10. Kapitel
Die Sullanische Verfassung
Um die Zeit, als die erste Feldschlacht zwischen Römern und Römern geschlagen ward, in der Nacht des 6. Juli 671 (83), war der ehrwürdige Tempel, den die Könige errichtet, die junge Freiheit geweiht, die Stürme eines halben Jahrtausends verschont hatten, der Tempel des Römischen Jupiter, auf dem Kapitol in Flammen aufgegangen. Es war kein Anzeichen, aber wohl ein Abbild des Zustandes der römischen Verfassung. Auch diese lag in Trümmern und bedurfte eines neuen Aufbaus. Die Revolution war zwar besiegt, aber es fehlte doch viel, daß damit von selber das alte Regiment wieder sich hergestellt hätte. Allerdings meinte die Masse der Aristokratie, daß jetzt nach dem Tode der beiden revolutionären Konsuln es genügen werde, die gewöhnliche Ergänzungswahl zu veranstalten und es dem Senat zu überlassen, was ihm zur Belohnung der siegreichen Armee, zur Bestrafung der schuldigsten Revolutionäre, etwa auch zur Verhütung ähnlicher Ausbrüche weiter erforderlich erscheinen werde. Allein Sulla, in dessen Händen der Sieg für den Augenblick alle Macht vereinigt hatte, urteilte richtiger über die Verhältnisse und die Personen. Die Aristokratie Roms war in ihrer besten Epoche nicht hinausgekommen über ein halb großartiges, halb borniertes Festhalten an den überlieferten Formen; wie sollte das schwerfällige kollegialische Regiment dieser Zeit dazu kommen, eine umfassende Staatsreform energisch und konsequent durchzuführen? Und eben jetzt, nachdem die letzte Krise fast alle Spitzen des Senats weggerafft hatte, war in demselben die zu einem solchen Beginnen erforderliche Kraft und Intelligenz weniger als je zu finden. Wie unbrauchbar durchgängig das aristokratische Vollblut und wie wenig Sulla über dessen Nichtsnutzigkeit im unklaren war, beweist die Tatsache, daß mit Ausnahme des ihm verschwägerten Quintus Metellus er sich seine Werkzeuge sämtlich auslas aus der ehemaligen Mittelpartei und den Überläufern aus dem demokratischen Lager – so Lucius Flaccus, Lucius Philippus, Quintus Ofella, Gnaeus Pompeius. Sulla war die Wiederherstellung der alten Verfassung so sehr Ernst wie nur dem leidenschaftlichsten aristokratischen Emigranten; aber er begriff, wohl auch nicht in dem ganzen und vollen Umfang – wie hätte er sonst überhaupt Hand ans Werk zu legen vermocht? –, aber doch besser als seine Partei, welchen ungeheuren Schwierigkeiten dieses Restaurationswerk unterlag. Als unumgänglich betrachtete er teils umfassende Konzessionen, soweit Nachgiebigkeit möglich war, ohne das Wesen der Oligarchie anzutasten, teils die Herstellung eines energischen Repressiv- und Präventivsystems; und er sah es deutlich, daß der Senat, wie er war, jede Konzession verweigern oder verstümmeln, jeden systematischen Neubau parlamentarisch ruinieren werde. Hatte Sulla schon nach der Sulpicischen Revolution, ohne viel zu fragen, in der einen und der andern Richtung durchgesetzt, was er für nötig erachtete, so war er auch jetzt unter weit schärferen und gespannteren Verhältnissen entschlossen, die Oligarchie nicht mit, sondern trotz der Oligarchen auf eigene Hand zu restaurieren. Sulla aber war nicht wie damals Konsul, sondern bloß mit prokonsularischer, das heißt rein militärischer Gewalt ausgestattet; er bedurfte einer möglichst nahe an den verfassungsmäßigen Formen sich haltenden, aber doch außerordentlichen Gewalt, um Freunden und Feinden seine Reform zu oktroyieren. In einem Schreiben an den Senat eröffnete er demselben, daß es ihm unumgänglich scheine, die Ordnung des Staates in die Hände eines einzigen, mit unumschränkter Machtvollkommenheit ausgerüsteten Mannes zu legen, und daß er sich für geeignet halte, diese schwierige Aufgabe zu erfüllen. Dieser Vorschlag, so unbequem er vielen kam, war unter den obwaltenden Umständen ein Befehl. Im Auftrag des Senats brachte der Vormann desselben, der Zwischenkönig Lucius Valerius Flaccus der Vater, als interimistischer Inhaber der höchsten Gewalt bei der Bürgerschaft den Antrag ein, daß dem Prokonsul Lucius Cornelius Sulla für die Vergangenheit die nachträgliche Billigung aller von ihm als Konsul und Prokonsul vollzogenen Amtshandlungen, für die Zukunft aber das Recht erteilt werden möge, über Leben und Eigentum der Bürger in erster und letzter Instanz zu erkennen, mit den Staatsdomänen nach Gutdünken zu schalten, die Grenzen Roms, Italiens, des Staats nach Ermessen zu verschieben, in Italien Stadtgemeinden aufzulösen oder zu gründen, über die Provinzen und die abhängigen Staaten zu verfügen, das höchste Imperium anstatt des Volkes zu vergeben und Prokonsuln und Proprätoren zu ernennen, endlich durch neue Gesetze für die Zukunft den Staat zu ordnen; daß es in sein eigenes Ermessen gestellt werden solle, wann er seine Aufgabe gelöst und es an der Zeit erachte, dies außerordentliche Amt niederzulegen; daß endlich während desselben es von seinem Gutfinden abhängen solle, die ordentliche höchste Magistratur daneben eintreten oder auch ruhen zu lassen. Es versteht sich, daß die Annahme ohne Widerspruch stattfand (November 672 82), und nun erst erschien der neue Herr des Staates, der bisher als Prokonsul die Hauptstadt zu betreten vermieden hatte, innerhalb der Mauern von Rom. Den Namen entlehnte dies neue Amt von der seit dem Hannibalischen Kriege tatsächlich abgeschafften Diktatur; aber sie außer seinem bewaffneten Gefolge ihm doppelt so viele Liktoren vorausschritten als dem Diktator der älteren Zeit, so war auch in der Tat diese neue „Diktatur zur Abfassung von Gesetzen und zur Ordnung des Gemeinwesens“, wie die offizielle Titulatur lautet, ein ganz anderes als jenes ehemalige, der Zeit und der Kompetenz nach beschränkte, die Provokation an die Bürgerschaft nicht ausschließende und die ordentliche Magistratur nicht annullierende Amt. Es glich dasselbe vielmehr dem der „Zehnmänner zur Abfassung von Gesetzen“, die gleichfalls als außerordentliche Regierung mit unbeschränkter Machtvollkommenheit unter Beseitigung der ordentlichen Magistratur aufgetreten waren und tatsächlich wenigstens ihr Amt als ein der Zeit nach unbegrenztes verwaltet hatten. Oder vielmehr dies neue Amt mit seiner auf einem Volksbeschluß ruhenden, durch keine Befristung und Kollegialität eingeengten absoluten Gewalt war nichts anderes als das alte Königtum, das ja eben auch beruhte auf der freien Verpflichtung der Bürgerschaft, einem aus ihrer Mitte als absolutem Herrn zu gehorchen. Selbst von Zeitgenossen wird zur Rechtfertigung Sullas es geltend gemacht, daß ein König besser sei als eine schlechte Verfassung92, und vermutlich ward auch der Diktatortitel nur gewählt um anzudeuten, daß, wie die ehemalige Diktatur eine vielfach beschränkte, so diese neue eine vollständige Wiederaufnahme der königlichen Gewalt in sich enthalte. So fiel denn seltsamerweise Sullas Weg auch hier zusammen mit dem, den in so ganz anderer Absicht Gaius Gracchus eingeschlagen hatte. Auch hier mußte die konservative Partei von ihren Gegnern borgen, der Schirmherr der oligarchischen Verfassung selbst auftreten als Tyrann, um die ewig andringende Tyrannis abzuwehren. Es war gar viel Niederlage in diesem letzten Siege der Oligarchie.
Sulla hatte die schwierige und grauenvolle Arbeit des Restaurationswerkes nicht gesucht und nicht gewünscht; da ihm aber keine andere Wahl blieb, als sie gänzlich unfähigen Händen zu überlassen oder sie selber zu übernehmen, griff er sie an mit rücksichtsloser Energie. Vor allen Dingen mußte eine Feststellung hinsichtlich der Schuldigen getroffen werden. Sulla war an sich zum Verzeihen geneigt. Sanguinischen Temperaments wie er war, konnte er wohl zornig aufbrausen, und der mochte sich hüten, der sein Auge flammen und seine Wangen sich färben sah; aber die chronische Rachsucht, wie sie Marius in seiner greisenhaften Verbitterung eigen war, war seinem leichten Naturell durchaus fremd. Nicht bloß nach der Revolution von 666 (88) war er mit verhältnismäßig großer Milde aufgetreten; auch die zweite, die so furchtbare Greuel verübt und ihn persönlich so empfindlich getroffen hatte, hatte ihn nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. In derselben Zeit, so der Henker die Körper seiner Freunde durch die Straßen der Hauptstadt schleifte, hatte er dem blutbefleckten Fimbria das Leben zu retten gesucht und, da dieser freiwillig den Tod nahm, Befehl gegeben, seine Leiche anständig zu bestatten. Bei der Landung in Italien hatte er ernstlich sich erboten, zu vergeben und zu vergessen, und keiner, der seinen Frieden zu machen kam, war zurückgewiesen worden. Noch nach den ersten Erfolgen hatte er in diesem Sinne mit Lucius Scipio verhandelt; die Revolutionspartei war es gewesen, die diese Verhandlungen nicht bloß abgebrochen, sondern nach denselben, im letzten Augenblicke vor ihrem Sturz, die Mordtaten abermals und grauenvoller als je wieder aufgenommen, ja zur Vernichtung der Stadt Rom sich mit dem uralten Landesfeind verschworen hatte. Nun war es genug. Kraft seiner neuen Amtsgewalt erklärte Sulla unmittelbar nach Übernahme der Regentschaft als Feinde des Vaterlands vogelfrei sämtliche Zivil- und Militärbeamte, welche nach dem, Sullas Behauptung zufolge rechtsbeständig abgeschlossenen, Vertrag mit Scipio noch für die Revolution tätig gewesen wären, und von den übrigen Bürgern diejenigen, die in auffallender Weise derselben Vorschub getan hätten. Wer einen dieser Vogelfreien tötete, war nicht bloß straffrei wie der Henker, der ordnungsmäßig eine Exekution vollzieht, sondern erhielt auch für die Hinrichtung eine Vergütung von 12000 Denaren (3600 Tälern); jeder dagegen, der eines Geächteten sich annahm, selbst der nächste Verwandte, unterlag der schwersten Strafe. Das Vermögen der Geächteten verfiel dem Staat gleich der Feindesbeute; ihre Kinder und Enkel wurden von der politischen Laufbahn ausgeschlossen, dennoch aber, insofern sie senatorischen Standes waren, verpflichtet, die senatorischen Lasten für ihren Teil zu übernehmen. Die letzten Bestimmungen fanden auch Anwendung auf die Güter und die Nachkommen derjenigen, die im Kampfe für die Revolution gefallen waren; was noch hinausging selbst über die im ältesten Recht gegen solche, die die Waffen gegen ihr Vaterland getragen hatten, geordneten Strafen. Das Schrecklichste in diesem Schreckenssystem war die Unbestimmtheit der aufgestellten Kategorien, gegen die sofort im Senat remonstriert ward und der Sulla selber dadurch abzuhelfen suchte, daß er die Namen der Geächteten öffentlich anschlagen ließ und als letzten Termin für den Schluß der Ächtungsliste den 1. Juni 673 (81) festsetzte. Sosehr diese täglich anschwellende und zuletzt bis auf 4700 Namen steigende Bluttafel93 das gerechte Entsetzen der Bürger war, so war doch damit der reinen Schergenwillkür in etwa gesteuert. Es war wenigstens nicht der persönliche Groll des Regenten, dem die Masse dieser Opfer fiel; sein grimmiger Haß richtete sich einzig gegen die Marier, die Urheber der scheußlichen Metzeleien von 667 (87) und 672 (82). Auf seinen Befehl ward das Grab des Siegers von Aquae Sextiae wiederaufgerissen und die Asche desselben in den Anio gestreut, die Denkmäler seiner Siege über Afrikaner und Deutsche umgestürzt und, da ihn selbst sowie seinen Sohn der Tod seiner Rache entrückt hatte, sein Adoptivneffe Marcus Marius Gratidianus, der zweimal Prätor gewesen und bei der römischen Bürgerschaft sehr beliebt war, an dem Grabe des bejammernswertesten der Marianischen Schlachtopfer, des Catulus, unter den grausamsten Martern hingerichtet. Auch sonst hatte der Tod schon die namhaftesten der Gegner hingerafft; von den Führern waren nur noch übrig Gaius Norbanus, der in Rhodos Hand an sich selbst legte, während die Ekklesia über seine Auslieferung beriet; Lucius Scipio, dem seine Bedeutungslosigkeit und wohl auch seine vornehme Geburt Schonung verschafften und die Erlaubnis, in seiner Zufluchtsstätte Massalia seine Tage in Ruhe beschließen zu dürfen; und Quintus Sertorius, der landflüchtig an der mauretanischen Küste umherirrte. Aber dennoch häuften sich am Servilischen Bassin, da wo die Jugarische Gasse in den Marktplatz einmündete, die Häupter der getöteten Senatoren, welche hier öffentlich auszustellen der Diktator befohlen hatte, und vor allem unter den Männern zweiten und dritten Ranges hielt der Tod eine furchtbare Ernte. Außer denen, die für Ehre Dienste in der oder für die revolutionäre Armee ohne viele Wahl, zuweilen wegen eines einem der Offiziere derselben gemachten Vorschusses oder wegen der mit einem solchen geschlossenen Gastfreundschaft, in die Liste eingetragen wurden, traf namentlich jene Kapitalisten, die über die Senatoren zu Gericht gesessen und in Marianischen Konfiskationen spekuliert hatten, „die Einsäckler“, die Vergeltung; etwa sechzehnhundert der sogenannten Ritter94 waren auf der Ächtungsliste verzeichnet. Ebenso büßten die gewerbsmäßigen Ankläger, die schwerste Geißel der Vornehmen, die sich ein Geschäft daraus machten, die Männer senatorischen Standes vor die Rittergerichte zu ziehen – „Wie geht es nur zu“, fragte bald darauf ein Sachwalter, „daß sie uns die Gerichtsbänke gelassen haben, da sie doch Ankläger und Richter totschlugen?“ Die wildesten und schändlichsten Leidenschaften rasten viele Monate hindurch ungefesselt durch Italien. In der Hauptstadt war es ein Keltentrupp, dem zunächst die Exekutionen aufgetragen wurden, und Sullanische Soldaten und Unteroffiziere durchzogen zu gleichem Zweck die verschiedenen Distrikte Italiens; aber auch jeder Freiwillige war ja willkommen, und vornehmes und niederes Gesindel drängte sich herbei, nicht bloß, um die Mordprämie zu verdienen, sondern auch, um unter dem Deckmantel der politischen Verfolgung die eigene Rachsucht oder Habsucht zu befriedigen. Es kam wohl vor, daß der Eintragung in die Ächtungsliste die Ermordung nicht nachfolgte, sondern voranging. Ein Beispiel zeigt, in welcher Art diese Exekutionen erfolgten. In Larinum, einer marianisch gesinnten Neubürgerstadt, trat ein gewisser Statius Albius Oppianicus, der um einer Anklage wegen Mordes zu entgehen in das Sullanische Hauptquartier entwichen war, nach dem Sieg auf als Kommissarius des Regenten, setzte die Stadtobrigkeit ab und sich und seine Freunde an deren Stelle und ließ den, der ihn mit der Anklage bedroht hatte, nebst dessen nächsten Verwandten und Freunden ächten und töten. So fielen unzählige, darunter nicht wenige entschiedene Anhänger der Oligarchie, als Opfer der Privatfeindschaft oder ihres Reichtums; die fürchterliche Verwirrung und die sträfliche Nachsicht, die Sulla wie überall so auch hier gegen die ihm näher Stehenden bewies, verhinderten jede Ahndung auch nur der hierbei mit untergelaufenen gemeinen Verbrechen.
In ähnlicher Weise ward mit dem Beutegut verfahren. Sulla wirkte aus politischen Rücksichten dahin, daß die angesehenen Bürger sich bei dessen Ersteigerung beteiligten; ein großer Teil drängte übrigens freiwillig sich herbei, keiner eifriger als der junge Marcus Crassus. Unter den obwaltenden Umständen war die ärgste Schleuderwirtschaft nicht zu vermeiden, die übrigens zum Teil schon aus der römischen Weise folgte, die vom Staat eingezogenen Vermögen gegen eine Pauschalsumme zur Realisierung zu verkaufen; es kam noch hinzu, daß der Regent teils sich selbst nicht vergaß, teils besonders seine Gemahlin Metella und andere ihm nahestehende vornehme und geringe Personen, selbst Freigelassene und Kneipgenossen, bald ohne Konkurrenz kaufen ließ, bald ihnen den Kaufschilling ganz oder teilweise erließ – so soll zum Beispiel einer seiner Freigelassenen ein Vermögen von 6 Millionen (457000 Talern) für 2000 Sesterzen (152 Taler) ersteigert haben und einer seiner Unteroffiziere durch derartige Spekulationen zu einem Vermögen von 10 Mill. Sesterzen (761000 Talern) gelangt sein. Der Unwille war groß und gerecht; schon während Sollas Regentschaft fragte ein Advokat, ob der Adel den Bürgerkrieg nur geführt habe, um seine Freigelassenen und Knechte zu reichen Leuten zu machen. Trotz dieser Schleuderei indes betrug der Gesamterlös aus den konfiszierten Gütern nicht weniger als 350 Mill. Sesterzen (27 Mill. Taler), was von dem ungeheuren Umfang dieser hauptsächlich auf den reichsten Teil der Bürgerschaft fallenden Einziehungen einen ungefähren Begriff gibt. Es war durchaus ein fürchterliches Strafgericht. Es gab keinen Prozeß, keine Begnadigung mehr; bleischwer lastete der dumpfe Schrecken auf dem Lande, und das freie Wort war auf dem Markte der Haupt- wie der Landstadt verstummt. Das oligarchische Schreckensregiment trug wohl einen anderen Stempel als das revolutionäre; wenn Marius seine persönliche Rachsucht im Blute seiner Feinde gelöscht hatte, so schien Sulla den Terrorismus man möchte sagen abstrakt als zur Einführung der neuen Gewaltherrschaft notwendig zu erachten und die Metzelei fast gleichgültig zu betreiben oder betreiben zu lassen. Aber nur um so entsetzlicher erschien das Schreckensregiment, indem es von der konservativen Seite her und gewissermaßen ohne Leidenschaft auftrat; nur um so unrettbarer schien das Gemeinwesen verloren, indem der Wahnsinn und der Frevel auf beiden Seiten im Gleichgewicht standen.
In der Ordnung der Verhältnisse Italiens und der Hauptstadt hielt Sulla, obwohl er sonst im allgemeinen alle während der Revolution vorgenommenen, nicht bloß die laufenden Geschäfte erledigenden Staatshandlungen als nichtig behandelte, doch fest an dem von ihr aufgestellten Grundsatz, daß jeder Bürger einer italischen Gemeinde damit von selbst auch Bürger von Rom sei; die Unterschiede zwischen Bürgern und italischen Bundesgenossen, zwischen Altbürgern besseren und Neubürgern beschränkteren Rechts waren und blieben beseitigt. Nur den Freigelassenen ward das unbeschränkte Stimmrecht abermals entzogen und für sie das alte Verhältnis wiederhergestellt. Den aristokratischen Ultras mochte dies als eine große Konzession erscheinen; Sulla sah, daß den revolutionären Führern jene mächtigen Hebel notwendig aus der Hand gewunden werden mußten und daß die Herrschaft der Oligarchie durch die Vermehrung der Zahl der Bürger nicht wesentlich gefährdet ward. Aber mit dieser Nachgiebigkeit im Prinzip verband sich das härteste Gericht über die einzelnen Gemeinden in sämtlichen Landschaften Italiens, ausgeführt durch Spezialkommissare und unter Mitwirkung der durch die ganze Halbinsel verteilten Besatzungen. Manche Städte wurden belohnt, wie zum Beispiel die erste Gemeinde, die sich an Sulla angeschlossen hatte, Brundisium, jetzt die für diesen Seehafen so wichtige Zollfreiheit erhielt; mehrere bestraft. Den minder Schuldigen wurden Geldbußen, Niederreißung der Mauern, Schleifung der Burgen diktiert; den hartnäckigsten Gegnern konfiszierte der Regent einen Teil ihrer Feldmark, zum Teil sogar das ganze Gebiet, wie denn dies rechtlich allerdings als verwirkt angesehen werden konnte, mochte man nun sie als Bürgergemeinden behandeln, die die Waffen gegen ihr Vaterland getragen, oder als Bundesstaaten, die dem ewigen Friedensvertrag zuwider mit Rom Krieg geführt hatten. In diesem Falle ward zugleich allen aus dem Besitz gesetzten Bürgern, aber auch nur diesen, ihr Stadt- und zugleich das römische Bürgerrecht aberkannt, wogegen sie das schlechteste latinische empfingen95. Man vermied also an italischen Untertanengemeinden geringeren Rechts der Opposition einen Kern zu gewähren; die heimatlosen Expropriierten mußten bald in der Masse des Proletariats sich verlieren. In Kampanien ward nicht bloß, wie sich von selbst versteht, die demokratische Kolonie Capua aufgehoben und die Domäne an den Staat zurückgegeben, sondern auch, wahrscheinlich um diese Zeit, der Gemeinde Neapolis die Insel Aenaria (Ischia) entzogen. In Latium wurde die gesamte Mark der großen und reichen Stadt Praeneste und vermutlich auch die von Norba eingezogen, ebenso in Umbrien die von Spoletium. Sulmo in der pälignischen Landschaft ward sogar geschleift. Aber vor allem schwer lastete des Regenten eiserner Arm auf den beiden Landschaften, die bis zuletzt und noch nach der Schlacht am Collinischen Tor ernstlichen Widerstand geleistet hatten, auf Etrurien und Samnium. Dort traf die Gesamtkonfiskation eine Reihe der ansehnlichsten Kommunen, zum Beispiel Florentia, Faesulae, Arretium, Volaterrae. Von Samniums Schicksal ward schon gesprochen; hier ward nicht konfisziert, sondern das Land für immer verwüstet, seine blühenden Städte, selbst die ehemalige latinische Kolonie Aesernia, öde gelegt und die Landschaft der bruttischen und lucanischen gleichgestellt.
Diese Anordnungen über das italische Bodeneigentum stellten teils diejenigen römischen Domanialländereien, welche den ehemaligen Bundesgenossengemeinden zur Nutznießung übertragen waren und jetzt mit deren Auflösung an die römische Regierung zurückfielen, teils die eingezogenen Feldmarken der straffälligen Gemeinden zur Verfügung des Regenten; und er benutzte sie, um darauf die Soldaten der siegreichen Armee ansässig zu machen. Die meisten dieser neuen Ansiedlungen kamen nach Etrurien, zum Beispiel nach Faesulae und Arretium, andere nach Latium und Kampanien, wo unter andern Praeneste und Pompeii Sullanische Kolonien wurden. Samnium wiederzubevölkern lag, wie gesagt, nicht in der Absicht des Regenten. Ein großer Teil dieser Assignationen erfolgte in gracchanischer Weise, so daß die Angesiedelten zu einer schon bestehenden Stadtgemeinde hinzutraten. Wie umfassend die Ansiedelung war, zeigt die Zahl der verteilten Landlose, die auf 120000 angegeben wird; wobei dennoch einige Ackerkomplexe anderweitig verwandt wurden, wie zum Beispiel der Dianentempel auf dem Berg Tifata mit Ländereien beschenkt ward, andere, wie die volaterranische Mark und ein Teil der arretinischen, unverteilt blieben, andere endlich nach dem alten, gesetzlich untersagten, aber jetzt wiederauftauchenden Mißbrauch von Sullas Günstlingen nach Okkupationsrecht eingenommen wurden. Die Zwecke, die Sulla bei dieser Kolonisation verfolgte, waren mannigfacher Art. Zunächst löste er damit seinen Soldaten das gegebene Wort. Ferner nahm er damit den Gedanken auf, in dem die Reformpartei und die gemäßigten Konservativen zusammentrafen und demgemäß er selbst schon im Jahre 666 (88) die Gründung einer Anzahl von Kolonien angeordnet hatte: die Zahl der ackerbauenden Kleinbesitzer in Italien durch Zerschlagung größerer Besitzungen von Seiten der Regierung zu vermehren; wie ernstlich ihm hieran gelegen war, zeigt das erneuerte Verbot des Zusammenschlagens der Ackerlose. Endlich und vor allem sah er in diesen angesiedelten Soldaten gleichsam stehende Besatzungen, die mit ihrem Eigentumsrecht zugleich seine neue Verfassung schirmen würden; weshalb auch, wo nicht die ganze Mark eingezogen ward, wie zum Beispiel in Pompeii, die Kolonisten nicht mit der Stadtgemeinde verschmolzen, sondern die Altbürger und die Kolonisten als zwei in demselben Mauerring vereinigte Bürgerschaften konstituiert wurden. Diese Kolonialgründungen ruhten wohl auch wie die älteren auf Volksschluß, aber doch nur mittelbar, insofern sie der Regent auf Grund der desfälligen Klausel des Valerischen Gesetzes konstituierte; der Sache nach gingen sie hervor aus der Machtvollkommenheit des Herrschers und erinnerten insofern an das freie Schalten der ehemaligen königlichen Gewalt über das Staatsgut. Insofern aber, als der Gegensatz des Soldaten und des Bürgers, der sonst eben durch die Deduktion der Soldaten aufgehoben ward, bei den Sullanischen Kolonien noch nach ihrer Ausführung lebendig bleiben sollte und blieb, und als diese Kolonisten gleichsam das stehende Heer des Senats bildeten, werden sie nicht unrichtig im Gegensatz gegen die älteren als Militärkolonien bezeichnet.
Dieser faktischen Konstituierung einer stehenden Armee des Senats verwandt ist die Maßregel des Regenten, aus den Sklaven der Geächteten über 10000 der jüngsten und kräftigsten Männer auszuwählen und insgesamt freizusprechen. Diese neuen Cornelier, deren bürgerliche Existenz an die Rechtsbeständigkeit der Institutionen ihres Patrons geknüpft war, sollten eine Art von Leibwache für die Oligarchie sein und ihr den städtischen Pöbel beherrschen helfen, auf den nun einmal in der Hauptstadt in Ermangelung einer Besatzung alles ankam.
Diese außerordentlichen Stützen, auf die zunächst der Regent die Oligarchie lehnte, schwach und ephemer wie sie wohl auch ihrem Urheber erscheinen mochten, waren doch die einzig möglichen, wenn man nicht zu Mitteln greifen wollte, wie die förmliche Aufstellung eines stehendes Heeres in Rom und dergleichen Maßregeln mehr, die der Oligarchie noch weit eher ein Ende gemacht haben würden als ,die demagogischen Angriffe. Das dauernde Fundament der ordentlichen Regierungsgewalt der Oligarchie mußte natürlich der Senat sein mit einer so gesteigerten und so konzentrierten Gewalt, daß er an jedem einzelnen Angriffspunkt den nichtorganisierten Gegnern überlegen gegenüberstand. Das vierzig Jahre hindurch befolgte System der Transaktionen war zu Ende. Die Gracchische Verfassung, noch geschont in der ersten Sullanischen Reform von 666, ward jetzt von Grund aus beseitigt. Seit Gaius Gracchus hatte die Regierung dem hauptstädtischen Proletariat gleichsam das Recht der Erneute zugestanden und es abgekauft durch regelmäßige Getreideverteilungen an die in der Hauptstadt domizilierten Bürger; Sulla schaffte dieselben ab. Durch die Verpachtung der Zehnten und Zölle der Provinz Asia in Rom hatte Gaius Gracchus den Kapitalistenstand organisiert und fundiert; Sulla hob das System der Mittelsmänner auf und verwandelte die bisherigen Leistungen der Asiaten in feste Abgaben, welche nach den zum Zweck der Nachzahlung der Rückstände entworfenen Schätzungslisten auf die einzelnen Bezirke umgelegt wurden96. Gaius Gracchus hatte durch Übergabe der Geschworenenposten an die Männer vom Ritterzensus dem Kapitalistenstand eine indirekte Mitverwaltung und Mitregierung erwirkt, die nicht selten sich stärker als die offizielle Verwaltung und Regierung erwies; Sulla schaffte die Rittergerichte ab und stellte die senatorischen wieder her. Gaius Gracchus oder doch die gracchische Zeit hatte den Rittern einen Sonderstand bei den Volksfesten eingeräumt, wie ihn schon seit längerer Zeit die Senatoren besaßen; Sulla hob ihn auf und wies die Ritter zurück auf die Plebejerbänke97. Der Ritterstand, als solcher durch Gaius Gracchus geschaffen, verlor seine politische Existenz durch Sulla. Unbedingt, ungeteilt und auf die Dauer sollte der Senat die höchste Macht in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichten überkommen und auch äußerlich nicht bloß als privilegierter, sondern als einzig privilegierter Stand auftreten.
Vor allem mußte zu diesem Ende die Regierungsbehörde ergänzt und selber unabhängig gestellt werden. Durch die letzten Krisen war die Zahl der Senatoren furchtbar zusammengeschwunden. Zwar stellte Sulla den durch die Rittergerichte Verbannten jetzt die Rückkehr frei, wie dem Konsular Publius Rutilius Rufus, der übrigens von der Erlaubnis keinen Gebrauch machte, und dem Freunde des Drusus, Gaius Cotta; allein es war dies ein geringer Ersatz für die Lücken, die der revolutionäre wie der reaktionäre Terrorismus in die Reihen des Senats gerissen hatte. Deshalb wurde nach Sullas Anordnung der Senat außerordentlicherweise ergänzt durch etwa 300 neue Senatoren, welche die Distriktversammlung aus den Männern vom Ritterzensus zu ernennen hatte und die sie, wie begreiflich, vorzugsweise teils aus den jüngeren Männern der senatorischen Häuser, teils aus Sullanischen Offizieren und anderen, durch die letzte Umwälzung Emporgekommenen auslas. Aber auch für die Zukunft ward die Aufnahme in den Senat neu geordnet und auf wesentlich andere Grundlagen gestellt. Nach der bisherigen Verfassung trat man in den Senat ein entweder durch zensorische Berufung, was der eigentliche und ordentliche Weg war, oder durch die Bekleidung eines der drei kurulischen Ämter: des Konsulats, der Prätur oder der Ädilität, an welche seit dem Ovinischen Gesetz von Rechts wegen Sitz und Stimme im Senat geknüpft war; die Bekleidung eines niederen Amtes, des Tribunats oder der Quästur, gab wohl einen faktischen Anspruch auf einen Platz im Senat, insofern die zensorische Auswahl vorzugsweise auf diese Männer sich lenkte, aber keineswegs eine rechtliche Anwartschaft. Von diesen beiden Eintrittswegen hob Sulla den ersteren auf durch die wenigstens tatsächliche Beseitigung der Zensur und änderte den zweiten dahin ab, daß der gesetzliche Eintritt in den Senat statt an die Ädilität an die Quästur geknüpft und zugleich die Zahl der jährlich zu ernennenden Quästoren auf zwanzig98 erhöht ward. Die bisher den Zensoren rechtlich zustehende, obwohl tatsächlich längst nicht mehr in ihrem ursprünglichen ernstlichen Sinn geübte Befugnis, bei den von fünf zu fünf Jahren stattfindenden Revisionen jeden Senator unter Angabe von Gründen von der Liste zu streichen, fiel für die Zukunft ebenfalls fort; die bisherige faktische Unabsetzbarkeit der Senatoren ward also von Sulla schließlich festgestellt. Die Gesamtzahl der Senatoren, die bis dahin vermutlich die alte Normalzahl von 300 nicht viel überstiegen und oft wohl nicht einmal erreicht hatte, ward dadurch beträchtlich, vielleicht durchschnittlich um das Doppelte erhöht,99 was auch schon die durch die Übertragung der Geschworenenfunktionen stark vermehrten Geschäfte des Senats notwendig machten. Indem ferner sowohl die außerordentlich eintretenden Senatoren als die Quästoren ernannt wurden von den Tributkomitien, wurde der bisher mittelbar auf den Wahlen des Volkes ruhende Senat jetzt durchaus auf direkte Volkswahl gegründet, derselbe also einem repräsentativen Regiment so weit genähert, als dies mit dem Wesen der Oligarchie und den Begriffen des Altertums überhaupt sich vertrug. Aus einem nur zum Beraten der Beamten bestimmten Kollegium war im Laufe der Zeit der Senat eine den Beamten befehlende und selbstregierende Behörde geworden; es war hiervon nur eine konsequente Weiterentwicklung, wenn das den Beamten ursprünglich zustehende Recht, die Senatoren zu ernennen und zu kassieren, denselben entzogen und der Senat auf dieselbe rechtliche Grundlage gestellt wurde, auf welcher die Beamtengewalt selber ruhte. Die exorbitante Befugnis der Zensoren, die Ratliste zu revidieren und nach Gutdünken Namen zu streichen oder zuzusetzen, vertrug in der Tat sich nicht mit einer geordneten oligarchischen Verfassung. Indem jetzt durch die Quästorenwahl für eine genügende regelmäßige Ergänzung gesorgt ward, wurden die zensorischen Revisionen überflüssig und durch deren Wegfall das wesentliche Grundprinzip jeder Oligarchie, die Inamovibilität und Lebenslänglichkeit der zu Sitz und Stimme gelangten Glieder des Herrenstandes, endgültig konsolidiert.
Hinsichtlich der Gesetzgebung begnügte sich Sulla, die im Jahre 666 (88) getroffenen Bestimmungen wiederaufzunehmen und die legislatorische Initiative, wie sie längst tatsächlich dem Senat zustand, wenigstens den Tribunen gegenüber auch gesetzlich ihm zu sichern. Die Bürgerschaft blieb der formelle Souverän; allein was ihre Urversammlungen anlangt, so schien es dem Regenten notwendig, die Form zwar sorgfältig zu konservieren, aber jede wirkliche Tätigkeit derselben noch sorgfältiger zu verhüten. Sogar mit dem Bürgerrecht selbst ging Sulla in der geringschätzigsten Weise um; er machte keine Schwierigkeit, weder den Neubürgergemeinden es zuzugestehen noch Spanier und Kelten in Masse damit zu beschenken; ja es geschah, wahrscheinlich nicht ohne Absicht, schlechterdings gar nichts für die Feststellung der Bürgerliste, die doch nach so gewaltigen Umwälzungen einer Revision dringend bedurfte, wenn es überhaupt der Regierung noch mit den hieran sich knüpfenden Rechtsbefugnissen Ernst war. Geradezu beschränkt wurde die legislatorische Kompetenz der Komitien übrigens nicht; es war auch nicht nötig, da ja infolge der besser gesicherten Initiative des Senats das Volk ohnehin nicht leicht wider den Willen der Regierung in die Verwaltung, das Finanzwesen und die Kriminaljurisdiktion eingreifen konnte und seine legislative Mitwirkung wesentlich wieder zurückgeführt ward auf das Recht, zu Änderungen der Verfassung ja zu sagen.
Wichtiger war die Beteiligung der Bürgerschaft bei den Wahlen, deren man nun einmal nicht entbehren zu können schien, ohne mehr aufzurütteln, als Sullas obenhin sich haltende Restauration aufrütteln konnte und wollte. Die Eingriffe der Bewegungspartei in die Priesterwahlen wurden beseitigt; nicht bloß das Domitische Gesetz von 650 (104), das die Wahlen zu den höchsten Priesterämtern überhaupt dem Volke übertrug, sondern auch die älteren gleichartigen Verfügungen hinsichtlich des Oberpontifex und des Obercurio wurden von Sulla kassiert und den Priesterkollegien das Recht der Selbstergänzung in seiner ursprünglichen Unbeschränktheit zurückgegeben. Hinsichtlich der Wahlen zu den Staatsämtern aber blieb es im ganzen bei der bisherigen Weise; außer insofern die sogleich zu erwähnende neue Regulierung des militärischen Kommandos allerdings folgeweise eine wesentliche Beschränkung der Bürgerschaft in sich schloß, ja gewissermaßen das Vergebungsrecht der Feldherrnstellen von der Bürgerschaft auf den Senat übertrug. Es scheint nicht einmal, daß Sulla die früher versuchte Restauration der Servianischen Stimmordnung jetzt wiederaufnahm, sei es nun, daß er es überhaupt als gleichgültig betrachtete, ob die Stimmabteilungen so oder so zusammengesetzt seien, sei es, daß diese ältere Ordnung ihm den gefährlichen Einfluß der Kapitalisten zu steigern schien. Nur die Qualifikationen wurden wiederhergestellt und teilweise gesteigert. Die zur Bekleidung eines jeden Amtes erforderliche Altersgrenze ward aufs neue eingeschärft; ebenso die Bestimmung, daß jeder Bewerber um das Konsulat vorher die Prätur, jeder Bewerber um die Prätur vorher die Quästur bekleidet haben müsse, wogegen es gestattet war, die Ädilität zu übergehen. Mit besonderer Strenge wurde, in Hinblick auf die jüngst mehrfach vorgenommenen Versuche, in der Form des durch mehrere Jahre hindurch fortgesetzten Konsulats die Tyrannis zu begründen, gegen diesen Mißbrauch eingeschritten und verfügt, daß zwischen der Bekleidung zweier ungleicher Ämter mindestens zwei, zwischen der zweimaligen Bekleidung desselben Amtes mindestens zehn Jahre verfließen sollten; mit welcher letzteren Bestimmung, anstatt der in der jüngsten ultraoligarchischen Epoche beliebten absoluten Untersagung jeder Wiederwahl zum Konsulat, wieder die ältere Ordnung vom Jahre 412 (342) aufgenommen ward. Im ganzen aber ließ Sulla den Wahlen ihren Lauf und suchte nur die Beamtengewalt in der Art zu fesseln, daß, wen auch immer die unberechenbare Laune der Komitien zum Amte berief, der Gewählte außerstande sein würde, gegen die Oligarchie sich aufzulehnen.
Die höchsten Beamten des Staats waren in dieser Zeit tatsächlich die drei Kollegien der Volkstribune, der Konsuln und Prätoren und der Zensoren. Sie alle gingen aus der Sullanischen Restauration mit wesentlich geschmälerten Rechten hervor; vor allem das tribunizische Amt, das dem Regenten erschien als ein zwar auch für das Senatsregiment unentbehrliches, aber dennoch, als von der Revolution erzeugt und stets geneigt, wieder Revolutionen aus sich zu erzeugen, strenger und dauernder Fesselung bedürftiges Werkzeug. Von dem Rechte, die Amtshandlungen der Magistrate durch Einschreiten zu kassieren, den Kontravenienten eventuell zu brächen und dessen weitere Bestrafung zu veranlassen, war die tribunizische Gewalt ausgegangen; dies blieb den Tribunen auch jetzt, nur daß auf den Mißbrauch des Interzessionsrechts eine schwere, die bürgerliche Existenz regelmäßig vernichtende Geldstrafe gesetzt ward. Die weitere Befugnis des Tribuns, mit dem Volke nach Gutdünken zu verhandeln, teils um Anklagen einzubringen, insbesondere gewesene Beamte vor dem Volk zur Rechenschaft zu ziehen, teils um Gesetze zur Abstimmung vorzulegen, war der Hebel gewesen, durch den die Gracchen, Saturninus, Sulpicius den Staat umgewälzt hatten; sie ward nicht aufgehoben, aber wohl von einer vorgängig bei dem Senat nachzusuchenden Erlaubnis abhängig gemacht100. Endlich wurde hinzugefügt, daß die Bekleidung des Tribunats in Zukunft zur Übernahme eines höheren Amtes unfähig machen solle – eine Bestimmung, die wie so manches andere in Sullas Restauration wieder auf die altpatrizischen Satzungen zurückkam und, ganz wie in den Zeiten vor der Zulassung der Plebejer zu den bürgerlichen Ämtern, das Tribunat einer- und die kurulischen Ämter andererseits miteinander unvereinbar erklärte. Auf diese Weise hoffte der Gesetzgeber der Oligarchie, der tribunizischen Demagogie zu wehren und alle ehrgeizigen und aufstrebenden Männer von dem Tribunat fernzuhalten, dagegen dasselbe festzuhalten als Werkzeug des Senats, sowohl zur Vermittlung zwischen diesem und der Bürgerschaft, als auch vorkommendenfalls zur Niederhaltung der Magistratur; und wie die Herrschaft des Königs und später der republikanischen Beamten über die Bürgerschaft kaum irgendwo so klar zu Tage tritt wie in dem Satze, daß ausschließlich sie das Recht haben, öffentlich zum Volke zu reden, so zeigt sich die jetzt zuerst rechtlich festgestellte Oberherrlichkeit des Senats am bestimmtesten in dieser von dem Vormann des Volkes für jede Verhandlung mit demselben vom Senat zu erbittenden Erlaubnis.
Auch Konsulat und Prätur, obwohl sie von dem aristokratischen Regenerator Roms mit günstigeren Augen betrachtet wurden als das an sich verdächtige Tribunat, entgingen doch keineswegs dem Mißtrauen gegen das eigene Werkzeug, welches durchaus die Oligarchie bezeichnet. Sie wurden in schonenderen Formen, aber in sehr fühlbarer Weise beschränkt. Sulla knüpfte hier an die Geschäftsteilung an. Zu Anfang dieser Periode bestand dafür die folgende Ordnung. Den beiden Konsuln lag immer noch, wie ehemals der Inbegriff der Geschäfte des höchsten Amtes überhaupt, so jetzt derjenige Inbegriff der höchsten Amtsgeschäfte ob, für welchen nicht gesetzlich besondere Kompetenzen festgestellt waren. Dies letztere war der Fall mit dem hauptstädtischen Gerichtswesen, womit die Konsuln sich nach einer unverbrüchlich festgehaltenen Regel nicht befassen durften, und mit den damals bestehenden überseeischen Ämtern: Sizilien, Sardinien und den beiden Spanien, in denen der Konsul das Kommando zwar führen konnte, aber nur ausnahmsweise führte. Im ordentlichen Lauf der Dinge wurden demnach sechs Spezialkompetenzen, die beiden hauptstädtischen Gerichtsvorstandschaften und die vier überseeischen Ämter unter die sechs Prätoren vergeben, woneben den beiden Konsuln kraft ihrer Generalkompetenz die Leitung der hauptstädtischen nichtgerichtlichen Geschäfte und das militärische Kommando in den festländischen Besitzungen oblag. Da diese Generalkompetenz also doppelt besetzt war, blieb der Sache nach der eine Konsul zur Verfügung der Regierung, und für gewöhnliche Zeiten kam man demnach mit jenen acht höchsten Jahresbeamten vollständig, ja reichlich aus. Für außerordentliche Fälle blieb es ferner vorbehalten, teils die nicht militärischen Kompetenzen zu kumulieren, teils die militärischen über die Endfrist hinaus fortdauern zu lassen (prorogare). Es war nicht ungewöhnlich, die beiden Gerichtsvorstandschaften demselben Prätor zu übertragen und die regelmäßig von den Konsuln zu beschaffenden hauptstädtischen Geschäfte durch den Stadtprätor versehen zu lassen; wogegen es verständigerweise möglichst vermieden ward, mehrere Kommandos in derselben Hand zu vereinigen. Hier half vielmehr die Regel aus, daß im militärischen Imperium es kein Interregnum gab, also dasselbe, obwohl gesetzlich befristet, doch nach Eintritt des Endtermines von Rechts wegen noch so lange fortdauerte, bis der Nachfolger erschien und dem Vorgänger das Kommando abnahm, oder, was dasselbe ist, daß der kommandierende Konsul oder Prätor nach Ablauf seiner Amtszeit, wenn der Nachfolger nicht erschien, an Konsuls oder Prätors Statt weiter fungieren konnte und mußte. Der Einfluß des Senats auf diese Geschäftsverteilung bestand darin, daß es observanzmäßig von ihm abhing, entweder die Regel walten, also die sechs Prätoren die sechs Spezialkompetenzen unter sich verlosen und die Konsuln die festländischen, nichtgerichtlichen Geschäfte besorgen zu lassen, oder irgendeine Abweichung von derselben anzuordnen, etwa dem Konsul ein augenblicklich besonders wichtiges überseeisches Kommando zuzuweisen oder eine außerordentliche militärische und gerichtliche Kommission, zum Beispiel das Flottenkommando oder eine wichtige Kriminaluntersuchung, unter die zur Verteilung kommenden Kompetenzen aufzunehmen und die dadurch weiter nötig werdenden Kumulationen und Fristerstreckungen zu veranlassen – wobei übrigens lediglich die Absteckung der jedesmaligen konsularischen und respektiv prätorischen Kompetenzen, nicht die Bezeichnung der für das einzelne Amt eintretenden Personen dem Senate zustand, die letztere vielmehr durchgängig durch Vereinbarung der konkurrierenden Beamten oder durch das Los erfolgte. Die Bürgerschaft war in der älteren Zeit wohl veranlaßt worden, die in dem Unterlassen der Ablösung enthaltene tatsächliche Verlängerung des Kommandos durch besonderen Gemeindebeschluß zu regularisieren; indes war dies mehr dem Geiste, als dem Buchstaben der Verfassung nach notwendig und bald griff die Bürgerschaft hierbei nicht weiter ein. Im Laufe des siebenten Jahrhunderts traten nun allmählich zu den bestehenden sechs Spezialkompetenzen sechs andere hinzu; die fünf neuen Statthalterschaften von Makedonien, Africa, Asia, Narbo und Kilikien und die Vorstandschaft in dem stehenden Kommissionsgericht wegen Erpressungen. Mit dem immer mehr sich ausdehnenden Wirkungskreise der römischen Regierung trat überdies immer häufiger der Fall ein, daß die Oberbeamten für außerordentliche militärische oder prozessualische Kommissionen in Anspruch genommen wurden. Dennoch wurde die Zahl der ordentlichen höchsten Jahrbeamten nicht vermehrt; und es kamen also auf acht jährlich zu ernennende Beamte, von allem andern abgesehen, mindestens zwölf jährlich zu besetzende Spezialkompetenzen. Natürlich war es nicht Zufall, daß man dies Defizit nicht durch Kreierung neuer Prätorenstellen ein für allemal deckte. Dem Buchstaben der Verfassung gemäß sollten die sämtlichen höchsten Beamten Jahr für Jahr von der Bürgerschaft ernannt werden; nach der neuen Ordnung oder vielmehr Unordnung, derzufolge die entstehenden Lücken wesentlich durch Fristerstreckung ausgefüllt wurden und den gesetzlich ein Jahr fungierenden Beamten in der Regel vom Senat ein zweites Jahr zugelegt, nach Befinden dasselbe aber auch verweigert ward, besetzte die wichtigsten und lukrativsten Stellen im Staate nicht mehr die Bürgerschaft, sondern aus einer durch die Bürgerschaftswahlen gebildeten Konkurrentenliste der Senat. Üblich ward es dabei, da unter diesen Stellen die überseeischen Kommandos als die einträglichsten vor allem gesucht waren, denjenigen Beamten, die ihr Amt entweder rechtlich oder doch tatsächlich an die Hauptstadt fesselte, also den beiden Vorstehern der städtischen Gerichtsbarkeit und häufig auch den Konsuln, nach Ablauf ihres Amtsjahrs ein überseeisches Kommando zu übertragen, was mit dem Wesen der Prorogation sich vertrug, da die Amtsgewalt des in Rom und des in der Provinz fungierenden Oberbeamten wohl anders bezogen, aber nicht eigentlich staatsrechtlich eine qualitativ andere war.
Diese Verhältnisse fand Sulla vor und sie lagen seiner neuen Ordnung zu Grunde. Der Grundgedanke derselben war die vollständige Scheidung der politischen Gewalt, welche in den Bürger-, und der militärischen, welche in den Nichtbürgerdistrikten regierte, und die durchgängige Erstreckung der Dauer des höchsten Amtes von einem Jahr auf zwei, von denen das erstere den bürgerlichen, das zweite den militärischen Geschäften gewidmet ward. Räumlich waren die bürgerliche und die militärische Gewalt allerdings längst schon durch die Verfassung geschieden, und endete jene an dem Pomerium, wo diese begann; allein immer noch hielt derselbe Mann die höchste politische und die höchste militärische Macht in seiner Hand vereinigt. Künftig sollte der Konsul und Prätor mit Rat und Bürgerschaft verhandeln, der Prokonsul und Proprätor die Armee kommandieren, jenem aber jede militärische, diesem jede politische Tätigkeit gesetzlich abgeschnitten sein. Dies führte zunächst zu der politischen Trennung der norditalischen Landschaft von dem eigentlichen Italien. Bisher hatten dieselben wohl in einem nationalen Gegensatz gestanden, insofern Norditalien vorwiegend von Ligurern und Kelten, Mittel- und Süditalien von Italikern bewohnt ward; allein politisch und administrativ stand das gesamte festländische Gebiet des römischen Staates von der Meerenge bis an die Alpen mit Einschluß der illyrischen Besitzungen, Bürger-, latinische und Nichtitalikergemeinden ohne Unterschied, im ordentlichen Laufe der Dinge unter der Verwaltung der in Rom eben fungierenden höchsten Beamten, wie denn ja auch die Kolonialgründungen sich durch dies ganze Gebiet erstreckten. Nach Sullas Ordnung wurde das eigentliche Italien, dessen Nordgrenze zugleich statt des Aesis der Rubico ward, als ein jetzt ohne Ausnahme von römischen Bürgern bewohntes Gebiet, den ordentlichen römischen Obrigkeiten untergeben und daß in diesem Sprengel regelmäßig keine Truppen und kein Kommandant standen, einer der Fundamentalsätze des römischen Staatsrechts; das Keltenland diesseits der Alpen dagegen, in dem schon der beständig fortwährenden Einfälle der Alpenvölker wegen ein Kommando nicht entbehrt werden konnte, wurde nach dem Muster der älteren überseeischen Kommandos als eigene Statthalterschaft konstituiert101
Zunächst ward hiermit an die Stelle der bisherigen unordentlichen und zu allen möglichen schlechten Manövern und Intrigen einladenden Ämterverteilung eine klare und feste Regel gesetzt, dann aber auch den Ausschreitungen der Beamtengewalt nach Möglichkeit vorgebeugt und der Einfluß der obersten Regierungsbehörde wesentlich gesteigert. Nach der bisherigen Ordnung ward in dem Reiche rechtlich nur unterschieden die Stadt, welche der Mauerring umschloß, und die Landschaft außerhalb des Pomerium; die neue Ordnung setzte an die Stelle der Stadt das neue, fortan als ewig befriedet dem regelmäßigen Kommando entzogene Italien103 und ihm gegenüber das festländische und überseeische Gebiet, das umgekehrt notwendig unter Militärkommandanten steht, die von jetzt an sogenannten Provinzen. Nach der bisherigen Ordnung war derselbe Mann sehr häufig zwei, oft auch mehr Jahre in demselben Amte verblieben; die neue Ordnung beschränkte die hauptstädtischen Ämter wie die Statthalterposten durchaus auf ein Jahr, und die spezielle Verfügung, daß jeder Statthalter binnen dreißig Tagen, nachdem der Nachfolger in seinem Sprengel eingetroffen sei, denselben unfehlbar zu verlassen habe, zeigt sehr klar, namentlich wenn man damit noch das früher erwähnte Verbot der unmittelbaren Wiederwahl des gewesenen Beamten zu demselben oder einem anderen Volksamt zusammennimmt, was die Tendenz dieser Einrichtungen war: es war die alterprobte Maxime, durch die einst der Senat das Königtum sich dienstbar gemacht hatte, daß die Beschränkung der Magistratur der Kompetenz nach der Demokratie, die der Zeit nach der Oligarchie zugute komme. Nach der bisherigen Ordnung hatte Gaius Marius zugleich als Haupt des Senats und als Oberfeldherr des Staates amtiert; wenn er es nur seiner eigenen Ungeschicklichkeit zuzuschreiben hatte, daß es ihm mißlang, mittels dieser doppelten Amtsgewalt die Oligarchie zu stürzen, so schien nun dafür gesorgt, daß nicht etwa ein klügerer Nachfolger denselben Hebel besser gebrauche. Nach der bisherigen Ordnung hatte auch der vom Volke unmittelbar ernannte Beamte eine militärische Stellung haben können; die sullanische dagegen behielt diese ausschließlich denjenigen Beamten vor, die der Senat durch Erstreckung der Amtsfrist in ihrer Amtsgewalt bestätigte. Zwar war diese Amtsverlängerung jetzt stehend geworden; dennoch wurde sie den Auspizien und dem Namen, überhaupt der staatsrechtlichen Formulierung nach auch ferner als außerordentliche Fristerstreckung behandelt. Es war dies nicht gleichgültig. Den Konsul oder den Prätor konnte nur die Bürgerschaft seines Amtes entsetzen; den Prokonsul und den Proprätor ernannte und entließ der Senat, so daß durch diese Verfügung die gesamte Militärgewalt, auf die denn doch zuletzt alles ankam, formell wenigstens vom Senat abhängig wurde.
Daß endlich das höchste aller Ämter, die Zensur, nicht förmlich aufgehoben, aber in derselben Art beseitigt ward wie ehemals die Diktatur, ward schon bemerkt. Praktisch konnte man derselben allenfalls entraten. Für die Ergänzung des Senats war anderweitig gesorgt. Seit Italien tatsächlich steuerfrei war und das Heer wesentlich durch Werbung gebildet ward, hatte das Verzeichnis der Steuer- und Dienstpflichtigen in der Hauptsache seine Bedeutung verloren; und wenn in der Ritterliste und dem Verzeichnis der Stimmberechtigten Unordnung einriß, so mochte man dies nicht gerade ungern sehen. Es blieben also nur die laufenden Finanzgeschäfte, welche die Konsuln schon bisher verwaltet hatten, wenn, wie dies häufig vorkam, die Zensorenwahl unterblieben war, und nun als einen Teil ihrer ordentlichen Amtstätigkeit übernahmen. Gegen den wesentlichen Gewinn, daß der Magistratur in den Zensoren ihre höchste Spitze entzogen ward, kam nicht in Betracht und tat der Alleinherrschaft des höchsten Regierungskollegiums durchaus keinen Eintrag, daß, um die Ambition der jetzt so viel zahlreicheren Senatoren zu befriedigen, die Zahl der Pontifices und die der Augurn von neun, die der Orakelbewahrer von zehn auf je fünfzehn, die der Schmausherren von drei auf sieben vermehrt ward.
In dem Finanzwesen stand schon nach der bisherigen Verfassung die entscheidende Stimme bei dem Senat; es handelte sich demnach hier um die Wiederherstellung einer geordneten Verwaltung. Sulla hatte anfänglich sich in nicht geringer Geldnot befunden; die aus Kleinasien mitgebrachten Summen waren für den Sold des zahlreichen und stets anschwellenden Heeres bald verausgabt. Noch nach dem Siege am Collinischen Tor hatte der Senat, da die Staatskasse nach Praeneste entführt worden war, sich zu Notschritten entschließen müssen. Verschiedene Bauplätze in der Hauptstadt und einzelne Stücke der kampanischen Domäne wurden feilgeboten, die Klientelkönige, die befreiten und bundesgenössischen Gemeinden außerordentlicherweise in Kontribution gesetzt, zum Teil ihnen ihr Grundbesitz und ihre Zölle eingezogen, anderswo denselben für Geld neue Privilegien zugestanden. Indes der bei der Übergabe von Praeneste vorgefundene Rest der Staatskasse von beiläufig 4 Mill. Talern, die bald beginnenden Versteigerungen und andere außerordentliche Hilfsquellen halfen der augenblicklichen Verlegenheit ab. Für die Zukunft aber ward gesorgt weniger durch die asiatische Abgabenreform, bei der vorzugsweise die Steuerpflichtigen gewannen und die Staatskasse wohl nur nicht verlor, als durch die Wiedereinziehung der kampanischen Domäne, wozu jetzt noch Aenaria gefügt ward, und vor allem durch die Abschaffung der Kornverteilungen, die seit Gaius Gracchus wie ein Krebs an den römischen Finanzen gezehrt hatten.
Dagegen ward das Gerichtswesen wesentlich umgestaltet, teils aus politischen Rücksichten, teils um in die bisherige sehr unzulängliche und unzusammenhängende Prozeßlegislation größere Einheit und Brauchbarkeit zu bringen. Nach der bisherigen Ordnung gingen die Prozesse zur Entscheidung teils an die Bürgerschaft, teils an Geschworene. Die Gerichte, in denen die ganze Bürgerschaft auf Provokation von dem Urteil des Magistrats hin entschied, lagen bis auf Sulla in den Händen in erster Reihe der Volkstribune, in zweiter der Ädilen, indem sämtliche Prozesse, durch die ein Beamter oder Beauftragter der Gemeinde wegen seiner Geschäftsführung zur Verantwortung gezogen ward, mochten sie auf Leib und Leben oder auf Geldbußen gehen, von den Volkstribunen, alle übrigen Prozesse, in denen schließlich das Volk entschied, von den kurulischen oder plebejischen Ädilen in erster Instanz abgeurteilt, in zweiter geleitet wurden. Sulla hat den tribunizischen Rechenschaftsprozeß wenn nicht geradezu abgeschafft, so doch, ebenwie die legislatorische Initiative der Tribune, von der vorgängigen Einwilligung des Senats abhängig gemacht und vermutlich auch den ädilizischen Strafprozeß in ähnlicher Weise beschränkt. Dagegen erweiterte er die Kompetenz der Geschworenengerichte. Es gab damals ein doppeltes Verfahren vor Geschworenen. Das ordentliche, welches anwendbar war in allen nach unserer Auffassung zu einem Kriminal- oder Zivilprozeß sich eignenden Fällen, mit Ausnahme der unmittelbar gegen den Staat gerichteten Verbrechen, bestand darin, daß der eine der beiden hauptstädtischen Gerichtsherren die Sache instruierte und ein von ihm ernannter Geschworener auf Grund dieser Instruktion entschied. Der außerordentliche Geschworenenprozeß trat ein in einzelnen wichtigen Zivil- oder Kriminalfällen, wegen welcher durch besondere Gesetze anstatt des Einzelgeschworenen ein eigener Geschworenenhof bestellt worden war. Dieser Art waren teils die für einzelne Fälle konstituierten Spezialgerichtsstellen; teils die stehenden Kommissionalgerichtshöfe, wie sie für Erpressungen, für Giftmischerei und Mord, vielleicht auch für Wahlbestechung und andere Verbrechen im Laufe des siebenten Jahrhunderts niedergesetzt worden waren; teils endlich die beiden Höfe der Zehnmänner für den Freiheits- und der Hundertundfünf- oder kürzer der Hundertmänner für den Erbschaftsprozeß, auch von dem bei allem Eigentumsstreit gebrauchten Lanzenschaft das Schaftgericht (hasta) genannt. Der Zehnmännerhof (decemviri litibus iudicandis) war eine uralte Institution zum Schutze der Plebejer gegen ihre Herren. Zeit und Veranlassung der Entstehung des Schaftgerichts liegen im Dunkeln, werden aber vermutlich ungefähr dieselben sein wie bei den oben erwähnten wesentlich gleichartigen Kriminalkommissionen. Über die Leitung dieser verschiedenen Gerichtshöfe war in den einzelnen Gerichtsordnungen verschieden bestimmt; so standen dem Erpressungsgericht ein Prätor, dem Mordgericht ein aus den gewesenen Ädilen besonders ernannter Vorstand, dem Schaftgericht mehrere aus den gewesenen Quästoren genommene Direktoren vor. Die Geschworenen wurden wenigstens für das ordentliche wie für das außerordentliche Verfahren in Gemäßheit der Gracchischen Ordnung aus den nichtsenatorischen Männern von Ritterzensus genommen; die Auswahl stand im allgemeinen den Magistraten zu, die die Gerichtsleitung hatten, jedoch in der Weise, daß sie mit dem Antritt ihres Amts die Geschworenenliste ein für allemal aufzustellen hatten und dann das einzelne Geschworenenkollegium aus diesen nicht durch freie Auswahl des Magistrats, sondern durch Losung und durch Rejektion der Parteien gebildet ward. Aus der Volkswahl gingen nur die Zehnmänner für den Freiheitsprozeß hervor.
Sullas Reformen waren hauptsächlich dreifacher Art. Einmal vermehrte er die Zahl der Geschworenenhöfe sehr beträchtlich. Es gab späterhin besondere Geschworenenkommissionen für Erpressung; für Mord mit Einschluß von Brandstiftung und falschem Zeugnis; für Wahlbestechung; ferner für Hochverrat und jede Entehrung des römischen Namens; für die schwersten Betrugsfälle: Testaments- und Münzfälschung; für Ehebruch; für die schwersten Ehrverletzungen, namentlich Realinjurien und Störung des Hausfriedens; vielleicht auch für Unterschlagung öffentlicher Gelder, für Zinswucher und andere Vergehen; und wenigstens die meisten dieser Höfe sind von Sulla entweder vorgefunden oder ins Leben gerufen und von ihm mit einer besonderen Kriminal- und Kriminalprozeßordnung versehen worden. Übrigens blieb es der Regierung unbenommen, vorkommendenfalls für einzelne Gruppen von Verbrechen Spezialhöfe zu bestellen. Folgeweise wurden hierdurch die Volksgerichte im wesentlichen abgeschafft, namentlich die Hochverratsprozesse an die neue Hochverratskommission gewiesen, der ordentliche Geschworenenprozeß bedeutend beschränkt, indem ihm die schwereren Fälschungen und Injurien entzogen wurden. Was zweitens die Oberleitung der Gerichte anlangt, so standen, wie schon erwähnt ward, jetzt für die Leitung der verschiedenen Geschworenenhöfe sechs Prätoren zur Disposition, denen noch für die am meisten in Anspruch genommene Kommission für Mordtaten eine Anzahl anderer Dirigenten zugegeben wurden. In die Geschworenenstellen traten drittens statt der gracchischen Ritter wieder die Senatoren ein.
Der politische Zweck dieser Verfügungen, der bisherigen Mitregierung der Ritter ein Ende zu machen, liegt klar zu Tage; aber ebensowenig läßt es sich verkennen, daß dieselben nicht bloß politische Tendenzmaßregeln waren, sondern hier der erste Versuch gemacht wurde, dem seit den ständischen Kämpfen immer mehr verwilderten römischen Kriminalprozeß und Kriminalrecht wiederaufzuhelfen. Von dieser Sullanischen Gesetzgebung datiert sich die dem älteren Recht unbekannte Scheidung von Kriminal- und Zivilsachen in dem Sinn, den wir noch heute damit verbinden: als Kriminalsache erscheint seitdem, was vor die von dem Prätor geleitete Geschworenenbank gehört, als Zivilsache dasjenige Verfahren, wo der oder die Geschworenen nicht unter prätorischem Vorsitz funktionieren. Die Gesamtheit der Sullanischen Quästionenordnungen läßt sich zugleich als das erste römische Gesetzbuch nach den Zwölf Tafeln und als das erste überhaupt je besonders erlassene Kriminalgesetzbuch bezeichnen. Aber auch im einzelnen zeigt sich ein löblicher und liberaler Geist. So seltsam es von dem Urheber der Proskriptionen klingen mag, so bleibt es darum nichtsdestoweniger wahr, daß er die Todesstrafe für politische Vergehen abgeschafft hat; denn da nach römischer, auch von Sulla unverändert festgehaltener Sitte nur das Volk, nicht die Geschworenenkommission auf Verlust des Lebens oder auf gefängliche Haft erkennen konnte, so kam die Übertragung der Hochverratsprozesse von der Bürgerschaft auf eine stehende Kommission hinaus auf die Abschaffung der Todesstrafe für solche Vergehen, während andererseits in der Beschränkung der verderblichen Spezialkommissionen für einzelne Hochverratsfälle, wie deren eine die Varische im Bundesgenossenkrieg gewesen war; gleichfalls ein Fortschritt zum Besseren lag. Die gesamte Reform ist von ungemeinem und dauerndem Nutzen gewesen und ein bleibendes Denkmal des praktischen, gemäßigten, staatsmännischen Geistes, der ihren Urheber wohl würdig machte, gleich den alten Dezemvirn als souveräner Vermittler mit der Rolle des Gesetzes zwischen die Parteien zu treten.
Als einen Anhang zu diesen Kriminalgesetzen mag man die polizeilichen Ordnungen betrachten, durch welche Sulla, das Gesetz an die Stelle des Zensors setzend, gute Zucht und strenge Sitte wieder einschärfte und durch Feststellung neuer Maximalsätze anstatt der alten längst verschollenen den Luxus bei Mahlzeiten, Begräbnissen und sonst zu beschränken versuchte.
Endlich ist wenn nicht Sullas, doch das Werk der sullanischen Epoche die Entwicklung eines selbständigen römischen Munizipalwesens. Dem Altertum ist der Gedanke, die Gemeinde als ein untergeordnetes politisches Ganze dem höheren Staatsganzen organisch einzufügen, ursprünglich fremd; die Despotie des Ostens kennt städtische Gemeinwesen im strengen Sinne des Worts nicht und in der ganzen hellenisch-italischen Welt fällt Stadt und Staat notwendig zusammen. Insofern gibt es in Griechenland wie in Italien von Haus aus ein eigenes Munizipalwesen nicht. Vor allem die römische Politik hielt mit der ihr eigenen zähen Konsequenz hieran fest; noch im sechsten Jahrhundert wurden die abhängigen Gemeinden Italiens entweder, um ihnen ihre munizipale Verfassung zu bewahren, als formell souveräne Nichtbürgerstaaten konstituiert oder, wenn sie römisches Bürgerrecht erhielten, zwar nicht gehindert, sich als Gesamtheit zu organisieren, aber doch der eigentlich munizipalen Rechte beraubt, so daß in allen Bürgerkolonien und Bürgermunizipien selbst die Rechtspflege und das Bauwesen von den römischen Prätoren und Zensoren verwaltet ward. Das Höchste, wozu man sich verstand, war durch einen von Rom aus ernannten Stellvertreter (praefectus) des Gerichtsherrn wenigstens die dringendsten Rechtssachen an Ort und Stelle erledigen zu lassen. Nicht anders verfuhr man in den Provinzen, außer daß hier an die Stelle der hauptstädtischen Behörden der Statthalter trat. In den freien, das heißt formell souveränen Städten ward die Zivil- oder Kriminaljurisdiktion von den Munizipalbeamten nach den Lokalstatuten verwaltet; nur daß freilich, wo nicht ganz besondere Privilegien entgegenstanden, jeder Römer sowohl als Beklagter wie als Kläger verlangen konnte, seine Sache vor italischen Richtern nach italischem Recht entschieden zu sehen. Für die gewöhnlichen Provinzialgemeinden war der römische Statthalter die einzige regelmäßige Gerichtsbehörde, der die Instruierung aller Prozesse oblag. Es war schon viel, wenn, wie in Sizilien, in dem Fall, daß der Beklagte ein Siculer war, der Statthalter durch das Provinzialstatut gehalten war, einen einheimischen Geschworenen zu geben und nach Ortsgebrauch entscheiden zu lassen; in den meisten Provinzen scheint auch dies vom Gutfinden des instruierenden Beamten abgehangen zu haben.
Im siebenten Jahrhundert ward diese unbedingte Zentralisation des öffentlichen Lebens der römischen Gemeinde in dem einen Mittelpunkt Rom wenigstens für Italien aufgegeben. Seit dies eine einzige städtische Gemeinde war und das Stadtgebiet vom Arnus und Rubico bis hinab zur sizilischen Meerenge reichte, mußte man wohl sich entschließen, innerhalb dieser großen wiederum kleinere Stadtgemeinden zu bilden. So ward Italien nach Vollbürgergemeinden organisiert, bei welcher Gelegenheit man zugleich die durch ihren Umfang gefährlichen größeren Gaue, soweit dies nicht schon früher geschehen war, in mehrere kleinere Stadtbezirke aufgelöst haben mag. Die Stellung dieser neuen Vollbürgergemeinden war ein Kompromiß zwischen derjenigen, die ihnen bis dahin als Bundesstaaten zugekommen war, und derjenigen, die ihnen als integrierenden Teilen der römischen Gemeinde nach älterem Recht zugekommen sein würde. Zugrunde lag im ganzen die Verfassung der bisherigen formell souveränen latinischen oder auch, insofern deren Verfassung in den Grundzügen der römischen gleich ist, die der römischen altpatrizisch-konsularischen Gemeinde; nur daß darauf gehalten ward, für dieselben Institutionen in dem Munizipium andere und geringere Namen zu verwenden als in der Hauptstadt, das heißt im Staat. Eine Bürgerversammlung tritt an die Spitze mit der Befugnis, Gemeindestatute zu erlassen und die Gemeindebeamten zu ernennen. Ein Gemeinderat von hundert Mitgliedern übernimmt die Rolle des römischen Senats. Das Gerichtswesen wird verwaltet von vier Gerichtsherren, zwei ordentlichen Richtern, die den beiden Konsuln, zwei Marktrichtern, die den kurulischen Ädilen entsprechen. Die Zensurgeschäfte, die wie in Rom von fünf zu fünf Jahr sich erneuerten und allem Anschein nach vorwiegend in der Leitung der Gemeindebauten bestanden, wurden von den höchsten Gemeindebeamten, also den beiden ordentlichen Gerichtsherren, mit übernommen, welche in diesem Fall den auszeichnenden Titel der „Gerichtsherren mit zensorischer oder Fünfjahrgewalt“ annahmen. Die Gemeindekasse verwalteten zwei Quästoren. Für das Sakralwesen sorgten zunächst die beiden der ältesten latinischen Verfassung allein bekannten Kollegien priesterlicher Sachverständigen, die munizipalen Pontifices und Augurn.
Was das Verhältnis dieses sekundären politischen Organismus zu dem primären des Staates anlangt, so standen im allgemeinen jenem wie diesem die politischen Befugnisse vollständig zu und band also der Gemeindebeschluß und das Imperium der Gemeindebeamten den Gemeindebürger ebenso wie der Volksbeschluß und das konsularische Imperium den Römer. Dies führte im ganzen zu einer konkurrierenden Tätigkeit der Staats- und der Stadtbehörden: Es hatten beispielsweise beide das Recht der Schatzung und Besteuerung, ohne daß bei den etwaigen städtischen Schatzungen und Steuern die von Rom ausgeschriebenen oder bei diesen jene berücksichtigt worden wären; es durften öffentliche Bauten sowohl von den römischen Beamten in ganz Italien als auch von den städtischen in ihrem Sprengel angeordnet werden, und was dessen mehr ist. Im Kollisionsfall wich natürlich die Gemeinde dem Staat und brach der Volksschluß den Stadtschluß. Eine förmliche Kompetenzteilung fand wohl nur in der Rechtspflege statt, wo das reine Konkurrenzsystem zu der größten Verwirrung geführt haben würde; hier wurden im Kriminalprozeß vermutlich alle Kapitalsachen, im Zivilverfahren die schwereren, und ein selbständiges Auftreten der dirigierenden Beamten voraussetzenden Prozesse den hauptstädtischen Behörden und Geschworenen vorbehalten und die italischen Stadtgerichte auf die geringeren und minder verwickelten oder auch sehr dringenden Rechtshändel beschränkt.
Die Entstehung dieses italischen Gemeindewesens ist nicht überliefert. Es ist wahrscheinlich, daß sie in ihren Anfängen zurückgeht auf Ausnahmebestimmungen für die großen Bürgerkolonien, die am Ende des sechsten Jahrhunderts gegründet wurden; wenigstens deuten einzelne, an sich gleichgültige formelle Differenzen zwischen Bürgerkolonien und Bürgermunizipien darauf hin, daß die neue, damals praktisch an die Stelle der latinischen tretende Bürgerkolonie ursprünglich eine bessere staatsrechtliche Stellung gehabt hat als das weit ältere Bürgermunizipium, und diese Bevorzugung kann wohl nur bestanden haben in einer der latinischen sich annähernden Gemeindeverfassung, wie sie späterhin sämtlichen Bürgerkolonien wie Bürgermunizipien zukam. Bestimmt nachweisen läßt sich die neue Ordnung zuerst für die revolutionäre Kolonie Capua, und keinem Zweifel unterliegt es, daß sie ihre volle Anwendung erst fand, als die sämtlichen bisher souveränen Städte Italiens infolge des Bundesgenossenkriegs als Bürgergemeinden organisiert werden mußten. Ob schon das Julische Gesetz, ob die Zensoren von 668 (86), ob erst Sulla das einzelne geordnet hat, läßt sich nicht entscheiden; die Übertragung der zensorischen Geschäfte auf die Gerichtsherren scheint zwar nach Analogie der Sullanischen, die Zensur beseitigenden Ordnung eingeführt zu sein, kann aber auch ebensogut auf die älteste latinische Verfassung zurückgehen, die ja auch die Zensur nicht kannte. Auf alle Fälle ist diese dem eigentlichen Staat sich ein- und unterordnende Stadtverfassung eines der merkwürdigsten und folgenreichsten Erzeugnisse der sullanischen Zeit und des römischen Staatslebens überhaupt. Staat und Stadt ineinanderzufügen hat allerdings das Altertum ebensowenig vermocht, als es vermocht hat, das repräsentative Regiment und andere große Grundgedanken unseres heutigen Staatslebens aus sich zu entwickeln; aber es hat seine politische Entwicklung bis an diejenigen Grenzen geführt, wo diese die gegebenen Maße überwächst und sprengt, und vor allem ist dies in Rom geschehen, das in jeder Beziehung an der Scheide und in der Verbindung der alten und der neuen geistigen Welt steht. In der Sullanischen Verfassung sind einerseits die Urversammlung und der städtische Charakter des Gemeinwesens Rom fast zur bedeutungslosen Form zusammengeschwunden, andererseits die innerhalb des Staates stehende Gemeinde schon in der italischen vollständig entwickelt; bis auf den Namen, der freilich in solchen Dingen die Hälfte der Sache ist, hat diese letzte Verfassung der freien Republik das Repräsentativsystem und den auf den Gemeinden sich aufbauenden Staat durchgeführt.
Das Gemeindewesen in den Provinzen ward hierdurch nicht geändert; die Gemeindebehörden der unfreien Städte blieben vielmehr, von besonderen Ausnahmen abgesehen, beschränkt auf Verwaltung und Polizei und auf diejenige Jurisdiktion, welche die römischen Behörden vorzogen, nicht selbst in die Hand zu nehmen.
Dieses war die Verfassung, die Lucius Cornelius Sulla der Gemeinde Rom gab. Senat und Ritterstand, Bürgerschaft und Proletariat, Italiker und Provinzialen nahmen sie hin, wie sie vom Regenten ihnen diktiert ward, wenn nicht ohne zu grollen, doch ohne sich aufzulehnen; nicht so die Sullanischen Offiziere. Das römische Heer hatte seinen Charakter gänzlich verändert. Es war allerdings durch die Marianische Reform wieder schlagfertiger und militärisch brauchbarer geworden, als da es vor den Mauern von Numantia nicht focht; aber es hatte zugleich sich aus einer Bürgerwehr in eine Schar von Lanzknechten verwandelt, welche dem Staat gar keine und dem Offizier nur dann Treue bewiesen, wenn er verstand, sie persönlich an sich zu fesseln. Diese völlige Umgestaltung des Armeegeistes hatte der Bürgerkrieg in gräßlicher Weise zur Evidenz gebracht: sechs kommandierende Generale, Albinus, Cato, Rufus, Flaccus, Cinna und Gaius Carbo, waren während desselben gefallen von der Hand ihrer Soldaten; einzig Sulla hatte bisher es vermocht, der gefährlichen Meute Herr zu bleiben, freilich nur, indem er allen ihren wilden Begierden den Zügel schießen ließ wie noch nie vor ihm ein römischer Feldherr. Wenn deshalb ihm der Verderb der alten Kriegszucht schuld gegeben wird, so ist dies nicht gerade unrichtig, aber dennoch ungerecht; er war eben der erste römische Beamte, der seiner militärischen und politischen Aufgabe nur dadurch zu genügen imstande war, daß er auftrat als Condottiere. Aber er hatte die Militärdiktatur nicht übernommen, um den Staat der Soldateska untertänig zu machen, sondern vielmehr, um alles im Staat, vor allem aber das Heer und die Offiziere, unter die Gewalt der bürgerlichen Ordnung zurückzuzwingen. Wie dies offenbar ward, erhob sich gegen ihn eine Opposition mit seinem eigenen Stab. Mochte den übrigen Bürgern gegenüber die Oligarchie den Tyrannen spielen; aber daß auch die Generale, die mit ihrem guten Schwert die umgestürzten Senatorensessel wieder aufgerichtet hatten, jetzt ebendiesem Senat unweigerlichen Gehorsam zu leisten aufgefordert wurden, schien unerträglich. Eben die beiden Offiziere, denen Sulla das meiste Vertrauen geschenkt hatte, widersetzten sich der neuen Ordnung der Dinge. Als Gnaeus Pompeius, den Sulla mit der Eroberung von Sizilien und Afrika beauftragt und zu seinem Tochtermanne erkoren hatte, nach Vollzug seiner Aufgabe vom Senat den Befehl erhielt, sein Heer zu entlassen, unterließ er es zu gehorsamen und wenig fehlte an offenem Aufstand. Quintus Ofella, dessen festem Ausharren vor Praeneste wesentlich der Erfolg des letzten und schwersten Feldzuges verdankt ward, bewarb sich in ebenso offenem Widerspruch gegen die neu erlassenen Ordnungen um das Konsulat, ohne die niederen Ämter bekleidet zu haben. Mit Pompeius kam, wenn nicht eine herzliche Aussöhnung, doch ein Vergleich zustande. Sulla, der seinen Mann genug kannte, um ihn nicht zu fürchten, nahm die Impertinenz hin, die Pompeius ihm ins Gesicht sagte, daß mehr Leute sich um die aufgehende Sonne kümmerten als um die untergehende, und bewilligte dem eitlen Jüngling die leeren Ehrenbezeigungen, an denen sein Herz hing. Wenn er hier sich läßlich zeigte, so bewies er dagegen Ofella gegenüber, daß er nicht der Mann war, sich von seinen Marschällen imponieren zu lassen: So wie dieser verfassungswidrig als Bewerber vor das Volk trat, ließ ihn Sulla auf öffentlichem Marktplatz niederstoßen und setzte sodann der versammelten Bürgerschaft auseinander, daß die Tat auf seinen Befehl und warum sie vollzogen sei. So verstummte zwar für jetzt diese bezeichnende Opposition des Hauptquartiers gegen die neue Ordnung der Dinge; aber sie blieb bestehen und gab den praktischen Kommentar zu Sullas Worten, daß das, was er diesmal tue, nicht zum zweitenmal getan werden könne.
Eines blieb noch übrig -vielleicht das schwerste von allem: die Zurückführung der Ausnahmezustände in die neualten gesetzlichen Bahnen. Sie ward dadurch erleichtert, daß Sulla dieses letzte Ziel nie aus den Augen verloren hatte. Obwohl das Valerische Gesetz ihm absolute Gewalt und jeder seiner Verordnungen Gesetzeskraft gegeben, hatte er dennoch dieser exorbitanten Befugnis sich nur bei Maßregeln bedient, die von vorübergehender Bedeutung waren und wo die Beteiligung Rat und Bürgerschaft bloß nutzlos kompromittiert haben würde, namentlich bei den Ächtungen. Regelmäßig hatte er schon selbst diejenigen Bestimmungen beobachtet, die er für die Zukunft vorschrieb. Daß das Volk befragt ward, lesen wir in dem Quästorengesetz, das zum Teil noch vorhanden ist, und von anderen Gesetzen, zum Beispiel dem Aufwandgesetz und denen über die Konfiskation der Feldmarken, ist es bezeugt. Ebenso ward bei wichtigeren Administrativakten, zum Beispiel bei der Entsendung und Zurückberufung der afrikanischen Armee und bei Erteilung von städtischen Freibriefen, der Senat vorangestellt. In demselben Sinn ließ Sulla schon für 673 (81) Konsuln wählen, wodurch wenigstens die gehässige offizielle Datierung nach der Regentschaft vermieden ward; doch blieb die Macht noch ausschließlich bei dem Regenten und ward die Wahl auf sekundäre Persönlichkeiten geleitet. Aber im Jahre darauf (674 80) setzte Sulla die ordentliche Verfassung wieder vollständig in Wirksamkeit und verwaltete als Konsul in Gemeinschaft mit seinem Waffengenossen Quintus Metellus den Staat, während er die Regentschaft zwar noch beibehielt, aber vorläufig ruhen ließ. Er begriff es wohl, wie gefährlich es eben für seine eigenen Institutionen war, die Militärdiktatur zu verewigen. Da die neuen Zustände sich haltbar zu erweisen schienen, und von den neuen Einrichtungen zwar manches, namentlich in der Kolonisierung, noch zurück, aber doch das meiste und wichtigste vollendet war, so ließ er den Wahlen für 675 (79) freien Lauf, lehnte die Wiederwahl zum Konsulat als mit seinen eigenen Verordnungen unvereinbar ab und legte, bald nachdem die neuen Konsuln Publius Servilius und Appius Claudius ihr Amt angetreten hatten, im Anfang des Jahres 675 (79) die Regentschaft nieder. Es ergriff selbst starre Herzen, als der Mann, der bis dahin mit dem Leben und dem Eigentum von Millionen nach Willkür geschaltet hatte, auf dessen Wink so viele Häupter gefallen waren, dem in jeder Gasse Roms, in jeder Stadt Italiens Todfeinde wohnten und der ohne einen ebenbürtigen Verbündeten, ja genau genommen ohne den Rückhalt einer festen Partei sein tausend Interessen und Meinungen verletzendes Werk der Reorganisation des Staates zu Ende geführt hatte, als dieser Mann auf den Marktplatz der Hauptstadt trat, sich seiner Machtfülle freiwillig begab, seine bewaffneten Begleiter verabschiedete, seine Gerichtsdiener entließ und die dichtgedrängte Bürgerschaft aufforderte zu reden, wenn einer von ihm Rechenschaft begehre. Alles schwieg; Sulla stieg herab von der Rednerbühne und zu Fuß, nur von den Seinigen begleitet, ging er mitten durch ebenjenen Pöbel, der ihm vor acht Jahren das Haus geschleift hatte, zurück nach seiner Wohnung.
Die Nachwelt hat weder Sulla selbst noch sein Reorganisationswerk richtig zu würdigen verstanden, wie sie denn unbillig zu sein pflegt gegen die Persönlichkeiten, die dem Strom der Zeiten sich entgegenstemmen. In der Tat ist Sulla eine von den wunderbarsten, man darf vielleicht sagen eine einzige Erscheinung in der Geschichte. Physisch und psychisch ein Sanguiniker, blauäugig, blond, von auffallend weißer, aber bei jeder leidenschaftlichen Bewegung sich rötender Gesichtsfarbe, übrigens ein schöner, feurig blickender Mann, schien er nicht eben bestimmt, dem Staat mehr zu sein als seine Ahnen, die seit seines Großvaters Großvater Publius Cornelius Rufinus (Konsul 464, 477 290, 277), einem der angesehensten Feldherrn und zugleich dem prunkliebendsten Mann der pyrrhischen Zeit, in Stellungen zweiten Ranges verharrt hatten. Er begehrte vom Leben nichts als heiteren Genuß. Aufgewachsen in dem Raffinement des gebildeten Luxus, wie er in jener Zeit auch in den minder reichen senatorischen Familien Roms einheimisch war, bemächtigte er rasch und bebend sich der ganzen Fülle sinnlich geistiger Genüsse, welche die Verbindung hellenischer Feinheit und römischen Reichtums zu gewähren vermochten. Im adligen Salon und unter dem Lagerzelt war er gleich willkommen als angenehmer Gesellschafter und guter Kamerad; vornehme und geringe Bekannte fanden in ihm den teilnehmenden Freund und den bereitwilligen Helfer in der Not, der sein Geld weit lieber seinem bedrängten Genossen als seinem reichen Gläubiger gönnte. Leidenschaftlich huldigte er dem Becher, noch leidenschaftlicher den Frauen; selbst in seinen späteren Jahren war er nicht mehr Regent, wenn er nach vollbrachtem Tagesgeschäft sich zur Tafel setzte. Ein Zug der Ironie, man könnte vielleicht sagen der Bouffonnerie, geht durch seine ganze Natur. Noch als Regent befahl er, während er die Versteigerung der Güter der Geächteten leitete, für ein ihm überreichtes schlechtes Lobgedicht dem Verfasser eine Verehrung aus der Beute zu verabreichen unter der Bedingung, daß er gelobe, ihn niemals wieder zu besingen. Als er vor der Bürgerschaft Ofenas Hinrichtung rechtfertigte, geschah es, indem er den Leuten die Fabel erzählte von dem Ackersmann und den Läusen. Seine Gesellen wählte er gern unter den Schauspielern und liebte es, nicht bloß mit Quintus Roscius, dem römischen Talma, sondern auch mit viel geringeren Bühnenleuten beim Weine zu sitzen; wie er denn auch selbst nicht schlecht sang und sogar zur Aufführung in seinem Zirkel selber Possen schrieb. Doch ging in diesen lustigen Bacchanalien ihm weder die körperliche noch die geistige Spannkraft verloren; noch in der ländlichen Muße seiner letzten Jahre lag er eifrig der Jagd ob, und daß er aus dem eroberten Athen die Aristotelischen Schriften nach Rom brachte, beweist doch wohl für sein Interesse auch an ernsterer Lektüre. Das spezifische Römertum stieß ihn eher ab. Von der plumpen Morgue, die die römischen Großen gegenüber den Griechen zu entwickeln liebten, und von der Feierlichkeit beschränkter großer Männer hatte Sulla nichts, vielmehr ließ er gern sich gehen, erschien wohl zum Skandal mancher seiner Landsleute in griechischen Städten in griechischer Tracht oder veranlaßte seine adligen Gesellen, bei den Spielen selber die Rennwagen zu lenken. Noch weniger war ihm von den halb patriotischen, halb egoistischen Hoffnungen geblieben, die in Ländern freier Verfassung jede jugendliche Kapazität auf den politischen Tummelplatz locken und die auch er wie jeder andere einmal empfunden haben mag; in einem Leben, wie das seine war, schwankend zwischen leidenschaftlichem Taumel und mehr als nüchternem Erwachen, verzetteln sich rasch die Illusionen. Wünschen und Streben mochte ihm eine Torheit erscheinen in einer Welt, die doch unbedingt vom Zufall regiert ward und wo, wenn überhaupt auf etwas, man ja doch auf nichts spannen konnte als auf diesen Zufall. Dem allgemeinen Zug der Zeit, zugleich dem Unglauben und dem Aberglauben, sich zu ergeben folgte auch er. Seine wunderliche Gläubigkeit ist nicht der plebejische Köhlerglaube des Marius, der von dem Pfaffen für Geld sich wahrsagen und seine Handlungen durch ihn bestimmen läßt; noch weniger der finstere Verhängnisglaube des Fanatikers, sondern jener Glaube an das Absurde, wie er bei jedem von dem Vertrauen auf eine zusammenhängende Ordnung der Dinge durch und durch zurückgekommenen Menschen notwendig sich einstellt, der Aberglaube des glücklichen Spielers, der sich vom Schicksal privilegiert erachtet, jedesmal und überall die rechte Nummer zu werfen. In praktischen Fragen verstand Sulla sehr wohl, mit den Anforderungen der Religion ironisch sich abzufinden. Als er die Schatzkammern der griechischen Tempel leerte, äußerte er, daß es demjenigen nimmermehr fehlen könne, dem die Götter selbst die Kasse füllten. Als die delphischen Priester ihm berichteten, daß sie sich scheuten, die verlangten Schätze zu senden, da die Zither des Gottes hell geklungen, als man sie berührt, ließ er ihnen zurücksagen, daß man sie nun um so mehr schicken möge, denn offenbar stimme der Gott seinem Vorhaben zu. Aber darum wiegte er nicht weniger gern sich in dem Gedanken, der auserwählte Liebling der Götter zu sein, ganz besonders jener, der er bis in seine späten Jahre vor allen den Preis gab, der Aphrodite. In seinen Unterhaltungen wie in seiner Selbstbiographie rühmte er sich vielfach des Verkehrs, den in Träumen und Anzeichen die Unsterblichen mit ihm gepflogen. Er hatte wie wenig andere ein Recht, auf seine Taten stolz zu sein; er war es nicht, wohl aber stolz auf sein einzig treues Glück. Er pflegte wohl zu sagen, daß jedes improvisierte Beginnen ihm besser ausgeschlagen sei als das planmäßig angelegte, und eine seiner wunderlichsten Marotten, die Zahl der in den Schlachten auf seiner Seite gefallenen Leute regelmäßig als null anzugeben, ist doch auch nichts als die Kinderei eines Glückskindes. Es war nur der Ausdruck der ihm natürlichen Stimmung, als er, auf dem Gipfel seiner Laufbahn angelangt und alle seine Zeitgenossen in schwindelnder Tiefe unter sich sehend, die Bezeichnung des Glücklichen, Sulla Felix, als förmlichen Beinamen annahm und auch seinen Kindern entsprechende Benennungen beilegte.
Nichts lag Sulla ferner als der planmäßige Ehrgeiz. Er war zu gescheit, um gleich den Dutzendaristokraten seiner Zeit die Verzeichnung seines Namens in die konsularischen Register als das Ziel seines Lebens zu betrachten; zu gleichgültig und zu wenig Ideolog, um sich mit der Reform des morschen Staatsgebäudes freiwillig befassen zu mögen. Er blieb, wo Geburt und Bildung ihn hinwiesen, in dem Kreis der vornehmen Gesellschaft und machte wie üblich die Ämterlaufbahn durch; Ursache sich anzustrengen hatte er nicht und überließ dies den politischen Arbeitsbienen, an denen es ja nicht fehlte. So führte ihn im Jahre 647 (107) bei der Verlosung der Quästorenstellen der Zufall nach Afrika in das Hauptquartier des Gaius Marius. Der unversuchte hauptstädtische Elegant ward von dem rauben bäurischen Feldherrn und seinem erprobten Stab nicht zum besten empfangen. Durch diese Aufnahme gereizt, machte Sulla, furchtlos und anstellig wie er war, im Fluge das Waffenhandwerk sich zu eigen und entwickelte auf dem verwegenen Zug nach Mauretanien zuerst jene eigentümliche Verbindung von Keckheit und Verschmitztheit, wegen deren seine Zeitgenossen von ihm sagten, daß er halb Löwe, halb Fuchs und der Fuchs in ihm gefährlicher sei als der Löwe. Dem jungen, hochgeborenen, brillanten Offizier, der anerkanntermaßen der eigentliche Beendiger des lästigen Numidischen Krieges war, öffnete jetzt sich die glänzendste Laufbahn; er nahm auch teil am Kimbrischen Krieg und offenbarte in der Leitung des schwierigen Verpflegungsgeschäftes sein ungemeines Organisationstalent; nichtsdestoweniger zogen ihn auch jetzt die Freuden des hauptstädtischen Lebens weit mehr an als Krieg oder gar Politik. In der Prätur, welches Amt er, nachdem er sich einmal vergeblich beworben hatte, im Jahre 661 (93) übernahm, fügte es sich abermals, daß ihm in seiner Provinz, der unbedeutendsten von allen, der erste Sieg über König Mithradates und der erste Vertrag mit den mächtigen Arsakiden sowie deren erste Demütigung gelang. Der Bürgerkrieg folgte. Sulla war es wesentlich, der den ersten Akt desselben, die italische Insurrektion zu Roms Gunsten entschied und dabei mit dem Degen das Konsulat sich gewann; er war es ferner, der als Konsul den Sulpicischen Aufstand mit energischer Raschheit zu Boden schlug. Das Glück schien sich ein Geschäft daraus zu machen, den alten Helden Marius durch diesen jüngeren Offizier zu verdunkeln. Die Gefangennehmung Jugurthas, die Besiegung Mithradats, die beide Marius vergeblich erstrebt hatte, wurden in untergeordneten Stellungen von Sulla vollführt; im Bundesgenossenkrieg, in dem Marius seinen Feldherrnruhm einbüßte und abgesetzt ward, gründete Sulla seinen militärischen Ruf und stieg empor zum Konsulat; die Revolution von 666 (88), die zugleich und vor allem ein persönlicher Konflikt zwischen den beiden Generalen war, endigte mit Marius‘ Ächtung und Flucht. Fast ohne es zu wollen war Sulla der berühmteste Feldherr seiner Zeit, der Hort der Oligarchie geworden. Es folgten neue und furchtbarere Krisen, der Mithradatische Krieg, die Cinnanische Revolution: Sullas Stern blieb immer im Steigen. Wie der Kapitän, der das brennende Schiff nicht löscht, sondern fortfährt, auf den Feind zu feuern, harrte Sulla, während die Revolution in Italien tobte, in Asien unerschüttert aus, bis der Landesfeind gezwungen war. Mit diesem fertig, zerschmetterte er die Anarchie und rettete die Hauptstadt vor der Brandfackel der verzweifelnden Samniten und Revolutionäre. Der Moment der Heimkehr war für Sulla ein überwältigender in Freude und in Schmerz; er selbst erzählt in seinen Memoiren, daß er die erste Nacht in Rom kein Auge habe zutun können, und wohl mag man es glauben. Aber immer noch war seine Aufgabe nicht zu Ende, sein Stern in weiterem Steigen. Absoluter Selbstherrscher wie nur je ein König und doch durchaus verharrend auf dem Boden des formellen Rechts, zügelte er die ultrareaktionäre Partei, vernichtete die seit vierzig Jahren die Oligarchie einengende Gracchische Verfassung und zwang zuerst die der Oligarchie Konkurrenz machenden Mächte der Kapitalisten und des hauptstädtischen Proletariats, endlich den im Schoße seines eigenen Stabes erwachsenen Übermut des Säbels wieder unter das neu befestigte Gesetz. Selbständiger als je stellte er die Oligarchie hin, legte die Beamtenmacht als dienendes Werkzeug in ihre Hände, verlieh ihr die Gesetzgebung, die Gerichte, die militärische und finanzielle Obergewalt und gab ihr eine Art Leibwache in den befreiten Sklaven, eine Art Heer in den angesiedelten Militärkolonisten. Endlich, als das Werk vollendet war, trat der Schöpfer zurück von seiner Schöpfung; freiwillig ward der absolute Selbstherrscher wieder einfacher Senator. In dieser ganzen langen militärischen und politischen Bahn hat Sulla nie eine Schlacht verloren, nie einen Schritt zurücktun müssen und ungeirrt von Feinden und Freunden sein Werk geführt bis an das selbstgesteckte Ziel. Wohl hatte er Ursache, seinen Stern zu preisen. Die launenhafte Göttin des Glücks schien hier einmal die Laune der Beständigkeit angewandelt und sie darin sich gefallen zu haben, auf ihren Liebling an Erfolgen und Ehren zu häufen, was er begehrte und nicht begehrte. Aber die Geschichte wird gerechter gegen ihn sein müssen, als er es gegen sich selber war, und ihn in eine höhere Reihe stellen als in die der bloßen Favoriten der Fortuna.
Nicht als wäre die Sullanische Verfassung ein Werk politischer Genialität, wie zum Beispiel die Gracchische und die Caesarische. Es begegnet in ihr, wie dies ja schon das Wesen der Restauration mit sich bringt, auch nicht ein staatsmännisch neuer Gedanke; alle ihre wesentlichsten Momente: der Eintritt in den Senat durch Bekleidung der Quästur, die Aufhebung des zensorischen Rechts, den Senator aus dem Senate zu stoßen, die legislatorische Initiative des Senats, die Verwandlung des tribunizischen Amtes in ein Werkzeug des Senats zur Fesselung des Imperiums, die Erstreckung der Dauer des Oberamts auf zwei Jahre, der Übergang des Kommandos von dem Volksmagistrat auf den senatorischen Prokonsul oder Proprätor, selbst die neue Kriminal- und Munizipalordnung sind nicht von Sulla geschaffene, sondern früher schon aus dem oligarchischen Regiment entwickelte und durch ihn nur regulierte und fixierte Institutionen. Ja selbst die seiner Restauration anhaftenden Greuel, die Ächtungen und Konfiskationen, sind sie, verglichen mit den Taten der Nasica, Popillius, Opimius, Caepio und so weiter, etwas anderes als die rechtliche Formulierung der hergebrachten oligarchischen Weise, sich der Gegner zu entledigen? Über die römische Oligarchie dieser Zeit nun gibt es kein Urteil als unerbittliche und rücksichtslose Verdammung; und wie alles andere, was ihr anhängt, ist davon auch die Sullanische Verfassung vollständig mitbetroffen. Das von der Genialität des Bösen bestochene Lob versündigt sich an dem heiligen Geist der Geschichte; aber daran wird man doch erinnern dürfen, daß weit weniger Sulla die Sullanische Restauration zu verantworten hat als die seit Jahrhunderten als Clique regierende und mit jedem Jahr mehr der greisenhaften Entnervung und Verbissenheit verfallende römische Aristokratie insgesamt, und daß alles, was darin schal, und alles, was darin verrucht ist, am letzten Ende auf diese zurückfällt. Sulla hat den Staat reorganisiert, aber nicht wie der Hausherr, der sein zerrüttetes Gewese und Gesinde nach eigener Einsicht in Ordnung bringt, sondern wie der zeitweilige Geschäftsführer, der seiner Anweisung getreu nachkommt; es ist flach und falsch, in diesem Falle die schließliche und wesentliche Verantwortung von dem Geschäftsherrn ab auf den Verwalter zu wälzen. Man schlägt Sullas Bedeutung viel zu hoch an oder findet vielmehr mit jenen schauderhaften, nie wiedergutzumachenden und nie wiedergutgemachten Proskriptionen, Expropriationen und Restaurationen viel zu leicht sich ab, wenn man sie als das Werk eines zufällig an die Spitze des Staats geratenen Wüterichs ansieht. Adelstaten waren dies und Restaurationsterrorismus, Sulla aber nicht mehr dabei als, mit dem Dichter zu reden, das hinter dem bewußten Gedanken unbewußt herwandelnde Richtbeil. Diese Rolle hat Sulla mit wunderbarer, ja dämonischer Vollkommenheit durchgeführt; innerhalb der Grenzen aber, die sie ihm gezogen, hat er nicht bloß großartig, sondern selbst nützlich gewirkt. Nie wieder hat eine tief gesunkene und stetig tiefer sinkende Aristokratie, wie die römische damals war, einen Vormund gefunden, der so wie Sulla willig und fähig war, ohne jede Rücksicht auf eigenen Machtgewinn für sie den Degen des Feldherrn und den Griffel des Gesetzgebers zu führen. Es ist freilich ein Unterschied, ob ein Offizier aus Bürgersinn das Szepter verschmäht oder aus Blasiertheit es wegwirft; aber in der völligen Abwesenheit des politischen Egoismus – freilich auch nur in diesem einen – verdient Sulla neben Washington genannt zu werden. Aber nicht bloß die Aristokratie, das gesamte Land ward ihm mehr schuldig, als die Nachwelt gern sich eingestand. Sulla hat die italische Revolution, insoweit sie beruhte auf der Zurücksetzung einzelner minder berechtigter gegen andere besser berechtigte Distrikte, endgültig geschlossen und ist, indem er sich und seine Partei zwang, die Gleichberechtigung aller Italiker vor dem Gesetz anzuerkennen, der wahre und letzte Urheber der vollen staatlichen Einheit Italiens geworden – ein Gewinn, der mit endloser Not und Strömen von Blut dennoch nicht zu teuer erkauft war. Aber Sulla hat noch mehr getan. Seit länger als einem halben Jahrhundert war Roms Macht im Sinken und die Anarchie daselbst in Permanenz; denn das Regiment des Senats mit der Gracchischen Verfassung war Anarchie und gar das Regiment Cinnas und Carbos noch weit ärgere Meisterlosigkeit, deren grauenvolles Bild sich am deutlichsten in jenem ebenso verwirrten wie naturwidrigen Bündnis mit den Samniten widerspiegelt, der unklarste, unerträglichste, heilloseste aller denkbaren politischen Zustände, in der Tat der Anfang des Endes. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß das lange unterhöhlte römische Gemeinwesen notwendig hätte zusammenstürzen müssen, wenn nicht durch die Intervention in Asien und in Italien Sulla die Existenz desselben gerettet hätte. Freilich hat Sullas Verfassung so wenig Bestand gehabt wie die Cromwells, und es war nicht schwer zu sehen, daß sein Bau kein solider war; aber es ist eine arge Gedankenlosigkeit, darüber zu übersehen, daß ohne Sulla höchstwahrscheinlich der Bauplatz selbst von den Fluten wäre fortgerissen worden; und auch jener Tadel trifft zunächst nicht Sulla. Der Staatsmann baut nur, was er in dem ihm angewiesenen Kreise bauen kann. Was ein konservativ Gesinnter tun konnte, um die alte Verfassung zu retten, das hat Sulla getan; und geahnt hat er es selbst, daß er wohl eine Festung, aber keine Besatzung zu schaffen vermöge und die grenzenlose Nichtigkeit der Oligarchen jeden Versuch, die Oligarchie zu retten, vergeblich machen werde. Seine Verfassung glich einem in das brandende Meer hineingeworfenen Notdamm; es ist kein Vorwurf für den Baumeister, wenn ein Jahrzehnt später die Wellen den naturwidrigen und von den Geschützten selbst nicht verteidigten Bau verschlangen. Der Staatsmann wird nicht der Hinweisung auf höchst löbliche Einzelformen, zum Beispiel des asiatischen Steuerwesens und der Kriminaljustiz, bedürfen, um Sullas ephemere Restauration nicht geringschätzig abzufertigen, sondern wird darin eine richtig entworfene und unter unsäglichen Schwierigkeiten im großen und ganzen konsequent durchgeführte Reorganisation des römischen Gemeinwesens bewundern und den Retter Roms, den Vollender der italischen Einheit unter, aber doch auch neben Cromwell stellen.
Freilich ist es nicht bloß der Staatsmann, der im Totengericht Stimme hat, und das empörte menschliche Gefühl wird mit Recht sich nie mit dem versöhnen, was Sulla getan oder das andere taten, gelitten hat. Sulla hat seine Gewaltherrschaft nicht bloß mit rücksichtsloser Gewaltsamkeit begründet, sondern dabei auch die Dinge mit einer gewissen zynischen Offenheit beim rechten Namen genannt, durch die er es unwiederbringlich verdorben hat mit der großen Masse der Schwachherzigen, die mehr vor dem Namen als vor der Sache sich entsetzen, durch die er aber allerdings auch dem sittlichen Urteil wegen der Kühle und Klarheit seines Frevels noch empörender erscheint als der leidenschaftliche Verbrecher. Ächtungen, Belohnungen der Henker, Güterkonfiskationen, kurzer Prozeß gegen unbotmäßige Offiziere waren hundertmal vorgekommen, und die stumpfe politische Sittlichkeit der antiken Zivilisation hatte für diese Dinge nur lauen Tadel; aber das freilich war unerhört, daß die Namen der vogelfreien Männer öffentlich angeschlagen und die Köpfe öffentlich ausgestellt wurden, daß den Banditen eine feste Summe ausgesetzt und dieselbe in die öffentlichen Kassenbücher ordnungsmäßig eingetragen ward, daß das eingezogene Gut gleich der feindlichen Beute auf offenem Markt unter den Hammer kam, daß der Feldherr den widerspenstigen Offizier geradezu niederhauen ließ und vor allem Volk sich zu der Tat bekannte. Diese öffentliche Verhöhnung der Humanität ist auch ein politischer Fehler; er hat nicht wenig dazu beigetragen, spätere revolutionäre Krisen im voraus zu vergiften, und noch jetzt ruht deswegen verdientermaßen ein finsterer Schatten auf dem Andenken des Urhebers der Proskriptionen.
Mit Recht darf man ferner tadeln, daß Sulla, während er in allen wichtigen Dingen rücksichtslos durchgriff, doch in untergeordneten, namentlich in Personenfragen sehr häufig seinem sanguinischen Temperament nachgab und nach Neigung oder Abneigung verfuhr. Er hat, wo er wirklich einmal Haß empfand, wie gegen die Marier, ihm zügellos auch gegen Unschuldige den Lauf gelassen und von sich selbst gerühmt, daß niemand besser als er Freunden und Feinden vergolten habe104
Wie er nun aber war, dieser Don Juan der Politik war ein Mann aus einem Gusse. Sein ganzes Leben zeugt von dem innerlichen Gleichgewicht seines Wesens; in den verschiedensten Lagen blieb Sulla unverändert derselbe. Es war derselbe Sinn, der nach den glänzenden Erfolgen in Afrika ihn wieder den hauptstädtischen Müßiggang suchen und der nach dem Vollbesitz der absoluten Macht ihn Ruhe und Erholung finden ließ in seiner cumanischen Villa. In seinem Munde war es keine Phrase, daß ihm die öffentlichen Geschäfte eine Last seien, die er abwarf, so wie er durfte und konnte. Auch nach der Resignation blieb er völlig sich gleich, ohne Unmut und ohne Affektation, froh, der öffentlichen Geschäfte entledigt zu sein und dennoch hie und da eingreifend, wo die Gelegenheit sich bot. Jagd und Fischfang und die Abfassung seiner Memoiren füllten seine müßigen Stunden; dazwischen ordnete er auf Bitten der unter sich uneinigen Bürger die inneren Verhältnisse der benachbarten Kolonie Puteoli ebenso sicher und rasch wie früher die Verhältnisse der Hauptstadt. Seine letzte Tätigkeit auf dem Krankenlager bezog sich auf die Beitreibung eines Zuschusses zu dem Wiederaufbau des Kapitolinischen Tempels, den vollendet zu sehen ihm nicht mehr vergönnt war. Wenig über ein Jahr nach seinem Rücktritt, im sechzigsten Lebensjahr, frisch an Körper und Geist, ward er vom Tode ereilt; nach kurzem Krankenlager – noch zwei Tage vor seinem Tode schrieb er an seiner Selbstbiographie – raffte ein Blutsturz106 ihn hinweg (676 78). Sein getreues Glück verließ ihn auch im Tode nicht. Er konnte nicht wünschen, noch einmal in den widerwärtigen Strudel der Parteikämpfe hineingezogen zu werden und seine alten Krieger noch einmal gegen eine neue Revolution führen zu müssen; und nach dem Stande der Dinge bei seinem Tode in Spanien und in Italien hätte bei längerem Leben ihm dies kaum erspart bleiben können. Schon jetzt, da von seiner feierlichen Bestattung in der Hauptstadt die Rede war, wurden zahlreiche Stimmen, die bei seinen Lebzeiten geschwiegen hatten, dort gegen die letzte Ehre laut, die man dem Tyrannen zu erweisen gedachte. Aber noch war die Erinnerung zu frisch und die Furcht vor seinen alten Soldaten zu lebendig; es wurde beschlossen, die Leiche nach der Hauptstadt bringen zu lassen und dort die Exequien zu begehen. Nie hat Italien eine großartigere Trauerfeier gesehen. Überall wo der königlich geschmückte Tote hindurchgetragen ward, ihm vorauf seine wohlbekannten Feldzeichen und Rutenbündel, da schlossen die Einwohner und vor allem seine alten Lanzknechte an das Trauergefolge sich an; es schien, als wollte die gesamte Truppe um den Mann, der sie im Leben so oft und nie anders als zum Siege geführt hatte, noch einmal im Tode sich vereinigen. So gelangte der endlose Leichenzug in die Hauptstadt, wo die Gerichte feierten und alle Geschäfte ruhten und zweitausend goldene Kränze, als letzte Ehrengabe der treuen Legionen, der Städte und der näheren Freunde, des Toten harrten. Sulla hatte, dem Geschlechtsgebrauch der Cornelier gemäß, seinen Körper unverbrannt beizusetzen verordnet; aber andere waren besser als er dessen eingedenkt, was vergangene Tage gebracht hatten und künftige Tage bringen mochten – auf Befehl des Senats ward die Leiche des Mannes, der die Gebeine des Marius aus ihrer Ruhe im Grabe aufgestört hatte, den Flammen übergeben. Geleitet von allen Beamten und dem gesamten Senat, den Priestern und Priesterinnen in ihrer Amtstracht und der ritterlich gerüsteten adligen Knabenschar gelangte der Zug auf den großen Marktplatz; auf diesem von seinen Taten und fast noch von dem Klange seiner gefürchteten Worte erfüllten Platz ward dem Toten die Leichenrede gehalten und von dort die Bahre auf den Schultern der Senatoren nach dem Marsfeld getragen, wo der Scheiterhaufen errichtet war. Während er in Flammen loderte, hielten die Ritter und die Soldaten den Ehrenlauf um die Leiche; die Asche des Regenten aber ward auf dem Marsfeld neben den Gräbern der alten Könige beigesetzt, und ein Jahr hindurch haben die römischen Frauen um ihn getrauert.
- Satius est uti regibus quam uti malis legibus (Rhet. Her. 2, 22).
- Diese Gesamtzahl gibt Valerius Maximus 9, 2, 1. Nach Appian (civ. 1, 9.5) wurden von Sulla geächtet gegen 40 Senatoren, wozu nachträglich noch einige hinzukamen, und etwa 1600 Ritter; nach Florus (2, 9; daraus Aug. civ. 3, 28) 2000 Senatoren und Ritter. Nach Plutarch (Sull. 31) wurden in den ersten drei Tagen 520, nach Orosius (hist. 5, 21) in den ersten Tagen 580 Namen in die Liste eingetragen. Zwischen all diesen Berichten ist ein wesentlicher Widerspruch nicht vorhanden, da ja teils nicht bloß Senatoren und Ritter getötet wurden, teils die Liste monatelang offenblieb, Wenn an einer anderen Stelle Appian (civ. 1, 103) als von Sulla getötet oder verbannt aufführt fünfzehn Konsulare, 90 Senatoren, 2600 Ritter, so sind hier, wie schon der Zusammenhang zeigt, die Opfer des Bürgerkriegs überhaupt und die Opfer Sullas verwechselt. Die fünfzehn Konsulate sind Quintus Catulus Konsul 652 (102), Marcus Antonius 655 (99), Publius Crassus 657 (97) Quintus Scaevola 659 (95), Lucius Domitius 660 (94), Lucius Caesar 664 (90), Quintus Rufus 666 (88), Lucius Cinna 667-670 (87-84), Gnaeus Octavius 667 (87), Lucius Merula 667 (87), Lucius Flaccus 668 (86), Gnaeus Carbo 669, 670, 672 (85, 84, 82), Gaius Norbanus 671 (83), Lucius Scipio 671 (83), Gaius Marius 672 (82), von denen vierzehn getötet, einer, Lucius Scipio, verbannt wurde. Wenn dagegen der Livianische Bericht bei Eutrop (5, 9) und Orosius (5, 22) als im Bundesgenossen- und Bürgerkrieg weggerafft (consumpti) angibt 24 Konsulare, sieben Prätorier, sechs Ädilizier, 200 Senatoren, so sind hier teils die im Italischen Kriege gefallenen Männer mitgezählt, wie die Konsulare Aulus Albinus, Konsul 655 (99), Titus Didius 656 (98), Publius Lupus 664 (90), Lucius Cato 665 (89), teils vielleicht Quintus Metellus Numidicus, Manius Aquillius, Gaius Marius der Vater, Gnaeus Strabo, die man allenfalls auch als Opfer dieser Zeit ansehen konnte, oder andere Männer, deren Schicksal uns nicht bekannt ist. Von den vierzehn getöteten Konsularen sind drei, Rufus, Cinna und Flaccus, durch Militärrevolten, dagegen acht Sullanische, drei Marianische Konsulate als Opfer der Gegenpartei gefallen. Nach der Vergleichung der oben angegebenen Ziffern galten als Opfer des Marius 50 Senatoren und 1000 Ritter, als Opfer des Sulla 40 Senatoren und 1600 Ritter; es gibt dies einen wenigstens nicht ganz willkürlichen Maßstab zur Abschätzung des Umfangs der beiderseitigen Frevel.
- Einer von diesen ist der in Ciceros Rede für Publius Quinctius öfter genannte Senator Sextus Alfenus.
- Es kam hierbei noch die eigentümliche Erschwerung hinzu, daß das latinische Recht sonst regelmäßig, ebenwie das peregrinische, die Mitgliedschaft in einer bestimmten latinischen oder peregrinischen Gemeinde in sich schloß, hier aber – ähnlich wie bei den späteren Freigelassenen latinischen und deditizischen Rechts (vgl. 3, 258 A.) – ohne ein solches eigenes Stadtrecht auftrat. Die Folge war, daß diese Latiner die an die Stadtverfassung geknüpften Privilegien entbehrten, genau genommen auch nicht testieren konnten, da niemand anders ein Testament errichten kann als nach dem Recht seiner Stadt; wohl aber konnten sie aus römischen Testamenten erwerben und unter Lebenden unter sich wie mit Römern oder Latinern in den Formen des römischen Rechts verkehren.
- Daß Sullas Umlage der rückständigen fünf Jahresziele und der Kriegskosten auf die Gemeinden von Asia (App. Mithr. 62 und sonst) auch für die Zukunft maßgebend war, zeigt schon die Zurückführung der Einteilung Asias in vierzig Distrikte auf Sulla (Cassiod. chron. 670) und die Zugrundelegung der sullanischen Repartition bei späteren Ausschreibungen (Cic. Flacc. 14, 32), ferner, daß bei dem Flottenbau 672 (81) die hierzu verwandten Summen an der Steuerzahlung (ex pecunia vectigali populo Romano) gekürzt werden (Cic. Verr. 1, 35, 89). Geradezu sagt endlich Cicero (ad Q. fr. 1, 11, 33), daß die Griechen „nicht imstande waren, von sich aus den von Sulla ihnen auferlegten Zins zu zahlen ohne Steuerpächter“.
- Überliefert ist es freilich nicht, von wem dasjenige Gesetz erlassen ward, welches die Erneuerung des älteren Privilegs durch das Roscische Theatergesetz 687 (67) nötig machte (Friedländer in Becker, Handbuch, Bd. 4, S. 531), aber nach der Lage der Sache war der Urheber dieses Gesetzes unzweifelhaft Sulla.
- Wieviele Quästoren bis dahin jährlich gewählt wurden, ist nicht bekannt. Im Jahre 487 (267) stellte sich die Zahl auf acht: zwei städtische, zwei Militär- und vier Flottenquästoren; wozu dann die in den Ämtern beschäftigten Quästoren hinzugetreten sind. Denn die Flottenquästuren in Ostia, Cales und so weiter gingen keineswegs ein, und auch die Militärquästoren konnten nicht anderweitig verwendet werden, da sonst der Konsul, wo er als Oberfeldherr auftrat, ohne Quästor gewesen sein würde. Da es nun bis auf Sulla neun Ämter gab, überdies nach Sizilien zwei Quästoren gingen, so könnte er möglicherweise schon achtzehn Quästoren vorgefunden haben. Wie indes auch die Zahl der Oberbeamten dieser Zeit beträchtlich geringer als die ihrer Kompetenzen gewesen und hier stets durch Fristerstreckung und andere Aushilfen Rat geschafft worden ist, überhaupt die Tendenz der römischen Regierung darauf ging, die Zahl der Beamten möglichst zu beschränken, so mag es auch mehr quästorische Kompetenzen gegeben haben als Quästoren, und es kann selbst sein, daß in kleine Provinzen, wie zum Beispiel Kilikien, in dieser Zeit gar kein Quästor ging. Aber sicher hat es doch schon vor Sulla mehr als acht Quästoren gegeben.
- Von einer festen Zahl der Senatoren kann genau genommen überhaupt nicht die Rede sein. Wenn auch die Zensoren vor Sulla jedesmal eine Liste von 300 Köpfen anfertigten, so traten doch zu dieser immer noch diejenigen Nichtsenatoren hinzu, die nach Abfassung der Liste bis zur Aufstellung der nächsten ein kurulisches Amt bekleideten; und nach Sulla gab es so viele Senatoren, als gerade Quästorier am Leben waren. Wohl aber ist anzunehmen, daß Sulla den Senat auf ungefähr 500 bis 600 Köpfe zu bringen bedacht war; und diese Zahl ergibt sich, wenn jährlich 20 neue Mitglieder von durchschnittlich 30 Jahren eintraten und man die durchschnittliche Dauer der senatorischen Würde auf 25 bis 30 Jahre ansetzt. In einer stark besuchten Senatssitzung der ciceronischen Zeit waren 417 Mitglieder anwesend.
- Darauf gehen die Worte des Lepidus bei Sallust (bist. 1, 41, 11 Dietsch): populus Romanus exutus … iure agitandi, auf die Tacitus (ann. 3, 27) anspielt: statim turbidis Lepidi rogationibus neque multo post tribunis reddita licentia quoquo vellent populum agitandi. Daß die Tribune nicht überhaupt das Recht verloren, mit dem Volke zu verhandeln, zeigt deutlicher als Cic. leg. 3, 4, 10 das Plebiszit de Thermensibus, welches aber auch in der Eingangsformel sich bezeichnet als de senatus sententia erlassen. Daß die Konsuln dagegen auch nach der Sullanischen Ordnung ohne vorgängigen Senatsbeschluß Anträge an das Volk bringen konnten, beweist nicht bloß das Stillschweigen der Quellen, sondern auch der Verlauf der Revolutionen von 667 (87) und 676 (78), deren Führer eben aus diesem Grunde nicht Tribune, sondern Konsuln gewesen sind. Darum begegnen auch in dieser Zeit konsularische Gesetze über administrative Nebenfragen, wie zum Beispiel das Getreidegesetz von 681 (73), für die zu andern Zeiten sicher Plebiszite eingetreten sein würden.
- Für diese Annahme gibt es keinen anderen Beweis, als daß das italische Keltenland eine Provinz in dem Sinne, wo das Wort einen geschlossenen und von einem jährlich erneuerten Statthalter verwalteten Sprengel bedeutet, in den älteren Zeiten ebenso entschieden nicht ist wie allerdings in der caesarischen es eine ist (vgl. Licin. p. 39: Data erat et Sullae provincia Gallia cisalpina).
- Nicht viel anders steht es mit der Vorschiebung der Grenze; wir wissen, daß ehemals der Aesis, zu Caesars Zeit der Rubico, das Keltenland von Italien schied, aber nicht, wann die Vorrückung stattfand. Man hat zwar daraus, daß Marcus Terentius Varro Lucullus als Proprätor in dem Distrikt zwischen Aesis und Rubico eine Grenzregulierung vornahm (Orelli 570), geschlossen, daß derselbe wenigstens im Jahre nach Lucullus‘ Prätur 679 (75) noch Provinzialland gewesen sein müsse, da auf italischem Boden der Proprätor nichts zu schaffen habe. Indes nur innerhalb des Pomerium hört jedes prorogierte Imperium von selber auf; in Italien dagegen ist auch nach Sullas Ordnung ein solches zwar nicht regelmäßig vorhanden, aber doch zulässig, und ein außerordentliches ist das von Lucullus bekleidete Amt doch auf jeden Fall gewesen. Wir können aber auch nachweisen, wann und wie Lucullus ein solches in dieser Gegend bekleidet hat. Gerade er war schon vor der Sullanischen Reorganisation 672 (82) als kommandierender Offizier eben hier tätig und wahrscheinlich, ebenwie Pompeius, von Sulla mit proprätorischer Gewalt ausgestattet; in dieser Eigenschaft wird er 672 (82) oder 673 (81) (vgl. App. 1, 95) die fragliche Grenze reguliert haben. Aus dieser Inschrift folgt also für die rechtliche Stellung Norditaliens überhaupt nichts und am wenigsten für die Zeit nach Sullas Diktatur. Dagegen ist es ein bemerkenswerter Fingerzeig, daß Sulla das römische Pomerium vorschob (Sen. dial. 10, 14; Dio Cass. 43, 50), was nach römischem Staatsrecht nur dem gestattet war, der nicht etwa die Reichs-, sondern die Stadt-, d. h. die italische Grenze vorgerückt hatte.
- Die italische Eidgenossenschaft ist viel älter; aber sie ist ein Staatenbund, nicht, wie das sullanische Italien, ein innerhalb des Römischen Reiches einheitlich abgegrenztes Staatsgebiet.
- Euripides, Medeia, 807:
- Es soll mich keiner achten schwächlich und gering,
Gutmütig nicht; ich bin gemacht aus anderm Stoff,
Den Feinden schrecklich und den Freunden liebevoll. - Nicht die Phthiriasis, wie ein anderer Bericht sagt; aus dem einfachen Grunde, daß eine solche Krankheit nur in der Phantasie existiert.