3. Kapitel
Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius
Noch stand die Sullanische Verfassung unerschüttert. Der Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war mit geringer Einbuße zurückgeschlagen worden. Das halbfertige Gebäude mit dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen, hatte die Regierung freilich versäumt. Es zeichnet sie, daß sie die von Sulla zur Verteilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst parzellierten Ländereien weder aufteilte noch auch den Anspruch auf dieselben geradezu aufgab, sondern die früheren Eigentümer ohne Regulierung des Titels vorläufig im Besitze duldete, manche noch unverteilte Strecke sullanischen Domaniallandes auch wohl gar von einzelnen Personen nach dem alten, durch die Gracchischen Reformen rechtlich und faktisch beseitigten Okkupationssystem willkürlich in Besitz nehmen ließ. Was den Optimaten unter den Sullanischen Bestimmungen gleichgültig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignoriert oder kassiert; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberkennung des Staatsbürgerrechts; so das Verbot der Zusammenschlagung der neuen Bauernstellen; so manche der von Sulla einzelnen Gemeinden erteilten Freibriefe, natürlich ohne daß man die für diese Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurückgegeben hätte. Aber wenn auch diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch die Regierung selbst dazu beitrugen, die Fundamente seines Gebäudes zu erschüttern, waren und blieben doch die Sempronischen Gesetze im wesentlichen abgeschafft.
Wohl fehlte es nicht an Männern, die die Wiederherstellung der Gracchischen Verfassung im Sinn trugen, und nicht an Entwürfen, um das, was Lepidus und Sertorius im Wege der Revolution versucht hatten, stückweise auf dem Wege verfassungsmäßiger Reform zu erreichen. In die beschränkte Wiederherstellung der Getreidespenden hatte die Regierung bereits unter dem Druck der Agitation des Lepidus unmittelbar nach Sullas Tode gewilligt (676 78) und sie tat ferner was irgend möglich war, um in dieser Lebensfrage für das hauptstädtische Proletariat ihm zu Willen zu sein. Als trotz jener Verteilungen die hohen, hauptsächlich durch die Piraterie hervorgerufenen Kornpreise eine so drückende Teuerung in Rom hervorriefen, daß es darüber im Jahre 679 (75) zu einem heftigen Straßenauflauf kam, halfen zunächst außerordentliche Ankäufe von sizilischem Getreide für Rechnung der Regierung der ärgsten Not ab; für die Zukunft aber regelte ein von den Konsuln des Jahres 681 (78) eingebrachtes Getreidegesetz die Ankäufe des sizilischen Getreides und gab, freilich auf Kosten der Provinzialen, der Regierung die Mittel, um ähnliche Mißstände besser zu verhüten. Aber auch die minder materiellen Differenzpunkte, die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt in ihrem alten Umfang und die Beseitigung der senatorischen Gerichte, hörten nicht auf, Gegenstände populärer Agitation zu bilden, und hier leistete die Regierung nachdrücklicheren Widerstand. Den Streit um das tribunizische Amt eröffnete schon 678 (76), unmittelbar nach der Niederlage des Lepidus, der Volkstribun Lucius Sicinius, vielleicht ein Nachkomme des gleichnamigen Mannes, der mehr als vierhundert Jahre zuvor zuerst dieses Amt bekleidet hatte; allein er scheiterte an dem Widerstand, den der rührige Konsul Gaius Curio ihm entgegensetzte. Im Jahre 680 (74) nahm Lucius Quinctius die Agitation wieder auf, ließ sich aber durch die Autorität des Konsuls Lucius Lucullus bestimmen, von seinem Vorhaben abzustehen. Mit größerem Eifer trat das Jahr darauf in seine Fußstapfen Gaius Licinius Macer, der – bezeichnend für die Zeit – in das öffentliche Leben seine literarischen Studien hineintrug und, wie er es in der Chronik gelesen, der Bürgerschaft anriet, die Konskription zu verweigern.
Auch über die schlechte Handhabung der Rechtspflege durch die senatorischen Geschworenen wurden bald nur zu wohl begründete Beschwerden laut. Die Verurteilung eines einigermaßen einflußreichen Mannes war kaum mehr zu erlangen. Nicht bloß empfand der Kollege mit dem Kollegen, der gewesene oder künftige Angeklagte mit dem gegenwärtigen armen Sünder billiges Mitleid; auch die Käuflichkeit der Geschworenenstimmen war kaum noch eine Ausnahme. Mehrere Senatoren waren gerichtlich dieses Verbrechens überwiesen worden; auf andere gleich schuldige wies man mit Fingern; die angesehensten Optimaten, wie Quintus Catulus, räumten in offener Senatssitzung es ein, daß die Beschwerden vollkommen gegründet seien; einzelne besonders eklatante Fälle zwangen den Senat mehrmals, zum Beispiel im Jahre 680 (74), über Maßregeln gegen die Freiheit der Geschworenen zu deliberieren, natürlich nur so lange, bis der erste Lärm sich gelegt hatte und man die Sache unter das Eis gleiten lassen konnte. Die Folgen dieser elenden Rechtspflege zeigten sich namentlich in einem System der Plünderung und Peinigung der Provinzialen, mit dem verglichen selbst die bisherigen Frevel erträglich und gemäßigt erschienen. Das Stehlen und Rauben war gewissermaßen durch Gewohnheit legitim geworden; die Erpressungskommission konnte als eine Anstalt gelten, um die aus den Vogteien heimkehrenden Senatoren zu Gunsten ihrer daheimgebliebenen Kollegen zu besteuern. Aber als ein angesehener Sikeliote, weil er dem Statthalter nicht hatte zu einem Verbrechen die Hand bieten wollen, dafür von diesem abwesend und ungehört zum Tode verurteilt ward; als selbst römische Bürger, wenn sie nicht Ritter oder Senatoren waren, in der Provinz nicht mehr sicher waren vor den Ruten und Beilen des römischen Vogts, und die älteste Errungenschaft der römischen Demokratie, die Sicherheit des Leibes und Lebens, von der herrschenden Oligarchie anfing mit Füßen getreten zu werden: da hatte auch das Publikum auf dem römischen Markte ein Ohr für die Klagen über seine Vögte in den Provinzen und über die ungerechten Richter, die solche Untaten moralisch mitverschuldeten. Die Opposition unterließ es natürlich nicht, auf dem fast allein ihr übriggebliebenen Terrain, dem gerichtlichen, ihre Gegner anzugreifen. So zog der junge Gaius Caesar, der auch, soweit sein Alter es gestattete, sich bei der Agitation um die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt eifrig beteiligte, im Jahre 677 (77) einen der angesehensten Sullanischen Parteimänner, den Konsular Gnaeus Dolabella, und im folgenden Jahr einen andern Sullanischen Offizier, Gaius Antonius, vor Gericht; so Marcus Cicero 684 (70) den Gaius Verres, eine der elendesten unter den Kreaturen Sullas und eine der schlimmsten Geißeln der Provinzialen. Wieder und wieder wurden die Bilder jener finsteren Zeit der Ächtungen, die entsetzlichen Leiden der Provinzialen, der schmachvolle Stand der römischen Kriminalrechtspflege mit allem Pomp italienischer Rhetorik, mit aller Bitterkeit italienischen Spottes vor der versammelten Menge entfaltet und der gewaltige Tote sowie seine lebenden Schergen ihrem Zorn und Hohn unnachsichtlich preisgegeben. Die Wiederherstellung der vollen tribunizischen Gewalt, an deren Bestehen die Freiheit, die Macht und das Glück der Volksgemeinde wie durch uralt heiligen Zauber geknüpft schien, die Wiedereinführung der „strengen“ Gerichte der Ritterschaft, die Erneuerung der von Sulla beseitigten Zensur zur Reinigung der höchsten Staatsbehörde von den faulen und schädlichen Elementen wurden täglich mit lautem Ruf von den Rednern der Volkspartei gefordert.
Indes mit alledem kam man nicht weiter. Es gab Skandal und Lärm genug, aber ein eigentlicher Erfolg ward dadurch, daß man die Regierung nach und über Verdienst prostituierte, doch noch keineswegs erreicht. Die materielle Macht lag immer noch, solange militärische Einmischung fern blieb, in den Händen der hauptstädtischen Bürgerschaft; und dies „Volk“, das in den Gassen Roms sich drängte und auf dem Markt Beamte und Gesetze machte, war eben um nichts besser als der regierende Senat: Zwar mußte die Regierung mit der Menge sich abfinden, wo deren eigenes nächstes Interesse in Frage kam; dies ist die Ursache der Erneuerung des Sempronischen Korngesetzes. Allein daran war nicht zu denken, daß diese Bürgerschaft um einer Idee oder gar um einer zweckmäßigen Reform willen Ernst gemacht hätte. Mit Recht ward auf die Römer dieser Zeit angewandt, was Demosthenes von seinen Athenern sagte: daß die Leute gar eifrig täten, solange sie um die Rednerbühne ständen und die Vorschläge zu Reformen vernähmen; aber wenn sie nach Hause gekommen seien, denke keiner weiter an das, was er auf dem Markte gehört habe. Wie auch jene demokratischen Agitatoren die Flammen schürten, es half eben nichts, da der Brennstoff fehlte. Die Regierung wußte dies und ließ in den wichtigen Prinzipienfragen sich keinerlei Zugeständnis entreißen; höchstens daß sie sich dazu verstand (um 682 72), einem Teil der mit Lepidus landflüchtig gewordenen Leute die Amnestie zuzugestehen. Was von Konzessionen erfolgte, ging nicht so sehr aus dem Drängen der Demokratie hervor, als aus den Vermittlungsversuchen der gemäßigten Aristokratie. Allein von den beiden Gesetzen, die der einzige noch übrige Führer dieser Fraktion, Gaius Cotta, in seinem Konsulat 679 (75) durchsetzte, wurde das die Gerichte betreffende schon im nächsten Jahre wieder beseitigt, und auch das zweite, welches die Sullanische Bestimmung aufhob, daß die Bekleidung des Tribunats zur Übernahme anderer Magistraturen unfähig mache, die übrigen Beschränkungen aber bestehen ließ, erregte wie jede halbe Maßregel nur den Unwillen beider Parteien. Die Partei der reformistisch gesinnten Konservativen, die durch Cottas bald nachher (um 681 73) erfolgten frühen Tod ihr namhaftestes Haupt verlor, sank mehr und mehr in sich selbst zusammen, erdrückt zwischen den immer schroffer hervortretenden Extremen. Von diesen aber blieb die Partei der Regierung, schlecht und schlaff wie sie war, der gleich schlechten und gleich schlaffen Opposition gegenüber notwendig im Vorteil.
Aber dies der Regierung so günstige Verhältnis änderte sich, als die Differenzen zwischen ihr und denjenigen ihrer Parteigänger sich schärfer entwickelten, deren Hoffnungen über den Ehrensitz in der Kurie und das aristokratische Landhaus hinaus zu höheren Zielen sich erhoben. In erster Linie stand hier Gnaeus Pompeius. Wohl war er Sullaner; aber es ist früher gezeigt worden, wie wenig er unter seiner eigenen Partei sich zurechtfand, wie von der Nobilität, als deren Schild und Schwert er offiziell angesehen ward, ihn doch seine Herkunft, seine Vergangenheit, seine Hoffnungen immer wieder schieden. Der schon klaffende Riß hatte während der spanischen Feldzüge (677 – 683 77 – 71) des Feldherrn sich unheilbar erweitert. Unwillig und halb gezwungen hatte die Regierung ihn ihrem rechten Vertreter Quintus Metellus als Kollegen beigesellt; und wieder er beschuldigte, wohl nicht ohne Grund, den Senat durch die sei es liederliche, sei es böswillige Vernachlässigung der spanischen Armeen deren Niederlagen verschuldet und das Schicksal der Expedition aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurück als Sieger über die heimlichen Feinde, an der Spitze eines krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, für seine Soldaten Landanweisungen begehrend, für sich Triumph und Konsulat. Die letzteren Forderungen verstießen gegen das Gesetz. Pompeius, obwohl mehrmals schon außerordentlicherweise mit der höchsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches Amt, nicht einmal die Quästur verwaltet und war noch immer nicht Mitglied des Rats; und Konsul durfte nur werden, wer die Staffel der geringeren ordentlichen Ämter durchmessen, triumphieren nur, wer die ordentliche höchste Gewalt bekleidet hatte. Der Senat war gesetzlich befugt, ihn, wenn er um das Konsulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quästur zu verweisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den großen Scipio zu erinnern, der unter gleichen Verhältnissen auf den Triumph über das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht minder hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versprochenen Domänen verfassungsmäßig ab von dem guten Willen des Senats. Indes wenn auch der Senat, wie es bei seiner Schwächlichkeit auch im Grollen wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feldherrn für den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergendienst den Triumph, das Konsulat, die Landanweisungen zugestand, so war doch eine ehrenvolle Annulierung in ratsherrlicher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatorischen Imperatoren das günstigste Los, das die Oligarchie dem sechsunddreißigjährigen Feldherrn zu bereiten vermochte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das Kommando im Mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat bewilligt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse durfte die Oligarchie es nicht zulassen, daß er den afrikanischen und europäischen noch die Trophäen des dritten Weltteils hinzufügte; die im Osten reichlich und bequem zu pflückenden Lorbeeren blieben auf jeden Fall der reinen Aristokratie vorbehalten. Wenn aber der gefeierte General bei der herrschenden Oligarchie seine Rechnung nicht fand, so blieb – da zu einer rein persönlichen, ausgesprochen dynastischen Politik weder die Zeit reif noch Pompeius‘ ganze Persönlichkeit geeignet war – ihm keine andere Wahl, als mit der Demokratie gemeinschaftliche Sache zu machen. An die Sullanische Verfassung band ihn kein eigenes Interesse: er konnte seine persönlichen Zwecke auch innerhalb einer mehr demokratischen ebensogut, wo nicht besser verfolgen. Dagegen fand er alles, was er brauchte, bei der demokratischen Partei. Die tätigen und gewandten Führer derselben waren bereit und fähig, dem unbehilflichen und etwas hölzernen Helden die mühselige politische Leitung abzunehmen, und doch viel zu gering, um dem gefeierten Feldherrn die erste Rolle und namentlich die militärische Oberleitung streitig machen zu können oder auch nur zu wollen. Selbst der weitaus bedeutendste von ihnen, Gaius Caesar, war nichts als ein junger Mensch, dem seine dreisten Fahrten und eleganten Schulden weit mehr als seine feurige demokratische Beredsamkeit einen Namen gemacht hatten und der sich sehr geehrt fühlen mußte, wenn der weltberühmte Imperator ihm gestattete, sein politischer Adjutant zu sein. Die Popularität, auf welche Menschen wie Pompeius, von größeren Ansprüchen als Fähigkeiten, mehr Wert zu legen pflegen, als sie gern sich selber gestehen, mußte im höchsten Maß dem jungen General zuteil werden, dessen Übertritt der fast aussichtslosen Sache der Demokratie den Sieg gab. Der von ihm für sich und seine Soldaten geforderte Siegeslohn fand damit sich von selbst. Überhaupt schien, wenn die Oligarchie gestürzt ward, bei dem gänzlichen Mangel anderer ansehnlicher Oppositionshäupter es nur von Pompeius abzuhängen, seine weitere Stellung sich selber zu bestimmen. Daran aber konnte kaum gezweifelt werden, daß der Übertritt des Feldherrn der soeben siegreich aus Spanien heimkehrenden und noch in Italien geschlossen zusammenstehenden Armee zur Oppositionspartei den Sturz der bestehenden Ordnung zur Folge haben müsse. Regierung und Opposition waren gleich machtlos; sowie die letztere nicht mehr bloß mit Deklamationen focht, sondern das Schwert eines siegreichen Feldherrn bereit war, ihren Anforderungen Nachdruck zu geben, war die Regierung jedenfalls, vielleicht sogar ohne Kampf, überwunden.
So sah man von beiden Seiten sich gedrängt zur Koalition. An persönlichen Abneigungen mochte es dort wie hier nicht fehlen; der siegreiche Feldherr konnte die Straßenredner unmöglich lieben, diese noch weniger den Henker des Carbo und Brutus mit Freuden als ihr Haupt begrüßen; indes die politische Notwendigkeit überwog, wenigstens für den Augenblick, jedes sittliche Bedenken.
Aber die Demokraten und Pompeius schlossen ihren Bund nicht allein. Auch Marcus Crassus war in einer ähnlichen Lage wie Pompeius. Obwohl Sullaner wie dieser, war doch auch seine Politik, ganz wie die des Pompeius, vor allem eine persönliche und durchaus nicht die der herrschenden Oligarchie; und auch er stand jetzt in Italien an der Spitze einer starken und siegreichen Armee, mit welcher er soeben den Sklavenaufstand niedergeschlagen hatte. Es blieb ihm die Wahl entweder gegen die Koalition mit der Oligarchie sich zu verbinden oder in die Koalition einzutreten; er wählte den letzteren und damit ohne Zweifel den sichereren Weg. Bei seinem kolossalen Vermögen und seinem Einfluß auf die hauptstädtischen Klubs war er überhaupt ein schätzbarer Bundesgenosse; unter den obwaltenden Umständen aber war es ein unberechenbarer Gewinn, wenn das einzige Heer, mit welchem der Senat den Truppen des Pompeius hätte begegnen können, der angreifenden Macht sich beigesellte. Die Demokraten überdies, denen bei der Allianz mit dem übermächtigen Feldherrn nicht wohl zu Mute sein mochte, sahen nicht ungern in Marcus Crassus ihm ein Gegengewicht und vielleicht einen künftigen Rivalen zur Seite gestellt.
So kam im Sommer des Jahres 683 (71) die erste Koalition zustande zwischen der Demokratie einer- und den beiden Sullanischen Generalen Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus andererseits. Beide machten das Parteiprogramm der Demokratie zu dem ihrigen; es ward ihnen dafür zunächst das Konsulat auf das kommende Jahr, Pompeius überdies der Triumph und die begehrten Landlose für seine Soldaten, Crassus als dem Überwinder des Spartacus wenigstens die Ehre des feierlichen Einzugs in die Hauptstadt zugesichert.
Den beiden italischen Armeen, der hohen Finanz und der Demokratie, die also zum Sturz der Sullanischen Verfassung verbündet auftraten, hatte der Senat nichts gegenüberzustellen als etwa das zweite spanische Heer unter Quintus Metellus Pius. Allein Sulla hatte richtig vorhergesagt, daß das, was er getan, nicht zum zweitenmal geschehen werde: Metellus, durchaus nicht geneigt, sich in einen Bürgerkrieg zu verwickeln, hatte sofort nach Überschreitung der Alpen seine Soldaten entlassen. So blieb der Oligarchie nichts übrig, als in das Unvermeidliche sich zu fügen. Der Rat bewilligte die für Konsulat und Triumph erforderlichen Dispensationen; Pompeius und Crassus wurden, ohne Widerstand zu finden, zu Konsuln für das Jahr 684 (70) gewählt, während ihre Heere, angeblich in Erwartung des Triumphs, vor der Stadt lagerten. Noch vor dem Antritt seines Amtes bekannte sodann Pompeius in einer von dem Volkstribun Marcus Lollius Palicanus abgehaltenen Volksversammlung sich öffentlich und förmlich zu dem demokratischen Programm. Die Verfassungsänderung war damit im Prinzip entschieden.
Allen Ernstes ging man nun an die Beseitigung der sullanischen Institutionen. Vor allen Dingen erhielt das tribunizische Amt wieder seine frühere Geltung. Pompeius selbst als Konsul brachte das Gesetz ein, das den Volkstribunen ihre althergebrachten Befugnisse, namentlich auch die legislatorische Initiative zurückgab – freilich eine seltsame Gabe aus der Hand des Mannes, der mehr als irgend ein Lebender dazu getan hatte, der Gemeinde ihre alten Privilegien zu entreißen.
Hinsichtlich der Geschworenenstellung wurde die Bestimmung Sullas, daß das Verzeichnis der Senatoren als Geschworenenliste dienen solle, zwar abgeschafft; allein es kam doch keineswegs zu einer einfachen Wiederherstellung der Gracchischen Rittergerichte. Künftig, so bestimmte das neue Aurelische Gesetz, sollten die Geschworenenkollegien zu einem Dritteil aus Senatoren bestehen, zu zwei Dritteilen aus Männern vom Ritterzensus, von welchen letzteren wieder die Hälfte die Distriktvorsteherschaft oder das sogenannte Kassentribunat bekleidet haben mußte. Es war diese letzte Neuerung eine weitere, den Demokraten gemachte Konzession, indem hiernach wenigstens der dritte Teil der Kriminalgeschworenen mittelbar hervorging aus den Wahlen der Distrikte. Wenn dagegen der Senat nicht gänzlich aus den Gerichten verdrängt ward, so ist die Ursache davon wahrscheinlich teils in Crassus‘ Beziehungen zum Senat zu suchen, teils in dem Beitritt der senatorischen Mittelpartei zu der Koalition, mit dem es auch wohl zusammenhängt, daß der Bruder ihres kürzlich verstorbenen Führers, der Prätor Lucius Cotta, dies Gesetz einbrachte.
Nicht weniger wichtig war die Beseitigung der für Asien von Sulla festgesetzten Steuerordnung, welche vermutlich ebenfalls in dies Jahr fällt; der damalige Statthalter Asiens, Lucius Lucullus, ward angewiesen, das von Gaius Gracchus eingeführte Verpachtungssystem wiederherzustellen und damit der hohen Finanz diese wichtige Geld- und Machtquelle zurückzugeben.
Endlich ward die Zensur wieder ins Leben gerufen. Die Wahlen dafür, welche die neuen Konsuln kurz nach Antritt ihres Amtes anberaumten, fielen, in offenbarer Verhöhnung des Senats, auf die beiden Konsuln des Jahres 682 (73) Gnaeus Lentulus Clodianus und Lucius Genius, die wegen ihrer elenden Kriegführung gegen Spartacus durch den Senat vom Kommando entfernt worden waren. Es begreift sich, daß diese Männer alle Mittel, die ihr wichtiges und ernstes Amt ihnen zu Gebote stellte, in Bewegung setzten, um den neuen Machthabern zu huldigen und den Senat zu ärgern. Mindestens der achte Teil des Senats, vierundsechzig Senatoren, eine bis dahin unerhörte Zahl, wurden von der Liste gestrichen, darunter der einst von Gaius Caesar ohne Erfolg angeklagte Gaius Antonius und der Konsul des Jahres 683 (71), Publius Lentulus Sura, vermutlich auch nicht wenige der verhaßten Kreaturen Sullas.
So war man mit dem Jahre 684 (70) wieder im wesentlichen zurückgekommen auf die vor der sullanischen Restauration bestehenden Ordnungen. Wieder ward die hauptstädtische Menge aus der Staatskasse, das heißt von den Provinzen gespeist; wieder gab die tribunizische Gewalt jedem Demagogen den gesetzlichen Freibrief, die staatlichen Ordnungen zu verkehren; wieder erhob der Geldadel, als Inhaber der Steuerpachtungen und der gerichtlichen Kontrolle über die Statthalter, neben der Regierung sein Haupt so mächtig wie nur je zuvor; wieder zitterte der Senat vor dem Wahrspruch der Geschworenen des Ritterstandes und vor der zensorischen Rüge. Das System Sullas, das auf die politische Vernichtung der kaufmännischen Aristokratie und der Demagogie die Alleinherrschaft der Nobilität begründet hatte, war damit vollständig über den Haufen geworfen. Abgesehen von einzelnen untergeordneten Bestimmungen, deren Abschaffung erst später nachgeholt wurde, wie zum Beispiel der Zurückgabe des Selbstergänzungsrechts an die Priesterkollegien, blieb von Sullas allgemeinen Ordnungen hiernach nichts übrig als teils die Konzessionen, die er selbst der Opposition zu machen notwendig gefunden hatte, wie namentlich die Anerkennung des römischen Bürgerrechts der sämtlichen Italiker, teils Verfügungen ohne schroffe Parteitendenz, an denen deshalb auch die verständigen Demokraten nichts auszusetzen fanden, wie unter anderm die Beschränkung der Freigelassenen, die Regulierung der Beamtenkompetenzen und die materiellen Änderungen im Kriminalrecht.
Weniger einig als über diese prinzipiellen war die Koalition hinsichtlich der persönlichen Fragen, die eine solche Staatsumwälzung anregte. Begreiflicherweise ließen die Demokraten sich nicht genügen mit der allgemeinen Anerkennung ihres Programms, sondern auch sie forderten jetzt eine Restauration in ihrem Sinn: Wiederherstellung des Andenkens ihrer Toten, Bestrafung der Mörder, Rückberufung der Geächteten aus der Verbannung, Aufhebung der auf ihren Kindern lastenden politischen Zurücksetzung, Rückgabe der von Sulla eingezogenen Güter, Schadenersatz aus dem Vermögen der Erben und Gehilfen des Diktators. Es waren das allerdings die logischen Konsequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich ergaben; allein der Sieg der Koalition von 683 (71) war doch weit entfernt, ein solcher zu sein. Die Demokratie gab dazu den Namen und das Programm, die übergetretenen Offiziere aber, vor allen Pompeius, die Macht und die Vollendung; und nun- und nimmermehr konnten diese zu einer Reaktion ihre Zustimmung geben, die nicht bloß die bestehenden Verhältnisse bis in ihre Grundfesten erschüttert, sondern auch schließlich sich gegen sie selbst gewandt haben würde – war es doch noch im frischen Andenken, welcher Männer Blut Pompeius vergossen, wie Crassus zu seinem ugeheuren Vermögen den Grund gelegt hatte. So ist es wohl erklärlich, aber auch zugleich bezeichnend für die Schwäche der Demokratie, daß die Koalition von 683 (71) nicht das geringste tat, um den Demokraten Rache oder auch nur Rehabilitation zu gewähren. Die nachträgliche Einforderung aller der für erstandene konfiszierte Güter noch rückständigen oder auch von Sulla den Käufern erlassenen Kaufgelder, welche der Zensor Lentulus in einem besonderen Erlaß feststellte, kann kaum als Ausnahme bezeichnet werden; denn wenn auch nicht wenige Sullaner dadurch in ihren persönlichen Interessen empfindlich verletzt wurden, so war doch die Maßregel selbst wesentlich eine Bestätigung der von Sulla vorgenommenen Konfiskationen.
Sullas Werk war also zerstört; aber was nun werden sollte, war damit viel mehr in Frage gestellt als entschieden. Die Koalition, einzig zusammengehalten durch den gemeinschaftlichen Zweck, das Restaurationswerk zu beseitigen, löste sich, als dieser erreicht war, wenn nicht förmlich, doch der Sache nach von selber auf; für die Frage aber, wohin nun zunächst das Schwergewicht der Macht fallen sollte, schien sich eine ebenso rasche wie gewaltsame Lösung vorzubereiten. Die Heere des Pompeius und Crassus lagerten immer noch vor den Toren der Stadt. Jener hatte zwar zugesagt, nach dem Triumph (am letzten Dezember 683 71) seine Soldaten zu verabschieden; allein zunächst war es unterblieben, um unter dem Druck, den das spanische Heer vor der Hauptstadt auf diese und den Senat ausübte, die Staatsumwälzung ungestört zu vollenden, was denn in gleicher Weise auch auf die Armee des Crassus Anwendung fand. Diese Ursache bestand jetzt nicht mehr; aber dennoch unterblieb die Auflösung der Heere. Die Dinge nahmen die Wendung, als werde einer der beiden mit der Demokratie alliierten Feldherrn die Militärdiktatur ergreifen und Oligarchen und Demokraten in dieselben Fesseln schlagen. Dieser eine aber konnte nur Pompeius sein. Von Anfang an hatte Crassus in der Koalition eine untergeordnete Rolle gespielt; er hatte sich antragen müssen und verdankte selbst seine Wahl zum Konsulat hauptsächlich Pompeius‘ stolzer Verwendung. Weitaus der stärkere, war Pompeius offenbar der Herr der Situation; wenn er zugriff, so schien er werden zu müssen, als was ihn der Instinkt der Menge schon jetzt bezeichnete: der unumschränkte Gebieter des mächtigsten Staates der zivilisierten Welt. Schon drängte sich die ganze Masse der Servilen um den künftigen Monarchen. Schon suchten die schwächeren Gegner eine letzte Hilfe in einer neuen Koalition; Crassus, voll alter und neuer Eifersucht auf den jüngeren, so durchaus ihn überflügelnden Rivalen, näherte sich dem Senat und versuchte, durch beispiellose Spenden die hauptstädtische Menge an sich zu fesseln – als ob die durch Crassus selbst mitgebrochene Oligarchie und der ewig undankbare Pöbel vermocht haben würden, gegen die Veteranen der spanischen Armee irgendwelchen Schutz zu gewähren. Einen Augenblick schien es, als würde es vor den Toren der Hauptstadt zwischen den Heeren des Pompeius und Crassus zur Schlacht kommen.
Allein diese Katastrophe wandten die Demokraten durch ihre Einsicht und ihre Geschmeidigkeit ab. Auch ihrer Partei lag, ebenwie dem Senat und Crassus, alles daran, daß Pompeius nicht die Diktatur ergriff; aber mit richtigerer Einsicht in ihre eigene Schwäche und in den Charakter des mächtigen Gegners versuchten ihre Führer den Weg der Güte. Pompeius fehlte keine Bedingung, um nach der Krone zu greifen, als die erste von allen: der eigene königliche Mut. Wir haben den Mann früher geschildert, mit seinem Streben, zugleich loyaler Republikaner und Herr von Rom zu sein, mit seiner Unklarheit und Willenlosigkeit, mit seiner, unter dem Pochen auf selbständige Entschlüsse sich verbergenden Lenksamkeit. Es war dies die erste große Probe, auf die das Verhängnis ihn stellte; er hat sie nicht bestanden. Der Vorwand, unter dem Pompeius die Entlassung der Armee verweigerte, war, daß er Crassus mißtraute und darum nicht mit der Entlassung der Soldaten den Anfang machen könne. Die Demokraten bestimmten den Crassus, hierin entgegenkommende Schritte zu tun, dem Kollegen vor aller Augen zum Frieden die Hand zu bieten; öffentlich und insgeheim bestürmten sie diesen, daß er zu dem zwiefachen Verdienst, den Feind besiegt und die Parteien versöhnt zu haben, noch das dritte und größte fügen möge, dem Vaterland den inneren Frieden zu erhalten und das drohende Schreckbild des Bürgerkrieges zu bannen. Was nur immer auf einen eitlen, ungewandten, unsicheren Mann zu wirken vermag, alle Schmeichelkünste der Diplomatie, aller theatralische Apparat patriotischer Begeisterung wurde in Bewegung gesetzt, um das ersehnte Ziel zu erreichen; was aber die Hauptsache war, die Dinge hatten durch Crassus‘ rechtzeitige Nachgiebigkeit sich so gestaltet, daß Pompeius nur die Wahl blieb, entweder geradezu als Tyrann von Rom auf- oder zurückzutreten. So gab er endlich nach und willigte in die Entlassung der Truppen. Das Kommando im Mithradatischen Krieg, das zu erlangen er ohne Zweifel hoffte, als er sich für 684 (70) zum Konsul hatte wählen lassen, konnte er jetzt nicht wünschen, da mit dem Feldzuge von 683 (71) Lucullus diesen Krieg in der Tat beendigt zu haben schien; die vom Senat in Gemäßheit des Sempronischen Gesetzes ihm angewiesene Konsularprovinz anzunehmen, hielt er unter seiner Würde, und Crassus folgte darin seinem Beispiel. So zog Pompeius, als er nach Entlassung seiner Soldaten am letzten Tage des Jahres 684 (70) sein Konsulat niederlegte, sich zunächst ganz von den öffentlichen Geschäften zurück und erklärte, fortan als einfacher Bürger in stiller Muße leben zu wollen. Er hatte sich so gestellt, daß er nach der Krone greifen mußte und, da er dies nicht wollte, ihm keine Rolle übrig blieb als die nichtige eines resignierenden Thronkandidaten.
Der Rücktritt des Mannes, dem nach der Lage der Sachen die erste Stelle zukam, vom politischen Schauplatz führte zunächst ungefähr dieselbe Parteistellung wieder herbei, wie wir sie in der gracchischen und marianischen Epoche fanden. Sulla hatte dem Senat das Regiment nur befestigt, nicht gegeben; so blieb denn auch dasselbe, nachdem die von Sulla errichteten Bollwerke wieder gefallen waren, nichtsdestoweniger zunächst dem Senat, während die Verfassung freilich, mit der er regierte, im wesentlichen die wiederhergestellte Gracchische, durchdrungen war von einem der Oligarchie feindlichen Geiste. Die Demokratie hatte die Wiederherstellung der Gracchischen Verfassung bewirkt; aber ohne einen neuen Gracchus war diese ein Körper ohne Haupt, und daß weder Pompeius noch Crassus auf die Dauer dieses Haupt sein konnten, war an sich klar und durch die letzten Vorgänge noch deutlicher dargetan worden. So mußte die demokratische Opposition in Ermangelung eines Führers, der geradezu das Ruder in die Hand genommen hätte, vorläufig sich begnügen, die Regierung auf Schritt und Tritt zu hemmen und zu ärgern. Zwischen der Oligarchie aber und der Demokratie erhob sich zu neuem Ansehen die Kapitalistenpartei, welche in der jüngsten Krise mit der letzteren gemeinschaftliche Sache gemacht hatte, die aber zu sich hinüberzuziehen und an ihr ein Gegengewicht gegen die Demokratie zu gewinnen, die Oligarchen jetzt eifrig bemüht waren. Also von beiden Seiten umworben, säumten die Geldherren nicht, ihre vorteilhafte Lage sich zunutze zu machen und das einzige ihrer früheren Privilegien, das sie noch nicht zurückerlangt hatten, die dem Ritterstand reservierten vierzehn Bänke im Theater, sich jetzt (687 67) durch Volksschluß wiedergeben zu lassen. Im ganzen näherten sie, ohne mit der Demokratie schroff zu brechen, doch wieder mehr sich der Regierung. Schon die Beziehungen des Senats zu Crassus und seiner Klientel gehören in diesen Zusammenhang; hauptsächlich aber scheint ein besseres Verhältnis zwischen dem Senat und der Geldaristokratie dadurch hergestellt zu sein, daß dieser dem tüchtigsten unter den senatorischen Offizieren, Lucius Lucullus, auf Andringen der von demselben schwer gekränkten Kapitalisten im Jahre 686 (68) die Verwaltung der für diese so wichtigen Provinz Asia abnahm.
Während aber die hauptstädtischen Faktionen miteinander des gewohnten Haders pflegten, bei dem denn doch nimmermehr eine eigentliche Entscheidung herauskommen konnte, gingen im Osten die Ereignisse ihren verhängnisvollen Gang, wie wir ihn früher geschildert haben, und sie waren es, die den zögernden Verlauf der hauptstädtischen Politik zur Krise drängten. Der Land- wie der Seekrieg hatte dort die ungünstigste Wendung genommen. Im Anfang des Jahres 687 (67) war die pontische Armee der Römer aufgerieben, die armenische in voller Auflösung auf dem Rückzug, alle Eroberungen verloren, das Meer ausschließlich in der Gewalt der Piraten, die Kornpreise in Italien dadurch so in die Höhe getrieben, daß man eine förmliche Hungersnot befürchtete. Wohl hatten, wie wir sahen, die Fehler der Feldherren, namentlich die völlige Unfähigkeit des Admirals Marcus Antonius und die Verwegenheit des sonst tüchtigen Lucius Lucullus, diesen Notstand zum Teil verschuldet, wohl auch die Demokratie durch ihre Wühlereien zu der Auflösung des armenischen Heeres wesentlich beigetragen. Aber natürlich ward die Regierung jetzt für alles, was sie und was andere verdorben hatten, in Bausch und Bogen verantwortlich gemacht und die grollende hungrige Menge verlangte nur eine Gelegenheit, um mit dem Senat abzurechnen.
Es war eine entscheidende Krise. Die Oligarchie, wie auch herabgewürdigt und entwaffnet, war noch nicht gestürzt, dennoch lag die Führung der öffentlichen Angelegenheiten in den Händen des Senats; sie stürzte aber, wenn die Gegner diese, daß heißt namentlich die Oberleitung der militärischen Angelegenheiten, sich selber zueigneten; und jetzt war dies möglich. Wenn jetzt Vorschläge über eine andere und bessere Führung des Land- und Seekrieges an die Komitien gebracht wurden, so war bei der Stimmung der Bürgerschaft der Senat voraussichtlich nicht imstande, deren Durchsetzung zu verhindern; und eine Intervention der Bürgerschaft in diesen höchsten Verwaltungsfragen war tatsächlich die Absetzung des Senats und die Übertragung der Leitung des Staats an die Führer der Opposition. Wieder einmal brachte die Verkettung der Dinge die Entscheidung in die Hände des Pompeius. Seit mehr als zwei Jahren lebte der gefeierte Feldherr als Privatmann in der Hauptstadt. Seine Stimme ward im Rathaus wie auf dem Markte selten vernommen; dort war er nicht gern gesehen und ohne entscheidenden Einfluß, hier scheute er sich vor dem stürmischen Treiben der Parteien. Wenn er aber sich zeigte, geschah es mit dem vollständigen Hofstaat seiner vornehmen und geringen Klienten, und eben seine feierliche Zurückgezogenheit imponierte der Menge. Wenn er, an dem der volle Glanz seiner ungemeinen Erfolge noch unvermindert haftete, jetzt sich erbot, nach dem Osten abzugehen, so ward er ohne Zweifel mit aller von ihm selbst geforderten militärischen und politischen Machtvollkommenheit von der Bürgerschaft bereitwillig bekleidet. Für die Oligarchie, die in der politischen Militärdiktatur ihren sicheren Ruin, in Pompeius selbst seit der Koalition von 683 (71) ihren verhaßtesten Feind sah, war dies ein vernichtender Schlag; aber auch der demokratischen Partei konnte dabei nicht wohl zu Mute sein. So wünschenswert es ihr an sich sein mußte, dem Regiment des Senats ein Ende zu machen, so war es doch, wenn es in dieser Weise geschah, weit weniger ein Sieg ihrer Partei als ein persönlicher ihres übermächtigen Verbündeten. Leicht konnte in diesem der demokratischen Partei ein weit gefährlicherer Gegner aufstehen als der Senat war. Die wenige Jahre zuvor durch die Entlassung der spanischen Armee und Pompeius‘ Rücktritt glücklich vermiedene Gefahr kehrte in verstärktem Maße wieder, wenn Pompeius jetzt an die Spitze der Armeen des Ostens trat.
Diesmal indes griff Pompeius zu oder ließ es wenigstens geschehen, daß andere für ihn zugriffen. Es wurden im Jahre 687 (67) zwei Gesetzvorschläge eingebracht, von denen der eine außer der längst von der Demokratie geforderten Entlassung der ausgedienten Soldaten der asiatischen Armee die Abberufung des Oberfeldherrn derselben, Lucius Lucullus, und dessen Ersetzung durch einen der Konsuln des laufenden Jahres, Gaius Piso oder Manius Glabrio, verfügte, der zweite den sieben Jahre zuvor zur Reinigung der Meere von den Piraten vom Senat selbst aufgestellten Plan wiederaufnahm und erweiterte. Ein einziger, vom Senat aus den Konsularen zu bezeichnender Feldherr sollte bestellt werden, um zur See auf dem gesamten Mittelländischen Meer von den Säulen des Herkules bis an die pontische und syrische Küste ausschließlich, zu Lande über sämtliche Küsten bis zehn deutsche Meilen landeinwärts mit den betreffenden römischen Statthaltern konkurrierend, den Oberbefehl zu übernehmen. Auf drei Jahre hinaus war demselben das Amt gesichert. Ihn umgab ein Generalstab, wie Rom noch keinen gesehen hatte, von fünfundzwanzig Unterbefehlshabern senatorischen Standes, alle mit prätorischen Insignien und prätorischer Gewalt bekleidet, und von zwei Unterschatzmeistern mit quästorischen Befugnissen, sie alle erlesen durch den ausschließlichen Willen des höchstkommandierenden Feldherrn. Es ward demselben gestattet, bis zu 120000 Mann Fußvolk, 5000 Reitern, 500 Kriegsschiffen aufzustellen und zu dem Ende über die Mittel der Provinzen und Klientelstaaten unbeschränkt zu verfügen; überdies wurden die vorhandenen Kriegsschiffe und eine ansehnliche Truppenzahl sofort ihm überwiesen. Die Kassen des Staats in der Hauptstadt wie in den Provinzen sowie die der abhängigen Gemeinden sollten ihm unbeschränkt zu Gebot stehen und trotz der peinlichen Finanznot sofort aus der Staatskasse ihm eine Summe von 11 Mill. Talern (144 Mill. Sesterzen) ausgezahlt werden.
Es leuchtet ein, daß durch diese Gesetzentwürfe, namentlich durch den die Expedition gegen die Piraten betreffenden, das Regiment des Senats über den Haufen fiel. Wohl waren die von der Bürgerschaft ernannten ordentlichen höchsten Beamten von selbst die rechten Feldherren der Gemeinde und bedurften auch die außerordentlichen Beamten, um Feldherren sein zu können, wenigstens nach strengem Recht der Bestätigung durch die Bürgerschaft; aber auf die Besetzung der einzelnen Kommandos stand der Gemeinde verfassungsmäßig kein Einfluß zu und nur entweder auf Antrag des Senats oder doch auf Antrag eines an sich zum Feldherrnamt berechtigten Beamten hatten bisher die Komitien hin und wieder hier sich eingemischt und auch die spezielle Kompetenz vergeben. Hierin stand vielmehr, seit es einen römischen Freistaat gab, dem Senate das tatsächlich entscheidende Wort zu und es war diese seine Befugnis im Laufe der Zeit zu endgültiger Anerkennung gelangt. Freilich hatte die Demokratie auch hieran schon gerüttelt; allein selbst in dem bedenklichsten der bisher vorgekommenen Fälle, bei der Übertragung des afrikanischen Kommandos auf Gaius Marius 647 (107), war nur ein verfassungsmäßig zum Feldherrnamt überhaupt berechtigter Beamter durch den Schluß der Bürgerschaft mit einer bestimmten Expedition beauftragt worden. Aber jetzt sollte die Bürgerschaft einen beliebigen Privatmann nicht bloß mit der außerordentlichen höchsten Amtsgewalt ausstatten, sondern auch mit einer bestimmt von ihr normierten Kompetenz. Daß der Senat diesen Mann aus der Reihe der Konsulare zu erkiesen hatte, war eine Milderung nur in der Form; denn die Auswahl blieb demselben nur deshalb überlassen, weil es eben eine Wahl nicht war und der stürmisch aufgeregten Menge gegenüber der Senat den Oberbefehl der Meere und Küsten schlechterdings keinem andern übertragen konnte als einzig dem Pompeius. Aber bedenklicher noch als diese prinzipielle Negierung der Senatsherrschaft war die tatsächliche Aufhebung derselben durch die Einrichtung eines Amtes von fast unbeschränkter militärischer und finanzieller Kompetenz. Während das Feldherrnamt sonst auf eine einjährige Frist, auf eine bestimmte Provinz, auf streng zugemessene militärische und finanzielle Hilfsmittel beschränkt war, war dem neuen außerordentlichen Amt von vornherein eine dreijährige Dauer gesichert, die natürlich weitere Verlängerung nicht ausschloß, war demselben der größte Teil der sämtlichen Provinzen, ja sogar Italien selbst, das sonst von militärischer Amtsgewalt frei war, untergeordnet, waren ihm die Soldaten, Schiffe, Kassen des Staats fast unbeschränkt zur Verfügung gestellt. Selbst der eben erwähnte uralte Fundamentalsatz des republikanisch-römischen Staatsrechts, daß die höchste militärische und bürgerliche Amtsgewalt nicht ohne Mitwirkung der Bürgerschaft vergeben werden könne, ward zu Gunsten des neuen Oberfeldherrn gebrochen: indem das Gesetz den fünfundzwanzig Adjutanten, die er sich ernennen würde, im voraus prätorischen Rang und prätorische Befugnisse verlieh16, wurde das höchste Amt des republikanischen Rom einem neu geschaffenen untergeordnet, für das den geeigneten Namen zu finden der Zukunft überlassen blieb, das aber der Sache nach schon jetzt die Monarchie in sich enthielt. Es war eine vollständige Umwälzung der bestehenden Ordnung, zu der mit diesem Gesetzvorschlag der Grund gelegt ward.
Diese Maßregeln eines Mannes, der soeben noch von seiner Halbheit und Schwäche so auffallende Beweise geliefert hatte, befremden durch ihre durchgreifende Energie. Indes ist es doch wohl erklärlich, daß Pompeius diesmal entschlossener verfuhr als während seines Konsulats. Handelte es sich doch nicht darum, sofort als Monarch aufzutreten, sondern die Monarchie zunächst nur vorzubereiten durch eine militärische Ausnahmemaßregel, die, wie revolutionär sie ihrem Wesen nach war, doch noch in den Formen der bestehenden Verfassung vollzogen werden konnte, und die zunächst Pompeius dem alten Ziel seiner Wünsche, dem Kommando gegen Mithradates und Tigranes, entgegenführte. Auch gewichtige Zweckmäßigkeitsgründe sprachen für die Emanzipation der Militärgewalt von dem Senat. Pompeius konnte nicht vergessen haben, daß ein nach ganz gleichen Grundsätzen angelegter Plan zur Unterdrückung der Piraterie wenige Jahre zuvor an der verkehrten Ausführung durch den Senat gescheitert, daß der Ausgang des Spanischen Krieges durch die Vernachlässigung der Heere von sehen des Senats und dessen unverständige Finanzwirtschaft aufs höchste gefährdet worden war; er konnte nicht übersehen, wie die große Majorität der Aristokratie gegen ihn, den abtrünnigen Sullaner, gesinnt war und welchem Schicksal er entgegenging, wenn er als Feldherr der Regierung mit der gewöhnlichen Kompetenz sich nach dem Osten senden ließ. Begreiflich ist es daher, daß er als die erste Bedingung der Übernahme des Kommandos eine vom Senat unabhängige Stellung bezeichnete und daß die Bürgerschaft bereitwillig darauf einging. Es ist ferner in hohem Grade wahrscheinlich, daß Pompeius diesmal durch seine Umgebungen, die über sein Zurückweichen vor zwei Jahren vermutlich nicht wenig ungehalten waren, zu rascherem Handeln fortgerissen ward. Die Gesetzvorschläge über Lucullus‘ Abberufung und die Expedition gegen die Piraten wurden eingebracht von dem Volkstribun Aulus Gabinius, einem ökonomisch und sittlich ruinierten Mann, aber einem gewandten Unterhändler, dreisten Redner und tapferen Soldaten. So wenig ernsthaft auch Pompeius‘ Beteuerungen gemeint waren, daß er den Oberbefehl in dem Seeräuberkriege durchaus nicht wünsche und nur nach häuslicher Ruhe sich sehne, so ist doch davon wahrscheinlich so viel wahr, daß der kecke und bewegliche Klient, der mit Pompeius und dessen engerem Kreise im vertraulichen Verkehr stand und die Verhältnisse und die Menschen vollkommen durchschaute, seinem kurzsichtigen und unbehilflichen Patron die Entscheidung zum guten Teil über den Kopf nahm.
Die Demokratie, wie unzufrieden ihre Führer im stillen sein mochten, konnte doch nicht wohl öffentlich gegen den Gesetzvorschlag auftreten. Die Durchbringung desselben hätte sie allem Anschein nach auf keinen Fall zu hindern vermocht, wohl aber durch Opposition dagegen mit Pompeius offen gebrochen und dadurch ihn genötigt, entweder der Oligarchie sich zu nähern oder gar beiden Parteien gegenüber seine persönliche Politik rücksichtslos zu verfolgen. Es blieb den Demokraten nichts übrig, als ihre Allianz mit Pompeius, wie hohl sie immer war, auch diesmal noch festzuhalten und diese Gelegenheit zu ergreifen, um wenigstens den Senat endlich definitiv zu stürzen und aus der Opposition in das Regiment überzugehen, das weitere aber der Zukunft und Pompeius‘ wohlbekannter Charakterschwäche zu überlassen. So unterstützten denn auch ihre Führer, der Prätor Lucius Quinctius, derselbe, der sieben Jahre zuvor für die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt tätig gewesen war, und der gewesene Quästor Gaius Caesar, die Gabinischen Gesetzvorschläge.
Die privilegierten Klassen waren außer sich, nicht bloß die Nobilität, sondern ebenso die kaufmännische Aristokratie, die auch ihre Sonderrechte durch eine so gründliche Staatsumwälzung bedroht fühlte und wieder einmal ihren rechten Patron in dem Senat erkannte. Als der Tribun Gabinius nach Einbringung seiner Anträge in der Kurie sich zeigte, fehlte nicht viel, daß ihn die Väter der Stadt mit eigenen Händen erwürgt hätten, ohne in ihrem Eifer zu erwägen, wie höchst unvorteilhaft diese Methode zu argumentieren für sie ablaufen wußte. Der Tribun entkam auf den Markt und rief die Menge auf, das Rathaus zu stürmen, als eben zur rechten Zeit noch die Sitzung aufgehoben ward. Der Konsul Piso, der Vorkämpfer der Oligarchie, der zufällig der Menge in die Hände geriet, wäre sicher ein Opfer der Volkswut geworden, wenn nicht Gabinius darüber zugekommen wäre und, um nicht durch unzeitige Freveltaten seinen gewissen Erfolg auf das Spiel zu stellen, den Konsul befreit hätte. Inzwischen blieb die Erbitterung der Menge unvermindert und fand stets neue Nahrung in den hohen Getreidepreisen und den zahlreichen, zum Teil ganz tollen Gerüchten, zum Beispiel, daß Lucius Lucullus die ihm zur Kriegführung überwiesenen Gelder teils in Rom zinsbar belegt, teils mit denselben den Prätor Quinctius der Sache des Volkes abwendig zu machen versucht habe; daß der Senat dem „zweiten Romulus“, wie man Pompeius nannte, das Schicksal des ersten17 zu bereiten gedenke und dergleichen mehr. Darüber kam der Tag der Abstimmung heran. Kopf an Kopf gedrängt stand die Menge auf dem Markte; bis an die Dächer hinauf waren alle Gebäude, von wo aus die Rednerbühne gesehen werden konnte, mit Menschen bedeckt. Sämtliche Kollegen des Gabinius hatten dem Senat die Interzession zugesagt: aber den brausenden Wogen der Massen gegenüber schwiegen alle bis auf den einzigen Lucius Trebellius, der sich und dem Senat geschworen hatte, lieber zu sterben als zu weichen. Als dieser interzedierte, unterbrach Gabinius sogleich die Abstimmung über seine Gesetzvorschläge und beantragte bei dem versammelten Volke, mit seinem widerstrebenden Kollegen zu verfahren, wie einst auf Tiberius Gracchus‘ Antrag mit dem Octavius verfahren war, das heißt ihn sofort seines Amtes zu entsetzen. Es ward abgestimmt und die Verlesung der Stimmtafeln begann; als die ersten siebzehn Bezirke, die zur Verlesung kamen, sich für den Antrag erklärten und die nächste bejahende Stimme demselben die Majorität gab, zog Trebellius, seines Eides vergessend, die Interzession kleinmütig zurück. Vergeblich bemühte sich darauf der Tribun Otho zu bewirken, daß wenigstens die Kollegialität gewahrt und statt eines Feldherrn zwei gewählt werden möchten; vergeblich strengte der hochbejahrte Quintus Catulus, der geachtetste Mann im Senat, seine letzten Kräfte dafür an, daß die Unterfeldherren nicht vom Oberfeldherrn ernannt, sondern vom Volke gewählt werden möchten. Otho konnte in dem Toben der Menge nicht einmal sich Gehör verschaffen; dem Catulus verschaffte es Gabinius‘ wohlberechnete Zuvorkommenheit, und in ehrerbietigem Schweigen horchte die Menge den Worten des Greises; aber verloren waren sie darum nicht minder. Die Vorschläge wurden nicht bloß mit allen Klauseln unverändert zum Gesetz erhoben, sondern auch, was Pompeius noch im einzelnen nachträglich begehrte, augenblicklich und vollständig bewilligt.
Mit hochgespannten Hoffnungen sah man die beiden Feldherren Pompeius und Glabrio nach ihren Bestimmungsorten abgehen. Die Kornpreise waren nach dem Durchgehen der Gabinischen Gesetze sogleich auf die gewöhnlichen Sätze zurückgegangen: ein Beweis, welche Hoffnungen an die großartige Expedition und ihren ruhmvollen Führer sich knüpften. Sie wurden, wie später erzählt wird, nicht bloß erfüllt, sondern übertroffen; in drei Monaten war die Säuberung der Meere vollendet. Seit dem Hannibalischen Kriege war die römische Regierung nicht mit solcher Energie nach außen hin aufgetreten; gegenüber der schlaffen und unfähigen Verwaltung der Oligarchie hatte die demokratisch-militärische Opposition auf das glänzendste ihren Beruf dargetan, die Zügel des Staates zu fassen und zu lenken. Die ebenso unpatriotischen wie ungeschickten Versuche des Konsuls Piso, den Anstalten des Pompeius zu Unterdrückung der Piraterie im Narbonensischen Gallien kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen, steigerten nur die Erbitterung der Bürgerschaft gegen die Oligarchie und ihren Enthusiasmus für Pompeius: einzig dessen persönliche Dazwischenkunft verhinderte es, daß die Volksversammlung nicht den Konsul kurzweg seines Amtes entsetzte.
Inzwischen war auf dem asiatischen Festland die Verwirrung nur noch ärger geworden. Glabrio, der an Lucullus‘ Stelle den Oberbefehl gegen Mithradates und Tigranes übernehmen sollte, war in Vorderasien sitzen geblieben und hatte zwar durch verschiedene Proklamationen die Soldaten gegen Lucullus aufgestiftet, aber den Oberbefehl nicht angetreten, so daß Lucullus denselben fortzuführen gezwungen war. Gegen Mithradates war natürlich nichts geschehen; die pontischen Reiter plünderten ungescheut und ungestraft in Bithynien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pompeius veranlaßt worden, sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu begeben; nichts lag näher, als ihm den Oberbefehl in dem Pontisch-Armenischen Kriege zu übertragen, dem er selbst seit langem nachtrachtete. Allein die demokratische Partei in Rom teilte begreiflicherweise die Wünsche ihres Generals nicht und hütete sich wohl, hierin die Initiative zu ergreifen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sie den Gabinius bestimmt hatte, den Mithradatischen und den Piratenkrieg nicht von vornherein beide zugleich an Pompeius, sondern den ersteren an Glabrio zu übertragen; auf keinen Fall konnte sie jetzt die Ausnahmestellung des schon allzumächtigen Feldherrn steigern und verewigen wollen. Auch Pompeius selbst verhielt nach seiner Gewohnheit sich leidend, und vielleicht wäre er in der Tat nach Vollziehung des ihm gewordenen Auftrags heimgekehrt, wenn nicht ein allen Parteien unerwarteter Zwischenfall eingetreten wäre. Ein gewisser Gaius Manilius, ein ganz nichtiger und unbedeutender Mensch, hatte als Volkstribun es durch seine ungeschickten Gesetzvorschläge zugleich mit der Aristokratie und der Demokratie verdorben. In der Hoffnung, sich unter des mächtigen Feldherrn Flügeln zu bergen, wenn er diesem verschaffe, was er, wie jedem bekannt war, sehnlichst wünschte, aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Bürgerschaft den Antrag, die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pontos, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Ämter sowie die Führung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugnis, Frieden und Bündnis zu schließen, dem Prokonsul der Meere und Küsten neben seinem bisherigen Amte zu übertragen (Anfang 688 66). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zerrüttet die römische Verfassungsmaschine war, seit die gesetzgeberische Gewalt teils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen, und der Beschlußfassung nach der unmündigen Menge in die Hände gegeben, teils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt war. Der Manilische Vorschlag war keiner der politischen Parteien genehm; dennoch fand er kaum irgendwo ernstlichen Widerstand. Die demokratischen Führer konnten aus denselben Gründen, die sie gezwungen hatten, das Gabinische Gesetz sich gefallen zu lassen, es nicht wagen, sich dem Manilischen geradezu zu widersetzen; sie verschlossen ihren Unwillen und ihre Besorgnisse in sich und redeten öffentlich für den Feldherrn der Demokratie. Die gemäßigten Optimaten erklärten sich für den Manilischen Antrag, weil nach dem Gabinischen Gesetz der Widerstand auf jeden Fall vergeblich war und weiterblickende Männer schon damals erkannten, daß es für den Senat die richtige Politik sei, sich Pompeius möglichst zu nähern und bei dem vorauszusehenden Bruch zwischen ihm und den Demokraten ihn auf ihre Seite hinüberzuziehen. Die Männer des Schaukelsystems endlich segneten den Tag, wo auch sie eine Meinung zu haben scheinen und entschieden auftreten konnten, ohne es mit einer der Parteien zu verderben – es ist bezeichnend, daß mit der Verteidigung des Manilischen Antrags Marcus Cicero zuerst die politische Rednerbühne betrat. Einzig die strengen Optimaten, Quintus Catulus an der Spitze, zeigten wenigstens Farbe und sprachen gegen den Vorschlag. Natürlich wurde derselbe mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität zum Gesetz erhoben. Pompeius erhielt dadurch zu seiner früheren ausgedehnten Machtfülle noch die Verwaltung der wichtigsten kleinasiatischen Provinzen, so daß es innerhalb der weiten römischen Grenzen kaum noch einen Fleck Landes gab, der ihm nicht gehorcht hätte, und die Führung eines Krieges, von dem man, wie von Alexanders Heerfahrt, wohl sagen konnte, wo und wann er begann, aber nicht, wo und wann er enden möge. Niemals noch, seit Rom stand, war solche Gewalt in den Händen eines einzigen Mannes vereinigt gewesen.
Die Gabinisch-Manilischen Anträge beendigten den Kampf zwischen dem Senat und der Popularpartei, den vor siebenundsechzig Jahren die Sempronischen Gesetze begonnen hatten. Wie die Sempronischen Gesetze die Revolutionspartei zunächst als politische Opposition konstituierten, so ging dieselbe mit den Gabinisch-Manilischen über aus der Opposition in das Regiment; und wie es ein großartiger Moment gewesen war, als mit der vergeblichen Interzession des Octavius der erste Bruch in die bestehende Verfassung geschah, so war es nicht minder ein bedeutungsvoller Augenblick, als mit dem Rücktritt des Trebellius das letzte Bollwerk des senatorischen Regiments zusammenbrach. Auf beiden Seiten ward dies wohl empfunden, und selbst die schlaffen Senatorenseelen zuckten auf in diesem Todeskampf; aber es lief doch die Verfassungsfehde in gar anderer und gar viel kümmerlicherer Weise zu Ende, als sie angefangen hatte. Ein in jedem Sinne adliger Jüngling hatte die Revolution eröffnet; sie ward beschlossen durch kecke Intriganten und Demagogen des niedrigsten Schlages. Wenn andererseits die Optimaten mit gemessenem Widerstand, mit einer selbst auf den verlorenen Posten ernst ausharrenden Verteidigung begonnen hatten, so endigten sie mit der Initiative zum Faustrecht, mit großwortiger Schwäche und jämmerlichem Eidbruch. Es war nun erreicht, was einst als ein kecker Traum erschienen war: der Senat hatte aufgehört zu regieren. Aber wenn die einzelnen alten Männer, die noch die ersten Stürme der Revolution gesehen, die Worte der Gracchen vernommen hatten, jene Zeit und diese miteinander verglichen, so fanden sie alles inzwischen verändert, Landschaft und Bürgerschaft, Staatsrecht und Kriegszucht, Leben und Sitte, und wohl mochte schmerzlich lächeln, wer die Ideale der Gracchenzeit mit ihrer Realisierung verglich. Indes solche Betrachtungen gehörten der Vergangenheit an. Für jetzt und wohl auch für die Zukunft war der Sturz der Aristokratie eine vollendete Tatsache. Die Oligarchen glichen einer vollständig aufgelösten Armee, deren versprengte Haufen noch eine andere Heeresmasse verstärken, aber selbst nirgends mehr das Feld halten, noch auf eigene Rechnung ein Gefecht wagen konnten. Aber indem der alte Kampf zu Ende lief, bereitete zugleich ein neuer sich vor: der Kampf der beiden bisher zum Sturz der aristokratischen Staatsverfassung verbündeten Mächte, der bürgerlich demokratischen Opposition und der immer übermächtiger aufstrebenden Militärgewalt. Pompeius‘ Ausnahmestellung war schon nach dem Gabinischen, um wie viel mehr nach dem Manilischen Gesetz mit einer republikanischen Staatsordnung unvereinbar. Er war, wie schon damals die Gegner mit gutem Grund sagten, durch das Gabinische Gesetz nicht zum Admiral, sondern zum Reichsregenten bestellt worden; nicht mit Unrecht heißt er einem mit den östlichen Verhältnissen vertrauten Griechen „König der Könige“. Wenn er dereinst, wiederum siegreich und mit erhöhtem Ruhm, mit gefüllten Kassen, mit schlagfertigen und ergebenen Truppen zurückkehrt aus dem Osten, nach der Krone die Hand ausstreckte – wer wollte dann ihm in den Arm fallen? Sollte etwa gegen den ersten Feldherrn seiner Zeit und seine erprobten Legionen der Konsular Quintus Catulus die Senatoren aufbieten? Oder der designierte Ädil Gaius Caesar die städtische Menge, deren Augen er soeben an seinen dreihundertzwanzig silbergerüsteten Fechterpaaren geweidet hatte? Bald werde man, rief Catulus, abermals auf die Felsen des Kapitols flüchten müssen, um die Freiheit zu retten. Es war nicht die Schuld des Propheten, wenn der Sturm nicht, wie er meinte, von Osten kam, sondern das Schicksal, buchstäblicher als er selbst es ahnte seine Worte erfüllend, das vernichtende Unwetter wenige Jahre später aus dem Keltenland heranführte.
- Die außerordentliche Amtsgewalt (pro consule, pro praetore, pro quaestore) konnte nach römischem Staatsrecht in dreifacher Weise entstehen. Entweder ging sie hervor aus dem für die nichtstädtische Amtstätigkeit geltenden Grundsatz, daß das Amt bis zu dem gesetzlichen Endtermin, die Amtsgewalt aber bis zum Eintreffen des Nachfolgers fortdauert, was der älteste, einfachste und häufigste Fall ist. Oder sie entstand auf dem Wege, daß die beikommenden Organe, namentlich die Komitien, in späterer Zeit auch wohl der Senat, einen nicht in der Verfassung vorgesehenen Oberbeamten ernannten, indem dieser zwar sonst dem ordentlichen Beamten gleichstand, aber doch zum Kennzeichen der Außerordentlichkeit seines Amtes sich nur „an Prätors“ oder „an Konsuls Statt“ nannte. Hierher gehören auch die in ordentlichem Wege zu Quästoren ernannten, dann aber außerordentlicherweise mit prätorischer oder gar konsularischer Amtsgewalt ausgestatteten Beamten (quaestores pro praetore oder pro consule), in welcher Eigenschaft zum Beispiel Publius Lentulus Marcellinus 679 (73) nach Kyrene (Sall. hist. 2, 39 Dietsch), Gnaeus Piso 689 (65) nach dem Diesseitigen Spanien (Sall. Cat. 19), Cato 696 (58) nach Kypros (Vell. 2, 45) gingen. Oder endlich es beruht die außerordentliche Amtsgewalt auf dem Mandierungsrecht des höchsten Beamten. Derselbe ist, wenn er seinen Amtsbezirk verläßt oder sonst behindert ist, sein Amt zu versehen, befugt, einen seiner Leute zu seinem Stellvertreter zu ernennen, welcher dann legatus pro praetore (Sall. Iug. 36-38) oder wenn die Wahl auf den Quästor fällt, quaestor pro praetore (Sall. Iug. 103) heißt. In gleicher Weise ist er befugt, wenn er keinen Quästor hat, dessen Geschäfte durch einen seines Gefolges versehen zu lassen, welcher dann legatus pro quaestore heißt und mit diesem Namen wohl zuerst auf den makedonischen Tetradrachmen des Sura, Unterbefehlshabers des Statthalters von Makedonien 665-667 (89-87) begegnet. Das aber ist dem Wesen der Mandierung zuwider und darum nach älterem Staatsrecht unzulässig, daß der höchste Beamte, ohne in seiner Funktionierung gehindert zu sein, gleich bei Antritt seines Amtes von vornherein einen oder mehrere seiner Untergebenen mit höchster Amtsgewalt ausstattet; und insofern sind die legati pro praetore des Prokonsuls Pompeius eine Neuerung und schon denen gleichartig, die in der Kaiserzeit eine so große Rolle spielen.
- Der Sage nach ward König Romulus von den Senatoren in Stücke zerrissen.