten Joachim I., und der erwirkte den Befehl vom Kurfürsten von Sachsen, daß ihm die Pferde vom Junker von Zaschwitz zurückgegeben werden sollten. Inzwischen waren dieselben aber hinter dem Ackerpflug abgetrieben und schlecht im Futter gehalten worden, so daß Kohlhase sich weigerte, sie zurückzunehmen und Schadenersatz forderte. Als alle seine Bemühungen vergeblich waren und er nicht zu seinem Recht kommen konnte, da sandte er nach damaliger Sitte als freier Mann, dem sein Recht verweigert wurde, einen Absagebrief an den Landvogt von Sachsen, daß er des Junkers von Zaschwitz und des ganzen Landes Sachsen abgesagter Feind fortan sein wolle, bis er zu vollem Recht und zu vollem Schadenersatz für alles, was er erlitten, gelange. Mit einer Schar verwegener Gesellen begann er auch nun das sächsische Land auf jede nur mögliche Weise zu schädigen und trieb bald die Sache so weit, daß die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg selbige beizulegen beschlossen und beiderseitig einige ihrer Räte nach Jüterbog schickten, wohin auch Kohlhase kommen sollte, um seine Forderungen geltend zu machen. Der kam auch mit einem Gefolge von 40 Pferden; aber man ging unverrichteter Sache auseinander, da der Junker von Zaschwitz inzwischen gestorben war und seine Erben sich zu keiner Entschädigung bereit erklären wollten. Von neuem begann Kohlhase das sächsische Land heimzusuchen, ja er brannte sogar die Vorstadt von Wittenberg nieder. Da schrieb Dr. Martin Luther an den gefährlichen Mann, wie unchristlich es sei, sich selbst zu rächen. Das machte auf Kohlhase Eindruck und heimlich kam er, als Pilger verkleidet, nach Wittenberg, um mit Luther über die Angelegenheit zu verhandeln. Luther versprach, sich der Sache anzunehmen; aber es war vergeblich, und die Geschichte spielte in der früheren Weise weiter, nur daß der Kurfürst von Sachsen es bei dem Kurfürsten von Brandenburg schließlich durchsetzte, daß er Kohlhasen auch auf märkischem Grund und Boden verfolgen und fangen lassen könne. Aber die sächsischen Späher und Landsknechte griffen ihn doch nicht. So kam das Jahr 1540 heran.
Da verfiel Kohlhase auf den Rat eines seiner Spießgesellen, Georg Nagelschmidt mit Namen, auf den Gedanken, sich an seinen Kurfürsten selbst zu machen und ihn so zu veranlassen, dem Wesen ein Ende zu bereiten und sich wirksamer seiner anzunehmen. Er überfiel den kurfürstlichen Faktor Drezscher, der mit Silberkuchen aus dem Mansfeldschen unterwegs war, in der Gegend wo eben jetzt Kohlhasenbrück liegt, nahm ihm die Silberkuchen fort und versenkte sie unter der Brücke in die Telte. Das bekam ihm aber übel. Denn nun wurde überall nach ihm und Nagelschmidt gefahndet und bei Leibesstrafe verboten, sie zu beherbergen, als sich das Gerücht verbreitete, sie seien in Berlin.
Wirklich fing man auch Kohlhase, als man Haussuchung hielt. Er hatte sich beim Küster zu St. Nicolai in einer Kiste versteckt. Ebenso wurde Nagelschmidt im Haus eines armen Bürgers am Georgentor aufgefunden. Beiden wurde der Prozeß gemacht. Kohlhase wollte man insofern begnadigen, als er nicht mit dem Rad, sondern mit dem Schwert hingerichtet werden sollte, was für minder schmachvoll galt. Schon war Kohlhase bereit, dies anzunehmen. Da rief ihm Georg Nagelschmidt zu: »Gleiche Brüder, gleiche Kappen! « – »Ich will die Begnadigung nicht, ich will mein Recht«, sagte Kohlhase, und so wurde er wie Nagelschmidt am Sonntag nach Palmarum im Jahr 1540 mit dem Rad gerichtet, obwohl es dem Kurfürsten leid getan haben soll, daß eine so tüchtige Natur ein solches Ende genommen. Ob man die Silberkuchen gefunden, berichtet keine Chronik. Die Brücke aber und der Ort, der später da entstand, bekam den Namen Kohlhasenbrück.
Das Gespenst an der Kirche zu Oderin
Als die alte Kirche in Oderin noch stand, kam einst ein junger kräftiger Bursche auf den Gedanken, die nächtens vom Spinnen heimkommenden Mädchen zu erschrecken. Er nahm ein Laken, hüllte sich dar ein und stellte sich an die Kirchtür.
Nun wußten aber alle Leute, daß es auf dem Kirchhof umgehe, und wer nicht mußte, ging von Dunkelwerden an nicht mehr darüber. Der Bursche hatte diese Erzählung immer verlacht. .Aber als er an der Kirchtür stand und auf die Mädchen lauerte und es eben zwölf geschlagen hatte, hörte er, wie etwas die Turmtreppe herunterkam und dabei röchelte. Vor Entsetzen lief der Bursche nach Hause, kroch ins Bett und am nächsten Morgen war er tot.
Die kupferne Pfanne im Schloß Sternberg
In der Walpurgisnacht hört man im Städtchen Sternberg lautes Hundegebell und dumpfes Glockenläuten, wie aus der Tiefe heraufkommend. Das sind die Geister, die den großen Schatz bewachen, welcher einst von der zerstörten Burg übriggeblieben ist. Das war um das Jahr 1500, als Markgraf Joachim I. mit dem Markgrafen der Lausitz und dem Herzog von Glogau gegen den Raubrittersitz in Sternberg zu Felde zog. Schrecklich hatten die »edlen Ritter« unter Führung des Balthasar von Winning in und um Sternberg gehaust und ein hübsches Mädchen, das sie geraubt und geschändet hatten, das aber glücklich entkommen war, erzählte die grausigsten Dinge von dem Menschenfleisch, das ihm täglich vorgesetzt wurde, von dem großen Messer, mit dem Männer und Frauen abgeschlachtet wurden und von der riesengroßen kupfernen Pfanne, die bis an den Rand mit dem geraubten Gold und Silber angefüllt war. Die Burg wurde bis auf den Grund niedergebrannt, nachdem die erst kurz zuvor erfundenen »Donnerbüchsen« die Mauern zerstört hatten. Alle Raubritter wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, nur die Winnings durften am Leben bleiben, mußten sich aber auf dem flachen Land ansiedeln.
Die große Kupferpfanne hat man bei der Eroberung der Burg auch gesehen, aber zwei große Schlangen haben darauf gelegen; und eine verzauberte Jungfrau, die ein großes Schlüsselbund in der Hand hielt, hat den Schatz bewacht, daß niemand sich heranwagte. Dann ist die Pfanne nebst ihrer Bewachung unter den Trümmern der Burg begraben worden. Dort ruht der Schatz noch heute, und der Geisterruf in der Walpurgisnacht erweckt immer aufs neue bei den Sternbergern das Verlangen, ihn zu heben.
Im Schloßpark zu Caputh
Des Nachts zu Beginn der Geisterstunde taucht im Schloßpark zu Caputh eine geheimnisvolle Kutsche auf, die eine Stunde lang völlig geräuschlos das alte Schloß umfährt. Besetzt ist der Wagen mit Gästen, die starr und unbeweglich im Fond sitzen. Die Pferde aber haben keine Vorderfüße und keine Köpfe. Mit dem Glockenschlag eins ist die rätselhafte Kutsche verschwunden.
Vor vielen Jahren ging ein junger Mann einst am Parktor des Schlosses vorbei, und wie er so in Gedanken versunken dahinschreitet, öffnet sich unhörbar das Parktor, und eine schwarze Gestalt huscht neben ihm her. Als er sie ansprach, war sie verschwunden. Die Gestalt soll weder Kopf noch Hände noch Füße gehabt haben.
An der sogenannten Bucht im Schloßpark gehen Geister um. Oft will man ein Schaf ohne Kopf gesehen haben. Lautlos und unstet rennt es umher, und wem es begegnet, der hat Pech am nächsten Tag. Eine Frau ist von dem Schaf einst bis fast an die Post begleitet worden, und als sie nach Hause kam, war ihr Kind erkrankt.
Der spukende Mönch im Ringelturm zu Lehnin
An dem zerstörten Teil der Lehniner Klosterkirche befindet sich ein fast noch ganz erhaltener Turm, zu dessen Spitze eine gewundene Treppe leitet, weshalb er der Ringelturm heißt. Hier ist’s nicht recht geheuer, denn man hört es oft hier Trepp auf, Trepp ab poltern und in der halb eingestürzten gotischen Halle, die darunterliegt, umhertoben. Wer dreist ist, kann auch eine mächtige Gestalt mit schwarzem Gesicht, krausem Haar und weißem flatternden Gewand sehen, aber er muß nicht zu nahe herangehen, sonst verfolgt sie ihn so lange, bis sie ihn vom alten Kirchhof vertrieben hat. Andere haben in dieser Gestalt einen Mönch erkannt, der in gefalteten Händen das Evangelienbuch hält und mit funkelnden Augen gen Himmel blickt, gleichsam als bete er zu Gott für die Ruhe der Grabstätten, die ehemals in diesem Teile der Kirche waren, aber vor mehreren Jahren zerstört wurden. Niemand kann den Greis ansehen, ohne von tiefer Rührung ergriffen zu werden.
Doktor Faust
Der Doktor Faust soll ehemals auch zu Neuruppin gelebt haben, und man erzählt, daß er gewöhnlich des Abends mit einigen Bürgern Karten spielte und sehr viel gewann. Eines Abends nun fiel einem seiner Mitspieler eine Karte unter den Tisch, und als er sie aufhob, bemerkte er, daß der Doktor Pferdefüße habe; da ist denn allen sogleich klar gewesen, warum er immer so viel gewinne. – Lange Zeit nach seinem Tod hat man ihn noch öfter in einem Dickicht am See mit mehreren Leuten am Tisch sitzen und Karten spielen sehen, und da soll er noch jetzt sein Wesen treiben.
Die Roggenmuhme
Wenn das Getreide am höchsten steht und die sommerliche Mittagshitze sich über Feld und Wiese ausbreitet, dann geht die Roggenmuhme über Land. Unsichtbar schwebt sie einher, und wenn sie Kinder am Rande des Kornfeldes sieht, die Mohn- und Kornblumen suchen, dann lockt sie das ahnungslose Völkchen immer tiefer in das wogende Meer der Halme. Wehe den Kleinen, die ihr folgen! Bald schlagen die Halme über den Köpfen der Kinder zusammen, sie werden von unerträglicher Müdigkeit befallen und sinken mit glühend heißer Stirn und brennenden Wangen in dem lispelnden Gewoge zu Boden.
Deshalb sind die Mütter ängstlich bedacht, ihre Kinder an Julitagen nicht aufs Feld zu schicken; denn die Roggenmuhme sitzt auf der Lauer.
Die spukende Sau in Woltersdorf
In dem Dorfe Woltersdorf, das am Fuße der Kranichs- oder Kronsberge liegt, welche sich an den von Rüdersdorf sich bis zur Spree erstreckenden Seen ausdehnen, treibt sich oft nachts in der zwölften Stunde eine große Sau herum, und wer ihr begegnet, dem läuft sie unter die Beine, daß er eine Strecke auf ihr reiten muß. So ging auch einmal einer noch spät um Mitternacht durchs Dorf, da sieht er plötzlich die Sau herbeistürzen; er aber trug einen Kreuzdornstock (und wer den hat, dem können die Geister nichts anhaben), mit dem schlug er der Sau über den Rücken, daß sie taumelte und eilends davonlief. Da hatte er nun zwar Ruhe vor ihr, aber als er aus dem Dorfe hinauskam, erhob sich ein so gewaltiger Sturm, daß er kaum weiter gekonnt hat, und er wird daher wohl die Sau künftig nicht wieder geschlagen haben.
Der Alte Fritz geht um
Die Potsdamer Garnisonkirche, in deren Gruft der Alte Fritz begraben liegt, wird manchmal um Mitternacht ganz hell im Innern, Orgelspiel ertönt, es öffnen sich die Türen weit, und der Alte Fritz kommt hoch zu Roß herausgeritten. Die Schildwachen haben den König deutlich erkannt und vor ihm präsentiert; aber das Pferd des Königs ist ohne Kopf gewesen. Er reitet nun durch die nächtliche Stadt bis hinaus nach Sanssouci, kehrt auf gleichem Weg zurück und betritt wieder die Kirche, deren Türen sich dann schließen. Das Reiterstandbild im Park von Sanssouci aber soll sich jedesmal umwenden, wenn der König die Gruft verläßt.
Die Erbauung von Bernau
An der Ecke der Brauerstraße, wo fast der Mittelpunkt der Stadt ist, soll ehedem ein einzelner Krug gestanden haben, zu dem einst Markgraf Albrecht der Bär gekommen und sich daselbst einen Trunk gefordert. Der hat ihm so herrlich gemundet, daß er sich entschloß, an dieser Stelle eine Stadt zu bauen, welchen Entschluß er auch alsbald ausgeführt. Zu dem Ende hat er die drei Dörfer Lindow, Schmetzdorf und Lüpenitz eingehen und die Einwohner in die neue Stadt ziehen lassen; daher haben die Felder der beiden ersten noch heutzutage ihren alten Namen und besteht das Lindowsche Feld aus 84 und das Schmetzdorfsche aus 48 Hufen; Lüpenitz aber ist zu einer Heide geworden, welches jedoch ein großes Dorf gewesen sein muß, da sich dessen Feldmark auf eine Meile erstreckt. Man sieht auch noch an allen drei Orten die Rudera der Kirchen und Kirchhöfe, zu Schmetzdorf aber hat der Magistrat ein Vorwerk angelegt. Es ist jedoch auch noch eine vierte Feldmark vorhanden mit 103 Hufen, diese heißt die Bernausche, und ist daher wahrscheinlich, daß früher auch ein Dorf Bernau vorhanden gewesen, von dem die Stadt wohl dann ihren Namen erhalten.
Spukgestalten in Köpenick
Im Schloß zu Köpenick wohnte einst eine Prinzessin, welche eine unglückliche Liebe hatte; die soll sich, als sie das Leben nicht länger ertragen mochte, von der Schloßbrücke in den Graben hinabgestürzt haben und so ums Leben gekommen sein. Nun aber läßt’s ihr keine Ruhe im Grab, und sie geht im Schloß um; namentlich aber sieht man ihren weißen Schleier oft des Nachts von der Plattform herabwehen.
Abends und nachts sieht man oft in Köpenick einen großen grauen Hund mit feurigen Augen herumgehen, der heißt Morro und hat sein Lager im Sand bei der Pyramidenbrücke; besonders sieht man ihn vor den Häusern gewisser Leute sitzen und sie gleichsam bewachen. Namentlich saß er oft stundenlang an der Tür eines langen dürren Friseurs, der in seiner ganzen Erscheinung so recht etwas Grauenhaftes hatte.
Auch sieht man um die Nachtzeit oft einen Reiter ohne Kopf auf einem Schimmel durch die Straßen von Köpenick reiten, dem Hunde nachfolgen, die gleichfalls keinen Kopf haben. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch in Straußberg und andern Orten.
Wie die alten Wenden spuken
In der Prignitz geht die Sage, daß die ungetauft verstorbenen Wenden auf der Erde und in den Lüften ruhelos bis zum jüngsten Tag wandern müssen. Sie spielen den Nachkommen der Deutschen, welche einst ihre Tempel zerstörten, mancherlei Schabernak. So manchen Wanderer haben sie des Nachts bös erschreckt und manchem Fuhrmann unsichtbar den Wagen so beschwert, daß die Pferde die Last kaum ziehen konnten.
Hauptsächlich erscheinen die Wenden als Unglücksboten an Kreuzwegen, z. B. am Kreuzweg Groß Gottschow-Rambow – Kleinow-Krampfer, selbst am hellen Tag.
Die drei Linden auf dem Heiligen-Geist-Kirchhof zu Berlin
Auf dem Kirchhof des Hospitals zum Heiligen. Geist in Berlin standen vor vielen Jahren, wie ältere Leute noch von ihren Vorfahren gehört haben mögen, drei große Linden, die mit ihren dichten Kronen den Raum weithin überschatteten. Das Wunderbarste an diesen Bäumen aber war, daß sie mit den Kronen in die Erde gepflanzt waren und dennoch ein so herrliches Wachstum erreicht hatten. Dieses Wunder hatte die göttliche Allmacht bewirkt, um einen Unschuldigen vom Tode zu erretten.
Vor vielen Jahren lebten nämlich zu Berlin drei Brüder, die einander mit der herzlichsten Liebe zugetan waren und mit Leib und Leben für einander einstanden. Doch ihr Glück wurde plötzlich durch einen Vorfall gestört, den sich keiner hätte je träumen lassen. Obgleich alle drei bisher einen vollkommen unbescholtenen Lebenswandel geführt hatten, wurde doch einer von ihnen des Meuchelmordes angeklagt und sollte den Tod erleiden, weil alle Umstände die ihm zur Last gelegte Tat wahrscheinlich machten. Sämtliche Unschuldsbeteuerungen waren erfolglos geblieben.
Noch saß der junge Mann im Gefängnis, als eines Tages seine beiden Brüder vor dem Richter erschienen und jeder von ihnen sich des begangenen Mordes bezichtigte. Kaum hatte dies der zum Tod Verurteilte vernommen, als auch er, obzwar schuldlos, die Tat eingestand, da er erkannte, daß seine Brüder ihn nur retten wollten. So standen nun statt eines Täters auf einmal deren drei vor Gericht; jeder behauptete mit gleichem Eifer, er allein habe den Mord begangen.
Da wagte der Richter nicht, den Urteilsspruch an dem ersten vollstrecken zu lassen, sondern legte den Fall noch einmal dem Kurfürsten vor. Dieser verordnete, daß hier ein Gottesurteil entscheiden solle. Er befahl daher, jeder der drei Brüder möge eine junge, gesunde Linde mit der Krone ins Erdreich pflanzen, so daß die Wurzeln nach oben stünden; wessen Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott selbst dadurch als Täter bezeichnet.
Dieses Urteil wurde beim Anbruch des Frühlings vollzogen und, siehe da! nur wenige Wochen vergingen, und alle drei Bäume, die man auf dem Heiligen-Geist-Kirchhofe angepflanzt hatte, bekamen frische Triebe und wuchsen bald zu kräftigen Bäumen heran.
So war denn die Unschuld der drei Brüder erwiesen, und die Bäume haben noch lange in üppiger Kraft an der alten Stelle gestanden, bis sie endlich verdorrten und anderen Platz machen mußten.
Spuk am Kesselgrund bei Gehren
Einmal waren vier junge Burschen aus Gehren übereingekommen, aus dem Gräflichen Stangenholz zu mausen. Es war im Sommer bei hellem Mondschein gegen Mitternacht. Sie nahmen also ihre Gabeln und gingen los. Als sie sich zwei schöne Bäume geholt hatten, gingen sie wieder nach Hause zu. Sie kamen an den Kesselgrund am grünen Berg. Plötzlich blieb der vorderste Bursche stehen. Da mußte auch der zweite anhalten. Der fragte nun den ersten ganz heimlich, warum er stehenbliebe. Da sagte der zu ihm, ich habe leise Schritte gehört. Inzwischen kamen auch die beiden andern Burschen heran und stützten ihren Baum auch auf die Gabeln. Alle vier horchten ganz genau. Da hörten sie, wie es leise um sie herumging; bald vor, bald hinter ihnen, dann nach rechts, dann nach links. Dann entfernten sich die Schritte. Die vier Burschen standen dicht beieinander, aber trotzdem sie jung und kräftig waren, kam sie ein Grausen an; denn die Schritte kamen wieder näher, ohne daß sie etwas sehen konnten. Da sagte einer von ihnen halblaut: »Hier ist eine Seele zuviel« und winkte den andern, und sie ließen die Bäume auf den Gabeln und gingen ein Stück weiter bis auf ein anderes Stück über die Grenze. Da hörten die Schritte auf, die immer um sie herumgegangen waren und der Spuk ging nach dem Kirchsteig zu, der nach Drehna führte, und sie hörten den Schall jetzt so deutlich, als ob einer auf hartem Boden mit Pantoffeln ging. Frühmorgens gingen sie dann nochmals hin, holten die Bäume, sahen aber keine Spur von einem, der da gelaufen wäre.
Markgraf Hans auf der Jägersburg im Regenthinsee
Markgraf Hans, von dem man sich in der Neumark vielerlei Geschichten erzählt, besaß ein altes Schloß auf einer Insel des Regenthinsees, die Jägersburg. Die Schweden haben es später zerstört, und kein Stein ist mehr auf dem andern geblieben. Wer in trockener Jahreszeit an der Stätte des alten Schlosses steht, bemerkt dicht unter dem Wasserspiegel des tiefen Sees, nicht weit von der Insel nach Norden zu, einen langen Wall. Mit diesem hat es folgende Bewandtnis:
Markgraf Hans war ein frommer Herr, der Teufel aber ließ nichts unversucht, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Er erbot sich einmal, wenn der Markgraf sich ihm mit Leib und Seele verpfänden wolle, dem Schloßherrn einen Damm vom Ufer bis zum Schloß zu bauen. Der Markgraf, der einen Damm nach dem Nordufer wohl brauchen konnte, war schließlich zu dem Bunde bereit, doch stellte er dem Teufel die Bedingung, der Damm müsse in einer Nacht bis zum Hahnenschrei fertig sein. Im stillen aber dachte er, dies sei auch dem Teufel unmöglich.
In der Nacht begann nun der Böse sein Werk, und dabei halfen ihm so viele höllische Geister, daß der Bau ungemein schnell vor sich ging. Um Mitternacht war schon mehr als die Hälfte des Dammes fertig. Als der Markgraf das schnelle Wachsen des Teufelswerkes sah, erschrak er und wandte sich in seiner Angst an seinen Kutscher um Hilfe. Der Kutscher war nämlich ein schlauer Mensch und wußte auch hier bald Rat.
»Ich werde dafür sorgen,« beruhigte er den Markgrafen, »daß der Hahn eine Stunde früher kräht,« und übte sogleich das Kikeriki, daß er es bald so gut konnte wie ein Hahn. Um ein Uhr schlich er zum Hühnerstall und fing zu krähen an. Da erwachte der Hahn und begann laut seinen Morgengruß, noch ehe der Teufel sein Werk zu Ende gebracht hatte. Der Markgraf aber jubelte laut und lachte den Teufel aus.
Als der Höllenfürst erkannte, daß er sein Spiel verloren habe, machte er sich mit seiner ganzen Helferschar auf und fuhr wütend durch die Lüfte über die Wälder davon. Dabei entstand ein so heftiger Sturmwind, daß die Kiefern sich bogen, die Äste brachen und die Stämme krüppelig wurden.
Noch nach vielen Jahren konnte man an diesen Bäumen, die im Wachstum zurückblieben, die Richtung erkennen, in der die höllischen Geister mit ihrem Anführer davongeflogen sind.
Die erschlagene Hexe
Am letzten April war einst ein Müllergesell noch spät Abends in einer Mühle bei Rathenow beschäftigt, da kommt eine schwarze Katze zur Mühle hinein; er jagt sie mehrmals hinaus, aber sie kam immer wieder, so daß er ihr endlich einen Schlag auf den Vorderfuß versetzte, daß sie schreiend davon lief. Als er darauf die Räder geschmiert und alles in Ordnung gebracht hatte, ging er zu Bett. Andern Morgens, als er in das Haus des Müllers zum Frühstück kommt, bemerkt er, daß dessen Frau mit gequetschtem Arm im Bett liegt, und erfährt, daß sie das seit gestern abend habe, niemand wisse aber woher. Da hat er denn gemerkt, daß die Müllerfrau eine Hexe war und daß sie am vorigen Abend als Katze zum Blocksberg gewesen sein müsse.
Der Name von Küstrin
Als die Stadt Küstrin gebaut war, wußten die Ratsherrn nicht, wie man die Stadt benamen solle, und rieten lange hin und her; da machte endlich einer den Vorschlag, es solle sich der gesamte Rat vor das Haupttor der Stadt setzen, und nach dem die Stadt benennen, der zuerst in dies Tor hereinkommen würde. So geschah’s denn auch, und der weise Rat setzte sich ans Tor und harrte; da kam auch bald ein Bauernmädchen des Weges, und als man sie fragte, wer sie sei, antwortete sie, sie sei Küsters Trin, das hat man denn zusammengezogen und der Stadt den Namen Küstrin gegeben.
Der Teufel zu Spandau
Im Jahre 1595 zeigten sich zu Spandau, Friedeberg und an anderen Orten viele vom Teufel Besessene. Deshalb wurden auf kurfürstlichen Befehl allgemein Betstunden abgehalten. Zu Spandau, oder wie man damals sagte Spandow, war die Anzahl derer, die vom Teufel geplagt wurden, besonders groß, und die Spandauer hatten sich das wohl selber zuzuschreiben, meinten die Anrainer; denn in Spandau war es allgemein der Brauch, daß man die Verwünschung aussprach, der Teufel möge einen holen, wenn das, was man sage, nicht wahr sei. Auch fluchte man damals, wenn man einem andern Übles wünschte, es möchten ihm ganze Fässer und Scheffel voll Teufel in den Leib fahren. Darauf wurden dann viele Bürger, junge und alte, vom Satan besessen und von Teufeln gequält. Diese schrien: „Ihr habt uns gerufen, wir haben kommen müssen.“
Aber auch früher schon, geht die Sage, hatte es dem Teufel in Spandau sehr gut gefallen; denn bereits im Jahre 1584 war er vor die Stadt gekommen und hatte dort als reicher Händler große Kragen feilgehalten und zahlreichen Zulauf gehabt. Die Käufer aber waren nachher alle vom Teufel geplagt worden, bis es nach langwierigen Beschwörungen gelang, die Teufel aus den Besessenen wieder auszutreiben.
Die Rippe zu Berlin
An dem Eckhaus des Molkenmarkts und der Bollengasse hängen ein Paar gewaltige Knochen, das ist das Schulterblatt und die Rippe eines Riesen, und darum nennt man das Haus auch schlechthin »Die Rippe«. Dieser Riese soll aber hier von einem Erdwurm, so nannten die Riesen in ihrem Übermut die Menschen, erschlagen und so groß gewesen sein, daß sein Leib nicht auf einem Kirchhof Platz hatte, daher hat man ihn denn zerstückeln und auf allen Kirchhöfen begraben müssen.
In der Nähe des Molkenmarkts, nach dem Rathaus zu, soll überhaupt ehemals die wahre Bärengrube gewesen sein, wo sich die Bären aufgehalten haben, und daher ist es denn auch gekommen, daß Berlin einen Bären im Wappen führt.