Im unruhig zuckenden Licht der Astfackeln näherten sich die Höhlenkinder der Insel. Dichte Rauchschwaden quollen ihnen entgegen: Der Riesenbaum war niedergebrannt. Mannshoch ragte sein schwarzer Strunk, der Quere nach vielfach geborsten, von einer dünnen Aschenschicht überzogen. Über seine dunkle Oberfläche huschten glimmende Lichtstreifen, leuchteten auf und verlöschten. Die toten Rehböcke waren unversehrt. In der Luft lag ein eigentümlicher, halb widerlicher, halb lockender Geruch.
Eva hatte die Wildkatze gefunden und kauerte sich damit zu den toten Rehen. Liebkosend streichelte sie das Fell und die schönen Köpfe der Tiere. Peter stöberte im Gesträuch herum und suchte nach der Ursache des sonderbaren Geruchs.
Am Bachrand, unter versengten Brombeerranken, fand er die Rehgeiß. Ihr vom Brand entstellter Kopf lehnte am heißen Felsen, der dünne Hals war von einem Schorf angebrannter Haare bedeckt. Vom versengten Fell ihrer Vorderläufe und der Brust stieg der widerlich brenzliche Geruch auf. Peter löste mit seinem Steinmesser ein Vorderbein samt der Schulter aus. Hei, wie das gebratene Fleisch duftete!
Er versuchte davon. Nicht schlecht, aber fad! Einer seiner Gürteltaschen entnahm er ein wenig Salz, streute es auf das Fleisch und kostete wieder. Jetzt war es richtig! »Eva, es schmeckt!« Schmausend und schmatzend saßen sie beisammen, den Rücken gegen den durchwärmten Fels gelehnt, Köcher und Bogen neben sich.
Peter ruhte nicht lange. Er dachte ans Heimschaffen der vierfachen Beute. Schon wurde aus Abend Nacht. Er suchte einen großen gegabelten Ast, legte die beiden Böcke und die Ricke darauf, schnürte das Ganze mit Waldrebenranken fest und hatte so einen einfachen Schlitten gebastelt, auf dem sich die Last heimziehen ließ.
Peters Versuch, die drei Tiere auf einmal fortzuschaffen, zeigte ihm, daß er seine Kraft überschätzt hatte, er versuchte es mit nur zweien; aber auch das war zu schwer.
Plötzlich hörte er durchdringende Schreie – Schreie, aus denen Entsetzen, tödlicher Schreck, ein Flehen um Hilfe gellten. Ihn überlief es kalt. Er suchte nach seinen Waffen. Den Bogen fand er sofort, wo aber waren die Pfeile?
Da kam Eva herangestürmt und warf sich schluchzend am Feuer nieder.
»Eva, was gibt’s ? Gib Antwort!«
»Ein schwarzer Mann, da draußen!« Sie deutete in die Heide hinaus.
Peter schirmte seine Augen vor dem Feuerschein ab und starrte angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Lange vergeblich. Endlich gewahrte er die Umrisse einer klobigen Gestalt. Sie richtete sich spähend auf, duckte sich, bewegte sich zwischen grellbeleuchteten Blütenständen des Himmelbrands vorwärts.
Jetzt stand sie im vollen Lichte der Flamme. Ein Bär, die schmale Schnauze witternd vorgestreckt, die schweren Tatzen gesenkt, unschlüssig, ob er weiter vordringen solle. Und hinter ihm tauchte ein zweiter auf.
Peter suchte fieberhaft seinen Speer. Da entdeckte er die Pfeile. Sie lagen am Boden verstreut. Und einer von ihnen hatte Feuer gefangen. Das Harz seiner Spitzenbindung schmolz, rann am Schilfrohr entlang, begann zu brennen. Den legte er auf die Sehne, gerade den!
Er zielte nach der Brust des vorderen Bären, und im nächsten Augenblick schwirrte der Pfeil dem Feinde entgegen.
Angefacht von der raschen Bewegung durch die Luft, flammte der Stab lichterloh, als er sich im dichten Pelz des Bären verfing. Das verwundete und geblendete Raubtier brüllte auf und wandte sich zur Flucht, den lodernden Pfeil im Pelz, gefolgt von seinem Gefährten.
Peter aber ergriff eine Handvoll brennender Reiser und stürmte ihnen brüllend nach. Johlend kam auch Eva hinter ihm gelaufen. Auch sie schwang brennende Zweige, daß die Funken stoben und schrie, was die Kehle hergab.
Die großen, zottigen Riesen flohen in überstürzter Hast vor den beiden, in deren Händen die Feuerbrände loderten. Mit einem Lachen, in dem noch die überstandene Angst zitterte, nahm Peter Eva bei der Hand und führte sie zum Sonnstein zurück. Sie leuchtete ihm zur Arbeit; am nahen Waldrand schlug er harzige Zweige von den Föhren. Prasselnd, fauchend und qualmend nahm das Feuer die grünen Reiser auf. Die Kinder legten noch Knüttel, Rindenstücke und Laub zu. Dicker, gelblicher Rauch wälzte sich im Windhauch über das Steinfeld.
Dann machten sie sich auf den Heimweg. Eva trug die Wildkatze. Sie ging mit einem brennenden Kiefernast auf dem Erntepfad voran, und hinter ihr schleifte Peter den stärkeren Rehbock auf dem urtümlichen Schlitten. Keiner sprach.
Rechts von ihnen zog der murmelnde Bach; zur Linken dehnte sich der Wald, dessen flechtenbehangene Baumriesen im Widerschein der Fackel leuchteten und sich von der tiefschwarzen Finsternis des Waldgrundes gespenstisch abhoben. Noch zweimal machten sie den Weg, bis alle drei Stücke des Rehwildes geborgen waren. Beim letzten Gang ereilte sie der Gewitterregen. Er löschte die Flamme am Kiefernast in Evas Händen; im Finstern mußten sie heimtappen zur Höhle. Dort aber begrüßte sie das helleuchtende Feuer, das mit seinem heißen Hauch den Raum durchwärmte. Das leuchtende, wärmende Feuer hatte den Höhlensiedlern die Nacht zum Tage gewandelt.
Eva holte vom Trockenboden eine Handvoll getrockneter Beeren und machte dabei eine traurige Entdeckung: Viele Beeren und die meisten Pilzschnitten waren verschimmelt. Sie räumte das verdorbene Zeug fort. Erst als ihre Augen vom beißenden Rauch tränten und sie dem Schlaf nicht mehr widerstehen konnte, suchte sie ihr Lager auf.
Peter aber plagte sich noch weiter. Er wurde mit dem Abhäuten der Beutetiere nicht fertig. Trotz der Müdigkeit, die schließlich auch ihn bezwang, vergaß er nicht, das Feuer zu nähren. Er legte noch den Strunk des alten Steigbaums in die Glut. Das Feuer durfte nicht ausgehen, unter keinen Umständen durfte es ausgehen! Vorsorglich zog er noch den neuen Steigbaum herauf und lehnte ihn in die Luke, die aus der Höhle hinaufführte zu einem noch unbekannten oberen Raum.
Draußen begann der Tag zu grauen. Taumelnd vor Müdigkeit streckte sich Peter auf sein Laublager, das Gesicht der Wand zugekehrt, um den Qualm nicht einatmen zu müssen, der die Höhle erfüllte.