2. Kapitel

Der Krieg um Sizilien zwischen Rom und Karthago

Seit mehr als einem Jahrhundert verheerte die Fehde zwischen den Karthagern und den syrakusanischen Herren die schöne sizilische Insel. Von beiden Seiten ward der Krieg geführt einerseits mit politischem Propagandismus, indem Karthago Verbindungen unterhielt mit der aristokratisch-republikanischen Opposition in Syrakus, die syrakusanischen Dynasten mit der Nationalpartei in den Karthago zinspflichtig gewordenen Griechenstädten; anderseits mit Söldnerheeren, mit welchen Timoleon und Agathokles ebensowohl ihre Schlachten schlugen wie die phönikischen Feldherren. Und wie man auf beiden Seiten mit gleichen Mitteln focht, ward auch auf beiden Seiten mit gleicher, in der okzidentalischen Geschichte beispielloser Ehr- und Treulosigkeit gestritten. Die unterliegende Partei waren die Syrakusier. Noch im Frieden von 440 (314) hatte Karthago sich beschränkt auf das Drittel der Insel westlich von Herakleia, Minoa und Himera und hatte ausdrücklich die Hegemonie der Syrakusier über sämtliche östliche Städte anerkannt. Pyrrhos‘ Vertreibung aus Sizilien und Italien (479 275) ließ die bei weitem größere Hälfte der Insel und vor allem das wichtige Akragas in Karthagos Händen; den Syrakusiern blieb nichts als Tauromenion und der Südosten der Insel. In der zweiten großen Stadt an der Ostküste, in Messana, hatte eine fremdländische Soldatenschar sich festgesetzt und behauptete die Stadt, unabhängig von den Syrakusiern wie von den Karthagern. Es waren kampanische Landsknechte, die in Messana geboten. Das bei den in und um Capua angesiedelten Sabellern eingerissene wüste Wesen (I, 368) hatte im vierten und fünften Jahrhundert aus Kampanien gemacht, was später Ätolien, Kreta, Lakonien waren: den allgemeinen Werbeplatz für die söldnersuchenden Fürsten und Städte. Die von den kampanischen Griechen dort ins Leben gerufene Halbkultur, die barbarische Üppigkeit des Lebens in Capua und den übrigen kampanischen Städten, die politische Ohnmacht, zu der die römische Hegemonie sie verurteilte, ohne ihnen doch durch ein straffes Regiment die Verfügung über sich selbst vollständig zu entziehen – alles dies trieb die kampanische Jugend scharenweise unter die Fahnen der Werbeoffiziere; und es versteht sich, daß der leichtsinnige und gewissenlose Selbstverkauf hier wie überall die Entfremdung von der Heimat, die Gewöhnung an Gewalttätigkeit und Soldatenunfug und die Gleichgültigkeit gegen den Treuebruch im Gefolge hatte. Warum eine Söldnerschar sich der ihrer Hut anvertrauten Stadt nicht für sich selbst bemächtigen solle, vorausgesetzt nur, daß sie dieselbe zu behaupten imstande sei, leuchtete diesen Kampanern nicht ein – hatten doch die Samniten in Capua selbst, die Lucaner in einer Reihe griechischer Städte ihre Herrschaft in nicht viel ehrenhafterer Weise begründet. Nirgend luden die politischen Verhältnisse mehr zu solchen Unternehmungen ein als in Sizilien; schon die während des Peloponnesischen Krieges nach Sizilien gelangten kampanischen Hauptleute hatten in Entella und Aetna in solcher Art sich eingenistet. Etwa um das Jahr 470 (284) setzte ein kampanischer Trupp, der früher unter Agathokles gedient hatte und nach dessen Tode (465 289) das Räuberhandwerk auf eigene Rechnung trieb, sich fest in Messana, der zweiten Stadt des griechischen Siziliens und dem Hauptsitz der antisyrakusanischen Partei in dem noch von Griechen beherrschten Teile der Insel. Die Bürger wurden erschlagen oder vertrieben, die Frauen und Kinder und die Häuser derselben unter die Soldaten verteilt und die neuen Herren der Stadt, die „Marsmänner“, wie sie sich nannten, oder die Mamertiner wurden bald die dritte Macht der Insel, deren nordöstlichen Teil sie in den wüsten Zeiten nach Agathokles‘ Tode sich unterwarfen. Die Karthager sahen nicht ungern diese Vorgänge, durch welche die Syrakusier anstatt einer stammverwandten und in der Regel ihnen verbündeten oder untertänigen Stadt einen neuen und mächtigen Gegner in nächster Nähe erhielten; mit karthagischer Hilfe behaupteten die Mamertiner sich gegen Pyrrhos und der unzeitige Abzug des Königs gab ihnen ihre ganze Macht zurück.

Es ziemt der Historie weder, den treulosen Frevel zu entschuldigen, durch den sie der Herrschaft sich bemächtigten, noch zu vergessen, daß der Gott, der die Sünde der Väter straft bis ins vierte Glied, nicht der Gott der Geschichte ist. Wer sich berufen fühlt, die Sünden anderer zu richten, mag die Menschen verdammen; für Sizilien konnte es heilbringend sein, daß hier eine streitkräftige und der Insel eigene Macht sich zu bilden anfing, die schon bis achttausend Mann ins Feld zu stellen vermochte und die allmählich sich in den Stand setzte, den Kampf, welchem die trotz der ewigen Kriege sich immer mehr der Waffen entwöhnenden Hellenen nicht mehr gewachsen waren, zu rechter Zeit gegen die Ausländer mit eigenen Kräften aufzunehmen.

Zunächst indes kam es anders. Ein junger syrakusanischer Offizier, der durch seine Abstammung aus dem Geschlechte Gelons und durch seine engen verwandtschaftlichen Beziehungen zum König Pyrrhos ebenso sehr wie durch die Auszeichnung, mit der er in dessen Feldzügen gefochten hatte, die Blicke seiner Mitbürger wie die der syrakusanischen Soldateska auf sich gelenkt hatte, Hieron, des Hierokles Sohn, ward durch eine militärische Wahl an die Spitze des mit den Bürgern hadernden Heeres gerufen (479/80 275/74). Durch seine kluge Verwaltung, sein adliges Wesen und seinen mäßigen Sinn gewann er schnell sich die Herzen der syrakusanischen, des schändlichsten Despotenunfugs gewohnten Bürgerschaft und überhaupt der sizilischen Griechen. Er entledigte sich, freilich auf treulose Weise, des unbotmäßigen Söldnerheeres, regenerierte die Bürgermiliz und versuchte, anfangs mit dem Titel als Feldherr, später als König, mit den Bürgertruppen und frischen und lenksameren Geworbenen die tiefgesunkene hellenische Macht wiederherzustellen. Mit den Karthagern, die im Einverständnis mit den Griechen den König Pyrrhos von der Insel vertrieben hatten, war damals Friede; die nächsten Feinde der Syrakusier waren die Mamertiner, die Stammgenossen der verhaßten, vor kurzem ausgerotteten Söldner, die Mörder ihrer griechischen Wirte, die Schmälerer des syrakusanischen Gebiets, die Zwingherren und Brandschatzer einer Menge kleinerer griechischer Städte. Im Bunde mit den Römern, die eben um diese Zeit gegen die Bundes-, Stamm- und Frevelgenossen der Mamertiner, die Kampaner in Rhegion, ihre Legionen schickten, wandte Hieron sich gegen Messana. Durch einen großen Sieg, nach welchem Hieron zum König der Sikelioten ausgerufen ward (484 270), gelang es, die Mamertiner in ihre Städte einzuschließen, und nachdem die Belagerung einige Jahre gewährt hatte, sahen die Mamertiner sich aufs äußerste gebracht und außerstande, die Stadt gegen Hieron länger mit eigenen Kräften zu behaupten. Daß eine Übergabe auf Bedingungen nicht möglich war und das Henkerbeil, das die rheginischen Kampaner in Rom getroffen hatte, ebenso sicher in Syrakus der messanischen wartete, leuchtete ein; die einzige Rettung war die Auslieferung der Stadt entweder an die Karthager oder an die Römer, denen beiden hinreichend gelegen sein mußte an der Eroberung des wichtigen Platzes, um über alle anderen Bedenken hinwegzusehen. Ob es vorteilhafter sei, den Herren Afrikas oder den Herren Italiens sich zu ergeben, war zweifelhaft; nach langem Schwanken entschied sich endlich die Majorität der kampanischen Bürgerschaft, den Besitz der meerbeherrschenden Festung den Römern anzutragen.

Es war ein weltgeschichtlicher Moment von der tiefsten Bedeutung, als die Boten der Mamertiner im römischen Senat erschienen. Zwar was alles an dem überschreiten des schmalen Meerarms hing, konnte damals niemand ahnen; aber daß an diese Entscheidung, wie sie immer ausfiel, ganz andere und wichtigere Folgen sich knüpfen würden als an irgendeinen der bisher vom Senat gefaßten Beschlüsse, mußte jedem der ratschlagenden Väter der Stadt offenbar sein. Streng rechtliche Männer freilich mochten fragen, wie es möglich sei, überhaupt zu ratschlagen; wie man daran denken könne, nicht bloß das Bündnis mit Hieron zu brechen, sondern, nachdem eben erst die rheginischen Kampaner mit gerechter Härte von den Römern bestraft worden waren, jetzt ihre nicht weniger schuldigen sizilischen Spießgesellen zum Bündnis und zur Freundschaft von Staats wegen zuzulassen und sie der verdienten Strafe zu entziehen. Man gab damit ein Ärgernis, das nicht bloß den Gegnern Stoff zu Deklamationen liefern, sondern auch sittliche Gemüter ernstlich empören mußte. Allein wohl mochte auch der Staatsmann, dem die politische Moral keineswegs bloß eine Phrase war, zurückfragen, wie man römische Bürger, die den Fahneneid gebrochen und römische Bundesgenossen hinterlistig gemordet hatten, gleichstellen könne mit Fremden, die gegen Fremde gefrevelt hätten, wo jenen zu Richtern, diesen zu Rächern die Römer niemand bestellt habe. Hätte es sich nur darum gehandelt, ob die Syrakusaner oder die Mamertiner in Messana geboten, so konnte Rom allerdings sich diese wie jene gefallen lassen. Rom strebte nach dem Besitz Italiens, wie Karthago nach dem Siziliens; schwerlich gingen beider Mächte Pläne damals weiter. Allein eben darin lag es begründet, daß jede an ihrer Grenze eine Mittelmacht zu haben und zu halten wünschte – so die Karthager Tarent, die Römer Syrakus und Messana – und daß sie, als dies unmöglich geworden war, die Grenzplätze lieber sich gönnten als der anderen Großmacht. Wie Karthago in Italien versucht hatte, als Rhegion und Tarent von den Römern in Besitz genommen werden sollten, diese Städte für sich zu gewinnen und nur durch Zufall daran gehindert worden war, so bot jetzt in Sizilien sich für Rom die Gelegenheit dar, die Stadt Messana in seine Symmachie zu ziehen; schlug man sie aus, so durfte man nicht erwarten, daß die Stadt selbständig blieb oder syrakusanisch ward, sondern man warf sie selbst den Phönikern in die Arme. War es gerechtfertigt, die Gelegenheit entschlüpfen zu lassen, die sicher so nicht wiederkehrte, sich des natürlichen Brückenkopfs zwischen Italien und Sizilien zu bemächtigen und ihn durch eine tapfere und aus guten Gründen zuverlässige Besatzung zu sichern? gerechtfertigt, mit dem Verzicht auf Messana die Herrschaft über den letzten freien Paß zwischen der Ost- und Westsee und die Handelsfreiheit Italiens aufzuopfern? Zwar ließen sich gegen die Besetzung Messanas auch Bedenken anderer Art geltend machen, als die der Gefühls- und Rechtlichkeitspolitik waren. Daß sie zu einem Kriege mit Karthago führen mußte, war das geringste derselben; so ernst ein solcher war, Rom hatte ihn nicht zu fürchten. Aber wichtiger war es, daß man mit dem Überschreiten der See abwich von der bisherigen rein italischen und rein kontinentalen Politik; man gab das System auf, durch welches die Väter Roms Größe gegründet hatten, um ein anderes zu erwählen, dessen Ergebnisse vorherzusagen niemand vermochte. Es war einer der Augenblicke, wo die Berechnung aufhört und wo der Glaube an den eigenen Stern und an den Stern des Vaterlandes allein den Mut gibt, die Hand zu fassen, die aus dem Dunkel der Zukunft winkt, und ihr zu folgen, es weiß keiner wohin. Lange und ernst beriet der Senat über den Antrag der Konsuln, die Legionen den Mamertinern zu Hilfe zu führen; er kam zu keinem entscheidenden Beschluß. Aber in der Bürgerschaft, an welche die Sache verwiesen ward, lebte das frische Gefühl der durch eigene Kraft gegründeten Großmacht. Die Eroberung Italiens gab den Römern, wie die Griechenlands den Makedoniern, wie die Schlesiens den Preußen, den Mut, eine neue politische Bahn zu betreten; formell motiviert war die Unterstützung der Mamertiner durch die Schutzherrschaft, die Rom über sämtliche Italiker ansprach. Die überseeischen Italiker wurden in die italische Eidgenossenschaft aufgenommen6 und auf Antrag der Konsuln von der Bürgerschaft beschlossen, ihnen Hilfe zu senden (489 265).

Es kam darauf an, wie die beiden durch diese Intervention der Römer in die Angelegenheiten der Insel zunächst betroffenen und beide bisher dem Namen nach mit Rom verbündeten sizilischen Mächte dieselbe aufnehmen würden. Hieron hatte Grund genug, die an ihn ergangene Aufforderung der Römer, gegen ihre neuen Bundesgenossen in Messana die Feindseligkeiten einzustellen, ebenso zu behandeln, wie die Samniten und die Lucaner in gleichem Fall die Besetzung von Capua und Thurii aufgenommen hatten und den Römern mit einer Kriegserklärung zu antworten; blieb er indes allein, so war ein solcher Krieg eine Torheit und von seiner vorsichtigen und gemäßigten Politik konnte man erwarten, daß er in das Unvermeidliche sich fügen werde, wenn Karthago sich ruhig verhielt. Unmöglich schien dies nicht. Eine römische Gesandtschaft ging jetzt (489 265), sieben Jahre nach dem Versuch der phönikischen Flotte, sich Tarents zu bemächtigen, nach Karthago, um Aufklärung wegen dieser Vorgänge zu verlangen; die nicht unbegründeten, aber halb vergessenen Beschwerden tauchten auf einmal wieder auf – es schien nicht überflüssig, unter anderen Kriegsvorbereitungen auch die diplomatische Rüstkammer mit Kriegsgründen zu füllen und für die künftigen Manifeste sich, wie die Römer es pflegten, die Rolle des angegriffenen Teils zu reservieren. Wenigstens das konnte man mit vollem Rechte sagen, daß die beiderseitigen Unternehmungen auf Tarent und auf Messana der Absicht und dem Rechtsgrund nach vollkommen gleichstanden und nur der zufällige Erfolg den Unterschied machte. Karthago vermied den offenen Bruch. Die Gesandten brachten nach Rom die Desavouierung des karthagischen Admirals zurück, der den Versuch auf Tarent gemacht hatte, nebst den erforderlichen falschen Eiden; auch die karthagischen Gegenbeschuldigungen, die natürlich nicht fehlten, waren gemäßigt gehalten und unterließen es, die beabsichtigte Invasion Siziliens als Kriegsgrund zu bezeichnen. Sie war es indes; denn wie Rom die italischen, so betrachtete Karthago die sizilischen Angelegenheiten als innere, in die eine unabhängige Macht keinen Eingriff gestatten kann, und war entschlossen, hiernach zu handeln. Nur ging die phönikische Politik einen leiseren Gang, als der der offenen Kriegsdrohung war. Als die Vorbereitungen zu der römischen Hilfesendung an die Mamertiner endlich so weit gediehen waren, daß die Flotte, gebildet aus den Kriegsschiffen von Neapel, Tarent, Velia und Lokri, und die Vorhut des römischen Landheeres unter dem Kriegstribun Gaius Claudius in Rhegion erschienen (Frühling 490 264), kam ihnen von Messana die unerwartete Botschaft, daß die Karthager im Einverständnis mit der antirömischen Partei in Messana, als neutrale Macht einen Frieden zwischen Hieron und den Mamertinern vermittelt hätten; daß die Belagerung also aufgehoben sei und daß im Hafen von Messana eine karthagische Flotte, in der Burg karthagische Besatzung liege, beide unter dem Befehl des Admirals Hanno. Die jetzt vom karthagischen Einfluß beherrschte mamertinische Bürgerschaft ließ, unter verbindlichem Dank für die schleunig gewährte Bundeshilfe, den römischen Befehlshabern anzeigen, daß man sich freue, derselben nicht mehr zu bedürfen. Der gewandte und verwegene Offizier, der die römische Vorhut befehligte, ging nichtsdestoweniger mit seinen Truppen unter Segel. Die Karthager wiesen die römischen Schiffe zurück und brachten sogar einige derselben auf; doch sandte der karthagische Admiral, eingedenk der strengen Befehle, keine Veranlassung zum Ausbruch der Feindseligkeiten zugeben, den guten Freunden jenseits der Meerenge dieselben zurück. Es schien fast, als hätten die Römer vor Messana sich ebenso nutzlos kompromittiert wie die Karthager vor Tarent. Aber Claudius ließ sich nicht abschrecken, und bei einem zweiten Versuch gelang die Landung. Kaum angelangt, berief er die Bürgerschaft zur Versammlung, und auf seinen Wunsch erschien in derselben gleichfalls der karthagische Admiral, noch immer wähnend, den offenen Bruch vermeiden zu können. Allein in der Versammlung selbst bemächtigten die Römer sich seiner Person, und Hanno sowie die schwache und führerlose phönikische Besatzung auf der Burg waren kleinmütig genug, jener, seinen Truppen den Befehl zum Abzug zu geben, diese, dem Befehl des gefangenen Feldherrn nachzukommen und mit ihm die Stadt zu räumen. So war der Brückenkopf der Insel in den Händen der Römer.

Die karthagischen Behörden, mit Recht erzürnt über die Torheit und Schwäche ihres Feldherrn, ließen ihn hinrichten und erklärten den Römern den Krieg. Vor allem galt es, den verlorenen Platz wiederzugewinnen. Eine starke karthagische Flotte, geführt von Hanno, Hannibals Sohn, erschien auf der Höhe von Messana. Während sie selber die Meerenge sperrte, begann die von ihr ans Land gesetzte karthagische Armee die Belagerung von der Nordseite; Hieron, der nur auf das Losschlagen der Karthager gewartet hatte, um den Krieg gegen Rom zu beginnen, führte sein kaum zurückgezogenes Heer wieder gegen Messana und übernahm den Angriff auf die Südseite der Stadt.

Allein mittlerweile war auch der römische Konsul Appius Claudius Caudex mit dem Hauptheer in Rhegion erschienen, und in einer dunklen Nacht gelang die Überfahrt trotz der karthagischen Flotte. Kühnheit und Glück waren mit den Römern; die Verbündeten, nicht gefaßt auf einen Angriff des gesamten römischen Heeres und daher nicht vereinigt, wurden von den aus der Stadt ausrückenden römischen Legionen einzeln geschlagen und damit die Belagerung aufgehoben. Den Sommer über behauptete das römische Heer das Feld und machte sogar einen Versuch auf Syrakus; allein nachdem dieser gescheitert war und auch die Belagerung von Echetla (an der Grenze der Gebiete von Syrakus und Karthago) mit Verlust hatte aufgegeben werden müssen, kehrte das römische Heer zurück nach Messana und von da unter Zurücklassung einer starken Besatzung nach Italien. Die Erfolge dieses ersten außeritalischen Feldzugs der Römer mögen daheim der Erwartung nicht ganz entsprochen haben, da der Konsul nicht triumphierte; indes konnte das kräftige Auftreten der Römer in Sizilien nicht verfehlen, auf die Griechen daselbst großen Eindruck zu machen. Im folgenden Jahre betraten beide Konsuln und ein doppelt so starkes Heer ungehindert die Insel. Der eine derselben, Marcus Valerius Maximus, seitdem von diesem Feldzug „der von Messana“ (Messalla) genannt, erfocht einen glänzenden Sieg über die verbündeten Karthager und Syrakusaner; und als nach dieser Schlacht das phönikische Heer nicht mehr gegen die Römer das Feld zu halten wagte, da fielen nicht bloß Alaesa, Kentoripa und überhaupt die kleineren griechischen Städte den Römern zu, sondern Hieron selbst verließ die karthagische Partei und machte Frieden und Bündnis mit den Römern (491 263). Er folgte einer richtigen Politik, indem er, sowie sich gezeigt hatte, daß es den Römern mit dem Einschreiten in Sizilien Ernst war, sich sofort ihnen anschloß, als es noch Zeit war, den Frieden ohne Abtretungen und Opfer zu erkaufen. Die sizilischen Mittelstaaten, Syrakus und Messana, die eine eigene Politik nicht durchführen konnten und nur zwischen römischer und karthagischer Hegemonie zu wählen hatten, mußten jedenfalls die erstere vorziehen, da die Römer damals sehr wahrscheinlich noch nicht die Insel für sich zu erobern beabsichtigten, sondern nur sie nicht von Karthago erobern zu lassen, und auf alle Fälle anstatt des karthagischen Tyrannisier- und Monopolisiersystems von Rom eine leidlichere Behandlung und Schutz der Handelsfreiheit zu erwarten war. Hieron blieb seitdem der wichtigste, standhafteste und geachtetste Bundesgenosse der Römer auf der Insel.

Für die Römer war hiermit das nächste Ziel erreicht. Durch das Doppelbündnis mit Messana und Syrakus und den festen Besitz der ganzen Ostküste war die Landung auf der Insel und die bis dahin sehr schwierige Unterhaltung der Heere gesichert und verlor der bisher bedenkliche und unberechenbare Krieg einen großen Teil seines waglichen Charakters. Man machte denn auch für denselben nicht größere Anstrengungen als für die Kriege in Samnium und Etrurien; die zwei Legionen, die man für das nächste Jahr (492 262) nach der Insel hinübersandte, reichten aus, um im Einverständnis mit den sizilischen Griechen die Karthager überall in die Festungen zurückzutreiben. Der Oberbefehlshaber der Karthager, Hannibal, Gisgons Sohn, warf mit dem Kern seiner Truppen sich in Akragas, um diese wichtigste karthagische Landstadt aufs äußerste zu verteidigen. Unfähig, die feste Stadt zu stürmen, blockierten die Römer sie mit verschanzten Linien und einem doppelten Lager; die Eingeschlossenen, die bis 50000 Köpfe zählten, litten bald Mangel am Notwendigen. Zum Entsatz landete der karthagische Admiral Hanno bei Herakleia und schnitt seinerseits der römischen Belagerungsarmee die Zufuhr ab. Auf beiden Seiten war die Not groß; man entschloß sich endlich zu einer Schlacht, um aus den Bedrängnissen und der Ungewißheit herauszukommen. In dieser zeigte sich die numidische Reiterei ebensosehr der römischen überlegen wie der phönikischen Infanterie das römische Fußvolk; das letztere entschied den Sieg, allein die Verluste auch der Römer waren sehr beträchtlich. Der Erfolg der gewonnenen Schlacht ward zum Teil dadurch verscherzt, daß es nach der Schlacht während der Verwirrung und der Ermüdung der Sieger der belagerten Armee gelang, aus der Stadt zu entkommen und die Flotte zu erreichen; dennoch war der Sieg von Bedeutung. Akragas fiel dadurch in die Hände der Römer und damit war die ganze Insel in ihrer Gewalt mit Ausnahme der Seefestungen, in denen der karthagische Feldherr Hamilkar, Hannos Nachfolger im Oberbefehl, sich bis an die Zähne verschanzte und weder durch Gewalt noch durch Hunger zu vertreiben war. Der Krieg spann von da an sich nur fort durch die Ausfälle der Karthager aus den sizilischen Festungen und durch ihre Landungen an den italischen Küsten.

In der Tat empfanden die Römer erst jetzt die wirklichen Schwierigkeiten des Krieges. Wenn die karthagischen Diplomaten, wie erzählt wird, vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten die Römer warnten, es nicht bis zum Bruche zu treiben, denn wider ihren Willen könne kein Römer auch nur die Hände sich im Meer waschen, so war diese Drohung wohl begründet. Die karthagische Flotte beherrschte ohne Nebenbuhler die See und hielt nicht bloß die sizilischen Küstenstädte im Gehorsam und mit allem Notwendigen versehen, sondern bedrohte auch Italien mit einer Landung, weswegen schon 492 (262) dort eine konsularische Armee hatte zurückbleiben müssen. Zwar zu einer größeren Invasion kam es nicht; allein wohl landeten kleinere karthagische Abteilungen an den italischen Küsten und brandschatzten die Bundesgenossen und, was schlimmer als alles Übrige war, der Handel Roms und seiner Bundesgenossen war völlig gelähmt; es brauchte nicht lange so fortzugehen, um Caere, Ostia, Neapel, Tarent, Syrakus vollständig zugrunde zu richten, während die Karthager über die Kontributionssummen und den reichen Kaperfang die ausbleibenden sizilischen Tribute leicht verschmerzten. Die Römer erfuhren jetzt, was Dionysios, Agathokles und Pyrrhos erfahren hatten, daß es ebenso leicht war, die Karthager aus dem Felde zu schlagen, als schwierig, sie zu überwinden. Man sah es ein, daß alles darauf ankam, eine Flotte zu schaffen und beschloß eine solche von zwanzig Drei- und hundert Fünfdeckern herzustellen. Die Ausführung indes dieses energischen Beschlusses war nicht leicht. Zwar die aus den Rhetorschulen stammende Darstellung, die glauben machen möchte, als hätten damals zuerst die Römer die Ruder ins Wasser getaucht, ist eine kindische Phrase; Italiens Handelsmarine mußte um diese Zeit sehr ausgedehnt sein, und auch an italischen Kriegsschiffen fehlte es keineswegs. Aber es waren dies Kriegsbarken und Dreidecker, wie sie in früherer Zeit üblich gewesen waren; Fünfdecker, die nach dem neueren, besonders von Karthago ausgehenden System des Seekrieges fast ausschließlich in der Linie verwendet wurden, hatte man in Italien noch nicht gebaut. Die Maßregel der Römer war also ungefähr derart, wie wenn jetzt ein Seestaat von Fregatten und Kuttern übergehen wollte zum Bau von Linienschiffen; und eben wie man heute in solchem Fall womöglich ein fremdes Linienschiff zum Muster nehmen würde, überwiesen auch die Römer ihren Schiffsbaumeistern eine gestrandete karthagische Pentere als Modell. Ohne Zweifel hätten die Römer, wenn sie gewollt hätten, mit Hilfe der Syrakusaner und Massalioten schneller zum Ziele gelangen können; allein ihre Staatsmänner waren zu einsichtig, um Italien durch eine nichtitalische Flotte verteidigen zu wollen. Dagegen wurden die italischen Bundesgenossen stark angezogen sowohl für die Schiffsoffiziere, die man größtenteils aus der italischen Handelsmarine genommen haben wird, als für die Matrosen, deren Name (socii navales) beweist, daß sie eine Zeitlang ausschließlich von den Bundesgenossen gestellt wurden; daneben wurden später Sklaven, die der Staat und die reicheren Familien lieferten, und bald auch die ärmere Klasse der Bürger verwandt. Unter solchen Verhältnissen, und wenn man teils den damaligen, verhältnismäßig niedrigen Stand des Schiffsbaus, teils die römische Energie wie billig in Anschlag bringt, wird es begreiflich, daß die Römer die Aufgabe, an der Napoleon gescheitert ist, eine Kontinental- in eine Seemacht umzuwandeln, innerhalb eines Jahres lösten und ihre Flotte von hundertundzwanzig Segeln in der Tat im Frühjahr 494 (260) vom Stapel lief. Freilich kam dieselbe der karthagischen an Zahl und Segeltüchtigkeit keineswegs gleich; und es fiel dies um so mehr ins Gewicht, als die Seetaktik dieser Zeit vorwiegend im Manövrieren bestand. Daß Schwergerüstete und Bogenschützen vom Verdeck herab fochten, oder daß Wurfmaschinen von demselben aus arbeiteten, gehörte zwar auch zum Seegefecht dieser Zeit; allein der gewöhnliche und eigentlich entscheidende Kampf bestand im Niedersegeln der feindlichen Schiffe, zu welchem Zwecke die Vorderteile mit schweren Eisenschnäbeln versehen waren; die kämpfenden Schiffe pflegten einander zu umkreisen, bis dem einen oder dem andern der Stoß gelang, der gewöhnlich entschied. Deshalb befanden sich unter der Bemannung eines gewöhnlichen griechischen Dreideckers von etwa 200 Mann nur etwa zehn Soldaten, dagegen 170 Ruderer, 50 bis 60 für jedes Deck; die des Fünfdeckers zählte etwa 300 Ruderer, und Soldaten nach Verhältnis.

Man kam auf den glücklichen Gedanken, das, was den römischen Schiffen bei ihren ungeübten Schiffsoffizieren und Rudermannschaften an Manövrierfähigkeit notwendig abgehen mußte, dadurch zu ersetzen, daß man den Soldaten im Seegefecht wiederum eine bedeutendere Rolle zuteilte. Man brachte auf dem Vorderteil des Schiffes eine fliegende Brücke an, welche nach vorn wie nach beiden Seiten hin niedergelassen werden konnte; sie war zu beiden Seiten mit Brustwehren versehen und hatte Raum für zwei Mann in der Front. Wenn das feindliche Schiff zum Stoß auf das römische heransegelte oder, nachdem der Stoß vermieden war, demselben zur Seite lag, schlug diese Brücke auf dessen Verdeck nieder und mittels eines eisernen Stachels in dasselbe ein; wodurch nicht bloß das Niedersegeln verhindert, sondern es auch den römischen Schiffssoldaten möglich ward, über die Brücke auf das feindliche Verdeck hinüberzugehen und dasselbe wie im Landgefecht zu erstürmen. Eine eigene Schiffsmiliz ward nicht gebildet, sondern nach Bedürfnis die Landtruppen zu diesem Schiffsdienst verwandt; es kommt vor, daß in einer großen Seeschlacht, wo freilich die römische Flotte zugleich die Landungsarmee an Bord hat, bis 120 Legionarier auf den einzelnen Schiffen fechten.

So schufen sich die Römer eine Flotte, die der karthagischen gewachsen war. Diejenigen irren, die aus dem römischen Flottenbau ein Feenmärchen machen, und verfehlen überdies ihren Zweck; man muß begreifen um zu bewundern. Der Flottenbau der Römer war eben gar nichts als ein großartiges Nationalwerk, wo durch Einsicht in das Nötige und Mögliche, durch geniale Erfindsamkeit, durch Energie in Entschluß und Ausführung das Vaterland aus einer Lage gerissen ward, die übler war, als sie zunächst schien.

Der Anfang indes war den Römern nicht günstig. Der römische Admiral, der Konsul Gnaeus Cornelius Scipio, der mit den ersten siebzehn segelfertigen Fahrzeugen nach Messana in See gegangen war (494 260), meinte auf der Fahrt Lipara durch einen Handstreich wegnehmen zu können. Allein eine Abteilung der bei Panormos stationierten karthagischen Flotte sperrte den Hafen der Insel, in dem die römischen Schiffe vor Anker gegangen waren, und nahm die ganze Eskadre mit dem Konsul ohne Kampf gefangen. Indes dies schreckte die Hauptflotte nicht ab, sowie die Vorbereitungen beendigt waren, gleichfalls nach Messana unter Segel zu gehen. Auf der Fahrt längs der italischen Küste traf sie auf ein schwächeres karthagisches Rekognoszierungsgeschwader, dem sie das Glück hatte, einen den ersten römischen mehr als aufwiegenden Verlust zuzufügen, und traf also glücklich und siegreich im Hafen von Messana ein, wo der zweite Konsul Gaius Duilius das Kommando an der Stelle seines gefangenen Kollegen übernahm. An der Landspitze von Mylae, nordwestlich von Messana, traf die karthagische Flotte, die unter Hannibal von Panormos herankam, auf die römische, welche hier ihre erste größere Probe bestand. Die Karthager, in den schlecht segelnden und unbehilflichen römischen Schiffen eine leichte Beute erblickend, stürzten sich in aufgelöster Linie auf dieselben; aber die neu erfundenen Enterbrücken bewährten sich vollkommen. Die römischen Schiffe fesselten und stürmten die feindlichen, wie sie einzeln heransegelten; es war ihnen weder von vorn, noch von den Seiten beizukommen, ohne daß die gefährliche Brücke sich niedersenkte auf das feindliche Verdeck. Als die Schlacht zu Ende war, waren gegen fünfzig karthagische Schiffe, fast die Hälfte der Flotte, von den Römern versenkt oder genommen, unter den letzteren das Admiralsschiff Hannibals, einst das des Königs Pyrrhos. Der Gewinn war groß; noch größer der moralische Eindruck. Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte das Mittel in der Hand, den Krieg, der endlos sich hinauszuspinnen und dem italischen Handel den Ruin zu drohen schien, energisch zu Ende zu führen.

Es gab dazu einen doppelten Weg. Man konnte entweder Karthago auf den italischen Inseln angreifen und ihm die Küstenfestungen Siziliens und Sardiniens eine nach der andern entreißen, was vielleicht durch gut kombinierte Operationen zu Lande und zur See ausführbar war; war dies durchgesetzt, so konnte entweder mit Karthago auf Grund der Abtretung dieser Inseln Friede geschlossen, oder, wenn dies mißlang oder nicht genügte, der zweite Akt des Krieges nach Afrika verlegt werden. Oder man konnte die Inseln vernachlässigen und sich gleich mit aller Macht auf Afrika werfen, nicht in Agathokles‘ abenteuernder Art die Schiffe hinter sich verbrennend und alles setzend auf den Sieg eines verzweifelten Haufens, sondern durch eine starke Flotte die Verbindungen der afrikanischen Invasionsarmee mit Italien deckend; in diesem Falle ließ sich entweder von der Bestürzung der Feinde nach den ersten Erfolgen ein mäßiger Friede erwarten oder, wenn man wollte, mit äußerster Gewalt den Feind zu vollständiger Ergebung nötigen.

Man wählte zunächst den ersten Operationsplan. Im Jahre nach der Schlacht von Mylae (495 259) erstürmte der Konsul Lucius Scipio den Hafen Aleria auf Korsika – wir besitzen noch den Grabstein des Feldherrn, der dieser Tat gedenkt – und machte aus Korsika eine Seestation gegen Sardinien. Ein Versuch, sich auf der Nordküste dieser Insel in Ulbia festzusetzen, mißlang, da es der Flotte an Landungstruppen fehlte. Im folgenden Jahre (496 258) ward er zwar mit besserem Erfolg wiederholt und die offenen Flecken an der Küste geplündert; aber zu einer bleibenden Festsetzung der Römer kam es nicht. Ebensowenig kam man in Sizilien vorwärts. Hamilkar führte energisch und geschickt den Krieg nicht bloß mit Waffen zu Lande und zur See, sondern auch mit der politischen Propaganda; von den zahllosen kleinen Landstädten fielen jährlich einige von den Römern ab und mußten den Phönikern mühsam wieder entrissen werden, und in den Küstenfestungen behaupteten die Karthager sich unangefochten, namentlich in ihrem Hauptquartier Panormos und in ihrem neuen Waffenplatz Drepana, wohin der leichteren Seeverteidigung wegen Hamilkar die Bewohner des Eryx übergesiedelt hatte. Ein zweites großes Seetreffen am Tyndarischen Vorgebirg (497 257), in dem beide Teile sich den Sieg zuschrieben, änderte nichts an der Lage der Dinge. In dieser Weise kam man nicht vom Fleck, mochte die Schuld nun an dem geteilten und schnell wechselnden Oberbefehl der römischen Truppen liegen, der die konzentrierte Gesamtleitung einer Reihe kleinerer Operationen ungemein erschwerte, oder auch an den allgemeinen strategischen Verhältnissen, welche allerdings in einem solchen Fall nach dem damaligen Stande der Kriegswissenschaft sich für den Angreifer überhaupt (I, 426) und ganz besonders für die noch im Anfang der wissenschaftlichen Kriegskunst stehenden Römer ungünstig stellten. Mittlerweile litt, wenn auch die Brandschatzung der italischen Küsten aufgehört hatte, doch der italische Handel nicht viel weniger als vor dem Flottenbau. Müde des erfolglosen Ganges der Operationen und ungeduldig, dem Kriege ein Ziel zu setzen, beschloß der Senat, das System zu ändern und Karthago in Afrika anzugreifen. Im Frühjahr 498 (256) ging eine Flotte von 330 Linienschiffen unter Segel nach der libyschen Küste; an der Mündung des Himeraflusses am südlichen Ufer Siziliens nahm sie das Landungsheer an Bord: es waren vier Legionen unter der Führung der beiden Konsuln Marcus Atilius Regulus und Lucius Manlius Volso, beides erprobte Generale. Der karthagische Admiral ließ es geschehen, daß die feindlichen Truppen sich einschifften; aber auf der weiteren Fahrt nach Afrika fanden die Römer die feindliche Flotte auf der Höhe von Eknomos in Schlachtordnung aufgestellt, um die Heimat vor der Invasion zu decken. Nicht leicht haben größere Massen zur See gefochten als in dieser Schlacht gegeneinander standen. Die römische Flotte von 330 Segeln zählte mindestens 100000 Mann an Schiffsbemannung außer der etwa 40000 Mann starken Landungsarmee; die karthagische von 350 Schiffen trug an Bemannung mindestens die gleiche Zahl, so daß gegen dreimalhunderttausend Menschen an diesem Tage aufgeboten waren, um zwischen den beiden mächtigen Bürgerschaften zu entscheiden. Die Phöniker standen in einfacher weitausgedehnter Linie, mit dem linken Flügel gelehnt an die sizilische Küste. Die Römer ordneten sich ins Dreieck, die Admiralschiffe der beiden Konsuln an der Spitze, in schräger Linie rechts und links neben ihnen das erste und zweite Geschwader, endlich das dritte mit den zum Transport der Reiterei gebauten Fahrzeugen im Schlepptau in der Linie, die das Dreieck schloß. Also segelten sie dichtgeschlossen auf den Feind. Langsamer folgte ein viertes in Reserve gestelltes Geschwader. Der keilförmige Angriff durchbrach ohne Mühe die karthagische Linie, da das zunächst angegriffene Zentrum derselben absichtlich zurückwich, und die Schlacht löste sich auf in drei gesonderte Treffen. Während die Admirale mit den beiden auf den Flügeln aufgestellten Geschwadern dem karthagischen Zentrum nachsetzten und mit ihm handgemein wurden, schwenkte der linke, an der Küste aufgestellte Flügel der Karthager auf das dritte römische Geschwader ein, welches durch die Schleppschiffe gehindert ward, den beiden vorderen zu folgen, und drängte dasselbe in heftigem und überlegenem Angriff gegen das Ufer; gleichzeitig wurde die römische Reserve von dem rechten karthagischen Flügel auf der hohen See umgangen und von hinten angefallen. Das erste dieser drei Treffen war bald zu Ende: die Schiffe des karthagischen Mitteltreffens, offenbar viel schwächer als die beiden gegen sie fechtenden römischen Geschwader, wandten sich zur Flucht. Mittlerweile hatten die beiden anderen Abteilungen der Römer einen harten Stand gegen den überlegenen Feind; allein im Nahgefecht kamen die gefürchteten Enterbrücken ihnen zustatten, und mit deren Hilfe gelang es, sich so lange zu halten, bis die beiden Admirale mit ihren Schiffen herankommen konnten. Dadurch erhielt die römische Reserve Luft, und die karthagischen Schiffe des rechten Flügels suchten vor der Übermacht das Weite. Nun, nachdem auch dieser Kampf zum Vorteil der Römer entschieden, fielen alle noch seefähigen römischen Schiffe dem hartnäckig seinen Vorteil verfolgenden karthagischen linken Flügel in den Rücken, so daß dieser umzingelt und fast alle Schiffe desselben genommen wurden. Der übrige Verlust war ungefähr gleich. Von der römischen Flotte waren 24 Segel versenkt, von der karthagischen 30 versenkt, 64 genommen. Die karthagische Flotte gab trotz des beträchtlichen Verlustes es nicht auf, Afrika zu decken und ging zu diesem Ende zurück an den Golf von Karthago, wo sie die Landung erwartete und eine zweite Schlacht zu liefern gedachte. Allein die Römer landeten statt an der westlichen Seite der Halbinsel, die den Golf bilden hilft, vielmehr an der östlichen, wo die Bai von Clupea ihnen einen fast bei allen Winden Schutz bietenden geräumigen Hafen und die Stadt, hart am Meere auf einem schildförmig aus der Ebene aufsteigenden Hügel gelegen, eine vortreffliche Hafenfestung darbot. Ungehindert vom Feinde schifften sie die Truppen aus und setzten sich auf dem Hügel fest; in kurzer Zeit war ein verschanztes Schiffslager errichtet, und das Landheer konnte seine Operationen beginnen. Die römischen Truppen durchstreiften und brandschatzten das Land; bis 20000 Sklaven konnten nach Rom geführt werden. Durch die ungeheuersten Glücksfälle war der kühne Plan auf den ersten Wurf und mit geringen Opfern gelungen; man schien am Ziele zu stehen. Wie sicher die Römer sich fühlten, beweist der Beschluß des Senats, den größten Teil der Flotte und die Hälfte der Armee nach Italien zurückzuschicken; Marcus Regulus blieb allein in Afrika mit 40 Schiffen, 15000 Mann zu Fuß und 500 Reitern. Es schien indes die Zuversicht nicht übertrieben. Die karthagische Armee, die entmutigt sich in die Ebene nicht wagte, erlitt erst recht eine Schlappe in den waldigen Defileen, in denen sie ihre beiden besten Waffen, die Reiterei und die Elefanten nicht verwenden konnte. Die Städte ergaben sich in Masse, die Numidier standen auf und überschwemmten weithin das offene Land. Regulus konnte hoffen, den nächsten Feldzug zu beginnen mit der Belagerung der Hauptstadt, zu welchem Ende er dicht bei derselben, in Tunes sein Winterlager aufschlug.

Der Karthager Mut war gebrochen; sie baten um Frieden. Allein die Bedingungen, die der Konsul stellte: nicht bloß Abtretung von Sizilien und Sardinien, sondern Eingehung eines ungleichen Bündnisses mit Rom, welches die Karthager verpflichtet hätte, auf eine eigene Kriegsmarine zu verzichten und zu den römischen Kriegen Schiffe zu stellen – diese Bedingungen, welche Karthago mit Neapel und Tarent gleichgestellt haben würden, konnten nicht angenommen werden, solange noch ein karthagisches Heer im Felde, eine karthagische Flotte auf der See, und die Hauptstadt unerschüttert stand. Die gewaltige Begeisterung, wie sie in den orientalischen Völkern, auch den tief gesunkenen, bei dem Herannahen äußerster Gefahren großartig aufzuflammen pflegt, diese Energie der höchsten Not trieb die Karthager zu Anstrengungen, wie man sie den Budenleuten nicht zugetraut haben mochte. Hamilkar, der in Sizilien den kleinen Krieg gegen die Römer so erfolgreich geführt hatte, erschien in Libyen mit der Elite der sizilischen Truppen, die für die neuausgehobene Mannschaft einen trefflichen Kern abgab; die Verbindungen und das Gold der Karthager führten ihnen ferner die trefflichen numidischen Reiter scharenweise zu und ebenso zahlreiche griechische Söldner, darunter den gefeierten Hauptmann Xanthippos von Sparta, dessen Organisierungstalent und strategische Einsicht seinen neuen Dienstherren von großem Nutzen war7. Während also im Lauf des Winters die Karthager ihre Vorbereitungen trafen, stand der römische Feldherr untätig bei Tunes. Mochte er nicht ahnen, welcher Sturm sich über seinem Haupt zusammenzog, oder mochte militärisches Ehrgefühl ihm zu tun verbieten, was seine Lage erheischte – statt zu verzichten auf eine Belagerung, die er doch nicht imstande war, auch nur zu versuchen, und sich einzuschließen in die Burg von Clupea, blieb er mit einer Handvoll Leute vor den Mauern der feindlichen Hauptstadt stehen, sogar seine Rückzugslinie zu dem Schiffslager zu sichern versäumend, und versäumend sich zu schaffen, was ihm vor allen Dingen fehlte und was durch Verhandlungen mit den aufständischen Stämmen der Numidier so leicht zu erreichen war, eine gute leichte Reiterei. Mutwillig brachte er sich und sein Heer also in dieselbe Lage, in der einst Agathokles auf seinem verzweifelten Abenteurerzug sich befunden hatte. Als das Frühjahr kam (499 255), hatten sich die Dinge schon so verändert, daß jetzt die Karthager es waren, die zuerst ins Feld rückten und den Römern eine Schlacht anboten; natürlich, denn es lag alles daran, mit dem Heer des Regulus fertig zu werden, ehe von Italien Verstärkung kommen konnte. Aus demselben Grunde hätten die Römer zögern sollen; allein im Vertrauen auf ihre Unüberwindlichkeit im offenen Felde nahmen sie sofort die Schlacht an trotz ihrer geringeren Stärke – denn obwohl die Zahl des Fußvolks auf beiden Seiten ungefähr dieselbe war, gaben doch den Karthagern die 4000 Reiter und 100 Elefanten ein entschiedenes Übergewicht – und trotz des ungünstigen Terrains – die Karthager hatten sich auf einem weiten Blachfeld, vermutlich unweit Tunes, aufgestellt. Xanthippos, der an diesem Tage die Karthager kommandierte, warf zunächst seine Reiterei auf die feindliche, die wie gewöhnlich auf den beiden Flügeln der Schlachtlinie stand; die wenigen römischen Schwadronen zerstoben im Nu vor den feindlichen Kavalleriemassen und das römische Fußvolk sah sich von demselben überflügelt und umschwärmt. Die Legionen, hierdurch nicht erschüttert, gingen zum Angriff vor gegen die feindliche Linie; und obwohl die zur Deckung vor derselben aufgestellte Elefantenreihe den rechten Flügel und das Zentrum der Römer hemmte, faßte wenigstens der linke römische Flügel, an den Elefanten vorbeimarschierend, die Söldnerinfanterie auf dem rechten feindlichen und warf sie vollständig. Allein eben dieser Erfolg zerriß die römischen Reihen. Die Hauptmasse, vorn von den Elefanten, an den Seiten und im Rücken von der Reiterei angegriffen, formierte sich zwar ins Viereck und verteidigte sich heldenmütig, allein endlich wurden doch die geschlossenen Massen gesprengt und aufgerieben. Der siegreiche linke Flügel traf auf das noch frische karthagische Zentrum, wo die libysche Infanterie ihm gleiches Schicksal bereitete. Bei der Beschaffenheit des Terrains und der Überzahl der feindlichen Reiterei ward niedergehauen oder gefangen, was in diesen Massen gefochten hatte; nur zweitausend Mann, vermutlich vorzugsweise die zu Anfang zersprengten leichten Truppen und Reiter, gewannen, während die römischen Legionen sich niedermachen ließen, soviel Vorsprung, um mit Not Clupea zu erreichen. Unter den wenigen Gefangenen war der Konsul selbst, der später in Karthago starb; seine Familie, in der Meinung, daß er von den Karthagern nicht nach Kriegsgebrauch behandelt worden sei, nahm an zwei edlen karthagischen Gefangenen die empörendste Rache, bis es selbst die Sklaven erbarmte und auf deren Anzeige die Tribune der Schändlichkeit steuerten8.

Wie die Schreckenspost nach Rom gelangte, war die erste Sorge natürlich gerichtet auf die Rettung der in Clupea eingeschlossenen Mannschaft. Eine römische Flotte von 350 Segeln lief sofort aus, und nach einem schönen Sieg am Hermäischen Vorgebirg, bei welchem die Karthager 114 Schiffe einbüßten, gelangte sie nach Clupea eben zur rechten Zeit, um die dort verschanzten Trümmer der geschlagenen Armee aus ihrer Bedrängnis zu befreien. Wäre sie gesandt worden, ehe die Katastrophe eintrat, so hätte sie die Niederlage in einen Sieg verwandeln mögen, der wahrscheinlich den phönikischen Kriegen ein Ende gemacht haben würde. So vollständig aber hatten jetzt die Römer den Kopf verloren, daß sie nach einem glücklichen Gefecht vor Clupea sämtliche Truppen auf die Schiffe setzten und heimsegelten, freiwillig den wichtigen und leicht zu verteidigenden Platz räumend, der ihnen die Möglichkeit der Landung in Afrika sicherte, und der Rache der Karthager ihre zahlreichen afrikanischen Bundesgenossen schutzlos preisgebend. Die Karthager versäumten die Gelegenheit nicht, ihre leeren Kassen zu füllen und den Untertanen die Folgen der Untreue deutlich zu machen. Eine außerordentliche Kontribution von 1000 Talenten Silber (1740000 Taler) und 20000 Rindern ward ausgeschrieben und in sämtlichen abgefallenen Gemeinden die Scheiche ans Kreuz geschlagen – es sollen ihrer dreitausend gewesen sein und dieses entsetzliche Wüten der karthagischen Beamten wesentlich den Grund gelegt haben zu der Revolution, welche einige Jahre später in Afrika ausbrach. Endlich, als wollte wie früher das Glück, so jetzt das Unglück den Römern das Maß füllen, gingen auf der Rückfahrt der Flotte in einem schweren Sturm drei Vierteile der römischen Schiffe mit der Mannschaft zugrunde; nur achtzig gelangten in den Hafen (Juli 499 255). Die Kapitäne hatten das Unheil wohl vorausgesagt, aber die improvisierten römischen Admirale die Fahrt einmal also befohlen.

Nach so ungeheuren Erfolgen konnten die Karthager die lange eingestellte Offensive wiederum ergreifen. Hasdrubal, Hannos Sohn, landete in Lilybäon mit einem starken Heer, das besonders durch die gewaltige Elefantenmasse – es waren ihrer 140 – in den Stand gesetzt wurde, gegen die Römer das Feld zu halten; die letzte Schlacht hatte gezeigt, wie es möglich war, den Mangel eines guten Fußvolks durch Elefanten und Reiterei einigermaßen zu ersetzen. Auch die Römer nahmen den sizilischen Krieg von neuem auf: die Vernichtung des Landungsheeres hatte, wie die freiwillige Räumung von Clupea beweist, im römischen Senat sofort wieder der Partei die Oberhand gegeben, die den afrikanischen Krieg nicht wollte und sich begnügte, die Inseln allmählich zu unterwerfen. Allein auch hierzu bedurfte man einer Flotte; und da diejenige zerstört war, mit der man bei Mylae, bei Eknomos und am Hermäischen Vorgebirge gesiegt hatte, baute man eine neue. Zu zweihundertundzwanzig neuen Kriegsschiffen wurde auf einmal der Kiel gelegt – nie hatte man bisher gleichzeitig so viele zu bauen unternommen –, und in der unglaublich kurzen Zeit von drei Monaten standen sie sämtlich segelfertig. Im Frühjahr 500 (254) erschien die römische Flotte, dreihundert größtenteils neue Schiffe zählend, an der sizilischen Nordküste. Durch einen glücklichen Angriff von der Seeseite ward die bedeutendste Stadt des karthagischen Siziliens, Panormos, erobert, und ebenso fielen hier die kleineren Plätze Solus, Kephalödion, Tyndaris den Römern in die Hände, so daß am ganzen nördlichen Gestade der Insel nur noch Thermae den Karthagern verblieb. Panormos ward seitdem eine der Hauptstationen der Römer auf Sizilien. Der Landkrieg daselbst stockte indes; die beiden Armeen standen vor Lilybäon einander gegenüber, ohne daß die römischen Befehlshaber, die der Elefantenmasse nicht beizukommen wußten, eine Hauptschlacht zu erzwingen versucht hätten.

Im folgenden Jahre (501 253) zogen die Konsuln es vor, statt die sicheren Vorteile in Sizilien zu verfolgen, eine Expedition nach Afrika zu machen, nicht um zu landen, sondern um die Küstenstädte zu plündern. Ungehindert kamen sie damit zustande; allein nachdem sie schon in den schwierigen und ihren Piloten unbekannten Gewässern der Kleinen Syrte auf die Untiefen aufgelaufen und mit Mühe wieder losgekommen waren, traf die Flotte zwischen Sizilien und Italien ein Sturm, der über 150 römische Schiffe kostete; auch diesmal hatten die Piloten, trotz ihrer Vorstellungen und Bitten, den Weg längs der Küste zu wählen, auf Befehl der Konsuln von Panormos gerades Weges durch das offene Meer nach Ostia zu steuern müssen.

Da ergriff Kleinmut die Väter der Stadt; sie beschlossen, die Kriegsflotte abzuschaffen bis auf 60 Segel und den Seekrieg auf die Küstenverteidigung und die Geleitung der Transporte zu beschränken. Zum Glück nahm eben jetzt der stockende Landkrieg auf Sizilien eine günstigere Wendung. Nachdem im Jahre 502 (252) Thermae, der letzte Punkt, den die Karthager an der Nordküste besaßen, und die wichtige Insel Lipara den Römern in die Hände gefallen waren, erfocht im Jahre darauf der Konsul Lucius Caecilius Metellus unter den Mauern von Panormos einen glänzenden Sieg über das Elefantenheer (Sommer 503 251). Die unvorsichtig vorgeführten Tiere wurden von den im Stadtgraben aufgestellten leichten Truppen der Römer geworfen und stürzten teils in den Graben hinab, teils zurück auf ihre eigenen Leute, die in wilder Verwirrung mit den Elefanten zugleich sich zum Strande drängten, um von den phönikischen Schiffen aufgenommen zu werden. 120 Elefanten wurden gefangen, und das karthagische Heer, dessen Stärke auf den Tieren beruhte, mußte sich wiederum in die Festungen einschließen. Es blieb, nachdem auch noch der Eryx den Römern in die Hände gefallen war (505 249), auf der Insel den Karthagern nichts mehr als Drepana und Lilybäon. Karthago bot zum zweitenmal den Frieden an; allein der Sieg des Metellus und die Ermattung des Feindes gab der energischeren Partei im Senat die Oberhand. Der Friede ward zurückgewiesen und beschlossen, die Belagerung der beiden sizilischen Städte ernsthaft anzugreifen und zu diesem Ende wiederum eine Flotte von 200 Segeln in See gehen zu lassen. Die Belagerung von Lilybäon, die erste große und regelrechte, die Rom unternahm, und eine der hartnäckigsten, die die Geschichte kennt, wurde von den Römern mit einem wichtigen Erfolg eröffnet: ihrer Flotte gelang es, sich in den Hafen der Stadt zu legen und dieselbe von der Seeseite zu blockieren. Indes vollständig die See zu sperren, vermochten die Belagerer nicht. Trotz ihrer Versenkungen und Palisaden und trotz der sorgfältigsten Bewachung unterhielten gewandte und der Untiefen und Fahrwässer genau kundige Schnellsegler eine regelmäßige Verbindung zwischen den Belagerten in der Stadt und der karthagischen Flotte im Hafen von Drepana; ja nach einiger Zeit glückte es einem karthagischen Geschwader von 50 Segeln, in den Hafen einzufahren, Lebensmittel in Menge und Verstärkung von 10000 Mann in die Stadt zu werfen und unangefochten wieder heimzukehren. Nicht viel glücklicher war die belagernde Landarmee. Man begann mit regelrechtem Angriff; die Maschinen wurden errichtet, und in kurzer Zeit hatten die Batterien sechs Mauertürme eingeworfen; die Bresche schien bald gangbar. Allein der tüchtige karthagische Befehlshaber Himilko wehrte diesen Angriff ab, indem auf seine Anordnung hinter der Bresche sich ein zweiter Wall erhob. Ein Versuch der Römer, mit der Besatzung ein Einverständnis anzuknüpfen, ward ebenso noch zur rechten Zeit vereitelt. Ja es gelang den Karthagern, nachdem ein erster, zu diesem Zwecke gemachter Ausfall abgeschlagen worden war, während einer stürmischen Nacht die römische Maschinenreihe zu verbrennen. Die Römer gaben hierauf die Vorbereitungen zum Sturm auf und begnügten sich, die Mauer zu Wasser und zu Lande zu blockieren. Freilich waren dabei die Aussichten auf Erfolg sehr fern, solange man nicht imstande war, den feindlichen Schiffen den Zugang gänzlich zu verlegen; und einen nicht viel leichteren Stand als in der Stadt die Belagerten hatte das Landheer der Belagerer, welchem die Zufuhren durch die starke und verwegene leichte Reiterei der Karthager häufig abgefangen wurden und das die Seuchen, die in der ungesunden Gegend einheimisch sind, zu dezimieren begannen. Die Eroberung Lilybäons war nichtsdestoweniger wichtig genug, um geduldig bei der mühseligen Arbeit auszuharren, die denn doch mit der Zeit der. gewünschten Erfolg verhieß. Allein dem neuen Konsul Publius Claudius schien die Aufgabe, Lilybäon eingeschlossen zu halten, allzu gering; es gefiel ihm besser, wieder einmal den Operationsplan zu ändern und mit seinen zahlreichen neu bemannten Schiffen die karthagische in dem nahen Hafen von Drepana verweilende Flotte unversehens zu überfallen. Mit dem ganzen Blockadegeschwader, das Freiwillige aus den Legionen an Bord genommen hatte, fuhr er um Mitternacht ab und erreichte, in guter Ordnung segelnd, den rechten Flügel am Lande, den linken in der hohen See, glücklich mit Sonnenaufgang den Hafen von Drepana. Hier kommandierte der phönikische Admiral Atarbas. Obwohl überrascht, verlor er die Besonnenheit nicht und ließ sich nicht in den Hafen einschließen, sondern wie die römischen Schiffe in den nach Süden sichelförmig sich öffnenden Hafen an der Landseite einfuhren, zog er an der noch freien Seeseite seine Schiffe aus dem Hafen heraus und stellte sich außerhalb desselben in Linie. Dem römischen Admiral blieb nichts übrig, als die vordersten Schiffe möglichst schnell aus dem Hafen zurückzunehmen und sich gleichfalls vor demselben zur Schlacht zu ordnen; allein über dieser rückgängigen Bewegung verlor er die freie Wahl seiner Aufstellung und mußte die Schlacht annehmen in einer Linie, die teils von der feindlichen um fünf Schiffe überflügelt ward, da es an Zeit gebrach, die Schiffe wieder aus dem Hafen vollständig zu entwickeln, teils so dicht an die Küste gedrängt war, daß seine Fahrzeuge weder zurückweichen noch hinter der Linie hinsegelnd sich untereinander zu Hilfe kommen konnten. Die Schlacht war nicht bloß verloren, ehe sie begann, sondern die römische Flotte so vollständig umstrickt, daß sie fast ganz den Feinden in die Hände fiel. Zwar der Konsul entkam, indem er zuerst davonfloh; aber 93 römische Schiffe, mehr als drei Viertel der Blockadeflotte, mit dem Kern der römischen Legionen an Bord, fielen den Phönikern in die Hände. Es war der erste und einzige große Seesieg, den die Karthager über die Römer erfochten haben. Lilybäon war der Tat nach von der Seeseite entsetzt, denn wenn auch die Trümmer der römischen Flotte in ihre frühere Stellung zurückkehrten, so war diese doch jetzt viel zu schwach, um den nie ganz geschlossenen Hafen ernstlich zu versperren, und konnte vor dem Angriff der karthagischen Schiffe sich selbst nur retten durch den Beistand des Landheers. Die eine Unvorsichtigkeit eines unerfahrenen und frevelhaft leichtsinnigen Offiziers hatte alles vereitelt, was in dem langen und aufreibenden Festungskrieg mühsam erreicht worden war; und was dessen Übermut noch an Kriegsschiffen den Römern gelassen hatte, ging kurz darauf durch den Unverstand seines Kollegen zugrunde. Der zweite Konsul, Lucius Iunius Pullus, der den Auftrag erhalten hatte, die für das Heer in Lilybäon bestimmten Zufuhren in Syrakus zu verladen und die Transportflotte längs der südlichen Küste der Insel mit der zweiten römischen Flotte von 120 Kriegsschiffen zu geleiten, beging, statt seine Schiffe zusammenzuhalten, den Fehler, den ersten Transport allein abgehen zu lassen und erst später mit dem zweiten zu folgen. Als der karthagische Unterbefehlshaber Karthalo, der mit hundert auserlesenen Schiffen die römische Flotte im Hafen von Lilybäon blockierte, davon Nachricht erhielt, wandte er sich nach der Südküste der Insel, schnitt die beiden römischen Geschwader, sich zwischen sie legend, voneinander ab und zwang sie, an den unwirtlichen Gestaden von Gela und Kamarina in zwei Nothäfen sich zu bergen. Die Angriffe der Karthager wurden freilich von den Römern tapfer zurückgewiesen mit Hilfe der hier wie überall an der Küste schon seit längerer Zeit errichteten Strandbatterien; allein da an Vereinigung und Fortsetzung der Fahrt für die Römer nicht zudenken war, konnte Karthago die Vollendung seines Werkes den Elementen überlassen. Der nächste große Sturm vernichtete denn auch beide römische Flotten auf ihren schlechten Reeden vollständig, während der phönikische Admiral auf der hohen See mit seinen unbeschwerten und gut geführten Schiffen ihm leicht entging. Die Mannschaft und die Ladung gelang es den Römern indes größtenteils zu retten (505 249).

Der römische Senat war ratlos. Der Krieg währte nun ins sechzehnte Jahr, und von dem Ziele schien man im sechzehnten weiter ab zu sein als im ersten. Vier große Flotten waren in diesem Kriege zugrunde gegangen, drei davon mit römischen Heeren an Bord; ein viertes ausgesuchtes Landheer hatte der Feind in Libyen vernichtet, ungerechnet die zahllosen Opfer, die die kleinen Gefechte zur See, die in Sizilien die Schlachten und mehr noch der Postenkrieg und die Seuchen gefordert hatten. Welche Zahl von Menschenleben der Krieg wegraffte, ist daraus zuerkennen, daß die Bürgerrolle bloß von 502 (252) auf 507 (247) um etwa 40000 Köpfe, den sechsten Teil der Gesamtzahl, sank; wobei die Verluste der Bundesgenossen, die die ganze Schwere des Seekriegs und daneben der Landkrieg mindestens in gleichem Verhältnis wie die Römer traf, noch nicht mit eingerechnet sind. Von der finanziellen Einbuße ist es nicht möglich, sich eine Vorstellung zu machen; aber sowohl der unmittelbare Schaden an Schiffen und Material als der mittelbare durch die Lähmung des Handels müssen ungeheuer gewesen sein. Allein schlimmer als dies alles war die Abnutzung aller Mittel, durch die man den Krieg hatte endigen wollen. Man hatte eine Landung in Afrika mit frischen Kräften, im vollen Siegeslauf versucht und war gänzlich gescheitert. Man hatte Sizilien Stadt um Stadt zu erstürmen unternommen; die geringeren Plätze waren gefallen, aber die beiden gewaltigen Seeburgen Lilybäon und Drepana standen unbezwinglicher als je zuvor. Was sollte man beginnen? In der Tat, der Kleinmut behielt gewissermaßen Recht. Die Väter der Stadt verzagten; sie ließen die Sachen eben gehen, wie sie gehen mochten, wohl wissend, daß ein ziel- und endlos sich hinspinnender Krieg für Italien verderblicher war als die Anstrengung des letzten Mannes und des letzten Silberstücks, aber ohne den Mut und die Zuversicht zu dem Volk und zu dem Glück, um zu den alten, nutzlos vergeudeten neue Opfer zu fordern. Man schaffte die Flotte ab; höchstens förderte man die Kaperei und stellte den Kapitänen, die auf ihre eigene Hand den Korsarenkrieg zu beginnen bereit waren, zu diesem Behuf Kriegsschiffe des Staates zur Verfügung. Der Landkrieg ward dem Namen nach fortgeführt, weil man eben nicht anders konnte; allein man begnügte sich, die sizilischen Festungen zu beobachten, und was man besaß, notdürftig zu behaupten, was dennoch, seit die Flotte fehlte, ein sehr zahlreiches Heer und äußerst kostspielige Anstalten erforderte.

Wenn jemals, so war jetzt die Zeit gekommen, wo Karthago den gewaltigen Gegner zu demütigen imstande war. Daß auch dort die Erschöpfung der Kräfte gefühlt ward, versteht sich; indes wie die Sachen standen, konnten die phönikischen Finanzen unmöglich so im Verfall sein, daß die Karthager den Krieg, der ihnen hauptsächlich nur Geld kostete, nicht hätten offensiv und nachdrücklich fortführen können. Allein die karthagische Regierung war eben nicht energisch, sondern schwach und lässig, wenn nicht ein leichter und sicherer Gewinn oder die äußerste Not sie trieb. Froh, der römischen Flotte los zu sein, ließ man töricht auch die eigene verfallen und fing an, nach dem Beispiel der Feinde sich zu Lande und zur See auf den kleinen Krieg in und um Sizilien zu beschränken.

So folgten sechs tatenlose Kriegsjahre (506-511 248-243), die ruhmlosesten, welche die römische Geschichte dieses Jahrhunderts kennt, und ruhmlos auch für das Volk der Karthager. Indes ein Mann von diesen dachte und handelte anders als seine Nation. Hamilkar, genannt Barak oder Barkas, das ist der Blitz, ein junger, vielversprechender Offizier, übernahm im Jahre 507 (247) den Oberbefehl in Sizilien. Es fehlte in seiner Armee wie in jeder karthagischen an einer zuverlässigen und kriegsgeübten Infanterie; und die Regierung, obwohl sie vielleicht eine solche zu schaffen imstande und auf jeden Fall es zu versuchen verpflichtet gewesen wäre, begnügte sich, den Niederlagen zuzusehen und höchstens die geschlagenen Feldherren ans Kreuz heften zu lassen. Hamilkar beschloß, sich selber zu helfen. Er wußte es wohl, daß seinen Söldnern Karthago so gleichgültig war wie Rom, und daß er von seiner Regierung nicht phönikische oder libysche Konskribierte, sondern im besten Fall die Erlaubnis zu erwarten hatte, mit seinen Leuten das Vaterland auf eigene Faust zu retten, vorausgesetzt, daß es nichts koste. Allein er kannte auch sich und die Menschen. An Karthago lag seinen Söldnern freilich nichts; aber der echte Feldherr vermag es, den Soldaten an die Stelle des Vaterlandes seine eigene Persönlichkeit zu setzen, und ein solcher war der junge General. Nachdem er die Seinigen im Postenkrieg vor Drepana und Lilybäon gewöhnt hatte, dem Legionär ins Auge zu sehen, setzte er auf dem Berge Eirkte (Monte Pellegrino bei Palermo), der gleich einer Festung das umliegende Land beherrscht, sich mit seinen Leuten fest und ließ sie hier häuslich mit ihren Frauen und Kindern sich einrichten und das platte Land durchstreifen, während phönikische Kaper die italische Küste bis Cumae brandschatzten. So ernährte er seine Leute reichlich, ohne von den Karthagern Geld zu begehren, und bedrohte, mit Drepana die Verbindung zur See unterhaltend, das wichtige Panormos in nächster Nähe mit Überrumpelung. Nicht bloß vermochten die Römer nicht, ihn von seinem Felsen zu vertreiben, sondern nachdem an der Eirkte der Kampf eine Weile gedauert hatte, schuf sich Hamilkar eine zweite ähnliche Stellung am Eryx. Diesen Berg, der auf der halben Höhe die gleichnamige Stadt, auf der Spitze den Tempel der Aphrodite trug, hatten bis dahin die Römer in Händen gehabt und von da aus Drepana beunruhigt. Hamilkar nahm die Stadt weg und belagerte das Heiligtum, während die Römer von der Ebene her ihn ihrerseits blockierten. Die von den Römern auf den verlorenen Posten des Tempels gestellten keltischen Überläufer aus dem karthagischen Heer, ein schlimmes Raubgesindel, das während dieser Belagerung den Tempel plünderte und Schändlichkeiten aller Art verübte, verteidigten die Felsenspitze mit verzweifeltem Mut; aber auch Hamilkar ließ sich nicht wieder aus der Stadt verdrängen und hielt mit der Flotte und der Besatzung von Drepana stets sich zur See die Verbindung offen. Der sizilische Krieg schien eine immer ungünstigere Wendung für die Römer zu nehmen. Der römische Staat kam in demselben um sein Geld und seine Soldaten und die römischen Feldherren um ihr Ansehen: es war schon klar, daß dem Hamilkar kein römischer General gewachsen war, und die Zeit ließ sich berechnen, wo auch der karthagische Söldner sich dreist würde messen können mit dem Legionär. Immer verwegener zeigten sich die Kaper Hamilkars an der italischen Küste – schon hatte gegen eine dort gelandete karthagische Streifpartei ein Prätor ausrücken müssen. Noch einige Jahre, so tat Hamilkar von Sizilien aus mit der Flotte, was später auf dem Landweg von Spanien aus sein Sohn unternahm.

Indes der römische Senat verharrte in seiner Untätigkeit; die Partei der Kleinmütigen hatte einmal in ihm die Mehrzahl. Da entschlossen sich eine Anzahl einsichtiger und hochherziger Männer, den Staat auch ohne Regierungsbeschluß zu retten und dem heillosen Sizilischen Krieg ein Ende zu machen. Die glücklichen Korsarenfahrten hatten wenn nicht den Mut der Nation gehoben, doch in engeren Kreisen die Energie und die Hoffnung geweckt; man hatte sich schon in Geschwader zusammengetan, Hippo an der afrikanischen Küste niedergebrannt, den Karthagern vor Panormos ein glückliches Seegefecht geliefert. Durch Privatunterzeichnung, wie sie auch wohl in Athen, aber nie in so großartiger Weise vorgekommen ist, stellten die vermögenden und patriotisch gesinnten Römer eine Kriegsflotte her, deren Kern die für den Kaperdienst gebauten Schiffe und die darin geübten Mannschaften abgaben und die überhaupt weit sorgfältiger hergestellt wurde, als dies bisher bei dem Staatsbau geschehen war. Diese Tatsache, daß eine Anzahl Bürger im dreiundzwanzigsten Jahre eines schweren Krieges zweihundert Linienschiffe mit einer Bemannung von 60000 Matrosen freiwillig dem Staate darboten, steht vielleicht ohne Beispiel da in den Annalen der Geschichte. Der Konsul Gaius Lutatius Catulus, dem die Ehre zuteil ward, diese Flotte in die sizilische See zu führen, fand dort kaum einen Gegner; die paar karthagischen Schiffe, mit denen Hamilkar seine Korsarenzüge gemacht, verschwanden vor der Übermacht, und fast ohne Widerstand besetzten die Römer die Häfen von Lilybäon und Drepana, deren Belagerung zu Wasser und zu Lande jetzt energisch begonnen ward. Karthago war vollständig überrumpelt; selbst die beiden Festungen, schwach verproviantiert, schwebten in großer Gefahr. Man rüstete daheim an einer Flotte, aber so eilig man tat, ging das Jahr zu Ende, ohne daß in Sizilien karthagische Segel sich gezeigt hätten; und als endlich im Frühjahr 513 (241) die zusammengerafften Schiffe auf der Höhe von Drepana erschienen, war es doch mehr eine Transport- als eine schlagfertige Kriegsflotte zu nennen. Die Phöniker hatten gehofft, ungestört landen, die Vorräte ausschiffen und die für ein Seegefecht erforderlichen Truppen an Bord nehmen zu können; allein die römischen Schiffe verlegten ihnen den Weg und zwangen sie, da sie von der heiligen Insel (jetzt Maritima) nach Drepana segeln wollten, bei der kleinen Insel Aegusa (Favignana), die Schlacht anzunehmen (10. März 513 241). Der Ausgang war keinen Augenblick zweifelhaft, die römische Flotte, gut gebaut und bemannt und, da die vor Drepana erhaltene Wunde den Konsul Catulus noch an das Lager fesselte, von dem tüchtigen Prätor Publius Valerius Falto vortrefflich geführt, warf im ersten Augenblick die schwer beladenen, schlecht und schwach bemannten Schiffe der Feinde; fünfzig wurden versenkt, mit siebzig eroberten fuhren die Sieger ein in den Hafen von Lilybäon. Die letzte große Anstrengung der römischen Patrioten hatte Frucht getragen; sie brachte den Sieg und mit ihm den Frieden.

Die Karthager kreuzigten zunächst den unglücklichen Admiral, was die Sache nicht anders machte, und schickten alsdann dem sizilischen Feldherrn unbeschränkte Vollmacht, den Frieden zu schließen. Hamilkar, der, seine siebenjährige Heldenarbeit durch fremde Fehler vernichtet sah, fügte hochherzig sich in das Unvermeidliche, ohne darum weder seine Soldatenehre noch sein Volk noch seine Entwürfe aufzugeben. Sizilien freilich war nicht zu halten, seit die Römer die See beherrschten, und daß die karthagische Regierung, die ihre leere Kasse vergeblich durch ein Staatsanlehen in Ägypten zu füllen versucht hatte, auch nur einen Versuch noch machen würde, die römische Flotte zu überwältigen, ließ sich nicht erwarten. Er gab also die Insel auf. Dagegen ward die Selbständigkeit und Integrität des karthagischen Staats und Gebiets ausdrücklich anerkannt in der üblichen Form, daß Rom sich verpflichtete, nicht mit der karthagischen, Karthago, nicht mit der römischen Bundesgenossenschaft, das heißt mit den beiderseitigen untertänigen und abhängigen Gemeinden, in Sonderbündnis zu treten oder Krieg zu beginnen oder in diesem Gebiet Hoheitsrechte auszuüben oder Werbungen vorzunehmen9. Was die Nebenbedingungen anlangt, so verstand sich die unentgeltliche Rückgabe der römischen Gefangenen und die Zahlung einer Kriegskontribution von selbst; dagegen die Forderung des Catulus, daß Hamilkar die Waffen und die römischen Überläufer ausliefern solle, wies der Karthager entschlossen zurück, und mit Erfolg. Catulus verzichtete auf das zweite Begehren und gewährte den Phönikern freien Abzug aus Sizilien gegen das mäßige Lösegeld von 18 Denaren (4 Taler) für den Mann.

Wenn den Karthagern die Fortführung des Krieges nicht wünschenswert erschien, so hatten sie Ursache, mit diesen Bedingungen zufrieden zu sein. Es kann sein, daß das natürliche Verlangen, dem Vaterland mit dem Triumph auch den Frieden zu bringen, die Erinnerung an Regulus und den wechselvollen Gang des Krieges, die Erwägung, daß ein patriotischer Aufschwung, wie er zuletzt den Sieg entschieden hatte, sich nicht gebieten noch wiederholen läßt, vielleicht selbst Hamilkars Persönlichkeit mithalfen, den römischen Feldherrn zu solcher Nachgiebigkeit zu bestimmen. Gewiß ist es, daß man in Rom mit dem Friedensentwurf unzufrieden war und die Volksversammlung, ohne Zweifel unter dem Einfluß der Patrioten, die die letzte Schiffsrüstung durchgesetzt hatten, anfänglich die Ratifikation verweigerte. In welchem Sinne dies geschah, wissen wir nicht und vermögen also nicht zu entscheiden, ob die Opponenten den Frieden nur verwarfen, um dem Feinde noch einige Konzessionen mehr abzudringen, oder ob sie sich erinnerten, daß Regulus von Karthago den Verzicht auf die politische Unabhängigkeit gefordert hatte, und entschlossen waren, den Krieg fortzuführen, bis man an diesem Ziel stand und es sich nicht mehr um Frieden handelte, sondern um Unterwerfung. Erfolgte die Weigerung in dem ersten Sinne, so war sie vermutlich fehlerhaft; gegen den Gewinn Siziliens verschwand jedes andere Zugeständnis, und es war bei Hamilkars Entschlossenheit und erfinderischem Geist sehr gewagt, die Sicherung des Hauptgewinns an Nebenzwecke zu setzen. Wenn dagegen die gegen den Frieden opponierende Partei in der vollständigen politischen Vernichtung Karthagos das einzige für die römische Gemeinde genügende Ende des Kampfes erblickte, so zeigte sie politischen Takt und Ahnung der kommenden Dinge; ob aber auch Roms Kräfte noch ausreichten, um den Zug des Regulus zu erneuern und soviel nachzusetzen, als erforderlich war, um nicht bloß den Mut, sondern die Mauern der mächtigen Phönikerstadt zu brechen, ist eine andere Frage, welche in dem einen oder dem andern Sinn zu beantworten jetzt niemand wagen kann.

Schließlich übertrug man die Erledigung der wichtigen Frage einer Kommission, die in Sizilien an Ort und Stelle entscheiden sollte. Sie bestätigte im wesentlichen den Entwurf; nur ward die für die Kriegskosten von Karthago zu zahlende Summe erhöht auf 3200 Talente (5½ Mill. Taler), davon ein Drittel gleich, der Rest in zehn Jahreszielern zu entrichten. Wenn außer der Abtretung von Sizilien auch noch die der Inseln zwischen Italien und Sizilien in den definitiven Traktat aufgenommen ward, so kann hierin nur eine redaktionelle Veränderung gefunden werden; denn daß Karthago, wenn es Sizilien hingab, sich die längst von der römischen Flotte besetzte Insel Lipara nicht konnte vorbehalten wollen, versteht sich von selbst, und daß man mit Rücksicht auf Sardinien und Korsika absichtlich eine zweideutige Bestimmung in den Vertrag gesetzt habe, ist ein unwürdiger und unwahrscheinlicher Verdacht.

So war man endlich einig. Der unbesiegte Feldherr einer überwundenen Nation stieg herab von seinen langverteidigten Bergen und übergab den neuen Herren der Insel die Festungen, die die Phöniker seit wenigstens vierhundert Jahren in ununterbrochenem Besitz gehabt hatten und von deren Mauern alle Stürme der Hellenen erfolglos abgeprallt waren. Der Westen hatte Frieden (513 241).

Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem Kampfe, welcher die römische Grenze vorrückte über den Meeresring, der die Halbinsel einfaßt. Es ist einer der längsten und schwersten, welchen die Römer geführt haben; die Soldaten, welche die entscheidende Schlacht schlugen, waren, als er begann, zum guten Teil noch nicht geboren. Dennoch und trotz der unvergleichlich großartigen Momente, die er darbietet, ist kaum ein anderer Krieg zu nennen, den die Römer militärisch sowohl wie politisch so schlecht und so unsicher geführt haben. Es konnte das kaum anders sein; er steht inmitten eines Wechsels der politischen Systeme, zwischen der nicht mehr ausreichenden italischen Politik und der noch nicht gefundenen des Großstaats. Der römische Senat und das römische Kriegswesen waren unübertrefflich organisiert für die rein italische Politik. Die Kriege, welche diese hervorrief, waren reine Kontinentalkriege und ruhten stets auf der in der Mitte der Halbinsel gelegenen Hauptstadt als der letzten Operationsbasis und demnächst auf der römischen Festungskette. Die Aufgaben waren vorzugsweise taktisch, nicht strategisch; Märsche und Operationen zählten nur an zweiter Stelle, an erster die Schlachten; der Festungskrieg war in der Kindheit; die See und der Seekrieg kamen kaum einmal beiläufig in Betracht. Es ist begreiflich, zumal wenn man nicht vergißt, daß in den damaligen Schlachten bei dem Vorherrschen der blanken Waffe wesentlich das Handgemenge entschied, daß eine Ratsversammlung diese Operationen zu dirigieren und wer eben Bürgermeister war, die Truppen zu befehligen imstande war. Auf einen Schlag war das alles umgewandelt. Das Schlachtfeld dehnte sich aus in unabsehbare Ferne, in unbekannte Landstriche eines andern Erdteils hinein und hinaus über weite Meeresflächen; jede Welle war dem Feinde eine Straße, von jedem Hafen konnte man seinen Anmarsch erwarten. Die Belagerung der festen Plätze, namentlich der Küstenfestungen, an der die ersten Taktiker Griechenlands gescheitert waren, hatten die Römer jetzt zum erstenmal zu versuchen. Man kam nicht mehr aus mit dem Landheer und mit dem Bürgermilizwesen. Es galt, eine Flotte zu schaffen und, was schwieriger war, sie zu gebrauchen, es galt, die wahren Angriffs- und Verteidigungspunkte zu finden, die Massen zu vereinigen und zu richten, auf lange Zeit und weite Ferne die Züge zu berechnen und ineinanderzupassen; geschah dies nicht, so konnte auch der taktisch weit schwächere Feind leicht den stärkeren Gegner besiegen. Ist es ein Wunder, daß die Zügel eines solchen Regiments der Ratversammlung und den kommandierenden Bürgermeistern entschlüpften?

Offenbar wußte man beim Beginn des Krieges nicht, was man begann; erst im Laufe des Kampfes drängten die Unzulänglichkeiten des römischen Systems eine nach der anderen sich auf: der Mangel einer Seemacht, das Fehlen einer festen militärischen Leitung, die Unzulänglichkeit der Feldherren, die vollständige Unbrauchbarkeit der Admirale. Zum Teil half man ihnen ab durch Energie und durch Glück; so dem Mangel einer Flotte. Aber auch diese gewaltige Schöpfung war ein großartiger Notbehelf und ist es zu allen Zeiten geblieben. Man bildete eine römische Flotte, aber man nationalisierte sie nur dem Namen nach und behandelte sie stets stiefmütterlich: der Schiffsdienst blieb gering geschätzt neben dem hochgeehrten Dienst in den Legionen, die Seeoffiziere waren großenteils italische Griechen, die Bemannung Untertanen oder gar Sklaven und Gesindel. Der italische Bauer war und blieb wasserscheu; unter den drei Dingen, die Cato in seinem Leben bereute, war das eine, daß er einmal zu Schiff gefahren sei, wo er zu Fuß habe gehen können. Es lag dies zum Teil wohl in der Natur der Sache, da die Schiffe Rudergaleeren waren und der Ruderdienst kaum geadelt werden kann; allein, eigene Seelegionen wenigstens hätte man bilden und auf die Errichtung eines römischen Seeoffizierstandes hinwirken können. Man hätte, den Impuls der Nation benutzend, allmählich darauf ausgehen sollen, eine nicht bloß durch die Zahl, sondern durch Segelfähigkeit und Routine bedeutende Seemacht herzustellen, wozu in dem während des langen Krieges entwickelten Kaperwesen ein wichtiger Anfang schon gemacht war; allein es geschah nichts derart von der Regierung. Dennoch ist das römische Flottenwesen in seiner unbehilflichen Großartigkeit noch die genialste Schöpfung dieses Krieges und hat wie im Anfang so zuletzt für Rom den Ausschlag gegeben. Viel schwieriger zu überwinden waren diejenigen Mängel, die sich ohne Änderung der Verfassung nicht beseitigen ließen. Daß der Senat je nach dem Stande der in ihm streitenden Parteien von einem System der Kriegführung zum andern absprang und so unglaubliche Fehler beging, wie die Räumung von Clupea und die mehrmalige Einziehung der Flotte waren; daß der Feldherr des einen Jahres sizilische Städte belagerte und sein Nachfolger, statt dieselben zur Übergabe zu zwingen, die afrikanische Küste brandschatzte oder ein Seetreffen zu liefern für gut fand; daß überhaupt der Oberbefehl jährlich von Rechts wegen wechselte – das alles ließ sich nicht abstellen, ohne Verfassungsfragen anzuregen, deren Lösung schwieriger war als der Bau einer Flotte, aber freilich ebensowenig zu vereinigen mit den Forderungen eines solchen Krieges. Vor allen Dingen aber wußte niemand noch in die neue Kriegführung sich zu finden, weder der Senat noch die Feldherren. Regulus‘ Feldzug ist ein Beispiel davon, wie seltsam man in dem Gedanken befangen war, daß die taktische Überlegenheit alles entscheide. Es gibt nicht leicht einen Feldherrn, dem das Glück so wie ihm die Erfolge in den Schoß geworfen hat; er stand im Jahr 498 (256) genau da, wo fünfzig Jahre später Scipio, nur daß ihm kein Hannibal und keine erprobte feindliche Armee gegenüberstand. Allein der Senat zog die halbe Armee zurück, sowie man sich von der taktischen Überlegenheit der Römer überzeugt hatte; im blinden Vertrauen auf diese blieb der Feldherr stehen, wo er eben stand, um strategisch, und nahm er die Schlacht an, wo man sie ihm anbot, um auch taktisch sich überwinden zu lassen. Es war dies um so bezeichnender, als Regulus in seiner Art ein tüchtiger und erprobter Feldherr war. Eben die Bauernmanier, durch die Etrurien und Samnium genommen worden waren, war die Ursache der Niederlage in der Ebene von Tunes. Der in seinem Bereiche ganz richtige Satz, daß jeder rechte Bürgersmann zum General tauge, war irrig geworden; in dem neuen Kriegssystem konnte man nur Feldherren von militärischer Schule und militärischem Blicke brauchen, und das freilich war nicht jeder Bürgermeister. Noch viel ärger aber war es, daß man das Oberkommando der Flotte als eine Dependenz des Oberbefehls der Landarmee behandelte und der erste beste Stadtvorsteher meinte, nicht bloß General, sondern auch Admiral spielen zu können. An den schlimmsten Niederlagen, die Rom in diesem Krieg erlitten hat, sind nicht die Stürme schuld und noch weniger die Karthager, sondern der anmaßliche Unverstand seiner Bürgeradmirale.

Rom hat endlich gesiegt; aber das Bescheiden mit einem weit geringeren Gewinn, als er zu Anfang gefordert, ja geboten worden war, sowie die energische Opposition, auf welche in Rom der Friede stieß, bezeichnen sehr deutlich die Halbheit und die Oberflächlichkeit des Sieges wie des Friedens; und wenn Rom gesiegt hat, so verdankt es diesen Sieg zwar auch der Gunst der Götter und der Energie seiner Bürger, aber mehr als beiden den die Mängel der römischen Kriegführung noch weit übertreffenden Fehlern seiner Feinde.

  1. Die Mamertiner traten völlig in dieselbe Stellung zu Rom wie die italischen Gemeinden, verpflichteten sich, Schiffe zu stellen (Cic. Verr. 5, 19, 50) und besaßen, wie die Münzen beweisen, das Recht der Silberprägung nicht.
  2. Der Bericht, daß zunächst Xanthippos‘ militärisches Talent Karthago gerettet habe, ist wahrscheinlich gefärbt; die karthagischen Offiziere werden schwerlich auf den Fremden gewartet haben, um zu lernen, daß die leichte afrikanische Kavallerie zweckmäßiger auf der Ebene verwandt werde als in Hügeln und Wäldern. Von solchen Wendungen, dem Echo der griechischen Wachtstubengespräche, ist selbst Polybios nicht frei. Daß Xanthippos nach dem Siege von den Karthagern ermordet worden sei, ist eine Erfindung; er ging freiwillig fort, vielleicht in ägyptische Dienste.
  3. Weiter ist über Regulus‘ Ende nichts mit Sicherheit bekannt; selbst seine Sendung nach Rom, die bald 503 (251), bald 513 (241) gesetzt wird, ist sehr schlecht beglaubigt, Die spätere Zeit, die in dem Glück und Unglück der Vorfahren nur nach Stoffen suchte für Schulakte, hat aus Regulus den Prototyp des unglücklichen wie aus Fabricius das des dürftigen Helden gemacht und eine Menge obligat erfundener Anekdoten auf seinen Namen in Umlauf gesetzt; widerwärtige Flitter, die übel kontrastieren mit der ernsten und schlichten Geschichte.
  4. Daß die Karthager versprechen mußten, keine Kriegsschiffe in das Gebiet der römischen Symmachie – also auch nicht nach Syrakus, vielleicht selbst nicht nach Massalia – zu senden (Zon. 8, 17), klingt glaublich genug; allein der Text des Vertrages schweigt davon (Polyb. 3, 27).