Vierzehnter Gesang

Vierzehnter Gesang

Nestor, der den verwundeten Machaon bewirtet, eilt auf das Getöse hinaus, und spähet. Ihm begegnen Agamemnon, Diomedes und Odysseus, die, matt von den Wunden, das Treffen zu schaun kommen. Agamemnons Gedanken an Rückzug tadelt Odysseus. Nach Diomedes‘ Vorschlag gehn sie die Achaier zu ermuntern; und Poseidon tröstet den Agamemnon. Here, mit Aphroditens Gürtel geschmückt, schläfert den Zeus auf Ida ein, daß Poseidon noch mächtiger helfe. Hektor, den Ajas mit dem Steine traf, wird ohnmächtig aus der
Schlacht getragen. Die Troer fliehn, indem Ajas, Oileus‘ Sohn, sich auszeichnet.

Nestor vernahm das Geschrei, auch sitzend am Trunk nicht achtlos;
Schnell zu Asklepios‘ Sohn die geflügelten Worte begann er:
Denke doch, edler Machaon, wohin sich wende die Sache!
Lauter hallt um die Schiffe der Ruf von blühenden Streitern!
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Aber bleib du sitzen, und trink des funkelnden Weines,
Bis dir ein warmes Bad die lockige Hekamede
Wärmt, und rein die Glieder vom blutigen Staube dir badet.
Ich will indes hineilen, und schnell umschaun von der Höhe.
Sprach’s, und nahm den gediegenen Schild des trefflichen Sohnes
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Der im Gezelt dalag dem reisigen Held Thrasymedes,
Überstrahlt von Erz: der ging mit dem Schilde des Vaters:
Nahm dann die mächtige Lanze, gespitzt mit der Schärfe des Erzes,
Stellte sich außer dem Zelt, und schaut‘ unerfreuliche Taten:
Diese dahergescheucht, und jen‘ im Tumult sie verfolgend,
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Trojas mutige Söhn‘; auch gestürzt war die Mauer Achaias.
Wie wenn dunkel sich hebt das Meer mit stummem Gewoge,
Ahndend nur der sausenden Wind‘ herzuckende Wirbel,
Kaum, doch nirgendwohin die schlagende Woge gewälzt wird,
Bis ein entscheidender Sturm sich herunterstürzt von Kronion:
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Also erwog unruhig der Greis in der Tiefe des Herzens,
Zwiefach: ob er zur Schar gaultummelnder Danaer ginge,
Oder zu Atreus‘ Sohn, dem Hirten des Volks Agamemnon.
Dieser Gedank‘ erschien dem Zweifelnden endlich der beste,
Hin zum Atreiden zu gehn. Dort würgten sie einer den andern,
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Wütend im Kampf; und es krachte das starrende Erz um die Leiber
Unter dem Stoß der Schwerter und zwiefachschneidenden Lanzen.
Nestorn begegneten nun die gottbeseligten Herrscher
Wiedergekehrt von den Schiffen, so viel das feindliche Erz traf,
Tydeus‘ Sohn, und Odysseus, und Atreus‘ Sohn Agamemnon:
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Welchen weit vom Treffen entfernt sich reihten die Schiffe
Tief am Gestade des Meers. Denn die erstgelandeten zog man
Feldwärts auf, und erhub an den Steuerenden die Mauer.
Nimmermehr ja konnte, wie breit es war, das Gestade
Alle Schiff‘ einschließen des Heers; und es engte die Völker:
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Darum zog man gestuft sie empor, und erfüllte des Ufers
Weite Bucht, die begrenzt von den Vorgebirgen umherlief.
Drum nun kamen zu schaun das Feldgeschrei und Getümmel,
Matt auf die Lanze gestützt, die Verwundeten; und von Betrübnis
Schwoll in den Busen ihr Herz. Es begegnete jetzo der graue
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Nestor, und macht‘ hinstarren das Herz der edlen Achaier.
Ihn anredend begann der herrschende Held Agamemnon:
Nestor, Neleus‘ Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Warum kommst du daher, das würgende Treffen verlassend?
Ach ich sorg‘, es vollende sein Wort der stürmende Hektor,
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Wie er vordem mir gedroht im Rat der versammelten Troer:
Eher nicht von den Schiffen gen Ilios wiederzukehren,
Eh‘ er in Glut die Schiffe verbrannt, und getötet sie selber.
Also redete jener; und nun wird alles vollendet.
Götter, gewiß sie alle, die hellumschienten Achaier,
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Hegen mir Groll im Herzen, und hassen mich, gleich wie Achilleus;
Daß sie dem Kampf sich entziehn um die ragenden Steuer der Schiffe!
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Dies ward alles vollbracht und gefertiget; nimmer vermocht‘ auch
Selbst der Donnerer Zeus es anders wieder zu schaffen!
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Denn schon sank die Mauer in Schutt, die ganz unzerbrechlich,
Traueten wir, sich erhub uns selbst und den Schiffen zur Abwehr.
Jen‘ um die rüstigen Schiff‘, unermeßliche Kämpfe bestehn sie,
Rastlos; nicht erkanntest du mehr, wie scharf du umhersähst,
Welcherseits die Achaier im tobenden Schwarme sich tummeln:
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So ist vermischt das Gemord‘, und es schallt zum Himmel der Aufruhr.
Uns nun laßt erwägen, wohin sich wende die Sache,
Wenn ja Verstand noch hilft. Nur rat‘ ich nicht, in die Feldschlacht
Einzugehn; denn es taugt der Verwundete nimmer zu streiten.
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
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Nestor, dieweil schon wütet der Kampf um die ragenden Steuer,
Und nichts frommte der Mauer gewaltiger Bau, noch der Graben,
Was mit Müh‘ uns Achaiern gelang, und ganz unzerbrechlich,
Traueten wir, sich erhub uns selbst und den Schiffen zur Abwehr;
So gefällt es nun wohl dem hocherhabnen Kronion,
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Daß hier ruhmlos sterben von Argos fern die Achaier.
Wußt‘ ich es doch, als Zeus huldvoll die Achaier beschirmte;
Und weiß nun, daß er jene zur Herrlichkeit seliger Götter
Auserwählt, uns aber den Mut und die Hände gefesselt.
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
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Welche Schiffe zunächst am Rande des Meers wir gestellet,
Nehmen wir all‘, und ziehn sie hinab in die heilige Meerflut,
Hoch auf der Flut mit Ankern befestigend, bis uns herannaht
Öde Nacht, wo alsdann auch zurück sich hält vom Gefechte
Trojas Volk; drauf ziehn wir die sämtlichen Schiff‘ in die Wogen.
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Denn nicht Tadel verdient’s, der Gefahr auch bei Nacht zu entrinnen!
Besser, wer fliehend entrann der Gefahr, als wen sie ereilet!
Finster schaut‘ und begann der erfindungsreiche Odysseus:
Welch ein Wort, o Atreid‘, ist dir aus den Lippen entflohen?
Schrecklicher! daß du vielmehr doch ein anderes feigeres Kriegsvolk
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Führetest, doch nicht uns obwaltetest, welchen fürwahr Zeus
Früh von Jugend gewährte bis spät zum Alter zu dauern
Unter des Kriegs Drangsalen, bis tot auch der letzte dahinsinkt!
Also gedenkst du im Ernst, von der weitdurchwanderten Troja
Heimzufliehn, um welche des Grams so viel wir erduldet?
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Schweig, damit kein andrer in Argos‘ Volk es vernehme,
Dieses Wort, das schwerlich ein Mann mit den Lippen nur ausspricht,
Dessen Seele gelernt, anständige Dinge zu reden,
Wenn er, geschmückt mit dem Scepter, so mächtige Völker beherrschet,
Als dir, König, daher aus Argos‘ Städten gefolgt sind!
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Jetzo tadl‘ ich dir gänzlich den Einfall, welchen du vorbringst!
Mitten in Schlacht und Getümmel die schöngebordeten Schiffe
Nieder ins Meer zu ziehen, ermahnest du: daß noch erwünschter
Ende der Troer Geschick, die so schon siegen an Stärke,
Und uns Tod und Verderben zerschmettere! Denn die Achaier
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Halten nicht aus das Gefecht, wann ins Meer wir die Schiffe hinabziehn
Sondern voll Angst umschauend, vergessen sie alle der Streitlust!
Traun dann wäre dein Rat uns fürchterlich, Völkergebieter!
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
Tief in die Seele fürwahr, Odysseus, drang dein Verweis mir,
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Schreckenvoll! Doch ich heiße ja nicht, daß wider ihr Wollen
Argos‘ Söhn‘ in das Meer die gebogenen Schiffe hinabziehn.
Komme nunmehr, wer besseren Rat zu sagen vermeinet,
Jüngling oder auch Greis; mir sei er herzlich willkommen!
Jetzo begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
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Hier ist der Mann! Was suchen wir länger ihn? höret ihr anders
Guten Rat, und verschmähet ihn nicht, unwilliges Herzens,
Weil ich zwar an Geburt der jüngere bin von euch allen.
Aber ich rühme mich stolz nicht weniger edles Geschlechtes,
Tydeus‘ Sohn, den in Thebe gehügelte Erde bedecket!
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Portheus wurden ja drei untadlige Söhne geboren,
Welche Pleuron bewohnt, und Kalydons bergichte Felder:
Agrios erst, dann Melas, und dann der reisige Öneus,
Tydeus‘ Vater, mein Ahn‘, berühmt vor jenen an Tugend.
Dieser weilte daselbst; doch es zog mein Vater gen Argos,
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Lange verirrt: so ordnet‘ es Zeus und die anderen Götter.
Einer Tochter vermählt des Adrastos, wohnt‘ er im Hause,
Reich an Lebensgut; auch genug der Weizengefilde
Hatt‘ er, und viel der Gärten, von Baum und Rebe beschattet,
Viel auch der weidenden Schaf‘; und an Lanzenkunde besiegt‘ er
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Alles Volk. Doch sicher vernahmt ihr schon, wie es wahr ist.
Darum wähnet mich nicht unkriegrisches feiges Geschlechtes,
Noch verachtet den Rat, den ich frei und gut euch eröffne.
Kommt, wir gehn in die Schlacht, verwundet zwar, doch genötigt!
Dort dann wollen wir zwar uns selbst enthalten des Kampfes,
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Aus dem Geschoß, daß nicht uns Wund‘ auf Wunde verletze;
Doch ermahnen wir andre zur Tapferkeit, welche zuvor schon,
Ihrem Mut willfahrend, zurückflohn, müde des Kampfes.
Jener sprach’s; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
Eilend folgten sie jetzt dem Herrscher des Volks Agamemnon.
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Aber nicht achtlos lauschte der Erderschüttrer Poseidon;
Sondern er trat zu ihnen, ein alternder Krieger von Ansehn,
Faßte die rechte Hand dem Herrscher des Volks Agamemnon,
Redete drauf zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:
Atreus‘ Sohn, nun schlägt des Achilleus grausames Herz wohl
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Hoch vor Freud‘ in der Brust, das Gewürg‘ und die Flucht der Achaier
Anzuschaun; denn ihm fehlt auch die mindeste gute Besinnung.
Laß ihn seinem Verderben; ein Himmlischer zeichne mit Schand‘ ihn!
Noch sind dir nicht ganz die seligen Götter gehässig;
Sondern gewiß der Troer erhabene Fürsten und Pfleger
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Füllen noch weit das Gefilde mit Staub, und du siehest noch einmal
Heim sie entfliehn in die Stadt, von den Schiffen hinweg und Gezelten.
Sprach’s, und mit lautem Geschrei durchwandelt‘ er schnell das Gefilde.
Wie wenn zugleich neuntausend daherschrein, ja zehntausend
Rüstige Männer im Streit, zu schrecklichem Kampf sich begegnend:
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Solche Stimm‘ enthallte des erderschütternden Königs
Starker Brust in das Heer, und rüstete jegliches Mannes
Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.
Here stand nun schauend, die goldenthronende Göttin,
Hoch vom Gipfel herab des Olympos; und sie erkannte
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Schnell den Schaltenden dort in der männerehrenden Feldschlacht,
Ihren leiblichen Bruder und Schwager, freudiges Herzens.
Ihn alsdann auf der Höhe des quellenströmenden Ida
Sahe sie sitzen, den Zeus, und zürnt‘ ihm tief in der Seele.
Jetzo sann sie umher, die hoheitblickende Here,
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Wie sie täuschte den Sinn des ägiserschütternden Gottes.
Dieser Gedank‘ erschien der Zweifelnden endlich der beste:
Hinzugehn auf Ida, geschmückt mit lieblichem Schmucke;
Ob er vielleicht begehrte, von Lieb‘ entbrannt zu umarmen
Ihren Reiz, und sie ihm einschläfernde sanfte Betäubung
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Gießen möcht‘ auf die Augen, und seine waltende Seele.
Und sie enteilt‘ ins Gemach, das ihr Sohn, der kluge Hephästos,
Ihr gebaut, und die künstliche Pfort‘ an die Pfosten gefüget
Mit verborgenem Schloß, das kein anderer Gott noch geöffnet.
Dort ging jene hinein, und verschloß die glänzenden Flügel.
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Jetzt entwusch sie zuerst mit Ambrosia jede Befleckung
Ihrem reizenden Wuchs, und salbt‘ ihn mit lauterem Öle,
Fein und ambrosischer Kraft, von würzigem Dufte durchbalsamt;
Welches auch, kaum nur bewegt im ehernen Hause Kronions,
Erde sogleich und Himmel mit Wohlgerüchen umhauchte:
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Hiermit salbte sie rings die schöne Gestalt; auch das Haupthaar
Kämmt‘ und ordnete sie, und ringelte glänzende Locken,
Schön und ambrosiaduftend, herab von der göttlichen Scheitel;
Hüllte sich drauf ins Gewand, das ambrosische, so ihr Athene
Zart und künstlich gewirkt, und reich an Wundergebilde;
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Dann mit goldenen Spangen verband sie es über dem Busen;
Schlang dann umher den Gürtel, mit hundert Quästen umbordet.
Jetzo fügte sie auch die schönen Gehäng‘ in die Ohren,
Dreigestirnt, hellspielend; und Anmut leuchtete ringsum.
Auch ein Schleier umhüllte das Haupt der erhobenen Göttin,
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Lieblich und neu vollendet; er schimmerte, hell wie die Sonne;
Unter die glänzenden Füß‘ auch band sie sich stattliche Sohlen.
Als sie nunmehr vollkommen den Schmuck der Glieder geordnet,
Eilte sie aus dem Gemach, und rief hervor Aphrodite,
Von den anderen Göttern entfernt, dann freundlich begann sie:
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Möchtest du jetzt mir gehorchen, mein Töchterchen, was ich begehre;
Oder vielleicht es versagen, mir darum zürnend im Herzen,
Weil ich selbst die Achaier, und du die Troer beschützest?
Ihr antwortete drauf die Tochter Zeus‘ Aphrodite:
Here, gefeierte Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos,
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Rede, was du verlangst; mein Herz gebeut mir Gewährung,
Kann ich es nur gewähren, und ist es selber gewährbar.
Listenreich antwortete drauf die Herrscherin Here:
Gib mir den Zauber der Lieb‘ und Sehnsucht, welcher dir alle
Herzen der Götter bezähmt, und sterblicher Erdebewohner.
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Denn ich geh‘ an die Grenzen der nahrungsprossenden Erde,
Daß ich den Vater Okeanos schau‘, und Thetys die Mutter:
Welche beid‘ im Palaste mich wohl gepflegt und erzogen,
Ihnen von Rheia gebracht, da der waltende Zeus den Kronos
Unter die Erde verstieß und die Flut des verödeten Meeres.
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Diese geh‘ ich zu schaun, und den heftigen Zwist zu vergleichen.
Denn schon lange Zeit vermeiden sie einer des andern
Hochzeitbett und Umarmung, getrennt durch bittere Feindschaft.
Könnt‘ ich jenen das Herz durch freundliche Worte bewegen,
Wieder zu nahn dem Lager, gesellt zu Lieb‘ und Umarmung;
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Stets dann würd‘ ich die teure geehrteste Freundin genennet.
Ihr antwortete drauf die hold anlächelnde Kypris:
Nie wär’s recht, noch geziemt es, dir jenes Wort zu verweigern;
Denn du ruhst in den Armen des hocherhabnen Kronion.
Sprach’s, und löste vom Busen den wunderköstlichen Gürtel,
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Buntgestickt: dort waren des Zaubers Reize versammelt;
Dort war schmachtende Lieb‘ und Sehnsucht, dort das Getändel,
Und die schmeichelnde Bitte, die selbst den Weisen betöret.
Den nun reichte sie jener, und redete, also beginnend:
Da, verbirg‘ in dem Busen den bunt durchschimmerten Gürtel,
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Wo ich des Zaubers Reize versammelte. Wahrlich du kehrst nicht
Sonder Erfolg von dannen, was dir dein Herz auch begehret.
Sprach’s; da lächelte sanft die hoheitblickende Here;
Lächelnd drauf verbarg sie den Zaubergürtel im Busen.
Jene nun ging in den Saal, die Tochter Zeus‘ Aphrodite.
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Here voll Ungestüms entschwang sich den Höhn des Olympos,
Trat auf Pieria dann, und Emathiens liebliche Felder,
Stürmete dann zu den schneeigen Höhn gaultummelnder Thraker,
Über die äußersten Gipfel, und nie die Erde berührend;
Schwebete dann vom Athos herab auf die Wogen des Meeres;
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Lemnos erreichte sie dann, die Stadt des göttlichen Thoas.
Dort nun fand sie den Schlaf, den leiblichen Bruder des Todes,
Faßt‘ ihm freundlich die Hand, und redete, also beginnend:
Mächtiger Schlaf, der Menschen und ewigen Götter Beherrscher,
Wenn du je mir ein Wort vollendetest, o so gehorch‘ auch
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Jetzo mir; ich werde dir Dank es wissen auf immer.
Schnell die leuchtenden Augen Kronions unter den Wimpern
Schläfre mir ein, nachdem uns gesellt hat Lieb‘ und Umarmung.
Deiner harrt ein Geschenk, ein schöner unalternder Sessel,
Strahlend von Gold: ihn soll mein hinkender Sohn Hephästos
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Dir bereiten mit Kunst, und ein Schemel sei unter den Füßen;
Daß du behaglich am Mahl die glänzenden Füße dir ausruhst.
Und der erquickende Schlaf antwortete, solches erwidernd:
Here, gefeierte Göttin, erzeugt vorn gewaltigen Kronos,
Jeden anderen leicht der ewigwährenden Götter
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Schläfert‘ ich ein, ja selbst des Okeanos wallende Fluten,
Jenes Stroms, der allen Geburt verliehn und Erzeugung.
Nur nicht Zeus Kronion, dem Donnerer, wag‘ ich zu nahen,
Oder ihn einzuschläfern, wo nicht er selbst es gebietet.
Einst schon witzigten mich, o Königin, deine Befehle,
250
Jenes Tags, da Zeus‘ hochherziger Sohn Herakles
Heim von Ilios fuhr, die Stadt in Trümmern verlassend.
Denn ich betäubte den Sinn des ägiserschütternden Gottes,
Sanft umhergeschmiegt; du aber ersannst ihm ein Unheil,
Über das Meer aufstürmend die Wut lautbrausender Winde,
255
Und verschlugst ihn darauf in Kos‘ bevölkertes Eiland,
Weit von den Freunden entfernt. Allein der Erwachende zürnte,
Schleudernd umher die Götter im Saal; mich aber vor allen
Sucht‘ er, und hätt‘ austilgend vom Äther ins Meer mich gestürzet;
Nur die Nacht, die Bändigerin der Götter und Menschen
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Nahm mich Fliehenden auf: da ruhete, wie er auch tobte,
Zeus, und scheute sich, die schnelle Nacht zu betrüben.
Und nun treibst du mich wieder, ein heillos Werk zu beginnen!
Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here:
Schlaf, warum doch solches in deiner Seele gedenkst du?
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Meinst du vielleicht, die Troer verteidige so der Kronide,
Wie um Herakles vor Zorn, um seinen Sohn, er entbrannt war?
Aber komm; ich will auch der jüngeren Grazien eine
Dir zu umarmen verleihn, daß dir sie Ehegenossin
Heiße, Pasithea selbst, nach welcher du stets dich gesehnet.
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Jene sprach’s; und der Schlaf antwortete freudiges Herzens:
Nun wohlan, beschwör‘ es bei Styx‘ wehdrohenden Wassern,
Rührend mit einer Hand die nahrungsprossende Erde,
Und mit der andern das schimmernde Meer; daß alle sie uns nun
Zeugen sein, die um Kronos versammelten unteren Götter:
275
Ganz gewiß mir verleihn der jüngeren Grazien eine
Willst du, Pasithea selbst, nach welcher ich stets mich gesehnet.
Sprach’s; und willig gehorchte die lilienarmige Here,
Schwur, wie jener begehrt, und rief mit Namen die Götter
All‘ im Tartaros unten, die man Titanen benennet.
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Aber nachdem sie gelobt, und ausgesprochen den Eidschwur;
Eilten sie, Lemnos Stadt und Imbros beide verlassend,
Eingehüllt in Nebel, mit leicht hinschwebenden Füßen.
Ida erreichten sie nun, den quelligen Nährer des Wildes,
Lekton, wo erst dem Meer sie entschwebeten; dann auf der Feste
285
Wandelten beid‘; es erbebten vom Gang die Wipfel des Waldes.
Dort nun weilte der Schlaf, bevor Zeus‘ Augen ihn sahen,
Hoch auf die Tanne gesetzt, die erhabene, welche des Idas
Höchste nunmehr durch trübes Gedüft zum Äther emporstieg:
Dort saß jener umhüllt von stachelvollem Gezweige,
290
Gleich dem tönenden Vogel, der nachts die Gebirge durchflattert,
Chalkis genannt von Göttern, und Nachtrab‘ unter den Menschen.
Here mit hurtigem Schritt erstieg des Gargaros Gipfel,
Idas Höh‘; und sie sahe der Herrscher im Donnergewölk Zeus.
So wie er sah, so umhüllt‘ Inbrunst sein waltendes Herz ihm,
295
Jener gleich, da zuerst sich beide gesellt zur Umarmung,
Nahend dem bräutlichen Lager, geheim von den liebenden Eltern.
Und er trat ihr entgegen, und redete, also beginnend:
Here, wohin verlangst du, da hier vom Olympos du herkommst?
Auch nicht hast du die Ross‘ und ein schnelles Geschirr zu besteigen.
300
Listenreich antwortete drauf die Herrscherin Here:
Zeus, ich geh‘ an die Grenzen der nahrungsprossenden Erde,
Daß ich den Vater Okeanos schau‘, und Thetys die Mutter,
Welche beid‘ im Palaste mich wohl gepflegt und erzogen;
Diese geh‘ ich zu schaun, und den heftigen Zwist zu vergleichen.
305
Denn schon lange Zeit vermeiden sie einer des andern
Hochzeitbett und Umarmung, getrennt durch bittere Feindschaft.
Aber die Ross‘, am untersten Fuß des quelligen Ida
Stehen sie, mich zu tragen durch festes Land und Gewässer.
Deinethalb nun bin ich hieher vom Olympos gekommen,
310
Daß nicht etwa dein Herz mir eiferte, wandert‘ ich heimlich
Zu des Okeanos Burg, des tiefhinströmenden Herrschers.
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Here, dorthin magst du nachher auch enden die Reise.
Komm, wir wollen in Lieb‘ uns vereinigen, sanft gelagert.
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Denn so sehr hat keine der Göttinnen oder der Weiber
Je mein Herz im Busen mit mächtiger Glut mir bewältigt:
Weder, als ich entflammt von Ixions Ehegenossin
Einst den Peirithoos zeugt‘, an Rat den Unsterblichen ähnlich;
Noch da ich Danae liebt‘, Akrisios‘ reizende Tochter,
320
Welche den Perseus gebar, den herrlichsten Kämpfer der Vorzeit;
Noch auch Phönix‘ Tochter, des ferngepriesenen Königs,
Welche mir Minos gebar, und den göttlichen Held Rhadamanthys;
Noch da ich Semele liebt‘, auch nicht Alkmene von Thebe,
Welche mir Mutter ward des hochgesinnten Herakles;
325
Jene gebar die Freude des Menschengeschlechts Dionysos;
Noch da ich einst die erhabne, die schöngelockte Demeter,
Oder die herrliche Leto umarmete, oder dich selber:
Als ich anjetzt dir glühe, durchbebt von süßem Verlangen!
Listenreich antwortete drauf die Herrscherin Here:
330
Welch ein Wort, Kronion, du Schrecklicher, hast du geredet!
Wenn du jetzt in Liebe gesellt zu ruhen begehrest
Oben auf Idas Höhn, wo umher frei alles erscheinet;
O wie wär’s, wenn uns einer der ewigwährenden Götter
Beid‘ im Schlummer erblickt‘, und den Himmlischen allen es eilend
335
Meldete? Traun nie kehrt‘ ich hinfort zu deinem Palaste,
Aufgestanden vom Lager; denn unanständig ja wär‘ es!
Aber wofern du willst, und deiner Seel‘ es genehm ist;
Hast du ja ein Gemach, das dein Sohn, der kluge Hephästos,
Dir gebaut, und die künstliche Pfort‘ an die Pfosten gefüget:
340
Dorthin gehn wir zu ruhn, gefällt dir jetzo das Lager.
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Here, weder ein Gott, vertraue mir, weder ein Mensch auch
Wird uns schaun: denn ein solches Gewölk umhüll‘ ich dir ringsum,
Strahlend von Gold; nie würd‘ uns hindurchspähn Helios selber,
345
Der doch scharf vor allen mit strahlenden Augen umherblickt.
Also Zeus, und umarmte voll Inbrunst seine Gemahlin.
Unten nun sproß die heilige Erd‘ aufgrünende Kräuter,
Lotos mit tauiger Blum‘, und Krokos, samt Hyakinthos,
Dichtgedrängt und weich, die empor vom Boden sie trugen:
350
Hierauf ruheten beid‘, und hüllten sich rings ein Gewölk um,
Schön und strahlend von Gold; und es taueten glänzende Tropfen.
Also schlummerte dort auf Gargaros Höhe der Vater,
Sanft von Schlaf bezwungen und Lieb‘, und umarmte die Gattin.
Eilend lief der erquickende Schlaf zu den Schiffen Achaias,
355
Botschaft anzusagen dem Erderschüttrer Poseidon;
Nahe trat er hinan, und sprach die geflügelten Worte:
Jetzo mit Ernst, Poseidon, den Danaern Hilfe gewähret!
Ihnen verleih‘ itzt Ruhm, zum wenigsten, weil noch Kronion
Schläft; ich selber umhüllt‘ ihn mit sanft betäubendem Schlummer,
360
Als ihn Here betört zu holder Lieb‘ und Umarmung.
Dieses gesagt, entflog er zu rühmlichen Menschengeschlechtern.
Doch ihn reizt‘ er noch mehr, dem Danaervolke zu helfen.
Schnell in das Vordergetümmel voraus sich stürzend ermahnt‘ er:
Argos‘ Söhn‘, auch jetzo vergönnen wir Sieg dem Hektor,
365
Priamos‘ Sohn, daß er nehme die Schiff, und Ruhm sich gewinne?
Aber er wähnt zwar also, und frohlockt, weil noch Achilleus
Bei den geräumigen Schiffen verweilt mit zürnendem Herzen.
Dennoch vermissen wir sein nicht sonderlich, wenn nur wir andern
Mutiger angestrengt uns verteidigen untereinander!
370
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
Jetzt die gewaltigsten Schild‘ und größesten unseres Heeres
Angelegt und die Häupter in weithinstrahlende Helme
Eingehüllt, in den Händen die mächtigsten Lanzen bewegend,
Wollen wir gehn, ich selber voran; und schwerlich besteht uns
375
Hektor, Priamos‘ Sohn, wie ungestüm er daherstrebt!
Ist wo ein streitbarer Mann, der mit kleinerem Schilde sich decket,
Reich‘ er dem schwächeren Krieger ihn dar, und nehme den größern!
Jener sprach’s; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
Ringsum ordneten diese die Könige selbst, auch verwundet,
380
Tydeus‘ Sohn, und Odysseus, und Atreus‘ Sohn Agamemnon;
Gingen umher, und vertauschten die kriegrischen Waffen der Männer:
Starke bekam der Starke, dem Schwächeren gaben sie schwache.
Aber nachdem sie den Leib mit blendendem Erz sich umhüllet,
Drangen sie vor; sie führte der Erderschüttrer Poseidon,
385
Tragend ein Schwert, entsetzlich und lang, in der nervichten Rechte,
Gleich dem flammenden Blitz, dem niemand wagt zu begegnen
In der vertilgenden Schlacht; auch die Furcht schon hemmet die Krieger.
Trojas Söhn‘ auch stellte der strahlende Hektor in Ordnung.
Siehe mit schrecklicher Wut nun strengten den Kampf der Entscheidung
390
Der schwarzlockige Herrscher des Meers, und der strahlende Hektor,
Dieser dem Troervolk, und der den Danaern helfend.
Hoch aufwogte das Meer an der Danaer Schiff‘ und Gezelte
Brandend empor; und sie rannten mit lautem Geschrei aneinander.
Nicht so donnert die Woge mit Ungestüm an den Felsstrand,
395
Aufgestürmt aus dem Meer vom gewaltigen Hauche des Nordwinds;
Nicht so prasselt das Feuer heran mit sausenden Flammen
Durch ein gekrümmt Bergtal, wann den Forst zu verbrennen es auffuhr;
Nicht der Orkan durchbrauset die hochgewipfelten Eichen
So voll Wut, wann am meisten mit großem Getös‘ er dahertobt:
400
Als dort laut der Troer und Danaer Stimmen erschollen,
Da sie mit grausem Geschrei anwüteten gegeneinander.
Jetzo zielt‘ auf Ajas zuerst der strahlende Hektor,
Als er sich gegen ihn wandt‘, und nicht verfehlt‘ ihn die Lanze:
Dort wo ihm zween Riemen sich breiteten über den Busen,
405
Dieser vom Schild‘, und jener des silbergebuckelten Schwertes,
Traf er; doch beide beschirmten den Leib. Da zürnete Hektor,
Daß sein schnelles Geschoß umsonst aus der Hand ihm entflohn war;
Und in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, meidend das Schicksal.
Aber den Weichenden traf der Telamonier Ajas
410
Schnell mit dem Stein; denn viele, die räumigen Schiffe zu stützen,
Lagen gewälzt vor den Füßen der Kämpfenden: den nun erhebend,
Warf er über dem Schilde die Brust ihm, nahe dem Halse;
Jenen schwang, wie den Kräusel, der Wurf, und er taumelte ringsum;
So wie vor Zeus‘ hochschmetterndem Schlag hinstürzet die Eiche,
415
Wurzellos, und entsetzlich der Dampf des brennenden Schwefels
Ihr entsteigt; mutlos und betäubt steht, welcher es anschaut
Nahe dem Ort; denn furchtbar ist Zeus‘ des Allmächtigen Donner:
Also stürzt‘ in den Staub die Gewalt des göttlichen Hektor.
Schnell entsank die Lanze der Hand, es folgte der Schild nach,
420
Auch der Helm; ihn umklirrte das Erz der prangenden Rüstung.
Laut vor Freud‘ aufjauchzend bestürmten ihn Männer Achaias,
Hoffend ihn wegzuziehn, und schleuderten häufig Speere
Gegen ihn; dennoch traf den Völkerhirten nicht einer,
Weder mit Stoß noch Wurf, denn die Tapfersten nahten umwandelnd,
425
Held Äneias, Polydamas auch, und der edle Agenor,
Auch Sarpedon, der Lykier Fürst, und der treffliche Glaukos;
Auch der anderen keiner versäumt‘ ihn, sondern sie hielten
Wohlgeründete Schild‘ ihm zur Abwehr. Doch ihn erhebend
Trugen die Freund‘ auf den Armen aus Kriegsarbeit zu den Rossen,
430
Welche geflügeltes Hufs ihm hinter dem Kampf und Gefechte
Standen, gehemmt vom Lenker am kunstreich prangenden Wagen;
Diese trugen zur Stadt den schwer aufstöhnenden Krieger.
Als sie nunmehr an die Furt des schönhinwallenden Xanthos
Kamen, des wirbelnden Stroms, den Zeus der Unsterbliche zeugte;
435
Legten sie dort vom Geschirr zur Erd‘ ihn, sprengten dann Wasser
Über ihn her: bald atmet‘ er auf, und blickte gen Himmel;
Hingekniet dann saß er, und spie schwarzschäumendes Blut aus;
Aber zurück nun sank er zur Erd‘ hin, und es umhüllte
Finstere Nacht ihm die Augen; denn noch betäubte der Wurf ihn.
440
Argos‘ Söhn‘, als jetzo sie Hektor sahen hinweggehn,
Drangen gestärkt in der Troer Gewühl, und entbrannten vor Streitlust.
Siehe zuerst traf Ajas, der rasche Sohn des Oileus,
Satnios, ungestüm mit spitziger Lanz‘ ihn ereilend,
Enops Sohn; ihn gebar dem rinderweidenden Enops
445
Eine schöne Najad‘ an Satniois grünenden Ufern:
Diesen traf anrennend der streitbare Sohn des Oileus
Durch die Weiche des Bauchs, daß er taumelte; und ihn umdrängten
Troer zugleich und Achaier, gemischt zu grauser Entscheidung.
Aber der Lanzenschwinger Polydamas kam ihm ein Rächer,
450
Panthoos Sohn, und schoß Prothoënor rechts in die Schulter,
Areïlykos‘ Sohn, daß hindurch der stürmende Wurfspieß
Fuhr; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.
Hoch frohlockte darob Polydamas, laut ausrufend:
Nicht ist jetzt, wie ich meine, dem mutigen Panthoiden
455
Aus der gewaltigen Hand umsonst entsprungen der Wurfspieß;
Sondern der Danaer einer empfing ihn im Leib‘; und vermutlich
Wird er, gestützt auf den Stab, in Aïdes Wohnung hinabgehn!
Jener sprach’s; und es schmerzte der jauchzende Ruf die Achaier;
Aber dem Ajas schwoll sein mutiges Herz vor Betrübnis,
460
Ihm des Telamons Sohn, dem zunächst hinsank Prothoënor.
Schnell dem Weichenden nach entsandt‘ er die blinkende Lanze.
Zwar Polydamas selber vermied das schwarze Verhängnis,
Schnell zur Seite gewandt; doch Archilochos, Sohn des Antenor,
Fing es auf; ihn weihte der Götter Rat dem Verderben.
465
Diesem flog das Geschoß, wo Haupt und Nacken sich füget,
Oben am Wirbel hinein, und durchschnitt ihm beide die Sehnen;
Daß ihm eher das Haupt und Mund und Nas‘ auf die Erd‘ hin
Taumelten, ehe hinab die Knie‘ und Schenkel ihm sanken.
Laut rief Ajas nunmehr zu Panthoos trefflichem Sohne:
470
Sinne, Polydamas, nach, und sage mir lautere Wahrheit!
War nicht dieser ein Mann, Prothoënors wegen zu fallen,
Würdig genug? Kein Niedrer erscheint er mir, oder von Niedern;
Sondern ein leiblicher Bruder des Rossezähmers Antenor,
Oder ein Sohn; ihm muß an Geschlecht er nahe verwandt sein.
475
Sprach’s, ihn wohl erkennend; doch Schmerz erfüllte die Troer.
Akamas stieß mit dem Speer itzt Promachos hin den Böoten,
Treu den Bruder umwandelnd, da er an den Füßen ihn wegzog.
Hoch frohlockte darob Held Akamas, laut ausrufend:
Argos‘ Volk, Pfeilkühne, der Drohungen ganz unersättlich!
480
Nicht wird wahrlich allein Mühseligkeit stets und Betrübnis
Uns zu teil; euch selber ist so zu fallen geordnet!
Schaut, wie Promachos euch, von meiner Lanze gebändigt,
Ruhig schläft; daß nicht des Bruders schuldige Rache
Lang‘ euch bleib‘ unbezahlt! So wünscht auch ein anderer Mann wohl
485
Einen Freund im Hause, des Streits Abwehrer, zu lassen!
Jener sprach’s; und es schmerzte der jauchzende Ruf die Achaier.
Aber Peneleos schwoll sein mutiges Herz vor Betrübnis.
Wild auf Akamas sprang er; doch nicht zu bestehen vermochte
Jener des Königes Sturm; und Ilioneus streckt‘ er danieder,
490
Phorbas‘ Sohn, des herdebegüterten, welchen Hermeias
Hoch im Volk der Troer geliebt, und mit Habe gesegnet;
Doch ihm hatte sein Weib den Ilioneus einzig geboren:
Unter der Brau‘ ihm stach er die unterste Wurzel des Auges,
Daß ihm der Stern ausfloß, und der Speer durchs Auge gebohret,
495
Hinten den Schädel zerbrach; und er saß ausbreitend die Hände
Beide. Peneleos drauf, das geschliffene Schwert sich entreißend,
Schwang es gerad‘ auf den Nacken, und schmetterte nieder zur Erde
Samt dem Helme das Haupt; noch war die gewaltige Lanze
Ihm durchs Auge gebohrt; dann hub er es, ähnlich dem Mohnhaupt,
500
Zeigt‘ es dem Troervolk, und sprach mit jauchzender Stimme:
Meldet mir dies, ihr Troer, Ilioneus‘ Vater und Mutter,
Daß sie den glänzenden Sohn daheim im Palaste betrauern!
Denn auch nicht des Promachos Weib, des Sohns Alegenors,
Heißt den trauten Gemahl willkommen hinfort, wann aus Troja
505
Heim wir kehren in Schiffen, wir blühenden Männer Achaias!
Jener sprach’s; und rings nun faßte sie bleiches Entsetzen;
Jeglicher schaut‘ umher, zu entfliehn dem grausen Verderben.
Sagt mir anitzt, ihr Musen, olympische Höhen bewohnend,
Wer der Achaier zuerst des Erschlagenen blutige Rüstung
510
Raubte, nachdem gewendet die Schlacht der gewaltige Meergott.
Ajas, Telamons Sohn, stieß erst den Hyrtios nieder,
Gyrtias‘ Sohn, den Ordner der trotzigen Myserscharen;
Drauf Antilochos nahm des Mermeros Wehr, und des Phalkes;
Aber Meriones warf den Hippotion nieder und Morys;
515
Teukros darauf entraffte den Prothoon und Periphetes;
Atreus‘ Sohn auch stach dem Hirten des Volks Hyperenor
Tief in die Weiche des Bauchs, und die Eingeweide durchdrang ihm
Schneidend das Erz; daß die Seel‘ aus der gaffenden Todeswunde
Schleunig entfloh, und die Augen ihm nächtliches Dunkel umhüllte.
520
Doch schlug Ajas die meisten, der rasche Sohn des Oileus;
Denn ihm gleich war keiner, im fliegenden Lauf zu verfolgen
Zitternder Männer Gewühl, sobald Zeus Schrecken erregte.

Dreizehnter Gesang

Dreizehnter Gesang

Kampf um die Schiffe. Poseidon, von Zeus unbemerkt, kommt die Achaier zu ermuntern. Dem Hektor am erstürmte Tore des Menestheus widerstehn vorzüglich die Ajas. Zur Linken kämpfen am tapferste Idomeneus und Meriones wider Äneias, Paris und andere. Auf Polydamas Rat beruft Hektor die Fürsten, daß man vereint kämpfe, oder
zurückziehe. Verstärkter Angriff.

Zeus, nachdem er die Troer und Hektor bracht‘ an die Schiffe,
Ließ sie nunmehr bei jenen in Arbeit ringen und Elend,
Rastlos fort; dann wandt‘ er zurück die strahlenden Augen,
Seitwärts hinab auf das Land gaultummelnder Thrakier schauend,
5
Auch nahkämpfender Myser, und trefflicher Hippomolgen,
Dürftig, von Milch genährt, der gerechtesten Erdebewohner.
Doch auf Troja wandt‘ er nicht mehr die strahlenden Augen;
Denn nicht hofft‘ er im Geist, der Unsterblichen würde noch einer
Kommen, um Trojas Volk zu verteidigen, oder Achaias.
10
Aber nicht achtlos lauschte der Erderschüttrer Poseidon.
Denn er saß, anstaunend die Schlacht und das Waffengetümmel,
Hoch auf dem obersten Gipfel der grünumwaldeten Samos
Thrakiens: dort erschien mit allen Höhn ihm der Ida,
Auch erschien ihm Priamos Stadt, und der Danaer Schiffe.
15
Dorthin entstieg er dem Meer, und sahe mit Gram die Achaier
Fallen vor Trojas Macht, und ergrimmte vor Zorn dem Kronion.
Plötzlich stieg er herab von dem zackigen Felsengebirge,
Wandelnd mit hurtigem Gang; und es bebten die Höhn und die Wälder
Weit den unsterblichen Füßen des wandelnden Poseidaon.
20
Dreimal erhob er den Schritt; und das vierte Mal stand er am Ziele,
Ägä: dort wo ein stolzer Palast in den Tiefen des Sundes
Golden und schimmerreich ihm erbaut ward, stets unvergänglich.
Dorthin gelangt nun schirrt‘ er ins Joch erzhufige Rosse,
Stürmendes Flugs, umwallt von goldener Mähne die Schultern;
25
Selbst dann hüllt‘ er in Gold sich den Leib, und faßte die Geißel,
Schön aus Golde gewirkt, und trat in den Sessel des Wagens,
Lenkte dann über die Flut: die Ungeheuer des Abgrunds
Hüpften umher aus den Klüften, den mächtigen Herrscher erkennend,
Freudig ihm trennte des Meers Gewoge sich; und wie geflügelt
30
Eilten sie, ohne daß unten die eherne Achse genetzt ward;
Hin zu Achaias Schiffen enttrugen im Sprung ihn die Rosse.
Eine geräumige Grott‘ ist tief in den Schlünden des Sundes,
Zwischen Tenedos‘ Höhn und der rauhumstarreten Imbros:
Dorthin stellte die Rosse der Erderschüttrer Poseidon,
35
Abgespannt vom Geschirr, und reicht‘ ambrosische Nahrung
Ihnen zur Speis‘; und die Füß‘ umschlang er mit goldenen Fesseln,
Unzerbrechlich, unlösbar, daß fest auf der Stelle sie harrten,
Bis ihr Herrscher gekehrt; dann ging er ins Heer der Achaier.
Doch die Troer gedrängt, denn Orkan gleich, oder dem Feuer,
40
Folgeten Priamos‘ Sohn‘ unersättlicher Gier in den Kampf hin,
Brausendes, wüstes Geschreis; denn der Danaer Schiffe zu nehmen
Hofften sie, und um die Schiffe die Danaer alle zu morden.
Aber der Erderschüttrer, der Landumstürmer Poseidon,
Reizte den Mut der Argeier, des Meers Abgründen entstiegen,
45
Ähnlich ganz dem Kalchas an Wuchs und gewaltiger Stimme.
Erst zu den Ajas begann er, die selbst schon glühten vor Kampflust:
Ihr, o Ajas, vermögt der Danaer Volk zu erretten,
Wenn ihr der Stärke gedenkt, und nicht des starrenden Schreckens.
Denn sonst fürcht‘ ich sie nicht, die unnahbaren Hände der Troer,
50
Welche mit Heereskraft die türmende Mauer erstiegen;
Allen schon begegnen die hellumschienten Achaier.
Hier nur sorg‘ ich am meisten und fürchte mich, was uns betreffe,
Wo der Rasende dort, wie ein brennendes Feuer, voranherrscht,
Hektor, der sich entsprossen von Zeus dem Allmächtigen rühmet!
55
Gäbe doch euch in die Seel‘ ein Unsterblicher diesen Gedanken,
Selbst entgegen zu stehn mit Gewalt, und andre zu reizen!
Traun, wie eifrig er strebt, hinweg von den Schiffen Achaias
Drängtet ihr ihn, wenn gleich der Olympier selbst ihn erwecket!
Sprach’s, und rührte sofort, der umufernde Ländererschüttrer,
60
Beide mit mächtigem Stab‘, und erfüllte sie tapferes Mutes;
Leicht auch schuf er die Glieder, die Füß‘ und die Arme von oben.
Aber er selbst, wie ein Habicht in hurtigem Flug sich emporschwingt,
Der, von des Felsengebirgs hochschwindelnder Jähe gehoben,
Rasch hinfährt in die Tale, den anderen Vogel verfolgend:
65
Also schwang sich von jenen der Erderschüttrer Poseidon.
Erst von beiden erkannt‘ es der schnelle Sohn des Oïleus,
Und zu Ajas sogleich, dem Telamoniden, begann er:
Ajas, dieweil ein Unsterblicher uns, von den Höhn des Olympos,
Gleich an Gestalt dem Seher, gebeut bei den Schiffen zu kämpfen:
70
Denn nicht Kalchas war es, der deutende Vogelschauer;
Wohl ja bemerkt‘ ich von hinten der Füße Gang und der Schenkel,
Als er hinweg sich wandte; denn leicht zu erkennen sind Götter:
Jetzo verlangt mir selber der Mut im innersten Herzen,
Stürmischer aufgeregt, zu kämpfen den Kampf der Entscheidung;
75
Und mir streben von unten die Füß‘, und die Hände von oben.
Ihm antwortete drauf der Telamonier Ajas:
So nun streben auch mir um den Speer die unnahbaren Hände
Ungestüm, und es hebt sich die Seele mir; unten die Füß‘ auch
Fliegen mir beide von selbst, und Sehnsucht fühl‘ ich, auch einzeln,
80
Hektor, Priamos‘ Sohn, den Stürmer der Schlacht, zu bekämpfen!
Also redeten jen‘ im Wechselgespräch miteinander,
Freudig der Kampfbegier, die der Gott in den Herzen entflammet.
Hinten indes erregte die Danaer Poseidaon,
Die bei den rüstigen Schiffen das Herz sich ein wenig erlabten:
85
Welchen zugleich vom entsetzlichen Kampf hinsanken die Glieder,
Und auch Gram die Seele belastete, weil sie die Troer
Sahn, die mit Heereskraft die türmende Mauer erstiegen:
Diese dort anschauend, entstürzten sie Tränen den Wimpern,
Hoffnungslos zu entfliehn den Schrecknissen. Aber Poseidon
90
Kräftigte leicht durchwandelnd den Mut der starken Geschwader.
Siehe zu Teukros zuerst und Leïtos trat er ermahnend,
Auch zu Peneleos hin, zu Deïpyros auch, und zu Thoas,
Dann zu Meriones auch, und Antilochos, Helden des Kampfes;
Diese reizte der Gott, und sprach die geflügelten Worte:
95
Schande doch, Argos‘ Söhn‘, ihr Jünglinge! Euch ja vertraut‘ ich,
Daß ihr mit tapferem Arm errettetet unsere Schiffe!
Aber wo ihr der Gefahr euch entzieht des verderblichen Kampfes,
Dann ist erschienen der Tag, da der Troer Gewalt uns bezwinget!
Weh mir! ein großes Wunder erblick‘ ich dort mit den Augen,
100
Graunvoll, welches ich nimmer auch nur für möglich geachtet:
Troer an unseren Schiffen so nahe nun! welche vordem ja
Gleich den Hindinnen waren, den flüchtigen, die in den Wäldern
Beute sind für Schakal‘ und reißende Pardel und Wölfe,
So in die Irre gescheucht, wehrlos, nicht freudig zum Angriff:
105
Also wollten die Troer den Mut und die Kraft der Achaier
Nimmer vordem ausharren mit Abwehr, auch nur ein wenig.
Nun ist ferne der Stadt bei den räumigen Schiffen ihr Schlachtfeld,
Durch des Gebieters Vergehn, und Lässigkeiten der Völker,
Welche, von jenem gekränkt, nicht kühn zu verteidigen streben
110
Unsre gebogenen Schiffe, vielmehr hinbluten bei ihnen.
Aber wird er auch wahrlich mit völligem Rechte beschuldigt,
Atreus‘ Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Weil er schmählich entehrt den mutigen Renner Achilleus;
Doch nicht uns geziemt es, so abzustehn vom Gefechte!
115
Auf denn, und laßt euch heilen; der Edelen Herzen sind heilbar.
Nimmer euch selbst zur Ehre vergeßt ihr des stürmenden Mutes,
Ihr die Tapfersten alle der Danaer! Schwerlich ja würd‘ ich
Gegen den Mann mich ereifern, der wo dem Gefecht sich entzöge,
Feig‘ und schwach; euch aber verarg‘ ich es wahrlich von Herzen!
120
Trauteste Freund‘, ach bald noch größeres Wehe verschafft ihr
Durch nachlässigen Sinn! Wohlauf, und gedenket im Herzen
Alle der Scham und der Schand‘! Ein gewaltiger Kampf ja erhub sich!
Hektor stürmt um die Schiffe, der Rufer im Streit, uns bekämpfend,
Fürchterlich, und durchbrach sich das Tor und den mächtigen Riegel!
125
Also rief und erregte die Danaer Poseidaon.
Sich um die Ajas beide gestellt nun gingen Geschwader,
Tapfere, die selbst Ares untadelig hätte gefunden,
Auch Athenäa selbst, die Zerstreuerin. Denn der Achaier
Edelste harrten der Troer gefaßt, und des göttlichen Hektors:
130
Lanz‘ an Lanz‘ eindrängend, und Schild mit Schild aufeinander,
Tartsch‘ an Tartsche gelehnt, an Helm Helm, Krieger an Krieger;
Und die umflatterten Helme der Nickenden rührten geengt sich
Mit hellschimmernden Zacken: so dichtvereint war die Heerschar;
Aber die Speer‘, unruhig in mutigen Händen beweget,
135
Zitterten; grad‘ anstrebten sie all‘, und entbrannten von Kampfgier.
Vor auch drangen die Troer mit Heerskraft; aber voranging
Hektor in rascher Begier: wie ein schmetternder Stein von dem Felsen,
Welchen herab vom Geklipp fortreißt die ergossene Herbstflut,
Brechend mit stürmischem Regen das Band des entsetzlichen Felsens;
140
Hochher tobt er in hüpfendem Sprung, und zerschmetterte Waldung
Kracht; doch stets unaufhaltsam enttaumelt er, bis er erreichet
Ebenen Grund; dann rollt er nicht mehr, wie gewaltig er andrang:
Also droht‘ auch Hektor zuerst, bis zum Ufer des Meeres
Leicht hindurchzudringen der Danaer Schiff‘ und Gezelte,
145
Mordend; allein da nunmehr die geschlossenen Reihen er antraf,
Stand er, wie nah‘ er gestrebt. Die begegnenden Männer Achaias,
Zuckend daher die Schwerter und zwiefachschneidenden Lanzen,
Drängten ihn mutig zurück; und er wich voll jäher Bestürzung.
Laut nun scholl sein durchdringender Ruf in die Scharen der Troer:
150
Troer, und Lykier ihr, und Dardaner, Kämpfer der Nähe,
Haltet euch! Traun nicht lange bestehn vor mir die Achaier,
Nahen sie gleich miteinander in Heerschar wohlgeordnet;
Sondern bald vor dem Speer entweichen sie, wo mich in Wahrheit
Trieb der erhabenste Gott, der donnernde Gatte der Here!
155
Jener sprach’s, und erregte zu Mut und Stärke die Männer.
Aber Deïphobos ging voll trotzendes Muts in der Heerschar,
Priamos‘ Sohn, und trug den gleichgeründeten Schild vor,
Leise bewegend den Schritt, und unter dem Schild anwandelnd.
Doch Meriones zielte mit blinkender Lanz‘ ihm entgegen,
160
Schoß, und verfehlete nicht des gewaltigen Schildes von Stierhaut
Runden Kreis: nicht jenen durchbohret‘ er, sondern zuvor ihm
Brach an der Öse der ragende Schaft; Deïphobos aber
Hielt den gewaltigen Schild vom Leibe sich, weil er im Herzen
Scheute Meriones‘ Speer, des feurigen Helden; doch jener,
165
Schnell in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, heftig erbittert,
Beides zugleich, um den Sieg, und den Wurfspieß, welcher ihm abbrach;
Und er enteilt‘ an den Zelten hinab und den Schiffen Achaias,
Holend den mächtigen Speer, der daheim ihm blieb im Gezelte.
Aber die anderen kämpften, und graunvoll brüllte der Schlachtruf.
170
Teukros der Telamonid‘ erschlug den tapferen Kämpfer
Imbrios, Mentors Sohn, des rossebegüterten Herrschers.
Jener wohnt‘ in Pedäos, bevor die Achaier gekommen,
Priamos‘ Nebentochter vermählt, die Medesikaste.
Aber nachdem die Achaier in Ruderschiffen gelandet,
175
Kam er gen Ilios wieder, und ragete hoch vor den Troern;
Auch bei Priamos wohnt‘ er, der gleich ihn ehrte den Söhnen.
Ihn traf Telamons Sohn jetzt unter dem Ohr mit der Lanze
Stoß, und entriß ihm den Schaft; da taumelt‘ er hin, wie die Esche,
Welche hoch auf dein Gipfel des weitgesehenen Berges
180
Abgehaun mit dem Erz ihr zartes Gezweig‘ hinabstreckt:
So sank jener, umklirrt von dem Erz der prangenden Rüstung.
Teukros lief nun hinan, in Begier das Geschmeid‘ ihm zu rauben;
Aber im Lauf warf Hektor die blinkende Lanz‘ ihm entgegen.
Zwar er selbst vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß,
185
Kaum; doch Amphimachos, Kteatos‘ Sohn, des Aktorionen,
Als er sich nahte zum Kampf, flog stürmend der Speer in den Busen;
Dumpf hinkracht‘ er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.
Hektor lief nun hinan, den Helm, der den Schläfen sich anschloß,
Abzuziehn von Amphimachos‘ Haupt, des erhabenen Kämpfers;
190
Aber im Lauf warf Ajas die blinkende Lanz‘ ihm entgegen.
Hektors Leib zwar rührte sie nicht; denn er starrete ringsher
Schrecklich in strahlendem Erz; doch den Schild auf den Nabel ihm traf er
Schmetternd, und stieß mit großer Gewalt, daß er eilend zurückwich
Von den erschlagenen Zween: die zogen hinweg die Achaier.
195
Ihn den Amphimachos trugen Athens streitkundige Fürsten,
Stichios samt Menestheus, hinab in das Heer der Achaier;
Imbrios aber die Ajas, entbrannt von stürmendem Mute.
Wie zween Löwen die Geiß, der Gewalt scharfzahniger Hunde
Weggerafft, forttragen durch dichtverwachsne Gesträuche,
200
Hoch empor von der Erd‘ im blutigen Rachen sie haltend:
So nun empor ihn haltend, die zween geharnischten Ajas,
Raubten sie dort das Geschmeid‘; und das Haupt vom zarten Genick ihm
Hieb des Oïleus‘ Sohn, um Amphimachos heftig erbittert,
Schwang es dann wie die Kugel umhergedreht ins Getümmel;
205
Und vor Hektors Füße dahin entrollt‘ es im Staube.
Siehe von Zorn entbrannte der Meerbeherrscher Poseidon,
Als sein Enkel ihm sank in schreckenvoller Entscheidung;
Und er enteilt‘ an den Zelten hinab und den Schiffen Achaias,
Trieb die Achaier zum Kampf, und bereitete Jammer den Troern.
210
Ihm begegnete jetzt Idomeneus, kundig der Lanze,
Wiedergekehrt vom Genossen, der jüngst ihm aus dem Gefechte
Kam, an der Beugung des Knies mit scharfem Erze verwundet.
Diesen brachten die Freund‘, und er befahl ihn den Ärzten,
Eilete dann zum Gezelte; denn noch in das Treffen verlangt‘ er
215
Einzugehn. Ihm nahend begann der starke Poseidon,
Gleich an tönender Stimm’Andrämons Sohne dem Thoas,
Der durch Pleuron umher und Kalydons bergige Felder
Allen Ätolern gebot, wie ein Gott im Volke geehret:
Wo ist, Kretas Beherrscher Idomeneus, alle die Drohung
220
Hingeflohn, die den Troern Achaias Söhne gedrohet?
Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
Thoas, keiner im Volk ist jetzo schuldig, so weit ich
Sehen kann; denn alle verstehn wir den Feind zu bekämpfen:
Keinen fesselt die Furcht, die entseelende; keiner, von Trägheit
225
Laß, entzieht des Kampfes Gefahren sich: sondern es wird wohl
Also beschlossen sein vom allmächtigen Sohne des Kronos,
Daß hier ruhmlos sterben von Argos fern die Achaier.
Thoas, wohlan! du warst ja vordem ausharrendes Mutes,
Und ermahnst auch andre, wo jemand säumen du sahest;
230
Drum laß jetzo nicht ab, und ermuntere jeglichen Streiter!
Ihm antwortete drauf der Erderschüttrer Poseidon:
Nimmer kehre der Mann, Idomeneus, nimmer von Troja
Wieder heim, hier werd‘ er zerfleischenden Hunden ein Labsal,
Welcher an diesem Tage den Kampf freiwillig vermeidet!
235
Aber wohlan zu den Waffen, und folge mir! Beiden gebührt nun
Tätig zu sein, ob wir Hilfe vielleicht noch schaffen, auch zween nur.
Wirkt doch vereinigte Kraft auch selbst von schwächeren Männern;
Und wir sind ja kundig mit Tapferen selber zu kämpfen.
Dieses gesagt, enteilte der Gott in der Männer Getümmel.
240
Aber der Held, nachdem sein schönes Gezelt er erreichet,
Hüllt in stattliche Waffen den Leib, und faßte zwo Lanzen,
Eilte dann, ähnlich dem Blitze des Donnerers, welchen Kronion
Hoch mit der Hand herschwang vom glanzerhellten Olympos,
Sterblichen Menschen zum Zeichen; er strahlt mit blendendem Glanze:
245
Also blitzte das Erz um die Brust des eilenden Königs.
Aber Meriones kam, sein edler Genoß, ihm entgegen,
Nah‘ annoch dem Gezelt; denn die eherne Lanze sich holend
Lief er hinab; ihm ruft‘ Idomeneus‘ heilige Stärke:
Molos‘ rüstiger Sohn Meriones, liebster der Freunde,
250
Warum kamst du verlassend Gefecht und Waffengetümmel?
Traf dich vielleicht ein Geschoß, und quält dich die Wunde des Erzes?
Oder suchest du mich mit Botschaft? Selber gewiß nicht
Auszuruhn im Gezelte verlangst mich, sondern zu kämpfen!
Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:
255
Idomeneus, Fürst der erzgepanzerten Kreter,
Sieh ich komm‘, ob dir etwa ein Speer im Gezelte zurückblieb,
Ihn mir holend zum Kampf, denn, den ich hatte, zerbrach ich,
Treffend Deïphobos Schild, des übergewaltigen Kriegers.
Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
260
Suchst du Speere, mein Freund, so findest du einen, ja zwanzig,
Dort in meinem Gezelt an schimmernde Wände gelehnet,
Troische, die von Erschlagnen ich beutete. Denn ich bekenne,
Niemals ferne zu stehn im Kampf mit feindlichen Männern.
Darum hab‘ ich der Speere genug, und genabelter Schilde,
265
Auch der Helm‘, und der Panzer, umstrahlt von freudigem Schimmer.
Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:
Mir auch fehlt’s bei meinem Gezelt und dunkelen Schiffe
Nicht an Raub der Troer; doch fern ist’s dessen zu holen.
Denn noch nie, wie ich meine, vergaß ich selber des Mutes;
270
Sondern vorn in den Reihen der männerehrenden Feldschlacht
Steh‘ ich, sobald anhebt der blutige Kampf der Entscheidung.
Manchem anderen wohl der erzumschirmten Achaier
Bleib‘ ich verborgen im Streit; allein du kennst mich vermutlich.
Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
275
Deine Tapferkeit kenn‘ ich; was brauchest du dieses zu sagen?
Würden anjetzt bei den Schiffen zum Hinterhalte wir Tapfern
Ausersehn, wo am meisten erkannt wird Tugend der Männer,
Wo der furchtsame Mann, wie der mutige, deutlich hervorscheint:
(Denn dem Zagenden wandelt die Farbe sich, immer verändert;
280
Auch nicht ruhig zu sitzen vergönnt sein wankender Geist ihm,
Sondern er hockt unstet, auf wechselnden Knieen sich stützend;
Und ihm schlägt das Herz voll Ungestüms in dem Busen,
Ahnend des Todes Graun, und dem Schaudernden klappen die Zähne:
Doch nie wandelt dem Tapfern die Farbe sich, nie auch erfüllt ihn
285
Große Furcht, wann er einmal zum Hinterhalt sich gelagert;
Sondern er wünscht, nur bald den schrecklichen Kampf zu bestehen:)
Keiner möchte sodann dein Herz und die Arme dir tadeln!
Wenn auch fliegendes Erz dich verwundete, oder gezucktes;
Doch nicht träf‘ in den Nacken Geschoß dir, noch in den Rücken,
290
Sondern der Brust entweder begegnet‘ es, oder dem Bauche,
Weil du gerad‘ anstürmtest im Vordergewühl der Entschloßnen.
Aber laß nicht länger uns hier, gleich albernen Kindern,
Schwatzend stehn, daß keiner in zürnendem Herzen ereifre,
Sondern du geh ins Gezelt, und nimm dir die mächtige Lanze.
295
Jener sprach’s; und Meriones, gleich dem stürmenden Ares,
Holete schnell aus dem Zelte hervor die eherne Lanze,
Folgt‘ Idomeneus dann, voll heftiger Gier des Gefechtes.
Wie wenn Ares zum Kampf hingeht, der Menschenvertilger,
Und ihm der Schrecken, sein Sohn, an Kraft und an Mut unerschüttert,
300
Nachfolgt, welcher verscheucht auch den kühnausharrenden Krieger;
Beid‘ aus Thrakia her zu den Ephyrern gehn sie gewappnet,
Oder zum mutigen Volke der Phlegyer; aber zugleich nicht
Hören sie beider Gebet, ein Volk nur krönet der Siegsruhm:
So Meriones dort und Idomeneus, Fürsten des Heeres,
305
Gingen sie beid‘ in die Schlacht, mit strahlendem Erze gewappnet.
Aber zum Könige sprach Meriones, also beginnend:
Deukalione, wo denkst du hineinzugehn ins Getümmel?
Dort zur rechten Seite der Heerschar, dort in die Mitte,
Oder auch dort zur Linken? Denn nirgends scheinen mir etwa
310
Dürftig des Kampfes zu sein die hauptumlockten Achaier.
Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
Mitten sind schon andre Verteidiger unseren Schiffen,
Ajas beid‘, und Teukros, der fertigste Bogenschütze
Unter dem Volk, auch tapfer im stehenden Kampf der Entscheidung:
315
Welche genug ihn hemmen, wie kühn zum Gefecht er dahertobt,
Hektor, Priamos‘ Sohn, und ob er der Tapferste wäre!
Schwer wird’s wahrlich ihm sein, dem rasenden Stürmer der Feldschlacht,
Jener Heldenmut und unnahbare Hände besiegend,
Anzuzünden die Schiffe; wofern nicht selber Kronion
320
Einen lodernden Brand in die rüstigen Schiffe hineinwirft.
Aber ein Mann scheucht nimmer den Telamonier Ajas,
Keiner, der sterblich ist, und Frucht der Demeter genießet,
Auch durchdringlich dem Erz, und gewaltigen Steinen des Feldes.
Selbst vor Achilleus nicht, dem Zerschmetterer, möcht‘ er weichen,
325
Im stillstehenden Kampf, denn im Lauf wetteifert ihm niemand.
Dort denn eil‘ uns zur Linken der Heerschar, daß wir in Eile
Sehn, ob wir anderer Ruhm verherrlichen, oder den unsern!
Jener sprach’s; und Meriones, gleich dem stürmenden Ares,
Eilte voran, bis sie kamen zur Heerschar, wo er ihn hintrieb.
330
Doch wie die Feind‘ Idomeneus sahn, dem Feuer an Kraft gleich,
Ihn und seinen Genossen in prangendem Waffengeschmeide;
Riefen sie laut einander, und wandelten gegen ihn alle.
Eins nun ward das Getümmel der Schlacht um die ragenden Steuer.
Wie mit dem Wehn lautbrausender Wind‘ Unwetter daherziehn,
335
Jenes Tags, wann häufig der Staub die Wege bedecket;
Und sich alsbald aufwölkt‘ ein finsterer Nebel des Staubes:
So nun stürmte zusammen die Schlacht; denn sie sehnten sich herzlich,
Durch das Gewühl einander mit spitzigem Erze zu morden.
Weithin starrte die würgende Schlacht von erhobenen Lanzen,
340
Lang emporgestreckten, zerfleischenden; blendend dem Auge
Schien der eherne Glanz von sonnenspiegelnden Helmen,
Neugeglättetem Panzergeschmeid‘, und leuchtenden Schilden,
Als sie sich nahten zum Kampf. Der müßt‘ ein entschlossener Mann sein,
Welcher sich freute zu schaun den Tumult dort, und nicht verzagte!
345
Jene, gesondertes Sinns, die mächtigen Söhne des Kronos,
Sannen dem Heldengeschlecht unnennbares Weh zu bereiten.
Zeus beschied den Troern den Sieg und dem göttlichen Hektor,
Peleus rüstigen Sohn zu verherrlichen; aber nicht gänzlich
Wollt‘ er Achaias Söhne vor Ilios lassen verderben,
350
Ruhm nur schafft‘ er der Thetis und ihrem erhabenen Sohne.
Doch die Argeier durchging und ermunterte Poseidaon,
Heimlich enttaucht dem greulichen Meer; denn er sahe mit Gram sie
Fallen vor Trojas Macht, und ergrimmte vor Zorn dem Kronion
Beide zwar entsprossen aus gleichem Stamm und Geschlechte;
355
Aber Zeus war eher gezeugt, und höherer Weisheit.
Drum auch scheute sich jener sie offenbar zu beschirmen;
Heimlich stets ermahnt‘ er die Ordnungen, menschlich gebildet.
Siehe, des schrecklichen Streits und allverheerenden Krieges
Fallstrick zogen sie beid‘, und warfen es über die Völker,
360
Unzerbrechlich, unlösbar, das viel‘ in Verderben hinabriß.
Jetzo, wiewohl halbgrauendes Haupts, die Achaier ermunternd,
Stürmt‘ Idomeneus ein, und trieb die erschrockenen Troer.
Denn er erschlug den edlen Othryoneus, der von Kabesos
Neulich dahergekommen zum großen Rufe des Krieges.
365
Dieser warb um Kassandra, die schönste von Priamos‘ Töchtern,
Ohne Geschenk, und verhieß ein großes Werk zu vollenden,
Weg aus Troja zu drängen die trotzenden Männer Achaias.
Priamos aber der Greis gelobete winkend die Tochter
Ihm zur Eh‘: und er kämpfte, des Königes Worte vertrauend.
370
Doch Idomeneus zielte mit blinkender Lanz‘ ihm entgegen,
Schoß, wie er hoch herwandelt‘, und traf, nichts half ihm der Panzer,
Schwer von Erz, den er trug; sie drang in die Mitte des Bauches;
Dumpf hinkracht‘ er im Fall; da rief frohlockend der Sieger:
Traun dich preis‘ ich, Othryoneus, hoch vor den Sterblichen allen,
375
Wenn du gewiß das alles hinausführst, was du verheißen
Priamos, Dardanos‘ Sohne, der dir die Tochter gelobet.
Wir auch hätten dir gern ein gleiches gelobt und vollendet:
Siehe, die schönste Tochter des Atreionen gewännst du,
Her aus Argos geführt, zum Weibe dir; wenn du uns hilfest,
380
Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser.
Folge mir, dort bei den Schiffen der Danaer reden wir weiter
Über die Eh‘; wir sind nicht karg ausstattende Schwäher.
Also sprach der Held Idomeneus, zog dann am Fuß ihn
Durch das Getümmel der Schlacht. Doch Asios kam ihm ein Rächer,
385
Vor dem Gespann herwandelnd, das nah‘ ihm stets an den Schultern
Schnob, vom Wagengenossen gelenkt; und er sehnte sich herzlich,
Wie er Idomeneus träfe: doch schnell warf jener den Speer ihm
Unter dem Kinn in die Gurgel, daß hinten das Erz ihm hervordrang;
Und er entsank, wie die Eiche dahinsinkt, oder die Pappel,
390
Oder die stattliche Tanne, die hoch auf Bergen die Künstler
Ab mit geschliffenen Äxten gehaun, zum Balken des Schiffes:
Also lag er gestreckt vor dem rossebespannten Wagen,
Knirschend vor Angst, mit den Händen des blutigen Staubes ergreifend.
Aber dem starrenden Lenker entsank jedwede Besinnung;
395
Nicht einmal vermocht‘ er, die feindlichen Hände vermeidend,
Umzudrehn das Gespann: doch Antilochos, freudig zur Feldschlacht,
Traf ihn scharf mit durchbohrendem Speer; nichts half ihm der Panzer,
Schwer von Erz, den er trug; er drang in die Mitte des Bauches;
Und er entsank aufröchelnd dem schöngebildeten Sessel.
400
Aber der Nestorid‘ Antilochos lenkte die Rosse
Schnell aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern.
Siehe, Deïphobos kam dem Idomeneus nahe gewandelt,
Traurend um Asios Fall, und warf die blinkende Lanze.
Zwar er selbst vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß,
405
Kretas Fürst, und barg sich mit gleichgeründetem Schilde,
Welchen er trug, aus Häuten der Stier‘ und blendendem Erze
Starkgewölbt, inwendig mit zwo Querstangen befestigt:
Unter ihn schmiegt‘ er sich ganz, daß der Wurfspieß über ihn hinflog,
Und mit heiserm Getöne der Schild von der streifenden Lanze
410
Scholl; doch nicht vergebens entflog sie der nervichten Rechte,
Sondern Hippasos‘ Sohne, dem Völkerhirten Hypsenor,
Fuhr in die Leber das Erz, und löst‘ ihm die strebenden Kniee.
Aber Deïphobos rief mit hoch frohlockender Stimme:
Nicht fürwahr ungerächt liegt Asios; sondern ich meine,
415
Wandelnd zu Aïs Burg mit starkverriegelten Toren,
Wird er sich freun im Geist; denn ich gab ihm einen Begleiter.
Jener sprach’s; und es schmerzte der jauchzende Ruf die Achaier;
Aber Antilochos schwoll sein mutiges Herz vor Betrübnis.
Doch nicht, wie er auch traurte, vergaß er seines Genossen,
420
Sondern umging ihn in Eile, mit großem Schild ihn bedeckend.
Schnell darin bückten sich her zween auserwählte Genossen,
Echios‘ Sohn Mekistheus zugleich, und der edle Alastor,
Die zu den räumigen Schiffen den schwer Aufstöhnenden trugen.
Rastlos tobte voll Mutes Idomeneus; immer noch strebt‘ er,
425
Ob er einen der Troer mit Nacht des Todes umhüllte,
Ob er auch selbst hinkrachte, das Weh der Achaier entfernend.
Siehe, den mutigen Held Alkathoos, welchen der Herrscher
Äsyetes erzeugt: ein Eidam war er Anchises,
Seiner ältesten Tochter vermählt, der Hippodameia,
430
Die von Herzen der Vater daheim und die zärtliche Mutter
Liebeten; weil sie vor allen zugleich aufblühenden Jungfraun
Glänzt‘ an Schönheit und Kunst und Tugenden; darum erkor sie
Auch der edelste Mann im weiten Lande der Troer:
Diesen bezwang durch Idomeneus jetzt der Herrscher Poseidon,
435
Täuschend den hellen Blick, und die stattlichen Glieder ihm hemmend.
Denn nicht rückwärts konnt‘ er hinwegfliehn, oder auch seitwärts;
Sondern gleich der Säul‘, und dem hochgewipfelten Baume,
Stand er ganz unbewegt; da stieß ihm Idomeneus kraftvoll
Seinen Speer in die Brust, und zerschmetterte rings ihm den Panzer,
440
Welcher von Erz geflochten ihn sonst vor dem Tode geschirmet;
Doch rauh tönt‘ er nunmehr; um die mächtige Lanze zerberstend.
Dumpf hinkracht‘ er im Fall‘, und es steckte die Lanz‘ in dem Herzen,
Daß von dem pochenden Schlage zugleich der Schaft an dem Speere
Zitterte; doch bald ruhte die Kraft des mordenden Erzes.
445
Aber Idomeneus rief mit hoch frohlockender Stimme:
Scheint sie dir billig zu sein, Deïphobos, unsere Rechnung,
Drei für einen erlegt? Denn umsonst nur hast du geprahlet,
Törichter! Aber wohlan, und stelle dich selber mir entgegen,
Daß du erkennst, welch einer von Zeus‘ Geschlecht ich hieherkam!
450
Dieser zeugete Minos zuerst, den Hüter von Kreta;
Minos darauf erzeugte Deukalions heilige Stärke;
Aber Deukalion mich, der unzähligen Menschen gebietet
Weit in Kretas Gefild‘; allein jetzt segelt‘ ich hieher,
Dir und dem Vater zum Weh‘ und anderen Söhnen von Troja!
455
Jener sprach’s; da erwog Deïphobos wankendes Sinnes:
Ob er sich einen gesellte der edelmütigen Troer,
Rückwärts wieder gewandt; ob allein er wagte den Zweikampf.
Dieser Gedank‘ erschien dem Zweifelnden endlich der beste,
Hinzugehn zu Äneias. Er fand ihn hinter der Heerschar
460
Stehend; denn immerdar dem göttlichen Priamos zürnt‘ er,
Weil er ihn nicht ehrte, den tapferen Streiter des Volkes.
Nahe nun trat er hinan, und sprach die geflügelten Worte:
Edler Fürst der Troer, Äneias, traun dir geziemt nun
Deinen Schwager zu rächen, wofern dich rührt die Verwandtschaft.
465
Komm denn, und räche mit mir Alkathoos, welcher vordem ja,
Deiner Schwester Gemahl, als Kind dich erzog im Palaste;
Ihn hat Idomeneus nun der Speerberühmte getötet.
Jener sprach’s; ihm aber das Herz im Busen erregt‘ er.
Schnell zu Idomeneus eilt‘ er daher, in Begierde des Kampfes.
470
Doch nicht zagte vor Furcht Idomeneus, gleich wie ein Knäblein;
Sondern er stand, wie ein Eber des Bergs, der Stärke vertrauend,
Welcher fest das Gehetz anwandelnder Männer erwartet,
In unwirtbarer Haid‘, und den borstigen Rücken emporsträubt;
Sieh, es funkeln von Feuer die Augen ihm; aber die Hauer
475
Wetzet er, abzuwehren gefaßt, wie die Hund‘ auch die Jäger:
Also bestand der Streiter Idomeneus kühn den Äneias,
Der mit Geschrei anstürmte; doch ruft‘ er seinen Genossen,
Aphareus, samt Askalaphos dort, und Deïpyros schauend,
Auch Meriones dort, und Antilochos, kundig des Feldrufs;
480
Diese reizt‘ er zum Kampf, und sprach die geflügelten Worte:
Kommt, o Freund‘, und beschützt mich Einzelnen! Schrecken ergreift
Vor des raschen Äneias‘ Herannahn, der mich bestürmet;
Der ein Gewaltiger ist in der Feldschlacht Männer zu töten;
Auch noch blüht ihm Jugend in üppiger Stärke des Lebens.
485
Wären wir doch an Alter so gleich uns, wie an Gesinnung;
Bald würd‘ ihn Siegsehre verherrlichen, oder mich selber!
Jener sprach’s; und sie all‘, einmütiges Sinnes versammelt,
Stellten sich nah umher, die Schilde gelehnt an die Schultern.
Auch Äneias indes ermahnete seine Genossen,
490
Paris, samt Deïphobos dort, und den edlen Agenor,
Welche die Troer mit ihm anführeten; aber die Völker
Folgeten nach: so folgen die blökenden Schafe dem Widder
Von der Weide zur Tränk‘; es freuet sich herzlich der Schäfer:
Also war dem Äneias das Herz im Busen voll Freude,
495
Als er der Völker Schar nachwandeln sahe sich selber.
Jetzt um Alkathoos her begegneten jene sich stürmend
Mit langschaftigen Speeren; und rings um die Busen der Männer
Rasselte schrecklich das Erz, von den Zielenden gegeneinander
Durch das Gewühl. Zween Männer, voll Kriegesmuts vor den andern,
500
Beid‘, Äneias der Held und Idomeneus, ähnlich dem Ares,
Strebten einander den Leib mit grausamem Erz zu verwunden.
Erstlich schoß Äneias den Speer auf Idomeneus zielend;
Jener indes vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß,
Daß Äneias‘ Geschoß mit bebendem Schaft in den Boden
505
Stürmte, nachdem es umsonst aus nervichter Hand ihm entflogen.
Aber Idomeneus traf des Önomaos wölbenden Panzer
Mitten am Bauch, daß schmetternd ins Eingeweid‘ ihm die Spitze
Taucht‘; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.
Zwar Idomeneus riß den langen Speer aus dem Toten
510
Eilend; doch nicht vermocht‘ er die andere prangende Rüstung
Ihm von der Schulter zu ziehn: so drängten umher die Geschosse.
Auch nicht frisch war der Füße Gelenk dem strebenden Kämpfer,
Weder hinanzuspringen nach seinem Geschoß, noch zu weichen.
Drum in stehendem Kampf zwar wehrt‘ er dem grausamen Tage;
515
Aber zur Flucht nicht trugen die Schenkel ihn rasch aus dem Treffen.
Als er nun langsam wich, da flog Deïphobos‘ Lanze
Blinkend ihm nach; denn er hegte den daurenden Groll ihm noch immer.
Doch verfehlt‘ er auch jetzt; und Askalaphos bohrte die Lanze,
Ihm Enyalios‘ Sohne, mit stürmendem Erz in die Schulter
520
Tief; und der sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.
Nicht annoch vernahm es der brüllende Wüterich Ares,
Daß sein Sohn gefallen im Ungestüme der Feldschlacht;
Fern auf den Höhn des Olympos, durch Zeus‘ des Allmächtigen Ratschluß,
Saß er, von goldenen Wolken umschränkt; dort saßen zugleich ihm
525
Andre unsterbliche Götter, zurückgehemmt von dem Kriege.
Jetzt um Askalaphos her begegneten jene sich stürmend.
Siehe Deïphobos riß von Askalaphos‘ Haupte den blanken
Flatternden Helm; doch Meriones, rasch wie der tobende Ares,
Rannte den Speer in den Arm des Raubenden, daß aus der Hand ihm
530
Schnell der längliche Helm mit Getön hinsank auf den Boden.
Doch Meriones sprang von neuem hinan, wie ein Habicht,
Und er entriß aus dem Ende des Arms den gewaltigen Wurfspieß,
Dann in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich. Aber Polites,
Seinen verwundeten Bruder Deïphobos mitten umfassend,
535
Führt‘ ihn hinweg aus dem Sturme der brüllenden Schlacht zu den Rossen,
Welche geflügeltes Hufs ihm hinter dem Kampf und Gefechte
Standen, gehemmt vom Lenker am kunstreich prangenden Wagen.
Diese trugen zur Stadt den schwer aufstöhnenden Krieger,
Matt vor Schmerz; und das Blut entfloß dem verwundeten Arme.
540
Aber die anderen kämpften, und graunvoll brüllte der Schlachtruf.
Jetzo stürzt‘ Äneias auf Aphareus, Sohn des Kaletor,
Welcher sich gegen ihn wandt‘, und stieß ihm den Speer in die Gurgel.
Jenem sank zur Seite das Haupt, es folgte der Schild nach,
Auch der Helm; und des Todes entseelender Schauer umfloß ihn.
545
Als Antilochos jetzt den gewendeten Thoon bemerkte,
Stieß er dahergestürmt, und ganz die Ader zerschnitt er,
Welche längs dem Rücken emporläuft bis zu dem Nacken:
Diese zerschnitt er ihm ganz, daß er rücklings hinab auf den Boden
Taumelte, beide Händ‘ umher zu den Freunden verbreitend.
550
Aber Antilochos eilt‘, und entzog den Schultern die Rüstung,
Mit umschauendem Blick; denn rings anstürmende Troer
Trafen den breiten Schild, den prangenden; doch sie vermochten
Nicht ihm durchhin zu verwunden den Leib mit grausamen Erze,
Nestors Sohn; denn siehe, der Erderschüttrer Poseidon
555
Schirmt‘ Antilochos rings im mächtigen Sturm der Geschosse.
Denn nie war er der Feind‘ entlediget, sondern durchtobte
Stets ihr Gewühl; nie ruhte der Speer ihm, sondern beständig
Bebt‘ er geschwungen umher; denn er wählete, mutiges Herzens,
Jetzt dem Wurfe sein Ziel, und jetzt dem stürmenden Anlauf.
560
Wohl nahm Adamas nun des Zielenden wahr im Getümmel,
Asios‘ Sohn, und traf ihm den Schild mit spitzigem Erze,
Nahe daher sich stürzend; doch kraftlos machte die Schärfe
Der schwarzlockige Herrscher des Meers, sein Leben ihm weigernd:
Stecken blieb ein Teil, wie ein Pfahl in der Flamme gehärtet,
565
Dort in Antilochos‘ Schild‘, und der andere lag auf der Erde.
Schnell in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, meidend das Schicksal.
Aber Meriones folgt‘, und schoß die Lanze dem Flüchtling
Zwischen Scham und Nabel hinein: wo am meisten empfindlich
Naht der blutige Mord den unglückseligen Menschen:
570
Dort durchdrang ihn das Erz, daß er hingestürzt um die Lanze
Zappelte, gleich wie ein Stier, den im Bergwald weidende Männer,
Wie er sich sträubt, fortziehn durch Zwang des Rutengeflechtes:
Also zappelt‘ im Blut er ein weniges, aber nicht lange;
Denn ihm nahte der Held Meriones, welcher dem Leibe
575
Mächtig die Lanz‘ entriß; und Nacht umhüllt‘ ihm die Augen.
Helenos hieb nun genaht dem Deïpyros über die Schläfe
Mit dem gewaltigen thrakischen Schwert, und den Helm von dem Haupte
Schmettert‘ er, daß er getrennt hintaumelte; und ein Achaier,
Als vor der Streitenden Füß‘ er daherrollt‘, hob ihn vom Boden;
580
Doch ihm hüllte die Augen ein mitternächtliches Dunkel.
Schmerz ergriff den Atreiden, den Rufer im Streit Menelaos;
Schnell mit furchtbarem Drohn auf Helenos eilt‘ er den Herrscher,
Schwenkend den ehernen Speer; doch Helenos spannte den Bogen.
Also nahten sie beid‘, und trachteten, dieser den Wurfspieß
585
Gegen ihn herzuschnellen, und jener den Pfeil von der Senne.
Priamos‘ Sohn itzt traf mit dem Pfeil den wölbenden Panzer
Jenem über der Brust; doch es flog das herbe Geschoß ab.
Wie von der breiten Schaufel herab auf geräumiger Tenne
Hüpfet der Bohnen Frucht, der gesprenkelten, oder der Erbsen,
590
Unter des Windes Geräusch, und dem mächtigen Schwunge des Wurflers:
Also vom Panzer herab dem herrlichen Held Menelaos
Ferne zurückgeprallt, entflog das herbe Geschoß hin.
Nun traf jener die Hand, der Rufer im Streit Menelaos,
Welche den Bogen ihm hielt, den geglätteten; und in den Bogen
595
Stürmte, die Hand durchbohrend, hinein die eherne Lanze:
Schnell in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, meidend das Schicksal,
Mit hinhangender Hand, und schleppte den eschenen Speer nach.
Diesen zog aus der Hand der hochgesinnte Agenor;
Dann verband er sie selbst mit geflochtener Wolle des Schafes
600
Einer Schleuder, geführt von dem Kriegsgefährten des Herrschers.
Aber Peisandros rannt‘ auf den herrlichen Held Menelaos
Ungestüm; denn ihn führte zum Tod‘ ein böses Verhängnis,
Dir, Menelaos, zu fallen in schreckenvoller Entscheidung.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
605
Schoß er fehl, der Atreid‘, und seitwärts flog ihm die Lanze.
Aber Peisandros traf dem herrlichen Held Menelaos
Seinen Schild; doch konnt‘ er hindurch nicht treiben die Spitze;
Denn sie hemmte der Schild, daß ab der Schaft an der Öse
Brach: schon freute sich jener im Geist, und erwartete Siegsruhm;
610
Doch der Atreid‘, ausziehend das Schwert voll silberner Buckeln,
Sprang auf Peisandros hinan. Der hob die schimmernde Streitaxt
Unter dem Schild, die ehrne, geschmückt mit dem Stiele von Ölbaum,
Schöngeglättet und lang; und sie drangen zugleich aneinander.
Dieser haut‘ ihm den Kegel des schweifumflatterten Helmes
615
Oben dicht an dem Busch: doch er des Nahenden Stirne
Über der Nas‘; es zerkrachte der Knochen ihm, aber die Augen
Fielen ihm blutig hinab vor die Füß‘ auf den staubigen Boden;
Und er entsank sich windend. Gestemmt nun die Fers‘ auf die Brust ihm,
Raubt‘ er das Waffengeschmeid‘, und rief frohlockend die Worte:
620
So doch verlaßt ihr endlich der reisigen Danaer Schiffe,
Ihr unmenschlichen Troer, des schrecklichen Streits unersättlich!
Auch noch anderer Schmach und Beleidigung nimmer ermangelnd:
Wie ihr schändlichen Hunde mich schmähetet, und nicht geachtet
Zeus‘ schwertreffenden Zorn, des Donnerers, welcher das Gastrecht
625
Heiliget, und zerstören euch wird die erhabene Feste!
Die ihr mein jugendlich Weib und viel der reichen Besitzung
Frech mir von dannen geführt, nachdem sie euch freundlich bewirtet!
Und nun möchtet ihr gern die meerdurchwandelnden Schiffe
Tilgen mit schrecklicher Flamm‘, und Achaias Helden ermorden!
630
Aber ihr ruht wohl endlich, wie sehr ihr tobt, von dem Kriege!
Vater Zeus, man sagt ja, du seist erhaben an Weisheit
Über Menschen und Götter; doch warst du Stifter des alles:
Wie du anjetzt willfahrest den übermütigen Männern
Trojas, welchen, vor Trotz und Üppigkeit, nimmer das Herz sich
635
Sättigen kann am Streite des allverderbenden Krieges!
Alles wird man ja satt, des Schlummers selbst, und der Liebe,
Auch des süßen Gesangs, und bewunderten Reigentanzes:
Welche doch mehr anreizen die sehnsuchtsvolle Begierde,
Als der Krieg; doch die Troer sind niemals satt des Gefechtes!
640
Jener sprach’s, und dem Leibe die blutigen Waffen entreißend
Gab er den Freunden sie hin, der untadlige Held Menelaos;
Selbst dann wandt‘ er sich wieder, und drang in das Vordergetümmel.
Siehe, Pylämenes‘ Sohn Harpalion wütete jetzo
Gegen ihn her, der, gesellt dem herrschenden Vater, gen Troja
645
Kam in den Krieg, allein nicht wiederkehrte zur Heimat;
Dieser traf dem Atreiden gerade den Schild mit der Lanze,
Nahe gestellt; doch konnt‘ er hindurch nicht treiben die Spitze:
Schnell in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, meidend das Schicksal,
Mit umschauendem Blick, ob den Leib ein Erz ihm erreichte.
650
Aber Meriones schoß den ehernen Pfeil nach dem Flüchtling,
Welcher rechts am Gesäß ihn verwundete, daß ihm die Spitze
Vorn, die Blase durchbohrend, am Schambein wieder hervordrang.
Hingesetzt auf der Stelle, den liebenden Freunden im Arme,
Matt den Geist ausatmend, dem Wurme gleich, auf der Erde
655
Lag er gestreckt; schwarz strömte sein Blut, und netzte den Boden.
Ihn umeilten geschäftig die paphlagonischen Streiter,
Die in den Wagen gelegt ihn zur heiligen Ilios brachten,
Wehmutsvoll; auch folgte der Vater ihm, Tränen vergießend;
Doch nicht konnt‘ er rächen den Tod des lieben Sohnes.
660
Jetzt ward Paris im Geist um den Fallenden heftig erbittert,
Welcher sein Gastfreund war im paphlagonischen Volke;
Zürnend um ihn entsandt‘ er den ehernen Pfeil von der Senne.
Einer hieß Euchenor, ein Sohn Polyidos des Sehers,
Reich an Hab‘ und edel, ein Haus in Korinthos bewohnend,
665
Der, wohlkundig des Trauergeschicks, im Schiffe daherkam.
Denn oft sagt‘ ihm solches der gute Greis Polyidos,
Sterben würd‘ er zu Haus an peinlich schmachtender Krankheit,
Oder auch unter den Schiffen des Heers von den Troern getötet;
Darum mied er sowohl der Danaer schmähliche Strafe,
670
Als der Krankheit Schmerz, daß nicht in Gram er versänke.
Paris nun traf am Ohr und Backen ihn, daß aus den Gliedern
Schnell der Geist ihm entfloh; und Graun des Todes umhüllt‘ ihn.
Also kämpften sie dort, wie lodernde Flammen des Feuers.
Doch nicht Hektor vernahm, der Göttliche, oder erkannt‘ es,
675
Daß zur Linken der Schiff‘ ihm die Seinigen würden getötet
Unter der Danaer Hand, und bald sich des Siegs die Achaier
Freueten: also trieb der Gestadumstürmer Poseidon
Argos‘ Söhne zum Kampf, auch selbst mit Stärke beschirmt‘ er:
Sondern er hielt, wo zuerst durch Mauer und Tor er hereinsprang,
680
Dichte Reihn durchbrechend geschildeter Männer von Argos;
Dort wo Ajas die Schiff‘ an den Strand und Protesilaos
Längs dem grauen Gewässer emporzog; aber die Mauer
Baueten dort die Achaier am niedrigsten, wo vor den andern
Ungestüm anstrebten zum Kampf sie selbst und die Rosse.
685
Dort Böoten zugleich, und in langem Gewand‘ Iaonen,
Lokrer, und Phtias Söhn‘, auch hochberühmte Epeier,
Hemmten mit Müh von den Schiffen den Stürmenden; doch sie vermochten
Nicht hinweg zu drängen die flammende Stärke des Hektor.
Vornan kämpften Athens Erlesene; und ihr Gebieter
690
Wandelte Peteos‘ Sohn Menestheus; aber zugleich ihm
Pheidas, und Bias der Held, und Stichios. Drauf den Epeiern
Ging der Phyleid‘ Held Meges, und Drakios vor, und Amphion.
Medon drauf vor den Phtiern, zugleich der tapfre Podarkes.
Jener war ein Bastard des göttergleichen Oileus,
695
Medon, des Ajas Bruder, des kleineren; aber er wohnte
Ferne vom Vaterland in Phylake, weil er den Vetter
Einst erschlug, Eriopis der späteren Gattin Oileus:
Doch Podarkes ein Sohn des Phylakiden Iphiklos.
Diese voran gewappnet vor Phtias mutiger Jugend
700
Kämpften, der Danaer Schiffe verteidigend, nächst den Böoten.
Ajas wollte sich nie, der rasche Sohn des Oileus,
Fernen, auch nicht ein wenig, vom Telamonier Ajas;
Sondern wie zween Pflugstiere den starken Pflug durch ein Brachfeld,
Schwärzlich und gleich an Mute, daherziehn, und an den Stirnen
705
Ringsum häufiger Schweiß vorquillt um die ragenden Hörner;
Beide von einem Joch, dem geglätteten, wenig gesondert,
Gehn sie die Furche hinab, den Grund durchschneidend des Feldes:
So dort halfen sich beid‘, und wandelten dicht aneinander.
Aber Telamons Sohn begleiteten viel‘ und entschloßne
710
Männer zum Streite gesellt, die seinen Schild ihm enthoben,
Wann ihm die Kriegsarbeit und der Schweiß die Kniee beschwerte.
Doch nicht folgten die Lokrer dem mutigen Sohn des Oileus:
Denn nicht duldet‘ ihr Herz im stehenden Kampfe zu kämpfen;
Denn nicht hatten sie Helme von Erz mit wallendem Roßschweif,
715
Hatten auch nicht gewölbete Schild‘ und eschene Lanzen;
Sondern mit Bogen allein und geflochtener Wolle des Schafes
Zogen sie voll Vertrauen gen Ilios, warfen mit diesen
Dichte Geschoss‘, und brachen die troischen Kriegsgeschwader.
Jene nunmehr vornan, in prangendem Waffengeschmeide,
720
Kämpften mit Trojas Volk und dem erzumschimmerten Hektor:
Diese, von fern herwerfend, verbargen sich. Aber die Troer
Dachten nicht mehr des Gefechtes, verwirrt von dem Sturm der Geschosse.
Schmachvoll wären anjetzt von den Schiffen daher und Gezelten
Heimgekehrt die Troer zu Ilios luftiger Höhe;
725
Aber Polydamas sprach, dem trotzigen Hektor sich nahend:
Hektor, du bist nicht leicht durch anderer Rat zu bewegen.
Weil dir ein Gott vorzüglich des Kriegs Arbeiten verliehn hat,
Darum willst du an Rat auch kundiger sein vor den andern?
Aber du kannst unmöglich doch alles zugleich dir erwerben.
730
Anderem ja gewährte der Gott Arbeiten des Krieges,
Anderem Reigentanz, und anderem Harf‘ und Gesänge;
Anderem legt‘ in den Busen Verstand Zeus‘ waltende Vorsicht,
Heilsamen, dessen viel‘ im Menschengeschlecht sich erfreuen,
Der auch Städte beschirmt; doch zumeist er selber genießt sein.
735
Drum will ich dir sagen, wie mir’s am besten erscheinet.
Rings ja droht dir umher die umzingelnde Flamme des Krieges.
Doch die mutigen Troer, nachdem sie die Mauer erstiegen,
Wenden sich teils vom Gefecht mit den Rüstungen; andere kämpfen,
Weniger sie mit mehreren noch, durch die Schiffe zerstreuet.
740
Weiche demnach, und berufe die Edelsten alle des Volkes;
Daß wir vereint für alles entscheidenden Rat ausdenken:
Ob wir hinein uns stürzen ins Heer vielrudriger Schiffe,
So uns ein Gott willfährig den Sieg schenkt; ob wir anitzo
Heim von den Schiffen ziehn, unbeschädiget! Denn ich besorge
745
Traun, uns wägen zurück die gestrige Schuld die Achaier
Reichlich, dieweil bei den Schiffen der unersättliche Krieger
Harrt, der schwerlich hinfort sich ganz enthält des Gefechtes.
So des Polydamas Rat; den unschädlichen billigte Hektor.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde;
750
Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:
Sammle, Polydamas, hier die Edelsten alle des Volkes.
Dorthin geh ich selber, der wütenden Schlacht zu begegnen;
Aber ich kehre sofort, nachdem ich alles geordnet.
Sprach’s, und stürmte hinweg, dem Schneegebirge vergleichbar,
755
Lautes Rufs, und durchflog die Troer und die Genossen.
Doch zu Polydamas her, des Panthoos streitbarem Sohne,
Eilten die Edelsten alle, da Hektors Ruf sie vernahmen.
Nur den Deïphobos noch, und des herrschenden Helenos Stärke,
Adamas, Asios‘ Sohn, samt Asios, Hyrtakos‘ Sohne,
760
Sucht‘ im Vordergetümmel der Wandelnde, ob er sie fände.
Doch nicht fand er sie mehr unbeschädiget, noch ungetötet:
Einige lagen bereits um die ragenden Steuer von Argos,
Unter der Danaer Hand der mutigen Seelen beraubet;
Andere waren daheim, von Geschoß und Lanze verwundet.
765
Ihn nun fand er zur Linken der jammerbringenden Feldschlacht,
Alexandros den Held, der lockigen Helena Gatten,
Welcher mit Mut beseelte die Freund‘, und ermahnte zu kämpfen.
Nahe trat er hinan, und rief die beschämenden Worte:
Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer Verführer!
770
Sprich, wo Deïphobos ist, und des herrschenden Helenos Stärke,
Adamas, Asios‘ Sohn, samt Asios, Hyrtakos‘ Sohne?
Auch Othryoneus wo? Nun sank herab von dem Gipfel
Ilios tarnende Stadt; nun naht dein grauses Verhängnis!
Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:
775
Hektor, dieweil dein Herz Unschuldige selber beschuldigt;
Eher ein andermal wohl zur Unzeit rasten vom Kampfe
Mocht‘ ich; denn mich auch gebar nicht ganz unkriegrisch die Mutter!
Denn seitdem bei den Schiffen zur Schlacht du erregtest die Freunde,
Streben wir hier beständig im Scharengewühl der Achaier
780
Sonder Verzug! Doch die Freund‘ entschlummerten, welche du forschest;
Zween, Deïphobos nur, und des herrschenden Helenos Stärke,
Eilten hinweg, verwundet mit langgeschafteten Lanzen,
Beid‘ an der Hand; doch den Tod entfernete Zeus Kronion.
Führe nunmehr, wohin dein Herz und Mut es gebietet:
785
Wir mit freudiger Seele begleiten dich; nimmer auch sollst du
Unseres Muts vermissen, so viel die Kraft nur gewähret!
Über die Kraft kann keiner, auch nicht der Tapferste, kämpfen!
Also sprach, und wandte des Bruders Herz Alexandros.
Beide nun eilten sie hin, wo am heftigsten Streit und Gefecht war,
790
Um Kebriones her, und Polydamas‘ heilige Stärke,
Phalkes, und Orthäos, den göttlichen Held Polypötes,
Palmys, Askanios auch, und Morys, Hippotions Söhne:
Die aus dem scholligen Land‘ Askania wechselnd gekommen
Früh am vorigen Tag‘; itzt trieb in die Schlacht sie Kronion.
795
Diese rauschten einher, wie der Sturm unbändiger Winde,
Der vor dem rollenden Wetter des Donnerers über das Feld braust,
Und graunvolles Getöse die Flut aufregt, daß sich ringsum
Türmen die brandenden Wogen des weitaufrauschenden Meeres,
Krummgewölbt und beschäumt, vorn andr‘, und andere hinten:
800
So dort drängten sich Troer in Ordnungen, andre nach andern,
Schimmernd im ehernen Glanz, und folgeten ihren Gebietern.
Hektor strahlte voran, dem mordenden Ares vergleichbar,
Priamos‘ Sohn, und trug den gleichgeründeten Schild vor,
Dicht aus Häuten gedrängt, und umlegt mit starrendem Erze;
805
Und um des Wandelnden Schläfen bewegte sich strahlend der Helmschmuck.
Ringsumher versucht‘ er mit kühnem Gang die Geschwader,
Ob sie vielleicht ihm wichen, wie unter dem Schild‘ er dahertrat;
Doch nicht schreckt‘ er den Mut in der männlichen Brust der Achaier.
Ajas nahte zuerst und foderte, mächtiges Schrittes:
810
Komm, Unglücklicher, komm! Warum doch schreckest du also
Argos‘ Volk? Wir sind nicht unerfahrene Krieger;
Sondern Zeus mit der Geißel des Wehs bezwang die Achaier.
Sicherlich wohl im Herzen erwartest du auszutilgen
Unsere Schiffe; doch rasch sind auch uns die Hände zur Abwehr!
815
Traun weit eher vielleicht wird eure bevölkerte Feste
Unter unseren Händen besiegt und zu Boden getrümmert!
Auch dir selbst verkünd‘ ich den nahen Tag, da du fliehend
Jammern wirst zu Zeus und allen unsterblichen Göttern,
Daß mit der Schnelle der Falken die schöngemähneten Rosse
820
Heim zu der Stadt dich tragen, in staubender Flucht durch die Felder.
Als er es sprach, da schwebt‘ ihm rechtsher nahend ein Vogel,
Ein hochfliegender Adler; und lautauf schrien die Achaier,
Durch das Zeichen gestärkt. Doch es rief der strahlende Hektor:
Ajas, was plauderst du da, großprahlender, eiteler Schwätzer?
825
Wär‘ ich doch so sicher ein Sohn des Ägiserschüttrers
Zeus, zum unsterblichen Gott von der Herrscherin Here geboren,
Ewig geehrt, wie geehrt Athenäa wird von Apollon:
Als der heutige Tag ein Unheil bringt den Argeiern
Allen; du selbst auch liegst ein Erschlagener, wenn du es wagest,
830
Meinen gewaltigen Speer zu bestehn! Er zerreißt dir den zarten
Leib; dann sättigest du der Troer Hund‘ und Gevögel
Deines Fettes und Fleisches, gestreckt bei den Schiffen Achaias!
Also rief der Herrscher, und führete; jene nun folgten
Mit graunvollem Geschrei, und laut nachjauchzten die Völker.
835
Laut auch schrien die Argeier daher, des stürmenden Mutes
Eingedenk, und bestanden die nahenden Helden der Troer.
Beider Geschrei ertönte zu Zeus‘ hochstrahlendem Äther.

Zwölfter Gesang

Zwölfter Gesang

Künftige Vertilgung der Mauer. Die Achaier eingetrieben. Hektor, wie Polydamas riet, läßt die Reisigen absteigen, und in fünf Ordnungen anrücken. Nur Asios mit seiner Schar fährt auf das linke Tor, welches zween Lapithen verteidigen. Ein unglücklicher Vogel erscheint den Troern; Polydamas warnt den Hektor umsonst. Zeus sendet den Achaiern einen stäubenden Wind entgegen. Hektor stürmt die Mauer, und die beiden Ajas‘ ermuntern zur Gegenwehr. Sarpedon und Glaukos nahn dem Turme des Menestheus, dem Telamons Söhne zu Hilfe eilen. Glaukos entweicht verwundet; Sarpedon reißt die Brustwehr herab. Hektor zersprengt ein Tor mit einem Steinwurf; worauf die Troer zugleich über die Mauer und durch das Tor eindringen.

Also heilt‘ im Gezelte Menötios tapferer Sprößling
Jetzt den Eurypylos dort, den verwundeten. Aber es kämpften
Arges‘ Söhn‘ und die Troer mit Heerskraft. Siehe nicht länger
Sollte der Graben beschirmen die Danaer, oder die Mauer,
5
Welche sie breit um die Schiff‘ auftürmeten, rings dann den Graben
Leiteten: denn nicht brachten sie Festhekatomben den Göttern,
Daß ihr Werk die rüstigen Schiff‘ und erbeuteten Schätze
Drinnen bewahrt‘ im Lager; zum Trotz den unsterblichen Göttern
Ward es gebaut; drum stand’s nicht lange Zeit unerschüttert.
10
Denn weil Hektor lebend noch war, noch zürnet‘ Achilleus,
Und unzerrüttet die Stadt des herrschenden Priamos ragte;
Eben so lang‘ auch bestand der Danaer mächtige Mauer,
Aber nachdem gestorben der Troer tapferste Helden,
Mancher auch der Argeier vertilgt war, mancher noch übrig,
15
Und nun Priamos Stadt hinsank im zehnten der Jahre,
Dann die Argeier in Schiffen zur Heimat wiedergekehret;
Jetzo beschloß Poseidon im Rat und Phöbos Apollon,
Wegzutilgen den Bau, der Ströme Gewalt hinlenkend.
Alle die hoch vom Idagebirg‘ in das Meer sich ergießen,
20
Rhodios und Karesos, Heptaporos auch, und Granikos,
Rhesos auch, und Äsepos zugleich, und der edle Skamandros,
Simois auch, wo gehäuft Stierschild‘ und gekegelte Helme
Sanken hinab in den Staub, und das Göttergeschlecht der Heroen.
Allen zugleich nun wandte die Mündungen Phöbos Apollon
25
Gegen den Bau; neun Tage beströmt‘ er ihn; während herab Zeus
Regnete, schneller ins Meer die umflutete Mauer zu wälzen.
Aber der Erderschütterer selbst, in den Händen den Dreizack,
Ging voran, und stürzt‘ aus dem Grunde gewühlt in die Wogen
Alle Blöck‘ und Steine, die mühsam gelegt die Achaier;
30
Schleift‘ und ebnet‘ es rings am reißenden Hellespontos,
Und umhüllte mit Sand weithin das große Gestade,
Wo er die Mauer vertilgt; dann wandt‘ er zurück in das Flutbett
Jeglichen Strom, wo zuvor er ergoß sein schönes Gewässer.
Also sollte hinfort Poseidons Macht und Apollons
35
Taten tun. Doch jetzo war Schlacht und Getümmel entbrannt rings
Um den gewaltigen Bau, und der Türme geworfene Balken
Donnerten. Argos‘ Volk, von Kronions Geißel gebändigt,
Drängte sich eingehegt bei den schwarzen gebogenen Schiffen,
Bange vor Hektors Wut, des stürmenden Schreckengebieters.
40
Jener stritt, wie zuvor, mit dem Ungestüm des Orkanes.
Wie wenn im Kreise der Hund‘ und rüstigen Jäger ein Waldschwein
Ringsher, oder ein Löwe, sich dreht, wutfunkelndes Blickes;
Jene dort, miteinander in Heerschar wohlgeordnet,
Stehn ihm entgegen gewandt, und es fliegen geschwungene Spieße
45
Häufig daher aus den Händen; doch sein ruhmatmendes Herz kennt
Weder Furcht noch Entfliehn, und Tapferkeit tötet ihn endlich;
Vielfach drehet er sich, die Reihn der Männer erforschend;
Und wo er grad‘ andringt, da weichen ihm Reihen der Männer:
So im Gewühl ging Hektor umhergewandt, und ermahnte
50
Über den Graben zu sprengen die Seinigen. Aber nicht wagten’s
Ihm die Rosse, geflügeltes Laufs; sie wieherten laut auf,
Stehend am äußersten Bord; denn zurück sie schreckte des Grabens
Breite, zum Sprung hinüber nicht schmal genug, noch zum Durchgang
Leichtgebahnt: denn ein jäh abhängiges Ufer erhob sich
55
Rings an jeglicher Seit‘, auch war mit spitzigen Pfählen
Obenher er bepflanzt, die Achaias Söhne gestellet,
Dichtgereiht und mächtig, zur Abwehr feindlicher Männer.
Schwerlich vermocht‘ ein Roß, an den rollenden Wagen gespannet,
Überzugehn; Fußvölker nur eiferten, ob sie vermöchten.
60
Aber Polydamas sprach, dem trotzigen Hektor sich nahend:
Hektor, und ihr der Troer Gewaltige, und der Genossen,
Torheit ist’s, durch den Graben die hurtigen Rosse zu treiben.
Viel zu schwer ist wahrlich der Weg; denn spitzige Pfähle
Stehn ja umher, und daran der Danaer mächtige Mauer.
65
Dort lenkt keiner hinab der Reisigen, keiner besteht auch
Unten den Kampf, hin sänken sie all‘, in der Enge verwundet.
Denn wofern nun ganz im vertilgenden Zorne sie heimsucht
Der hochdonnernde Zeus, und den Troern Hilfe gewähret;
Traun dann wünscht‘ ich selber aufs schleunigste solches vollendet,
70
Daß hier ruhmlos stürben von Argos fern die Achaier.
Wenn sie jedoch umkehrten, und Rückverfolgung begönne
Von den Schiffen daher, in des Grabens Tief‘ uns verdrängend;
Nimmer käm‘, ich fürcht‘ es, auch nicht ein Bote von dannen,
Wieder gen Troja zurück, vor der Wut der gewandten Achaier.
75
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
Laßt die Ross‘ am Graben, gehemmt von den Wagengenossen;
Wir dann, Streiter zu Fuß, mit ehernen Waffen gerüstet,
Drängen uns all‘ um Hektor, und folgen ihm. Doch die Achaier
Stehn uns nicht, wenn jenen das Ziel des Verderbens daherdroht.
80
So des Polydamas Rat; den unschädlichen billigte Hektor.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde.
Auch nicht blieben in Wagen die anderen Troer versammelt;
Sondern sie stürmten herab, da sie sahn den göttlichen Hektor.
Jetzo gebot ein jeder dem eigenen Wagenlenker,
85
Dort am Graben die Ross‘ in geordneter Reihe zu halten.
Selber darauf sich teilend, in fünf Heerscharen geordnet,
Gingen sie wohlgereiht, und folgeten ihren Gebietern.
Hektor selbst und der edle Polydamas führten die Ordnung,
Welche die meisten enthielt und tapfersten, alle begierig,
90
Durch die Mauer zu brechen, und kühn um die Schiffe zu kämpfen.
Auch Kebriones folgt der dritte noch; und dem geringern
Blieb, an Kebriones Statt, nun Hektors Wagen vertrauet.
Paris gebot der zweiten, Alkathoos auch, und Agenor.
Helenos führte die dritt‘, und Deïphobos, göttlicher Bildung,
95
Beide des Priamos‘ Söhn‘; auch Asios führte mit jenen,
Asios, Hyrtakos‘ Sohn, den hergebracht aus Arisbe
Rosse, glänzend und groß, vom heiligen Strom Selleïs.
Aber der vierten herrscht Äneias voran, des Anchises
Starker Sohn; zugleich ihm Antenors tapfere Söhne,
100
Akamas und Archilochos beid‘, allkundig des Streites.
Endlich gebot Sarpedon den rühmlichen Bundesgenossen,
Der sich den Glaukos gesellt‘, und den kriegerischen Asteropäos:
Denn sie dünkten ihm beide die Tapfersten sonder Vergleichung,
Aller umher, nach ihm selbst; er ragete weit vor den andern.
105
Als sie nunmehr sich zusammengedrängt mit Schilden von Stierhaut:
Eilten sie freudiges Mutes auf die Danaer, hoffend, nicht obstehn
Würden sie, sondern bald um die dunkelen Schiffe gestreckt sein.
Alle sonst, die Troer und fernberufenen Helfer,
Waren Polydamas‘ Rate, des Tadellosen, gefolget;
110
Nur nicht Asios wollte, des Hyrtakos Sohn, der Gebieter,
Dort verlassen die Ross‘ und den wagenlenkenden Diener;
Sondern er drang mit ihnen zugleich an die rüstigen Schiffe.
Törichter! ach nicht sollt‘ er, die schrecklichen Keren vermeidend,
Samt dem Gespann und Wagen in stolzem Triumph, von den Schiffen
115
Wiederum heimkehren zu Ilios luftigen Höhen;
Denn ihn umhüllte zuvor das grauenvolle Verhängnis
Unter Idomeneus Lanze, des herrlichen Deukalionen.
Denn er wandt‘ in die Schiffe zur Linken sich, wo die Achaier
Aus dem Gefild‘ einzogen mit hurtigen Rossen und Wagen:
120
Dorthin lenkt‘ er hindurch der Rosse Geschirr; und er fand nicht
Vorgestreckt die Flügel des Tors, noch den mächtigen Riegel;
Offen noch hielten es Männer, und harreten, ob der Genossen
Einer, dem Treffen entflohn, sich retten wollt‘ in die Schiffe.
Gradan lenkt‘ er die Rosse, der Wähnende; andere folgten
125
Nach mit hellem Geschrei; denn die Danaer würden nicht obstehn,
Hofften sie, sondern bald um die dunkelen Schiffe gestreckt sein.
Toren! sie fanden dort zween tapfere Männer am Eingang,
Edelmütige Söhne der speergewohnten Lapithen:
Ihn, Peirithoos‘ Sohn, den starken Held Polypötes,
130
Ihn, den Leonteus auch, dem mordenden Ares vergleichbar.
Beid‘ an dem Eingang dort des hochgeflügelten Tores
Standen sie: also stehn hochwipflichte Eichen der Berge,
Welche dem Sturm ausharren und Regenschauer beständig,
Eingesenkt mit großen und weithinreichenden Wurzeln:
135
Also die zween, der Gewalt der mächtigen Arme vertrauend,
Harrten dem Angriff kühn des Asios, und unerschrocken.
Grad‘ auf die trotzende Mauer, mit wildaufhallendem Feldruf,
Sprengten sie an, und erhoben die trockenen Schilde von Stierhaut,
Um Held Asios her, um Iamenos her, und Orestes,
140
Akamas, Asios‘ Sohn, um Önomaos auch, und um Thoon.
Sie dort hatten zuvor die hellumschienten Achaier
Drinnen im Lager ermahnt, zum mutigen Kampf für die Schiffe;
Aber sobald zur Mauer mit Macht anrennen sie sahen
Troias Söhn‘, und erscholl der Danaer Angst und Getümmel,
145
Brachen sie beid‘ hervor, und kämpfeten draußen am Eingang.
Gleich zween Ebern an Mut, unbändigen, die in dem Bergwald
Kühn der Männer und Hund‘ anwandelnde Hetze bestehen;
Seitwärts dahergestürmt durchschmettern sie rings die Gesträuche,
Weg vom Stamme sie mähend, und wild mit klappenden Hauern
150
Wüten sie, bis ein Geschoß ihr mutiges Leben vertilget:
Also klappt‘ auch jenen das schimmernde Erz an den Busen,
Unter der Feinde Geschoß; denn sie wehrten mit großer Gewalt ab,
Oben dem Volk der Mauer und eigener Stärke vertrauend.
Jene mit Steinen daher von den wohlgebaueten Türmen
155
Schleuderten, um sich selbst zu verteidigen, und die Gezelte,
Samt den Schiffen des Meers. Wie des Schnees Gestöber herabfällt,
Welches ein heftiger Wind, die schattigen Wolken erschütternd,
Häufig heruntergießt zur nahrungsprossenden Erde:
Solch ein Schwall von Geschossen entstöberte dort der Achaier
160
Händen, und dort der Troer; und dumpf rings krachten die Helme,
Von Mühlsteinen umprallt, und die hochgenabelten Schilde.
Laut nunmehr wehklagte, vor Schmerz die Hüften sich schlagend,
Asios, Hyrtakos‘ Sohn, und rief unwilliges Herzens:
Vater Zeus, ja wahrlich auch dir gefielen der Falschheit
165
Täuschungen! Nie doch hätt‘ ich geglaubt, die Helden Achaias
Würden bestehn vor unserer Macht und unnahbaren Händen!
Aber sie, wie die Wespen mit regem Leib, und die Bienen,
Die am höckrichten Weg ihr Felsennest sich bereitet,
Nicht verlassen ihr Haus in den Höhlungen, sondern den Angriff
170
Raubender Jäger bestehn, im mutigen Kampf für die Kinder:
So auch wollen sie nicht, obgleich nur zween, von dem Tore
Abstehn, bis sie entweder erlegt sind, oder gefangen!
Sprach’s; doch nicht bewegt‘ er Kronions Herz mit der Rede;
Hektorn nur willfahrte sein Ratschluß Ruhm zu gewähren.
175
Andere kämpften den Kampf um andere Tore des Lagers.
Aber zu schwer ist mir’s, wie ein Himmlischer, alles zu melden!
Denn ringsum an der Mauer entloderte schrecklich die Flamme
Prasselnder Stein‘; unmutig, allein gezwungen, beschirmten
Argos‘ Söhne die Schiff; und es trauerten herzlich die Götter,
180
Alle, so viel den Achaiern im Kampf mithelfende waren.
Stürmend begann der Lapithen Gefecht und Waffengetümmel.
Siehe Peirithoos‘ Sohn, der starke Held Polypötes,
Schoß auf Damasos‘ Stirne den Speer, durch die eherne Kuppel:
Wenig hemmte das Erz den Stürmenden; sondern hindurch drang
185
Schmetternd die eherne Spitz‘ in den Schädel ihm, und sein Gehirn ward
Ganz mit Blute vermischt: so bändigt‘ er jenen im Angriff.
Weiter darauf den Pylon und Ormenos streckt‘ er in Blut hin.
Doch den Hippomachos traf des Ares Sprößling Leonteus,
Ihn des Antimachos‘ Sohn, mit dem Wurfspieß unten am Leibgurt.
190
Hurtig dann aus der Scheide das scharfe Schwert sich entreißend,
Drang er zuerst auf Antiphates ein, durch das grause Getümmel,
Schwang in der Näh‘, und hieb, daß zurück auf den Boden er hinsank.
Weiter darauf den Menon, Iamenos dann, und Orestes,
Streckt‘ er gehäuft miteinander zur nahrungsprossenden Erde.
195
Während sich jen‘ enthüllten des schimmernden Waffengeschmeides,
Folgten dem Hektor dort und Polydamas blühende Männer,
Sie die meisten an Zahl und tapfersten, alle begierig,
Durch die Mauer zu brechen, und rings zu entflammen die Schiffe.
Diese zauderten noch, unschlüssiges Rats, an dem Graben.
200
Denn ein Vogel erschien, da sie überzugehn sich entschlossen,
Ein hochfliegender Adler, der, links an dem Heere sich wendend,
Eine gerötete Schlang‘ in den Klaun hintrug, unermeßlich,
Lebend annoch, und zappelnd, noch nicht vergessend der Streitlust.
Denn dem haltenden Adler durchstach sie die Brust an dem Halse,
205
Rückwärts gewunden ihr Haupt; er schwang sie hinweg auf die Erde,
Hart von Schmerzen gequält; und sie fiel in die Mitte des Haufens;
Aber er selbst lauttönend entflog im Hauche des Windes.
Starrend sahn die Troer umher die ringelnde Schlange
Liegen im Staub, das Zeichen des ägiserschütternden Vaters,
210
Aber Polydamas sprach, dem trotzigen Hektor sich nahend:
Hektor, du pflegst mich zwar in Versammlungen immer zu tadeln,
Red‘ ich heilsamen Rat; denn traun mit nichten geziemt es,
Anderer Meinung zu sein, dem Gehorchenden, weder im Rate,
Noch in der Schlacht, vielmehr dein Ansehn stets zu vergrößern:
215
Dennoch sag‘ ich dir jetzo, wie mir’s am heilsamsten dünket.
Laßt nicht weiter uns gehn, um der Danaer Schiffe zu kämpfen.
Denn so wird, vermutlich, es endigen, wenn ja den Troern
Dieser Vogel erschien, da sie überzugehn sich entschlossen:
Ein hochfliegender Adler, der, links an dem Heere sich wendend,
220
Eine gerötete Schlang‘ in den Klaun hintrug, unermeßlich,
Lebend; doch schnell sie entschwang, bevor sein Nest er erreichet,
Und nicht vollends sie brachte, zum Raub den harrenden Kindern.
So auch wir: wo wir anders durch Mauer und Tor der Achaier
Brechen mit großer Gewalt, und vor uns fliehn die Achaier;
225
Kehren wir nicht in Ordnung den selbigen Weg von den Schiffen;
Sondern viel der Troer verlassen wir, die der Achaier
Volk mit dem Erze getötet, im mutigen Kampf für die Schiffe.
Also würd‘ ein Seher verkündigen, welcher im Geiste
Kennte der Zeichen Verstand, und dem die Völker gehorchten.
230
Finster schaut‘ und begann der helmumflatterte Hektor:
Keineswegs gefällt mir, Polydamas, was du geredet!
Leicht wohl könntest du sonst ein besseres raten, denn solches!
Aber wofern du wirklich in völligem Ernste geredet;
Traun dann raubeten dir die Unsterblichen selbst die Besinnung:
235
Der du befiehlst, zu vergessen des Donnerers Zeus Kronions
Ratschluß, welchen er selbst mir zugewinkt und gelobet.
Aber du ermahnest, den weitgeflügelten Vögeln
Mehr zu vertraun. Ich achte sie nicht, noch kümmert mich solches,
Ob sie rechts hinfliegen, zum Tagesglanz und zur Sonne,
240
Oder auch links dorthin, zum nächtlichen Dunkel gewendet.
Nein, des erhabenen Zeus‘ Ratschluß vertrauen wir lieber,
Der die Sterblichen all‘ und unsterbliche Götter beherrschet!
Ein Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten!
Doch was zitterst denn du vor Kampf und Waffengetümmel?
245
Sänken wir anderen auch an den rüstigen Schiffen Achaias
Alle getötet umher; dir droht kein Schrecken des Todes!
Denn dir ward kein Herz, ausharrend den Feind und die Feldschlacht!
Wo du mir aber dem Kampf dich entziehn wirst, oder der andern
Einen vom Krieg abwenden, durch törichte Wort‘ ihn verleitend;
250
Schnell von meiner Lanze durchbohrt verlierst du das Leben!
Dieses gesagt, ging jener voran; ihm folgten die andern
Mit graunvollem Geschrei. Der donnerfrohe Kronion
Sendete hoch vom Idagebirg‘ unermeßlichen Sturmwind,
Der zu den Schiffen den Staub hinwirbelte: daß den Achaiern
255
Sank der Mut, doch der Troer und Hektors Ruhm sich erhöhte.
Jetzo dem Wink des Gottes, und eigener Stärke vertrauend,
Strebten sie durchzubrechen der Danaer mächtige Mauer;
Rissen herab die Zinnen der Türm‘ und regten die Brustwehr,
Und umwühlten mit Hebeln des Baus vorragende Pfeiler,
260
Welche zuerst die Achaier gestellt, zur Feste den Türmen:
Diese wuchtet‘ ihr Stoß, und sie hofften der schütternden Mauer
Einbruch. Doch nicht wichen die Danaer dort von der Stelle;
Sondern mit starrenden Schilden die Brustwehr rings umzäunend,
Warfen sie Stein‘ und Geschoss‘ auf die mauerstürmenden Feinde.
265
Aber die Ajas‘ beide das Volk auf den Türmen ermahnend,
Wandelten ringsumher, und erregten den Mut der Achaier,
Den mit freundlicher Red‘, und den mit harter Bedrohung
Züchtigend, welchen sie ganz im Gefecht nachlässig erblickten:
Freund‘, im Danaervolk wer hervorstrebt, oder wer mitgeht,
270
Auch wer dahinten bleibt; denn gar nicht gleich miteinander
Schaffen die Männer im Kampf: nun zeigt für alle sich Arbeit!
Auch ihr selber fürwahr erkennet es! Nimmer zurück denn
Wendet euch gegen die Schiffe, die Drohungen hörend des Trotzers;
Sondern voran dringt all‘, und ermahnet euch untereinander:
275
Ob ja Zeus vergönne, der Donnergott des Olympos,
Daß wir, den Streit abwehrend, zur Stadt die Feinde verfolgen!
Also schrien sie beid‘, und erregten den Kampf der Achaier.
Dort, gleichwie Schneeflocken daher in dichtem Gestöber
Fallen am Wintertage, wann Zeus der Herrscher sich aufmacht,
280
Über die Menschen zu schnein, der Allmacht Pfeile versendend;
Ruhn dann heißt er die Wind‘, und schüttet herab, bis er decket
Rings die Höhn der schroffen Gebirg‘, und die zackigen Gipfel,
Auch die Gefilde voll Klee, und des Landmanns fruchtbare Saaten;
Auch des greulichen Meers Vorstrand‘ und Buchten umfliegt Schnee,
285
Aber die Wog‘ anrauschend verschlinget ihn; alles umher sonst
Wird von oben umhüllt, wann gedrängt Zeus‘ Schauer herabfällt:
So dort flog von Heere zu Heer der Steine Gewimmel,
Welche die Troer hier, und die Danaer dort auf die Troer
Schleuderten; und um die Mauer erscholl rings dumpfes Gepolter.
290
Noch nicht hätten die Troer anjetzt und der strahlende Hektor
Durchgebrochen die Pfort‘ und den mächtigen Riegel der Mauer;
Hätte der waltende Zeus nicht seinen Sohn, den Sarpedon,
Auf die Argeier gesandt, wie den Leun auf gehörnete Rinder.
Vor sich trug er den Schild von gleichgeründeter Wölbung,
295
Schöngehämmert aus Erz, den prangenden; welchen der Wehrschmied
Hämmerte, drinnen gefügt aus häufigen Rinderhäuten,
Und um den Rand ringsher mit goldenen Stäben durchzogen:
Diesen sich nun vortragend zum Schirm, zween Speere bewegend,
Eilt‘ er hinan, wie ein Löwe des Bergwalds, welcher des Fleisches
300
Lang‘ entbehrt, und jetzo, gereizt von der mutigen Seele,
Eindringt, Schafe zu würgen, auch selbst in ein dichtes Gehege;
Findet er zwar bei ihnen die wachsamen Hirten versammelt,
Die mit Hunden und Spießen umher die Schafe behüten,
Doch nicht ohne Versuch von dem Stall zu entfliehen gedenkt er;
305
Nein, entweder er raubt, wo er einsprang, oder auch selber
Wird er verletzt im Beginn von rüstiger Hand mit dem Wurfspieß:
So dort reizte sein Mut den göttergleichen Sarpedon,
Stürmend der Mauer zu nahn, und durchzubrechen die Brustwehr.
Schnell zu Glaukos gewandt, Hippolochos‘ Sohne, begann er:
310
Glaukos, warum doch ehrte man uns so herrlich vor andern
Immer an Sitz, an Fleisch, und vollgegossenen Bechern,
Heim im Lykierland‘, umher wie auf Himmlische blickend?
Und was baun wir ein großes Gefild‘ am Ufer des Xanthos,
Prangend mit Obst und Trauben und weizenbesäeten Äckern?
315
Darum gebührt uns jetzt in der Lykier Vordergetümmel
Dazustehn, und hinein in die brennende Schlacht uns zu stürzen;
Daß man also im Volk der gepanzerten Lykier sage:
Wahrlich nicht unrühmlich beherrschen sie Lykiens Söhne,
Unsere Könige hier, mit gemästeten Schafen sich nährend,
320
Und herzstärkendem Wein, dem erlesenen; sondern ihr Mut ist
Groß, denn sie kämpfen den Kampf in der Lykier Vordergetümmel!
Trautester, könnten wir ja, durch dieses Kampfes Vermeidung,
Immerdar fortblühen, unsterblich beid‘ und unalternd;
Weder ich selbst darin stellte mich unter die vordersten Kämpfer,
325
Noch ermuntert‘ ich dich zur männerehrenden Feldschlacht.
Aber da gleichwohl drohn unzählbare Schrecken des Todes
Rings, und keiner entflieht der Sterblichen, noch sie vermeidet;
Auf! daß wir anderer Ruhm verherrlichen, oder den unsern!
Jener sprach’s; nicht träge war Glaukos darob, noch entzog sich.
330
Gradan drangen sie beide, die Schar der Lykier führend.
Doch sie ersah aufschauernd des Peteos‘ Sohn Menestheus;
Denn ihm nahten zum Turm sie daher, mit Verderben gerüstet.
Rings umspäht‘ er den Turm, ob der Danaerfürsten er einen
Schauete, welcher die Not abwendete seinen Genossen.
335
Jetzo sah er die Ajas, sie beide des Kampfs unersättlich,
Dastehn, auch den Teukros, der jüngst vom Gezelte zurückkam,
Nahe sich; doch nicht konnt‘ er mit vollem Ruf sie erreichen,
Durch das Getöse der Schlacht: es erscholl zum Himmel der Aufruhr,
Weil die getroffenen Schild‘ und umflatterten Helm‘, und die Tore
340
Donnerten; denn sie all‘ umdrängte man; und die davor nun
Stehenden strebten mit Macht sich durchzubrechen den Eingang.
Schnell zu Ajas dahin entsandt‘ er Thootes den Herold:
Laufe mir, edler Thootes, in Eil‘, und rufe den Ajas;
Lieber sie beide zugleich: denn weit das beste von allem
345
Wär‘ es, dieweil hier bald ein gräßliches Morden bevorsteht!
Denn hart drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeher
Ungestüm anrennen in schreckenvoller Entscheidung!
Aber wofern auch dort die Kriegsarbeit sie beschäftigt;
Komme doch Ajas allein, des Telamons tapferer Sprößling,
350
Und ihm gesellt sei Teukros der Held, wohlkundig des Bogens!
Jener sprach’s; nicht träge vernahm die Worte der Herold,
Sondern enteilt‘ an der Mauer der erzumschirmten Achaier,
Stand den mutigen Ajas genaht, und redete also:
Ajas beid‘, Heerführer der erzumschirmten Achaier,
355
Euch ermahnt des Peteos‘ Sohn, der edle Menestheus,
Dort der Kriegsgewalt ein weniges nur zu begegnen;
Lieber ihr beide zugleich: denn weit das beste von allem
Wär‘ es, dieweil dort bald ein gräßliches Morden bevorsteht!
Denn hart drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeher
360
Ungestüm anrennen in schreckenvoller Entscheidung!
Aber wofern auch hier die Kriegsarbeit euch beschäftigt;
Komme doch Ajas allein, des Telamons tapferer Sprößling,
Und ihm gesellt sei Teukros der Held, wohlkundig des Bogens!
Sprach’s; und willig gehorchte der Telamonier Ajas.
365
Schnell zu Oïleus Sohn die geflügelten Worte begann er:
Ajas, ihr beid‘ allhier, du selbst und der Held Lykomedes,
Stehet fest, und ermahnt die Danaer, tapfer zu streiten,
Aber ich selber gehe, der Arbeit dort zu begegnen;
Schnell dann eil‘ ich zurück, nachdem ich jene verteidigt.
370
Also sprach und enteilte der Telamonier Ajas;
Und ihm gesellt ging Teukros, sein leiblicher Bruder vom Vater;
Auch Pandion zugleich trug Teukros‘ krummes Geschoß nach.
Als sie dem Turm itzt nahten des hochgesinnten Menestheus,
Drinnen die Mauer entlang, zu Bedrängeten nahten sie wahrlich.
375
Dort an die Brustwehr klommen, dem düsteren Sturme vergleichbar,
Jene, des Lykiervolks erhabene Fürsten und Pfleger;
Tobend begann nun nahes Gefecht, und es hallte der Schlachtruf.
Ajas der Heldensohn des Telamon streckte zuerst nun
Einen Freund des Sarpedon, den hochbeherzten Epikles,
380
Mit scharfzackigem Marmor gefällt, der drinnen der Mauer
Groß an der Brustwehr lag, der oberste. Schwerlich vielleicht wohl
Trüg‘ ihn mit beiden Händen ein Mann, auch in blühender Jugend,
Wie nun Sterbliche sind; doch er schleuderte, hoch ihn erhebend,
Brach ihm des Helms viergipflichtes Erz, und zerknirschte zugleich ihm
385
Alle Gebeine des Haupts; und schnell, wie ein Taucher von Ansehn,
Schoß er vom ragenden Turm, und der Geist verließ die Gebeine.
Teukros traf den Glaukos, Hippolochos‘ edlen Erzeugten,
Mit dem Geschoß, da stürmend der Mauer Höh‘ er hinanstieg,
Wo er ihn sah entblößen den Arm, und hemmte die Streitlust.
390
Schnell von der Mauer entsprang er geheim, daß nicht ein Achaier,
Wenn er die Wund‘ erblickte, mit stolzer Red‘ ihn verhöhnte.
Schmerz durchdrang dem Sarpedon die Brust, als Glaukos hinwegging,
Gleich nachdem er es merkte; doch nicht vergaß er des Kampfes;
Sondern er traf Alkmaon, des Thestors Sohn, mit der Lanze
395
Stoß, und entriß ihm den Schaft; da taumelt‘ er, folgend der Lanze,
Vorwärts, und ihn umklirrte das Erz der prangenden Rüstung.
Doch Sarpedon mit großer Gewalt anfassend die Brustwehr
Zog, und umher nachfolgend entstürzte sie; aber von oben
Ward die Mauer entblößt, und öffnete vielen den Zugang.
400
Ajas sofort und Teukros begegneten: der mit dem Pfeile
Traf ihm das Riemengehenk, das hell um den Busen ihm strahlte,
Am ringsdeckenden Schild‘; allein Zeus wehrte dem Schicksal
Seines Sohns, daß nicht bei den äußersten Schiffen er hinsank.
Ajas stach nun den Schild anlaufend ihm; aber hindurch drang
405
Schmetternd die eherne Lanz‘, und erschütterte jenen im Angriff.
Weg von der Brustwehr zuckt‘ er ein weniges; doch nicht gänzlich
Wich er, dieweil sein Herz noch erwartete Ruhm zu gewinnen.
Laut ermahnt‘ er gewandt der Lykier göttliche Heerschar:
Lykier, o wie vergesset ihr doch des stürmenden Mutes?
410
Schwer ja ist’s mir allein, und wär‘ ich der tapferste Streiter,
Durchzubrechen die Mauer, und Bahn zu den Schiffen zu öffnen!
Auf denn, zugleich mir gefolgt! denn mehrerer Arbeit ist besser!
Jener sprach’s; und geschreckt von des Königes scheltendem Zuruf,
Rannten sie heftiger an, gedrängt um den wartenden König.
415
Argos‘ Söhn‘ auch drüben verstärkten die Macht der Geschwader,
Innerhalb der Mauer; und fürchterlich drohte die Arbeit.
Denn es vermochten weder der Lykier tapfere Streiter,
Durchzubrechen die Mauer, und Bahn zu den Schiffen zu öffnen;
Noch vermochten die Helden der Danaer, Lykiens Söhne
420
Weg von der Mauer zu drängen, nachdem sie sich einmal genahet.
Sondern wie zween Landmänner die Grenz‘ einander bestreiten;
Jeder ein Maß in der Hand, auf gemeinsamer Scheide des Feldes,
Stehn sie auf wenigem Raum, und zanken sich wegen der Gleichung:
Also trennt‘ auch jene die Brustwehr; über ihr kämpfend
425
Haueten wild sie einander umher an den Busen die Stierhaut
Schöngeründeter Schild‘ und leichtgeschwungener Tartschen.
Viel auch wurden am Leib vom grausamen Erze verwundet:
Einige, wann sich wendend im Streit sie den Rücken entblößten
Durch das Gewühl, und manche sogar durch die Schilde von Stierhaut.
430
Überall von Türmen und Brustwehr rieselte rotes
Blut, an jeglicher Seite, der Troer und der Achaier.
Doch nicht schafften sie Flucht der Danaer; sondern sie standen
Gleich: wie die Waage steht, wenn ein Weib, lohnspinnend und redlich,
Abwägt Woll‘ und Gewicht, und die Schalen beid‘ in gerader
435
Schwebung hält, für die Kinder den ärmlichen Lohn zu gewinnen:
Also stand gleichschwebend die Schlacht der kämpfenden Völker;
Bis nunmehr Zeus höheren Ruhm dem Hektor gewährte,
Priamos‘ Sohn, der zuerst hinstürmt‘ in der Danaer Mauer.
Laut erscholl sein durchdringender Ruf in die Scharen der Troer:
440
Auf, ihr reisigen Troer, hinan! durchbreche der Argeier
Mauer, und werft in die Schiffe die schreckliche Flamme des Feuers!
Also ermahnte der Held; und aller Ohren vernahmens.
Gradan drang zu der Mauer die Heerschar; jene begierig
Klommen empor die Zinnen, geschärfte Speer‘ in den Händen.
445
Hektor nun trug aufraffend den Feldstein, welcher am Tore
Dastand, draußen gestellt, von unten dick, und von oben
Zugespitzt; ihn hätten nicht zween der tapfersten Männer
Leicht zum Wagen hinauf vom Boden gewälzt mit Hebeln,
Wie nun Sterbliche sind; doch er schwang ihn allein und behende;
450
Denn ihm erleichterte solchen der Sohn des verborgenen Kronos.
Wie wenn ein Schäfer behend‘ hinträgt die Wolle des Widders,
Fassend in einer Hand, und wenig die Last ihn beschweret:
Also erhob auch Hektor und trug den Stein zu den Bohlen,
Welche das Tor verschlossen mit dicht einfugender Pforte,
455
Zweigeflügelt und hoch; und zween sich begegnende Riegel
Hielten sie innerhalb, mit einem Bolzen befestigt.
Nah itzt trat er hinan, und warf gestemmt auf die Mitte,
Weit gespreizt, daß nicht ein schwächerer Wurf ihm entflöge.
Schmetternd zerbrach er die Angeln umher, und es stürzte der Marmor
460
Schwer hinein; dumpf krachte das Tor; auch die mächtigen Riegel
Hielten ihm nicht, und die Bohlen zerspalteten hiehin und dorthin,
Unter des Steines Gewalt; und es sprang der erhabene Hektor
Furchtbar hinein, wie das Grauen der Nacht: er strahlt‘ in des Erzes
Schrecklichem Glanz, der ihn hüllt‘, und zwo hellblinkende Lanzen
465
Schüttelt‘ er. Schwerlich hätt‘ ein Begegnender jetzt ihn gehemmet,
Außer ein Gott, da er sprang in das Tor, wutfunkelndes Blickes.
Laut ermahnt‘ er die Troer umhergewandt im Getümmel,
Über die Mauer zu steigen; und schnell ihm gehorchten die Völker:
Andere drangen zur Mauer und kletterten, andere strömten
470
Durch die gezimmerte Pforte hinein. Doch es flohn die Achaier
Zu den geräumigen Schiffen; es tobt‘ unermeßlicher Aufruhr.

Elfter Gesang

Elfter Gesang

Am Morgen rüstet sich Agamemnon, und führt zur Schlacht. Hektor ihm entgegen. Vor Agamemnons Tapferkeit fliehn die Troer. Zeus vom Ida sendet dem Hektor Befehl, bis Agamemnon verwundet sei, den Kampf zu vermeiden. Der verwundete Agamemnon entweicht, und Hektor dringt vor. Verwundet kehrt Diomedes zu den Schiffen; dann Odysseus, von Ajas aus der Umzingelung gerettet; dann Machaon und Eurypylos. Zu Nestor, der mit Machaon vorbeifuhr, sendet Achilleus den Patroklos zu fragen, wer der Verwundete sei. Patroklos, durch Nestors Rede gerührt, begegnet dem Eurypylos, führt ihn voll Mitleid ins Zelt, und verbindet ihn.

Eos nunmehr aus dem Lager des hochgesinnten Tithonos
Hub sich, Göttern das Licht und sterblichen Menschen zu bringen.
Zeus nun sandte daher zu den rüstigen Schiffen Achaias
Eris, die schreckliche Göttin, das Zeichen des Kampfs in den Händen.
5
Und sie betrat des Odysseus gewaltiges dunkeles Meerschiff,
Welches die Mitt‘ einnahm, daß beiderseits sie vernähmen,
Dort zu Ajas‘ Gezelten hinab, des Telamoniden,
Dort zu des Peleionen, die beid‘ an den Enden ihr Schiffheer
Aufgestellt, hochtrotzend auf Mut und Stärke der Hände.
10
Hier nun stand die Göttin und schrie, machtvoll und entsetzlich,
Laut in Achaias Heer, und rüstete jegliches Mannes
Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.
Allen sofort schien süßer der Krieg, als wiederzukehren
In den gebogenen Schiffen zum lieben Lande der Väter.
15
Atreus‘ Sohn auch rief und ermahnete, schnell sich zu gürten,
Argos‘ Volk; auch deckt‘ er sich selbst mit blendendem Erze.
Eilend fügt‘ er zuerst um die Beine sich bergende Schienen,
Blank und schön, anschließend mit silberner Knöchelbedeckung;
Weiter umschirmt‘ er die Brust ringsher mit dem ehernen Harnisch,
20
Welchen Kinyras einst zum Gastgeschenk ihm verliehen.
Denn er vernahm in Kypros den großen Ruf der Achaier,
Daß sie vereint gen Troja hinaufzuschiffen beschlossen;
Darum schenkt‘ er ihm jenen, gefällig zu sein dem Beherrscher.
Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles,
25
Zwölf aus funkelndem Gold‘, und zwanzig andre des Zinnes;
Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm
Beiderseits, voll Glanz wie Regenbogen, die Kronos‘
Sohn in die Wolken gestellt, den redenden Menschen zum Zeichen.
Hierauf warf er das Schwert um die Schulter sich: goldene Buckeln
30
Leuchteten über das Heft; und die Kling‘ umhüllte die Scheide,
Silberhell, am Gehenk von strahlendem Golde befestigt.
Drauf den gewaltigen Schild, den ringsbedeckenden, hub er,
Schön von Kunst: ihm liefen umher zehn eherne Kreise;
Auch umblinkten ihn zwanzig von Zinn gewölbete Nabel,
35
Weiß, und der mittlere war von dunkeler Bläue des Stahles.
Auch die Schreckengestalt der Gorgo drohete schlängelnd,
Mit wutfunkelndem Blick, und umher war Graun und Entsetzen.
Silbern war des Schildes Gehenk; und gräßlich auf diesem
Schlängelt‘ ein bläulicher Drache dahin; drei Häupter des Scheusals
40
Waren umhergekrümmt, aus einem Halse sich windend.
Drauf umschloß er das Haupt mit des Helms viergipflichter Kuppel,
Von Roßhaaren umwallt; und fürchterlich winkte der Helmbusch.
Auch zwo mächtige Lanzen, gespitzt mit der Schärfe des Erzes,
Faßte der Held, daß ferne das Erz zum erhabenen Himmel
45
Leuchtete. Laut her donnerten nun Athenäa und Here,
Hoch zu ehren den König der golddurchstrahlten Mykene.
Jetzo gebot ein jeder dem eigenen Wagenlenker,
Dort am Graben die Ross‘ in geordneter Reihe zu halten.
Aber die Streiter zu Fuß mit ehernen Waffen gerüstet
50
Drangen voran; und laut erscholl ihr Geschrei in der Dämmrung.
Vor den Reisigen zogen sie nun, am Graben geordnet;
Nahe folgeten dann die Reisigen. Aber Getümmel
Tobte durchs Heer, von Kronion erregt, der hoch aus dem Äther
Tau mit Blute gesprengt ausschüttete; denn er gedachte,
55
Viele tapfere Häupter hinabzusenden zum Aïs.
Jenseits hielten die Troer geschart auf dem Hügel des Feldes;
Hektor der Große gebot und der edle Polydamas jenen,
Auch Äneias, geehrt wie ein Gott im Volke der Troer,
Polybos auch, und Agenor der Held, und der mutige Jüngling
60
Akamas, Göttern gleich, drei tapfere Söhn‘ Agenors.
Hektor durchging die ersten mit rund gewölbetem Schilde.
So wie aus Nachtgewölk ein Stern zum Verderben hervorblickt,
Strahlend umher; dann wieder sich taucht in schattende Wolken:
Also erschien itzt Hektor, die vordersten rings durchwandelnd,
65
Jetzo im äußersten Zug‘, und ordnete; ganz in dem Erze
Leuchtet‘ er, ähnlich dem Strahl des ägiserschütternden Vaters.
Siehe nunmehr, wie Schnitter entgegenstrebend einander
Grade das Schwad hinmähn, auf der Flur des begüterten Mannes,
Weizen oder auch Gerst‘, und die sinkenden Bunde sich häufen:
70
Also stürmten die Troer und Danaer gegeneinander
Mordend, nicht hier noch dort der verderblichen Flucht sich erinnernd;
Haupt an Haupt drang alles zur Feldschlacht; und wie die Wölfe
Tobten sie. Froh nun schaute die jammererregende Eris:
Denn sie allein war noch der Unsterblichen unter den Streitern;
75
Und kein anderer Gott gesellte sich; sondern geruhig
Saßen sie all‘ in den eignen Behausungen, dort wo für jeden
Prangt‘ ein schöner Palast, auf den steigenden Höhn des Olympos.
Alle tadelten sie den schwarzumwölkten Kronion,
Weil er beschloß den Troern des Sieges Ruhm zu verleihen.
80
Doch nicht achtete dessen der Donnerer; ferne gesondert
Schied er hinweg von den andern, und setzte sich, freudiges Trotzes,
Weit umschauend der Troer Stadt und die Schiffe Achaias,
Und den Glanz des Erzes, und Würgende rings und Erwürgte.
Weil noch Morgen es war, und der heilige Tag emporstieg;
85
Hafteten jegliches Heeres Geschoss‘, und es sanken die Völker.
Doch wenn ein Mann, holzhauend im Forst, sein Mahl sich bereitet,
An des Gebirgs Abhängen, nachdem er die Arme gesättigt,
Ragende Bäume zu haun, und Unlust drang in die Seele,
Und nach erquickender Kost sein Herz vor Verlangen ihm schmachtet:
90
Jetzo mit Kraft durchbrachen die Danaer kühn die Geschwader,
Rufend den Freunden umher in den Ordnungen. Sieh‘ Agamemnon
Stürmte voran, und entraffte den Völkerhirten Bianor,
Ihn, und darauf den Genossen, den Wagenlenker Oileus.
Dieser schwang sich herab vom Wagengeschirr, sind bestand ihn;
95
Doch in des grad‘ Anstrebenden Stirn mit spitziger Lanze
Stach er; und nicht verwehrte des Helms erzlastende Kuppel,
Sondern sie drang durch Erz und Schädel ihm, und sein Gehirn ward
Ganz mit Blute vermischt: so bändigt‘ er jenen im Angriff.
Sie nun ließ er daselbst, der Völkerfürst Agamemnon,
100
Nackt die schimmernden Brüste, nach abgehülleten Panzern;
Eilte sodann auf Isos und Antiphos, gierig des Mordes,
Söhne des Priamos beid‘, unecht und ehelich, beide
Stehend in einem Geschirr. Der Bastard lenkte die Zügel;
Antiphos stand zum Kampfe, der Herrliche: sie die Achilleus
105
Einst auf Idis Höhn mit weidenden Gerten gefesselt,
Als er hütend der Schafe sie fand, und um Lösung befreiet.
Aber des Atreus‘ Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Jenem über der Warze durchschoß er die Brust mit der Lanze;
Antiphos haut‘ er am Ohr mit dem Schwert, und stürzt‘ ihn vom Wagen.
110
Schnell entzog er darauf der Getöteten prangende Rüstung,
Kennend beid‘; er sah sie vordem bei den rüstigen Schiffen,
Als sie vom Ida geführt der mutige Renner Achilleus.
So wie ein Leu der Hindin noch unbehilfliche Kinder
Leicht nacheinander zermalmt, mit mächtigen Zähnen sie fassend.
115
Wann er im Lager sie traf, und ihr blühendes Leben entreißet;
Jene, wie nahe sie ist, vermag nicht ihnen zu helfen;
Denn ihr selbst erbeben von schrecklicher Angst die Gebeine;
Eilendes Laufs entflieht sie durch dichtes Gebüsch und durch Waldung,
Rastlos, triefend von Schweiß, vor der Wut des mächtigen Raubtiers:
120
Also konnt‘ itzt keiner des troischen Volks vom Verderben
Jene befrein; auch selber vor Argos‘ Söhnen entflohn sie.
Jetzo den kriegsfrohen Hippolochos und den Pisandros,
Beid‘ Antimachos Söhne, des waltenden: welcher am meisten
Drang, vom Gold‘ Alexandros‘, den glänzenden Gaben, betöret,
125
Helena nicht zu geben dem bräunlichen Held Menelaos:
Dessen Söhne nun traf der Völkerfürst Agamemnon,
Beid‘ auf einem Geschirr, die hurtigen Rosse bezähmend;
Denn es entflohn den Händen die purpurschimmernden Zügel,
Und sie tummelten wild. Da stürzt‘ er heran, wie ein Löwe,
130
Atreus‘ Sohn; und sie flehten ihm hingeschmiegt vom Wagen:
Fah‘ uns, Atreus‘ Sohn, und nimm dir würdige Lösung.
Viel der Kleinode ruhn in Antimachos hohem Palaste,
Erz und Goldes genug, und schöngeschmiedetes Eisen.
Hievon reicht der Vater dir gern unermeßliche Lösung,
135
Wenn er uns noch lebend vernimmt bei den Schiffen Achaias.
Also fleheten sie mit freundlichen Worten den König
Weinend an; da erscholl die unbarmherzige Stimme:
Hat Antimachos denn, der waltende Held, euch gezeuget,
Welcher im Rat einst hieß, daß Trojas Volk Menelaos,
140
Als er gesandt hinkam, mit dem göttergleichen Odysseus,
Dort erschlüg‘, und sie nicht heimsendete zu den Achaiern,
Auf, so büßt mir jetzo des Vaters schändlichen Frevel.
Sprach’s, und stürzte Pisandros vom Wagengeschirr auf die Erde,
Werfend den Speer in die Brust, daß zurück auf den Boden er hinsank.
145
Aber Hippolochos sprang von dem Sitz; da erschlug er ihn unten,
Weg mit dem Schwerte die Händ‘, und das Haupt von der Schulter ihm hauend;
Ließ dann rollen den Rumpf, wie ein Mörser gewälzt im Getümmel.
Jene verließ er, und dort, wo am dichtesten drängten die Haufen,
Stürzt‘ er hinein, begleitet von hellumschienten Achaiern.
150
Fußvolk mordete nun Fußvolk, das gezwungen zurückfloh,
Reisige nun der Reisigen Schar, (und wölkender Staub stieg
Aus dem Gefild‘, erregt von den donnernden Hufen der Rosse,)
Tötendes Erz nachschwingend. Doch Atreus‘ Sohn Agamemnon,
Immer verfolgt‘ er mordend, und rief den Männern von Argos.
155
Wie wenn vertilgendes Feuer in nie gehauene Waldung
Fällt, dann wirbelnd der Sturm es umherträgt, und bis zur Wurzel
Stämm‘ und Gezweig‘ hinsinken, gerafft von des Feuerorkans Wut:
Also vor Atreus‘ Sohn Agamemnon sanken die Häupter
Fliehender Troer umher, und viel hochwiehernde Rosse
160
Rasselten, leer die Geschirre, dahin durch die Pfade des Treffens,
Ihrer untadligen Lenker beraubt, die zerstreut im Gefilde
Lagen, den Geiern anitzt weit lieblicher, als den Vermählten.
Hektor entzog aus Geschossen der Donnerer, und aus dem Staube,
Aus dem Gewürge der Schlacht, aus strömendem Blut und Getümmel.
165
Doch ihm folgt‘ Agamemnon, mit Macht die Achaier ermunternd.
Jene flohn zu dem Male des alten dardanischen Ilos
Mitten durch das Gefild an dem Feigenbaume vorüber,
Sehnsuchtsvoll nach der Stadt; doch stets lautschreiend verfolgt‘ er,
Atreus‘ Sohn, mit Blut die unnahbaren Hände besudelt.
170
Als sie nunmehr dem skäischen Tor und der Buche genahet,
Standen sie endlich still, und erwarteten einer den andern.
Stets durchs Gefild her stürzten die Flüchtlinge, scheu wie die Rinder,
Welche der Löwe verscheucht, in dämmernder Stunde des Melkens,
Alle zugleich; doch der einen erscheint das grause Verderben;
175
Ihr nun bricht er den Nacken, mit mächtigen Zähnen sie fassend,
Erst, dann schlürft er das Blut und die Eingeweide hinunter:
Also verfolgte sie Atreus‘ gewaltiger Sohn Agamemnon,
Immerdar hinstreckend den äußersten; und sie entflohen.
Vorwärts taumelten viel‘ und rückwärts viele vom Wagen,
180
Unter der Hand des Atreiden; so tobt‘ er voran mit der Lanze.
Aber da bald er nunmehr zur Stadt und türmenden Mauer
Nahete; siehe der Vater des Menschengeschlechts und der Götter
Setzte sich nun auf dem Gipfel des quellenströmenden Ida,
Nieder vom Himmel gesenkt, den flammenden Blitz in den Händen.
185
Schnell nun entsandt‘ er als Botin die goldgeflügelte Iris:
Eile mir, hurtige Iris, dem Hektor das Wort zu verkünden.
Weil er sieht, daß annoch der Völkerhirt Agamemnon
Tobt in dem Vordergewühl, und die Reihn der Männer vertilget;
Weich‘ er selber zurück, doch dem anderen Volke gebiet‘ er,
190
Gegen den Feind zu kämpfen im Ungestüme der Feldschlacht.
Aber sobald ein Speer ihn verwundete, oder ein Pfeilschuß,
Daß er den Wagen besteigt; dann rüst‘ ich jenen mit Stärke,
Niederzuhaun, bis er naht den schöngebordeten Schiffen,
Bis die Sonne sich senkt, und heiliges Dunkel herauszieht.
195
Jener sprach’s; ihm gehorchte die windschnell eilende Iris;
Schwebte von Idas Höhn zur heiligen Ilios nieder,
Fand des waltenden Priamos‘ Sohn, den göttlichen Hektor,
Stehn auf rossebespanntem und wohlgefügetem Wagen;
Nahe dann trat und begann die leichthinschwebende Iris:
200
Hektor, Priamos‘ Sohn, dem Zeus an Rate vergleichbar.
Zeus entsendete mich, dir dieses Wort zu verkünden.
Weil du siehst, daß annoch der Völkerhirt Agamemnon
Tobt in dem Vordergewühl, und die Reihn der Männer vertilget;
Weiche du selber zurück, doch gebeut dem anderen Volke,
205
Gegen den Feind zu kämpfen im Ungestüme der Feldschlacht.
Aber sobald ein Speer ihn verwundete, oder ein Pfeilschuß,
Daß er den Wagen besteigt; dann rüstet er dich mit Stärke,
Niederzuhaun, bis du nahst den schöngebordeten Schiffen,
Bis die Sonne sich senkt, und heiliges Dunkel heraufzieht.
210
Also sprach, und entflog, die leichthinschwebende Iris.
Hektor vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang auf die Erde.
Schwenkend die spitzigen Lanzen durchwandelt‘ er alle Geschwader,
Rings ermahnend zum Kampf, und erweckte die tobende Feldschlacht.
Jene nun wandten die Stirn, und begegneten kühn den Achaiern.
215
Argos‘ Söhn‘ auch drüben verstärkten die Macht der Geschwader;
Neu begann das Gefecht; ein drangen sie: doch Agamemnon
Stürmte voraus; denn er wollte der Vorderste kämpfen vor allen.
Sagt mir anitzt, ihr Musen, olympische Höhen bewohnend:
Welcher kam zuerst Agamemnons Händen entgegen,
220
Unter den Troern selbst, und den rühmlichen Bundesgenossen?
Erst Antenors Sohn Iphidamas, groß und gewaltig,
Aufgenährt in Thraka, der scholligen Mutter der Schafe.
Kisseus der Ahn‘ erzog ihn als Kind in seinem Palaste,
Welcher Theano gezeugt, Iphidamas‘ rosige Mutter.
225
Aber nachdem er das Ziel der rühmlichen Jugend erreichet,
Jetzo behielt ihn der Ahn‘, und gab ihm die blühende Tochter.
Neuvermählt dann folgt‘ er dem großen Ruf der Achaier
Aus dem Gemach, mit zwölf schönprangenden Schiffen des Meeres;
Ließ darauf in Perkope zurück die schwebenden Schiffe,
230
Aber zu Fuß hinwandelnd erreicht‘ er Ilios‘ Mauern.
Dieser begegnete jetzt des Atreus‘ Sohn‘ Agamemnon.
Als nunmehr sich genaht die Eilenden gegeneinander,
Jetzo verfehlt‘ Agamemnon, und seitwärts flog ihm die Lanze.
Aber Iphidamas stieß auf den Gurt ihm, unter dem Panzer,
235
Kraftvoll, drängte dann nach, der nervichten Rechte vertrauend.
Dennoch nicht durchbohrt‘ er den schöngetriebenen Gürtel;
Sondern vom Silber gehemmt, verbog wie Blei sich die Spitze.
Schleunig ergriff die Lanze der herrschende Held Agamemnon,
Zog sie heran, mit Gewalt, wie ein Berglöw‘, und aus der Hand ihm
240
Riß er sie; schwang in den Nacken das Schwert, und löst‘ ihm die Glieder.
Also sank er daselbst, und schlief den ehernen Schlummer,
Mitleidswert, von der Gattin getrennt, für die Seinigen kämpfend,
Ihr, die jugendlich nicht ihm belohnt die großen Geschenke:
Hundert Rinder schenkt‘ er zuerst, und gelobte dem Schwäher
245
Tausend Ziegen und Schaf‘ aus seinen unzähligen Herden.
Ihn entwaffnete jetzt des Atreus‘ Sohn Agamemnon,
Trug dann einher durch der Danaer Reihn die prangende Rüstung.
Aber da jetzt ihn Koon ersah, der gepriesenste Kämpfer,
Er Antenors älterer Sohn; da umhüllt‘ ihm die Augen
250
Überschwenglicher Gram um den hingesunkenen Bruder.
Seitwärts genaht mit dem Speer, und unbemerkt Agamemnon,
Stach er ihm in die Mitte des Arms, dicht unter der Beugung,
Daß ihm grade durchdrang die schimmernde Spitze der Erzes.
Schauer ergriff nun plötzlich den herrschenden Held Agamemnon;
255
Dennoch rastet‘ er nicht vom Kampf und Schlachtengetümmel,
Sondern er stürzt‘ auf Koon mit sturmgenähreter Lanze.
Jener zog den Iphidamas nun, den leiblichen Bruder,
Eifrig am Fuße gefaßt, und rief den Tapfersten allen.
Doch wie er zog im Gedränge, verwundet ihn unter dem Schilde
260
Jener mit erzgerüstetem Schaft, und löst‘ ihm die Glieder;
Hieb dann über dem Bruder das Haupt von der Schulter ihm nahend.
So vom Atreiden besiegt dem Könige, fanden Antenors
Beide Söhn‘ ihr Verhängnis, und sanken in Aïdes‘ Wohnung.
Aber jener durchflog noch andere Scharen der Männer,
265
Mordend mit Lanz‘ und Schwert und gewaltigen Steinen des Feldes,
Weil ihm das Blut noch warm aus offener Wund‘ hervordrang.
Aber sobald ihm stockte das Blut in erharschender Wunde,
Heftiger Schmerz nun faßte den Heldenmut Agamemnons.
Wie der Gebärerin Seele der Pfeil des Schmerzes durchdringet,
270
Herb und scharf, den gesandt hartringende Eileithyen,
Sie der Here Töchter, von bitteren Wehen begleitet:
Also faßte der Schmerz den Heldenmut Agamemnons.
Und er sprang in den Sessel, dem Wagenlenker gebietend,
Schnell zu den Schiffen zu kehren; denn unmutsvoll war das Herz ihm.
275
Laut nun scholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:
Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,
Ihr nun hemmt zurück von den meerdurchwandelnden Schiffen
Diesen entsetzlichen Streit, da mir Zeus‘ waltende Vorsicht
Nicht gewährt, die Troer den ganzen Tag zu bekämpfen!
280
Sprach’s; da geißelte jener die schöngemähneten Rosse
Hin zu den räumigen Schiffen; und nicht unwillig entflohn sie.
Beide mit schäumender Brust, und besprengt von unten mit Staube,
Trugen sie fern aus der Schlacht den qualenduldenden König.
Aber wie Hektor ersah, daß Atreus‘ Sohn sich entfernte,
285
Rief er den Troern zugleich und Lykiern, laut ermahnend:
Troer und Lykier ihr, und Dardaner, Kämpfer der Nähe,
Seid nun Männer, o Freund‘, und gedenkt des stürmenden Mutes!
Fern ist der tapferste Mann, und mir gibt herrlichen Siegsruhm
Zeus der Kronid‘! Auf, grade gelenkt die stampfenden Rosse
290
Gegen der Danaer Helden, daß höheren Ruhm ihr gewinnet!
Jener sprach’s, und erregte zu Mut und Stärke die Männer.
Wie wenn oft ein Jäger die Schar weißzahniger Hunde
Reizt auf den grimmigen Eber des Waldtals, oder den Löwen:
So auf die Danaer reizte die edelmütigen Troer
295
Hektor, Priamos‘ Sohn, dem mordenden Ares vergleichbar.
Selbst voll trotzendes Muts durchwandelt‘ er vorn das Getümmel,
Stürzte sich dann in die Schlacht, wie ein hochherbrausender Sturmwind,
Der in gewaltigem Sturz die dunkelen Wogen empöret.
Welchen streckte zuerst, und welchen zuletzt in den Staub hin
300
Hektor, Priamos‘ Sohn, da ihm Zeus Ehre verliehen?
Erst Assäos den Held, Autonoos dann, und Opites,
Dolops, Klytios‘ Sohn, und Opheltios, auch Agelaos,
Oros, Äsymnos sodann, und Hipponoos, freudig zur Feldschlacht.
Diese Gebieter entrafft‘ er den Danaern, würgte dann weiter
305
Unter dem Volk: wie der West auseinander wirrt die Gewölke
Vom blaßschauernden Süd, mit dichtem Sturm sie verdrängend;
Häufig wälzt hochbrandend die Woge sich, aber empor spritzt
Weißer Schaum, vor dem Stoße der vielfach zuckenden Windsbraut:
So rings stürzten vor Hektor bezwungene Häupter des Volkes.
310
Jetzt wär‘ entschieden der Kampf, und unheilbare Taten vollendet,
Und in die Schiffe gedrängt das fliehende Heer der Achaier;
Hätte nicht den Tydeiden ermahnt der Dulder Odysseus:
Tydeus‘ Sohn, wie vergessen wir doch des stürmenden Mutes?
Auf, tritt näher, mein Freund, steh‘ neben mir! Schande ja wär es,
315
Wenn er die Schiff‘ einnähme, der helmumflatterte Hektor!
Ihm antwortete drauf der starke Held Diomedes:
Gerne beharr‘ ich allhier, und dulde noch; aber nur wenig
Fruchtet unsere Kraft; denn der Herrscher im Donnergewölk Zeus
Will die Troer mit Sieg verherrlichen, vor den Achaiern!
320
Sprach’s, und warf Thymbräos vom Wagen herab auf die Erde,
Links durchschmetternd die Brust mit dem Wurfspieß; aber Odysseus
Traf den edlen Molion, des Königes Wagengenossen.
Jene ließen sie dort ausruhn von der kriegrischen Arbeit,
Drangen hinein ins Getümmel, und wüteten: wie wenn die Eber
325
Unter die Hunde der Jagd hochtrotzendes Mutes sich stürzen:
Also durchtobten den Feind die Gewendeten; und die Achaier
Freuten sich aufzuatmen, gescheucht von dem göttlichen Hektor.
Jetzt war erhascht ein Geschirr; zween tapferste Männer des Volkes
Trug es, von Merops erzeugt dem Perkosier: welcher vor allen
330
Fernes Geschick wahrnahm, und nie den Söhnen verstattet,
Einzugehn in den Krieg, den verderblichen; aber sie hörten
Nicht sein Wort, denn sie führte des dunkelen Todes Verhängnis.
Diesen kann der Tydeide, der Schwinger des Speers Diomedes,
Raubete Geist und Leben, und trug die prangende Rüstung.
335
Doch des Hippodamas‘ Wehr und Hypeirochos nahm sich Odysseus.
Nun ließ schweben die Schlacht im Gleichgewichte Kronion,
Schauend von Idas Höhn; und sie würgten sich untereinander.
Siehe den Päoniden Agastrophos traf Diomedes
Stoßend mit eherner Lanz‘ am Hüftbein; denn sein Gespann war
340
Nicht ihm nah zu entfliehn; so groß war des Geistes Betörung!
Abwärts hielt der Genoß den Wagen ihm; aber er selber
Tobte zu Fuß durch das Vordergewühl, bis sein Leben dahin war.
Doch wie sie Hektor ersah durch die Ordnungen, stürmt‘ er auf jene
Her mit Geschrei; ihm folgten zugleich Heerscharen der Troer.
345
Ihn erblickt‘ aufschauend der Rufer im Streit Diomedes,
Wandte sich schnell, und begann zu Odysseus, der ihm genaht war:
Schau, dort wälzt das Verderben sich her, der gewaltige Hektor!
Aber wohlan, wir bleiben, und widerstehn unerschüttert!
Sprach’s, und im Schwung‘ entsandt‘ er die weithinschattende Lanze,
350
Traf, und verfehlete nicht, auf das Haupt dem Kommenden zielend,
Oben die Kuppel des Helms; doch prallte das Erz von dem Erze,
Eh‘ es die schöne Haut ihm berührt; denn es wehrte der Helm ab,
Dreifach, länglich gespitzt, ihm geschenkt von Phöbos Apollon.
Hektor flog unermeßlich zurück, in die Scharen sich mischend;
355
Und er entsank hinkineend, und stemmte die nervichte Rechte
Gegen die Erd‘; und die Augen umzog die finstere Nacht ihm.
Aber indes der Tydeide den Schwung der Lanze verfolgte,
Fern durch das Vordergewühl, wo sie nieder ihm schoß in den Boden;
Kehrete Hektors Geist, und schnell in den Sessel sich schwingend,
360
Jagt‘ er hinweg ins Gedräng‘, und vermied das schwarze Verhängnis.
Doch mit dem Speer nachstürmend, begann der Held Diomedes:
Wieder entrannst du dem Tode, du Hund! Schon nahte Verderben
Über dein Haupt; allein dich errettete Phöbos Apollon,
Den du gewiß anflehst, ins Geklirr der Geschosse dich wagend!
365
Doch bald mein‘ ich mit dir zu endigen, künftig begegnend,
Würdiget anders auch mich ein unsterblicher Gott zu begleiten!
Jetzo eil‘ ich umher zu den übrigen, wen ich erhasche!
Sprach’s, und Päons Sohne, dem Tapferen, raubt‘ er die Rüstung.
Aber der Held Alexandros, der lockigen Helena Gatte,
370
Richtet‘ auf Tydeus‘ Sohn das Geschoß, den Hirten der Völker,
Hinter die Säule geschmiegt, auf dem männerbereiteten Grabmal
Ilos des Dardaniden, des vormals waltenden Greises.
Jener entriß dem starken Agastrophos eilend des Panzers
Künstlichen Schmuck von der Brust, und den mächtigen Schild von den Schultern
375
Samt dem gewichtigen Helm. Da zog er den Bügel des Hornes,
Schoß und traf, leicht umsonst den Pfeil von der Nerve versendend,
Unten den rechten Fuß; und das Erz, durch die Sohle gedrungen,
Bohrt‘ in den Boden hinein. Doch er mit behaglicher Lache
Sprang aus dem Hinterhalt, und rief lautjauchzend die Worte:
380
Ha das traf! nicht umsonst mir entflog das Geschoß! O wie gerne
Hätt‘ ich die Weiche des Bauchs dir durchbohrt, und das Leben entrissen!
Dann vermochten die Troer nun aufzuatmen von Drangsal,
Welche du wild hinscheuchst, wie ein Leu die meckernden Ziegen!
Drauf begann unerschrocken der starke Held Diomedes:
385
Lästerer, Bogenschütz, Pfeilprangender, Mädchenbeäugler!
Wenn du mit offner Gewalt in Rüstungen wider mich kämest,
Wenig frommte dir wohl dein Geschoß und die häufigen Pfeile.
Jetzt da du leicht den Fuß mir ritzetest, prahlest du eitel.
Nichts gilt mir’s! als träf‘ ein Mädchen mich, oder ein Knäblein!
390
Kraftlos spielt das Geschoß des nichtsgeachteten Weichlings!
Traun wohl anders von mir, und ob nur ein wenig es fasse,
Dringt ein scharfes Geschoß, und sofort zu den Toten gesellt es!
Seiner Vermählten daheim sind umher zerrissen die Wangen,
Und die Kinder verwaist; mit Blut die Erde befleckend
395
Modert er; und des Gevögels umschwärmt ihn mehr, denn der Weiber!
Jener sprach’s; doch Odysseus der Lanzenschwinger sich nahend
Trat vor ihn; nun saß er geschirmt, und zog sich den schnellen
Pfeil aus dem Fuß; und der Schmerz durchdrang ihm heftig die Glieder.
Und er sprang in den Sessel, dem Wagenlenker gebietend,
400
Schnell zu den Schiffen zu kehren; denn unmutsvoll war das Herz ihm.
Einsam war nun Odysseus der Lanzenschwinger, und niemand
Harrt‘ um ihn der Achaier, denn Furcht verscheuchte sie alle.
Tief erseufzt‘ er und sprach zu seiner erhabenen Seele:
Wehe, was soll mir geschehn! O Schande doch, wenn ich entflöhe,
405
Fort durch Menge geschreckt! Doch entsetzlicher, wenn sie mich fingen,
Einsam hier; denn die andern der Danaer scheuchte Kronion!
Aber warum bewegte das Herz mir solche Gedanken?
Weiß ich ja doch, daß Feige von dannen gehn aus dem Kampfe!
Doch wer edel erscheint in der Feldschlacht, diesem gebührt es,
410
Tapfer den Feind zu bestehn, er treffe nun, oder man treff‘ ihn!
Als er solches erwog in des Herzens Geist und Empfindung,
Zogen bereits die Troer heran in geschildeten Schlachtreihn;
Und sie umschlossen ihn rings, ihr Unheil selber umzingelnd.
Wie auf den Eber umher die Hund‘ und die blühenden Jäger
415
Stürzen; er wandelt hervor aus tiefverwachsenem Dickicht,
Wetzend den weißen Zahn im zurückgebogenen Rüssel;
Rings nun stürmen sie an; und wild mit klappenden Hauern
Wütet er; dennoch bestehn sie zugleich, wie schrecklich er drohet:
Also dort um Odysseus den Göttlichen stürzten sich ringsher
420
Troer. Doch jener zuerst dem untadligen Deïopites
Stach er die Schulter von oben, mit spitziger Lanz‘ ihn ereilend;
Auch den Thoon darauf und Ennomos streckt‘ er in Blut hin;
Auch dem Chersidamas rannt‘ er, der schnell vom Wagen herabsprang,
Unter dem bucklichten Schild den scharfen Speer in den Nabel,
425
Tief; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.
Jene verließ er, und Hippasos‘ Sohn mit der Lanze durchstach er,
Charops, den leiblichen Bruder des wohlentsprossenen Sokos.
Ihm ein Helfer zu sein, wie ein Gott, kam Sokos gewandelt;
Nahe trat er hinan, und sprach zu jenem die Worte:
430
O preisvoller Odysseus, an List unerschöpft, und an Arbeit,
Heut ist entweder dein Ruhm, daß Hippasos‘ Söhne du beide,
Solche Männer, dahingestreckt, und die Waffen erbeutet;
Oder von meiner Lanze durchbohrt verlierst du das Leben!
Jener sprach’s, und stieß auf des Schildes geründete Wölbung.
435
Siehe den strahlenden Schild durchschmetterte mächtig die Lanze,
Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet;
Ganz dann entriß sie die Haut von den Rippen ihm; aber Athene
Wehrte dem Erz zu dringen ins Eingeweide des Mannes.
Doch wie Odysseus erkannt, nicht tödlich sei das Geschoß ihm,
440
Wich er ein wenig zurück, und sprach zu Sokos die Worte:
Unglückseliger, traun! dich ergreift nun grauses Verderben!
Zwar mich hast du gehemmt, der Troer Volk zu bekämpfen:
Doch dir meld‘ ich allhier den Tod und das schwarze Verhängnis,
Diesen Tag dir bestimmt; von meiner Lanze gebändigt,
445
Gibst du mir Ruhm, und die Seele dem Sporner der Gaul‘ Aïdoneus.
Sprach’s; und jener zur Flucht hinweggewendet enteilte;
Doch dem Gewendeten schoß er den ehernen Speer in den Rücken,
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;
Dumpf hinkracht‘ er im Fall; und es rief frohlockend Odysseus:
450
Sokos, Hippasos‘ Sohn, des feurigen Rossebezähmers,
Siehe der endende Tod erhaschte dich, und du entrannst nicht!
Wehe dir, nicht dein Vater und deine liebende Mutter
Drücken die Augen dir zu, dem Sterbenden; sondern des Raubes
Vögel zerhacken dich bald, mit den Fittichen froh dich umflatternd!
455
Sterb‘ auch ich, dann schmücken mein Grab die edlen Achaier!
Jener sprach’s, und den mächtigen Speer des erhabenen Sokos
Zog er hervor aus der Wund‘, und dem hochgenabelten Schilde.
Blut nun schoß dem entzogenen nach, und schwächte das Herz ihm.
Doch wie die mutigen Troer das Blut des Königes schauten,
460
Riefen sie laut einander, und wandelten gegen ihn alle.
Aber Odysseus wich dem Gedräng‘, und schrie zu den Freunden.
Dreimal schrie er empor, wie die Brust aushallet des Mannes;
Dreimal vernahm das Geschrei der streitbare Held Menelaos.
Schnell begann er und sprach zu Ajas, der ihm genaht war:
465
Ajas, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter,
Eben umscholl Odysseus‘ des Duldenden fernes Geschrei mich,
Jenem gleich, als drängten den einsam Verlassenen etwa
Troer, den Weg abschneidend im Ungestüme der Feldschlacht,
Auf, wir gehn durchs Getümmel; denn ihm zu helfen geziemt uns.
470
Daß nur nichts ihm begegne, dem Einsamen unter den Troern,
Stark wie er sei; und schmerzlich der Danaer Volk ihn vermisse!
Sprach’s und ging; ihm folgte der götterähnliche Streiter.
Und sie erreichten Odysseus den Herrlichen; um ihn gedrängt war
Troergewühl: so wie oft rotgelbe Schakal‘ im Gebirge
475
Um den gehörneten Hirsch, den verwundeten, welchen ein Jäger
Traf mit der Senne Geschoß; ihm zwar entrann er im Laufe
Fliehend, dieweil warm strömte das Blut, und die Kniee sich regten;
Aber sobald nun der Schmerz des geflügelten Pfeils ihn gebändigt,
Dann zerreißen Schakal‘ im Gebirg‘ ihn, gierig des Fleisches,
480
Tief im schattigen Hain; doch ein Leu, vom Dämon gesendet,
Naht grimmvoll; es entfliehn die Schakal‘, und jener verschlingt nun:
Also dort um Odysseus, den feurigen Held voll Erfindung,
Drangen viel der Troer und Tapfere. Aber der Held schwang
Seine Lanz‘, und wehrte dem grausamen Todestage.
485
Ajas jetzo genaht, den türmenden Schild vortragend,
Trat zu ihm; und die Troer entzitterten hiehin und dorthin.
Jenen führt‘ an der Hand der streitbare Held Menelaos
Aus dem Gewühl, bis die Rosse der Wagengenoß ihm genähert.
Ajas sprang in der Troer Gedräng‘, und entraffte Doryklos,
490
Priamos‘ Nebensohn; und darauf auch den Pandokos stürzt‘ er,
Stürzte Lysandros dahin, und Pyrasos, und den Pylartes.
Wie wenn hochgeschwollen ein Strom in das Tal sich ergießet,
Strudelnd im Herbst vom Gebirg‘, indem Zeus‘ Regen ihn fortdrängt;
Viel der dorrenden Eichen alsdann, viel Kiefergehölz auch
495
Wälzt er hinab, und viel des trübenden Schlamms in die Salzflut:
Also durchtobt‘ hinstürzend das Feld der strahlende Ajas,
Bahn durch Männer sich hauend und Reisige. Aber noch hört‘ es
Hektor nicht; denn er kämpft‘ an der linken Seite des Treffens,
Längs dem Gestade des Stroms Skamandros: dort wo am meisten
500
Taumelten Häupter der Männer, und graunvoll brüllte der Schlachtruf,
Um den erhabenen Idomeneus her, und den mutigen Nestor.
Hektor schaltete dort mit den Danaern; schreckliche Taten
Übt‘ er mit Speer und Wagen, der Jünglinge Reihen verwüstend.
Dennoch wären ihm nicht Achaias Helden gewichen,
505
Hätte nicht Alexandros, der lockigen Helena Gatte,
Mitten im Streite gehemmt den Völkerhirten Machaon,
Mit dreischneidigem Pfeil ihm rechts die Schulter verwundend.
Seinethalb erschraken die mutbeseelten Achaier,
Sorgend, es möchte der Feind in gewendeter Schlacht ihn ermorden.
510
Und Idomeneus sprach zum göttlichen Nestor in Eile:
Nestor, Neleus‘ Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Hurtig, betritt dein Wagengeschirr; auch betret‘ es Machaon
Neben dir; dann zu den Schiffen gelenkt die stampfenden Rosse!
Denn ein heilender Mann ist wert wie viele zu achten,
515
Der ausschneidet den Pfeil, und mit lindernder Salbe verbindet.
Sprach’s; und ihm folgete gern der gerenische reisige Nestor;
Schnell betrat er sein Wagengeschirr; auch betrat es Machaon,
Er Asklepios‘ Sohn, des unvergleichbaren Arztes.
Treibend schwang er die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse
520
Zu den geräumigen Schiffen; denn dorthin wünschten sie herzlich.
Aber Kebriones sah der troischen Männer Getümmel,
Hektors Wagengenoß, und redete, also beginnend:
Hektor, wir beide sind hier mit Danaerscharen beschäftigt,
Fern am Ende der brüllenden Schlacht; doch die übrigen Troer
525
Tummeln dort durcheinander gewirrt, die Gespann‘ und sie selber.
Ajas durchtobt das Gewühl, der Telamonid‘; ich erkenn‘ ihn:
Denn breit ragt sein Schild an der Schulter ihm. Wenn wir denn itzo
Dorthin Ross‘ und Wagen beflügelten, wo nun am meisten
Streiter zu Fuß und zu Wagen, im schrecklichen Kampf sich begegnend,
530
Rings einander ermorden, und graunvoll brüllet der Schlachtruf!
Sprach’s, und geißelte rasch das Gespann schönmähnichter Rosse
Mit hellknallendem Schwung; doch sie, der Geißel gehorchend,
Trugen das schnelle Geschirr durch Troer dahin und Achaier,
Stampfend auf bäuchige Schild‘ und Leichname: unten besudelt
535
Troff die Achse von Blut, und die zierlichen Ränder des Sessels,
Welchen jetzt von der Hufe Gestampf anspritzten die Tropfen,
Jetzt von der Räder Beschlag. So strebte der Held in der Männer
Dichtes Gewühl, zu zerstreun, wo er stürmete! Grauses Getümmel
Bracht er dem Volk der Achaier, und rastete wenig vom Speere.
540
Aber stets durchflog er der anderen Männer Geschwader,
Mordend mit Lanz‘ und Schwert und gewaltigen Steinen des Feldes;
Ajas nur vermied er im Kampf, den Telamoniden;
Denn ihm eiferte Zeus, wann den stärkeren Mann er bekämpfte.
Zeus der Allmächtige sandte nun Furcht in die Seele des Ajas.
545
Starrend stand, und warf er den lastenden Schild auf die Schulter,
Flüchtete dann, umschauend im Männergewühl, wie ein Raubtier,
Rückwärts häufig gewandt, mit langsam wechselnden Knieen.
Wie wenn den gelblichen Leun vom verschlossenen Rindergehege
Oftmals Hund‘ abscheuchen und landbewohnende Männer,
550
Welche nicht ihm gestatten, das Fett der Rinder zu rauben,
Ganz durchwachend die Nacht; er dort, nach Fleische begierig,
Rennt grad an; doch er wütet umsonst; denn häufige Speere
Fliegen ihm weit entgegen, von mutigen Händen geschleudert,
Auch hellodernde Bränd‘; und er zuckt im stürmenden Angriff,
555
Scheidet dann frühmorgens hinweg, mit bekümmertem Herzen:
Also ging nun Ajas mit traurendem Geist von den Troern,
Sehr ungern; denn er sorgte voll Angst um der Danaer Schiffe.
Wie wenn am Feld‘ ein Esel geführt obsieget den Knaben,
Träges Gangs, auf welchem schon viel der Stecken zertrümmert;
560
Aber er frißt eindringend die tiefe Saat; und die Knaben
Schlagen umher mit Stecken; doch schwach ist die Stärke der Kinder,
Und sie vertreiben ihn kaum, nachdem er mit Fraß sich gesättigt:
Also schwärmt‘ um den Held, den Telamonier Ajas,
Mutiger Troer Gewühl und fernberufener Helfer,
565
Die auf den Schild die Lanzen ihm schmetterten, immer verfolgend.
Aber bald gedachte der Held des stürmenden Mutes,
Wieder das Antlitz gewandt, und zwang die dichten Geschwader
Reisiger Troer zurück; bald kehrt‘ er von neuem zur Flucht um.
Allen indes verwehrt‘ er den Weg zu den rüstigen Schiffen;
570
Denn er selbst, in der Troer und Danaer Mitte sich stellend,
Wütete; aber die Speere, von mutigen Händen geschleudert,
Hafteten teils anprallend im siebenhäutigen Stierschild;
Viel auch im Zwischenraume, den schönen Leib nicht erreichend,
Standen empor aus der Erde, voll Gier im Fleische zu schwelgen.
575
Als ihn Eurypylos jetzt, der glänzende Sohn des Euämon,
Schauete, dicht umdrängt vorn Ungestüm der Geschosse;
Stand er zu jenem genaht, und schwang den blinkenden Wurfspieß,
Und traf Phausias‘ Sohn, den Hirten des Volks Apisaon,
Unter der Brust in die Leber, und stracks ihm löst‘ er die Glieder.
580
Schnell dann sprang er hinzu, und raubte die Wehr von den Schultern.
Aber sobald ihn ersah der göttliche Held Alexandros,
Wie er die Waffen entzog dem Getöteten; spannt‘ er den Bogen
Gegen Eurypylos schnell, und schoß in die Lende den Pfeil ihm,
Rechts hinein; und das Rohr brach ab, und beschwert‘ ihm die Lende.
585
Schnell in der Freunde Gedräng‘ entzog er sich, meidend das Schicksal;
Und es erscholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:
Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,
Steht, die Stirne gewandt, und schirmt vor dem grausamen Tage
Ajas, der hart von Geschossen bedrängt wird! Schwerlich entrinnt er
590
Jetzt dem grimmen Getöse der Feldschlacht! Aber o stellt euch
Gegen den Feind, um Ajas, den mächtigen Telamoniden!
So der verwundete Held Eurypylos; und die Genossen
Stellten sich nah um ihn, die Schilde gelehnt an die Schultern,
Alle die Lanzen erhöht. Daher nun wandelte Ajas,
595
Stand dann zum Feinde gekehrt, da der Seinigen Schar er erreichte.
Also kämpften sie dort, gleich lodernden Feuerflammen.
Nestor indes enttrugen der Schlacht die neleischen Stuten,
Schäumend in Schweiß, und brachten den Völkerhirten Machaon.
Jenen sah und erkannte der mutige Renner Achilleus;
600
Denn er stand auf dem Hinterverdeck des gewaltigen Meerschiffs,
Schauend die Kriegsarbeit, und die tränenwerte Verfolgung.
Schnell zu seinem Genossen Patrokleus redet‘ er jetzo,
Rufend vom Schiffe daher; doch jener im Zelt es vernehmend
Kam gleich Ares hervor; dies war des Wehes Beginn ihm;
605
Eilend sprach zu jenem Menötios‘ tapferer Sprößling:
Warum rufest du mir, o Achilleus? wessen bedarfst du?
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Edler Menötiad‘, o meiner Seele Geliebter,
Bald wohl nahn, vermut‘ ich, zu meinen Knien die Achaier,
610
Anzuflehn; denn die Not umdränget sie, ganz unerträglich.
Aber o geh, Patroklos, du Göttlicher, forsche von Nestor,
Welchen verwundeten Mann er dort herführt aus dem Treffen.
Zwar von hinten erschien er Machaon ganz an Gestalt gleich,
Ihm des Asklepios Sohn; allein nicht sah ich das Antlitz,
615
Denn mir stürmten die Rosse vorbei, im geflügelten Laufe.
Jener sprach’s; und Patroklos, dem lieben Freunde gehorchend,
Eilte dahin zu den Zelten und rüstigen Schiffen Achaias.
Jene sobald sie das Zelt des Neleiaden erreichten,
Stiegen sie selbst vom Wagen zur nahrungsprossenden Erde;
620
Aber die Rosse löst‘ Eurymedon, Diener des Greises,
Von dem Geschirr. Sie aber, den Schweiß der Gewande zu kühlen,
Stellten sich gegen den Wind am luftigen Meergestade,
Gingen darauf ins Gezelt, und setzten sich nieder auf Sessel.
Weinmus mengte nun ihnen die lockige Hekamede,
625
Die aus Tenedos brachte der Greis, wie Achilleus sie einnahm,
Tochter des hochgesinnten Arsinoos, die die Achaier
Ihm erwählt, dieweil er im Rat vorragte vor allen.
Diese rückte zuerst die schöne geglättete Tafel
Mit stahlblauem Gestell vor die Könige; mitten darauf dann
630
Stand ein eherner Korb mit trunkeinladenden Zwiebeln,
Gelblicher Honig dabei, und die heilige Blume des Mehles;
Auch ein stattlicher Kelch, den der Greis mitbrachte von Pylos:
Welchen goldene Buckeln umschimmerten; aber der Henkel
Waren vier, und umher zwo pickende Tauben an jedem,
635
Schön aus Golde geformt; zwei waren auch unten der Boden.
Mühsam hob ein andrer den schweren Kelch von der Tafel,
War er voll; doch Nestor der Greis erhob ihn nur spielend.
Hierin mengte das Weib, an Gestalt den Göttinnen ähnlich,
Ihnen des pramnischen Weins, und rieb mit eherner Raspel
640
Ziegenkäse darauf, mit weißem Mehl ihn bestreuend,
Nötigte dann zu trinken vom wohlbereiteten Weinmus.
Beide, nachdem sie im Tranke den brennenden Durst sich gelöschet,
Freueten sich des Gesprächs, und redeten viel miteinander.
Jetzo stand an der Pforte Patroklos, ähnlich den Göttern.
645
Als ihn erblickte der Greis, da entsprang er dem schimmernden Sessel,
Führt‘ ihn herein an der Hand, und nötigte freundlich zum Sitze.
Doch Patroklos versagt‘ es dem Greis‘, und erwiderte also:
Nötige nicht zum Sitze, du göttlicher Greis; denn ich darf nicht.
Ehrfurcht fordert und Scheu, der mich gesendet, zu forschen,
650
Welchen Verwundeten dort du herführst. Aber ich selber
Kenn‘ ihn schon; denn ich sehe den Völkerhirten Machaon.
Jetzo, das Wort zu verkünden, enteil‘ ich zurück zum Achilleus,
Wohl ja kennest auch du, ehrwürdiger Alter, des Mannes
Heftigen Sinn, der leicht Unschuldige selber beschuldigt.
655
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Was doch kümmern so sehr Achilleus Herz die Achaier,
Welche bereits das Geschoß verwundete? Aber er weiß nicht,
Welch ein Weh sich erhub durch das Kriegsheer! Alle die Tapfern
Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße verwundet!
660
Wund von Geschoß ist Tydeus‘ Sohn, der Held Diomedes;
Wund von der Lanz‘ Odysseus der Herrliche, und Agamemnon;
Auch Eurypylos traf ein fliegender Pfeil in die Lende.
Diesen anderen bracht‘ ich selber nur jüngst aus der Feldschlacht,
Als der Senne Geschoß ihn verwundete. Aber Achilleus
665
Hegt, zwar tapfer, mit uns nicht Mitleid oder Erbarmung!
Harrt er vielleicht, bis erst die rüstigen Schiff‘ am Gestade,
Trotz der Achaiermacht, in feindlicher Flamme verlodern,
Und wir selbst hinbluten der Reihe nach? Nicht ja besteht mir
Kraft, wie vordem sie gestrebt in den leichtgebogenen Gliedern!
670
Wär‘ ich so jugendlich noch, und ungeschwächtes Vermögens,
Wie als einst der Eleier und Pylier Streit sich erhoben,
Ober den Rinderraub; da ich den Itymoneus hinwarf,
Ihn den tapferen Sohn des Hypeirochos, wohnend in Elis,
Und mir Entschädigung nahm. Er stritt, die Rinder uns wehrend;
675
Aber ihn traf im Vordergewühl mein stürmender Wurfspieß,
Daß er sank, und in Angst sein ländliches Volk sich zerstreute.
Viel und reichliche Beute gewannen wir rings aus den Feldern:
Fünfzig Herden der Rinder umher, der weidenden Schafe
Eben so viel, auch der Schweine so viel, und der streifenden Ziegen;
680
Auch der bräunlichen Rosse gewannen wir hundertundfünfzig,
Stuten all‘, und viele von saugenden Füllen begleitet.
Weg nun trieben wir jene hinein zur nelaïschen Pylos,
Nachts in die Stadt ankommend; und herzlich freute sich Neleus,
Daß mir Jünglinge schon so viel Kriegsbeute beschert war.
685
Herolde riefen nunmehr, sobald der Morgen emporstieg,
Jeden herbei, wem Schuld in der heiligen Elis gebührte.
Aber des Pyliervolks versammelte Obergebieter
Teileten aus; denn vielen gebührete Schuld von Epeiern,
Seit wir wenigen dort in Drangsal Pylos bewohnet.
690
Denn uns drängt‘ hinkommend die hohe Kraft Herakles‘
Einige Jahre zuvor, und erschlug die tapfersten Männer.
Siehe wir waren zwölf untadlige Söhne des Neleus;
Davon blieb ich allein; die anderen sanken getötet.
Drum verachteten uns die erzumschirmten Epeier,
695
Und voll Übermutes verübten sie mancherlei Frevel.
Draus nun wählte der Greis sich eine Herde der Rinder,
Eine von Schafen gedrängt, drei Hunderte samt den Hirten;
Weil auch ihm viel Schuld in der heiligen Elis gebührte:
Vier siegprangende Rosse zusamt dem Wagengeschirre,
700
Zum Wettrennen gesandt; denn ein Dreifuß war zur Belohnung
Aufgestellt; da behielt der Völkerfürst Augeias
Jene zurück, und entsandte den traurenden Wagenlenker.
So zum Zorne gereizt durch Wort‘ und Taten des Frevels,
Wählte sich vieles der Greis; das übrige gab er dem Volke,
705
Gleichgeteilt, daß keiner ihm leer der Beute hinwegging.
Wir vollendeten nun ein jegliches, und um die Stadt her
Weihten wir Opfer des Danks. Doch schnell am dritten der Tage
Kamen die Feind‘ unzählbar, sie selbst und stampfende Rosse,
Alle geschart; auch kamen die zween Molionen gerüstet,
710
Kinder annoch, und wenig geübt zum herzhaften Angriff.
Eine Stadt Thryoessa erhebt sich auf felsichtem Hügel,
Fern an Alpheios‘ Strom, die heilige Elis begrenzend:
Diese bekämpfte der Feind, sie auszutilgen verlangend.
Doch wie sie ganz das Gefild umschwärmeten, kam uns Athene
715
Schnell als Botin daher vom Olympos, uns zu bewaffnen,
Nachts; und nicht unwillig erhuben sich Pylos‘ Bewohner,
Sondern mit freudigem Mut zu der Feldschlacht. Mir nur verwehrte
Neleus, mitzugehn in den Streit, und barg mir die Rosse;
Denn noch wähnt‘ er mich nicht zu Kriegsarbeiten gewitzigt.
720
Dennoch strahlt‘ ich hervor in unserer Reisigen Scharen,
Ohne Gespann, auch zu Fuß; so trieb in den Kampf mich Athene.
Aber es rollt ein Strom Minyeïos nieder zur Salzflut,
Dicht an Aren‘: hier harreten wir der heiligen Frühe,
Pylos‘ reisige Schar; und daher floß Menge des Fußvolks.
725
Drauf mit gesamter Macht in wohlgerüstetem Heerzug
Kamen wir mittags hin zum heiligen Strom Alpheios.
Allda brachten wir Zeus dem Allmächtigen prangende Opfer,
Einen Stier dem Alpheios, und einen Stier dem Poseidon,
Eine Kuh von der Herde für Zeus‘ blauäugige Tochter;
730
Nahmen die Abendkost durch das Kriegsheer, Haufen bei Haufen,
Legten uns dann zur Ruh, in eigener Rüstung ein jeder,
Längs dem Ufer des Stroms. Die hochgesinnten Epeier
Standen bereits um die Stadt, sie hinwegzutilgen verlangend;
Aber sie fanden zuvor des Ares schreckliche Arbeit.
735
Denn als leuchtend die Sonn‘ emporstieg über die Erde,
Rannten wir an zum Gefecht, und fleheten Zeus und Athenen.
Als nun die Schlacht anhub der Pylier und der Epeier,
Rafft‘ ich den ersten der Feind‘, und nahm die stampfenden Rosse,
Mulios, kühn und gewandt, der ein Eidam war des Augeias,
740
Seiner ältesten Tochter vermählt, Agamede der blonden,
Die Heilkräuter verstand, so viel rings nähret die Erde.
Ihn, wie er gegen mich kam, mit eherner Lanze durchbohrt‘ ich;
Und er entsank in den Staub; und ich, in den Sessel mich schwingend,
Stand nun im Vordergewühl. Die hochgesinnten Epeier
745
Zitterten ängstlich umher, da den Mann hinfallen sie sahen,
Ihn der, führend den reisigen Zeug, vorstrebt‘ in der Feldschlacht.
Aber ich stürmt‘ in die Feinde, dem dunkelen Donnerorkan gleich;
Fünfzig gewann ich der Wagen, und zween Kriegsmänner um jeden
Knirschten den Staub mit den Zähnen, von meiner Lanze gebändigt.
750
Aktors Söhn‘ auch hätt‘ ich gestreckt, die zween Molionen,
Hätte nicht ihr Vater, der Erderschüttrer Poseidon,
Schnell dem Gefecht sie entrückt, ringsher in Nebel sie hüllend.
Jetzo gewährete Zeus den Pyliern herrliche Siegsmacht.
Denn stets folgeten wir durch schildbestreuete Felder,
755
Niederhauend den Feind, und stattliche Rüstungen sammelnd,
Bis wir zum Weizengefilde Buprasion trieben die Rosse,
Und zum olenischen Fels, und wo Alesions Hügel
Wird genannt, wo zurück uns wendete Pallas Athene.
Dort verließ ich den letzten Erschlagenen; und die Achaier
760
Lenkten das schnelle Gespann von Buprasion wieder gen Pylos,
Preisend mit Dank von den Himmlischen Zeus, von den Sterblichen Nestor.
So war ich, ja ich war’s! in der Feldschlacht! Aber Achilleus
Hegt der Tugend Genuß sich allein nur! Wahrlich mit Tränen
Wird er hinfort es bejammern, nachdem das Volk uns vertilgt ist!
765
Ach mein Freund, wohl hat dich Menötios also ermahnet,
Jenes Tags, da aus Pytia zu Atreus‘ Sohn er dich sandte.
Denn wir beide darinnen, ich selbst und der edle Odysseus,
Höreten all‘ im Gemach die Ermahnungen, die er dir mitgab.
Siehe wir kamen dahin zu Peleus‘ schönem Palaste,
770
Völker umher versammelnd im fruchtbaren Land Achaias;
Und wir fanden den Held Menötios dort im Palaste,
Dich und Achilleus zugleich. Der alte reisige Peleus
Brannte dem Donnerer Zeus die fetten Schenkel des Stieres
In dem umschlossenen Hof, und hielt den goldenen Becher,
775
Sprengend den funkelnden Wein in die heilige Flamme des Opfers.
Ihr bereitetet beide das Stierfleisch. Jetzo erschienen
Wir an der Pforte des Hofs; bestürzt nun erhub sich Achilleus,
Führt‘ uns herein an der Hand, und nötigte freundlich zum Sitze,
Wohl dann bewirtet‘ er uns, nach heiliger Sitte des Gastrechts.
780
Aber nachdem wir der Kost uns gesättiget und des Getränkes,
Jetzo begann ich die Red‘, euch mitzugehen ermahnend;
Ihr auch wolltet es gern, und viel euch geboten die Väter.
Peleus der graue Held ermahnete seinen Achilleus,
Immer der Erste zu sein, und vorzustreben vor andern.
785
Aber dich ermahnte Menötios, Aktors Erzeugter:
Lieber Sohn, an Geburt ist zwar erhabner Achilleus,
Älter dafür bist du; doch ihm ward größere Stärke;
Aber du hilf ihm treulich mit Rat und kluger Erinnrung,
Und sei Lenker dem Freund‘; er folgt dir gerne zum Guten.
790
Also ermahnte der Greis; du vergaßest es. Aber auch jetzt noch
Sage dies Achilleus dem Feurigen, ob er gehorche.
Denn wer weiß, ob vielleicht durch göttliche Hilf‘ ihn beweget
Dein Zuspruch! Gut immer ist redliche Warnung des Freundes.
Aber wofern im Herzen ein Götterspruch ihn erschrecket,
795
Und ihm Worte von Zeus die göttliche Mutter gemeldet;
Send‘ er zum wenigsten dich, und der Myrmidonen Geschwader
Folge zugleich, ob du etwa ein Licht der Danaer werdest.
Dir auch geb‘ er das Waffengeschmeid‘ im Kampfe zu tragen,
Ob dich für ihn ansehend vielleicht vom Kampfe die Troer
800
Abstehn, und sich erholen die kriegrischen Männer Achaias
Ihrer Angst; wie klein sie auch sei die Erholung des Krieges.
Leicht auch könnt ihr, noch frisch, die ermüdeten Männer im Angriff
Rückwärts drängen zur Stadt, von den Schiffen hinweg und Gezelten.
Also der Greis, und jenem das Herz im Busen bewegt‘ er.
805
Schnell durchlief er die Schiffe zum Äakiden Achilleus.
Aber nachdem zu den Schiffen des göttergleichen Odysseus
Laufend Patroklos genaht, wo der Volkskreis und der Gerichtplatz
War, wo rings auch Altäre, gebaut den unsterblichen Göttern;
Traf er Eurypylos dort, den glänzenden Sohn des Euämon,
810
Welcher hart verwundet daher, mit dem Pfeil in der Lende,
Mühsam hinkt‘ aus der Schlacht; herab ihm strömte der Angstschweiß
Häufig von Schulter und Haupt, und hervor aus der schmerzenden Wunde
Rieselte schwarzes Blut; doch blieb ihm die Stärke des Geistes.
Mitleidsvoll erblickt‘ ihn Menötios‘ tapferer Sprößling;
815
Und er begann wehklagend, und sprach die geflügelten Worte:
Weh euch, weh! der Achaier erhabene Fürsten und Pfleger!
Solltet ihr so, den Freunden entfernt und dem Vatergefilde,
Nähren mit weißem Fett in Troja hurtige Hunde?
Aber verkündige mir, Eurypylos, göttlicher Kämpfer:
820
Ob noch bestehn die Achaier dem übergewaltigen Hektor,
Oder bereits hinsinken, von seiner Lanze gebändigt?
Und der verständige Sohn des Euämon sagte dagegen:
Nichts mehr, göttlicher Held Patrokleus, schafft den Achaiern
Heil; bald werden sie all‘ um die dunkelen Schiffe gestreckt sein!
825
Denn sie alle bereits, die vordem die tapfersten waren,
Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße verwundet,
Unter der Hand der Troer, die stets anwachsen an Stärke!
Aber errette du mich, zum dunkelen Schiffe mich führend;
Schneid‘ aus der Lende den Pfeil, und rein mit laulichem Wasser
830
Wasche das schwärzliche Blut; auch lege mir lindernde Salb‘ auf,
Heilsame, welche du selbst von Achilleus, sagt man, gelernet,
Ihm, den Cheiron gelehrt, der gerechteste aller Kentauren.
Denn die Ärzte des Heers, Podaleirios und Machaon:
Einer wird im Gezelt an seiner Wunde, vermut‘ ich,
835
Selber anjetzt bedürftig des wohlerfahrenen Arztes,
Liegen; der andr‘ im Gefilde besteht die wütende Schlacht noch.
Ihm antwortete drauf Menötios‘ tapferer Sprößling:
Wie kann solches geschehn? was machen wir, Sohn des Euämon?
Eilend muß ich Achilleus dem Feurigen melden die Botschaft,
840
Welche mir Nestor befahl, der gerenische Hort der Achaier.
Dennoch werd‘ ich nimmer dich hier verlassen im Schmerze!
Sprach’s und unter der Brust den Völkerhirten umfassend
Führt‘ er ins Zelt; ein Genoß dort breitete Felle der Stier‘ aus.
Hierauf streckt‘ ihn der Held, und schnitt mit dem Messer den scharfen
845
Schmerzenden Pfeil aus der Lend‘; auch rein mit laulichem Wasser
Wusch er das schwärzliche Blut; dann streut‘ er bittere Wurzel
Drauf, mit den Händen zermalmt, die lindernde, welche die Schmerzen
Alle bezwang; und es stockte das Blut in erharschender Wunde.

Zehnter Gesang

Zehnter Gesang

Der schlaflose Agamemnon und Menelaos wecken die Fürsten. Sie sehn nach der Wache, und besprechen sich am Graben. Diomedes und Odysseus, auf Kundschaft ausgehend, ergreifen und töte den Dolon, welchen Hektor zum Spähen gesandt. Von ihm belehrt, töten sie im troischen Lager den neugekommenen Rhesos mit zwölf Thrakiern, und entführen des Rhesos‘ Rosse.

Alle sonst bei den Schiffen, die edleren Helden Achaias,
Schliefen die ganze Nacht, von sanftem Schlummer gefesselt;
Nur nicht Atreus‘ Sohne, dem Hirten des Volks Agamemnon,
Nahte der süße Schlaf, da vieles im Geist er bewegte.
5
Wie wenn der Donnerer blitzt, der Gemahl der lockigen Here,
Vielen Regen bereitend, unendlichen, oder auch Hagel,
Oder ein Schneegestöber, das weiß die Gefilde bedecket,
Oder des Kriegs weit offenen Schlund, des bitteren Unheils:
So vielfältig erseufzt im Innersten nun Agamemnon
10
Tief aus dem Herzen empor, und Angst durchbebte die Brust ihm.
Siehe so oft er das Feld, das troische, weit umschaute;
Staunt‘ er über die Feuer, wie viel vor Ilios brannten,
Über der Flöten und Pfeifen Getön, und der Menschen Getümmel.
Aber so oft zu den Schiffen er sah und dem Volk der Achaier;
15
Viel alsdann aus dem Haupt mit den Wurzeln rauft‘ er sich Haare,
Hoch aufflehend zu Zeus; und das edele Herz ihm durchdrang Weh.
Dieser Gedank‘ erschien dem Zweifelnden endlich der beste:
Erst zu Nestor zu gehn, dem neleiadischen König;
Ob er mit jenem vielleicht unsträflichen Rat aussönne,
20
Welcher das Bös‘ abwehrte von allem Volk der Achaier.
Aufrecht nun umhüllt‘ er die Brust mit wolligem Leibrock;
Unter die glänzenden Füß‘ auch band er sich stattliche Sohlen;
Warf dann das blutige Fell des gewaltigen Leun um die Schultern,
Falb und groß, das die Knöchel erreicht‘; und faßte die Lanze.
25
So auch war Menelaos in bebender Angst, und niemals
Ruht‘ ihm Schlaf auf den Augen, dem Sinnenden, was doch verhängt sei
Argos‘ tapferem Volk, das um ihn durch weites Gewässer
Kam in der Troer Gefild‘, unverdrossenem Streite sich bietend.
Erst nun ein Pardelvlies um den breiten Rücken sich hüllt‘ er,
30
Zottig und buntgefleckt; dann barg er das Haupt in des Helmes
Ehernen Schirm, und faßte den Speer mit nervichter Rechte,
Schnell dann ging er zu wecken den herrschenden Bruder, der mächtig
Allen Achaiern gebot, wie ein Gott im Volke geehret.
Ihn nun fand er, die Schultern mit strahlender Rüstung sich deckend,
35
Hinten am dunkelen Schiff, und herzlich erwünscht ihm erschien er.
Jetzo begann zuerst der Rufer im Streit Menelaos:
Warum wappnest du dich, mein Älterer? Soll zu den Troern
Dir hingehen ein Freund zu erkundigen? Aber ich fürchte
Sehr im Geist, daß keiner zu solcher Tat sich erbiete,
40
Hin zum feindlichen Heer als Spähender einsam zu wandeln
Durch die ambrosische Nacht; der müßt‘ ein entschlossener Mann sein!
Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon:
Rat bedürfen wir beide, du Göttlicher, o Menelaos,
Wohl ersonnenen Rat, der Sicherheit schaff‘ und Errettung
45
Argos‘ Volk‘ und den Schiffen; dieweil Zeus‘ Herz sich gewandt hat.
Wahrlich zu Hektors Opfer hat mehr sein Herz er geneiget!
Denn nie sah ich vordem, noch höret‘ ich je erzählen,
Daß der Wunder so viel ein Mann am Tage vollendet,
Als nun Hektor getan, Zeus‘ Liebling, am Volk der Achaier,
50
Selber für sich, obzwar nicht Gott ihn zeugte noch Göttin.
Aber er tat, des wahrlich mit Schmerz die Argeier gedenken,
Spät und lange hinfort: so häuft‘ er das Weh den Achaiern!
Eile mir, Ajas nun und Idomeneus herzurufen,
Hurtiges Laufs zu den Schiffen: weil ich zum göttlichen Nestor
55
Wandl‘ und aufzustehn ihn ermuntere; ob er geneigt sei,
Hin zur heiligen Schar der Wächter zu gehn, und zu ordnen.
Ihm gehorchen sie wohl am freudigsten; denn sein Sohn ist
Führer der Hut mit Meriones dort, des kretischen Königs
Waffenfreund; denn diesen vertraueten wir sie am meisten.
60
Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Menelaos:
Was denn ist dein Will‘, und die Absicht deines Gebotes?
Bleib‘ ich dort mit jenen, und warte dein, bis du hinkommst?
Oder lauf‘ ich dir nach, sobald ich’s jenen verkündigt?
Wiederum antwortete drauf Agamemnon der Herrscher:
65
Bleibe dort; vielleicht verfehlten wir sonst einander
Irrend in Nacht; denn viel durchkreuzen ja Wege das Lager.
Rufe, wohin du gehst, und ermuntere rings zu wachen,
Jeglichen Mann nach Geschlecht mit Vaternamen benennend,
Jeglichem Ehr‘ erweisend; und nicht erhebe dich vornehm.
70
Laß uns vielmehr arbeiten wie andere! Also verhängt‘ es
Zeus bei unsrer Geburt, dies lastende Weh uns bereitend!
Jener sprach’s, und entsandte den wohl ermahneten Bruder;
Eilete dann, um Nestor den Völkerhirten zu wecken.
Diesen fand er dort am Gezelt und dunkelen Schiffe,
75
Ruhend im weichen Bett‘; und neben ihm prangte die Rüstung:
Schild, und strahlender Helm, und zwo erzblinkende Lanzen;
Neben ihm prangt‘ auch der Gurt, der künstliche, welcher den Alten
Gürtete, wann zur mordenden Schlacht er gewappnet einherzog,
Führend das Volk; denn erachtete nicht des traurigen Alters.
80
Jetzo erhob er das Haupt, auf den Ellenbogen sich stützend,
Rief dem Atreiden zu, und fragt‘ ihn, also beginnend:
Wer bist du, der einsam des Lagers Schiffe durchwandelt,
Jetzt in der finsteren Nacht, da andere Sterbliche schlafen?
Ob du einen der Freund‘ umhersuchst, oder ein Maultier?
85
Red‘, und nahe mir nicht, ein Schweigender! Wessen bedarfst du?
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
Nestor, Neleus‘ Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Kenne doch Atreus‘ Sohn Agamemnon, welchen vor allen
Zeus in unendlichen Jammer versenkt hat, weil mir der Atem
90
Meinen Busen noch hebt, und Kraft in den Knieen sich reget.
So nun irr‘ ich, dieweil kein ruhiger Schlaf mir die Augen
Zuschließt, sondern der Krieg und die Not der Achaier mich kümmert.
Denn ich sorge mit Angst um die Danaer; hin ist der feste
Mut, und alle Besinnung dahin; es entfliegt aus dem Busen
95
Mir das klopfende Herz, und es zittern mir unten die Glieder!
Aber sinnst du auf Tat, da auch dir nicht nahet der Schlummer;
Laß zu den Hütern nunmehr uns hinabgehn, daß wir erkennen,
Ob sie vielleicht, entkräftet von Kriegsarbeit und Ermüdung,
Sich zum Schlummer gelegt, und ganz der Wache vergessen.
100
Denn das feindliche Heer ist nah uns; keiner ja weiß es,
Ob nicht selbst in der Nacht sie anzugreifen beschließen.
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Nie wird doch dem Hektor ein jeglicher Wunsch von Kronion
105
Gänzlich erfüllt, den er jetzt sich erträumete, sondern ihn, hoff‘ ich,
Drängen der Sorgen hinfort noch mehrere, wenn nur Achilleus
Von dem verderblichen Zorn die erhabene Seele gewendet.
Gern begleit‘ ich dich nun; doch laß uns auch andere wecken:
Tydeus‘ Sohn, den Schwinger des Speers, und den edlen Odysseus,
110
Ajas den Schnellen zugleich, und Phyleus‘ tapferen Sprößling.
Wenn auch einer geschwind‘ hinwandelte, jene zu rufen,
Ajas, Telamons Sohn, und Idomeneus, Kretas Beherrscher;
Deren Schiffe ja stehn am fernesten, nicht in der Nähe.
Aber ihn, den geliebten und edlen Freund Menelaos,
115
Schelt‘ ich fürwahr, und wiewohl du mir eifertest, nimmer verberg‘ ich’s,
Daß er schläft, und allein dir zugewendet die Arbeit.
Ziemt‘ es ihm doch, arbeitend die sämtlichen Fürsten Achaias
Anzuflehn; denn die Not umdrängt uns, ganz unerträglich!
Wiederum antwortete drauf Agamemnon der Herrscher:
120
Greis, zu anderer Zeit verstatt‘ ich dir, jenen zu tadeln;
Denn oft säumt mein Bruder, und geht ungern an die Arbeit,
Nicht von Trägheit besiegt, noch Unverstande des Geistes,
Sondern auf mich herschauend, und mein Beginnen erwartend.
Doch nun wacht‘ er früher vom Schlaf, und besuchte mich selber;
125
Und ich sandt‘ ihn umher, daß er forderte, welche du wünschest.
Gehen wir denn! sie finden wir sicherlich dort bei den Hütern
Außer dem Tor, wo ich ihnen bedeutete sich zu versammeln.
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
So wird kein Achaier hinfort ihm zürnen, noch ungern
130
Folgen, sobald er einen zur Arbeit treibt und ermuntert.
Dieses gesagt, umhüllt‘ er die Brust mit wolligem Leibrock:
Unter die glänzenden Füß‘ auch band er sich stattliche Sohlen;
Um sich schnallt‘ er darauf den purpurschimmernden Mantel,
Doppelt, und weitgefaltet, umblüht von der Wolle Gekräusel;
135
Nahm auch die mächtige Lanze, gespitzt mit der Schärfe des Erzes;
Eilte dann längs den Schiffen der erzumschirmten Achaier.
Jetzo zuerst den Odysseus, an Ratschluß gleich dem Kronion,
Weckte der Greis aus dem Schlaf, der gerenische reisige Nestor,
Lautes Rufs; doch jenem erscholl zum Herzen die Stimme;
140
Und er kam aus dem Zelt, und sprach zu ihnen die Worte:
Warum irrt ihr so einsam, des Lagers Schiffe durchwandelnd,
Durch die ambrosische Nacht? Was doch für Not, die euch antreibt?
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Edler Laertiad‘, erfindungsreicher Odysseus,
145
Zürne nicht; denn große Bekümmernis drängt die Achaier.
Komm denn, und wecke mit uns noch andere, welchen es ziemet,
Heilsamen Rat zu raten, der Heimkehr, oder des Kampfes.
Jener sprach’s; da eilt‘ ins Gezelt der weise Odysseus,
Warf den prangenden Schild um die Schulter sich, folgte dann jenen.
150
Schnell nun kamen sie hin, wo Tydeus‘ Sohn Diomedes
Draußen lag am Gezelt mit den Rüstungen; auch die Genossen
Schliefen umher, auf den Schilden das Haupt; und jegliches Lanze
Ragt‘ auf des Schaftes Spitz‘ emporgerichtet, und fernhin
Strahlte das Erz, wie die Blitze des Donnerers. Aber der Held selbst
155
Schlummerte, hingestreckt auf die Haut des geweideten Stieres;
Auch war unter dem Haupt ein schimmernder Teppich gebreitet.
Nahend weckt‘ ihn vom Schlaf der gerenische reisige Nestor,
Rührend den Fuß mit der Fers‘, und ermuntert‘ ihn, scheltend ins Antlitz:
Wache doch, Tydeus Sohn! Was schlummerst du ruhig die Nacht durch?
160
Hörtest du nicht, wie die Troer sich dort auf dem Hügel des Feldes
Lagerten, nahe den Schiffen, und weniger Raum sie entfernet?
Also der Greis; doch schleunig erstand aus dem Schlaf Diomedes;
Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:
Allzu emsiger Greis, du ruhst auch nimmer von Arbeit!
165
Sind nicht andere noch und jüngere Männer Achaias,
Welchen es mehr obläge, der Könige jeden zu wecken,
Rings durchwandelnd das Heer? Du übertreibst es, o Alter!
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Wahrlich, o Freund, du hast wohlziemende Worte geredet.
170
Selber hab‘ ich ja Söhn‘ und treffliche, hab‘ auch der Völker
Sonst genug, daß mir einer umhergehn könnte zu rufen.
Aber viel zu große Bekümmernis drängt die Achaier!
Denn nun steht es allein fürwahr auf der Schärfe des Messers:
Schmählicher Untergang den Achaiern, oder auch Leben!
175
Auf denn, Ajas den Schnellen, und Phyleus‘ tapferen Sprößling
Wecke vom Schlaf, du bist ja der jüngere, daurt dich mein Alter.
Sprach’s; und sogleich warf jener das Löwenfell um die Schultern,
Falb und groß, das die Knöchel erreicht‘, und faßte die Lanze;
Hin dann eilte der Held, und erweckt‘ und brachte die andern.
180
Als sie nunmehr der Hüter versammelte Scharen erreichten,
Fanden sie auch nicht schlafen die edelen Führer der Scharen;
Sondern munter und wach mit den Rüstungen saßen sie alle.
So wie die Hund‘ unruhig die Schaf‘ im Gehege bewachen,
Hörend das Wutgebrüll des Untiers, das aus der Waldung
185
Herkommt durch das Gebirg‘, umtönt von lautem Getümmel
Treibender Männer und Hund‘; entflohn ist ihnen der Schlummer:
Also entfloh auch jenen der süße Schlaf von den Wimpern,
Welche die Nacht durchwachten, die schreckliche, stets nach dem Felde
Hingewandt, ob sie etwa die kommenden Troer vernähmen.
190
Diese sah mit Freude der Greis, und redete Stärkung;
Und er begann zu ihnen, und sprach die geflügelten Worte:
Recht so, trauteste Kinder, seid wachsam; keinen besiege
Nun der Schlaf. daß nicht zur Freude wir werden den Feinden!
Jener sprach’s; und den Graben durcheilet er; aber ihm folgten
195
Argos‘ Könige nach, so viel zum Rat sich versammelt.
Auch Meriones folgt‘, und Nestors edler Erzeugter,
Ihnen zugleich; denn sie selber beriefen sie mit zur Beratung.
Jetzt nachdem sie den Graben durchwandelten, setzten sich alle,
Wo noch rein das Gefild‘ aus umliegenden Leichen hervorschien;
200
Dort wo der stürmende Hektor sich wendete von der Argeier
Blutigem Mord‘, als schon die finstere Nacht sie umhüllte:
Dort nun setzten sich jen‘, und redeten untereinander.
Also begann das Gespräch der gerenische reisige Nestor:
Freund‘, o möcht nicht jetzt ein Mann vertrauen der Kühnheit
205
Seines entschlossenen Muts, zu den edelmütigen Troern
Hinzugehn? ob er einen der äußersten etwa erhaschte,
Oder vielleicht ein Gespräch der feindlichen Männer behorchte,
Was sie jetzo im Rat abredeten: ob sie gedenken,
Fern allhier zu bleiben von Ilios, oder zur Stadt nun
210
Heim von den Schiffen zu kehren, nachdem sie besiegt die Achaier.
Dieses erforscht‘ er alles vielleicht, und kehrte zu uns dann
Unverletzt; groß wäre der Ruhm ihm unter dem Himmel
Rings in der Menschen Geschlecht, auch lohnten ihm edle Geschenke.
Denn so viel den Schiffen umher gebieten der Herrscher,
215
Deren sollt‘ ein jeder ein schwarzes Schaf ihm verehren,
Samt dem saugenden Lamm; kein Eigentum wär‘ ihm vergleichbar;
Auch zu jeglichem Fest und Gastmahl würd‘ er geladen.
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen.
Jetzo begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
220
Nestor, mich reizt mein Mut und das Herz voll freudiger Kühnheit,
Einzugehn in das Heer der nahe gelagerten Troer.
Doch wenn ein anderer Mann zugleich mir folgte; dann wäre
Mehr der Zuversicht, und des unerschrockenen Mutes.
Wo zween wandeln zugleich, da bemerkt der ein‘ und der andre
225
Schneller, was heilsam sei; doch der einzelne, ob er bemerket,
Ist doch langsamer stets sein Sinn, und schwach die Entschließung.
Jener sprach’s; und viel‘ erboten sich schnell dem Tydeiden:
Willig waren die Ajas zugleich, die Genossen des Ares;
Willig Meriones auch, sehr willig der Sohn des Nestor,
230
Willig der Atreione, der Schwinger des Speers Menelaos;
Willig war auch Odysseus, der Duldende, unter die Troer
Einzugehn; denn er trug ein wagendes Herz in dem Busen.
Jetzo begann vor ihnen der Völkerfürst Agamemnon:
Tydeus‘ Sohn Diomedes, du meiner Seele Geliebter,
235
Selbst nunmehr zum Genossen erwähle dir, welchen du wünschest,
Aller umher den besten, dieweil so viele bereit sind.
Doch nicht täusche das Herz die Ehrfurcht, daß du den bessern
Übergehst, und den schlechtern aus blöder Scheu dir gesellest,
Schauend auf edleren Stamm, und wer erhabner an Macht sei.
240
Jener sprach’s; denn er sorgt‘ um den bräunlichen Held Menelaos.
Jetzo begann von neuem der Rufer im Streit Diomedes:
Wenn ihr nun den Genossen mir selbst zu wählen gebietet,
Wie vergäße doch ich des göttergleichen Odysseus?
Dem so entschlossen der Mut und das Herz voll freudiger Kühnheit
245
Ragt in jeder Gefahr; denn es liebt ihn Pallas Athene.
Wenn mich dieser begleitet, sogar aus flammendem Feuer
Kehrten wir beide zurück; weil keiner ihm gleicht an Erfindung.
Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Tydeus‘ Sohn, nicht darfst du so sehr mich rühmen, noch tadeln;
250
Denn vor kundigen Männern von Argos redest du solches.
Gehen wir denn! schnell eilet die Nacht, und nah ist der Morgen.
Weit schon rückten die Stern‘, und das Meiste der Nacht ist vergangen.
Um zwo Teile bereits; nur der dritte Teil ist noch übrig.
Dieses gesagt, verhüllten sich beid‘ in schreckliche Rüstung.
255
Tydeus‘ Sohne nun gab der streitbare Held Thrasymedes
Sein zweischneidiges Schwert; denn das eigene blieb bei den Schiffen;
Auch den Schild; und bedeckt‘ ihm das Haupt mit dem Helme von Stierhaut
Sonder Kegel und Busch, der auch Sturmhaube genannt wird,
Und ohn‘ Erz die Scheitel der blühenden Jünglinge schirmet.
260
Aber Meriones gab dem Odysseus Bogen und Köcher,
Samt dem Schwert; und bedeckte des Königes Haupt mit dem Helme,
Auch aus Leder geformt: inwendig mit häufigen Riemen
Wölbt‘ er sich, straff durchspannt; und auswärts schienen die Hauer
Vom weißzahnigen Schwein, und starreten hiehin und dorthin,
265
Schön und künstlich gereiht; und ein Filz war drinnen befestigt.
Einst aus Eleon hatt‘ Autolykos diesen erbeutet,
Stürmend den festen Palast des Hormeniden Amyntor;
Jener gab dem Kytherer Amphidamas ihn gen Skandeia;
Aber Amphidamas gab zum Gastgeschenk ihn dem Molos;
270
Dieser gab ihn Meriones drauf dem Sohne zu tragen;
Und nun barg er umher Odysseus‘ Haupt zur Beschützung.
Jetzo nachdem sich beid‘ in schreckliche Rüstung gehüllet,
Eilten sie hin, und verließen die edelen Helden Achaias.
Ihnen naht‘ ein Reiher, gesandt von Pallas Athene,
275
Rechtsher fliegend am Weg‘; ihn sahen sie nicht mit den Augen
Durch die finstere Nacht, nur ward sein Tönen gehöret.
Freudig vernahm Odysseus den Flug, und rief zu Athene:
Höre mich, Tochter Zeus‘ des Donnerers, die du beständig
Mich in allen Gefahren verteidigest, und, wo ich hingeh‘,
280
Meiner gedenkst; auch jetzo gewähre mir Lieb‘, o Athene!
Laß uns wohl zu den Schiffen und ruhmvoll wieder gelangen,
Täter erhabener Tat, die Kummer schaffe den Troern!
Ihm zunächst auch flehte der Rufer im Streit Diomedes:
Höre du jetzt auch mich, o Zeus‘ unbezwungene Tochter!
285
Folge mir, wie du dem Vater gefolgt, dem göttlichen Tydeus,
Als er gen Thebe ging, ein Gesendeter von den Achaiern.
Jen‘ am Asopos verlassend, die erzumschirmten Achaier,
Bracht‘ er freundliche Worte den kriegrischen Kadmeionen
Dorthin; doch umkehrend vollendet‘ er schreckliche Taten,
290
Mit dir, heilige Göttin, da ihm willfährig du beistandst.
So nun wollest du mir auch beistehn und mich behüten!
Dir gelob‘ ich ein jähriges Rind, breitstirnig und fehllos,
Ungezähmt, das nimmer ein Mann zum Joche gebändigt:
Dieses gelob‘ ich zum Opfer, mit Gold die Hörner umziehend.
295
Also flehten sie dort; sie hörete Pallas Athene.
Drauf nachdem sie gefleht zu Zeus‘ des Allmächtigen Tochter;
Gingen sie schnell, zween Löwen an Mut, im nächtlichen Dunkel,
Hin durch Mord, durch Leichen, durch Rüstungen hin, und Schlachtblut
Auch nicht ließ dort Hektor die edelmütigen Troer
300
Ausruhn, sondern berief die Edelsten nun zur Versammlung,
Alle des troischen Volks erhabene Fürsten und Pfleger.
Als sich jene gesetzt, entwarf er die weise Beratung:
Wer doch möchte die Tat mir übernehmend gewähren,
Um ein großes Geschenk, das ihm zum Lohne genug sei?
305
Einen Wagen ihm geb‘ ich, und zween hochwiehernde Rosse,
Welche die edelsten sein bei den rüstigen Schiffen Achaias:
Wer auch immer es wagt, und selbst den Ruhm sich erstrebet,
Hinzugehn zu den Schiffen der Danaer, und zu erforschen:
Ob sie stets noch bewachen die rüstigen Schiffe, wie vormals;
310
Oder ob sie vielleicht, von unseren Händen bezähmet,
Schon die Flucht miteinander beschleunigen, und sich enthalten,
Nächtliche Hut zu versehn, entnervt von der schrecklichen Arbeit.
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen.
Aber im troischen Volk war Dolon, Sohn des Eumedes,
315
Eines göttlichen Herolds, an Golde reich und an Erze;
Zwar ein häßlicher Mann von Gestalt, doch ein hurtiger Läufer,
Und der einzige Sohn mit fünf aufwachsenden Schwestern.
Dieser begann hintretend im Rat der Troer zu Hektor:
Hektor, mich reizt mein Mut, und das Herz voll freudiger Kühnheit,
320
Hinzugehn zu den Schiffen der Danaer, und zu erforschen.
Aber wohlan, den Scepter erhebe mir, heilig beschwörend,
Daß du jenes Gespann, und den erzumschimmerten Wagen,
Schenken mir willst, das ihn trägt, den untadligen Peleionen.
Nicht umsonst auch werd‘ ich dir spähn, noch gegen Erwartung.
325
Denn so weit ihr Lager durchwander‘ ich, bis ich erreiche
Selbst Agamemnons Schiff, wo vielleicht sein werden die Fürsten,
Heilsamen Rat zu raten, der Heimkehr, oder des Kampfes.
Jener sprach’s; doch Hektor erhub den Scepter, und schwur ihm:
Höre den Schwur Zeus selber, der donnernde Gatte der Here!
330
Nie soll jenes Gespann ein anderer lenken der Troer;
Sondern dir verheiß‘ ich daherzuprangen beständig!
Also der Held, und beschwur Meineid, und reizete jenen.
Eilend hängt‘ er darauf das krumme Geschoß um die Schulter,
Hüllete dann sich umher ein graugezotteltes Wolfsfell,
335
Fügte den Otterhelm auf das Haupt, und faßte den Wurfspieß,
Eilete dann zu den Schiffen der Danaer. Aber ihm ward nicht
Wiederkehr von den Schiffen, um Hektorn Kunde zu bringen.
Als er nunmehr verlassen der Ross‘ und der Männer Getümmel,
Ging er den Weg mit Begier. Allein der edle Odysseus
340
Merkte des Nahenden Gang, und sprach zum Sohne des Tydeus:
Siehe doch, Diomedes, da kommt ein Mann aus dem Lager!
Will er vielleicht auskundend zu unseren Schiffen herannahn,
Oder einen berauben der Leichname hier auf dem Schlachtfeld?
Aber wir lassen ihn erst vorübergehn im Gefilde
345
Wenig; und dann verfolgen wir ihn, und erhaschen den Flüchtling
Eilendes Laufs. Doch wenn er zuvor uns rennt mit den Füßen;
Immer dann zu den Schiffen vom Lager hinweg ihn gescheuchet,
Mit anstürmendem Speer, daß nicht zur Stadt er entrinne.
Also besprachen sich beid‘, und bargen sich außer dem Wege,
350
Unter den Toten geschmiegt; und vorbei lief jener bedachtlos.
Als er so weit sich entfernt, wie ein Joch Maultier‘ an des Ackers
Ende gewinnt; denn sie gehn vor langsam folgenden Stieren,
Mutig die Brach‘ entlang mit starkem Pflug zu durchfurchen:
Schnell nun liefen sie nach; und er stand, das Getöse vernehmend;
355
Denn er vermutet‘ im Geist, zurück berufende Freunde
Kämen aus Trojas Volk, ihm nachgesendet von Hektor.
Aber so weit nur entfernt, wie ein Speerwurf, oder noch minder,
Kannt‘ er die Männer als Feind‘; und die hurtigen Kniee bewegend,
Floh er dahin; doch jene verfolgeten angestrenget.
360
Wie wenn zween scharfzahnige Hund‘, erfahren der Wildjagd,
Dringender Eil‘ hintreiben ein Hirschkalb oder den Hasen,
Durch dickwaldige Räum‘, und voran der Quäkende rennet:
Also trieb der Tydeid‘ und der Städteverwüster Odysseus
Jenen in dringender Eil‘, hinweg von dem Lager ihn scheuchend.
365
Aber nachdem schon nahe der Danaer Hut er gekommen,
Fliehend hinab zu den Schiffen; mit Zorn nun erfüllt‘ Athenäa
Tydeus‘ Sohn, daß keiner der erzumschirmten Achaier
Früheres Wurfs sich rühmt‘, und er selbst der zweite nur käme;
Drohend erhub er die Lanz‘, und rief, der Held Diomedes:
370
Steh da, oder ich werfe die Lanze dir! Schwerlich noch wirst du
Lange dem schrecklichen Tod‘ aus meinen Händen entfliehen!
Sprach’s, und im Schwung‘ entsandt‘ er den Speer, und fehlte mit Vorsatz;
Rechtshin über die Schulter ihm flog des geglätteten Speeres
Erz in den Boden hinein: und er stand nun, starr vor Schrecken,
375
Bebend das Kinn, und es klappten ihm laut in dem Mund die Zähne,
Blaß sein Gesicht vor Angst. Jetzt nahten sie keuchend, und hielten
Beid‘ an den Händen ihn fest; doch er mit Tränen begann so:
Faht mich; dann erkauf‘ ich mich frei. Mir lieget daheim ja
Erz und Goldes genug, und schöngeschmiedetes Eisen.
380
Hievon reicht mein Vater dir gern unendliche Lösung,
Wenn er mich noch lebend vernimmt bei den Schiffen Achaias.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Sei getrost; kein Todesgedank‘ umschwebe das Herz dir!
Aber sage mir jetzt, und verkündige lautere Wahrheit.
385
Warum gehst du allein vom Lager hinab zu den Schiffen,
Jetzt in der finsteren Nacht, da andere Sterbliche schlafen?
Willst du einen berauben der Leichname hier auf dem Schlachtfeld?
Oder sandte dich Hektor, daß wohl bei den Schiffen du alles
Spähetest? Oder bewog dein eigenes Herz dich zu gehen?
390
Ihm antwortete Dolon darauf; und ihm bebten die Glieder:
Ach zu Jammer und Weh verleitete Hektor das Herz mir,
Welcher des tadellosen Achilleus stampfende Rosse
Mir zum Geschenke verhieß, und den erzumschimmerten Wagen;
Und mir befahl, durchwandelnd der Nacht stillfliehendes Dunkel,
395
Hinzugehn zu den Schiffen der Danaer, und zu erforschen:
Ob ihr stets noch bewacht die rüstigen Schiffe, wie vormals;
Oder ob ihr vielleicht, von unseren Händen bezähmet,
Schon die Flucht miteinander beschleuniget, und euch enthaltet,
Nächtliche Hut zu versehn, entnervt von der schrecklichen Arbeit.
400
Lächelnd erwiderte drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Traun nach großem Geschenk hat dir die Seele gelüstet,
Nach des Peleiden Gespann, des feurigen! Schwer sind die Rosse
Jedem sterblichen Manne zu bändigen, oder zu lenken,
Außer Achilleus selbst, den gebar die unsterbliche Mutter.
405
Aber sage mir jetzt, und verkündige lautere Wahrheit.
Wo verließest du Hektor, den Hirten des Volks, da du weggingst?
Wo sind ihm die Geräte des Kriegs? wo stehn ihm die Rosse?
Auch die anderen Troer, wie wachen sie, oder wie ruhn sie?
Sag‘ auch, was sie im Rat abredeten: ob sie gedenken,
410
Fern allhier zu bleiben von Ilios, oder zur Stadt nun
Heim von den Schiffen zu kehren, nachdem sie besiegt die Achaier.
Ihm antwortete Dolon darauf, der Sohn des Eumedes:
Gern will ich dir dieses nach lauterer Wahrheit verkünden.
Hektor berief nun alle des Heers ratgebende Fürsten,
415
Rat mit ihnen zu halten am Mal des göttlichen Ilos,
Abgewandt vom Geräusch. Doch die Wachen, o Held, die du forschest?
Keine gesonderte schirmt das Kriegsheer, oder bewacht es.
Rings wo Troer sich Glut anzündeten, welchen es not ist,
Diese warten der Hut, und ermahnen sich untereinander,
420
Wach zu sein. Hingegen die fernberufenen Helfer
Ruhn im Schlaf, den Troern es überlassend zu wachen;
Denn nicht jenen sind Kinder und Gattinnen hier in der Nähe.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Wie denn, etwa vermischt mit Trojas reisigen Männern
425
Schlafen sie, oder allein? Dies sage mir, daß ich es wisse.
Ihm antwortete Dolon darauf, der Sohn des Eumedes:
Gern will ich auch dieses nach lauterer Wahrheit verkünden.
Meerwärts ruhn mit den Karen, päonische Krümmer des Bogens,
Leleger auch, Kaukonen zunächst, und edle Pelasger;
430
Gegen Thymbra der Lykier Volk, und trotzige Myser,
Phrygiens reisige Schar, und Mäoniens Rossebezähmer.
Aber warum dies alles von mir umständlich erforschen?
Denn wofern ihr begehrt ins troische Lager zu wandeln;
Dort am Ende des Heers sind neu ankommende Thraker,
435
Hingestreckt um Eioneus Sohn, den herrschenden Rhesos:
Dessen Rosse die schönsten und größesten, die ich gesehen,
Weißer denn blendender Schnee, und hurtiges Laufs wie die Winde.
Auch sein Geschirr ist köstlich mit Gold und Silber geschmücket.
Rüstungen auch aus Golde, gewaltige, Wunder dem Anblick,
440
Trägt er daher; kaum ziemt es den sterblichen Erdebewohnern
Solches Gerät zu tragen, vielmehr unsterblichen Göttern.
Doch nun führt mich hinab zu des Meers schnellwandelnden Schiffen;
Oder laßt mich allhier in grausamen Banden gefesselt,
Bis ihr zurückgekehrt, und mich erkannt aus Erfahrung,
445
Ob ich vor euch die Wahrheit verkündiget, oder nicht also.
Finster schaut‘ und begann der starke Held Diomedes:
Nur nicht Flucht, o Dolon, erwarte mir jetzo im Herzen,
Gabst du auch guten Bescheid, da in unsere Hände du kamest!
Denn wofern wir anjetzt dich löseten, oder entließen;
450
Traun du kämst auch hinfort zu den rüstigen Schiffen Achaias,
Sei es um auszuspähn, sei’s öffentlich uns zu bekämpfen.
Doch so von meiner Hand du besiegt dein Leben verlierest;
Nimmermehr dann magst du beleidigen uns Argeier.
Sprach’s; und bereit war jener, das Kinn mit nervichter Rechte
455
Rührend, ihn anzuflehn; doch tief in den Nacken ihm schwang er
Schnell das erhobene Schwert, und durchschnitt ihm beide die Sehnen,
Daß des Redenden Haupt mit dem Staub‘ hinrollend vermischt ward.
Hierauf nahmen ihm jene den Otterhelm von der Scheitel,
Auch sein krummes Geschoß, den ragenden Speer, und das Wolfsfell.
460
Alles nunmehr zu Zeus‘ siegprangender Tochter erhub es
Hoch Odysseus der Held, und rief anbetend die Worte:
Freue dich des, o Göttin; denn dich zuerst im Olympos
Rufen wir an vor allen Unsterblichen! Aber auch jetzo
Leit‘ uns hin zum Lager der thrakischen Männer und Rosse!
465
Also betet‘ er laut, und legete hebend die Rüstung
Auf des Gefilds Tamarisk‘, und dabei zum deutlichen Merkmal
Legt‘ er gesammeltes Rohr, und brach Tamariskengezweig‘ ab;
Daß sie des Orts nicht fehlten, zurück durch Finsternis kehrend.
Vorwärts gingen sie nun, durch Rüstungen hin und Schlachtblut.
470
Schnell zu der thrakischen Männer Gedräng‘ itzt kamen sie wandelnd.
Jene schliefen entnervt von der Arbeit; aber bei ihnen
Prangten gestreckt zur Erde die Rüstungen, schön nach der Ordnung,
Dreifach gereiht, und bei jedem die stampfenden Doppelgespanne.
Rhesos schlief in der Mitt‘, und bei ihm die hurtigen Rosse
475
Standen mit Riemen gehemmt am hintersten Ringe des Wagens.
Diesen ersah Odysseus zuerst, und zeigt ihn dem Freunde:
Dies ist dir, Diomedes, der Mann, und dieses die Rosse,
Welche zuvor uns Dolon bezeichnete, den wir getötet.
Aber wohlan, nun zeige die Tapferkeit; denn dir geziemt nicht,
480
Hier untätig zu stehn mit den Rüstungen! Löse die Rosse;
Oder du töte die Männer, und mir sei die Sorge der Rosse.
Sprach’s; doch jenen beseelte mit Mut Zeus‘ Tochter Athene.
Rings nun würgt‘ er umher, und schreckliches Röcheln erhub sich
Unter dem mordenden Schwert, und gerötet von Blut war der Boden.
485
So wie ein Löw‘, antreffend die ungehütete Herde,
Ziegen oder auch Schafe, mit grimmigem Mut sich hineinstürzt:
Also die thrakischen Männer durchwandelte dort Diomedes,
Bis er zwölf nun ermordet. Allein der kluge Odysseus,
Welchen Mann der Tydeide mit hauendem Schwerte getötet,
490
Solchen zog Odysseus zurück, am Fuß ihn ergreifend;
Denn er bedacht‘ im Geist, wie die schöngemähneten Rosse
Leicht hindurch ihm gingen, und nicht anstutzend erbebten,
Über Tote zu schreiten, noch ungewohnt des Ermordens.
Aber nachdem den König der Held Diomedes erreichet,
495
Zum dreizehnten auch ihm das süße Leben entriß er;
Und schwer atmet‘ er auf: ein schrecklicher Traum zu dem Haupte
Stand ihm die Nacht des Öneiden Sohn, durch den Rat der Athene.
Emsig löst‘ Odysseus indes die stampfenden Rosse,
Band sie mit Riemen vereint, und trieb sie hinweg aus dem Haufen,
500
Mit dem Geschoß anschlagend; denn nicht die schimmernde Geißel
Hatt‘ er zu nehmen bedacht aus dem künstlichen Sessel des Wagens.
Jetzo pfiff‘ er leis‘, und warnte den Held Diomedes.
Jener blieb und sann, was kühner annoch er begönne:
Ob er den Wagen zugleich, wo die glänzenden Rüstungen lagen,
505
Zög‘ an der Deichsel hinweg, ob hinaustrüg‘, hoch ihn erhebend;
Oder mehreren dort der Thrakier raubte das Leben.
Als er dieses im Geist umhersann, siehe, da naht‘ ihm
Pallas Athen‘, und begann zum edlen Held Diomedes:
Denke der Wiederkehr, o Sohn des erhabenen Tydeus
510
Zu den geräumigen Schiffen; daß nicht du ein Fliehender kommest,
Wenn vielleicht auch die Troer erweckt der Unsterblichen einer!
Jene sprach’s; da erkannte der Held die Stimme der Göttin.
Eilend bestieg er ein Roß; da schlug mit dem Bogen Odysseus
Beid‘, und sie flogen daher zu den rüstigen Schiffen Achaias.
515
Aber nicht achtlos lauschte der Gott des silbernen Bogens;
Als er sah, wie Athene zu Tydeus‘ Sohn sich gesellet;
Zürnend ihr, drang er sofort in des troischen Heeres Getümmel,
Und den Thrakierfürsten Hippokoon weckt‘ er vom Schlummer,
Rhesos‘ tapferen Sippen. Doch er dem Lager entfahrend,
520
Als er den Ort leer sah, wo die hurtigen Rosse gestanden,
Und noch zappelnd die Männer in schreckenvoller Ermordung;
Laut wehklagt‘ er nunmehr, und rief dem lieben Genossen.
Aber die Troer mit Lärm und unermeßlichem Aufruhr
Stürzten heran, und schauten erstarrt die entsetzlichen Taten,
525
Was doch die Männer verübt, die entflohn zu den räumigen Schiffen.
Als sie den Ort nun erreicht, wo sie Hektors Späher getötet;
Hemmte die hurtigen Rosse der Held, Zeus‘ Liebling Odysseus;
Doch zur Erd‘ entsprang der Tydeid‘, und die blutige Rüstung
Reicht‘ er Odysseus‘ Händen, und stieg auf den Rücken des Rosses.
530
Jener schlug mit dem Bogen; und rasch hinflogen die Rosse
Zu den geräumigen Schiffen; denn dorthin wünschten sie herzlich.
Nestor hörte zuerst die stampfenden Huf‘, und begann so:
Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,
Irr‘ ich, oder ist Wahrheit mein Wort? Doch die Seele gebeut mir’s.
535
Schnell hertrabender Rosse Gestampf umtönt mir die Ohren.
Wenn doch Odysseus jetzt und der starke Held Diomedes
Hurtig daher von den Troern beflügelten stampfende Rosse!
Aber ich sorg‘ im Herzen und fürchte mich, was sie betroffen,
Argos tapferste Helden im lärmenden Troergetümmel!
540
Noch nicht ganz war geredet das Wort; da kamen sie selber.
Und sie schwangen herab auf die Erde sich; jene mit Freude
Reichten die Hände zum Gruß, und redeten freundliche Worte.
Doch vor allen begann der gerenische reisige Nestor:
Sprich, preisvoller Odysseus, erhabener Ruhm der Achaier,
545
Wie doch diese Ross‘ ihr erbeutetet? ob ihr ins Lager
Eindrangt, oder vielleicht ein begegnender Gott sie euch darbot?
Wunderbar gleicht ihr Schimmer den leuchtenden Sonnenstrahlen!
Stets zwar schalt‘ ich im troischen Heer, und zaudere, mein‘ ich,
Niemals gern bei den Schiffen, wiewohl ein grauender Krieger;
550
Doch nie hab‘ ich Rosse wie die gesehn noch bemerket!
Aber gewiß hat euch ein begegnender Gott sie verliehen;
Denn es liebt euch beide der Herrscher im Donnergewölk Zeus,
Und des allmächtigen Zeus‘ blauäugige Tochter Athene.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
555
Nestor, Neleus‘ Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Leicht kann wahrlich ein Gott noch schönere Rosse denn diese,
Wenn’s ihm gefällt, darbieten; denn weit gewaltiger sind sie!
Diese, Greis, wie du fragst, sind neuankommende Rosse,
Thrakische, deren Gebieter der tapfere Held Diomedes
560
Tötete, zwölf auch umher der edelsten Kriegesgefährten.
Zum dreizehnten annoch erschlugen wir, nahe den Schiffen,
Einen spähenden Mann, der Kundschaft unseres Heeres
Forschte, von Hektor gesandt und den anderen Fürsten der Troer.
Sprach’s, und lenkte den Graben hindurch die stampfenden Rosse,
565
Jauchzendes Muts; ihn begleiteten froh die andern Achaier.
Als sie nunmehr erreichten das schöne Gezelt Diomedes‘;
Banden sie dort die Rosse mit wohlgeschnittenen Riemen
Fest an die Kripp‘, allwo die anderen Rosse des Königs
Standen, geflügeltes Laufs, mit lieblichem Weizen sich nährend.
570
Aber Odysseus legte die blutige Beute des Dolon
Hinten ins Schiff, bis sie könnten ein Dankfest weihn der Athene.
Drauf entwuschen sich beide den vielen Schweiß in die Meerflut
Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals‘ umher, und den Schenkeln.
Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit
575
Ganz den Gliedern entspült, und ihr mutiges Herz sich erlabet;
Stiegen sie ein zum Bad in schöngeglättete Wannen.
Beide vom Bad erwärmt, und gesalbt mit geschmeidigem Öle,
Saßen zum Frühmahl jetzt; und aus vollem Kruge sich schöpfend,
Gossen sie aus vor Athene des herzerfreuenden Weines.

Neunter Gesang

Neunter Gesang

Agamemnon beruft die Fürsten, und rät zur Flucht. Diomedes und Nestor widerstehn. Wache am Graben. Die Fürsten von Agamemnon bewirtet ratschlagen. Auf Nestors Rat sendet Agamemnon, den Achilleus zu versöhnen, den Phönix, Ajas Telamons Sohn, und Odysseus, mit zween Herolden. Achilleus empfängt sie gastfrei, aber verwirft die Anträge, und behält den Phönix zurück. Die anderen bringen die Antwort in Agamemnons Zelt. Diomedes ermahnt zur Beharrlichkeit, und man geht zur Ruhe.

So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier
Ängstete greuliche Flucht, des starrenden Schreckens Genossin;
Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten alle.
Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten erregen,
5
Nord und sausender West, die beid‘ aus Thrakia herwehn,
Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles Gewoge
Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das Meergras:
Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier.
Atreus‘ Sohn, von unendlichem Gram in der Seele verwundet,
10
Wandelt‘ umher, Herolden von tönender Stimme gebietend,
Jeglichen Mann mit Namen zur Ratsversammlung zu rufen,
Doch nicht laut; auch selbst arbeitet‘ er unter den ersten.
Jetzo saßen im Rat die Bekümmerten; und Agamemnon
Stand voll Tränen empor, der schwärzlichen Quelle vergleichbar,
15
Die aus jähem Geklipp hergeußt ihr dunkles Gewässer.
Also schwer aufseufzend vor Argos‘ Söhnen begann er:
Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,
Hart hat Zeus der Kronid‘ in schwere Schuld mich verstricket!
Grausamer, welcher mir einst mit gnädigem Winke gelobet,
20
Heimzugehn ein Vertilger der festummauerten Troja.
Doch nun sann er verderblichen Trug, und heißet mich ruhmlos
Wieder gen Argos kehren, nachdem viel Volks mir dahinstarb.
Also gefällt’s nun wohl dem hocherhabnen Kronion,
Der schon vielen Städten das Haupt zu Boden geschmettert,
25
Und noch schmettern es wird; denn sein ist siegende Allmacht.
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle:
Laßt uns fliehn in den Schiffen zum lieben Lande der Väter;
Nie erobern wir doch die weitdurchwanderte Troja!
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen.
30
Lange saßen verstummt die bekümmerten Männer Achaias.
Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
Atreus‘ Sohn, gleich muß ich dein törichtes Wort dir bestreiten,
Wie es gebührt, o König, im Rat; du zürne mir des nicht.
Zwar mir schmähtest du jüngst die Tapferkeit vor den Achaiern,
35
Mutlos sei ich und ganz unkriegerisch; aber das alles
Wissen nun Argos‘ Söhne, die Jünglinge so wie die Greise.
Dir gab eins nur von beiden der Sohn des verborgenen Kronos:
Nur mit dem Scepter der Macht geehrt zu werden vor allen;
Doch nicht Tapferkeit gab er, die edelste Stärke der Menschen!
40
Wunderbarer, du glaubtest im Ernst, die Männer Achaias
Wären so gar unkriegrisch und mutlos, wie du geredet?
Doch wenn dir selber das Herz so eifrig drängt nach der Heimkehr,
Wandere! Frei ist der Weg, und nahe die Schiff‘ an dem Meerstrand
Aufgestellt, die in Menge dir hergefolgt von Mykene.
45
Aber die anderen bleiben, die hauptumlockten Achaier,
Bis wir zerstört die Feste des Priamos! Wollen auch jene,
Laß sie entfliehn in den Schiffen zum lieben Lande der Väter!
Ich dann und Sthenelos kämpfen, und ruhn nicht, bis wir das Schicksal
Ilios endlich erreicht; denn ein Gott geleitet‘ uns hieher!
50
Jener sprach’s; da jauchzten ihm rings die Männer Achaias,
Hoch das Wort anstaunend von Tydeus‘ Sohn Diomedes.
Jetzo erstand vor ihnen und sprach der reisige Nestor:
Tydeus‘ Sohn, wohl bist du der tapferste Krieger im Schlachtfeld,
Auch im Rat erscheinst du von deinem Alter der beste.
55
Keiner mag dir tadeln das Wort, von allen Achaiern,
Noch entgegen dir reden; nur ward nicht vollendet das Wort dir.
Zwar auch bist du ein Jüngling, und könntest sogar mein Sohn sein,
Selber der Jüngst‘ an Geburt! allein du sprichst mit Verstande
Unter den Fürsten des Heers, da der Sache gemäß du geredet.
60
Aber wohlan, ich selber, der höherer Jahre sich rühmet,
Will ausreden das Wort und endigen; schwerlich auch wird mir
Einer die Rede verschmähn, auch nicht Agamemnon der Herrscher.
Ohne Geschlecht und Gesetz, ohn‘ eigenen Herd ist jener,
Wer des heimischen Kriegs sich erfreut, des entsetzlichen Scheusals!
65
Aber wohlan, jetzt wollen der finsteren Nacht wir gehorchen,
Und das Mahl uns bereiten. Allein die Hüter der Scharen
Gehn hinaus, und lagern am Graben sich, außer der Mauer.
Solches nun befehl‘ ich den Jünglingen. Aber du führ‘ uns,
Atreus‘ Sohn, ins Gezelt; denn du bist Obergebieter.
70
Gib den Geehrten ein Mahl; dir gleich ist solches, nicht ungleich.
Voll sind dir die Gezelte des Weins, den der Danaer Schiffe
Täglich aus Thrakia her auf weitem Meere dir bringen;
Dir ist aller Bewirtung genug, der du vieles beherrschest.
Sind dann viele gesellt, so gehorch‘ ihm, welcher den besten
75
Rat zu raten vermag: denn Not ist allen Achaiern
Kluger und heilsamer Rat, da die Feind‘ uns nahe den Schiffen
Brennen der Feuer so viel! Wer mag wohl dessen erfreut sein?
Diese Nacht wird vertilgen das Kriegsheer, oder erretten!
Jener sprach’s; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
80
Schnell zur Hut enteilten gewappnete Männer dem Lager:
Dort um Nestors Sohn, den Hirten des Volks Thrasymedes;
Dort um Askalaphos her und Jalmenos, Söhne des Ares;
Auch um Meriones dort, um Deïpyros auch, und den edlen
Aphareus, auch um Kreions erhabenen Sohn Lykomedes.
85
Sieben geboten der Hut; und hundert Jünglinge jedem
Folgten gereiht, in den Händen die ragenden Speere bewegend.
Zwischen dem Graben umher und der Mauer setzten sich jene;
Dort entflammten sie Feuer, und rüsteten jeder die Nachtkost.
Atreus‘ Sohn nun führte die edleren Fürsten Achaias
90
All‘ ins Gezelt, und empfing sie mit herzerfreuendem Schmause.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war;
Jetzo begann der Greis den Entwurf zu ordnen in Weisheit,
Nestor, der schon eher mit trefflichem Rate genützet;
95
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Dir soll beginnen das Wort, dir endigen; weil du so vielen
Völkern mächtig gebeutst, und dir Zeus selber verliehn hat
Scepter zugleich und Gesetz, daß aller Wohl du beratest.
100
Drum ziemt dir’s vor allen, zu reden ein Wort, und zu hören,
Auch zu vollziehn dem andern, wem sonst sein Herz es gebietet,
Daß er rede zum Heil; denn du entscheidest, was sein soll.
Aber ich selbst will sagen, wie mir’s am heilsamsten dünket.
Denn kein anderer mag wohl besseren Rat noch ersinnen,
105
Als mein Herz ihn bewahrt, nicht vormals, oder anjetzt auch,
Seit dem Tag, da du, Liebling des Zeus, die schöne Briseïs
Aus dem Gezelt entführtest dem zürnenden Peleionen:
Nicht nach unserem Sinne fürwahr; denn ich habe mit großem
Ernste dich abgemahnt. Doch du, hochherziges Geistes,
110
Hast den tapfersten Mann, den selbst die Unsterblichen ehrten,
Schmählich entehrt; denn du nahmst sein Geschenk ihm. Aber auch jetzo
Sinnt umher, wie wir etwa sein Herz versöhnend bewegen
Durch gefällige Gaben, und sanft einnehmende Worte.
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
115
Greis, nicht unwahr hast du mir meine Fehle gerüget.
Ja ich fehlt‘, und leug’n es auch nicht! Traun, vielen der Völker
Gleicht an Stärke der Mann, den Zeus im Herzen sich auskor:
Wie nun jenen er ehrt‘, und niederschlag die Achaier.
Aber nachdem ich gefehlt, dem schädlichen Sinne gehorchend;
120
Will ich gern es vergelten, und biet‘ unendliche Sühnung.
Allen umher nun will ich die herrlichen Gaben benennen:
Zehn Talente des Goldes, dazu dreifüßiger Kessel
Sieben vom Feuer noch rein, und zwanzig schimmernde Becken;
Auch zwölf mächtige Rosse, gekrönt mit Preisen des Wettlaufs.
125
Wohl nicht dürftig wäre der Mann, dem so vieles geworden,
Und nicht arm an Schätzen des hochgepriesenen Goldes:
Als mir Siegskleinode gebracht die stampfenden Rosse!
Sieben Weiber auch geb‘ ich, untadlige, kundig der Arbeit,
Lesbische, die, da er Lesbos, die blühende, selber erobert,
130
Ich mir erkor, die an Reiz der Sterblichen Töchter besiegten.
Diese nun geb‘ ich ihm; es begleite sie, die ich entführet,
Brises Tochter zugleich; und mit heiligem Eide beschwör‘ ich’s,
Daß ich nie ihr Lager verunehrt, noch ihr genahet,
Wie in der Menschen Geschlecht der Mann dem Weibe sich nahet.
135
Dieses empfang‘ er alles sogleich. Wenn aber hinfort uns
Priamos‘ mächtige Stadt die Götter verleihn zu erobern;
Reichlich soll er sein Schiff mit Gold und Erz belasten,
Selbst einsteigend, wann einst wir Danaer teilen den Siegsraub.
Auch der troischen Weiber erwähle sich zwanzig er selber,
140
Die nach Helena dort, der Argeierin, prangen an Schönheit.
Wann zum achaiischen Argos, dem Segenslande, wir heimziehn;
Soll er mein Eidam sein, und ich ehr‘ ihn gleich dem Orestes,
Der mein einziger Sohn aufblüht in freudiger Fülle.
Drei sind mir der Töchter in wohlverschlossener Wohnung:
145
Deren wähl‘ er sich eine, Chrysothemis, Iphianassa,
Oder Laodike auch, und führ‘ umsonst die Erkorne
Heim in des Peleus Haus; ich geb‘ ihm selber noch Brautschatz,
Reichlichen, mehr als je ein Mann der Tochter gegeben.
Sieben geb‘ ich ihm dort der wohlbevölkerten Städte:
150
Enope, und Kardamyle auch, und die grasige Hire,
Phera, die heilige Burg, und die grünenden Aun um Antheia,
Auch Äpeia die schön‘, und Pedasos, fröhlich des Weinbaus.
Alle sind nah‘ am Meere, begrenzt von der sandigen Pylos;
Und es bewohnen sie Männer, an Schafen reich, und an Rindern:
155
Welche hoch mit Geschenk, wie einen Gott, ihn verehrten,
Und dem Scepter gehorchend ihm steuerten reichliche Schatzung.
Dieses vollend‘ ich jenem, sobald er sich wendet vom Zorne.
Zähm‘ er sich! Aïdes ist unbiegsam, und unversöhnlich;
Aber den Sterblichen auch der Verhaßteste unter den Göttern.
160
Mir nachstehn doch sollt‘ er, so weit ich höher an Macht bin,
Und so weit ich älter an Lebensjahren mich rühme.
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Nicht verächtliche Gaben gewährst du dem Herrscher Achilleus.
165
Auf denn, erlesene Männer entsenden wir, eilendes Schrittes
Hinzugehn ins Gezelt des Peleiaden Achilleus.
Oder wohlan, ich selber erwähle sie; und sie gehorchen.
Phönix gehe zuerst, der Liebling des Zeus, als Führer;
Dann auch Ajas der Große zugleich, und der edle Odysseus.
170
Aber Hodios folg‘ und Eurybates ihnen als Herold.
Sprengt nun mit Wasser die Händ‘, und ermahnt zur Stille der Andacht;
Daß wir Zeus den Kroniden zuvor anflehn um Erbarmung.
Jener sprach’s; und allen gefiel die Rede des Königs.
Eilend sprengten mit Wasser die Herold‘ ihnen die Hände;
175
Jünglinge füllten sodann die Krüge zum Rand mit Getränke,
Wandten von neuem sich rechts, und verteileten allen die Becher.
Als sie des Tranks nun gesprengt, und nach Herzenswunsche getrunken;
Eilten sie aus dem Gezelte von Atreus‘ Sohn Agamemnon.
Viel ermahnte sie noch der gerenische reisige Nestor,
180
Jeglichem Mann zuwinkend, allein vor allen Odysseus,
Eiferig doch zu bereden den herrlichen Peleionen.
Beide nun gingen am Ufer des weitaufrauschenden Meeres,
Beteten viel und gelobten dem Erdumgürter Poseidon,
Daß sie doch leicht gewönnen den hohen Sinn des Achilleus.
185
Als sie die Zelt‘ und Schiffe der Myrmidonen erreichten;
Fanden sie ihn, erfreuend sein Herz mit der klingenden Leier,
Schön und künstlich gewölbt, woran ein silberner Steg war;
Die aus der Beut‘ er gewählt, da Eëtions Stadt er vertilget:
Hiermit erfreut‘ er sein Herz, und sang Siegstaten der Männer.
190
Gegen ihn saß Patroklos allein, und harrete schweigend
Dort auf Äakos‘ Enkel, bis seinen Gesang er vollendet.
Beid‘ itzt gingen daher, und voran der edle Odysseus,
Nahten und standen vor ihm; bestürzt nun erhub sich Achilleus,
Samt der Leier zugleich, verlassend den Sitz, wo er ruhte.
195
Auch Patroklos erhub sich, sobald er sahe die Männer.
Beid‘ an der Hand anfassend begann der Renner Achilleus:
Freude mit euch! willkommen ihr Teuersten! Zwar ist gewiß Not!
Doch auch dem Zürnenden kommt ihr geliebt vor allen Achaiern.
Also sprach, und führte hinein, der edle Achilleus,
200
Setzte sie dann auf Sessel und Teppiche, schimmernd von Purpur.
Eilend sprach er darauf zu Patroklos, der ihm genaht war:
Einen größeren Krug, Menötios‘ Sohn, uns gestellet;
Misch‘ auch stärkeren Wein, und jeglichem reiche den Becher;
Denn die wertesten Männer sind unter mein Dach nun gekommen.
205
Jener sprach’s; da gehorchte dem lieben Freunde Patroklos.
Selbst nun stellt‘ er die mächtige Bank im Glanze des Feuers,
Legte darauf den Rücken der feisten Zieg‘ und des Schafes,
Legt‘ auch des Mastschweins Schulter darauf voll blühendes Fettes.
Aber Automedon hielt, und es schnitt der edle Achilleus;
210
Wohl zerstückt‘ er das Fleisch, und steckt es alles an Spieße.
Mächtige Glut entflammte Menötios‘ göttlicher Sohn itzt.
Als nun die Loh‘ ausbrannt‘, und des Feuers Blume verwelkt war;
Breitet‘ er hin die Kohlen, und richtete drüber die Spieße,
Sprengte mit heiligem Salz, und dreht‘ auf stützenden Gabeln.
215
Als er nunmehr es gebraten, und hin auf Borde geschüttet;
Teilte Patrokles das Brot in schöngeflochtenen Körben
Rings um den Tisch; und das Fleisch verteilete selber Achilleus;
Setzte sich dann entgegen dem göttergleichen Odysseus,
Dort an der anderen Wand, und gebot, daß Patroklos den Göttern
220
Opferte; dieser gehorcht‘, und warf die Erstling‘ ins Feuer.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war;
Jetzt winkt Ajas dem Phönix. Das sah der edle Odysseus,
Füllte mit Wein den Becher, und trank dem Peleiden mit Handschlag:
225
Heil dir, Peleid‘! es mangelt uns nicht des gemeinsamen Mahles,
Weder dort im Gezelt um Atreus‘ Sohn Agamemnon,
Noch auch jetzo allhier; denn genug des Erfreuenden stehet
Hier zum Schmaus; doch nicht nach lieblichem Mahle verlangt uns;
Sondern das große Weh, du Göttlicher, ringsum schauend,
230
Zagen wir! Jetzo gilt’s, ob errettet sind, oder verloren,
Uns die gebogenen Schiffe, wo du nicht mit Stärke dich gürtest!
Nahe den Schiffen bereits und der Mauer drohn sie gelagert,
Trojas mutige Söhn‘, und die fernberufenen Helfer,
Ringsum Feuer entflammend durchs Heer; und es hemme sie, trotzt man,
235
Nichts annoch, sich hinein in die dunkelen Schiffe zu stürzen.
Ihnen gewährt auch Zeus rechtshin erscheinende Zeichen
Seines Strahls; doch Hektor, die funkelnden Augen voll Mordlust,
Wütet daher, und vertrauend dem Donnerer, achtet er nichts mehr,
Weder Menschen noch Gott; so treibt ihn der Taumel des Wahnsinns.
240
Sehnlich wünscht er, daß bald der heilige Morgen erscheine;
Denn er verheißt von den Schiffen zu haun die prangenden Schnäbel,
Sie dann selbst zu verbrennen in stürmender Flamm‘, und zu morden
Argos‘ Söhn‘ um die Schiffe, betäubt im Dampfe des Brandes.
Doch nun sorg‘ ich im Herzen, und fürchte mich, daß ihm die Drohung
245
Ganz vollenden die Götter, und uns das Schicksal verhängt sei,
Hinzusterben in Troja, entfernt von der fruchtbaren Argos.
Aber wohlauf! wenn das Herz dir gebeut, die Männer Achaias
Jetzt, auch spät, zu befrein aus der drängenden Troer Getümmel.
Siehe dich selbst hinfort bekümmert es; aber umsonst ja
250
Sucht man geschehenem Übel noch Besserung; lieber zuvor nun
Sinn‘ umher, wie du wendest den schrecklichen Tag der Achaier.
Ach mein Freund, wie sehr ermahnte dich Peleus der Vater
Jenes Tags, da aus Phtia zu Atreus‘ Sohn er dich sandte:
Lieber Sohn, Siegsstärke wird dir Athenäa und Here
255
Geben, wenn’s ihnen gefällt; nur bändige du dein erhabnes
Stolzes Herz in der Brust; denn freundlicher Sinn ist besser.
Meide den bösen Zank, den verderblichen, daß dich noch höher
Ehre das Volk der Argeier, die Jünglinge so wie die Greise.
Also ermahnte der Greis; du vergaßest es. Aber auch jetzt noch
260
Ruh‘, und entsage dem Zorne, dem kränkenden! Sieh Agamemnon
Beut dir würdige Gaben, sobald du dich wendest vom Zorne.
Willst du, so höre mich an, damit ich dir alles erzähle,
Was dir dort im Gezelt zur Gabe verhieß Agamemnon:
Zehn Talente des Goldes, dazu dreifüßiger Kessel
265
Sieben vom Feuer noch rein, und zwanzig schimmernde Becken;
Auch zwölf mächtige Rosse, gekrönt mit Preisen des Wettlaufs.
Wohl nicht dürftig wäre der Mann, dem so vieles geworden,
Und nicht arm an Schätzen des hochgepriesenen Goldes;
Als Agamemnons Rosse der Siegskleinode gewannen.
270
Sieben Weiber auch gibt er, untadlige, kundig der Arbeit,
Lesbische, die, da du Lesbos, die blühende, selber erobert,
Er sich erkor, die an Reiz der Sterblichen Töchter besiegten.
Diese nun gibt er dir; es begleite sie, die er entführet,
Brises Tochter zugleich; und mit heiligem Eide beschwört er’s,
275
Daß er nie ihr Lager verunehrt, noch ihr genahet,
Wie in der Menschen Geschlecht der Mann dem Weibe sich nahet.
Dieses empfängst du alles sogleich. Wenn aber hinfort uns
Priamos‘ mächtige Stadt die Götter verleihn zu erobern;
Reichlich sollst du dein Schiff mit Gold und Erz belasten,
280
Selbst einsteigend, wenn einst wir Danaer teilen den Siegsraub.
Auch der troischen Weiber erwähle du zwanzig dir selber,
Die nach Helena dort, der Argeierin, prangen an Schönheit.
Wann zum achaiischen Argos, dem Segenslande, wir heimziehn;
Sollst du sein Eidam sein, und er ehrt dich gleich dem Orestes,
285
Der sein einziger Sohn aufblüht in freudiger Fülle.
Drei sind ihm der Töchter in wohlverschlossener Wohnung:
Deren wähle dir eine, Chrysothemis, Iphianassa,
Oder Laodike auch, und führ‘ umsonst die Erkorne
Heim in des Peleus Haus; er gibt dir selber noch Brautschatz,
290
Reichlichen, mehr als je ein Mann der Tochter gegeben.
Sieben gibt er dir dort der wohlbevölkerten Städte:
Enope, und Kardamyle auch, und die grasige Hire,
Pherä, die heilige Burg, und die grünenden Aun um Antheia,
Auch Äpeia die schön‘, und Pedasos, fröhlich des Weinbaus.
295
Alle sind nah‘ am Meere, begrenzt von der sandigen Pylos;
Und es bewohnen sie Männer, an Schafen reich, und an Rindern:
Welche hoch mit Geschenk, wie einen Gott, dich verehrten,
Und dein Scepter gehorchend dir steuerten reichliche Schatzung.
Dieses vollendet er dir, sobald du dich wendest vom Zorne.
300
Aber wenn Atreus‘ Sohn zu sehr dir im Herzen verhaßt ist,
Er und seine Geschenk‘; o so schau der andern Achaier
Drängende Not mit Erbarmen im Heer, das wie einen der Götter
Ehren dich wird; denn wahrlich erhabenen Ruhm dir gewännst du:
Hektor entraftest du nun! denn nahe dir wagt‘ er zu kommen,
305
Voll unsinniger Wut; da er wähnt, nicht einer auch gleiche
Ihm in der Danaer Volk, so viel hertrugen die Schiffe.
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Edler Laertiad‘, erfindungsreicher Odysseus,
Sieh ich muß die Rede nur grad‘ und frank dir verweigern,
310
So wie im Herzen ich denk‘; und wie’s unfehlbar geschehn wird;
Daß ihr mir nicht vorjammert, von hier und dort mich belagernd.
Denn mir verhaßt ist jener, so sehr wie des Aïdes Pforten,
Wer ein andres im Herzen verbirgt, und ein anderes redet.
Aber ich selbst will sagen, wie mir’s am heilsamsten dünket.
315
Weder des Atreus‘ Sohn Agamemnon soll mich bereden,
Noch die andern Achaier; dieweil ja nimmer ein Dank war,
Stets unverdrossenen Kampf mit feindlichen Männern zu kämpfen!
Gleich ist des Bleibenden Los, und sein, der mit Eifer gestritten;
Gleicher Ehre genießt der Feig‘ und der tapfere Krieger;
320
Gleich auch stirbt der Träge dahin, und wer vieles getan hat.
Nichts ja frommt es mir selbst, da ich Sorg‘ und Kummer erduldet,
Stets die Seele dem Tod‘ entgegentragend im Streite.
So wie den nackenden Vöglein im Nest herbringet die Mutter
Einen gefundenen Bissen, wenn ihr auch selber nicht wohl ist:
325
Also hab‘ ich genug unruhiger Nächte durchwachet,
Auch der blutigen Tage genug durchstrebt in der Feldschlacht,
Tapfere Männer bestreitend, um jenen ein Weib zu erobern!
Zwölf schon hab‘ ich mit Schiffen bevölkerte Städte verwüstet,
Und elf andre zu Fuß umher in der scholligen Troja;
330
Dort aus allen erkor ich der Kleinode viel und geehrte
Mir voraus, und brachte sie all‘ Agamemnon zur Gabe,
Atreus‘ Sohn; er ruhend indes bei den rüstigen Schiffen,
Nahm die Schätz‘, und verteilt‘ ein weniges, vieles behielt er.
Dennoch gab er den Helden und Königen Ehrengeschenke,
335
Die noch jeder verwahrt; nur mir von allen Achaiern
Nahm er’s, und hat das reizende Weib, womit er der Wollust
Pflegen mag! Was bewog denn zum Kriegszug gegen die Troer
Argos‘ Volk? Was fährt‘ er hieher die versammelten Streiter,
Atreus‘ Sohn? War’s nicht der lockigen Helena wegen?
340
Lieben allein denn jene die Fraun von den redenden Menschen,
Atreus‘ Söhn‘? Ein jeglicher Mann, der edel und weis‘ ist,
Liebt und pflegt die Seine mit Zärtlichkeit: so wie ich jene
Auch von Herzen geliebt, wiewohl mein Speer sie erbeutet.
Nun er mir aus den Händen den Siegslohn raubte mit Arglist,
345
Nie versuch‘ er hinfort mich Kundigen! Nimmer ihm trau‘ ich!
Sondern mit dir, Odysseus, und anderen Völkergebietern
Sinn‘ er nach, von den Schiffen die feindliche Glut zu entfernen.
Wahrlich schon sehr vieles vollendet‘ er ohne mein Zutun:
Schon die Mauer erbaut‘ er, und leitete draußen den Graben,
350
Breit umher und groß; und drinnen auch pflanzet‘ er Pfähle!
Dennoch kann er ja nicht die Gewalt des mordenden Hektors
Bändigen! Aber da ich im Danaervolke noch mitzog;
Niemals wagt‘ es Hektor, entfernt von der Mauer zu kämpfen;
Sondern nur zum skäischen Tor und der Buche gelangt‘ er,
355
Wo er einst mich bestand, und kaum mir entfloh vor dem Angriff.
Nun mir nicht es gefällt, mit dem göttlichen Hektor zu kämpfen;
Bring‘ ich morgen ein Opfer für Zeus und die anderen Götter,
Wohl dann belad‘ ich die Schiff‘, und nachdem ich ins Meer sie gezogen,
Wirst du schaun, so du willst, und solcherlei Dinge dich kümmern,
360
Schwimmen im Morgenrot auf dem flutenden Hellespontos
Meine Schiff‘, und darin die emsig rudernden Männer;
Und wenn glückliche Fahrt der Gestaderschüttrer gewähret,
Möcht‘ ich am dritten Tag‘ in die schollige Phtia gelangen.
Vieles hab‘ ich daheim, das ich hieher wandernd zurückließ;
365
Anderes auch von hier, des rötlichen Erzes und Goldes,
Schöngegürtete Weiber zugleich, und grauliches Eisen,
Bring‘ ich, durchs Los mir beschert; doch den Siegslohn, der ihn gegeben,
Nahm ihn mir selbst hochmütig, der Völkerfürst Agamemnon,
Atreus‘ Sohn! Das alles verkünd‘ ihm, so wie ich sage,
370
Öffentlich: daß auch die andern im Volk der Achaier ergrimmen,
Wenn er vielleicht noch einen der Danaer hofft zu betrügen,
Jener in Unverschämtheit gehüllete! Schwerlich indes mir
Wagt er hinfort, auch frech wie ein Hund, ins Antlitz zu schauen;
Nimmer ihm werd‘ ich zu Rat mich vereinigen, nimmer zu Taten!
375
Einmal betrog er mich nun, und frevelte; nimmer hinfort wohl
Täuscht sein tückisches Wort; er begnüge sich! sondern geruhig
Wandr‘ er dahin: denn ihm raubte der waltende Zeus die Besinnung.
Greul sind mir seine Geschenk‘, und ich acht‘ ihn selber nicht so viel!
Nein, und böt‘ er mir zehnmal und zwanzigmal größere Güter,
380
Als was jetzo er hat, und was er vielleicht noch erwartet;
Böt‘ er sogar die Güter Orchomenos, oder was Thebe
Hegt, Ägyptos Stadt, wo reich sind die Häuser an Schätzen:
Hundert hat sie der Tor‘, und es ziehn zweihundert aus jedem
Rüstige Männer zum Streit mit Rossen daher und Geschirren:
385
Böt‘ er mir auch so viel, wie des Sandes am Meer und des Staubes;
Dennoch nimmer hinfort bewegte mein Herz Agamemnon,
Eh‘ er mir ausgebüßt die seelenkränkende Schmähung!
Keine Tochter begehr‘ ich von Atreus‘ Sohn Agamemnon;
Trotzte sie auch an Reiz der goldenen Aphrodite,
390
Wäre sie klug, wie Pallas Athen‘, an künstlicher Arbeit;
Dennoch begehr‘ ich sie nicht! Er wähle sich sonst der Achaier
Einen, der ihm gemäß, und der auch höher an Macht ist.
Denn erhalten die Götter mich nur, und gelang‘ ich zur Heimat;
Dann wird Peleus selbst ein edeles Weib mir vermählen.
395
Viel der Achaierinnen sind rings in Hellas und Phtia,
Töchter erhabener Fürsten, die Städt‘ und Länder beherrschen;
Hievon, die mir gefällt, erwähl‘ ich zur trauten Gemahlin.
Dort auch trachtet mir oft des mutigen Herzens Verlangen,
Einer Ehegenossin vermählt, in gefälliger Eintracht,
400
Mich der Güter zu freun, die Peleus der Greis sich gesammelt.
Nichts sind gegen das Leben die Schätze mir: nichts, was vordem auch
Ilios barg, wie man sagt, die Stadt voll prangender Häuser,
Einst, als blühte der Fried‘, eh‘ die Macht der Achaier daherkam;
Noch, was die steinerne Schwelle des Treffenden drinnen bewahret,
405
Phöbos Apollons Schatz, in Pythos klippichten Feldern.
Beutet man doch im Kriege gemästete Rinder und Schafe,
Und gewinnt Dreifüß‘ und braungemähnete Rosse;
Aber des Menschen Geist kehrt niemals, weder erbeutet,
Noch erlangt, nachdem er des Sterbenden Lippen entflohn ist.
410
Meine göttliche Mutter, die silberfüßige Thetis,
Sagt, mich führe zum Tod‘ ein zweifach endendes Schicksal.
Wenn ich allhier verharrend die Stadt der Troer umkämpfe;
Hin sei die Heimkehr dann, doch blühe mir ewiger Nachruhm.
Aber wenn heim ich kehre zum lieben Lande der Väter;
415
Dann sei verwelkt mein Ruhm, doch weithin reiche des Lebens
Dauer, und nicht frühzeitig ans Ziel des Todes gelang‘ ich.
Auch den übrigen möcht‘ ich ein ratsames Wort zureden,
Heim in den Schiffen zu gehn: nie findet ihr doch der erhabnen
Ilios Untergang; denn der waltende Zeus Kronion
420
Deckt sie mit schirmender Hand, und mutvoll trotzen die Völker.
Aber ihr nun geht, den edelen Fürsten Achaias
Botschaft anzusagen: das Ehrenamt der Geehrten:
Daß sie anderen Rat und besseren jetzo ersinnen,
Welcher die Schiff‘ errette zugleich, und das Volk der Achaier
425
Bei den geräumigen Schiffen; denn nicht ist jener gedeihlich,
Welchen sie jetzt ausdachten, da ich im Zorne beharre.
Phönix indes mag bleibend bei uns zur Ruhe sich legen,
Daß er mit mir heimschiffe zum lieben Lande der Väter
Morgen, wenn’s ihm gefällt; denn nicht aus Zwang soll er mitgehn.
430
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen,
Hoch das Wort anstaunend; denn kraftvoll hatt‘ er geredet.
Endlich begann vor ihnen der graue reisige Phönix,
Mit vordrängenden Tränen, besorgt um der Danaer Schiffe:
Hast du die Heimkehr denn im Geiste dir, edler Achilleus,
435
Vorgesetzt, und entsagst du durchaus, vom vertilgenden Feuer
Unsere Schiffe zu retten, da Zorn dein Herz dir erfüllet;
O wie könnt‘ ich von dir, mein Sohn, verlassen noch weilen,
Einsam? Mich sandte mit dir der graue reisige Peleus
Jenes Tags, da aus Phtia zu Atreus‘ Sohn er dich sandte,
440
Noch sehr jung, unkundig des allverheerenden Krieges,
Und ratschlagender Reden, wodurch sich Männer hervortun.
Darum sandt‘ er mich her, um dich das alles zu lehren:
Beides beredt in Worten zu sein, und rüstig in Taten.
Also könnt‘ ich von dir, mein trauter Sohn, mich unmöglich
445
Trennen, und gäbe mir auch ein Himmlischer selbst die Verheißung,
Mich vorn Alter enthüllt zum blühenden Jüngling zu schaffen:
So wie ich Hellas verließ, das Land der rosigen Jungfraun,
Fliehend des Vaters Zank, des Ormeniden Amyntor,
Der um die Lagergenossin, die schöngelockte, mir zürnte:
450
Diese liebt‘ er im Herzen, die ehliche Gattin entehrend,
Meine Mutter. Doch stets umschlang sie mir flehend die Kniee,
Jene zuvor zu beschlagen, daß gram sie würde dem Greise.
Ihr gehorcht‘ ich, und tat’s. Doch sobald es merkte der Vater,
Rief er mit gräßlichem Fluch der Erinnyen furchtbare Gottheit,
455
Daß nie sitzen ihm möcht‘ auf seinen Knieen ein Söhnlein,
Von mir selber gezeugt; und den Fluch vollbrachte der grause
Unterirdische Zeus, und die schreckliche Persephoneia.
Erst zwar trieb mich der Zorn mit scharfem Erz ihn zu töten;
Doch der Unsterblichen einer bezähmte mich, welcher ins Herz mir
460
Legte des Volks Nachred‘, und die Schmähungen unter den Menschen:
Daß nicht rings die Achaier den Vatermörder mich nennten.
Jetzo durchaus nicht länger ertrug’s mein Herz in dem Busen,
Daß vor dem zürnenden Vater ich dort umging‘ in der Wohnung,
Häufig zwar umringten mich Jugendfreund‘ und Verwandte,
465
Welche mit vielem Flehn zurück im Hause mich hielten.
Viele gemästete Schaf‘ und viel schwerwandelndes Hornvieh
Schlachteten sie, und manches mit Fett umblühete Mastschwein
Sengten sie ausgestreckt in der lodernden Glut des Hephästos;
Viel auch wurde des Weines geschöpft aus den Krügen des Greises.
470
Neun der Nächte bei mir verweileten jene beständig,
Wechselnd die Hut umeinander; und nie erloschen die Feuer;
Eins am Tor in der Halle des festummauerten Vorhofs,
Eins auf des Hauses Flur, vor der Doppelpforte der Kammer.
Aber nachdem die zehnte der finsteren Nächte gekommen;
475
Jetzt erbrach ich der Kammer mit Kunst gefügete Pforte,
Eilte hinaus, und erstieg die feste Mauer des Vorhofs
Leicht, von keinem der Hüter bemerkt und der wachenden Weiber,
Sprang dann hinab, und entfloh durch Hellas weite Gefilde,
Bis ich zur scholligen Phtia, voll wimmelnder Auen, gekommen,
480
Hin zum Könige Peleus; der gern und freundlich mich aufnahm,
Und mich geliebt, wie ein Vater den einzigen Sohn nur liebet,
Den er im Alter gezeugt, sein großes Gut zu ererben.
Jener machte mich reich, und gab mir ein Volk zu verwalten,
Fern an der Grenze von Phtia, der Doloper mächtige Herrschaft.
485
Dich auch macht‘ ich zum Manne, du göttergleicher Achilleus,
Liebend mit herzlicher Treu; auch wolltest du nimmer mit andern
Weder zum Gastmahl gehn, noch daheim in den Wohnungen essen,
Eh‘ ich selber dich nahm, auf meine Kniee dich setzend,
Und die zerschnittene Speise dir reicht‘, und den Becher dir vorhielt.
490
Oftmals hast du das Kleid mir vorn am Busen befeuchtet,
Wein aus dem Munde verschüttend in unbehilflicher Kindheit.
Also hab‘ ich so manches durchstrebt, und so manches erduldet,
Deinethalb; ich bedachte, wie eigene Kinder die Götter
Mir versagt, und wählte, du göttergleicher Achilleus,
495
Dich zum Sohn, daß du einst vor traurigem Schicksal mich schirmtest.
Zähme dein großes Herz, o Achilleus! Nicht ja geziemt dir
Unerbarmender Sinn; oft wenden sich selber die Götter,
Die doch weit erhabner an Herrlichkeit, Ehr‘ und Gewalt sind.
Diese vermag durch Räuchern und demutsvolle Gelübde,
500
Durch Weinguß und Gedüft, der Sterbliche umzulenken,
Flehend, nachdem sich einer versündiget oder gefehlet.
Denn die reuigen Bitten sind Zeus‘ des Allmächtigen Töchter,
Welche lahm und runzlig und scheeles Blicks einhergehn,
Und stets hinter der Schuld den Gang zu beschleunigen streben.
505
Aber die Schuld ist frisch und hurtig zu Fuß; denn vor allen
Weithin läuft sie voraus, und zuvor in jegliches Land auch
Kommt sie, schadend den Menschen; doch jen‘ als heilende folgen.
Wer nun mit Scheu aufnimmt die nahenden Töchter Kronions,
Diesem helfen sie sehr, und hören auch seines Gebetes.
510
Doch wenn einer verschmäht, und trotziges Sinnes sich weigert;
Jetzo flehn die Bitten, zu Zeus Kronion gewendet,
Daß ihm folge die Schuld, bis er durch Schaden gebüßet.
Aber gewähr‘, Achilleus, auch du den Töchtern Kronions
Ehre, die auch Andrer und Tapferer Herz gebeugt hat.
515
Denn wofern nicht Gaben er böt‘, und künftig verhieße,
Atreus‘ Sohn, und stets in feindlichem Sinne beharrte;
Nimmer fürwahr begehrt‘ ich, daß leicht wegwerfend den Zorn du
Argos Volk abwehrtest die Not, wie sehr sie’s bedürften.
Doch nun gibt er ja vieles sogleich, und andres verheißt er;
520
Sandt‘ auch, dich zu erflehen, daher die edelsten Männer,
Die er in Argos Volk auswählete, weil sie die liebsten
Aller Achaier dir sind. Du verschmäh‘ nicht diesen die Rede,
Oder den Gang. Nicht war ja zuvor unbillig dein Zürnen.
Also hörten wir auch in der Vorzeit rühmen die Männer
525
Göttliches Stamms, wenn einer zu heftigem Zorn sich ereifert;
Doch versöhnten sie Gaben und mild zuredende Worte.
Einer Tat gedenk‘ ich von alters her, nicht von neulich,
Wie sie geschah; ich will sie vor euch, ihr Lieben, erzählen.
Mit den Kureten stritt der Ätolier mutige Heerschar
530
Einst um Kalydons Stadt, und sie würgten sich untereinander:
Denn die Ätolier kämpften für Kalydons liebliche Feste,
Weil der Kureten Volk sie mit Krieg zu verheeren entbrannt war.
Artemis sandte das Weh, die goldenthronende Göttin,
Zürnend, daß ihr kein Opfer der Ernt‘ auf fruchtbarem Acker
535
Öneus bracht‘; ihm genossen die Himmlischen all Hekatomben;
Ihr nur opfert‘ er nicht, der Tochter Zeus‘ des Erhabnen,
Achtlos, oder vergessend; doch groß war seine Verschuldung.
Jene darauf voll Zorns, die Unsterbliche, froh des Geschosses,
Reizt‘ ihm ein borstenumstarrt Waldschwein mit gewaltigen Hauern,
540
Das viel Böses begann, des Öneus Äcker durchstürmend.
Viel hochragende Bäume hinab warf’s übereinander
Samt den Wurzeln zur Erd‘, und samt den Blüten des Obstes.
Endlich erschlug den Verderber des Öneus‘ Sohn Meleagros,
Der aus vielen Städten die mutigsten Jäger und Hunde
545
Sammelte; denn nie hätt‘ er mit kleinerer Schar es bezwungen,
Jenes Gewild, das viel‘ auf die traurigen Scheiter geführet.
Artemis aber erregt‘ ein großes Getös‘ und Getümmel
Über des Ebers Haupt und borstenstarrende Hülle,
Zwischen dem Volk der Kureten und hochgesinnten Ätoler.
550
Weil nunmehr Meleagros der Streitbare mit in die Feldschlacht
Zog, traf stets die Kureten das Unheil; und sie vermochten
Nicht mehr außer der Mauer zu stehn, so viel sie auch waren.
Doch da von Zorn Meleagros erfüllt ward, welcher auch andern
Oft anschwellt im Busen das Herz, den Verständigsten selber;
555
Jener nunmehr, Groll tragend der leiblichen Mutter Althäa,
Ruhte daheim bei der Gattin, der rosigen Kleopatra,
Die von der raschen Marpissa erwuchs, der Tochter Euenos,
Und dem gewaltigen Idas, dem tapfersten Erdebewohner
Jener Zeit; denn selbst auf den herrschenden Phöbos Apollon
560
Hatt‘ er den Bogen gespannt, um das leichthinwandelnde Mägdlein.
Jene ward im Palaste darauf von Vater und Mutter
Mit Zunamen genannt Alkyone, weil ihr die Mutter
Einst das Jammergeschick der Alkyon traurig erduldend,
Weinete, da sie entführt der treffende Phöbos Apollon.
565
Bei ihr ruhete jener, das Herz voll nagendes Zornes,
Hart gekränkt ob der Mutter Verwünschungen, welche die Götter
Angefleht viel seufzend, um ihres Bruders Ermordung:
Viel mit den Händen auch schlug sie die nahrungsprossende Erde,
Rufend zu Aïdes Macht und der schrecklichen Persephoneia,
570
Hingesenkt auf die Knie‘, und netzte sich weinend den Busen,
Tod zu senden dem Sohn; und die wütende grause Erinnys
Hört‘ aus dem Erebos sie, das nachtdurchwandelnde Scheusal.
Schnell nun erscholl um die Tore der feindliche Sturm, und die Türme
Rasselten laut von Geschoß. Da kamen Ätoliens Greise
575
Flehend zu ihm, und sandten die heiligsten Priester der Götter,
Daß er zum Kampf auszög‘, ein großes Geschenk ihm verheißend.
Wo die fetteste Flur der lieblichen Kalydon prange,
Dort geboten sie ihm ein stattliches Gut sich zu wählen,
Fünfzig Morgen umher: die Hälft‘ an Rebengefilde,
580
Und die Hälft‘ unbeschattetes Land für die Saat zu durchschneiden.
Viel auch flehet‘ ihm selbst der graue reisige Öneus,
Steigend hinan die Schwelle der hochgewölbeten Kammer,
Schütternd die festeinfugende Pfort‘, und jammernd zum Sohne.
Viel auch die Schwestern zugleich und die ehrfurchtwürdige Mutter
585
Fleheten ihm; doch mehr nur verweigert‘ er; viel auch die Freunde,
Welche stets vor allen geliebt ihm waren und teuer.
Dennoch konnten sie nicht sein Herz im Busen bewegen;
Bis schon häufig die Kammer Geschoß traf, schon auf die Türme
Klomm der Kureten Volk, und die Stadt rings flammte von Feuer.
590
Jetzo bat den Helden die schöngegürtete Gattin,
Flehend mit Jammerton, und nannt‘ ihm alle das Elend,
Das unglückliche Menschen umringt in eroberter Feste:
Wie man die Männer erschlägt, und die Stadt mit Flammen verwüstet,
Auch die Kinder entführt, und die tiefgegürteten Weiber.
595
Jetzt ward rege sein Herz, da so schreckliche Taten er hörte.
Eilend ging er, und hüllte das strahlende Waffengeschmeid‘ um.
Also wandt‘ er nunmehr den bösen Tag der Ätoler,
Folgend dem eigenen Mut; doch gaben sie nicht die Geschenk‘ ihm,
Viel‘ und köstliches Wertes, umsonst nun wandt‘ er das Übel.
600
Nicht so denke du mir, mein Trautester; laß dir den Dämon
Nicht dorthin verleiten das Herz! Weit schlechter ja wär‘ es,
Wenn du die brennenden Schiffe verteidigtest! Nein, für Geschenke
Komm; dann ehren dich rings, wie einen Gott, die Achaier.
Doch wenn sonder Geschenk in die mordende Schlacht du hineingehst;
605
Nicht mehr gleich wird Ehre dir sein, wie mächtige du obsiegst.
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Phönix, mein alter Vater, du Göttlicher, wenig bedarf ich
Jener Ehr‘; ich meine, daß Zeus‘ Ratschluß mich geehret!
Diese dauert bei den Schiffen der Danaer, weil mir der Atem
610
Meinen Busen noch hebt, und Kraft in den Knieen sich reget.
Eines verkünd ich dir noch, und du bewahr‘ es im Herzen.
Störe mir nicht die Seele mit jammernder Klag‘ und Betrübnis,
Atreus‘ Heldensohn zu begünstigen. Wenig geziemt dir’s,
Daß du ihn liebst; du möchtest in Haß die Liebe mir wandeln.
615
Besser daß du mit mir den kränkst, der mich selber gekränket!
Gleich mir herrsche hinfort, und empfang die Hälfte der Ehre.
Diese verkünden es schon; du lege dich auszuruhen
Hier auf weichem Lager. Sobald der Morgen sich rötet,
Halten wir Rat, ob wir kehren zum Unsrigen, oder noch bleiben.
620
Sprach’s, und gebot dem Patroklos geheim mit deutenden Wimpern,
Phönix ein wärmendes Bett zu beschleunigen; daß sie der Heimkehr
Schnell aus seinem Gezelt sich erinnerten. Eilend begann nun
Ajas, der göttliche Sohn des Telamon, vor der Versammlung:
Edler Laertiad‘, erfindungsreicher Odysseus,
625
Laß uns gehn; denn schwerlich, so scheint’s, wird jetzo der Endzweck
Unseres Weges erreicht; zu verkündigen aber in Eile
Ziemt’s das Wort den Achaiern, wiewohl es wenig erfreuet;
Denn sie sitzen gewiß, und erwarten uns. Aber Achilleus
Trägt ein Herz voll Stolzes und Ungestüms in dem Busen!
630
Grausamer! nichts bewegt ihn die Freundschaft seiner Genossen,
Die wir stets bei den Schiffen ihn hochgeehrt vor den andern!
Unbarmherziger Mann! Sogar für des Bruders Ermordung,
Oder des toten Sohns, empfing wohl mancher die Sühnung;
Dann bleibt jener zurück in der Heimat, vieles bezahlend;
635
Aber bezähmt wird diesem der Mut des erhabenen Herzens,
Wann er die Sühnung empfing. Allein dir gaben ein hartes
Unversöhnliches Herz die Unsterblichen, wegen des einen
Mägdleins! Bieten wir dir doch sieben erlesene Jungfraun,
Auch viel andres dazu! O sei doch erbarmendes Herzens;
640
Ehr‘ auch den heiligen Herd: wir sind dir Gäste des Hauses
Ans der Danaer Volk, und achten es groß, vor den andern
Nahe verwandt dir zu sein, und die wertesten aller Achaier.
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Ajas, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter,
645
Alles hast du beinahe mir selbst aus der Seele geredet.
Aber es schwillt mein Herz von Galle mir, wenn ich des Mannes
Denke, der mir so schnöde vor Argos‘ Volke getan hat,
Atreus‘ Sohn, als wär‘ ich ein ungeachteter Fremdling.
Ihr demnach geht hin, und verkündiget dort die Botschaft.
650
Denn nicht eher gedenk‘ ich des Kampfs und der Männerermordung,
Ehe des waltenden Priamos‘ Sohn, der göttliche Hektor,
Schon die Gezelt‘ und Schiffe der Myrmidonen erreicht hat,
Argos‘ Volk hinmordend, und Glut in den Schiffen entflammt.
Doch wird, hoff‘ ich, bei meinem Gezelt und dunkelen Schiffe
655
Hektor, wie eifrig er ist, sich wohl enthalten des Kampfes.
Jener sprach’s; und jeglicher nahm den doppelten Becher,
Sprengt‘, und ging zu den Schiffen gewandt; sie führet‘ Odysseus.
Aber Patroklos befahl den Genossen umher und den Mägden,
Phönix ein wärmendes Bett zu beschleunigen, ohne Verweilen.
660
Ihm gehorchten die Mägd‘, und breiteten emsig das Lager,
Wollige Vlies‘, und die Deck‘, und der Leinwand zarteste Blume.
Dort nun ruhte der Greis, die heilige Früh‘ erwartend.
Aber Achilleus schlief im innern Gemach des Gezeltes;
Und ihm ruhte zur Seit‘ ein rosenwangiges Mägdlein,
665
Das er in Lemnos gewann, des Forbas Kind, Diomede.
Auch Patroklos legt‘ ihm entgegen sich; aber zur Seit‘ ihm
Iphis hold und geschmückt, die der Peleion‘ ihm geschenket,
Als er Skyros bezwang, die erhabene Stadt des Enyeus.
Jene, nachdem sie erreicht die Kriegsgezelt‘ Agamemnons,
670
Grüßte mit goldenen Bechern die Schar der edlen Achaier,
Andere anderswoher entgegeneilend und fragend.
Aber zuerst erforschte der Völkerfürst Agamemnon:
Sprich, preisvoller Odysseus, erhabener Ruhm der Achaier,
Will er vielleicht abwehren die feindliche Glut von den Schiffen?
675
Oder versagt er, und nähret den Zorn des erhabenen Herzens?
Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Noch will jener den Zorn nicht bändigen, sondern nur höher
Schwillt ihm der Mut; dein achtet er nicht, noch deiner Geschenke.
680
Selber heißer er dich mit Argos‘ Söhnen erwägen,
Wie du die Schiffe zu retten vermögst und das Volk der Achaier.
Aber er selber droht, sobald der Morgen sich rötet,
Nieder ins Meer zu ziehen die schöngebordeten Schiffe.
Auch den übrigen möcht‘ er ein ratsames Wort zureden,
685
Heim in den Schiffen zu gehn: nie findet ihr doch der erhabnen
Ilios Untergang; denn der waltende Zeus Kronion
Deckt sie mit schirmender Hand, und mutvoll trotzen die Völker.
Also sprach er; auch diese bezeugen es, welche mir folgten,
Ajas und beid‘ Herolde zugleich, die verständigen Männer.
690
Phönix der Greis blieb dort, und legte sich; denn so gebot er:
Daß er mit ihm heimschiffe zum lieben Lande der Väter
Morgen, wenn’s ihm gefällt; denn nicht aus Zwang soll er mitgehn.
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen,
Hoch das Wort anstaunend; denn kraftvoll hatt‘ er geredet.
695
Lange saßen verstummt die bekümmerten Männer Achaias.
Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Hättest du nie doch gefleht dem untadligen Peleionen,
Reiche Geschenk‘ ihm verheißend! Denn stolz ist jener ja so schon;
700
Und nun hast du noch mehr im stolzen Sinn ihn bekräftigt.
Doch fürwahr ich denke, wir lassen ihn; ob er hinweggeht,
Oder bleibt. Dann wird er zur Feldschlacht wieder mit ausziehn,
Wann sein Herz im Busen gebeut, und ein Gott ihn erreget.
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
705
Jetzo geht zur Ruhe, nachdem ihr das Herz euch erfreuet
Nährender Kost und Weines; denn Kraft ist solches und Stärke.
Aber sobald nun Eos mit Rosenfingern emporstrahlt;
Ordne du schnell vor den Schiffen die Reisigen so wie das Fußvolk,
Muntre sie auf, und kühn mit den vordersten kämpfe du selber.
710
Jener sprach’s; und umher die Könige riefen ihm Beifall,
Hoch das Wort anstaunend von Tydeus‘ Sohn Diomedes.
Als sie des Tranks nun gesprengt, da kehrten sie heim in die Zelte,
Jeder ruhete dort, und empfing die Gabe des Schlafes.

Achter Gesang

Achter Gesang

Den versammelten Göttern verbietet Zeus, weder Achaiern noch Troern beizustehn, und fährt zum Ida. Schlacht. Zeus wägt den Achaiern Verderben, und schreckt sie mit dem Donner. Here bittet den Poseidon umsonst, den Achaiern zu helfen. Die Achaier in die Verschanzung gedrängt. Agamemnon und ein Zeichen ermuntert sie zum neuen Angriff. Teukros streckt viele mit dem Bogen, und wird von Hektor verwundet. Die Achaier von neuem in die Verschanzung getrieben. Here und Athene fahren vom Olympos den Achaiern zu Hilfe. Zeus befiehlt ihnen durch Iris umzukehren. Er selbst zum Olympos gekehrt droht den Achaiern noch größere Niederlage. Hektor mit den siegenden Troern übernachtet vor dem Lager.

Eos im Safrangewand‘ erleuchtete rings nun die Erde,
Als der Donnerer Zeus die Unsterblichen rief zur Versammlung
Auf den obersten Gipfel des vielgezackten Olympos.
Selbst nun begann er den Rat; und die Himmlischen horchten ihm alle.
5
Hört mein Wort, ihr Götter umher, und ihr Göttinnen alle,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Keine der Göttinnen nun erhebe sich, keiner der Götter,
Trachtend, wie dies mein Wort er vereitele; sondern zugleich ihr
Stimmt ihm bei, daß ich eilig Vollendung schaffe dem Werke!
10
Wen ich jetzt von den Göttern gesondertes Sinnes erkenne,
Daß er geht, und Troer begünstiget, oder Achaier;
Schmählich geschlagen fürwahr kehrt solcher mir heim zum Olympos!
Oder ich fass‘ und schwing‘ ihn hinab in des Tartaros Dunkel,
Ferne, wo tief sich öffnet der Abgrund unter der Erde:
15
Den die eiserne Pforte verschleußt und die eherne Schwelle,
So weit unter dem Aïs, wie über der Erd‘ ist der Himmel!
Dann vernimmt er, wie weit ich der Mächtigste sei vor den Göttern!
Auf wohlan, ihr Götter, versucht’s, daß ihr all‘ es erkennet,
Eine goldene Kette befestigend oben am Himmel;
20
Hängt dann all‘ ihr Götter euch an, und ihr Göttinnen alle:
Dennoch zögt ihr nie vom Himmel herab auf den Boden
Zeus den Ordner der Welt, wie sehr ihr rängt in der Arbeit!
Aber sobald auch mir im Ernst es gefiele zu ziehen;
Selbst mit der Erd‘ euch zög‘ ich empor, und selbst mit dem Meere;
25
Und die Kette darauf um das Felsenhaupt des Olympos
Bänd‘ ich fest, daß schwebend das Weltall hing‘ in der Höhe!
So weit rag‘ ich vor Göttern an Macht, so weit vor den Menschen!
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen,
Hoch das Wort anstaunend; denn kraftvoll hatt‘ er geredet.
30
Endlich erwiderte Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Unser Vater Kronion, o du, der Gebietenden höchster,
Wohl ja erkennen auch wir, wie an Macht unbezwinglich du waltest.
Aber es jammern uns der Danaer streitbare Völker,
Welche das böse Geschick nunmehr vollendend verschwinden.
35
Dennoch entziehn wir hinfort dem Gefecht uns, wenn du gebietest;
Rat nur wollen wir geben den Danaern, welcher gedeihe,
Daß nicht all‘ hinschwinden vor deinem gewaltigen Zorne.
Lächelnd erwiderte drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Fasse dich, Tritogeneia, mein Töchterchen! Nicht mit des Herzens
40
Meinung sprach ich das Wort; ich will dir freundlich gesinnt sein!
Jener sprach’s und schirrt‘ in das Joch erzhufige Rosse,
Stürmendes Flugs, umwallt von goldener Mähne die Schultern;
Selbst dann hüllt‘ er in Gold sich den Leib, und faßte die Geißel,
Schön aus Golde gewirkt, und trat in den Sessel des Wagens.
45
Treibend schwang er die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse,
Zwischen der Erd‘ einher und dem sternumleuchteten Himmel.
Schnell den Ida erreicht‘ er, den quelligen Nährer des Wildes,
Gargaros, wo ihm pranget ein Hain und duftender Altar.
Dort nun hielt der Vater des Menschengeschlechts und der Götter,
50
Löste die Rosse vom Wagen, und breitete dichtes Gewölk aus.
Selber setzt‘ er nunmehr auf die Höhe sich, freudiges Trotzes,
Und umschaute der Troer Stadt, und die Schiffe Achaias.
Jene nun nahmen das Mahl, die hauptumlockten Achaier,
Rasch in den Zelten umher, und hüllten sodann ihr Geschmeid‘ um.
55
So auch dort die Troer in Ilios faßten die Waffen,
Weniger zwar, doch entbrannt zum blutigen Kampf der Entscheidung,
Durch hartdringende Not; denn es galt für Weiber und Kinder.
Ringsum standen geöffnet die Tor‘, und es stürzte das Kriegsheer,
Streiter zu Fuß und zu Wagen, hinaus mit lautem Getümmel.
60
Als sie nunmehr anstrebend auf einem Raum sich begegnet;
Trafen zugleich Stierhäut‘, und Speere zugleich, und die Kräfte
Rüstiger Männer in Erz; und die hochgenabelten Schilde
Naheten dichtgedrängt; und umher stieg lautes Getös‘ auf.
Jetzo erscholl Wehklagen und Siegsgeschrei miteinander,
65
Würgender dort und Erwürgter; und Blut umströmte die Erde.
Weil noch Morgen es war, und der heilige Tag emporstieg;
Hafteten jegliches Heeres Geschoss‘, und es sanken die Völker.
Aber nachdem die Sonne den Mittagshimmel erstiegen;
Jetzo streckte der Vater empor die goldene Waage,
70
Legt‘ in die Schalen hinein zwei finstere Todeslose,
Trojas reisigem Volk und den erzumschirmten Achaiern,
Faßte die Mitt‘, und wog: da lastete schnell der Achaier
Schicksalstag, daß die Schale zur nahrungsprossenden Erde
Niedersank, und der Troer zum weiten Himmel emporstieg.
75
Laut vom Ida herab nun donnert‘ er, und sein entbrannter
Strahl durchzuckte das Heer der Danaer; jen‘ ihn erblickend
Starreten auf, und alle durchschauerte bleiches Entsetzen.
Nicht Idomeneus selber verweilt itzt, nicht Agamemnon,
Nicht die Ajas wagten zu stehn, die Genossen des Ares.
80
Nestor allein noch stand, der gerenische Hort der Achaier,
Ungern, weil ihm verletzt war ein Roß: das traf mit dem Pfeile
Alexandros der Held, der lockigen Helena Gatte,
Grad‘ in die Scheitel des Haupts, wo zuerst die Mähne der Rosse
Vorn dem Schädel entwächst, und am tödlichsten ist die Verwundung.
85
Angstvoll bäumt‘ es empor, weil tief der Pfeil ins Gehirn drang,
Und verwirrte die Ross‘, um das Erz in der Wunde sich wälzend.
Während der Greis die Stränge dem Nebenroß mit dem Schwerte
Abzuhaun sich erhub; kam Hektors schnelles Gespann ihm
Durch die Verfolgung daher, mit dem unerschrockenen Lenker,
90
Hektor! Dort nun hätte der Greis sein Leben verloren,
Wenn nicht schnell ihn bemerkt der Rufer im Streit Diomedes.
Furchtbar jetzt ausrufend, ermahnt‘ er so den Odysseus:
Edler Laertiad‘, erfindungsreicher Odysseus,
Wohin fliehst du, den Rücken gewandt, wie ein Feiger im Schwarme?
95
Daß nur keiner den Speer dir Fliehenden heft‘ in die Schulter!
Bleib doch, und hilf vom Greise den schrecklichen Mann mir entfernen!
Jener sprach’s; nicht hörte der herrliche Dulder Odysseus,
Sondern er stürmte vorbei zu den räumigen Schiffen Achaias.
Doch der Tydeid‘, auch selber allein, drang kühn in den Vorkampf,
100
Stellte sich nun vor die Rosse des neleiadischen Greises,
Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:
Wahrlich, o Greis, sehr hart umdrängen dich jüngere Männer!
Deine Kraft ist gelöst, und mühsames Alter beschwert dich;
Auch ist schwach dein Wagengefährt, und ermüdet die Rosse.
105
Auf denn, zu meinem Geschirr erhebe dich, daß du erkennest,
Wie doch troische Rosse gewandt sind, durch die Gefilde
Dort zu sprengen und dort, in Verfolgungen und in Entfliehung:
Die ich jüngst von Äneias errang, dem Schreckengebieter.
Jene laß den Gefährten zur Obhut; wir mit den Meinen
110
Wollen den reisigen Troern entgegen gehn, daß auch Hektor
Lern‘, ob mir selber vielleicht auch wüte der Speer in den Händen!
Sprach’s; und ihm folgete gern der gerenische reisige Nestor.
Jetzt die nestorischen Rosse besorgeten beide Gefährten,
Sthenelos, tapferes Muts, und Eurymedon, glühend vor Ehrsucht.
115
Jene dann traten zugleich in das rasche Geschirr Diomedes‘.
Nestor faßt‘ in die Hände die purpurschimmernden Zügel,
Schwang dann die Geißel zum Lauf; und bald erreichten sie Hektor.
Ihm, wie er grad‘ andrang, entsandte den Speer Diomedes;
Und er verfehlt‘ ihn zwar; doch dem wagenlenkenden Diener,
120
Jenem Eniopeus, dem Sohn des erhabnen Thebäos,
Als er hielt das Gezäum, durchschoß er die Brust an der Warze;
Und er entsank dem Geschirr, und zurück ihm zuckten die Rosse,
Fliegendes Laufs; ihm aber erlosch der Geist und die Stärke.
Hektors Seele durchdrang der bittere Schmerz um den Lenker;
125
Dennoch ließ er ihn dort, wie sehr er traurte des Freundes,
Liegen; und forscht‘, ob irgend ein mutiger Lenker erschiene;
Und nicht lang‘ ihm entbehrten die Rosse der Hut, denn er fand nun
Iphitos‘ mutigen Sohn Archeptolemos: eilend ihn hieß er
Steigen ins rasche Geschirr, und reicht‘ in die Hand ihm die Zügel.
130
Jetzt wär‘ entschieden der Kampf und unheilbare Taten vollendet,
Und sie zusammengescheucht in Ilios, gleich wie die Lämmer;
Schauete nicht der Vater des Menschengeschlechts und der Götter.
Furchtbar erscholl sein Donner daher, und der leuchtende Strahl schlug
Schmetternd hinab in den Grund vor dem raschen Gespann Diomedes:
135
Schrecklich lodert‘ empor die schweflichte Flamme des Himmels;
Und wild bebten in Angst die Rosse zurück vor dem Wagen.
Nestors Hand entsanken die purpurschimmernden Zügel,
Und er erschrak im Herzen, und sprach zum Held Diomedes:
Tydeus‘ Sohn, auf! wende zur Flucht die stampfenden Rosse!
140
Oder erkennest du nicht, daß Zeus nicht Sieg dir gewähret?
Jetzo zwar wird jener von Zeus Kronion verherrlicht,
Heut‘; doch künftig werden wir selbst auch, wenn’s ihm gelüstet,
Wieder geehrt! Darf keiner doch Zeus‘ Ratschlüsse verhindern,
Nicht der Gewaltigste Selbst; denn er ist mächtig vor allen!
145
Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Diomedes:
Wahrlich, o Greis, du hast wohlziemende Worte geredet;
Aber ein heftiger Schmerz durchdringt mir die Tiefe des Herzens!
Hektor sagt nun hinfort in des troischen Volkes Versammlung:
Tydeus‘ Sohn ist vor mir hinabgeflohn zu den Schiffen!
150
Also trotzt er hinfort; dann reiße sich weit mir die Erd‘ auf!
Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Wehe mir, Tydeus‘ Sohn, des Feurigen, welcherlei Rede!
Denn wofern dich Hektor auch feig‘ einst nennet und kraftlos,
Niemals glauben ihm doch die Troer und Dardanionen,
155
Oder die Fraun der Troer, der schildgewappneten Streiter,
Welchen umher in den Staub die blühenden Männer du strecktest.
Jener sprach’s, und wandte zur Flucht die stampfenden Rosse
Durch die Verfolgung zurück; nach stürmeten Troer und Hektor
Mit graunvollem Geschrei, und schütteten herbe Geschosse.
160
Aber es rief lauttönend der helmumflatterte Hektor:
Tydeus‘ Sohn, dich ehrten die reisigen Helden Achaias
Hoch an Sitz, und an Fleisch, und vollgegossenen Bechern.
Künftig verachten sie dich; wie ein Weib erscheinest du jetzo!
Fort, du zagendes Mädchen! denn nie, mich selber vertreibend,
165
Steigst du die Mauren hinan von Ilios, oder entführest
Uns die Weiber im Schiff; zuvor dir send‘ ich den Dämon!
Jener sprach’s; da erwog mit wankendem Sinn Diomedes,
Ob er die Ross‘ umlenkt‘, und kühn entgegen ihm kämpfte.
Dreimal sann er umher in des Herzens Geist und Empfindung;
170
Dreimal erscholl vom Ida das Donnergetön des Kronion,
Trojas Volk ankündend der Schlacht abwechselnden Siegsruhm.
Hektor anjetzt ermahnte mit lautem Rufe die Troer:
Troer, und Lykier ihr, und Dardaner, Kämpfer der Nähe,
Seid nun Männer, o Freund‘, und gedenkt des stürmenden Mutes!
175
Denn ich erkenne, wir mir voll Huld zuwinkte Kronion
Sieg und erhabenen Ruhm, doch Schmach den Achaiern und Unheil.
Törichte, welche nunmehr zum Schutz sich erfanden die Mauer,
Schwach und verachtungswert, die nichts vor meiner Gewalt ist!
Denn mir springen die Rosse mit Leichtigkeit über den Graben!
180
Aber sobald ich dort den gebogenen Schiffen genahet,
Dann gedenke man wohl für brennendes Feuer zu sorgen;
Daß ich die Schiff‘ anzünde mit Glut, und sie selber ermorde,
Argos‘ Söhn‘ um die Schiffe, betäubt im Dampfe des Brandes!
Jener sprach’s; und die Ross‘ ermahnet‘ er, laut ausrufend:
185
Xanthos, und du Podargos, und mutiger Lampos, und Äthon,
Jetzt die reichliche Pflege vergeltet mir, welche mit Sorgfalt
Euch Andromache gab, des hohen Eëtions Tochter;
Da sie zuerst vor euch den lieblichen Weizen geschüttet,
Auch des Weines gemischt, nach Herzenswunsche zu trinken,
190
Eher denn mir, der doch ihr blühender Gatte sich rühmet!
Auf denn, mit großer Gewalt, und verfolget sie: daß wir erobern
Nestors strahlenden Schild, des Ruhm nun reichet zum Himmel,
Golden sei die Wölbung umher, und die Stangen des Schildes;
Auch herab von der Schulter dem reisigen Held Diomedes
195
Jenen künstlichen Harnisch, den selbst Hephästos geschmiedet!
Würd‘ uns solches ein Raub, dann hofft‘ ich wohl, die Achaier
Möchten die Nacht noch steigen in leichthinsegelnde Schiffe!
Also jauchzet‘ er laut; da zürnt‘ ihm die Herrscherin Here,
Wandte sich heftig im Thron, und erschütterte weit den Olympos.
200
Drauf zu Poseidaon, dem mächtigen Gotte begann sie:
Wehe mir, Erderschüttrer, Gewaltiger, wenden auch dir nicht
Argos sinkende Scharen das Herz im Busen zu Mitleid?
Bringen sie doch gen Ägä und Helike dir der Geschenke
Viel‘ und erfreuende stets! O gönne du ihnen den Sieg nun!
205
Denn wenn wir nur wollten, der Danaer sämtliche Helfer,
Trojas Volk wegdrängen, und Zeus dem Donnerer steuern;
Traun bald säß‘ er daselbst sich einsam härmend auf Ida!
Unmutsvoll nun begann der Erderschüttrer Poseidon:
Welch ein Wort, o Here, Verwegene, hast du geredet!
210
Nimmermehr verlang‘ ich mit Zeus Kronion zu kämpfen,
Ich und die anderen hier; denn er ist mächtig vor allen!
Also redeten jen‘ im Wechselgespräch miteinander.
Dort so weit von den Schiffen zum Wall und Graben sich hinstreckt,
Voll war’s rings von Rossen und schildgewappneten Männern,
215
Dichtgedrängt; denn es drängte, dem stürmenden Ares vergleichbar,
Hektor, Priamos‘ Sohn, nachdem Zeus Ruhm ihm gewährte.
Und nun hätt‘ er verbrannt in lodernder Flamme die Schiffe,
Legete nicht Agamemnon ins Herz die erhabene Here,
Ihm der auch selbst umeilte, die Danaer schnell zu ermuntern.
220
Schleunig ging er hinab der Danaer Schiff‘ und Gezelte,
Haltend in nervichter Hand den großen purpurnen Mantel,
Und er betrat des Odysseus‘ gewaltiges dunkeles Meerschiff,
Welches die Mitt‘ einnahm daß beiderseits sie vernähmen,
Dort zu Ajas Gezelten hinab, des Telamoniden,
225
Dort zu des Peleionen, die beid‘ an den Enden ihr Schiffheer
Aufgestellt, hochtrotzend auf Mut und Stärke der Hände.
Laut erscholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:
Schande doch, Argos Volk, ihr Verworfenen, trefflich an Bildung!
Wo ist jetzo der Ruhm, da wir uns Tapfere priesen;
230
Was ihr vordem in Lemnos mit nichtiger Rede geprahlet,
Schmausend das viele Fleisch der hochgehörneten Rinder,
Und ausleerend die Krüge, zum Rand mit Weine gefüllet?
Gegen hundert der Troer, ja selbst zweihundert, vermaß sich
Jeder im Kampfe zu stehn! Nicht einem auch gelten wir jetzo,
235
Hektor, der bald die Schiffe verbrennt in loderndem Feuer!
Hast du, o Vater Zeus, je einen gewaltigen König
So beladen mit Fluch, und des herrlichen Ruhms ihn beraubet?
Weißt du doch, wie ich nie vor deinem prangenden Altar
Im vielrudrigen Schiff hinsteuerte, als ich hieherkam;
240
Nein auf allen verbrannt‘ ich der Stiere Fett und die Schenkel,
Wünschend hinwegzutilgen die festummauerte Troja.
Aber, o Zeus, gewähre mir doch nur dieses Verlangen:
Laß uns wenigstens selber errettet sein und entfliehen,
Und nicht so hinsinken vor Trojas Macht die Achaier!
245
Jener sprach’s; da jammerte Zeus des weinenden Königs;
Und er winkt‘ ihm Errettung der Danaer, nicht ihr Verderben.
Schnell den Adler entsandt‘ er, die edelste Vorbedeutung;
Dieser trug in den Klauen ein Kind der flüchtigen Hindin,
Und vor Zeus‘ Altar, den prangenden, warf er das Hirschkalb,
250
Wo dem enthüllenden Zeus die Danaer pflegten zu opfern.
Jene, sobald sie gesehn, wie von Zeus herschwebte der Vogel,
Drangen gestärkt in der Troer Gewühl, und entbrannten vor Streitlust.
Keiner rühmte sich nun, so viel auch Danaer waren,
Daß vor Tydeus‘ Sohn er gelenkt die hurtigen Rosse,
255
Vorgesprengt ans dem Graben, und kühn entgegen gekämpfet;
Sondern zuerst den Troern ermordet‘ er einen der Kämpfer,
Fradmons‘ Sohn Agelaos: zur Flucht dort wandt‘ er die Rosse;
Doch dem Gewendeten stieß der Tydeide den Speer in den Rücken,
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;
260
Und er entsank dem Geschirr, und es rasselten um ihn die Waffen.
Hinter ihm Atreus‘ Söhn‘, Agamemnon und Menelaos;
Drauf die Ajas zugleich, mit trotzigem Mute gerüstet;
Dann Idomeneus selbst, und Idomeneus‘ Kriegesgenoß auch,
Held Meriones, gleich dem männermordenden Ares;
265
Auch Eurypylos dann, der glänzende Sohn des Euämon;
Teukros auch kam der neunte, gespannt den schnellenden Bogen,
Hinter des Ajas‘ Schilde gestellt, des Telamoniden:
Oft daß Ajas den Schild ihm hinweghob; aber der Held dort
Schaut‘ umher, und sobald sein Todesgeschoß im Getümmel
270
Traf, dann taumelte jener dahin, sein Leben verhauchend;
Doch er eilte zurück, wie ein Kind an die Mutter sich schmieget,
Nah an Ajas gedrängt, der mit strahlendem Schild‘ ihn bedeckte.
Wen nun traf von den Troern zuerst der untadliche Teukros?
Erst den Orsilochos traf er, und Ormenos, auch Ophelestes,
275
Dätor und Chromios auch, und den göttlichen Held Lykophontes,
Auch Polyämons Sohn Hamopaon, auch Melanippos:
All‘ aneinander gestürzt zur nahrungsprossenden Erde.
Ihn nun sah mit Freude der Völkerfürst Agamemnon,
Wie er mit starkem Geschoß die troischen Reihen vertilgte;
280
Nahe trat er hinan, und sprach zu jenem die Worte:
Teukros, edelster Freund, Telamonier, Völkergebieter,
Triff so fort, und werde der Danaer Licht, und des Vaters
Telamon auch, der in Liebe dich nährete, als du ein Kind warst,
Und, der Dienerin Sohn, dich pflegt in seinem Palaste:
285
Ihn, den Entferneten nun, erhebe zu glänzendem Ruhme!
Denn ich verkündige dir, und das wird wahrlich vollendet.
Wenn mir solches gewährt der Donnerer Zeus und Athene,
Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser;
Werd‘ ich zuerst nach mir die geehrteste Gabe dir reichen:
290
Ob es ein Dreifuß sei, ob ein rasches Gespann mit dem Wagen,
Oder ein blühendes Weib, das dir dein Lager besteige.
Jener sprach’s; ihm erwiderte schnell der untadliche Teukros:
Atreus‘ Sohn, Ruhmvoller, warum, da ich selber ja strebe,
Treibst du mich an? Nichts wahrlich, so viel die Kraft mir gewähret,
295
Zauder‘ ich; sondern seitdem gen Ilios jene wir drängen,
Hab‘ ich feindliche Männer mit zielendem Bogen getötet.
Acht schon hab‘ ich versandt der langgespitzten Geschosse,
Und sie hafteten all‘ in streitbarer Jünglinge Leibern.
Jenen nur nicht vermag ich, den wütenden Hund zu erreichen!
300
Sprach’s, und sandt‘ ein andres Geschoß von der Senne des Bogens,
Grad‘ auf Hektor dahin, mit herzlichem Wunsch ihn zu treffen.
Und er verfehlt‘ ihn zwar; doch den edlen Gorgythion traf er,
Priamos‘ tapferen Sohn, ihm die Brust mit dem Pfeile durchbohrend:
Welchen ein Nebenweib, aus Äsyme gewählt, ihm geboren,
305
Kastianeira die Schön‘, an Gestalt den Göttinnen ähnlich.
So wie der Mohn zur Seite das Haupt neigt, welcher im Garten
Steht, von Wuchs belastet, und Regenschauer des Frühlings:
Also neigt‘ er zur Seite das Haupt, vom Helme beschweret.
Teukros sandt‘ ein andres Geschoß von der Senne des Bogens
310
Grad‘ auf Hektor dahin, mit herzlichem Wunsch ihn zu treffen.
Aber auch jetzt verfehlt‘ er; denn seitwärts wandt‘ es Apollon.
Archeptolemos nur, dem mutigen Lenker des Hektor,
Als er sprengt‘ in die Schlacht, durchschoß er die Brust an der Warze;
Und er entsank dem Geschirr, und zurück ihm zuckten die Rosse,
315
Fliegendes Laufs; ihm aber erlosch der Geist und die Stärke.
Hektors Seele durchdrang der bittere Schmerz um den Lenker;
Dennoch ließ er ihn dort, wie sehr er traurte des Freundes.
Schnell nun hieß er den Bruder Kebriones, der ihm genaht war,
Nehmen der Rosse Gezäum; und nicht unwillig gehorcht‘ er.
320
Aber er selbst entschwang sich dem glänzenden Sessel des Wagens,
Mit graunvollem Geschrei, und faßt‘ in der Rechte den Feldstein,
Drang dann grad‘ auf Teukros, in heißer Begier ihn zu treffen.
Jener hatt‘ aus dem Köcher ein herbes Geschoß sich gewählet,
Und auf die Senne gefügt; da traf der gewaltige Hektor,
325
Als er die Senn‘ anzog, ihn am Schlüsselbein auf die Achsel,
Zwischen Hals und Brust, wo am tödlichsten ist die Verwundung:
Dort den Strebenden traf er mit zackigem Stein des Gefildes,
Und zerriß ihm die Senn‘; es erstarrte die Hand an dem Knöchel,
Und er entsank hinknieend, es glitt aus der Hand ihm der Bogen.
330
Doch nicht Ajas vergaß des hingesunkenen Bruders,
Sondern umging ihn in Eile, mit großem Schild ihn bedeckend.
Schnell dann bückten sich her zween auserwählte Genossen,
Echios‘ Sohn Mekisteus zugleich, und der edle Alastor,
Die zu den räumigen Schiffen den Schweraufstöhnenden trugen.
335
Wieder erhob die Troer mit Mut der olympische König.
Grade zurück an den Graben verdrängten sie nun die Achaier;
Hektor drang mit den ersten voran, wutfunkelndes Blickes.
So wie ein Hund den Eber des Bergwalds, oder den Löwen,
Kühn mit dem Rachen erhascht, den hurtigen Füßen vertrauend,
340
Hinten an Hüft‘ und Lend‘, und stets des Gewendeten achtet:
Also verfolgt‘ itzt Hektor die hauptumlockten Achaier,
Immerdar hinstreckend den äußersten; und sie entflohen.
Aber nachdem sie die Pfähle hindurch und den Graben geeilet
Fliehend und manchen gestürzt die mordenden Hände der Troer;
345
Jetzo hemmeten jene sich dort bei den Schiffen beharrend,
Und ermahnten einander; und rings mit erhobenen Händen
Betete laut ein jeder zu allen unsterblichen Göttern.
Hektor tummelt‘ umher das Gespann schönmähniger Rosse,
Graß wir Gorgo an Blick, und der männermordende Ares.
350
Jene nun sah erbarmend die lilienarmige Here,
Wandte sich schnell zur Athen‘, und sprach die geflügelten Worte:
Weh mir, o Tochter Zeus‘ des Donnerers, wollen wir noch nicht
Retten das sterbende Volk der Danaer, auch nur zuletzt noch?
Welche das böse Geschick nunmehr vollendend verschwinden,
355
Unter des einen Gewalt! Da wütet er ganz unerträglich,
Hektor, Priamos‘ Sohn, und viel schon tat er des Frevels!
Drauf antwortete Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Wohl schon hätte mir dieser den Mut und die Seele verloren,
Unter der Hand der Argeier vertilgt im heimischen Lande;
360
Aber es tobt mein Vater mit übelwollendem Herzen,
Grausam, und stets unbillig, und jeden Entschluß mir vereitelnd.
Nicht gedenkt er mir dessen, wie oft vordem ich den Sohn ihm
Rettete, wann er gequält von Eurystheus Kämpfen sich härmte.
Auf zum Himmel weinte der Duldende; aber es sandt‘ ihm
365
Mich zur Helferin schnell von des Himmels Höhe Kronion.
Hätt‘ ich doch solches gewußt im forschenden Rate des Herzens,
Als er hinab in Aïs verriegelte Burg ihn gesendet,
Daß er dem Dunkel entführte den Hund des greulichen Gottes!
Niemals wär er entronnen dem stygischen Strom des Entsetzens!
370
Nun bin ich ihm verhaßt; doch den Rat der Thetis vollführt er,
Welche die Knie‘ ihm geherzt, und die Hand zum Kinn ihm erhoben,
Flehend, daß Ruhm er gewähre dem Städteverwüster Achilleus.
Aber er nennt mich einmal blauäugiges Töchterchen wieder!
Auf, und schirr‘ uns sofort das Gespann starkhufiger Rosse;
375
Weil ich selbst, in den Saal des ägiserschütternden Vaters
Gehend, zum Kampf anlege die Rüstungen: daß ich erkenne,
Ob uns Priamos‘ Sohn, der helmumflatterte Hektor,
Freuen sich wird, wenn ich plötzlich erschein‘ in den Pfaden des Treffens.
Traun wohl mancher der Troer wird sättigen Hund‘ und Gevögel
380
Seines Fettes und Fleisches, gestreckt bei den Schiffen Achaias!
Sprach’s; und willig gehorcht‘ ihr die lilienarmige Here.
Jene nun eilt‘ anschirrend die goldgezügelten Rosse,
Here, die heilige Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos.
Aber Pallas Athene, des Ägiserschütterers Tochter,
385
Ließ hinsinken das feine Gewand im Palaste des Vaters,
Buntgewirkt, das sie selber mit künstlicher Hand sich bereitet.
Drauf in den Panzer gehüllt des schwarzumwölkten Kronions,
Nahm sie das Waffengeschmeide zur tränenbringenden Feldschlacht.
Jetzt in den flammenden Wagen erhub sie sich; nahm dann die Lanze,
390
Schwer und groß und gediegen, womit sie die Scharen der Helden
Bändiget, welchen sie zürnt, die Tochter des schrecklichen Vaters.
Here beflügelte nun mit geschwungener Geißel die Rosse;
Und aufkrachte von selbst des Himmels Tor, das die Horen
Hüteten, welchen der Himmel vertraut ward, und der Olympos,
395
Daß sie die hüllende Wolk‘ itzt öffneten, jetzo verschlossen.
Dort nun lenkten sie durch die leichtgesporneten Rosse.
Aber da Zeus vom Ida sie schauete, heftig ergrimmt‘ er;
Drauf als Botin entsandt‘ er die goldgeflügelte Iris:
Eile mir, hurtige Iris, und wende sie, ehe daher sie
400
Kommen; denn unsanft möchten im Kampf wir einander begegnen!
Denn ich verkündige dir, und das wird wahrlich vollendet.
Lähmen werd‘ ich jenen die hurtigen Ross‘ an dem Wagen,
Stürzen sie selbst vom Sessel herab, und den Wagen zerschmettern!
Nicht auch einmal in zehn umrollender Jahre Vollendung
405
Würden die Wunden geheilt, womit mein Strahl sie gezeichnet:
Daß mir erkenn‘ Athene den schrecklichen Kampf mit dem Vater!
Minder erregt mir Here des Unmuts, oder des Zornes;
Stets ja war sie gewohnt, daß sie einbrach, was ich beschlossen!
Jener sprach’s; doch Iris, die windschnell eilende Botin,
410
Flog von Idas Gebirg‘ einher zum großen Olympos.
Jetzt am vordersten Tore des vielgebognen Olympos
Hielt sie die Kommenden an, und sprach die Worte Kronions:
Sagt mir, wohin so eifrig? was wütet das Herz euch im Busen?
Nicht verstattet euch Zeus, der Danaer Volke zu helfen.
415
Denn so droht‘ euch jetzo der Donnerer, wo er’s vollendet:
Lähmen werd‘ er euch beiden die hurtigen Ross‘ an dem Wagen,
Stürzen euch selbst vorn Sessel herab, und den Wagen zerschmettern.
Nicht auch einmal in zehn umrollender Jahre Vollendung
Würden die Wunden geheilt, womit sein Strahl euch gezeichnet:
420
Daß du erkennst, Athene, den schrecklichen Kampf mit dem Vater.
Minder erregt ihm Here des Unmuts, oder des Zornes;
Stets ja war sie gewohnt, daß sie einbrach, was er beschlossen.
Aber Entsetzliche du, Schamloseste, wenn du in Wahrheit
Wagst, zum Kampfe mit Zeus den gewaltigen Speer zu erheben!
425
Also sprach, und entfloh die leichthinschwebende Iris.
Aber Here begann, und sprach zu Pallas Athene:
Weh mir, o Tochter Zeus‘ des Donnerers! länger fürwahr nicht
Duld‘ ich es, daß wir Zeus um sterbliche Menschen bekämpfen!
Mag ein anderer sinken in Staub, und ein anderer leben,
430
Welchen es trifft! Doch jener, nach eigenem Rate beschließend,
Richte den Streit der Troer und Danaer, wie es ihm ansteht!
Sprach’s, und lenkte zurück das Gespann starkhufiger Rosse.
Dort nun lösten die Horen die schöngemähneten Rosse;
Diese banden sie fest zu ambrosischen Krippen geführet,
435
Stellten darauf den Wagen empor an schimmernde Wände.
Jene selbst dann setzten auf goldene Sessel sich nieder,
Unter die anderen Götter, ihr Herz voll großer Betrübnis.
Aber Zeus vom Ida im schöngeräderten Wagen
Trieb zum Olympos die Ross‘, und kam zu der Götterversammlung.
440
Dort nun löst‘ ihm die Rosse der Erderschüttrer Poseidon,
Hub aufs Gestell den Wagen empor, und umhüllt‘ ihn mit Leinwand.
Er, dem goldenen Throne genaht, der Ordner der Welt Zeus
Setzte sich; unter dem Gang‘ erbebten die Höhn des Olympos.
Jene, getrennt von Zeus und allein, Athenäa und Here,
445
Saßen, und wageten nichts zu verkündigen, oder zu fragen.
Aber er selbst vernahm es in seinem Geist, und begann so:
Warum seid ihr also betrübt, Athenäa und Here?
Doch nicht lange bemüht‘ euch die männerehrende Feldschlacht,
Trojas Volk zu verderben, das heftigen Groll euch erregt hat!
450
Alle, so weit ich rag‘ an Gewalt und unnahbaren Händen,
Möchten mich nicht abwehren, die Götter gesamt im Olympos!
Doch euch bebten ja eher vor Angst die reizenden Glieder,
Eh‘ ihr den Krieg noch gesehn, und die schrecklichen Taten des Krieges.
Denn ich verkündige nun, und wahrlich wär‘ es vollendet!
455
Nimmer in eurem Geschirre, vom Schlag der Donner verwundet,
Wärt ihr gekehrt zum Olympos, dem Sitz der unsterblichen Götter!
Jener sprach’s; da murrten geheim Athenäa und Here.
Nahe sich saßen sie dort, nur Unheil sinnend den Troern.
Jene nunmehr blieb schweigend, und redete nichts, Athenäa,
460
Eifernd dem Vater Zeus, und ihr tobte das Herz in Erbittrung.
Here nur konnte den Zorn nicht bändigen, sondern begann so:
Welch ein Wort, Kronion, du Schrecklicher, hast du geredet!
Wohl ja erkennen auch wir, wie an Macht unbezwinglich du waltest.
Aber es jammern uns der Danaer streitbare Völker,
465
Welche das böse Geschick nunmehr vollendend verschwinden.
Dennoch entziehn wir hinfort dem Gefecht uns, wenn du gebietest;
Rat nur wollen wir geben den Danaern, welcher gedeihe,
Daß nicht all‘ hinschwinden vor deinem gewaltigen Zorne.
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
470
Morgen gewiß noch mehr, du hoheitblickende Here,
Wirst du schaun, so du willst, den überstarken Kronion
Tilgen ein großes Heer von Achaias Lanzengeübten.
Denn nicht ruhn soll eher vom Streit der gewaltige Hektor,
Eh‘ sich erhebt bei den Schiffen der mutige Renner Achilleus,
475
Jenes Tags, wann dort sie zusammengedrängt um die Steuer
Kämpfen in schrecklicher Eng‘, um den hingesunknen Patroklos.
Also sprach das Verhängnis! Doch dein der Zürnenden acht‘ ich
Nichts, und ob du im Zorn an die äußersten Enden entflöhest
Alles Lands und des Meers, wo Japetos drunten und Kronos
480
Sitzen, von Helios nie, dem leuchtenden Sohn Hyperions,
Noch von Winden erfreut; denn tief ist der Tartaros ringsum!
Nicht ob auch dort hinschweifend du wandertest, nicht auch ein wenig
Acht‘ ich der Tobenden doch; weil nichts schamloser denn du ist!
Sprach’s; ihm erwiderte nichts die lilienarmige Here.
485
Doch zum Okeanos sank des Helios‘ leuchtende Fackel,
Ziehend die dunkele Nacht auf die nahrungsprossende Erde.
Ungern sahn die Troer das tauchende Licht; doch erfreulich
Kam und herzlich erwünscht die finstere Nacht den Achaiern.
Jetzo berief die Troer zum Rat der strahlende Hektor,
490
Abgewandt von den Schiffen zum wirbelnden Strome sie führend,
Wo noch rein das Gefild‘ aus umliegenden Leichen hervorschien.
Alle, den Wagen entstiegen zur Erd‘ hin, hörten die Rede,
Welche nun Hektor begann, der Göttliche: und in der Rechten
Trug er den Speer, elf Ellen an Läng‘; und vorn an dem Schafte
495
Blinkte die eherne Schärf‘, umlegt mit goldenem Ringe;
Hierauf lehnte sich jener, und sprach die geflügelten Worte:
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner, und ihr Genossen.
Jetzo hofft‘ ich, verderbend die Schiff‘ und alle Achaier,
Siegreich heimzukehren zu Ilios luftigen Höhen;
500
Doch uns ereilte die Nacht, die jetzt am meisten gerettet
Argos Volk und die Schiff‘ am wogenden Strande des Meeres.
Aber wohlan, jetzt wollen der finsteren Nacht wir gehorchen,
Und das Mahl uns bereiten. Die schöngemähneten Rosse
Löst aus dem Joch der Geschirr‘, und reicht vorschüttend das Futter.
505
Doch aus der Stadt führt Rinder zum Schmaus‘ und gemästete Schafe
Eilend daher; auch Wein, den herzerfreuenden, bringt uns
Reichlich, und Brot aus den Häusern, und Holz auch leset in Menge:
Daß wir die ganze Nacht bis zum dämmernden Schimmer der Eos
Feuer brennen durchs Heer, und der Glanz den Himmel erreiche;
510
Daß nicht gar im Finstern die hauptumlockten Achaier
Uns zu entfliehn versuchen auf weitem Rücken des Meeres,
Wenigstens nicht in Muße die Schiff‘ und ruhig besteigen;
Nein daß mancher von jenen daheim die Wunde des Pfeiles
Oder des scharfen Speers sich lindere, welche den Flüchtling,
515
Springend ins Schiff, noch ereilte; damit auch andre sich scheuen,
Gegen die reisigen Troer das Weh des Krieges zu tragen.
Aber ruft durch die Stadt, ihr Herolde, Freunde Kronions,
Daß die blühenden Knaben und silberhaarigen Greise
Rings um die Stadt sich lagern, auf gottgebaueten Türmen.
520
Aber die zarten Fraun, umher in den Wohnungen jede,
Brennen ein mächtiges Feuer; und wachsame Hut sei beständig:
Daß nicht schlau einbreche der Feind, da die Krieger entfernt sind.
Also sei’s, wie ich red‘, ihr edelmütigen Troer;
Und gesagt ist das Wort, das jetzt ich heilsam geachtet.
525
Morgen werd‘ ich das andre den reisigen Troern verkünden.
Flehend wünsch‘ ich, und hoffe zu Zeus und den anderen Göttern,
Endlich hinwegzutreiben die wütenden Hunde des Schicksals,
Welche das Schicksal gebracht auf dunkelen Schiffen des Meeres.
Auf, und laßt uns die Nacht das Heer sorgfältig bewachen;
530
Aber früh am Morgen, mit ehernen Waffen gerüstet,
Gegen die räumigen Schiff‘ erheben wir stürmenden Angriff.
Dann will ich sehn, ob Tydeus‘ gewaltiger Sohn Diomedes
Mich von den Schiffen zur Mauer hinwegdrängt, oder ich selbst ihn
Töte mit meinem Erz, und blutige Waffen erbeute.
535
Morgen zeig‘ uns der Held die Tapferkeit, ob er vor meiner
Nahenden Lanze besteht. Doch unter den vordersten, mein ich,
Sinkt er dem Stoße der Hand, und viel umher der Genossen,
Wann uns Helios morgen emporstrahlt. O so gewiß nur
Möcht‘ ich unsterblich sein, und blühn in ewiger Jugend,
540
Ehrenvoll, wie geehrt wird Athene selbst und Apollon:
Als der kommende Tag ein Unheil bringt den Argeiern!
Also redete Hektor; und laut herriefen die Troer.
Sie nun lösten die Rosse, die schäumenden unter dem Joche,
Banden sie dann mit Riemen, am eigenen Wagen ein jeder.
545
Schnell nun führte man Rinder zum Schmaus‘ und gemästete Schafe
Her aus der Stadt; auch Wein, den herzerfreuenden, trug man
Reichlich, und Brot aus den Häusern, und Holz auch las man in Menge.
Und man brachte den Göttern vollkommene Festhekatomben;
Und dem Gefild‘ entwallte der Opferduft in den Himmel,
550
Süßes Geruchs: doch verschmäheten ihn die seligen Götter,
Abgeneigt; denn verhaßt war die heilige Ilios jenen,
Priamos selbst, und das Volk des lanzenkundigen Königs.
Sie dort, mutig und stolz, in des Kriegs Abteilung gelagert,
Saßen die ganze Nacht; und es loderten häufige Feuer.
555
Wie wenn hoch am Himmel die Stern‘ um den leuchtenden Mond her
Scheinen in herrlichem Glanz, wann windlos ruhet der Äther;
Hell sind rings die Warten der Berg‘, und die zackigen Gipfel,
Täler auch; aber am Himmel eröffnet sich endlos der Äther;
Alle nun schaut man die Stern‘, und herzlich freut sich der Hirte.
560
So viel, zwischen des Xanthos Gestad‘ und den Schiffen Achaias,
Loderten, weit erscheinend vor Ilios, Feuer der Troer.
Tausend Feuer im Feld‘ entflammten sie; aber an jedem
Saßen fünfzig der Männer, im Glanz des lodernden Feuers.
Doch die Rosse, mit Spelt und gelblicher Gerste genähret,
565
Standen bei ihrem Geschirr, die goldene Früh‘ erwartend.

Siebenter Gesang

Siebenter Gesang

Athene und Apollon, die Schlacht zu enden, heißen Hektor den tapfersten Achaier zum Zweikampf fodern. Unter neun Fürsten trifft das Los den Ajas, Telamons Sohn. Die Nacht trennt die Kämpfer. Nestor in Agamemnons Gezelt rät Stillstand, um die Toten zu verbrennen, und Verschanzung des Lagers. Antenor in Ilios rät, die Helena zurückzugeben; welches Paris verwirft. Am Morgen läßt Priamos die Achaier um Stillstand bitten. Bestattung der Toten. Verschanzung des Lagers, und Poseidons Unwille. In der Nacht unglückliche Zeichen von Zeus.

Dieses gesagt, durcheilte das Tor der strahlende Hektor;
Auch Alexandros der Bruder enteilete; aber ihr Herz war
Beiden entbrannt, zu kämpfen den tapferen Kampf der Entscheidung.
Wie wenn ein Gott den Schiffern nach sehnlichem Harren den Fahrwind
5
Sendet, nachdem arbeitend mit schöngeglätteten Rudern
Lange das Meer sie geregt, und müd‘ hinsanken die Glieder:
Also erschienen sie dort den sehnlich harrenden Troern.
Jeder entrafft‘: er nun den Menesthios, jenes Beherrschers
Areithoos‘ Sohn, den der Keulenschwinger in Arne
10
Areithoos zeugt‘ und die herrliche Philomedusa.
Aber Hektor durchschoß dem Eïoneus unter des Helmes
Ehernem Rand mit dem Speere den Hals, und löst‘ ihm die Glieder.
Glaukos, Hippolochos‘ Sohn, der lykischen Männer Gebieter,
Traf den Iphinoos jetzt im Sturme der Schlacht mit dem Wurfspieß,
15
Dexias‘ Sohn, da das schnelle Gespann er bestieg, in die Schulter;
Und er entsank vorn Wagen zur Erd‘, ihm erschlafften die Glieder.
Doch als jene bemerkt‘ die Herrscherin Pallas Athene,
Argos Volk hinraffend im Ungestüme der Feldschlacht;
Stürmendes Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos
20
Hin zu Ilios Stadt. Entgegen ihr eilet‘ Apollon,
Schauend von Pergamos Zinne, den Troern gönnend den Siegsruhm.
Jetzt begegneten sich die Unsterblichen dort an der Buche;
Und zur Athene begann Zeus‘ Sohn, der Herrscher Apollon:
Warum so voller Begier, o Zeus‘ des Allmächtigen Tochter,
25
Kamst du anjetzt vorn Olympos? wie treibt dich der heftige Eifer?
Daß du vielleicht den Achaiern der Schlacht abwechselnden Sieg nun
Gebest? Denn nicht der Troer, der fallenden, jammert dich jemals!
Aber gehorchtest du mir, was weit zuträglicher wäre;
Jetzt darin ließen wir ruhn den feindlichen Kampf der Entscheidung,
30
Heut‘: doch künftig erneun sie die Feldschlacht, bis sie das Schicksal
Ilios endlich erreicht; dieweil es also im Herzen
Euch Göttinnen gefällt, die hohe Stadt zu verwüsten.
Drauf antwortete Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Also sei’s, Ferntreffer; denn dies auch selber gedenkend
35
Kam ich anjetzt vom Olympos zu Troern herab und Achaiern.
Aber wohlan, wie strebst du den Kampf der Männer zu stillen?
Ihr antwortete drauf Zeus‘ Sohn, der Herrscher Apollon:
Hektor erhöhn wir den Mut, dem gewaltigen Rossebezähmer,
Ob er einzeln vielleicht der Danaer einen hervorruft,
40
Gegen ihn anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung;
Und ob dann unwillig die erzumschienten Achaier
Einen allein hersenden zum Kampf mit dem göttlichen Hektor.
Jener sprach’s; ihm gehorchte die Herrscherin Pallas Athene.
Helenos aber vernahm, des Priamos‘ Sohn, in der Seele
45
Jenen Rat, der beider unsterblichen Sinne gefallen;
Eilend trat er zu Hektor hinan, und redete also:
Hektor, Priamos‘ Sohn, an Ratschluß gleich dem Kronion,
Willst du jetzt mir gehorchen Dein liebender Bruder ja bin ich.
Heiße die anderen ruhn, die Troer umher und Achaier;
50
Selbst dann rufe hervor den tapfersten aller Achaier,
Gegen dich anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung.
Denn noch nicht dir fällt es, den Tod und das Schicksal zu dulden:
Also vernahm ich die Stimme der ewigwährenden Götter.
Jener sprach’s; doch Hektor erfreute sich hoch ob der Rede;
55
Trat dann hervor in die Mitt‘, und hemmte die troischen Haufen,
Haltend die Mitte des Speers; und still nun standen sie alle.
Auch Agamemnon setzte die hellumschienten Achaier.
Aber Pallas Athen‘ und der Gott des silbernen Bogens
Setzten sich beid‘, an Gestalt wie zween hochfliegende Geier,
60
Auf die erhabene Buche des ägiserschütternden Vaters,
Froh die Männer zu schaun; und die Ordnungen saßen gedrängt nun,
Dicht von Schilden und Helmen und ragenden Lanzen umstarret.
So wie unter dem West hinschauert ins Meer ein Gekräusel,
Wann er zuerst andrängt, und dunkler die Flut sich erhebet:
65
Also saßen geschart die Achaier umher und die Troer
Durch das Gefild‘; und Hektor begann in der Mitte der Völker:
Hört mein Wort, ihr Troer, und hellumschiente Achaier,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Unseren Bund hat Zeus der Erhabene nicht vollendet;
70
Sondern bösen Entschluß verhänget er beiderlei Völkern:
Bis entweder ihr selbst einnahmt die getürmete Troja,
Oder vor uns ihr erliegt bei den meerdurchwandelnden Schiffen,
Euch ja sind im Heere die tapfersten Helden Achaias.
Wem nun Solcher das Herz mit mir zu kämpfen gebietet,
75
Hieher tret‘ er hervor, mit dem göttlichen Hektor zum Vorkampf!
Also beding‘ ich das Wort, und Zeug‘ uns werde Kronion.
Wenn mich jener erlegt mit ragender Spitze des Erzes,
Trag‘ er den Raub des Geschmeides hinab zu den räumigen Schiffen;
Aber den Leib entsend‘ er gen Ilios, daß in der Heimat
80
Trojas Männer und Fraun des Feuers Ehre mir geben.
Wenn ich jenen erleg‘, und Ruhm mir gewähret Apollon,
Trag‘ ich den Raub des Geschmeides in Ilios heilige Feste,
Daß ich ihn häng‘ an den Tempel des treffenden Phöbos Apollon;
Doch der Erschlagene kehrt zu den schöngebordeten Schiffen,
85
Daß mit Pracht ihn bestatten die hauptumlockten Achaier,
Und ihm ein Grab aufschütten am breiten Hellespontos.
Künftig sagt dann einer der spätgeborenen Menschen,
Im vielrudrigen Schiffe zum dunkelen Meer hinsteuernd:
Seht das ragende Grab des längst gestorbenen Mannes,
90
Der einst tapfer im Streit hinsank dem göttlichen Hektor!
Also spricht er hinfort, und mein ist ewiger Nachruhm.
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen;
Schimpflich war’s zu weigern, und anzunehmen gefahrvoll.
Endlich stand Menelaos empor, und redete also,
95
Strafend mit herbem Verweis, und schwer erseufzt‘ er im Herzen:
Weh mir, drohende Prahler, Achairinnen, nicht mehr Achaier!
Traun, doch Schmach ist solches und unauslöschliche Schande,
Wenn kein Danaer nun dem Hektor wagt zu begegnen!
Aber o mögt ihr all‘ in Wasser und Erd‘ euch verwandeln.
100
Wie ihr umher dasitzet, so herzlos jeder und ruhmlos!
Selber dann gürt‘ ich jenem zum Kampfe mich! Oben im Himmel
Hangen des Siegs Ausgäng‘ an der Hand der unsterblichen Götter!
Jener sprach’s, und hüllte das stattliche Waffengeschmeid‘ um.
Jetzo war, Menelaos, des Lebens Ziel dir genahet,
105
Unter Hektors Händen, der weit an Kraft dich besiegte;
Hätten dich nicht auffahrend gehemmt die König‘ Achaias.
Selbst auch Atreus‘ Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Faßt‘ ihm die rechte Hand, und redete, also beginnend:
Nimm doch Bedacht, Menelaos, du Göttlicher! wenig bedarfst du
110
So unbedachtsamer Wut; drum fasse dich, herzlich betrübt zwar;
Und wetteifere nicht, den stärkeren Mann zu bekämpfen,
Hektor, Priamos‘ Sohn, vor dem auch andere zittern!
Ihm hat Achilleus selbst in der männerehrenden Feldschlacht
Schaudernd stets sich genaht, der doch viel stärker wie du ist.
115
Du denn setze dich nun, zur Schar der Deinigen wandelnd;
Diesem zum Kampf erhebt sich ein anderer wohl der Achaier.
Mög‘ er auch furchtlos sein, auch unersättlich des Krieges;
Doch wird, mein‘ ich, er froh die ermüdeten Kniee beugen,
Wenn er entrinnt dem blutigen Kampf und der ernsten Entscheidung!
120
Also sprach und wandte des Bruders Herz Agamemnon,
Denn sein Wort war gerecht; er gehorcht‘ ihm; und die Genossen
Zogen ihm freudig nunmehr den Waffenschmuck von den Schultern.
Aber Nestor erhub sich in Argos Volk, und begann so:
Wehe, wie großes Leid dem achaiischen Lande herannaht!
125
Weinen ja würde vor Schmerz der graue reisige Peleus,
Rühmlich die Myrmidonen mit Rat und Rede beherrschend;
Der einst herzlich erfreut mich fragt‘ in seinem Palaste,
Rings nach aller Argeier Geschlecht und Zeugungen forschend!
Hört‘ er nun, wie sie alle sich scheu hinschmiegen vor Hektor;
130
Flehend würd‘ er die Händ‘ empor zu den Himmlischen heben,
Daß aus den Gliedern der Geist einging‘ in Aïdes Wohnung!
Wenn ich, o Vater Zeus, und Pallas Athen‘, und Apollon,
Grünete, so wie einst, da an Keladons reißendem Strome
Kämpfte der Pylier Heer mit Arkadiens Lanzengeübten,
135
Hart an Pheias Mauern, wo schnell der Jardanos hinströmt!
Vorn war jenen im Kampf Ereuthalion, ähnlich den Göttern,
Hell um die Schultern geschmückt mit des Areithoos Rüstung,
Jenes erhabenen Helden, der Keulenschwinger mit Namen
Rings von Männern genannt und schöngegürteten Weibern:
140
Denn nie trug er Bogen noch ragende Lanz‘ in der Feldschlacht,
Sondern trennte die Reihn mit dem Schwung der eisernen Keule.
Diesen erschlug Lykurgos durch Arglist, nicht durch Gewalt ihn,
Laurend im engen Wege, wo nichts ihm die eiserne Keule
Frommete gegen den Tod: denn zuvor ihm rannte Lykurgos
145
Mitten die Lanz‘ in den Leib, daß zurück auf den Boden er hinsank.
Und er entblößt‘ ihn der Wehr, die geschenkt der eherne Ares;
Diese trug er selber hinfort im Getümmel des Ares.
Aber nachdem Lykurgos daheim im Palaste gealtert,
Übergab er die Wehr Ereuthalion, seinem Genossen;
150
Der nun trotzend darauf die Tapfersten alle hervorrief.
Doch sie erbebten ihm all‘ und zitterten; keiner bestand ihn.
Mich nur entflammte der Mut voll kühnes Vertrauns zu dem Kampfe,
Unverzagt; doch war an Geburt ich der jüngste von allen.
Und ich kämpft‘ ihm entgegen, und Ruhm verlieh mir Athene.
155
Ihn den größesten nun und gewaltigsten Mann erschlug ich,
Daß weit ausgestreckt er umherlag hiehin und dorthin.
Wär‘ ich so jugendlich noch, und ungeschwächtes Vermögens;
Traun bald fände des Kampfs der helmumflatterte Hektor!
Aber von euch ringsher, den tapfersten Helden Achaias,
160
Keiner auch wagt es getrost dem Hektor dort zu begegnen!
Also schalt der Greis; da erhuben sich neun in der Heerschar.
Erst vor allen erstand der Herrscher des Volks Agamemnon;
Ihm zunächst der Tydeide, der starke Held Diomedes;
Drauf die Ajas zugleich, mit trotzigem Mute gerüstet;
165
Dann Idomeneus selbst, und Idomeneus Kriegesgenoß auch,
Held Meriones, gleich dem männermordenden Ares;
Auch Eurypylos darin, der glänzende Sohn des Euämon;
Thoas auch, der Andrämonid‘, und der edle Odysseus.
Alle sie waren bereit zum Kampf mit dem göttlichen Hektor.
170
Doch von neuem begann der gerenische reisige Nestor:
Jetzt durchs Los miteinander entscheidet es, welcher bestimmt sei.
Hoch erfreun wird dieser die hellumschienten Achaier;
Aber er wird auch selbst in seinem Herzen sich freuen,
Wenn er entrinnt dem blutigen Kampf und der ernsten Entscheidung.
175
Jener sprach’s; und ein Los bezeichnete jeder sich selber;
Alle warfen sie dann in den Helm Agamemnons des Königs.
Aber das Volk hub flehend die Händ‘ empor zu den Göttern;
Also betete mancher, den Blick gen Himmel gewendet:
Vater Zeus, gib Ajas das Los, o gib’s dem Tydeiden,
180
Oder ihm selbst, dem König der golddurchstrahlten Mykene.
Also das Volk; dort schüttelte nun der reisige Nestor;
Und es entsprang dem Helme das Los, das sie selber gewünschet,
Ajas Los; rings trug es der Herold durch die Versammlung
Rechtshin, allen es zeigend, den edelen Helden Achaias.
185
Aber nicht erkennend verleugnete solches ein jeder.
Doch wie er jenen erreicht, ringsum die Versammlung durchwandelnd,
Der das bezeichnete warf in den Helm, den strahlenden Ajas;
Hielt er unter die Hand, und hinein warf’s nahend der Herold,
Schnell erkannt‘ er schauend sein Los, und freute sich herzlich;
190
Warf es darin vor die Füße zur Erd‘ hin, also beginnend:
Wahrlich mein ist, Freunde, das Los, und ich freue mich selber
Herzlich; dieweil ich hoffe den Sieg vom göttlichen Hektor.
Aber wohlan, indes ich mit Kriegsgerät mich umhülle;
Fleht ihr alle zu Zeus, dem waltenden Sohne des Kronos,
195
Vor euch selbst in der Stille, daß nicht die Troer es hören;
Oder mit lautem Gebet, denn niemand fürchten wir wahrlich!
Keiner soll durch Gewalt unwillig mit Zwang mich vertreiben,
Noch durch siegende Kunst; denn nicht unkundig des Krieges
Hoff‘ ich in Salamins Flur geboren zu sein und erzogen!
200
Jener sprach’s; und sie flehten zu Zeus Kronion dem Herrscher.
Also betete mancher, den Blick gen Himmel gewendet:
Vater Zeus, ruhmwürdig und hehr, du Herrscher vom Ida,
Gib nun Ajas den Sieg, daß glänzenden Ruhm er gewinne!
Aber ist auch Hektor dir wert, und waltest du seiner;
205
Gleich darin schmücke sie beide mit Kraft und Ehre des Sieges!
Also das Volk; denn es deckte mit blinkendem Erze sich Ajas.
Aber nachdem er den Leib ringsum in Waffen gehüllet;
Stürmt‘ er daher, wie Ares der Ungeheure sich nahet,
Der in die Schlacht eingehet zu Männern, welche Kronion
210
Trieb zum erbitterten Kampfe der geistverzehrenden Zwietracht:
Also erhub sich Ajas, der ragende Hort der Achaier,
Lächelnd mit finsterem Ernste des Antlitzes; und mit den Füßen
Wandelt‘ er mächtiges Schritts, und schwang die erhabene Lanze.
Sein erfreuten sich hoch die Danaer ringsher schauend;
215
Aber dem Volk der Troer durchschauderte Schrecken die Glieder.
Selbst dem Hektor begann sein Herz im Busen zu schlagen;
Doch nicht konnt‘ er nunmehr wo zurückfliehn, noch sich verbergen
Unter die Haufen des Volks; denn er forderte selber den Zweikampf.
Ajas nahte heran, und trug den türmenden Schild vor,
220
Ehern und siebenhäutig, den Tychios klug ihm vollendet,
Hoch berühmt in des Leders Bereitungen, wohnend in Hyle:
Dieser schuf ihm den regsamen Schild aus sieben Häuten
Feistgenähreter Stier‘, und umzog zum achten mit Erz sie.
Den nun trug vor der Brust der Telamonier Ajas,
225
Stellte sich nahe vor Hektor, und sprach die drohenden Worte:
Hektor, deutlich nunmehr erkennest du, einer mit einem,
Wie sich im Danaervolk noch andere Helden erheben,
Auch nach Peleus‘ Sohn, dem zermalmenden, löwenbeherzten!
Jener zwar bei den schnellen gebogenen Schiffen des Meeres
230
Ruht nun, zürnend im Geist dem Hirten des Volks Agamemnon;
Aber auch wir sind Männer, mit Freudigkeit dir zu begegnen,
Und noch viel! Wohlauf, und beginne du Kampf und Entscheidung!
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Ajas, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter,
235
Denke mich nicht durch Trotz, wie ein schwaches Kind, zu versuchen,
Oder ein Weib, das nimmer des Kriegs Arbeiten gelernet!
Wohl sind mir die Kämpfe bekannt, und die Schlachten der Männer!
Rechtshin weiß ich zu wenden, und links zu wenden den Stierschild,
Dürrer Last, um stets unermüdeter Stärke zu kämpfen;
240
Weiß zu Fuß ihn zu tanzen den Tanz des schrecklichen Ares,
Weiß auch rasch im Getümmel die fliegenden Rosse zu lenken!
Aber nicht ereile mein Speer dich, tapferer Krieger,
Heimlich mit laurender List; nein öffentlich, ob er dich treffe!
Sprach’s, und im Schwung‘ entsandt‘ er die weithinschattende Lanze;
245
Und sie traf dem Ajas den siebenhäutigen Stierschild
Auf das obere Erz, das ihm zum achten umherlag:
Sechs der Schichten durchdrang das spaltende Erz unbezwingbar,
Doch in der siebenten Haut ermattet es. Wieder entsandt‘ ihm
Ajas der göttliche Held die weithinschattende Lanze;
250
Und sie traf dem Hektor den Schild von gerundeter Wölbung.
Siehe den strahlenden Schild durchschmetterte mächtig die Lanze,
Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet;
Grad‘ hindurch an der Weiche des Bauchs durchschnitt sie den Leibrock
Stürmend: da wand sich jener, und mied das schwarze Verhängnis.
255
Beide dann zogen heraus die ragenden Speer‘, und zugleich nun
Rannten sie an, blutgierig, wie raubverschlingende Löwen,
Oder wie Eber des Waldes von nicht unkriegrischer Stärke.
Priamos‘ Sohn stieß mächtig den Speer auf die Mitte des Schildes;
Doch nicht brach er das Erz, denn rückwärts bog sich die Spitze.
260
Ajas stach nun den Schild anlaufend ihm; aber hindurch drang
Schmetternd die eherne Lanz‘, und erschütterte jenen im Angriff.
Streifend am Hals hinfuhr sie, und schwarz entspritzte das Blut ihm.
Doch nicht ruhte vom Kampf der helmumflatterte Hektor;
Sondern wich, und erhub mit nervichter Rechte den Feldstein,
265
Der dort lag im Gefilde, den dunkelen, rauhen und großen;
Schwang ihn hin, und dem Ajas den siebenhäutigen Stierschild
Traf er gerad‘ auf den Nabel, daß ringsum dröhnend das Erz scholl.
Wieder erhub nun Ajas den noch viel größeren Feldstein,
Sandt‘ ihn daher umschwingend, und strengt‘ unermeßliche Kraft an.
270
Einwärts brach er den Schild mit dem mühlsteinähnlichen Felsen,
Und verletzt ihm die Kniee, daß rücklings jener dahinsank,
Fest den Schild in der Hand; doch schnell erhub ihn Apollon.
Jetzt auch hätten mit Schwertern in nahem Kampf sie verwundet,
Wenn nicht zween Herolde, die Boten Zeus‘ und der Männer,
275
Eilend genaht, von den Troern und erzumschirmten Achaiern,
Dort Idäos, und hier Talthybios, beide verständig.
Zwischen die Kämpfenden streckten die Stäbe sie; aber Idäos
Sprach das Wort, der Herold, verständiges Rates erfahren:
Nun nicht mehr, ihr Kinder, des feindlichen Kampfs und Gefechtes!
280
Beide ja seid ihr geliebt dem Herrscher im Donnergewölk Zeus‘;
Beid‘ auch tapfere Streiter: das schaueten jetzo wir alle.
Doch nun nahet die Nacht; gut ist’s, auch der Nacht zu gehorchen.
Gegen ihn rief antwortend der Telamonier Ajas:
Erst den Hektor ermahnt, Idäos, also zu reden;
285
Weil er selbst zum Kampfe die Tapfersten alle hervorrief.
Jener beginn‘; und gerne gehorch‘ ich dir, wenn er zuerst will.
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Ajas, dieweil dir ein Gott die Kraft und die Größe verliehen,
Und den Verstand, und im Speere der beste du bist der Achaier;
290
Laß uns jetzt ausruhen vom feindlichen Kampf der Entscheidung,
Heut; doch künftig erneun wir die Feldschlacht, bis uns ein Dämon
Trennen wird, und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Denn nun nahet die Nacht; gut ist’s, auch der Nacht zu gehorchen:
Daß du dort bei den Schiffen das Herz der Achaier erfreuest,
295
Doch vor allen der Freund‘ und deiner lieben Genossen;
Aber ich selbst, heimkehrend in Priamos Stadt des Beherrschers,
Trojas Männer erfreu‘ und saumnachschleppende Weiber,
Welche für mich aufflehend an heiliger Stätte sich sammeln,
Laß uns jetzt auch einander mit rühmlichen Gaben beschenken;
300
Daß man sage hinfort bei Troern und bei Achaiern:
Seht, sie kämpften den Kampf der geistverzehrenden Zwietracht,
Und dann schieden sie beid‘ in Freundschaft wieder versöhnet.
Jener sprach’s, und reicht‘ ihm das Schwert voll silberner Buckeln
Samt der Scheid‘ in die Hand, und dem schöngezierten Gehenke.
305
Ajas schenkt‘ ihm dagegen den Leibgurt, schimmernd von Purpur.
Also schieden sie beid‘; es kehrte zum Volk der Achaier
Einer, zum Heer der Troer der andere: jene mit Freude
Schaueten nun, daß lebend und unverletzt er daherging,
Ajas Händen entflohn und unaufhaltsamer Stärke;
310
Führten ihn dann in die Stadt, und glaubeten kaum ihn errettet.
Auch den Ajas führten die hellumschienten Achaier
Hin zum Held Agamemnon, der hoch des Sieges erfreut war.
Als sie nunmehr ins Gezelt um Atreus‘ Sohn sich versammelt;
Opferte, jenen zum Schmaus, der Völkerfürst Agamemnon
315
Einen Stier, fünfjährig und feist, dem starken Kronion.
Rasch ihn zogen sie ab, und zerlegeten alles geschäftig,
Schnitten behend‘ in Stücke das Fleisch, und steckten’s an Spieße,
Brieten es dann vorsichtig, und zogen es alles herunter.
Aber nachdem sie ruhten vom Werk, und das Mahl sich bereitet;
320
Schmausten sie, und nicht mangelt‘ ihr Herz des gemeinsamen Mahles.
Aber den Ajas ehrt‘ er mit weithinreichendem Rücken,
Atreus‘ Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon.
Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war;
Jetzo begann der Greis den Entwurf zu ordnen in Weisheit,
325
Nestor, der schon eher mit trefflichem Rate genützet;
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Atreus‘ Sohn, und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,
Viele ja sind gestorben der hauptumlockten Achaier,
Welchen das schwarze Blut um den schönen Strom des Skamandros
330
Ares der Wütrich vergoß, und die Seelen zum Aïdes sanken.
Darum laß mit dem Morgen den Krieg ausruhn der Achaier,
Daß wir gesamt auf Wagen die Leichname holen, von Rindern
Und Maultieren geführt; alsdann verbrennen wir alle,
Etwas entfernt von den Schiffen, damit einst jeder den Kindern
335
Bringe den Staub, wann wieder zum Vaterlande wir heimziehn.
Einen Hügel am Brand‘ erheben wir draußen versammelt
Allen zugleich im Gefild‘; und neben ihm bauen wir eilig
Hochgetürmt die Mauer, uns selbst und den Schiffen zur Schutzwehr.
Drin auch bauen wir Tore mit wohleinfugenden Flügeln,
340
Daß bequem durch solche der Weg sei Rossen und Wagen.
Draußen umziehn wir sodann mit tiefem Graben die Mauer,
Welcher rings abwehre den Reisigen Zeug und das Fußvolk;
Daß nicht einst andränge die Macht hochherziger Troer.
Jener sprach’s; und umher die Könige riefen ihm Beifall.
345
Auch die Troer kamen auf Ilios Burg zur Versammlung,
Schreckenvoll und verwirrt, vor Priamos‘ hohem Palaste;
Und vor ihnen begann der verständige Held Antenor:
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner, und ihr Genossen,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
350
Auf, die Argeierin Helena nun, und die Schätze mit jener,
Geben wir Atreus‘ Söhnen zurück. Nun streiten wir treulos
Gegen den heiligen Bund; drum hoff ich nimmer, daß Wohlfahrt
Unserem Volke gedeihe, bevor wir also gehandelt.
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich
355
Alexandros der Held, der lockigen Helena Gatte;
Dieser erwiderte drauf, und sprach die geflügelten Worte:
Keineswegs, Antenor, gefällt mir, was du geredet!
Leicht wohl könntest du sonst ein besseres raten, denn solches!
Aber wofern du wirklich in völligem Ernste geredet;
360
Traun dann raubeten dir die Unsterblichen selbst die Besinnung!
Jetzo verkünd‘ auch ich den rossebezähmenden Troern;
Grade heraus bekenn‘ ich: Das Weib, nie geb‘ ich es wieder;
Aber das Gut, so viel ich aus Argos führt‘ in die Wohnung,
Will ich gesamt nun erstatten, und noch des Meinen hinzutun.
365
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich
Priamos, Dardalios Enkel, an Rat den Unsterblichen ähnlich;
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner, und ihr Genossen;
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
370
Jetzo nehmet das Mahl durch das Kriegsheer, so wie gewöhnlich,
Und gedenkt der nächtlichen Hut, und jeder sei wachsam.
Morgen geh‘ Idäos hinab zu den räumigen Schiffen:
Daß er den Fürsten des Volks Agamemnon und Menelaos
Sage die Red‘ Alexandros, um welchen der Streit sich erhoben;
375
Auch dies heilsame Wort dann verkündige, ob sie geneigt sind,
Auszuruhn vom Getöse der Feldschlacht, bis wir die Toten
Erst verbrannt; doch künftig erneuen wir, bis uns ein Dämon
Trennen wird, und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Jener sprach’s; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
380
Ringsum nahm man das Mahl durch das Kriegsheer, Haufen bei Haufen.
Morgens ging Idäos hinab zu den räumigen Schiffen.
Und er fand die Achaier im Rat, die Genossen des Ares,
Neben dem Hinterschiff Agamemnons. Jener sich nahend
Trat in den Kreis, und begann, der lautaustönende Herold:
385
Atreus‘ Söhn‘, und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,
Priamos sendete mich, und die anderen Edlen der Troer,
Daß ich, wär‘ es vielleicht euch angenehm und gefällig,
Sagte die Red‘ Alexandros‘, um welchen der Streit sich erhoben.
Alles Gut, so viel Alexandros in räumigen Schiffen
390
Her gen Troja geführt, (hätt‘ eher der Tod ihn ereilet!)
Will er gesamt euch erstatten, und noch des Seinen hinzutun.
Aber die Jugendvermählte von Atreus‘ Sohn Menelaos
Gibt er nie, wie er sagt; ob zwar ihn die Troer ermahnen.
Dieses Wort auch sollt‘ ich verkündigen, ob ihr geneigt seid
395
Auszuruhn vom Getöse der Feldschlacht, bis wir die Toten
Erst verbrannt; doch künftig erneuen wir, bis uns ein Dämon
Trennen wird, und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen.
Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
400
Daß nur keiner das Gut Alexandros‘ nehme, ja selbst nicht
Helena! Wohl ja erkennt, auch wer unmündiges Geistes,
Daß nunmehr den Troern das Ziel des Verderbens daherdroht!
Jener sprach’s; da jauchzten ihm rings die Männer Achaias,
Hoch das Wort anstaunend von Tydeus‘ Sohn Diomedes.
405
Jetzo sprach zu Idäos der Völkerfürst Agamemnon:
Selber jetzt, Idäos, vernahmst du das Wort der Achaier,
Welchen Bescheid sie geben; auch mir geliebet es also.
Doch der Toten Verbrennung sei euch mit nichten verweigert.
Nicht ja gebührt Kargheit bei abgeschiedenen Toten,
410
Daß man, nachdem sie gestorben, mit Glut zu besänftigen eile.
Höre den Bund Zeus selber, der donnernde Gatte der Here!
Jener sprach’s, und empor zu den Himmlischen hob er den Scepter.
Aber es kehrt‘ Idäos zur heiligen Ilios wieder.
Jene noch saßen im Rat, die Troer und Dardanionen,
415
Alle gedrängt miteinander, und harreten seiner Zurückkunft.
Jetzo kam Idäos daher, und sagte die Botschaft,
Hingestellt in die Mitte. Da rüsteten jene sich eilig,
Andere, Leichen zu holen, und andere, Holz aus den Wäldern.
Auch die Argeier indes von den schöngebordeten Schiffen
420
Eileten, Leichen zu holen, und andere, Holz aus den Wäldern.
Aber die Sonn‘ erhellte mit jungem Strahl die Gefilde,
Aus des tiefergoßnen Okeanos ruhiger Strömung,
Steigend am Himmel empor. Da begegneten jen‘ einander.
Schwer nun war’s zu erkennen im Schlachtfeld jeden der Männer.
425
Doch sie wuschen mit Wasser den blutigen Mord von den Gliedern,
Heiße Tränen vergießend, und huben sie all‘ auf die Wagen.
Aber zu weinen verbot Held Priamos; jene nun schweigend
Legten gehäuft auf die Scheiter die Leichname, trauriges Herzens,
Zündeten an das Feuer, und kehrten zur heiligen Troja.
430
Also auch dort entgegen die hellumschienten Achaier
Legten gehäuft auf die Scheiter die Leichname, trauriges Herzens,
Zündeten an das Feuer, und kehrten zu räumigen Schiffen.
Als noch nicht der Morgen erschien, nur grauende Dämmrung,
Jetzo erhub um den Brand sich erlesenes Volk der Achaier.
435
Einen Hügel umher erhoben sie draußen versammelt
Allen zugleich im Gefild‘; und neben ihm bauten sie eilig
Hochgetürmt die Mauer, sich selbst und den Schiffen zur Schutzwehr.
Drin auch bauten sie Tore mit wohleinfugenden Flügeln,
Daß bequem durch solche der Weg war Rossen und Wagen.
440
Draußen umzogen sie dann mit tiefem Graben die Mauer,
Breit umher und groß, und drinnen auch pflanzten sie Pfähle.
So arbeiteten hier die hauptumlockten Achaier.
Dort die Götter um Zeus den Wetterleuchtenden sitzend
Staunten dem großen Werke der erzumschirmten Achaier.
445
Unter ihnen begann der Erderschüttrer Poseidon:
Vater Zeus, ist irgend ein Mensch der unendlichen Erde,
Der zu den Himmlischen noch mit Herz und Sinne sich wende?
Siehest du nicht, wie jetzo die hauptumlockten Achaier
Eine Mauer den Schiffen erbaueten, rings auch den Graben
450
Führeten, ohn‘ uns Göttern zuvor Hekatomben zu opfern?
Nun wird diesen ein Ruhm, so weit der Tag sich verbreitet;
Doch vergessen wird jene, die ich und Phöbos Apollon
Einst um Laomedons Stadt mit ringender Kraft gegründet!
Unmutsvoll nun begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
455
Wehe mir, Erderschüttrer, gewaltiger! welcherlei Rede!
Wenn ja ein anderer noch der Unsterblichen jener Erfindung
Zitterte, der weit schwächer denn du an Arm und Gewalt ist!
Doch dir währet der Ruhm, so weit der Tag sich verbreitet.
Auf wohlan, sobald nun die hauptumlockten Achaier
460
Heimgekehrt in den Schiffen zum lieben Lande der Väter;
Reiße dann ein die Mauer, und stürze sie ganz in die Meerflut,
Wieder das große Gestad‘ umher mit Sande bedeckend,
Daß auch die Spur hinschwinde vom großen Bau der Achaier.
Also redeten jen‘ im Wechselgespräch miteinander.
465
Nieder sank nun die Sonn‘, und der Danaer Werk war vollendet.
Rings in den Zelten erschlugen sie Stier‘, und genossen des Mahles.
Aber viel der Schiffe, mit Wein beladen, aus Lemnos
Landeten, hergesandt vom Jasoniden Euneos,
Welchen Hypsipyle trug dem Völkerhirten Jason.
470
Atreus‘ Söhnen allein, Agamemnon und Menelaos,
Sandt‘ er edleren Trank zum Geschenk her, tausend der Maße.
Dort nun kauften des Weins die hauptumlockten Achaier:
Andere brachten Erz, und andere blinkendes Eisen,
Andere dann Stierhäut‘, und andere lebende Rinder,
475
Andre Gefangne der Schlacht, und bereiteten lieblichen Festschmaus.
Also die Nacht durchharrten die hauptumlockten Achaier
Schmausend; auch dort die Troer in Ilios und die Genossen.
Aber die ganze Nacht sann Unheil Zeus der Erhabne,
Drohend mit Donnergetön; da faßte sie bleiches Entsetzen.
480
Ringsher Wein aus den Bechern vergossen sie; keiner auch durft‘ ihn
Trinken, bevor er gesprengt dem allmächtigen Sohne des Kronos.
Jeder ruhete dann, und empfing die Gabe des Schlafes.

Sechster Gesang

Sechster Gesang

Die Achaier im Vorteil. Hektor eilt in die Stadt, damit seine Mutter Hekabe zur Athene flehe. Glaukos und Diomedes erkennen sich als Gastfreunde. Hekabe mit den edlen Troerinnen fleht. Hektor ruft den Paris zur Schlacht zurück. Er sucht seine Andromache zu Hause, und findet sie auf dem skäischen Tore. Er kehrt mit Paris in die Schlacht.

Einsam war der Troer und Danaer schreckliche Feldschlacht.
Viel nun hierhin und dort durchtobte der Kampf das Gefilde,
Ungestüm aufeinander gewandt erzblinkende Lanzen,
Innerhalb des Simois her und des strömenden Xanthos.
5
Ajas der Telamonide zuerst, Schutzwehr der Achaier,
Brach die Schar der Troer, und schaffte Licht den Genossen,
Treffend den Mann, der der beste des thrakischen Volkes einherging,
Ihn des Eusoros‘ Sohn, den Akamas, groß und gewaltig.
Diesem traf er zuerst den umflatterten Kegel des Helmes,
10
Daß er die Stirne durchbohrt‘; hineindrang tief in den Schädel
Jenem die eherne Spitz‘, und Nacht umhüllt‘ ihm die Augen.
Drauf den Axylos erschlug der Rufer im Streit Diomedes,
Teuthrans Sohn: er wohnt‘ in der schöngebauten Arisbe,
Reich an Lebensgut; auch war er geliebt von den Menschen,
15
Weil er alle mit Lieb‘ herbergete, wohnend am Heerweg.
Doch nicht einer davon entfernt‘ ihm das grause Verderben,
Vor ihn selbst hintretend: es tötete beide der Krieger,
Ihn und den Kampfgenossen Kalesios, der des Gespannes
Lenker ihm war; und zugleich versanken sie unter die Erde.
20
Aber Euryalos nahm des Opheltios Waffen und Dresos;
Drauf den Äsepos ereilt‘ er und Pedasos, die mit der Naïs
Abarbarea einst der edle Bukolion zeugte.
Aber Bukolion war Laomedons Sohn des Erhabnen,
Seines Geschlechts der erste; doch heimlich gebar ihn die Mutter.
25
Hütend vordem der Schafe gewann er Lieb‘ und Umarmung,
Und befruchtet gebar ihm Zwillingssöhne die Nymphe.
Beiden löste nunmehr die Kraft und die strebenden Glieder
Er der Mekisteiad‘, und entzog den Schultern die Rüstung.
Auch den Astyalos schlug der streitbare Held Polypötes;
30
Und den Pedytes bezwang, den Perkosier, stürmend Odysseus
Mit erzblinkender Lanz‘; und Teukros den Held Aretaon.
Nestors mutiger Sohn Antilochos warf den Ableros
Hin, und den Elatos hin der Völkerfürst Agamemnon:
Dieser bewohnt‘ an des Stroms Satniois grünenden Ufern
35
Pedasos luftige Stadt; den Phylakos traf, da er hinfloh,
Leïtos; und Eurypylos nahm des Melanthios Rüstung.
Doch den Adrastos erhaschte der Rufer im Streit Menelaos
Lebend anjetzt; denn die Rosse durchsprengten ihm scheu das Gefilde,
Aber die Füß‘ im Zweige der Tamariske verwickelnd
40
Brachen sie vorn die Deichsel des krummen Geschirrs, und enteilten
Selber zur Stadt, wo noch andre verwilderte Rosse hinaufflohn.
Jener entsank dem Sessel, und taumelte neben dem Rade
Vorwärts hin in den Staub auf das Antlitz. Siehe da naht‘ ihm
Atreus‘ Sohn Menelaos mit weithinschattender Lanze.
45
Aber Adrastos umschlang ihm die Knie‘, und jammerte flehend:
Fahe mich, Atreus Sohn, und nimm dir würdige Lösung.
Viel der Kleinode hegt der begüterte Vater im Hause,
Erz und Goldes genug, und schöngeschmiedetes Eisen.
Hievon reicht mein Vater dir gern unermeßliche Lösung,
50
Wenn er mich noch lebend vernimmt bei den Schiffen Achaias.
Jener sprach’s, und diesem das Herz im Busen bewegt‘ er.
Und schon war er bereit ihn dem Kampfgenossen zu geben,
Der zu den hurtigen Schiffen ihn führete. Doch Agamemnon
Eilete laufend heran, und laut ihn scheltend begann er:
55
Trautester, o Menelaos, warum doch sorgest du also
Jener? Ja herrliche Taten geschahn dir daheim von den Männern
Trojas! Keiner davon entfliehe nun grausem Verderben,
Keiner nun unserem Arm! auch nicht im Schoße das Knäblein,
Welches die Schwangere trägt, auch das nicht! Alles zugleich ihm
60
Sterbe, was Ilios nährt, hinweggerafft und vernichtet!
Also sprach und wandte des Bruders Herz Agamemnon,
Denn sein Wort war gerecht; und er stieß den edlen Adrastos
Weg mit der Hand. Da bohrt‘ ihm der Völkerfürst Agamemnon
Seine Lanz‘ in den Bauch; und er kehrte sich. Atreus Sohn dann
65
Stemmte die Fers‘ auf die Brust, und zog den eschenen Speer aus.
Nestor anjetzt ermahnte mit lautem Ruf die Argeier:
Freund‘, ihr Helden des Danaerstamms, o Genossen des Ares!
Daß nun keiner zu Raub und Beute gewandt mir dahinten
Zaudere, um das meiste hinab zu den Schiffen zu tragen!
70
Laßt uns töten die Männer! Nachher auch könnt ihr geruhig
Leichnamen durch das Gefild‘ ausziehn ihr Waffengeschmeide.
Jener sprach’s, und erregte den Mut und die Herzen der Männer.
Bald nun wären die Troer vor Argos kriegrischen Söhnen
Ilios zugeflohn, durch Ohnmacht alle gebändigt;
75
Aber schnell zu Äneias und Hektor redete nahend
Helenos, Priamos‘ Sohn, der kundigste Vogeldeuter:
Hektor du, und Äneias; denn euch belastet die meiste
Kriegsarbeit der Troer und Lykier, weil ihr die Besten
Seid zu jeglichem Zweck, mit Kraft gerüstet und Weisheit:
80
Steht allhier, und hemmet das Volk zurück vor den Toren,
Rings das Gedräng‘ umwandelnd, bevor in die Arme der Weiber
Fliehend sich jene gestürzt, dem höhnenden Feinde zum Jubel!
Aber nachdem ihr umher die Ordnungen wieder ermuntert,
Wollen wir selbst hier bleibend der Danaer Scharen bekämpfen,
85
Hart bedrängt wie wir sind; denn Not gebietet ja solches:
Hektor, du geh indessen gen Ilios, sage dann eilend
Unserer Mutter es an. Sie, edlere Weiber versammelnd
Hoch auf die Burg, zum Tempel der Herrscherin Pallas Athene
Öffne dort mit dem Schlüssel die Pforte des heiligen Hauses;
90
Und das Gewand, so ihr das köstlichste scheint und das größte
Aller umher im Palast, und ihr das geliebteste selber,
Lege sie hin auf die Kniee der schöngelockten Athene;
Und gelob‘ in dem Tempel ihr zwölf untadliche Kühe,
Jährige, ungezähmte, zu heiligen: wenn sie der Stadt sich,
95
Und der troischen Fraun und zarten Kinder erbarmet;
Wenn sie des Tydeus‘ Sohn von der heiligen Ilios abwehrt,
Jenen Stürmer der Schlacht, den gewaltigen Schreckengebieter,
Den ich fürwahr den Stärksten im Volk der Danaer achte!
Selbst vor Achilleus nicht, dem Herrschenden, zagten wir also,
100
Welcher doch Sohn der Göttin gepriesen wird! Jener, wie heftig
Wütet er! Keiner vermag an Gewalt ihm gleich sich zu stellen!
Jener sprach’s; doch Hektor gehorcht‘ unverdrossen dem Bruder.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde.
Schwenkend die spitzigen Lanzen, durchwandelt‘ er alle Geschwader,
105
Rings ermahnend zum Kampf, und erweckte die tobende Feldschlacht.
Jene nun wandten die Stirn‘, und begegneten kühn den Achaiern.
Argos‘ Söhn‘ itzt wichen zurück, und ruhten vom Morde,
Wähnend, es sei ein unsterblicher Gott vom sternichten Himmel
Niedergeeilt, zu helfen den schnell umkehrenden Troern.
110
Hektor anjetzt ermahnte mit lautem Rufe die Troer:
Trojas mutige Söhn‘, und fernberufene Helfer!
Seid nun Männer, o Freund‘, und gedenkt des stürmenden Mutes;
Während ich selbst hinwandle gen Ilios, und die erhabnen
Greise des Rats anmahne, zugleich auch unsere Weiber,
115
Daß sie den Himmlischen flehn, und Sühnhekatomben verheißen.
Dieses gesagt, enteilte der helmumflatterte Hektor.
Oben schlug ihm den Nacken, und tief die Knöchel des schwarzen
Felles Rand, der rings am genabelten Schild‘ ihm umherlief.
Glaukos nun, des Hippolochos‘ Sohn, und der Held Diomedes,
120
Kamen hervor aus den Heeren gerannt in Begierde des Kampfes.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander,
Redete also zuerst der Rufer im Streit Diomedes:
Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner?
Nie ersah ich ja dich in männerehrender Feldschlacht
125
Vormals; aber anjetzt erhebst du dich weit vor den andern,
Kühnes Muts, da du meiner gewaltigen Lanze dich darstellst.
Meiner Kraft begegnen nur Söhn‘ unglücklicher Eltern!
Aber wofern du ein Gott herabgekommen vom Himmel,
Nimmer alsdann begehr‘ ich mit himmlischen Mächten zu kämpfen.
130
Nicht des Dryas Erzeugter einmal, der starke Lykurgos,
Lebete lang‘, als gegen des Himmels Mächt‘ er gestrebet:
Welcher vordem Dionysos des Rasenden Ammen verfolgend
Scheucht‘ auf dem heiligen Berge Nysseion; alle zugleich nun
Warfen die laubigen Stäbe dahin, da der Mörder Lykurgos
135
Wild mit dem Stachel sie schlug; auch selbst Dionysos voll Schreckens
Taucht‘ in die Woge des Meers, und Thetis nahm in den Schoß ihn,
Welcher erbebt‘, angstvoll vor der drohenden Stimme des Mannes.
Jenem zürnten darauf die ruhig wartenden Götter,
Und ihn blendete Zeus der Donnerer; auch nicht lange
140
Lebt‘ er hinfort, denn verhaßt war er allen unsterblichen Göttern.
Nicht mit seligen Göttern daher verlang‘ ich zu kämpfen.
Wenn du ein Sterblicher bist, und genährt von Früchten des Feldes;
Komm dann heran, daß du eilig das Ziel des Todes erreichest.
Ihm antwortete drauf Hippolochos edler Erzeugter:
145
Tydeus‘ mutiger Sohn, was fragst du nach meinem Geschlechte?
Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte der Menschen;
Einige streuet der Wind auf die Erd‘ hin, andere wieder
Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlinges Wärme:
So der Menschen Geschlecht, dies wächst, und jenes verschwindet.
150
Soll ich dir aber auch dieses verkündigen, daß du erkennest
Unserer Väter Geschlecht; wiewohl es vielen bekannt ist:
Ephyra heißt die Stadt in der rossenährenden Argos,
Wo einst Sisyphos war, der schlaueste unter den Männern,
Sisyphos, Äolos‘ Sohn; der zeugte sich Glaukos zum Sohne;
155
Glaukos darauf erzeugte den herrlichen Bellerophontes,
Welchem Schönheit die Götter und reizende Männerstärke
Schenketen. Aber Prötos ersann ihm Böses im Herzen:
Der aus dem Land‘ ihn vertrieb, dieweil er mächtig beherrschte
Argos‘ Volk, und Zeus ihm Gewalt und Scepter vertrauet.
160
Jenem entbrannt‘ Anteia, des Prötos edle Gemahlin,
Daß sie in heimlicher Lieb‘ ihm nahete; doch er gehorcht‘ ihr
Nicht, der edelgesinnte verständige Bellerophontes.
Jetzo mit Lug erschien sie, und sprach zum Könige Prötos:
Tod dir, oder, o Prötos, erschlage du Bellerophontes,
165
Welcher frech zuliebe mir nahete, wider mein Wollen.
Jene sprach’s; und der König ereiferte, solches vernehmend.
Dennoch vermied er den Mord, denn graunvoll war der Gedank‘ ihm.
Aber er sandt‘ ihn gen Lykia hin, und traurige Zeichen
Gab er ihm, Todesworte geritzt auf gefaltetem Täflein:
170
Daß er dem Schwäher die Schrift darreicht‘, und das Leben verlöre.
Jener wandelte hin, im Geleit obwaltender Götter.
Als er nunmehr gen Lykia kam, und dem strömenden Xanthos;
Ehrt‘ ihn gewogenes Sinns der weiten Lykia König,
Gab neuntägigen Schmaus, und erschlug neun Stiere zum Opfer.
175
Aber nachdem zum zehnten die rosige Eos emporstieg;
Jetzo fragt‘ er den Gast, und hieß ihn zeigen das Täflein,
Welches ihm sein Eidam, der herrschende Prötos gesendet.
Als er nunmehr vernommen die Todesworte des Eidams;
Hieß er jenen zuerst die ungeheure Chimära
180
Töten, die göttlicher Art, nicht menschlicher, dort emporwuchs:
Vorn ein Löw‘, und hinten ein Drach‘, und Geiß in der Mitte,
Schrecklich umher aushauchend die Macht des lodernden Feuers.
Doch er tötete sie, der unsterblichen Zeichen vertrauend.
Weiter darauf bekämpft‘ er der Solymer ruchtbare Völker;
185
Diesen nannt‘ er den härtesten Kampf, den er kämpfte mit Männern.
Drauf zum dritten erschlug er die männliche Hord‘ Amazonen.
Aber dem Kehrenden auch entwarf er betrügliche Täuschung:
Wählend die tapfersten Männer des weiten Lykierlandes
Legt‘ er im Hinterhalt; allein nicht kamen sie heimwärts,
190
Alle vertilgte sie dort der untadliche Bellerophontes.
Als er nunmehr erkannte den Held aus göttlichem Samen;
Hielt er dort ihn zurück, und gab ihm die blühende Tochter,
Gab ihm auch die Hälfte der Königsehre zum Anteil.
Auch die Lykier maßen ihm auserlesene Güter,
195
Schön an Ackergefild‘ und Pflanzungen, daß er sie baute.
Jene gebar drei Kinder dem feurigen Bellerophontes,
Erst Isandros, Hippolochos dann, und Laodameia.
Laodameia ruht‘ in Zeus des Kroniden Umarmung;
Und sie gebar Sarpedon, den götterähnlichen Streiter.
200
Aber nachdem auch jener den Himmlischen allen verhaßt ward;
Irrt‘ er umher einsam, sein Herz von Kummer verzehret,
Durch die aleïsche Flur, der Sterblichen Pfade vermeidend.
Seinen Sohn Isandros ermordete Ares der Wütrich,
Als er kämpft‘ in der Schlacht mit der Solymer ruchtbaren Völkern.
205
Artemis raubt‘ ihm die Tochter, die Lenkerin goldener Zügel.
Aber Hippolochos zeugete mich, ihn rühm‘ ich als Vater.
Dieser sandt‘ in Troja mich her, und ermahnte mich sorgsam,
Immer der erste zu sein, und vorzustreben vor andern;
Daß ich der Väter Geschlecht nicht schändete, welches die ersten
210
Männer in Ephyra zeugt‘, und im weiten Lykierlande.
Sieh aus solchem Geschlecht und Blute dir rühm‘ ich mich jetzo.
Sprachs; doch freudig vernahm es der Rufer im Streit Diomedes.
Eilend steckt‘ er die Lanz‘ in die nahrungsprossende Erde,
Und mit freundlicher Rede zum Völkerhirten begann er:
215
Wahrlich, so bist du mir Gast aus Väterzeiten schon vormals!
Öneus der Held hat einst den untadlichen Bellerophontes
Gastlich im Hause geehrt, und zwanzig Tage geherbergt.
Jen‘ auch reichten einander zum Denkmal schöne Geschenke.
Öneus Ehrengeschenk war ein Leibgurt, schimmernd von Purpur,
220
Aber des Bellerophontes ein goldener Doppelbecher;
Und ihn ließ ich scheidend zurück in meinem Palaste.
Tydeus gedenk‘ ich nicht mehr; denn noch ein stammelnder Knabe
Blieb ich daheim, da vor Thebe das Volk der Achaier vertilgt ward.
Also bin ich nunmehr dein Gastfreund mitten in Argos;
225
Du in Lykia mir, wann jenes Land ich besuche.
Drum mit unseren Lanzen vermeiden wir uns im Getümmel.
Viel ja sind der Troer mir selbst, und der rühmlichen Helfer,
Daß ich töte, wen Gott mir gewährt, und die Schenkel erreichen;
Viel‘ auch dir der Achaier, daß, welchen du kannst, du erlegest.
230
Aber die Rüstungen beide vertauschen wir, daß auch die andern
Schaun, wie wir Gäste zu sein aus Väterzeiten uns rühmen.
Also redeten jen‘, und herab von den Wagen sich schwingend,
Faßten sie beid‘ einander die Händ‘, und gelobten sich Freundschaft.
Doch den Glaukos erregte Zeus, daß er ohne Besinnung
235
Gegen den Held Diomedes die Rüstungen, goldne mit ehrnen,
Wechselte, hundert Farren sie wert, neun Farren die andern.
Als nun Hektor erreicht das skäische Tor und die Buche;
Jetzt umeilten ihn rings die troischen Weiber und Töchter,
Forschend dort nach Söhnen, nach Brüdern dort, und Verwandten,
240
Und den Gemahlen im Heer. Er ermahnte sie, alle die Götter
Anzuflehn; doch vielen war Weh und Jammer verhänget.
Als er den schönen Palast des Priamos jetzo erreichte,
Der mit gehauenen Hallen geschmückt war: aber im Innern
Waren fünfzig Gemächer aus schöngeglättetem Marmor,
245
Dicht aneinander gebaut; es ruheten drinnen des Königs
Priamos Söhn‘ umher, mit blühenden Gattinnen wohnend;
Aber den Töchtern waren zur anderen Seite des Hofes
Zwölf gewölbte Gemächer aus schöngeglättetem Marmor,
Dicht aneinander gebaut; es ruheten drinnen des Königs
250
Priamos Eidam‘ umher, mit züchtigen Gattinnen wohnend:
Dort begegnete Hektor der gernausteilenden Mutter,
Die zu Laodike ging, der holdesten Tochter an Bildung.
Jene faßt ihm die Hand, und redete, also beginnend:
Lieber Sohn, wie kommst du, das wütende Treffen verlassend?
255
Hart uns drängen fürwahr die entsetzlichen Männer Achaias,
Kämpfend um unsere Stadt; daß nun dein Herz dich hierhertrieb,
Deine Hände zu Zeus von Ilios Burg zu erheben!
Aber verzeuch, bis ich jetzo des süßen Weines dir bringe;
Daß du Zeus dem Vater zuvor und den anderen Göttern
260
Sprengest, und dann auch selber des Labetrunks dich erfreuest.
Denn dem ermüdeten Mann ist der Wein ja kräftige Stärkung,
So wie du dich ermüdet, im Kampf für die deinigen stehend.
Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Nicht des süßen Weins mir gebracht, ehrwürdige Mutter,
265
Daß du nicht mich entnervst, und des Muts und der Kraft ich vergesse.
Ungewaschener Hand Zeus dunkelen Wein zu sprengen,
Scheu ich mich; nimmer geziemts, den schwarzumwölkten Kronion
Anzuflehn, mit Blut und Kriegesstaube besudelt.
Aber wohlan, zum Tempel der Siegerin Pallas Athene
270
Gehe mit Räuchwerk hin, die edleren Weiber versammelnd;
Und das Gewand, so dir das köstlichste scheint und das größte
Aller umher im Palast, und dir das geliebteste selber,
Solches leg‘ auf die Kniee der schöngelockten Athene,
Und gelob‘ in dem Tempel ihr zwölf untadliche Kühe,
275
Jährige, ungezähmte, zu heiligen: wenn sie der Stadt sich,
Und der troischen Fraun und zarten Kinder erbarmet;
Wenn sie des Tydeus Sohn von der heiligen Ilios abwehrt,
Jenen Stürmer der Schlacht, den gewaltigen Schreckengebieter.
Auf denn, gehe zum Tempel der Siegerin Pallas Athene
280
Du; dieweil zu Paris ich wandele, jenen zu rufen,
Ob er vielleicht noch achte des Rufenden. O daß die Erd‘ ihn
Lebend verschläng‘! Ihn erschuf zum Verderben der Gott des Olympos
Trojas Volk, und Priamos selbst, und den Söhnen des Herrschers.
Säh‘ ich jenen versunken, hinab in Aïdes Wohnung;
285
Dann vergäß‘ ich im Herzen des unerfreulichen Elends!
Jener sprach’s; und die Mutter ins Haus sich wendend, beschied dort
Mägd‘ in die Stadt; und sie riefen die Schar der edleren Weiber.
Selbst dann stieg sie hinab in die lieblich duftende Kammer,
Wo sie die schönen Gewande verwahrete, reich an Erfindung,
290
Werke sidonischer Fraun, die der göttliche Held Alexandros
Selbst aus Sidon gebracht, weithin die Wogen durchschiffend,
Als er Helena heim die Edelentsprossene führte.
Deren enthub itzt Hekabe eins zum Geschenk der Athene,
Welches das größeste war, und das schönste zugleich an Erfindung:
295
Hell wie ein Stern, so strahlt‘ es, und lag am untersten aller.
Und sie enteilt‘, ihr folgten gedrängt die edleren Weiber.
Als sie nunmehr auf der Burg den Tempel erreicht der Athene;
Öffnete jenen die Pforte die anmutvolle Theano,
Kisseus Tochter, vermählt dem Gaulbezähmer Antenor,
300
Welche die Troer geweiht zur Priesterin Pallas Athenens.
All‘ erhuben die Hände mit jammerndem Laut zur Athene.
Aber es nahm das Gewand die anmutvolle Theano,
Legt‘ es hin auf die Kniee der schöngelockten Athene,
Flehete dann gelobend zu Zeus des Allmächtigen Tochter:
305
Pallas Athene voll Macht, Stadtschirmerin, edelste Göttin!
Brich doch jetzo den Speer Diomedes‘; aber ihn selber
Laß auf das Antlitz gestürzt vor dem skäischen Tore sich wälzen!
Daß wir jetzo sofort zwölf stattliche Küh‘ in dem Tempel,
Jährige, ungezähmte, dir heiligen: wenn du der Stadt dich,
310
Und der troischen Fraun und zarten Kinder erbarmest!
Also sprach sie betend; es weigerte Pallas Athene.
Während sie dort nun flehten zu Zeus des Allmächtigen Tochter;
Wandelte Hektor dahin zum schönen Palast Alexandros,
Welchen er selbst sich erbaut mit den kunsterfahrensten Männern
315
Aller umher in Troja, dem Land hochscholliger Äcker:
Diese bereiteten ihm das Gemach und den Saal und den Vorhof,
Hoch auf der Burg, und nahe bei Priamos Wohnung und Hektors.
Dort hinein ging Hektor, der göttliche; und in der rechten
Trug er den Speer, elf Ellen an Läng‘; und vorn an dem Schafte
320
Blinkte die eherne Schärf‘, umlegt mit goldenem Ringe.
Ihn im Gemach dort fand er, die stattlichen Waffen durchforschend,
Panzer und Schild, und glättend das Horn des krummen Geschosses.
Aber Helena saß, die Argeierin, unter den Weibern
Emsig, den Mägden umher anmutige Werke gebietend.
325
Hektor schalt ihn erblickend, und rief die beschämenden Worte:
Sträflicher, nicht geziemt‘ es, so unmutsvoll zu ereifern!
Siehe das Volk verschwindet, um Stadt und türmende Mauer
Kämpfend; und deinethalb ist Feldgeschrei und Getümmel
Rings entbrannt um die Feste! Du zanktest ja selbst mit dem andern;
330
Welchen du wo saumselig ersähst zur traurigen Feldschlacht.
Auf denn, ehe die Stadt in feindlicher Flamme verlodre!
Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:
Hektor, dieweil du mit Recht mich tadeltest, nicht mit Unrecht;
Darum sag‘ ich dir an; doch du vernimm es, und höre.
335
Gar nicht wider die Troer so unmutsvoll und ereifert,
Saß ich hier im Gemach; zum Grame nur wollt‘ ich mich wenden.
Doch nun hat mich die Gattin mit freundlichen Worten beredet,
Auszugehn in die Schlacht; auch scheinet es also mir selber
Besser hinfort zu sein; denn es wechselt der Sieg um die Männer.
340
Aber verzeuch, bis ich jetzo in Kriegesgerät mich gehüllet;
Oder geh, so folg‘ ich, und hoffe dich bald zu erreichen.
Jener sprach’s; ihm erwiderte nichts der gewaltige Hektor.
Aber Helena sprach mit hold liebkosenden Worten:
O mein Schwager, des schnöden, des unheilstiftenden Weibes!
345
Hätte doch jenes Tags, da zuerst mich die Mutter geboren,
Ungestüm ein Orkan mich entführt auf ein ödes Gebirg‘ hin,
Oder hinab in die Wogen des weitaufrauschenden Meeres,
Daß mich die Woge verschlang‘, eh solche Taten geschahen!
Aber nachdem dies Übel im Rat der Götter verhängt ward;
350
Wär‘ ich wenigstens doch des besseren Mannes Gemahlin,
Welcher empfände die Schmach und die kränkenden Reden der Menschen!
Dem ist jetzo kein Herz voll Männlichkeit, noch wird hinfort ihm
Solches verliehn; und ich meine, genießen werd‘ er der Früchte!
Aber o komm doch herein, und setze dich hier auf den Sessel,
355
Schwager; dieweil dir am meisten die Arbeit liegt an der Seele,
Um mich schändliches Weib und die Freveltat Alexandros:
Welchen ein trauriges Los Zeus sendete, daß wir hinfort auch
Bleiben umher ein Gesang der kommenden Menschengeschlechter!
Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
360
Heiße mich, Helena, nicht so freundlich sitzen; ich darf nicht
Denn schon dringt mir das Herz mit Heftigkeit, daß ich den Troern
Helfe, die sehnsuchtsvoll nach mir Abwesenden umschaun.
Aber du muntere diesen nur auf, auch treib‘ er sich selber;
Daß er noch in den Mauren der Stadt mich wieder erreiche.
365
Denn ich will in mein Haus zuvor eingehn, um zu schauen
Mein Gesind‘, und das liebende Weib, und das stammelnde Söhnlein.
Denn wer weiß, ob ich wieder zurück zu den Meinigen kehre,
Oder jetzt durch der Danaer Hand mich die Götter bezwingen.
Dieses gesagt, enteilte der helmumflatterte Hektor.
370
Bald erreicht‘ er darauf die wohlgebauete Wohnung.
Doch nicht fand er die schöne Andromache dort in den Kammern;
Sondern zugleich mit dem Kind und der Dienerin, schönes Gewandes,
Stand sie annoch auf dem Turm, und jammerte, seufzend und weinend.
Als nun Hektor daheim nicht fand die untadliche Gattin,
375
Trat er zur Schwelle hinan, und rief den Mägden des Hauses:
Auf wohlan, ihr Mägde, verkündiget schnell mir die Wahrheit.
Wohin ging die schöne Andromache aus dem Palaste?
Ob sie zu Schwestern des Manns, ob zu stattlichen Frauen der Schwäger,
Oder zum Haus Athenens sie eilete, wo auch die andern
380
Lockigen Troerinnen die schreckliche Göttin versöhnen?
Ihm antwortete drauf die emsige Schaffnerin also:
Hektor, weil du gebeutst, die Wahrheit dir zu verkünden;
Nicht zu Schwestern des Manns, noch zu stattlichen Frauen der Schwäger,
Oder zum Haus Athenens enteilte sie, wo auch die andern
385
Lockigen Troerinnen die schreckliche Göttin versöhnen;
Sondern den Turm erstieg sie von Ilios, weil sie gehöret,
Daß der Achaier Macht siegreich die Troer bestürme.
Eben geht sie hinaus mit eilendem Schritte zur Mauer,
Einer Rasenden gleich; und die Wärterin trägt ihr das Kind nach.
390
Also sprach zu Hektor die Schaffnerin; schnell aus der Wohnung
Eilt‘ er den Weg zurück durch die wohlbebaueten Gassen.
Als er das skäische Tor, die gewaltige Feste durchwandelnd,
Jetzo erreicht, wo hinaus sein Weg ihn führt‘ ins Gefilde;
Kam die reiche Gemahlin Andromache eilendes Laufes
395
Gegen ihn her, des edlen Eëtions blühende Tochter:
Denn Eëtion wohnt‘ am waldigen Hange des Plakos,
In der plakischen Thebe, Kilikiens Männer beherrschend,
Und er vermählte die Tochter dem erzumschimmerten Hektor,
Diese begegnet‘ ihm jetzt; die Dienerin aber ihr folgend
400
Trug an der Brust das zarte, noch ganz unmündige Knäblein;
Hektors einzigen Sohn, dem schimmernden Sterne vergleichbar.
Hektor nannte den Sohn Skamandrios, aber die andern
Nannten Astyanax ihn, denn allein schirmt‘ Ilios Hektor.
Siehe mit Lächeln blickte der Vater still auf das Knäblein,
405
Aber neben ihn trat Andromache, Tränen vergießend,
Drückt‘ ihm freundlich die Hand, und redete, also beginnend:
Trautester Mann, dich tötet dein Mut noch! und du erbarmst dich
Nicht des stammelnden Kindes, noch mein des elenden Weibes,
Ach bald Witwe von dir! denn dich töten gewiß die Achaier,
410
Alle daher dir stürmend! Allein mir wäre das beste,
Deiner beraubt, in die Erde hinabzusinken; denn weiter
Ist kein Trost mir übrig, wenn du dein Schicksal vollendest,
Sondern Weh! und ich habe nicht Vater mehr noch Mutter!
Meinen Vater erschlug ja der göttliche Streiter Achilleus,
415
Und verhehrte die Stadt, von kilikischen Männern bevölkert,
Thebe mit ragendem Tor: den Eëtion selber erschlug er,
Doch nicht nahm er die Waffen; denn graunvoll war der Gedank‘ ihm;
Sondern verbrannte den Held mit dem künstlichen Waffengeschmeide,
Häufte darauf ihm einmal; und rings mit Ulmen umpflanzten’s
420
Bergbewohnende Nymphen, des Ägiserschütterers Töchter.
Sieben waren der Brüder mir dort in unserer Wohnung;
Diese wandelten all‘ am selbigen Tage zum Aïs;
Denn sie all‘ erlegte der mutige Renner Achilleus
Bei weißwolligen Schafen und schwerhinwandelnden Rindern.
425
Meine Mutter, die Fürstin am waldigen Hange des Plakos,
Führet‘ er zwar hieher mit anderer Beute des Krieges;
Doch befreit‘ er sie wieder, und nahm unendliche Lösung:
Aber sie starb durch Artemis Pfeil im Palaste des Vaters.
Hektor, siehe du bist mir Vater jetzo und Mutter,
430
Und mein Bruder allein, o du mein blühender Gatte!
Aber erbarme dich nun, und bleib‘ allhier auf dem Turme!
Mache nicht zur Waise das Kind, und zur Witwe die Gattin!
Stelle das Heer dorthin bei dem Feigenbaume; denn dort ist
Leichter die Stadt zu ersteigen, und frei die Mauer dem Angriff.
435
Dreimal haben ja dort es versucht die tapfersten Krieger,
Kühn um die Ajas beid‘, und den hohen Idomeneus strebend,
Auch um des Atreus‘ Söhn‘, und den starken Held Diomedes:
Ob nun jenen vielleicht ein kundiger Seher geweissagt,
Oder auch selbst ihr Herz aus eigener Regung sie antreibt.
440
Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Mich auch härmt das alles, o Trauteste; aber ich scheue
Trojas Männer zu sehr, und die saumnachschleppenden Weiber,
Wenn ich hier, wie ein Feiger, entfernt das Treffen vermeide.
Auch verbeut es mein Herz; denn ich lernete tapferes Mutes
445
Immer zu sein, und voran mit Trojas Helden zu kämpfen,
Schirmend zugleich des Vaters erhabenen Ruhm, und den meinen!
Zwar das erkenn‘ ich gewiß in des Herzens Geist und Empfindung:
Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt,
Priamos selbst, und das Volk des lanzenkundigen Königs.
450
Doch nicht kümmert mich so der Troer künftiges Elend,
Nicht der Hekabe selbst, noch Priamos auch des Beherrschers,
Noch der Brüder umher, die dann, so viel und so tapfer,
All‘ in den Staub hinsinken, von feindlichen Händen getötet:
Als wie dein’s, wenn ein Mann der erzumschirmten Achaier
455
Weg die Weinende führt, der Freiheit Tag dir entreißend;
Wenn du in Argos webst für die Herrscherin, oder auch mühsam
Wasser trägst aus dem Quell Hypereia, oder Messeïs,
Sehr unwilliges Muts; doch hart belastet der Zwang dich!
Künftig sagt dann einer, die Tränenvergießende schauend:
460
Hektors Weib war diese, des tapfersten Helden im Volke
Rossebezähmender Troer, da Ilios Stadt sie umkämpften!
Also spricht man hinfort; und neu erwacht dir der Kummer,
Solchen Mann zu vermissen, der retten dich könnt‘ aus der Knechtschaft!
Aber es decke mich Toten der aufgeworfene Hügel,
465
Eh‘ ich deines Geschreies vernehm‘, und deiner Entführung!
Also der Held, und hin nach dem Knäblein streckt‘ er die Arme;
Aber zurück an den Busen der schöngegürteten Amme
Schmiegte sich schreiend das Kind, erschreckt von dem liebenden Vater,
Scheuend des Erzes Glanz, und die flatternde Mähne des Busches,
470
Welchen es fürchterlich sah von des Helmes Spitze herabwehn.
Lächelnd schaute der Vater das Kind, und die zärtliche Mutter.
Schleunig nahm vom Haupte den Helm der strahlende Hektor,
Legete dann auf die Erde den schimmernden; aber er selber
Küßte sein liebes Kind, und wiegt‘ es sanft in den Armen;
475
Dann erhob er die Stimme zu Zeus und den anderen Göttern:
Zeus und ihr anderen Götter, o laßt doch dieses mein Knäblein
Werden dereinst, wie ich selbst, vorstrebend im Volk der Troer,
Auch so stark an Gewalt, und Ilios mächtig beherrschen!
Und man sage hinfort: Der ragt noch weit vor dem Vater!
480
Wann er vom Streit heimkehrt, mit der blutigen Beute beladen
Eines erschlagenen Feinds! Dann freue sich herzlich die Mutter!
Jener sprach’s, und reicht‘ in die Arme der liebenden Gattin
Seinen Sohn; und sie drückt‘ ihn an ihren duftenden Busen,
Lächelnd mit Tränen im Blick; und ihr Mann voll inniger Wehmut
485
Streichelte sie mit der Hand, und redete, also beginnend:
Armes Weib, nicht mußt du zu sehr mir trauren im Herzen!
Keiner wird gegen Geschick hinab mich senden zum Aïs.
Doch dem Verhängnis entrann wohl nie der Sterblichen einer,
Edel oder geringe, nachdem er einmal gezeugt ward.
490
Doch zum Gemach hingehend besorge du deine Geschäfte,
Spindel und Webestuhl, und gebeut den dienenden Weibern,
Fleißig am Werke zu sein. Der Krieg gebühret den Männern
Allen, und mir am meisten, die Ilios Feste bewohnen.
Als er dieses gesagt, da erhob der strahlende Hektor
495
Seinen umflatterten Helm; und es ging die liebende Gattin
Heim, oft rückwärts gewandt, und häufige Tränen vergießend.
Bald erreichte sie nun die wohlgebauete Wohnung
Hektors des Männervertilgers, und fand die Mägd‘ in der Kammer
Viel an der Zahl; und allen erregte sie Kummer und Tränen.
500
Lebend noch ward Hektor beweint in seinem Palaste;
Denn sie glaubten gewiß, er kehre nie aus der Feldschlacht
Wieder heim, der Achaier gewaltigen Händen entrinnend.
Paris auch zauderte nicht in der hochgewölbeten Wohnung;
Sondern sobald er in Waffen von strahlendem Erz sich gehüllet,
505
Eilt‘ er daher durch die Stadt, den hurtigen Füßen vertrauend.
Wie wenn im Stall ein Roß, mit Gerste genährt an der Krippe,
Mutig die Halfter zerreißt, und stampfendes Laufs in die Felder
Eilt, zum Bade gewöhnt des lieblich wallenden Stromes,
Trotzender Kraft; hoch trägt es das Haupt, und rings an den Schultern
510
Fliegen die Mähnen umher; doch stolz auf den Adel der Jugend,
Tragen die Schenkel es leicht zur bekannteren Weide der Stuten:
Also wandelte Paris daher von Pergamos Höhe,
Priamos‘ Sohn, umstrahlt von Waffenglanz, wie die Sonne,
Freudiges Muts; und es flogen die Schenkel ihm. Eilend nun hatt‘ er
515
Hektor den Bruder erreicht, den Erhabenen, als er sich wenden
Wollte vom Ort, wo vertraulich mit seinem Weib‘ er geredet.
Also begann zu jenem der göttliche Held Alexandros:
Wahrlich, mein älterer Bruder, dich Eilenden hielt ich zu lange
Zaudernd auf, und kam nicht ordentlich, wie du befahlest.
520
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Guter, dir darf kein sterblicher Mann, der Billigkeit achtet,
Tadeln die Werke der Schlacht, du bist ein tapferer Streiter.
Oft nur säumest du gern, und willst nicht. Aber es kränkt mir
Innig das Herz, von dir die schmähliche Rede zu hören
525
Unter dem troischen Volk, das um dich so manches erduldet.
Komm, dies wollen hinfort wir berichtigen, wann uns einmal Zeus
Gönnen wird, des Himmels unendlich waltenden Göttern
Dankend den Krug zu stellen der Freiheit in dem Palaste,
Weil wir aus Troja verjagt die hellumschienten Achaier.

Fünfter Gesang

Fünfter Gesang

Diomedes, den Athene zur Tapferkeit erregt, wird von Pandaros geschossen. Er erlegt den Pandaros, und verwundet den Äneias, samt der entführenden Aphrodite. Diese flieht auf Ares Wagen zum Olympos. Apollon trägt, von Diomedes verfolgt, den Äneias in seinen Tempel auf Pergamos, woher er, geheilt bald zurückkehrt. Auf Apollons Ermahnung erweckt Ares die Troer, und die Achaier weichen allmählich. Tlepolemos von Sarpedon erlegt. Here und Athene fahren vom Olympos, den Achaiern gegen Ares zu helfen. Diomedes von Athene ermahnt und begleitet, verwundet den Ares. Der Gott kehrt zum Olympos, und die Göttinnen folgen.

Jetzo schmückt‘ Athene des Tydeus Sohn Diomedes
Hoch mit Kraft und Entschluß, damit vorstrahlend aus allem
Danaervolk er erschien‘, und herrlichen Ruhm sich gewänne.
Flammen ihm hieß auf Helm und Schilde sie mächtig umher glühn:
5
Ähnlich dem Glanzgestirne der Herbstnacht, welches am meisten
Klar den Himmel durchstrahlt, in Okeanos Fluten gebadet:
Solche Glut hieß jenem sie Haupt umflammen und Schultern,
Stürmt‘ ihn dann mitten hinein, wo am heftigsten schlug das Getümmel.
Unter den Troern war ein unsträflicher Priester Hephästos‘,
10
Dares, mächtig und reich, der ins Heer zween Söhne gesendet,
Phegeus und Idäos, geübt in jeglichem Kampfe.
Diese, getrennt vom Haufen, entgegen ihm sprengten sie jetzo,
Beid‘ auf Rossegeschirr; er strebte zu Fuß von der Erde.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
15
Sendete Phegeus zuerst die weithinschattende Lanze.
Aber es flog dem Tydeiden das Erz links über die Schulter
Hin, und verwundete nicht. Nun schwang auch jener den Wurfspieß,
Tydeus Sohn; und ihm flog nicht umsonst das Geschoß aus der Rechten;
Sondern traf in die Kerbe der Brust, und stürzt‘ ihn vom Wagen.
20
Aber Idäos entsprang, den zierlichen Sessel verlassend;
Denn ihm zagte das Herz, den ermordeten Bruder zu schützen.
Kaum auch, kaum er selber entrann dem schwarzen Verhängnis;
Doch ihn entrückt‘ Hephästos, in schirmende Nacht ihn verhüllend,
Daß nicht ganz ihm versänke das Herz des Greises in Jammer.
25
Seitwärts trieb das Gespann der Sohn des erhabenen Tydeus,
Und ihm führten die Freund‘ es hinab zu den räumigen Schiffen.
Doch wie die mutigen Troer geschaut die Söhne des Dares,
Ihn von dannen entflohn, und ihn entseelt am Geschirre;
Regte sich allen das Herz. Allein Zeus‘ Tochter Athene
30
Faßt‘ an der Hand, und redete so zum tobenden Ares:
Ares, o Ares voll Mord, Bluttriefender, Maurenzertrümmrer!
Lassen wir nicht sie allein die Troer hinfort und Achaier
Kämpfen, zu welcherlei Volk Zeus‘ Vorsicht wende den Siegsruhm;
Doch wir weichen zurück, und meiden den Zorn Kronions?
35
Jene sprach’s, und entführte der Schlacht den tobenden Ares;
Diesen setzte sie drauf am gehügelten Strand des Skamandros.
Argos Söhn‘ itzt drängten den Feind, und jeglichem Führer
Sank ein Mann. Erst stürzte der Völkerfürst Agamemnon
Hodios aus dem Geschirr, den Halizonengebieter.
40
Als er zuerst umwandte, da flog in den Rücken der Speer ihm
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;
Dumpf hinkracht‘ er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.
Aber Idomeneus tilgte den Sohn des mäonischen Boros,
Phästos, der her aus Tarne, dem scholligen Lande, gekommen.
45
Dieser strebt‘ auf den Wagen empor, doch die ragende Lanze
Stieß ihm der speerberühmte Idomeneus rechts in die Schulter;
Und er entsank dem Geschirr, und Graun des Todes umhüllt‘ ihn;
Aber Idomeneus Freund‘ entzogen ihm eilig die Rüstung.
Ihn, des Strophios Sohn Skamandrios, kundig des Jagens,
50
Raffte mit spitziger Lanze des Atreus Sohn Menelaos,
Jenen tapferen Jäger. Gelehrt von Artemis selber
Traf er alles Gewild, das der Forst des Gebirges ernähret.
Aber nichts ihm nunmehr half Artemis, froh des Geschosses,
Nichts die gepriesene Kunst, ferntreffende Pfeile zu schnellen;
55
Sondern des Atreus Sohn, der streitbare Held Menelaos,
Als er vor ihm hinbebte, durchstach mit dem Speer ihm den Rücken
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang.
Jener entsank vorwärts, und es rasselten um ihn die Waffen.
Auch Meriones traf den Phereklos, stammend von Tekton,
60
Harmons Sohn, der mit Händen erfindsam allerlei Kunstwerk
Bildete; denn ihn erkor zum Lieblinge Pallas Athene.
Er hatt‘ auch Alexandros die schwebenden Schiffe gezimmert,
Jene Beginner des Wehs, die Unheil brachten den Troern,
Und ihm selbst; weil nicht er vernahm der Unsterblichen Ausspruch.
65
Diesen traf, da er jetzt im verfolgenden Lauf ihn ereilte,
Rechts hindurch ins Gesäß Meriones, daß ihm die Spitze
Vorn die Blase durchbohrend am Schambein wieder hervordrang.
Heulend sank er aufs Knie, und Todesschatten umfing ihn.
Meges warf den Pedäos dahin, den Sohn des Antenor,
70
Der unehelich war; doch erzog ihn die edle Theano
Gleich den eigenen Kindern, gefällig zu sein dem Gemahle.
Diesem schoß nachrennend der speerberühmte Phyleide
Hinten die spitzige Lanze gerad‘ in die Höhle des Nackens;
Zwischen den Zähnen hindurch zerschnitt die Zunge das Erz ihm;
75
Und er entsank in den Staub, am kalten Erze noch knirschend.
Doch der Euämonid‘ Eurypylos traf den Hypsenor,
Ihn Dolopions Sohn, des Erhabenen, der dem Skamandros
War ein Priester geweiht, wie ein Gott im Volke geehret.
Aber Eurypylos nun, der glänzende Sohn des Euämon,
80
Als er vor ihm hinbebte, verfolgt‘ und schwang in die Schulter
Ihm anstürmend das Schwert, und hieb ihm den nervichten Arm ab:
Blutig entsank ihm der Arm ins Gefild‘ hin; aber die Augen
Übernahm der finstere Tod und das grause Verhängnis.
So arbeiteten jen‘ im Ungestüme der Feldschlacht.
85
Aber des Tydeus Sohn, nicht wüßte man, welcherlei Volks er
Schaltete, ob er mit Troern einherging, ob mit Achaiern.
Denn er durchtobte das Feld, dem geschwollenen Strome vergleichbar,
Voll vom Herbst, der in reißendem Sturz wegflutet die Brücken;
Nicht ihn zu hemmen vermag der Brücken gewaltiges Bollwerk,
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Auch nicht hemmen die Zäune der grünenden Saatengefilde
Ihn, der sich schleunig ergießt, wann gedrängt Zeus‘ Schauer herabfällt;
Weit dann versinkt vor jenem der Jünglinge fröhliche Arbeit:
Also vor Tydeus Sohn enttaumelten dichte Geschwader
Troisches Volks, und harreten nicht, wie viel sie auch waren.
95
Aber sobald ihn schaute der glänzende Sohn des Lykaon,
Wie er durchtobte das Feld, und umher zerstreute die Scharen;
Richtet‘ auf Tydeus Sohn er sofort sein krummes Geschoß hin,
Schnellte dem Stürmenden zu, und traf ihn rechts an der Schulter
In sein Panzergelenk; ihm flog das herbe Geschoß durch,
100
Grad‘ in die Schulter hinein, und Blut umströmte den Panzer.
Jauchzend erhub die Stimme der glänzende Sohn des Lykaon:
Angedrängt, ihr Troer voll Kriegsmut, Sporner der Rosse!
Denn nun traf’s den besten der Danaer! Nimmer vermut‘ ich
Wird er es lang‘ aushalten, das starke Geschoß, so in Wahrheit
105
Mich Zeus‘ herrschender Sohn zum Streit aus Lykia hertrieb!
Jener riefs aufjauchzend; doch nicht bezwang das Geschoß ihn!
Sondern er wich, und gestellt vor den rossebespanneten Wagen,
Redet‘ er Sthenelos an, den kapaneïschen Sprößling:
Auf, o trautester Kapaneiad‘, und steige vom Wagen,
110
Daß du hervor aus der Schulter das herbe Geschoß mir entziehest.
Jener sprach’s; doch Sthenelos sprang von dem Wagen zur Erde,
Trat hinan, und entzog den durchdringenden Pfeil aus der Schulter;
Hell durchspritzte das Blut die geflochtenen Ringe des Panzers.
Jetzo betete laut der Rufer im Streit Diomedes:
115
Höre, des ägiserschütternden Zeus‘ unbezwungene Tochter!
Wenn du mir je und dem Vater mit sorgsamer Liebe genahet
Im feindseligen Streit; so liebe mich nun, o Athene!
Laß mich treffen den Mann, und den fliegenden Speer ihn erreichen,
Welcher zuvor mich verwundet, und nun frohlockend sich rühmet,
120
Nicht mehr schau‘ ich lange das Licht der strahlenden Sonne!
Also rief er flehend; ihn hörete Pallas Athene.
Leicht ihm schuf sie die Glieder, die Füß‘, und die Arme von oben;
Nahe nun trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:
Kehre getrost, Diomedes, zum mutigen Kampf mit den Troern;
125
Denn dir goß ich ins Herz die Kraft und Stärke des Vaters,
Unverzagt, wie sie trug der geschildete reisige Tydeus.
Auch das Dunkel entnahm ich den Augen dir, welches sie deckte;
Daß du wohl erkennest den Gott und den sterblichen Menschen.
Drum so etwa ein Gott herannaht, dich zu versuchen;
130
Hüte dich, seligen Göttern im Kampf entgegen zu wandeln,
Allen sonst: doch käme die Tochter Zeus Aphrodite
Her in den Streit, die magst du mit spitzigem Erze verwunden.
Also sprach und enteilte die Herrscherin Pallas Athene.
Aber es flog Diomedes zurück in das Vordergetümmel.
135
Hatt‘ er zuvor im Herzen geglüht, mit den Troern zu kämpfen;
Jetzo ergriff ihn dreimal entflammterer Mut, wie den Löwen,
Welchen der Hirt im Felde, die molligen Schafe bewachend,
Streifte, doch nicht erschoß, da über den Zaun er hereinsprang;
Jenem erhebt sich der Zorn, und hinfort kann keiner ihm wehren,
140
Sondern er dringt in die Ställe hinein, die Verlassenen scheuchend;
Und nun liegen gehäuft die Blutenden übereinander;
Aber voll Wut entspringt er dem hochumschränkten Gehege:
Also drang in die Troer voll Wut der Held Diomedes.
Jetzo rafft‘ er Astynoos hin und den Herrscher Hypeinor:
145
Ihn an der Warze der Brust mit eherner Lanze durchbohrend;
Jenem schwang er ins Schultergelenk des gewaltigen Schwertes
Hieb, daß vom Halse die Schulter sich sonderte, und von dem Rücken.
Diese verließ, und zu Abas enteilet‘ er, und Polyeidos,
Beid‘ Eurydamas Söhne, des traumauslegenden Greises.
150
Doch den Scheidenden hatte der Greis nicht Träume gedeutet;
Sondern es raubt‘ ihr Geschmeide der starke Held Diomedes.
Drauf den Xanthos und Thoon verfolget‘ er, Söhne des Phänops,
Beide spät ihm geboren; und schwach vom traurigen Alter,
Zeugt‘ er kein anderes Kind, sein Eigentum zu ererben.
155
Jener entwaffnete nun, ihr süßes Leben vertilgend,
Beid‘, und ließ den Vater in Gram und finsterer Schwermut
Dort; dieweil nicht lebend sie heim aus dem Treffen ihm kehrten,
Freudig begrüßt, und das Erb‘ eindringende Fremde sich teilten.
Jetzo zween aus Priamos‘ Blut, des Dardanionen,
160
Traf er auf einem Geschirr, den Chromios und den Echemon;
Und wie ein Löw‘ in die Rinder sich stürzt, und den Nacken der starke
Abknirscht, oder der Kuh, die Laubgehölze durchweiden:
Also beide zugleich warf Tydeus Sohn aus dem Wagen
Schrecklich herab mit Gewalt; und hierauf nahm er die Rüstung;
165
Doch das Gespann entführten die Seinigen ihm zu den Schiffen.
Jenen sah Äneias umher verdünnen die Schlachtreihn;
Flugs durcheilt‘ er den Kampf und den klirrenden Sturm der Geschosse,
Rings nach Pandaros forschend, dem Göttlichen, ob er ihn fände.
Jetzo fand er den starken untadlichen Sohn des Lykaon,
170
Trat nun hinan vor jenen, und redete, also beginnend:
Pandaros, wo dein Bogen, und wo die gefiederten Pfeile,
Und dein Ruhm, den weder allhier ein anderer teilet,
Noch in Lykia einer dir abzugewinnen sich rühmet?
Hebe die Hände zu Zeus, und sende dem Mann ein Geschoß hin,
175
Der da umher so schaltet, und schon viel Böses den Troern
Stiftete, weil er Vieler und Tapferer Kniee gelöset!
Ist er nicht etwa ein Gott, der im Zorn heimsuchet die Troer,
Rächend der Opfer Schuld; denn hart ist die Rache der Götter.
Ihm antwortete drauf der glänzende Sohn des Lykaon:
180
Edler Fürst, Äneias, der erzgepanzerten Troer,
Gleich des Tydeus Sohne, dem Feurigen, acht‘ ich ihn völlig;
Denn ich erkenne den Schild, und die längliche Kuppel des Helmes,
Auch sein Rossegeschirr; doch vielleicht auch mag er ein Gott sein.
Ist der Mann, den ich sage, der feurige Sohn des Tydeus;
185
Traun nicht ohne Götter ergrimmt‘ er so, sondern ihm nahe
Steht ein Unsterblicher dort, ein Gewölk um die Schultern sich hüllend,
Der auch das schnelle Geschoß abwendete, welches ihm zuflog.
Denn ihm sandt‘ ich bereits ein Geschoß, und traf ihm die Schulter
Rechts, daß hinein es drang, das Panzergelenk ihm durchbohrend;
190
Und ich hofft‘, ihn hinab zu beschleunigen zum Aïdoneus.
Dennoch bezwang ich ihn nicht. Ein Gott muß wahrlich erzürnt sein.
Auch nicht hab‘ ich die Ross‘, und ein schnelles Geschirr zu besteigen;
Sondern ich ließ in Lykaons Palast elf zierliche Wagen,
Stark und neu vom Künstler gefügt, mit Teppichen ringsum
195
Überhängt; und bei jeglichem stehn zweispännige Rosse
Müßig, mit nährendem Spelt und gelblicher Gerste gesättigt.
Dringend ermahnete zwar der grauende Krieger Lykaon
Mich den Scheidenden dort in der schöngebaueten Wohnung,
Daß ich erhöht im Sessel des rossebespanneten Wagens
200
Trojas Schar anführte zum Ungestüme der Feldschlacht.
Aber ich hörete nicht, (wie heilsam, hätt‘ ich gehöret!)
Schonend des edlen Gespanns, daß mir’s nicht darbte der Nahrung
Bei umzingeltem Volk, da es reichliches Futter gewohnt war.
Also kam ich zu Fuß gen Ilios, ohne die Rosse,
205
Nur dem Bogen vertrauend; allein nichts sollt‘ er mir helfen!
Denn schon zween umher der edleren Helden erreicht‘ ich,
Tydeus Sohn, und des Atreus Sohn; und beiden hervor drang
Helles Blut aus der Wunde: doch reizt‘ ich beide nur stärker.
Zur unseligen Stund‘ enthob ich Bogen und Köcher
210
Jenes Tages dem Pflock, da nach Ilios lieblicher Feste
Trojas Schar ich führte, zu Gunst dem erhabenen Hektor.
Werd‘ ich hinfort heimkehren, und wiedersehn mit den Augen
Vatergefild‘ und Weib, und die hohe gewölbete Wohnung;
Schleunig haue mir dann das Haupt von der Schulter ein Fremdling,
215
Wo nicht dieses Geschoß in loderndes Feuer ich werfe,
Kurz in den Händen geknickt, daß ein nichtiger Tand mich begleitet!
Aber Äneias sprach, der Troer Fürst, ihm erwidernd:
Freund, nicht also geredet! Zuvor wird dieses nicht anders,
Ehe dem Mann wir beide mit Kriegesrossen und Wagen
220
Kühn entgegengerennt, und mit unserer Wehr ihn versuchet.
Auf denn, zu meinem Geschirr erhebe dich, daß du erkennest,
Wie doch troische Rosse gewandt sind, durch die Gefilde
Dort zu sprengen und dort, in Verfolgungen und in Entfliehung.
Uns auch wohl in die Stadt erretten sie, wenn ja von neuem
225
Zeus ihm Ehre verleiht, des Tydeus Sohn Diomedes.
Auf denn, die Geißel sofort, und die purpurschimmernden Zügel,
Nimm; ich selbst verlasse die Ross‘ und warte des Kampfes.
Oder begegn‘ ihm du; und mir sei die Sorge der Rosse.
Ihm antwortete drauf der glänzende Sohn des Lykaon:
230
Lenke du selbst, Äneias, dein Rossegespann mit den Zügeln.
Hurtiger mögen, gewohnt des Lenkenden, jen‘ uns entreißen
Auf dem gebognen Geschirr, wann wieder verfolgt der Tydeide:
Daß sie uns nicht abschweifen umhergescheucht, und dem Schlachtfeld‘
Uns unwillig enttragen, des Eigeners Stimme vermissend;
235
Aber dahergestürmt der Sohn des mutigen Tydeus
Uns dann beid‘ erschlag‘, und entführe die stampfenden Rosse.
Darum lenke du selbst dein Wagengeschirr und die Rosse;
Jenem will ich, so er kommt, mit spitziger Lanze begegnen.
Also redeten beid‘, und den künstlichen Wagen besteigend‘,
240
Sprengten auf Tydeus Sohn sie daher mit hurtigen Rossen.
Sie nahm Sthenelos wahr, der kapaneïsche Krieger,
Wandte sich schnell zum Tydeiden, und sprach die geflügelten Worte:
Tydeus Sohn Diomedes, du meiner Seele Geliebter,
Schau zween tapfere Männer auf dich herstürmen zum Kampfe,
245
Beid‘ unermeßlicher Kraft: der dort, wohlkundig des Bogens,
Pandaros, welcher den Sohn des Lykaon rühmend sich nennet;
Weil Äneias ein Sohn des hochbeherzten Anchises
Trotzt entsprossen zu sein von der Tochter Zeus‘ Aphrodite.
Laß uns schnell im Wagen entfliehn, und wüte mir so nicht
250
Unter dem Vordergewühl, daß nicht dein Leben dir schwinde.
Finster schaut‘ und begann der starke Held Diomedes:
Nichts von Flucht mir gesagt; denn schwerlich möcht‘ ich gehorchen!
Mir nicht ist’s anartend, zurückzubeben im Kampfe,
Oder hinab mich zu schmiegen; noch fest mir dauret die Stärke!
255
Mich verdreußt’s im Wagen zu stehn; vielmehr, wie ich hier bin,
Wandl‘ ich gegen sie an; Furcht wehret mir Pallas Athene.
Nie trägt jene zurück ihr Gespann schnellfüßiger Rosse
Beid‘ aus unseren Händen, wofern auch einer entrinnet.
Eines verkünd‘ ich dir noch, und du bewahr‘ es im Herzen.
260
Wenn ja den Ruhm mir gewährt die ratende Göttin Athene,
Beide sie hinzustrecken; dann unsere hurtigen Rosse
Hemme zurück, das Gezäum am Sesselrande befestigt;
Und zu Äneias‘ Rossen enteile mir, daß du sie wegfährst
Aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern.
265
Jenes Geschlechts sind diese, das Zeus Kronion dem Troß einst
Gab zum Entgelte des Sohns Ganymedes: edel vor allen
Rossen, so viel‘ umstrahlet das Tageslicht und die Sonne.
Jenes Geschlechts entwandte der Völkerfürst Anchises,
Ohne Laomedons Kunde die eigenen Stuten vermählend,
270
Welche darauf sechs Füllen in seinem Palast ihm gebaren,
Vier von jenen behaltend ernähret‘ er selbst an der Krippe;
Diese gab er Äneias dem Sohn, zween stürmende Renner.
Könnten wir dies‘ erbeuten, dann würd ein herrlicher Ruhm uns!
Also redeten jen‘ im Wechselgespräch miteinander.
275
Schnell nun nahten sie dort, die hurtigen Rosse beflügelnd.
Gegen ihn rufte zuerst der glänzende Sohn des Lykaon:
Feuriger, hochbeherzter, du Sohn des strahlenden Tydeus,
Nicht das herbe Geschoß, das der Bogen schnellte, bezwang dich;
Aber anjetzt mit dem Speere versuch‘ ich es, ob er mir treffe.
280
Sprach’s, und im Schwung‘ entsandt‘ er die weithinschattende Lanze;
Und sie traf auf den Schild des Königes; aber hindurch flog
Stürmend die eherne Spitz‘, und schmetterte gegen den Panzer.
Jauchzend erhub die Stimme der glänzende Sohn des Lykaon:
Ha! das traf doch hindurch in die Weiche dir! Nimmer vermut‘ ich,
285
Wirst du es lang‘ aushalten; und großen Ruhm mir gewährst du!
Drauf begann unerschrocken der starke Held Diomedes:
Nicht getroffen, gefehlt! Doch schwerlich werdet ihr, mein‘ ich,
Eher zur Ruh hingehn, bis wenigstens einer entfallend
Ares mit Blute getränkt, den unaufhaltsamen Krieger!
290
Sprach’s, und entsandte den Speer; ihn richtete Pallas Athene
Grad‘ am Aug‘ in die Nas‘; und die weißen Zähn‘ ihm durchdrang sie;
Hinten zugleich die Zunge zerschnitt das starrende Erz ihm,
Daß die Spitz‘ ihm entfuhr am äußersten Ende des Kinnes.
Und er entsank dem Geschirr, und es rasselten um ihn die Waffen,
295
Reges Gelenks, weitstrahlend; und seitwärts zuckten die Rosse,
Mutig und rasch; ihn aber verließ dort Atem und Stärke.
Aber es stürmt‘ Äneias mit Schild und ragendem Speer an,
Sorgend, daß ihm wegzögen den toten Freund die Achaier.
Rings umwandelt‘ er ihn, wie ein Löw‘ in trotzender Kühnheit;
300
Vor ihn streckt‘ er die Lanz‘, und den Schild von gerundeter Wölbung,
Ihn zu erschlagen bereit, wer nur annahte zu jenem,
Mit graunvollem Geschrei. Da ergriff den gewaltigen Feldstein
Tydeus‘ Sohn, so schwer, daß nicht zween Männer ihn trügen,
Wie nun Sterbliche sind; doch er schwang ihn allein und behende.
305
Hiermit traf er Äneias das Hüftgelenk, wo des Schenkels
Bein in der Hüfte sich dreht, das auch die Pfanne genannt wird;
Und er zermalmt‘ ihm die Pfann‘, und zerriß ihm beide die Sehnen;
Rings auch entblößte die Haut der zackige Stein: und der Held sank
Vorwärts hin auf das Knie, und stemmte die nervichte Rechte
310
Gegen die Erd‘, und die Augen umzog die finstere Nacht ihm.
Dort nun wär‘ er gestorben der Völkerfürst Äneias,
Wenn nicht schnell es bemerkt die Tochter Zeus‘ Aphrodite,
Die dem Anchises vordem ihn gebar bei der Herde der Rinder.
Diese den trautesten Sohn mit Lilienarmen umschlingend,
315
Breitet‘ ihm vor die Falte des silberhellen Gewandes,
Gegen der Feinde Geschoß, daß kein Gaultummler Achaias
Jenem die Brust mit Erze durchbohrt‘, und das Leben entrisse.
Also den trautesten Sohn enttrug sie hinweg aus der Feldschlacht.
Doch nicht Kapaneus Sohn war sorglos jenes Vertrages,
320
Welchen ihm anbefahl der Rufer im Streit Diomedes;
Sondern er hemmt‘ abwärts sein Gespann starkhufiger Rosse
Außer dem Sturm, das Gezäum am Sesselrande befestigt;
Schnell dann Äneias Rosse, die schöngemähnten, entführt‘ er
Aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern;
325
Gab sie darauf dem Genossen Deïpylos, den er vor allen
Jugendfreunden geehrt, weil fügsames Sinnes sein Herz war:
Daß zu den Schiffen hinab er sie führete. Selber der Held dann
Stieg in das eigne Geschirr, und ergriff die prangenden Zügel,
Lenkte dann schnell zum Tydeiden die mächtig stampfenden Rosse,
330
Freudiges Muts. Der folgte mit grausamem Erze der Kypris,
Weil er erkannte, sie erschein‘ unkriegerisch, keine der andern
Göttinnen, welche der sterblichen Schlacht obwaltend durchwandeln,
Weder Athenens Macht, noch der Städt‘ Unholdin Enyo.
Als er nunmehr sie erreicht, durch Schlachtgetümmel verfolgend;
335
Jetzo die Lanze gestreckt, der Sohn des erhabenen Tydeus,
Traf er daher sich schwingend mit eherner Spitze die Hand ihr,
Zart und weich; und sofort in die Haut ihr stürmte die Lanze
Durch die ambrosische Hülle, die ihr Charitinnen gewebet,
Nah am Gelenk in der Fläche: da rann ihr unsterbliches Blut hin,
340
Klarer Saft, wie den Wunden der seligen Götter entfließet;
Denn nicht essen sie Brot, noch trinken sie funkelndes Weines;
Blutlos sind sie daher, und heißen unsterbliche Götter.
Laut nun schrie die Göttin, und warf zur Erde den Sohn hin.
Aber ihn in den Händen errettete Phöbos Apollon,
345
Hüllend in dunkles Gewölk, daß kein Gaultummler Achaias
Jenem die Brust mit Erze durchbohrt‘, und das Leben entrisse.
Jetzo erhub die Stimme der Rufer im Streit Diomedes.
Weiche zurück, Zeus‘ Tochter, aus Männerkampf und Entscheidung!
Nicht genug, daß du Weiber von schwachem Sinne verleitest?
350
Wo du hinfort in den Krieg dich einmengst; wahrlich ich meine,
Schaudern sollst du vor Krieg, wenn du fern nur nennen ihn hörest!
Jener sprach’s; und verwirrt enteilte sie, Qualen erduldend.
Iris nahm und enttrug sie windschnell aus dem Getümmel,
Ach, vom Schmerze betäubt, und die schöne Hand so gerötet!
355
Jetzo fand sie zur Linken der Schlacht den tobenden Ares
Sitzend, in Nacht die Lanze gehüllt, und die hurtigen Rosse.
Jen‘ auf die Knie‘ hinfallend vor ihrem teuersten Bruder,
Bat und flehete sehr um die goldgeschirreten Rosse.
Teuerster Bruder, schaffe mich weg, und gib mir die Rosse;
360
Daß zum Olympos ich komm‘, allwo die Unsterblichen wohnen.
Heftig schmerzt mich die Wunde; mich traf ein sterblicher Mann dort,
Tydeus‘ Sohn, der anjetzt wohl Zeus den Vater bekämpfte.
Jene sprach’s; und er gab die goldgeschirreten Rosse.
Und sie trat in den Sessel, ihr Herz voll großer Betrübnis.
365
Neben sie trat dann Iris, und faßt‘ in den Händen die Zügel;
Treibend schwang sie die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse.
Bald erreichten sie dann die seligen Höhn des Olympos.
Dort nun hemmte die Rosse die windschnell eilende Iris,
Schirrte sie ab vom Wagen, und reicht‘ ambrosische Nahrung.
370
Aber mit Wehmut sank in Dionens Schoß Aphrodite;
Jene ritterlich hielt die göttliche Tochter umarmend,
Streichelte sie mit der Hand, und redete, also beginnend:
Wer mißhandelte dich, mein Töchterchen, unter den Göttern
Sonder Scheu, als hättest du öffentlich Frevel verübet?
375
Ihr antwortete drauf die holdanlächelnde Kypris:
Tydeus‘ Sohn dort traf mich, der stolze Held Diomedes,
Weil ich den lieben Sohn aus dem Kampf enttrug, den Äneias,
Welcher mir vor allen geliebt ist unter den Menschen.
Nicht ist’s mehr der Troer und Danaer schreckliche Feldschlacht;
380
Sondern es nahn die Achaier sogar Unsterblichen kämpfend!
Ihr antwortete drauf die herrliche Göttin Dione:
Dulde, du liebes Kind, und fasse dich, herzlich betrübt zwar!
Viele ja duldeten schon, wir Götter umher des Olympos,
Gram von sterblichen Menschen, indem wir einander gekränket.
385
Ares ertrug’s, als jenen die Riesenbrut des Aloeus,
Otos samt Ephialtes, in schmerzenden Banden gefesselt.
Dreizehn lag er der Mond‘ umschränkt vom ehernen Kerker;
Und er verschmachtete schier, der unersättliche Krieger,
Wenn nicht der Brut Stiefmutter, die reizende Eëriböa,
390
Solches dem Hermes gesagt: der stahl von dannen den Ares,
Kraftlos schon und ermattet; denn hart bezwang ihn die Fessel.
Here auch trug’s, als einst Amphitryons mächtiger Sohn ihr
Mit dreischneidigem Pfeil an der rechten Seit‘ in den Busen
Traf. da hätte sie fast unheilbare Schmerzen empfangen.
395
Selbst auch Aïdes trug’s, der gewaltige Schattenbeherrscher,
Als ihn eben der Mann, der Sohn des Ägiserschüttrers,
Unten am Tor der Toten mit schmerzendem Pfeile verwundet.
Aber er stieg zum Hause des Zeus und dem hohen Olympos,
Traurend das Herz, durchdrungen von wütender Pein; denn geheftet
400
War in der mächtigen Schulter der Pfeil, und quält‘ ihm die Seele.
Doch ihm legt‘ auf die Wunde Päeon lindernden Balsam,
Und er genas; denn nicht war sterbliches Los ihm beschieden.
Kühner, entsetzlicher Mann, der frech, nicht achtend des Frevels,
Sein Geschoß auf Götter gespannt, des Olympos Bewohner!
405
Jenen erregte dir Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Tor! er erwog nicht solches, der Sohn des mutigen Tydeus,
Daß nicht lange besteht, wer wider Unsterbliche kämpfet,
Daß nicht Kinder ihm einst an den Knien: mein Väterchen! stammeln,
Ihm der gekehrt aus Krieg und schreckenvoller Entscheidung.
410
Darum hüte sich jetzt, wie tapfer er sei, Diomedes,
Daß nicht stärker denn du ein anderer gegen ihn kämpfe;
Daß nicht Ägialeia, die sinnige Tochter Adrastos,
Einst aus dem Schlaf aufschluchzend die Hausgenossen erwecke,
Schwermutsvoll um den Jugendgemahl, den besten Achaier,
415
Sie, das erhabene Weib von Tydeus‘ Sohn Diomedes!
Sprach’s, und trocknete jener mit beiden Händen die Wunde;
Heil ward jetzo die Hand, und besänftiget ruhten die Schmerzen.
Aber es schauten daher Athen‘ und die Herrscherin Here,
Und mit stichelnden Worten erregten sie Zeus Kronion.
420
Also redete Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Vater Zeus, ob du solches verargen mir wirst, was ich sage?
Sicher bewog nun Kypris ein schönes achaiisches Weiblein,
Mitzugehn zu den Troern, die jetzt unmäßig sie liebet;
Dort vielleicht am Gewande der holden Achaierin streichelnd,
425
Hat sie mit goldener Spange die zarte Hand sich geritzet.
Lächelnd vernahm’s der Vater des Menschengeschlechts und der Götter,
Rief sie heran, und sprach zur goldenen Aphrodite:
Töchterchen, dein Geschäft sind nicht die Werke des Krieges.
Ordne du lieber hinfort anmutige Werke der Hochzeit.
430
Diese besorgt schon Ares der Stürmende, und Athenäa.
Also redeten jen‘ im Wechselgespräch miteinander.
Dort auf Äneias stürzte der Rufer im Streit Diomedes,
Wissend zwar, daß selber Apollons Hand ihn bedeckte.
Doch nicht scheut‘ er den Gott, den gewaltigen; sondern begierig
435
Strebt‘ er zu töten den Held, und die prangende Rüstung zu rauben.
Dreimal stürzt‘ er hinan, voll heißer Begier zu ermorden;
Dreimal erregte mit Macht den leuchtenden Schild ihm Apollon.
Als er das vierte Mal drauf anstürmete, stark wie ein Dämon,
Rief mit schrecklichem Drohn der treffende Phöbos Apollon:
440
Hüte dich, Tydeus‘ Sohn, und weiche mir! Nimmer den Göttern
Wage dich gleich zu achten; denn gar nicht ähnliches Stammes
Sind unsterbliche Götter, und erdumwandelnde Menschen!
Jener sprach’s; da entwich mit zauderndem Schritt Diomedes,
Scheuend den furchtbaren Zorn des treffenden Phöbos Apollon.
445
Doch den Äneias enttrug dem Schlachtgetümmel Apollon,
Wo sein Tempel ihm stand auf Pergamos heiliger Höhe.
Sein dort pflegeten Leto und Artemis, froh des Geschosses,
Drinnen im heiligsten Raum, ihm Kraft und Herrlichkeit schenkend.
Jener schuf ein Gebild, der Gott des silbernen Bogens,
450
Selbst dem Äneias gleich an Gestalt und jeglicher Rüstung;
Und um das Bild die Troer und hochbeherzten Achaier
Haueten wild einander umher an den Busen die Stierhaut
Schöngeründeter Schild‘ und leichtgeschwungener Tartschen.
Doch zum tobenden Ares begann nun Phöbos Apollon:
455
Ares, o Ares voll Mord, Bluttriefender, Maurenzertrümmrer!
Möchtest du nicht den Mann aus der Schlacht hingehend vertreiben,
Tydeus‘ Sohn, der anjetzt wohl Zeus den Vater bekämpfte?
Kypris traf er zuerst, die Hand am Knöchel verwundend;
Aber darauf mich selber bestürmet er, stark wie ein Dämon!
460
Dieses gesagt, ging jener auf Pergamos Höhe sich setzend.
Aber die Troer durcheilt‘ und ermunterte Ares der Wütrich,
Akamas gleich an Gestalt, dem rüstigen Führer der Thraker.
Jetzt des Priamos Söhnen, den gottbeseligten, rief er:
O ihr Priamos Söhne, des gottbeseligten Herrschers,
465
Bis wie lang‘ erlaubt ihr das Morden des Volks den Achaiern?
Bis vielleicht um der Stadt schönprangende Tore gekämpft wird?
Liegt doch der Mann, den gleich wir geehrt dem göttlichen Hektor,
Dort Äneias, der Sohn des hochgesinnten Anchises!
Aber wohlan, dem Getümmel entreißt den edlen Genossen!
470
Jener riefs, und erregte den Mut und die Herzen der Männer.
Jetzo begann Sarpedon, und schalt den göttlichen Hektor:
Hektor, wohin entflohe der Mut dir, den du zuvor trugst?
Schirmen auch ohne Volk und Verbündete wolltest du Troja,
Du allein mit den Schwägern und deinen leiblichen Brüdern!
475
Keinen davon nun kann ich umherschaun, oder erblicken;
Sondern geschmiegt sind alle, wie scheue Hund‘ um den Löwen;
Doch wir tragen die Schlacht, die wir als Berufene mitgehn.
Auch ich selbst, ein Bundesgenoß, sehr ferne ja kam ich,
Her aus dem Lykierland‘ an Xanthos wirbelnden Fluten:
480
Wo ein geliebtes Weib und ein zarter Sohn mir zurückblieb,
Auch der habe so viel, als nur ein Darbender wünschet.
Aber auch so ermahn‘ ich die Lykier, eifere selbst auch,
Meinem Mann zu begegnen; wiewohl nichts solches mir hier ist,
Welches hinweg mir trüg‘ ein Danaer, oder entführte.
485
Doch du stehst da selber, und auch nicht andere treibst du
Auszuharren im Volk, und Schutz zu schaffen den Weibern.
Daß nur nicht, wie gefangen im weiteinschließenden Zuggarn,
Ihr feindseligen Männern zu Raub und Beute dahinsinkt,
Welche sie bald austilgten, die Stadt voll prangender Häuser!
490
Dir ja gebührt’s, das alles bei Tag‘ und Nacht zu besorgen,
Flehend umher den Fürsten der fernberufenen Helfer,
Rastlos hier zu bestehn, und nicht zu drohen mit Vorwurf!
Also sprach Sarpedon, das Herz verwundend dem Hektor.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde.
495
Schwenkend die spitzigen Lanzen, durchwandelt‘ er alle Geschwader,
Rings ermahnend zum Kampf, und erweckte die tobende Feldschlacht.
Jene nun wandten die Stirn, und begegneten kühn den Achaiern;
Argos Volk dort harrte, gedrängt in Scharen und furchtlos.
Doch wie der Wind hinträget die Spreu durch heilige Tennen,
500
Unter der Wurfeler Schwung, wann die gelbgelockte Demeter
Sondert die Frucht und die Spreu im Hauch andrängender Winde;
Fern dann häuft das weiße Gestöber sich: also umzog nun
Weiß von oben der Staub die Danaer, den durch die Heerschar
Hoch zum ehernen Himmel emporgeschlagen die Rosse,
505
Wieder zum Kampf anrennend, da rings umwandten die Lenker.
Rasch mit der Hände Gewalt vorstrebten sie. Aber in Nacht nun
Hüllte der tobende Ares die Schlacht, zum Schirme den Troern,
Wandelnd um jegliche Schar, und richtete aus die Ermahnung,
Was ihm Phöbos Apollon mit goldenem Schwerte geheißen,
510
Trojas Volke den Mut zu erhöhn; als Pallas Athene
Scheiden er sah, die dort als Helferin ging den Achaiern.
Jener entsandt‘ Äneias nunmehr aus des prangenden Tempels
Heiligtum, und erfüllte mit Kraft den Hirten der Völker.
Plötzlich trat zu den Seinen der Herrliche; aber mit Freude
515
Schaueten sie, daß lebend und unverletzt er daherging,
Und voll tapferes Mutes; allein ihn fragete keiner;
Denn es verbot das Geschäft, das sonst Apollon erregte,
Ares der Würger zugleich, und die rastlos lechzende Eris.
Aber die Ajas beid‘, und Odysseus, samt Diomedes,
520
Trieben daher zum Kampfe die Danaer, welche von selbst auch
Weder dem Drang der Troer erzitterten, weder dem Feldruf;
Sondern sie harreten fest, dem Gewölk gleich, welches Kronion
Stellt‘ in ruhiger Luft auf hochgescheitelten Bergen,
Unbewegt, weil schlummert des Boreas Wut, und der andern
525
Vollandrängenden Winde, die bald die schattigen Wolken
Mit lautbrausendem Hauche zerstreut auseinander dahinwehn:
Also standen dem Feind die Danaer ruhig und furchtlos.
Atreus Sohn durcheilte die Heerschar, vieles ermahnend:
Seid nun Männer, o Freund‘, und erhebt euch tapferes Herzens!
530
Ehret euch selbst einander im Ungestüme der Feldschlacht!
Denn wo sich ehrt ein Volk, stehn mehrere Männer denn fallen;
Doch den Fliehenden wird nicht Ruhm gewährt, noch Errettung!
Rief’s, und entsandte den Speer mit Gewalt; und im vorderen Treffen
Streckt‘ er Deïkoon hin, den Freund des edlen Äneias,
535
Pergasos Sohn, den hoch wie Priamos Söhne die Troer
Ehrten; denn rasch war jener im Vorderkampfe zu kämpfen.
Diesem traf mit der Lanze den Schild Agamemnon der Herrscher;
Und nicht hemmete jener den Speer; durchstürmte das Erz ihm
Unten hinein in den Bauch, den künstlichen Gurt ihm durchbohrend.
540
Dumpf hinkracht‘ er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.
Jetzo entrafft‘ Äneias der Danaer tapferste Männer,
Krethon samt dem Bruder Orsilochos, Söhne Diokles.
Aber der Vater wohnt‘ in der schöngebaueten Fähre,
Reich an Lebensgut, und erwuchs vom Geschlecht des Alpheios,
545
Welcher den breiten Strom hinrollt durch der Pylier Äcker:
Der den Orsilochos zeugt‘, ein großes Volk zu beherrschen;
Aber Orsilochos zeugte den hochgesinnten Diokles;
Und dem Diokles wurden die Zwillingssöhne geboren,
Krethon und Orsilochos, beid‘ allkundig des Streites.
550
Beid‘ als Jünglinge nun in dunkelen Schiffen des Meeres
Folgeten Argos Heere zum Kampf mit den Reisigen Trojas,
Ruhm für Atreus Söhn‘, Agamemnon und Menelaos,
Suchend im Streit: nun hüllte sie dort des Todes Verhängnis.
Wie zween freudige Löwen zugleich auf ragenden Berghöhn
555
Wuchsen genährt von der Mutter, in dunkeler Tiefe des Waldes;
Jetzo Rinder umher und gemästete Schafe sich raubend,
Weit der Männer Gehege verwüsten sie; bis sie nun selber
Fallen durch Menschenhand, von spitzigem Erze getötet:
So voll Kraft, von Äneias gewaltigen Händen besieget,
560
Sanken die zween, gleich Tannen mit hochaufsteigenden Wipfeln.
Ihren Fall betraurte der Rufer im Streit Menelaos.
Rasch durch das Vordergewühl, mit strahlendem Erze gewappnet,
Nahet‘ er, schwenkend den Speer; und das Herz ermuntert‘ ihm Ares,
Weil er hofft‘, ihn gestreckt von Äneias Händen zu schauen.
565
Als ihn Antilochos sahe, der Sohn des erhobenen Nestor,
Eilt er durchs Vordergewühl; denn er sorgt‘ um den Hirten der Völker,
Daß er blieb‘, und dem Volke vereitelte alle die Arbeit.
Beide schon die Arm‘ und die erzgerüsteten Lanzen
Hielten sie gegeneinander gewandt, in Begierde des Kampfes.
570
Aber Antilochos trat dem Völkerhirten zur Seite:
Und nicht harrt‘ Äneias, obgleich ein rüstiger Kämpfer,
Als er sah zween Männer, voll Muts miteinander beharrend.
Jene, nachdem sie die Toten zum Volk der Achaier gezogen,
Ließen dort die Armen gelegt in die Hände der Freunde;
575
Doch sie selber gewandt, arbeiteten wieder im Vorkampf.
Ihnen sank Pylämenes nun, dem Ares vergleichbar,
Fürst der Paphlagonen, der schildgewappneten Streiter:
Welchen des Atreus Sohn, der streitbare Held Menelaos,
Stach, wie er stand, mit der Lanz‘, am Schlüsselbein ihn durchbohrend.
580
Aber Antilochos warf den zügellenkenden Diener,
Mydon, Atymnios Sohn, da er wandte die stampfenden Rosse,
Grad‘ an des Armes Gelenk mit dem Feldstein; daß ihm die Zügel,
Schimmernd von Elfenbein, in den Staub des Gefildes entsanken.
Doch Antilochos naht‘ und hieb ihm das Schwert in die Schläfe;
585
Und er entsank aufröchelnd dem schöngebildeten Sessel,
Häuptlings hinab in den Staub, auf Scheitel gestellt und Schultern.
Also stand er lange, vom lockeren Sande gehalten,
Bis anstoßend die Ross‘ in den Staub hinwarfen den Leichnam;
Denn sie trieb mit der Geißel Antilochos zu den Achaiern.
590
Jetzt wie sie Hektor ersah durch die Ordnungen, stürmt‘ er auf jene
Her mit Geschrei; ihm folgten zugleich Heerscharen der Troer,
Tapfere. Dort ging Ares voran, und die grause Enyo:
Diese Getös‘ herbringend und unermeßlichen Aufruhr;
Ares dort in den Händen die schreckliche Lanze bewegend,
595
Wandelte bald vor Hektor einher, bald folget‘ er jenem.
Ihn erblickt‘ aufschauend der Rufer im Streit Diomedes.
So wie ein Mann unkundig, der Fremdlinge Fluren durchwandernd,
Steht am Rand des reißenden Stroms, der ins Meer sich ergießet,
Starr voll Schaum hinbrausen ihn sieht, und in Eile zurückkehrt:
600
Also entriß der Tydeid‘ in Eile sich, sprach dann zum Volke:
Freunde, wie sehr erstaunen wir doch dem göttlichen Hektor,
Ihm als Lanzenschwinger und unerschrockenen Krieger?
Geht bei ihm doch immer ein Gott, und wehrt dem Verderben!
Jetzt auch naht‘ ihm Ares, der dort wie ein Sterblicher wandert!
605
Auf denn, gegen die Troer zurückgewendet das Antlitz,
Weichen wir, nicht verlangend den Kampf mit unsterblichen Göttern!
Jener sprach’s; und die Troer in Schlachtreihn wandelten näher.
Aber Hektor erschlug zween streiterfahrene Männer,
Beid‘ auf einem Geschirr, Anchialos und Menesthes.
610
Ihren Fall betraurte der Telamonier Ajas.
Näher trat er hinan, und schwang die eherne Lanze;
Selagos Sohn dort traf er, Amphios, welcher in Päsos
Wohnete, güterreich und feldreich; doch das Verhängnis
Führt‘ ihn, Helfer zu sein, dem Priamos her und den Söhnen.
615
Diesen traf am Gurte der Telamonier Ajas,
Daß ihm tief in den Bauch eindrang die ragende Lanze;
Dumpf hinkracht‘ er im Fall. Da naht‘ ihm der leuchtende Ajas,
Rasch die Wehr zu entziehn; doch es schütteten Speere die Troer,
Blinkend und scharfgespitzt, und den Schild umstarreten viele.
620
Jetzo den Fuß anstemmend, die eherne Lanz‘ aus dem Leichnam
Zog er heraus; doch nicht vermocht‘ er die prangende Rüstung
Auch von der Schulter zu nehmen; denn dicht umstürmte Geschoß ihn.
Furcht nun gebot der mächtige Kreis hochherziger Troer,
Welche viel und tapfer ihm droheten, Speere bewegend;
625
Welche, wie groß der Held, wie gewaltig er war, und wie ruhmvoll,
Dennoch zurück ihn drängten; er wich voll jäher Bestürzung.
So arbeiteten jen‘ im Ungestüme der Feldschlacht.
Aber den Herakleiden Tlepolemos, groß und gewaltig,
Trieb auf Sarpedon daher, den göttlichen, böses Verhängnis.
630
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander,
Sohn zugleich und Enkel des schwarzumwölkten Kronion;
Jetzo hub Tlepolemos an, und redete also:
Herrscher des Lykiervolks Sarpedon, rede, was zwang dich,
Hier in Angst zu vergehn, ein Mann unkundig des Streites?
635
Unwahr preisen sie dich ein Geschlecht des Ägiserschüttrers
Zeus, denn sehr gebricht dir die Heldentugend der Männer,
Welche von Zeus abstammten in vorigen Menschengeschlechtern!
Welch ein anderer war die hohe Kraft Herakles,
Wie man erzählt, mein Vater, der trotzende, löwenbeherzte:
640
Welcher auch hieher kam, Laomedons Rosse zu fordern,
Von sechs Schiffen allein und wenigem Volke begleitet,
Aber die Stadt verödet, und leer die Gassen zurückließ!
Du bist feig im Herzen, und führst hinsterbende Völker;
Und nicht wirst du den Troern, so scheinet es, Hilfe gewähren,
645
Kommend aus Lykiens Flur, auch nicht wenn du tapferer wärest,
Sondern von mir bezwungen zu Aïdes Pforten hinabgehn!
Drauf begann Sarpedon, der Lykier Fürst, ihm erwidernd:
Zwar, Tlepolemos, jener verwüstete Ilios Feste,
Um des erhabenen Helden Laomedons frevelnde Torheit,
650
Weil er für Wohltat ihn mit heftiger Rede bedrohend,
Nicht die Rosse verliehn, weshalb er ferne gekommen.
Doch dir meld‘ ich allhier den Tod und das schwarze Verhängnis,
Durch mich selbst dir bestimmt; von meiner Lanze gebändigt,
Gibst du mir Ruhm, und die Seele dem Sporner der Gaul‘ Aïdoneus.
655
Also sprach Sarpedon; und hoch mit eschenem Wurfspieß
Drohte Tlepolemos her, und zugleich entstürmeten beider
Lange Geschosse der Hand. Es traf dem Gegner Sarpedon
Grad‘ in den Hals, daß hinten die Spitz‘ ihm schrecklich hervordrang;
Schnell umhüllt‘ ihm die Augen ein mitternächtliches Dunkel.
660
Aber Tlepolemos traf den linken Schenkel Sarpedons
Mit dem gewaltigen Speer; und hindurch flog strebend die Spitze,
Bis an den Knochen gedrängt; nur den Tod noch hemmte der Vater.
Jetzo den göttlichen Held Sarpedon führeten liebend
Edle Freund‘ aus dem Kampf, doch die ragende Lanze beschwert‘ ihn,
665
Nachgeschleift; denn keiner bemerkte sie, oder besann sich,
Daß er dem Schenkel entzöge den Wurfspieß, leichter zu wandeln,
Unter der Hast; so in Eil‘ arbeiteten seine Besorger.
Auch Tlepolemos trugen die hellumschienten Achaier
Schnell aus dem Kampfe zurück. Dies sah der edle Odysseus,
670
Voll ausdaurender Kraft; und bewegt ward innig das Herz ihm.
Und er erwog hinfort in des Herzens Geist und Empfindung:
Ob er zuvor Zeus‘ Sohn, des donnerfrohen, verfolgte;
Oder mehreren dort der Lykier raubte das Leben.
Aber Odysseus nicht, dem Erhabenen, gönnte das Schicksal,
675
Zeus‘ gewaltigen Sohn mit scharfem Erz zu erlegen;
Drum in das Volk der Lykier trieb den Mut ihm Athene.
Dort den Köranos rafft‘ er, den Chromios, und den Alastor,
Halios auch, und Alkandros, und Prytanis, auch den Noëmon.
Und noch mehr der Lykier schlug der edle Odysseus,
680
Wenn nicht schnell ihn bemerkt der helmumflatterte Hektor.
Rasch durch das Vordergewühl, mit strahlendem Erze gewappnet,
Kam er, ein Graun der Achaier; doch froh des nahenden Freundes
Ward Zeus‘ Sohn Sarpedon, und sprach mit trauriger Stimme:
Laß nicht, Priamos‘ Sohn, mich nun zum Raub den Achaiern
685
Liegen; verteidige mich! Dann mög‘ auch fliehen mein Leben
Dort in euerer Stadt; dieweil ja nicht mir verhängt ward,
Heimgekehrt in mein Haus, zum lieben Lande der Väter,
Einst mein liebendes Weib und den zarten Sohn zu erfreuen!
Jener sprach’s; ihm erwiderte nichts der gewaltige Hektor!
690
Sondern er stürmte vorbei, voll heißer Begier, wie er eilig
Wegdrängt‘ Argos Volk, und vielen noch raubte das Leben.
Aber den göttlichen Held Sarpedon legten die Freunde
Unter des ägiserschütternden Zeus‘ weitprangende Buche.
Dort nun zog ihm hervor den eschenen Speer aus dem Schenkel
695
Pelagon, tapfer und stark, der ihm ein trauter Genoß war.
Und ihn verließ sein Geist, und Nacht umzog ihm die Augen.
Doch nun atmet‘ er auf, und kühlende Hauche des Nordwinds
Wehten umher Erfrischung dem matt arbeitenden Leben.
Argos Volk, von Ares gedrängt und dem strahlenden Hektor,
700
Wandte sich weder hinab zu den dunkelen Schiffen des Meeres,
Noch auch strebt‘ es entgegen den Streitenden; sondern allmählich
Wichen sie, als sie vernahmen im Heer der Troer den Ares.
Welchen entblößte zuerst, und welchen zuletzt des Geschmeides
Hektor zugleich, des Priamos‘ Sohn, und der eherne Ares?
705
Teuthras den göttlichen Held, und den Rossetummler Orestes,
Drauf den Önomaos auch, und Ätoliens Kämpfer den Trechos,
Helenos, Önops Sohn, und Oresbios, rüstig im Leibgurt:
Der einst Hyle bewohnt, des Reichtums sorgsamer Hüter,
Wo am See Kephissis er bauete, und ihm benachbart
710
Viel der böotischen Männer, der Segensflur sich erfreuend.
Aber nunmehr bemerkte die lilienarmige Here
Argos Volk hinsinkend in schreckenvoller Entscheidung,
Wandte sich schnell zur Athen‘, und sprach die geflügelten Worte:
Weh mir, des ägiserschütternden Zeus‘ unbezwungene Tochter!
715
Traun ein eiteles Wort verhießen wir einst Menelaos,
Heimzugehn ein Vertilger der festummauerten Troja,
Wenn wir so zu wüten dem tobenden Ares vergönnen!
Aber wohlan, auch selber gedenken wir stürmendes Mutes!
Sprach’s; und willig gehorcht‘ ihr Zeus‘ blauäugige Tochter.
720
Jene nun eilt‘ anschirrend die goldgezügelten Rosse,
Here, die heilige Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos.
Hebe fügt‘ um den Wagen alsbald die gerundeten Räder,
Eherne mit acht Speichen, umher an die eiserne Achse.
Gold ist ihnen der Kranz, unalterndes; aber umher sind
725
Eherne Schienen gelegt, anpassende, Wunder dem Anblick.
Silbern glänzen die Nahen in schönumlaufender Ründung.
Dann in goldenen Riemen und silbernen schwebet der Sessel
Ausgespannt, und umringt mit zween umlaufenden Rändern.
Vornhin streckt aus Silber die Deichsel sich; aber am Ende
730
Band sie das goldene Joch, das prangende; dem sie die Seile,
Schön und golden, umschlang. In das Joch nun fügete Here
Ihr schnellfüßig Gespann, und brannte nach Streit und Getümmel.
Aber Pallas Athene, des Ägiserschütterers Tochter,
Ließ hingleiten das feine Gewand im Palaste des Vaters,
735
Buntgewirkt, das sie selber mit künstlicher Hand sich bereitet.
Drauf in den Panzer gehüllt des schwarzumwölkten Kronions,
Nahm sie das Waffengeschmeide zur tränenbringenden Feldschlacht.
Siehe sie warf um die Schulter die Ägis, prangend mit Quästen,
Fürchterlich, rund umher mit drohendem Schrecken umkränzet.
740
Drauf ist Streit, drauf Stärke und drauf die starre Verfolgung,
Drauf das gorgonische Haupt, des entsetzlichen Ungeheuers,
Schreckenvoll und entsetzlich, das Graun des donnernden Vaters!
Auch umschloß sie das Haupt mit des Helms viergipflichter Kuppel,
Golden und groß, die Streiter aus hundert Städten zu decken.
745
Jetzt in den flammenden Wagen erhub sie sich; nahm dann die Lanze
Schwer und groß und gediegen, womit sie die Scharen der Helden
Bändiget, welchen sie zürnt, die Tochter des schrecklichen Vaters.
Here beflügelte dann mit geschwungener Geißel die Rosse;
Und aufkrachte von selbst des Himmels Tor, das die Horen
750
Hüteten, welchen der Himmel vertraut ward, und der Olympos,
Daß sie die hüllende Wolk‘ itzt öffneten, jetzo verschlossen.
Dort nun lenkten sie durch die leichtgesporneten Rosse.
Jetzo fanden sie Zeus, der entfernt von anderen Göttern
Saß auf dem obersten Gipfel des vielgezackten Olympos.
755
Dort nun hemmt‘ ihr Gespann die lilienarmige Here,
Und den erhabenen Zeus befragte sie, also beginnend:
Zürnst du nicht, Vater Zeus, den gewaltigen Taten des Ares,
Wie er verderbt ein so großes und herrliches Volk der Achaier,
Frech, nicht der Ordnung gemäß? Mich schmerzet es! Aber in Ruhe
760
Freuen sich Kypris zugleich und der Gott des silbernen Bogens,
Welche den Wüterich reizten, der keine Gerechtigkeit kennet!
Vater Zeus, ob du des mir ereifertest, wenn ich den Ares
Schlagend mit traurigem Schlag hinweg aus dem Kampfe verscheuchte?
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
765
Frisch nur, gereizt auf jenen die Siegerin Pallas Athene
Die am meisten ihn pflegt in bitteren Schmerz zu versenken!
Jener sprach’s; ihm gehorchte die lilienarmige Here.
Treibend schwang sie die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse,
Zwischen der Erd‘ einher und dem sternumleuchteten Himmel.
770
Weit wie die dunkelnde Fern‘ ein Mann durchspäht mit den Augen,
Sitzend auf hoher Wart‘, in das finstere Meer hinschauend:
So weit heben im Sprung sich der Göttinnen schallende Rosse.
Aber nachdem sie Troja erreicht, und die doppelte Strömung,
Wo des Simois Flut sich vereiniget und des Skamandros;
775
Jetzo hemmt ihr Gespann die lilienarmige Here,
Abgelöst vom Wagen, und breitete dichtes Gewölk aus;
Aber Ambrosia sproß der Simois jenen zur Weide.
Sie nun eilten dahin gleich schüchternen Tauben am Gange
Beid‘ entbrannt zu helfen den Männerscharen von Argos.
780
Als sie nunmehr hinkamen, allwo die meisten und stärksten
Standen um Tydeus‘ Sohn, den gewaltigen Rossebezähmer,
Dichtgedrängt, blutgierig, wie raubverschlingende Löwen,
Oder wie Eber des Waldes von nicht unkriegrischer Stärke;
Jetzo stand sie und rufte, die lilienarmige Here,
785
Stentorn gleich, dem starken an Brust und eherner Stimme,
Dessen Ruf laut tönte, wie fünfzig anderer Männer:
Schande doch, Argos Volk, ihr Verworfenen, trefflich an Bildung!
Weil noch mit in die Schlacht einging der edle Achilleus,
Wageten nie die Troer aus Dardanos schirmenden Toren
790
Vorzugehn; denn sie scheuten Achilleus mächtige Lanze!
Nun ist ferne der Stadt bei den räumigen Schiffen ihr Schlachtfeld!
Jene riefs, und erregte den Mut und die Herzen der Männer.
Aber zu Tydeus Sohn enteilete Pallas Athene;
Und sie fand den Herrscher am rossebespanneten Wagen,
795
Wie er die Wund‘ abkühlte, die Pandaros Pfeil ihm gebohret.
Denn ihn quälte der Schweiß, und der Druck des breiten Gehenkes
An dem gerundeten Schild‘; und kraftlos starrte die Hand ihm.
Jetzo hob er den Riemen, und wischte sich dunkeles Blut ab.
Aber das Joch der Rosse berührt‘, und sagte die Göttin:
800
Wenig gleicht dem Erzeuger der Sohn des mutigen Tydeus!
Tydeus dort war klein von Gestalt nur, aber ein Krieger!
Selbst einmal, da ich jenem den Kampf nicht wollte verstatten,
Noch ausschweifenden Trotz, da er einging fern von Achaiern,
Abgesandt in Thebe, zu häufigen Kadmeionen;
805
(Ruhig hieß ich ihn sitzen am Feiermahl im Palaste:)
Dennoch zeigt‘ er den Mut voll Ungestüms, wie beständig,
Rief die Kadmeier zu Kämpfen hervor; und in jeglichem siegt‘ er
Sonder Müh‘: so mächtig als Helferin naht‘ ich ihm selber.
Zwar auch deiner walt‘ ich mit Hilf‘ und schirmender Obhut,
810
Und zu freudigem Kampf ermahn‘ ich dich wider die Troer:
Doch dir starren vielleicht von stürmischer Arbeit die Glieder;
Oder dich lähmt auch Furcht, die entseelende! Nimmer in Zukunft
Scheinst du von Tydeus erzeugt, dem feurigen Sohne des Öneus!
Ihr antwortete drauf der starke Held Diomedes:
815
Wohl erkenn‘ ich dich, Göttin, des Ägiserschütterers Tochter;
Drum verkünd‘ ich dir frei und unverhohlen die Wahrheit.
Weder lähmt mich die Furcht, die entseelende weder die Trägheit;
Sondern annoch gedenk‘ ich, o Herrscherin, deines Gebotes:
Niemals seligen Göttern im Kampf entgegen zu wandeln,
820
Allen sonst; doch käme die Tochter Zeus‘ Aphrodite
Her in den Streit, die möcht‘ ich mit spitzigem Erze verwunden.
Darum weich‘ anjetzo ich selber zurück, und ermahn‘ auch
Andre von Argos Volk, sich hieher alle zu sammeln;
Denn ich erkenne den Ares, der dort das Treffen durchwaltet.
825
Drauf antwortete Zeus‘ blauäugige Tochter Athene:
Tydeus‘ Sohn, Diomedes, du meiner Seele Geliebter,
Fürchte du weder den Ares hinfort, noch einen der andern
Götter umher: so mächtig als Helferin nah‘ ich dir selber!
Mutig, zuerst auf Ares gelenkt die stampfenden Rosse!
830
Dann verwund‘ in der Näh‘, und scheu‘ nicht Ares den Wütrich,
Jenen Rasenden dort, den verderbenden Andrenumandren!
Ihn der neulich mir selbst und zugleich der Here gelobte,
Trojas Volk zu bekämpfen, und beizustehn den Argeiern;
Aber anjetzt die Troer verteidiget, jener vergessend!
835
Jene sprach’s; und sofort den Sthenelos trieb sie vom Wagen,
Ihn mit der Hand abreißend; und nicht unwillig entsprang er.
Doch sie trat in den Sessel zum edlen Held Diomedes,
Heiß in Begierde des Kampfs; laut stöhnte die buchene Achse
Lastvoll, tragend den tapfersten Mann, und die schreckliche Göttin.
840
Geißel sofort und Zügel ergriff nun Pallas Athene,
Eilt‘ und lenkt‘ auf Ares zuerst die stampfenden Rosse.
Jener entwaffnete dort der Ätolier tapfersten Krieger,
Periphas, groß und gewaltig, Ochesios edlen Erzeugten:
Diesen entwaffnete Ares, der blutige. Aber Athene
845
Barg sich in Aïdes Helm, damit nicht Ares sie sähe.
Als nun der mordende Ares ersah Diomedes den Edlen;
Ließ er Periphas schnell, den Gewaltigen, dort in dem Staube
Liegen, allwo er zuerst des Erschlagenen Seele geraubet;
Eilte dann grade daher auf den reisigen Held Diomedes.
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Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Vor dann streckte der Gott sich über das Joch und die Zügel
Mit erzblinkender Lanz‘, in Begier ihm die Seele zu rauben.
Doch mit der Hand sie ergreifend, die Herrscherin Pallas Athene
Stieß sie hinweg vom Sessel, daß nichtiges Schwungs sie vorbeiflog.
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Jetzo erhub sich auch jener, der Rufer im Streit Diomedes,
Mit erzblinkender Lanz‘; und es drängte sie Pallas Athene
Gegen die Weiche des Bauchs, wo die eherne Binde sich anschloß:
Dorthin traf und zerriß ihm die schöne Haut Diomedes;
Zog darin die Lanze zurück. Da brüllte der eherne Ares:
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Wie wenn zugleich neuntausend daherschrien, ja zehntausend
Rüstige Männer im Streit, zu schrecklichem Kampf sich begegnend.
Rings nun erbebte das Volk der Troer umher und Achaier,
Voll von Angst: so brüllte der rastlos wütende Ares.
Jetzo wie hoch aus Wolken umnachtetes Dunkel erscheinet,
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Wenn nach drückender Schwül‘ ein Donnersturm sich erhebet:
Also dem Held Diomedes erschien der eherne Ares,
Als er in Wolken gehüllt auffuhr zum erhabenen Himmel.
Eilendes Schwungs erreicht‘ er die seligen Höhn des Olympos.
Dort nun saß er bei Zeus dem Donnerer, trauriges Herzens,
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Zeigte das göttliche Blut, das niedertroff aus der Wunde;
Und er begann wehklagend, und sprach die geflügelten Worte:
Zürnst du nicht, Vater Zeus, die gewaltigen Taten erblickend?
Stets doch haben wir Götter die bitterste Qual zu erdulden,
Einer vom Rat des andern, und Gunst den Menschen gewährend!
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Doch dir streiten wir alle! denn dein ist die rasende Tochter,
Die, zu verderben entbrannt, nur frevele Taten ersinnet!
Alle die anderen Götter, so viel den Olympos bewohnen,
Folgen dir untertan, und huldigen deinem Gebote.
Jene nur, weder mit Worten bezähmst du sie, weder mit Taten;
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Sondern vergönnst, weil selbst die verderbende Tochter du zeugtest:
Welche nun den Tydeiden, den stolzen Held Diomedes,
Reizte daherzuwüten auf uns unsterbliche Götter!
Kypris traf er zuerst, die Hand am Knöchel verwundend;
Aber darauf mich selber bestürmet‘ er, stark wie ein Dämon!
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Nur mit eilenden Füßen entrann ich ihm. Lange vielleicht noch
Räng‘ ich dort mit Qualen im gräßlichen Leichengewimmel;
Oder ich lebt‘ ein Krüppel, entstellt von des Erzes Verwundung!
Finster schaut‘ und begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Hüte dich, Andrerumandrer, mir hier zur Seite zu winseln!
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Ganz verhaßt mir bist du vor allen olympischen Göttern!
Stets doch hast du den Zank nur geliebt, und die Kämpf‘ und die Schlachten!
Gleich der Mutter an Trotz und unerträglichem Starrsinn,
Heren, welche mir kaum durch Worte gebändiget nachgibt!
Auch ihr Rat, wie ich mein‘, hat dieses Weh dir bereitet!
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Aber ich kann nicht länger es ansehn, daß du dich quälest.
Bist du doch meines Geschlechts, und mir gebar dich die Mutter.
Hätt‘ ein anderer Gott dich erzeugt, heilloser Verderber;
Traun du lägest vorlängst tief unter den Uranionen.
Also Zeus, und gebot dem Päeon, jenen zu heilen.
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Ihm nun legt‘ auf die Wunde Päeon lindernden Balsam,
Und er genas; denn nicht war sterbliches Los ihm beschieden.
Schnell wie die weiße Milch von Feigenlabe gerinnet,
Flüssig zuvor, wann in Eil‘ umher sie dreht der Vermischer:
Also schloß sich die Wunde sofort dem tobenden Ares.
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Jetzo badet‘ ihn Hebe, und hüllt‘ ihm schöne Gewand‘ um;
Und er saß bei Kronion dem Donnerer, freudiges Trotzes.
Heim nun kehreten jen‘ in Zeus‘ des Allmächtigen Wohnung,
Here von Argos zugleich, und Athen‘ Alalkomenens Göttin,
Als sie gehemmt den Verderber, den männermordenden Ares.