Der Dämon schwieg und heftete seine furchtbaren Augen auf mich, meine Antwort erwartend. Ich war so erstaunt und erschreckt, daß ich zuerst gar nicht imstande war, die Tragweite seines Wunsches zu ermessen. Er fuhr fort:
»Du mußt mir ein Weib schaffen, mit dem ich zusammen leben kann. Du allein kannst das und ich fordere es von dir; es ist mein Recht, das du mir nicht versagen darfst.«
Der letzte Teil seiner Erzählung hatte in mir wieder den Haß gegen ihn erweckt, der bei der Schilderung seiner Erlebnisse mit der Familie de Lacey etwas eingeschlummert war und sogar einem gewissen Gefühl der Teilnahme Platz gemacht hatte, dann aber brach ich wütend los:
»Das werde ich nicht, und keine Qual wird je ein Zugeständnis aus mir herauspressen. Du kannst mich verstümmeln und töten, du kannst mich zum elendesten der Menschen machen, aber du wirst es nie so weit bringen, daß ich in meinen eigenen Augen wie ein Schurke dastehe. Ich soll ein solches Wesen schaffen, damit ihr vereint eure verruchte Bosheit auf die Welt loslassen könnt? Aus meinen Augen! Meine Antwort hast du. Martere mich, aber glaube nicht, daß ich deinen Wunsch erfülle.«
»Du bist im Irrtum«, erwiderte der Dämon. »Und anstatt dir zu drohen, bitte ich dich, meinen Vernunftgründen dein Ohr zu leihen. Ich bin nur schlecht, weil ich elend bin. Verfolgen und hassen mich nicht alle, die mich erblicken? Du, mein Schöpfer, du würdest mich frohlockend in Stücke reißen. Sage mir, warum soll ich mit den Menschen mehr Mitleid haben als sie mit mir? Du würdest dich keines Mordes schuldig fühlen, wenn du mich, das Werk deiner Hände, in eine dieser Eisspalten werfen und zerschmettern könntest. Soll ich jemand achten, der mich verachtet? Glaube mir, wenn jemand sich entschließen könnte, gut gegen mich zu sein, ich würde es ihm mit Tränen der Dankbarkeit in den Augen danken und ihm alles Gute tun, was in meiner Macht stünde. Aber das wird ja nie geschehen; die menschlichen Sinne bilden unüberwindliche Hindernisse. Doch gedenke ich nicht, mich ohne weiteres zu fügen. Ich will mich für das Erlittene rächen. Wenn ich nicht Liebe einflößen kann, dann will ich Furcht und Entsetzen verbreiten. Und ganz besonders dir, meinem Schöpfer, meinem Erzfeind, schwöre ich unauslöschlichen Haß. Hüte dich! Ich will an deinem Verderben arbeiten und nicht enden, ehe ich dich so unglücklich gemacht, daß du der Stunde deiner Geburt fluchst.«
Teuflische Wut leuchtete aus seinen Augen, als er dies sagte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer unbeschreiblich schrecklichen Grimasse; aber rasch beherrschte er sich und fuhr ruhiger fort:
»Doch ich hatte ja die Absicht, vernünftig mit dir zu reden. Diese Leidenschaftlichkeit hat keinen Zweck, denn du bist dir ja doch nicht im klaren, daß du alles verschuldet hast. Ein einziger Mensch nur sollte mir sein Wohlwollen beweisen, und um dieses Einen willen würde ich Frieden schließen mit seinem ganzen Geschlecht. Aber ich will nicht in Träumen schwelgen, die doch nie zur Wirklichkeit werden. Was ich von dir fordere ist gerechtfertigt und bescheiden. Ich verlange ein Wesen, das von mir geschlechtlich verschieden, aber ebenso häßlich ist wie ich. Es ist nur wenig, was ich von dir erbitte, aber es ist mir genug. Wahr ist ja, daß wir Ungeheuer sind, die mit der Welt nichts zu schaffen haben; aber umso lieber werden wir einander sein. Wir werden kein glückliches Leben führen, aber wir werden niemand etwas zu Leide tun. O mein Schöpfer, tu mir das zu Liebe; ich will dir für diese eine Wohltat unbegrenzt dankbar sein. Laß mich sehen, daß wenigstens ein lebendes Wesen Mitleid mit mir hat und schlage mir meine Bitte nicht ab.«
Ich war erschüttert; dabei graute mir vor dem Gedanken an die etwaigen Folgen meiner Zustimmung. Aber ich fühlte, daß in seinen Worten eine gewisse Logik lag. Aus seiner Erzählung und aus den Gefühlen, die er mir geoffenbart, konnte ich entnehmen, daß er ursprünglich ein zartes Innenleben besaß. Schuldete ich ihm nicht, nachdem ich ihn einmal geschaffen, auch all das Glück, das ich ihm bescheren konnte? Er merkte, daß ich schwankte, und fuhr fort:
»Wenn du tust, um was ich dich bitte, sollst weder du noch irgend ein anderes menschliches Wesen fürderhin noch etwas von mir hören. Ich will in die weiten Urwälder Südamerikas gehen. Meine Nahrung ist nicht die blutige der Menschen. Ich vernichte nicht Lämmer und Ziegen, um meinen Hunger zu stillen; Nüsse und Beeren genügen mir. Da meine Genossin ebenso beschaffen sein wird wie ich, wird auch sie mit der gleichen Nahrung vorlieb nehmen. Wir werden uns unser Lager aus trockenen Blättern bereiten und die Sonne wird uns ebenso warm scheinen wie den Menschen. Das Bild, das ich dir von unserem künftigen Leben entwarf, ist gewiß ein friedliches und harmloses, und nur in verbohrter Grausamkeit und starrem Eigensinn kannst du mir die Gewährung meiner Bitte versagen. Erbarmungslos warst du bisher gegen mich, aber nun sehe ich deine Augen in einem Schimmer von Mitgefühl leuchten. Laß diesen Augenblick nicht vorübergehen, ohne mir zu versprechen, daß du das tun wirst, um was ich dich bat.«
»Du hast mir ja allerdings versprochen, mit deiner Genossin die Wohnstätten der Menschen zu fliehen und dich in jenen Gegenden niederzulassen, wo nur die Tiere der Wildnis deine Wege kreuzen. Aber wer gibt mir Gewißheit, daß du, der du dich doch so sehr nach der Liebe der Menschen sehnst, es in deinem Asyl aushalten wirst? Du wirst zurückkehren und dich wieder den Menschen zu nähern versuchen und wieder auf ihre Abneigung stoßen. Dein Haß wird von neuem auflodern und du wirst dann nicht mehr allein sein bei deinem Zerstörungswerke. Und das darf nicht sein; gib dir keine Mühe mehr, ich darf nicht ja sagen.«
»Wie unverlässig sind doch eure Gefühle! Eben noch warst du fast gewonnen und nun verschließest du dich plötzlich wieder meinen Bitten. Ich schwöre dir bei der Erde die mich trägt, bei dir selbst, mein Schöpfer, daß ich mit meiner Genossin weit, weit fortgehen werde von den Plätzen, wo Menschen wohnen. Mein Haß wird dann verlöschen, wenn ich einmal nur Wohlwollen gegen mich sehe. Mein Leben wird in Ruhe dahinfließen, und wenn ich sterben muß, dann kann ich dankbar dessen gedenken, der mich geschaffen.«
Seine Worte hatten eine merkwürdige Wirkung. Er tat mir leid und ich hatte das Bedürfnis ihm zu helfen. Aber wenn ich ihn ansah, diese sprechende und wandelnde Fleischmasse, dann ergriff Ekel und Entsetzen mein Herz. Ich versuchte diese Gefühle der Abneigung zu unterdrücken. Dann sagte ich mir, daß ich ihn ja nicht zu lieben brauchte, aber die Verpflichtung hätte, ihn nach meinen Kräften glücklich zu machen. Und es war ja wenig genug, was er forderte.
»Du hast geschworen, niemand mehr etwas zu Leide zu tun,« sagte ich. »Aber hast du denn nicht schon so viel Bosheit gezeigt, daß ich dir mit Recht mißtrauen darf? Kann das nicht eine Vorspiegelung sein, um deine Grausamkeiten nur noch in erhöhtem Maße ausüben zu können?«
»Was soll das heißen? Ich will nicht mit mir scherzen lassen, sondern ich verlange eine strikte Antwort. Wenn ich nicht Liebe finde, ist Haß und Verbrechen mein gutes Recht. Liebe allein vermag das Schlimme, das in mir lauert, zu verhüten, und ich werde ein Geschöpf werden, von dessen Existenz niemand eine Ahnung hat. Meine Verbrechen sind nur Früchte der verhaßten Einsamkeit und meine Tugenden werden dann zur vollen Geltung kommen, wenn ich mit einem Anderen mein Leben teilen kann. Ich werde mit einem fühlenden Wesen zusammen sein und meine Existenz wird ein Glied bilden in der Kette der Existenzen und Ereignisse, wie ich es mir erhofft.«
Ich dachte noch eine Zeitlang über alles nach, was er mir erzählt hatte, und erwog das Für und Wider. Ich war mir klar, daß sein ursprünglich gutmütiges Wesen durch die schlechte Behandlung von Seiten aller, die ihm begegneten, verdorben worden war. Und in meinen Erwägungen spielten seine außergewöhnliche Kraft und die Drohungen, die er ausgestoßen, eine bestimmende Rolle. Ein Wesen, das, wie er, in den Eishöhlen der Gletscher wohnen und sich vor allen Verfolgungen in die unzugänglichsten Schroffen der Gebirge flüchten konnte, durfte nicht unterschätzt werden. Nach längerem Zögern stand dann mein Entschluß fest, mit Rücksicht auf ihn selbst und besonders meine Mitmenschen seinen Wunsch zu erfüllen. Ich wandte mich zu ihm und sagte:
»Ich werde also deinen Willen tun. Aber du mußt mir feierlich versprechen, daß du Europa und überhaupt jede von Menschen bewohnte Gegend sofort verläßt, sobald ich dir das Weib übergebe, das dir in die Verbannung folgen soll.«
»Ich schwöre es dir bei der Sonne, bei dem blauen Himmel und bei der heißen Glut, die in meinem Herzen lodert, daß du mich nimmer sehen sollst, wenn du mein Flehen erhört hast. Geh heim und beginne mit der Arbeit. Ich werde mit Sehnsucht ihren Fortschritt beobachten und erst dann mich wieder bei dir sehen lassen, wenn das Werk vollendet ist.«
Nachdem er das gesagt, eilte er davon, so rasch er konnte, weil er vielleicht eine Sinnesänderung bei mir befürchtete. Er sprang in großen Sätzen zu Tal und verschwand bald in den Schrunden des Eismeeres.
Seine Erzählung hatte den ganzen Tag in Anspruch genommen und die Sonne näherte sich schon dem Horizont, als er mich verließ. Ich wußte, daß ich mich sehr zu beeilen hatte, wenn ich noch vor Einbruch völliger Dunkelheit das Tal erreichen wollte. Aber mein Herz war schwer und meine Schritte langsam. Meine Kniee schmerzten beim Hinuntersteigen auf dem schmalen, gewundenen Gebirgspfad und meine Gedanken beschäftigten sich unaufhörlich mit den seltsamen Ereignissen des Tages. Es war schon Nacht geworden, als ich zu einer Ruhebank neben einer Quelle kam. Ich ließ ich dort nieder, um ein wenig zu rasten. Die Wolken zogen eilends am Himmel dahin und zwischen ihnen blickten freundlich die Sterne. Dunkle Fichten, zwischen denen da und dort zerbrochene Stämme am Boden lagen, erhoben sich vor mir in die klare Nachtluft. Eine feierliche Ruhe herrschte rings um mich und ich fieberte fast vor Erregung. Bitterlich weinend rang ich die Hände und rief aus: »O, ihr Sterne und Wolken und Winde, ihr seid nur da, um mich zu verhöhnen. Wenn ihr wirklich Mitleid mit mir habt, dann raubt mir Gefühl und Gedächtnis; laßt mich zu Nichts werden. Aber wenn ihr das nicht könnt, dann laßt mich allein, ganz allein!«
Wilde Gedanken waren es, die mir mein Elend eingab. Ich kann es gar nicht sagen, wie das Glitzern der ewigen Sterne auf mich einwirkte, und auf jedes leise Säuseln des Windes lauschte ich angstvoll und gespannt, als sei es das Brausen eines glühenden Sirocco, der mich hinwegfegen wollte.
Der Morgen dämmerte herauf, als ich Chamounix erreichte. Ich hielt mich nicht mehr auf, sondern setzte gleich meinen Weg nach Genf fort. Meine Gefühle lasteten mit furchtbarer Schwere auf mir. So kehrte ich heim und begrüßte meine Familie. Mein verstörtes und wildes Aussehen erschreckte sie. Aber ich gab auf alle Fragen keine Antwort; ich konnte nicht sprechen, denn ich stand wie unter einem unheimlichen Banne. Mir war, als hätte ich kein Recht mehr auf ihre Liebe, als dürfte ich nimmer ihrer Gesellschaft froh werden. Und ich liebte sie doch so sehr; nur um sie zu retten hatte ich beschlossen, mich der abstoßenden Arbeit noch einmal hinzugeben. Alles andere war mir wie ein Traum, und nur der Gedanke an das Grauenvolle, was mir bevorstand, starrte mich an wie ein Medusenhaupt.