In unserm Garten stand dicht am See eine uralte Linde, deren gewaltige Krone sich weithin verzweigte, und deren niederhängende Zweige einen laubigen Saal bildeten, wo an heissen Sommertagen gut zu sein war. Ich aber hatte mein Quartier in die Höhe verlegt und mir zwischen den Gabelungen mächtiger Aeste ein Menschennest gebaut. Der Boden war von alten Brettern, die Wände bestanden aus Flechtwerk, mit Moos ausgestopft, und das regensichere Dach aus Rohr; nach dem See zu war es offen. In diesem primitiven Hüttchen befand sich ein bequemer Sitz und unter ihm ein geheimes Gelass, eine sogenannte Muddelkiste, worin ich Obst und Nüsse und andere Schätze aufbewahren konnte. An den Wänden hingen meine Waffen, ein Bogen, den der Rademacher kunstreich auf der Zugbank aus Eschensplintholz hergestellt hatte, und dessen Sehne aus einer richtigen Kontrabassdarmsaite bestand, eine Waffe, auf die ich stolz war, denn ich konnte über hundert Schritte weit damit schiessen; daneben ein Köcher aus Birkenrinde mit Rohrpfeilen, die vorne durch Umdrehen in heissem Pech und dann in grobem Sande beschwert waren, und ein hölzerner Tomahawk, sowie ein Bumerang, welche Seltenheit ich Onkel Philipp verdankte, der ihn mit, grosser Mühe und nach den Vorschriften eines australischen Reisewerkes aus einem krummen Holze geschnitzt hatte. »Sehr schön war diese Stute, doch leider war sie tot,« heisst es in einem alten Gedichte. Leider konnte man Aehnliches von diesem Bumerang sagen, denn obwohl er ganz prachtvoll gearbeitet und glatt wie poliert war, so fehlte ihm doch die Eigenschaft zu seinem Schleuderer auf geheimnisvolle Weise wieder zurückzukehren, gänzlich. Ein Schild aus dicker Pappe und eine Anzahl von »weithin schattenden« Lanzen oder Wurfspeeren aus den langen glatten Schossen des Holunders vollendeten die kriegerische Ausrüstung. Dicht unter dem Dache an regensicherer Stelle hatte ich ein Bort angebracht, und auf ihm lehnten stets einige Bücher, deren Inhalt immer und immer wieder zu verschlingen ich nicht müde wurde. Denn ich war, wie ich gestehen muss, eine Leseratte, und diese Neigung zu befriedigen, gab mir Onkel Philipps Bibliothek ausbündige Gelegenheit. Im Gegensatz zu der Bücherei meines Vaters, die meist wissenschaftliche und vorzugsweise theologische Werke enthielt, fanden sich in der des Onkels viele Werke aus der schönen Litteratur und ausserdem Reisebeschreibungen und naturwissenschaftliche Bücher und sonst allerhand, was amüsant und spasshaft zu lesen und zu besehen war, zum Beispiel einige Bände der Fliegenden Blätter, der Düsseldorfer Monatshefte, des Pfennigsmagazins, des Buches der Welt, der malerischen Reise um die Welt und des Bertuchschen Bilderbuches. Wie oft ich mir in einem dieser Bände die feurige und grauliche Pracht des Vesuvausbruches angesehen habe, kann ich nicht sagen. Da Onkel Philipp der Meinung war, man könne Bücher von Wert Kindern nicht früh genug in die Hände geben, so stand mir der Inhalt seiner ganzen Bibliothek zur Verfügung, und ich habe schon in ganz jungen Jahren gelesen, was ich wollte, den Don Quichotte, Shakespeare, E. T. A. Hoffmann, Swifts Werke, Romane von Dickens, soweit sie damals erschienen waren, Paul und Virginie, Töpffers Genfer Novellen, Washington Irving, Bulwer, Jean Paul, Stifters Studien, die damals ganz neu waren, Andersen, Heine, Schiller, Goethe, Tausend und eine Nacht, alles bunt durcheinander und von manchen allerdings nur einzelnes, was man sich bei Jean Paul und Goethe ja leicht vorstellen kann. Mit zwölf Jahren las ich auch den Gil Blas von Lesage, ohne den geringsten Schaden an meiner Seele zu nehmen; denn das, was etwa für mein Alter nicht passend war, verstand ich nicht, oder es langweilte mich gar. An diese Stunden in meinem Menschenneste denke ich oft noch mit einem innigen Behagen und mit der Empfindung, ein ähnliches Glück und gleiche Wonnen später nie wieder empfunden zu haben. Wie herrlich schwelgte es sich in diesen Zaubergärten der Einbildungskraft, in diesen künstlich verschlungenen Labyrinthen poetischer Erfindung, wenn um mich herum die Bienen summten, die Vögel sangen und der blaue See durch die gelblich-weiss blühenden Lindenzweige schimmerte. Oder im Sommer, wenn bei brennender Sonnenglut kein Blatt sich rührte, der Pirol aus den benachbarten Kirschenbäumen unablässig rief, das ferne Klappern der Erntewagen und das Peitschenknallen der Knechte bei der stillen Luft deutlich vernehmbar war und der See mit weissen Lichtern durch die Zweige blitzte. Auch im Herbste war es schön, wenn der Wind ging und mein kleines Haus hin und her wiegte und welke Blätter mir über das Buch tanzten, oder wenn es still und sonnig war, und über mir der Himmel so hoch und blau, und die bunten Herbstschmetterlinge sich sonnten, und zuweilen hie und da eine schwerreife Frucht dumpf herniederfiel, als hätte ein Sonnenstrahl genügt, sie zu lösen. Nur der Winter vertrieb mich von diesem luftigen Platze an den warmen Ofen, und auf meinem Lieblingssitze lagerte sich dann der weisse wollige Schnee. Und doch erinnere ich mich, dass ich einmal an einem sonnigen Wintertage mit grosser Mühe einen unsrer mächtigen Fussäcke, die mir bis an den Hals gingen, wenn ich drin steckte, dort hinaufhisste und sehr stolz auf diese Erfindung, mollig eingepackt, Hoffmanns phantastisches Weihnachtsmärchen vom Nussknacker und Mäusekönig las und das noch phantastischere vom goldenen Topf. Nebenbei sei bemerkt, das E. T. A. Hoffmann ganz besonders gut im Winter zu lesen geht. Denn wenn man Goethe vergleichen darf mit einer Sammlung aller guten Getränke, die es giebt, und Schiller mit einem edeln Rheinwein, so stellt Hoffmann einen guten heissen Weinpunsch dar, und Punsch ist ein Wintergetränk.

Was aber, meinen Jahren entsprechend, den grössten Eindruck machte, waren natürlich die Robinsonaden, die Jagd- und Indianergeschichten, und das war der einzige Punkt, wo auch mein Freund Adolf litterarische Neigungen zeigte. Denn sonst war er nicht fürs Lesen eingenommen, und die Stunden, da ich in meinem Menschenneste hockte, brachte er lieber in den Ställen bei den Pferden, Kühen und Schafen zu oder auf dem Felde bei den Knechten, und besonders zur Erntezeit war er in seinen freien Stunden mit »Biszufahren« von einer Hocke zur andern und dergleichen fanatisch beschäftigt. Die Cooperschen Romane aber, die sogenannten Lederstrumpfgeschichten, als da sind »Der Pfadfinder«, »Der Hirschtöter«, »Der letzte der Mohikaner«, »Die Ansiedler« und »Die Prairie« gefielen ihm ebenfalls, und wir beide liebten Natty Bumppo schwärmerisch, nahmen grossen Anteil an Chingachgook und begeisterten uns für Unkas, so dass wir fast in ein Zerwürfnis gerieten, weil jeder von uns seinen Namen führen wollte, wenn wir in den benachbarten Wäldern, einer in die Fusstapfen des andern tretend, auf dem Kriegspfade waren.

Nicht minder gefiel uns aber »der schweizerische Robinson«, »Sigismund Rüstig« von Marryat und »Robinson Crusoes Leben und Abenteuer« von Daniel Defoe. Zuerst natürlich lernten wir einen der letzten Ausläufer aller dieser Robinsonaden kennen, den von Campe für Kinder zurechtgemachten »Robinson den Jüngeren«. Dass wir um diese Zeit ausschliesslich Robinson und Freitag spielten und jammervoll missglückte Versuche machten, Töpfe und Schalen aus Ton zu formen und bei einem mächtigen Holzfeuer hart zu brennen, ist selbstverständlich. Doch hatten wir an dieser Geschichte auch mancherlei auszusetzen. Insonderheit hassten wir die eingestreuten Gespräche, die stets dann mit Sicherheit zu erwarten waren, wenn unser Interesse an Robinsons ferneren Schicksalen wie Feuer brannte. Warum mussten diese Kinder, Gottlieb, Lotte, Fritzchen und wie sie alle hiessen, in solchen Augenblicken gerade von dem erzählenden Vater mit Moral und Belehrung gestopft werden, und warum stellten sie ihre albernen Fragen so zur Unzeit? Für diese Kinder, die ihre Reden meist mit I! oder mit O! anfingen, und für ihre Gespräche konnten wir uns niemals erwärmen. Ferner missfiel es uns, dass Robinson anfangs auf dieser Insel so rein gar nichts hatte. Da war der Ur-Robinson des Daniel Defoe doch anders ausgestattet. Er hatte Gelegenheit, das ganze Schiff zu leeren und sich mit allen möglichen guten und brauchbaren Sachen auszurüsten, ja selbst mit kräftigem Getränk war er so reichlich begabt, dass er siebenundzwanzig Jahre nach seiner Ankunft auf der Insel noch immer mit Rum versehen war.

Eine Insel wurde nun natürlich für uns der Inbegriff aller Poesie, und wir schätzten uns glücklich, dass auch unsre Gegend mit dergleichen romantischen Einrichtungen reichlich ausgestattet war. Die eine dieser Insel, den zunächst gelegenen und zu Steinhusen gehörigen Rosenwerder, besuchten wir oft, und unser höchster Wunsch war, wie schon erwähnt worden ist, dort einmal eine längere Zeit als Robinson und Freitag in der Einsamkeit zu leben. Wir malten uns die Reize einer solchen Unternehmung mit den schönsten Farben aus, und da wir die höhere Einwilligung dazu noch einmal zu erlangen hofften, so hatten wir in aller Stille dort schon allerlei für solchen Zweck vorbereitet. Wir hatten schon im vorigen Herbst dort ein Stück Land urbar gemacht und es im Frühjahr mit Kartoffeln bepflanzt, die sehr gut gediehen waren, und hatten ferner dort mit vieler Mühe und Arbeit und der Hilfe isern Hinrichs eine kleine Hütte errichtet, die regensicher eingedeckt war und ein weitausladendes Vordach besass, unter dem man auf Bänken zu beiden Seiten der Thür wohl geschützt im Freien sitzen konnte. Inwendig war so viel Raum, dass zwei Menschen drin schlafen konnten und ausserdem ein Tisch und zwei Holzstühle Platz fanden, die uns der Rademacher aus alten Brettern und Latten kunstlos zusammengeschlagen hatte. Die Thür und die beiden kleinen Fensteröffnungen, die durch das Vordach vor dem einschlagenden Regen geschützt waren, konnten durch Vorhänge von alten Kornsäcken windsicher verwahrt werden. Selbst unsre Betten waren fertig, an jeder Seite des Innenraumes eins. Sie standen auf eingerammten Tannenpfählen; ihre Kasten hatten wir aus alten Brettern hergestellt und hoch mit Heu angefüllt, das wir selbst auf der Insel geworben hatten. Wenn wir uns jeder eine alte Pferdedecke als Überbett mitbrachten, musste es sich himmlisch darin schlafen. Wir versuchten es einmal zur Probe; es gelang uns aber nicht, in Schlaf zu kommen, vor lauter Vergnügen und Wonne über die prachtvolle Einrichtung dieses Robinsonhäuschens. Draussen hatten wir aus zusammengesuchten Steinen und Lehm einen vorzüglichen Feuerherd gebaut und um das Häuschen herum ein Gärtchen angelegt mit einer Feuerbohnenlaube und ganz ungemein viel Ringelblumen, Kapuzinerkresse, Sonnenblumen und ähnlichen gewaltsamen Pflanzen. Unser Stolz war eine Anzahl von Georginen und Stockrosen, die Onkel Simonis in diesem Frühjahr ausrangiert und uns geschenkt hatte. Da wir diese kraftvolle Vegetation nicht ganz im Unkraut hatten ersticken lassen und alles jetzt in voller Blüte war, so kann man sich denken, dass die Umgebung unsers kleinen Hauses uns schon von ferne mit den grellsten Farben entgegentrompetete. Wir fanden diese ganze Anlage höchst komfortabel und schön, und es that uns nur leid, dass sie den Zweck nicht erfüllen sollte, zu dem wir sie bestimmt hatten, und diese ganze Pracht ungesehen verblühen und zerfallen sollte. Da hatte ich eines Tages, als ich in meinem Menschennest sass und über den See hinweg nach Rosenwerder hinsah und kräftig über diese Angelegenheit nachdachte, einen Einfall, der mir ganz besonders einleuchtete. Wir mussten die höheren Instanzen, Eltern, Onkel und Tanten für unsern Plan dadurch zu gewinnen suchen, dass wir sie kennen lehrten, wie überaus prachtvoll wir auf Rosenwerder eingerichtet waren. Sie hatten alle keine Ahnung davon, und wenn wir auch mit Begeisterung davon erzählt hatten, so waren wir doch stets nur einem Lächeln über unsern kindlichen Überschwang begegnet. Wir mussten dorthin eine Landpartie veranstalten, ein kleines Waldfest musste dort gefeiert werden, und vor allen Dingen musste Onkel Philipp für diesen Plan gewonnen werden. Hatten wir den, der bei den Eltern so viel galt, auf unsrer Seite, so war schon viel erreicht. Ich rannte sofort zu Adolf, der meinen Plan sehr billigte, und wir beschlossen, sofort am nächsten Tage nach dem Unterricht an seine Ausführung zu gehen. Bei diesem Unterricht waren wir von so reger Aufmerksamkeit und so hohem Fleisse erfüllt, dass dies sichtlich Onkel Philipps Wohlgefallen erregte und er in eine vergnügliche Stimmung geriet. Diese kam dadurch zum Ausdruck, dass er uns nach Schluss der Stunden aufforderte, ihm zu seinem Aprikosenspalier zu folgen, das mit einer Fülle goldener Früchte dicht bedeckt war. Diese Art der Zensur eines löblichen Betragens fand, wie immer, unsern höchsten Beifall, und als wir nun unsre Strohhüte mit den köstlichen Früchten halb gefüllt hatten, brachten wir unser Anliegen vor. Bestimmend war es für Onkel Simonis, als er hörte, dass wir uns dort einen Garten angelegt hätten. »’n Garten habt ihr da auch, Jungs?« sagte er, »das muss ich sehen. Muss ich durchaus sehen! Wir können gleich heut nachmittag mal ‚rüberfahren. Der Rademacher hat ja wohl euer altes Boot noch einmal wieder zurecht gekriegt, nur dass ihr damit nicht mehr segeln dürft. Und das ist gut, das ist ungemein gut, denn mit euch segeln? Lieber nicht! Ihr segelt mir zu dicht an der Ewigkeit vorbei. Aber nur, wenn das alte Boot wieder zu Gange ist, versteht ihr wohl? Denn in euer neues sogenannte Kanoe, da steig‘ ich nicht hinein, steig‘ ich durchaus nicht hinein, das ist mir zu windhundmässig. Also heut nachmittag Glock fünf, dann könnt ihr mich abholen, ja, könnt ihr!« Wir zogen vergnügt ab, glücklich, unsern Zweck so leicht erreicht zu haben. Er geriet in grosses Entzücken, als er dann unsre Ansiedlung erblickte. Sie lag am Rande einer Waldwiese, die an der einen Seite vom See begrenzt wurde, am Südostabhang eines Hügels. Dieser war vor Jahren abgeholzt worden, und zwischen den mächtigen Baumstümpfen war allerlei Gebüsch aufgeschossen, Himbeeren, wilde Rosen und Haselsträuche. In der Nähe floss eine kleine Quelle vorbei und schlängelte sich am Fusse des Hügels durch üppiges Krautwerk dem See zu. Unsre Hütte lag auf der Anhöhe, wo der Wald wieder begann, und als wir nun, von der andern Seite der Insel kommend, zwischen den Bäumen hervortraten, sahen wir über die Wiese hinweg das winzige Häuschen mit seiner blühenden Umgebung vor uns.

»Ihr Musen und Grazien!« rief Onkel Philipp, »das ist ja sozusagen romantisch hier. Da fehlt ja nur noch ein alter Einsiedler und ein zahmes Reh und ’n paar Tauben auf dem Dach, dann ist’s ’n Bild von Ludwig Richter oder Moritz von Schwind. Nur die Blumen, die ihr dort gepflanzt habt, Jungs, die schrei’n ein bisschen sehr Hurra. Aber das schadet nichts, ist einerlei, macht mir doch Spass. Hätt‘ ich euch gar nicht zugetraut.«

Wir gingen dann um die Wiese herum, damit Onkel Philipp sich das Anwesen näher betrachten könne. Als wir vor der Hütte standen, sagte er: »Den Platz habt ihr ganz fein ausgesucht. Der Blick über die Wiese auf den Wald und dann seitwärts über den See in die weite Ferne – sehr idyllisch, ganz ungemein idyllisch. Hier möcht‘ ich ja selbst mal ’n Sommer als Einsiedler leben. Und gelbe Wurzeln (Mohrrüben) habt ihr ja auch in dem Garten, und da hinten blühen ja Kartoffeln, das ist ja eine nahrhafte Gegend, eine höchst nahrhafte Gegend.«

Dann bückte er sich und trat in die Hütte, in der er sich nicht aufrichten durfte, ohne mit dem Kopf an die Decke zu stossen. Er stand da breitbeinig, die Hände auf die Kniee gestützt, und sah sich um.

»Kinder«, sagte er, »ihr seid hier ja sybaritisch eingerichtet, mit einem gewissen Luxus, wenn man so sagen darf. Ordentliche Betten – und Möbel. Raum ist in der kleinsten Hütte, aber knapp ist er nur. Ich will lieber wieder herausgehen, draussen ist es geräumiger.«

Wir trugen nun den Tisch und die Stühle hinaus, und liessen Onkel Philipp unter dem Vordach sitzen, indes wir Anstalten zu seiner Bewirtung machten. Während ich mit unserm Holzvorrat ein mächtiges Feuer anmachte, grub Adolf Kartoffeln aus und wusch sie am Seeufer. Später zog er einige stattliche Mohrrüben, schrapte sie säuberlich mit seinem Taschenmesser und legte sie auf ein Klettenblatt.

Onkel Philipp hatte sich seine kurze Pfeife angebrannt, schaute aufmerksam unsern Anstalten zu oder betrachtete mit Wohlwollen die Sonnenblumen, Georginen und Stockrosen, die ihm überall entgegenleuchteten, und qualmte dazu, »as wenn ’n lütt Mann backt.«

Als ich das Feuer auf den Höhepunkt gebracht hatte, warf ich noch einen Arm voll Holz auf und ging aus, um das Dessert zu besorgen. Ich brachte Haselnüsse mit, die eben anfingen, sich zu bräunen, Brombeeren, die an sonnigen Stellen schon gereift waren, und einige gelbe Holzbirnen von den zahlreichen wilden Obstbäumen, die dort wuchsen. Man sagte, die Insel sei vor dem Dreissigjährigen Kriege besiedelt gewesen, und diese Wildlinge seien die Nachkommen der damaligen Gartenbäume. Auch wilde Johannisbeeren wuchsen dort in einem Erlenbruche, und es gelang mir, noch einige dieser Weintrauben des Nordens zu entdecken und unserm reichen Menü hinzuzufügen. Alles wurde auf grünen Blättern sauber auf dem Tische geordnet.

Unterdessen hatte Adolf die Kartoffeln in die glühende Asche des niedergebrannten Feuers geschichtet und ging dann hin, um in einer sogenannten Pottbuddel, die zu unserm Inventar gehörte, Wasser aus der Quelle zu holen. Auch diese setzte er auf den Tisch und dazu mit grossem Stolz als Trinkgefäss eine halbe Kokosnussschale, die wir als ein für ein Robinsonsdasein äusserst stilvolles Trinkgefäss ganz besonders schätzten.

Ein ungemein schlaues Gesicht aber machte Adolf, als er zum Schluss eine kleine in Papier gewickelte Dose mit Butter aus der Tasche zog und sie zu dem übrigen auf den Tisch setzte. Unterdes waren die Kartoffeln gar geworden; sie wurden vorsichtig aus der heissen Asche geholt und auf ein mächtiges Klettenblatt gehäuft. Nun konnte das schwelgerische Mahl beginnen.

Onkel Philipp benahm sich musterhaft. Nicht allein, dass er die köstlich duftenden Kartoffeln, die mit frischer Butter genossen ein gutes Gericht sind, mit Behagen schmauste, nein, er biss auch todesmutig in eine Mohrrübe, verzehrte, ohne eine Miene zu verziehen, sogar zwei Holzbirnen deren Aroma er lobte, that auch den übrigen Früchten alle Ehre an und trank kaltes Wasser dazu. Damals fand ich darin gar nichts Besonderes, und erst nach langen Jahren ist mir klar geworden, wie gütig er damals gegen uns war, denn er hatte einen schwachen Magen. »Wie ist Natur so lieb und gut, die mich am Busen hält!« sagte er. »Wir ruhen hier wirklich am Busen der Natur, wie die ersten Menschen, und nähren uns von den Früchten des Landes und Quellwasser. Sehr idyllisch.«

Wir hielten jetzt den Augenblick für gekommen, mit unsern Plänen herauszurücken, und setzten ihn dadurch doch ziemlich in Verwunderung.

»Jungs«, sagte er, »wovon wollt ihr denn leben? Etwa von den Erträgen der Jagd? Da würde euch wohl bald die Katze mit dem Magen weglaufen. Oder immer von Kartoffeln und Mohrrüben und Haselnüssen und den Beeren des Waldes? Da würdet ihr wohl schnell von Kräften kommen. In Geschichten macht sich das ganz schön, aber in Wirklichkeit sind saure Linsen mit Speck und ’n tüchtiges Beefsteak doch vorzuziehen, sehr vorzuziehen sogar.«

Wir setzten ihm dann auseinander, dass uns gar nichts daran läge, als Robinsons von der strengsten Observanz unsern Leib zu kasteien, und dass wir gar nichts dagegen hätten, unsre Einsamkeit mit Butter, Wurst und Schinken und andern angenehmen Vorräten zu teilen. Das leuchtete ihm allerdings ein, jedoch sträubte er sich, einen Plan zu befürworten, der ihm zwar nicht missfiel, von dem er aber voraussah, dass er verschiedenen verständigen Leuten, und besonders dem Vater von Adolf Martens, einem biederen, nüchternen Landmann, als der Gipfel des Blödsinns erscheinen würde.

Als wir mit Bitten nicht nachliessen, kam Onkel Philipp wohl die Erleuchtung, dass aus der Sache für ihn am Ende noch ein pädagogischer Nutzen herausspringen möge, denn er sagte:

»Nun gut, wenn ihr in den nächsten Wochen nicht so muffig und thranig sein wollt beim Latein und beim Französischen, sondern hübsch, fix und alert und bei der Sache, so zum Beispiel wie heute, da will ich sehen, was ich thun kann, ja, das will ich. Und soll ein Wort sein. Aber nun muss ich mir nach diesem üppigen Vesperbrot unbedingt etwas Bewegung machen, und nun wollen wir mal sehen, was hier auf diesem Eiland wächst.«

Er hing seine grosse grüne Botanisierkapsel um, und wir folgten ihm so vergnügt über das Erreichte, dass wir uns gegenseitig eine ganze Weile lang mit den spitzen Knöcheln in die Rippen puffen mussten, um unsre Freude nur einigermassen zu dämpfen. Dann revierten wir, wie die Hunde um den Jäger, um ihn herum, und suchten nach auffallenden Pflanzen, denn den Wert der unauffälligen zu schätzen, war unsre Kenntnis noch nicht gross genug. Als wir dabei an die Seite der hügeligen Insel kamen, wo man über die Fischerinsel hinweg den Uhlenberg sehen konnte, blieb Onkel Philipp stehen und blickte mit einer Art Sehnsucht dort hinüber. »Der Uhlenberg«, sagte er dann, »ist botanisch sehr interessant, ganz ungewöhnlich interessant. Auf der Insel ist immer Wald gewesen, und dieser Wald ist niemals richtig forstmännisch behandelt worden. Das mögen die Pflanzen, haben sie gern. Denn wo man Bauholz zieht in Reihen, wie der Landmann die Kartoffeln, und die Bäume aufmarschiert stehen wie die Soldaten, da mögen die feinen und vornehmen Pflanzen nicht sein, und nur das gemeine Gesindel fühlt sich dort wohl, der Plebs des Pflanzenreiches. Je höher der Forstmann bedauernd die Achseln zuckt, je besser ist der Wald für den Botaniker. Wenn der berühmte Forstmeister Pingel aus Achtermannshagen den Uhlenberg sehen würde, so würd‘ er sagen, das ist ja ein Jammer. Das ist ja ein Unfug, würd‘ er sagen. Die Masse von überständigen Bäumen, wo das Holz schon gar nichts mehr wert ist, und dann alles bunt durcheinander, alt und jung und gross und klein, Eichen und Buchen, Linden und Eschen, Erlen und Weiden, Kiefern und Fichten und wilde Obstbäume, wie es wachsen will und mag. Und dann das Forstunkraut, die riesenhaften Horste von Haselnussbäumen, die weit über hundertjährigen wilden Rosen und die mächtigen Dornbüsche, die sich zu Bäumen ausgewachsen haben, und all das andre mannigfache Unterholz. Für den richtigen Forstmann ist das nun wohl nicht schön, dem Naturfreund und dem Botaniker aber, dem geht das Herz auf. Wenn Pastor Bröcker aus Neddemin, der da früher oft botanisiert hat, als Herr Wohland dort noch nicht wohnte, wenn der auf den Uhlenberg zu sprechen kommt, dann fängt er über und über an zu leuchten wie der Vollmond in einer klaren Sommernacht Von der Pracht des Blumenwerks im Frühling macht man sich keinen Begriff, sagt er. Denkt euch, da kommt das grosse Schneeglöckchen vor, Leucoium vernum, das zwar in den Wäldern um Leipzig häufig wächst, bei uns aber in Norddeutschland eine grosse Seltenheit ist. Im ersten Frühling, wenn der Wald noch licht ist, sind die Hügelanhänge blau von Leberblümchen und gelb von Primeln; alle drei Arten, officinalis, elatior und acaulis, wachsen dort. Dort schimmert später die schöne Waldanemone Anemone sylvestris, die Schachblume findet sich dort auf einer Waldwiese, die Trollblume und das schöne blaue Leiterkraut. Von den ungezählten Maiglöckchen will ich gar nicht reden, denn die sind ja bei uns nicht selten. Ich will nur noch Pflanzen nennen, die im Lande nur wenige Standorte haben, wie Akelei, gelber Fingerhut, die schöne Glockenblume Campanula cervicaria und Viola mirabilis, das wunderbare Veilchen. Der Uhlenberg ist ein Paradies für Botaniker, ein Eldorado, denn, denkt euch nur, von den Märchen unter den Kräutern, den wunderlichen Orchideen, sind auf der Insel fast alle zu finden, die im Lande vorkommen. Pastor Bröcker hat eine Orchis militaris von dort, die an zwei Fuss hoch ist. Die seltsame Vogelnestorchidee Neottia nidus avis könnte man dort scheffelweise sammeln, und ebenso die verschiedenen Arten von Epipactis. Das Tollste aber ist, und das würde ich nie glauben, wenn ich die Pflanze nicht bei Pastor Bröcker selbst gesehen hätte, mit Fundortsbezeichnung und allem: er hat Epipogium aphyllus dort gefunden!«

Dabei griff er jeden von uns am Oberarm, schüttelte uns ein wenig und sah uns abwechselnd an, als wolle er die Verwunderung über diese ungeheure Thatsache aus uns mit Gewalt herausrütteln. Wir starrten ihn jedoch ziemlich verständnislos an, denn was war uns Epipogium aphyllus? Wir konnten uns nichts dabei denken.

»Na«, sagte er, »die Ochsen wunderten sich auch nicht, als sie hörten, dass Pythagoras seinen berühmten Lehrsatz gefunden hätte. Die Bedeutung dieser Sache wurde ihnen erst klar, als der beglückte Mann hundert von ihnen zum Dank für seine Entdeckung den Göttern schlachtete. Epipogium aphyllus, mit dem wunderlichen deutschen Namen Bartständel oder Widerbart, heisst eine sehr seltene Orchidee. Sie hat keine Blätter und kommt mit einem farblosen Stengel ohne weiteres aus dem feuchten Quellgrund hervor. Daran hängen die höchst seltsamen schweren Blumen, wie aus durchscheinendem Wachs geformt, ebenfalls fast farblos, nur mit einem leichten rötlich-gelben Anhauch. Wer diese Blume zum ersten Male sieht in seinem Leben, der sagt sich gleich, das ist etwas, das giebt’s nicht alle Tage, das ist eine Seltenheit. Und das ist auch wahr, sie ist überall selten, ungeheuer selten! Ich habe sie einmal gefunden vor Jahren im Riesengebirge, in der Nähe des Kochelfalles, dicht am Kochel auf feuchtem, quelligem Grund. Und als ich nachher dort im Wirtshaus sass am Fall, da liess ich mir ein Gläschen Wasser geben, stellte die Blumen hinein und drehte sie immerfort herum und freute mich an ihnen und trank eine ganze Flasche Ungarwein ihnen zu Ehren. Und selbst die Quellnymphe des Kochelfalles, die mich zuerst mit Bärlapp bekränzte, wie es dort Mode ist, und mir nachher den Wein brachte, wunderte sich über die Blumen und sah sie mit andächtigen Augen an. Und als ich am andern Tage dem Hauptbotaniker der Gegend die Pflanzen zeigte, da wurde er gelb und warf einen Hass auf mich. Hierzulande ist sie sonst erst einmal gefunden worden, auf dem Schelfwerder bei Schwerin und dann nie wieder, so viel Botaniker auch danach gesucht haben, nie wieder! Der zweite Fundort ist nun hier auf dem Uhlenberge, aber das ist nicht weiter bekannt, denn Pastor Bröcker hat es nicht veröffentlicht, und nur wenige wissen es. Ist ja auch ganz gut, denn solche seltene Pflanzen werden sonst gleich wegbotanisiert, wie das schon mit vielen Pflanzen in vielen Gegenden geschehen ist. Ein berühmter Professor in Göttingen wusste zwar sehr genau den einzigen Standort der Feuerlilie im Harz, wenn er aber mit seinen Studenten in der Gegend botanisierte, so konnte er ihn nie finden, konnte ihn mit Gewalt nicht finden, denn er wusste sehr wohl, dass es den Feuerlilien nicht bekommen wäre, wenn allzuviele ihren Standort gewusst hätten. Und wenn die seltene Orchidee auf dem Uhlenberg jetzt wirklich noch wächst, so ist das teils der Verschwiegenheit des Pastors Bröcker zu verdanken, teils der Ungeselligkeit des Herrn Wohland, der keinen Besuch auf seiner Insel wünscht. Vor ein paar Jahren hat sich mal ein junger unternehmender Botaniker, der wusste, dass Herr Wohland gerade verreist war, dorthin übersetzen lassen, um einen botanischen Raubzug zu unternehmen. Das ist ihm aber schlecht bekommen, denn nach einer Weile ist der wütige grosse Hund auf ihn losgestürzt, um ihn zu stellen. Der Botaniker hat sich nur mit knapper Not auf einen ziemlich niedrigen Baum retten können, und da hat der fürchterliche Köter ihn stundenlang verbellt und von Zeit zu Zeit rasende Sätze in die Luft gemacht und mit seinem roten Rachen nach ihm geschnappt, bis endlich Driebenkiel gekommen ist und ihn befreit hat. Und hat ihm eine Rede gehalten, als er ihn wieder an sein Boot geleitet hat, mit siebzehn Injurien darin – der junge Botaniker hat sie gezählt, und es sind prachtvolle Exemplare dabei gewesen –, und das ist das einzige, was er für seine Sammlung gewonnen hat. Siebzehn fette Injurien, darunter Unika!«

Wir nickten still, denn wir kannten Driebenkiels Leistungsfähigkeit in diesem Fache aus eigner Erfahrung.

Unterdes hatte sich der Abend niedergesenkt, Onkel Philipp warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf den Uhlenberg und seufzte ein wenig. Wir gingen mit ihm nach dem Orte, wo unsre Jolle lag, und ruderten ihn durch das Abendrot nach Hause. –

Aus der von uns beabsichtigten Landpartie wurde nichts, sie scheiterte an dem Widerstreben des Herrn Martens, der, wie die meisten Menschen, die sich von Berufs wegen den ganzen Tag in der freien Luft aufhalten, und denen Wald und Feld das Alltägliche sind, für solche Vergnügungen keinen Sinn hatte. Bei Onkel Philipp waren wir aber vierzehn Tage lang wahre Musterknaben, bekundeten ein so reges Interesse für den alten Cornelius Nepos und für den fast noch verhassteren Charles douze, rasselten die wahnwitzigsten unregelmässigen Verba wie Wasser herunter und übten uns mit solchem Eifer gallische Nasallaute ein, dass sein Herz tief gerührt wurde und er unsern Eltern nach dieser Zeit bei einer sonntäglichen Whistpartie eine prachtvolle Rede hielt über den bildenden Einfluss und den pädagogischen Wert unsers Unternehmens und dadurch allen Widerstand in kurzer Zeit besiegte. Herr Martens sagte zwar: »’ne Verrücktheit bleibt es doch!« aber schliesslich rief er: »Na, meinetwegen! Wer giebt?« Und es steht zu vermuten, dass seine Nachgiebigkeit durch den Wunsch beschleunigt wurde, möglichst bald wieder zu seinem Whist zu kommen.

Als wir am andern Tage nach dem Schlusse des Unterrichts diesen glücklichen Ausgang vernahmen, denn Onkel Philipp hatte sich vorbehalten, uns diese Mitteilung selbst zu machen, kobolzten wir eine ganze Weile auf dem Rasen herum, schlugen Rad und führten zwischendurch kleine Faustkämpfe miteinander auf, um unsre Wonne nur etwas zu dämpfen; wir waren ganz aus der Tüte, wie man zu sagen pflegt, noch dazu, da die Ausführung dieses herrlichen Unternehmens uns so bald bevorstand. Denn Onkel Philipp hatte gesagt, in den Michaelisferien wäre die Zeit zu spät für die Ausführung dieses Planes, die Abende zu lang, und die Nächte zu kühl. Er wolle uns deshalb schon vom 9. September ab vierzehn Tage frei geben. Das war bald, denn wir hatten Ende August. Darum fuhren wir fast an jedem Nachmittag nach Rosenwerder, wo wir mit fieberhaftem Eifer an der Vervollkommnung unsrer Hütte arbeiteten. Das Dach bestand aus einer Lage von jungen Kieferstämmen nebeneinander, deren Zwischenräume mit Moos ausgestopft waren. Darauf hatten wir eine starke Schicht Lehm gebracht, die wir durch stundenlanges Spazierengehen auf diesem Dache festgetreten hatten, und darüber war es sauber mit Rasen belegt. Dieser hatte bei der Dürre des Sommers gelitten, und wir brachten nun eine zweite Schicht Rasen auf, was uns viel Mühe und Arbeit machte. Die Wände wurden frisch verstopft und mit Lehm verschmiert, der Fussboden der Hütte durch festgetretenen Lehm um einen halben Fuss erhöht und rings um die Hütte ein Graben angelegt, über den eine kleine Brücke führte.

Dies hatte Onkel Philipp aus hygienischen Gründen, wie er es nannte, angeordnet. Dieser Graben entwässerte sich durch einen zweiten, der zur Wiese hinabführte. An der Quelle legten wir ein Stauwerk an, wodurch sich ein kleiner Tümpel bildete, aus dem wir bequem das nötige Wasser entnehmen konnten. Dies hatte eine andre Annehmlichkeit zur Folge, nämlich, da sich hinter dem Stauwerk ein kleiner Fall bildete, so hatten wir, wenn wir abends nach gethaner Arbeit vor der Thür sassen, immer die klingende Musik eines fliessenden Wässerchens zur Begleitung für unsre sinnreichen Gespräche.

Ganz zuletzt machten wir noch eine Entdeckung, die uns grosses Entzücken bereitete. Wir fanden auf dem Boden des Gutsbesitzerhauses – denn solche Örtlichkeiten durchstöberten wir natürlich häufig auf der Suche nach geeigneten Gegenständen – einen ganzen Stapel alter Tapeten. Diese wurden in früherer Zeit nicht an die Wände geklebt, sondern auf Leinwand gezogen und davor gehängt. Wer solche alten Tapeten, die Nachfolger der ursprünglichen-Gobelins, noch gekannt hat, der weiss, welchen Teufelsspuk die Mäuse dahinter verübten, wenn sie zwischen Tapete und Wand ihre Turnkunststücke aufführten oder ihre Familienzwistigkeiten erledigten. Das waren für Spukhäuser die richtigen Tapeten, die sich bei jedem Luftzuge bewegten und besonders des Nachts eine Fülle unerklärlicher Geräusche von sich gaben, ein rieselndes Knistern oder Laute wie Seufzer und schlurfende Schritte. Wenn es jetzt lange nicht mehr so viele Gespenster giebt als früher, so schiebe ich das darauf, dass die Tapeten jetzt hübsch festsitzen an den Wänden.

Da uns aber ein tapeziertes Robinsonhaus durchaus nicht stilvoll erschien, so weichten wir die Tapeten mit Wasser von der Leinwand ab und bekleideten mit dieser sämtliche Innenwände des Häuschens, wodurch es nach unsrer Ansicht auf den Gipfel der Vollendung gebracht wurde und etwas unbeschreiblich Wohnliches, ja Luxuriöses erhielt. Als wir so mit unsern Vorarbeiten gänzlich fertig waren, standen wir wohl eine Stunde um das Häuschen herum, besahen es von innen und aussen, von nah und fern, von oben und unten immer wieder und fanden, dass kein Fehl an ihm war, und unsre Herzen schwollen vor Stolz über dies herrliche Besitztum.