Als die letzte Glut unter der Asche des vernachlässigten Feuers erloschen war, wurde es kühl in den Höhlen. Eva, deren einer Arm bloßgelegen hatte, erwachte im Morgengrauen und stieg fröstelnd über den Steinwall ihres Lagers, um nach dem Feuer zu sehen. Dichter Nebel erfüllte ihre Höhle; die Wände, an denen sie sich hinabtastete, troffen vor Nässe. Draußen schneite es, und der Wind hatte Schnee in die Höhlen geweht. Eva stocherte in der Asche der Feuerstelle. Plötzlich schrie sie auf: »Das Feuer ist aus, ganz aus!«
Peter schnellte auf. Verflogen war seine Schläfrigkeit. Ungläubig kauerte er vor der Feuerstelle im Schnee. Kein Rauch! Kein Fünkchen Glut! Zitternd vor Aufregung und Kälte, hob er die vom Schnee feucht gewordenen angekohlten Holzreste vom Rand der Feuerstelle ab, drehte sie um, blies sie an, sie blieben schwarz.
Vorsichtig streifte er die Asche beiseite, sie war noch lauwarm.
Hoffend und bangend wühlte er weiter. Da schrie er plötzlich auf in Schmerz und Freude. Er hatte sich die Finger verbrannt. Tief unter der Aschenschicht war noch Glut!
Rasch legte er sie bloß und streute trockenes Moos, Wacholderzweige und Fichtennadeln darauf, dann blies er erst vorsichtig und ein wenig später mit vollen Backen von einer Seite hinein und Eva von der anderen.
Kleine Flämmchen schlugen aus der Glut und schlängelten sich an den harzreichen Reisern empor. Das neuerweckte Feuer leuchtete, knisterte, qualmte, reichlich genährt von den beiden Höhlenkindern. Und als die Flammen kniehoch emporzüngelten, da packte Peter Eva an den Schultern und schüttelte sie in einem Übermaß von Freude.
In abgebrochenen Sätzen machte er sich Luft: »Das wär‘ was g’wesen! Zugrund hätten wir gehen müssen in der Bärenkälte. Das darf nicht mehr passieren! Der Schnee muß draußen bleiben!« Daß er vergessen hatte nachzulegen, verschwieg er. Als er Eva losließ, griff sie sogleich nach ihrem Wurzelbesen und kehrte den Schnee zu einem Haufen zusammen.
Dann holte sie aus dem Allerlei ein Schulterblatt vom Hirsch und beeilte sich, den Schnee, der in der Wärme zu schmelzen begann, über die Steinbrüstung hinauszuschaufeln. Peter schickte sich gleich an, dem Schnee, dem er das Verlöschen des Feuers zuschob, den Zugang zu verwehren.
Erst mußte er die lückenreiche Schutzmauer, die er am Eingang zur unteren Höhle aus losen Steinen kaum kniehoch aufgeführt hatte, zerklauben und daraus eine sichere Unterlage für den Weiterbau schaffen. Da er aber viel mehr Steine brauchte, als er hatte, war er gezwungen, neue herbeizutragen. Draußen lag der Schnee fußhoch. Gleich nach dem Frühstück suchte Peter im Bachbett aus dem groben Geröll die größten Trümmer heraus, verstärkte seinen Schlitten durch aufgelegte Quer- und Längshölzer und führte Steinbrocken herbei.
Als er die meist abgerundeten Steine auf die Grundmauer legen wollte, erwiesen sie sich als untauglich. Besser waren flache, eckige, scharfkantige Bruchsteine, wie sie auf der Salzlehne herumlagen. Dorthin begab er sich. Den Schlitten ließ er auf der rechten Bachseite. Auf den Gangsteinen, die mit ihren Schneehauben weit aus dem seichten Wasser ragten, überschritt er den Bach. Mit Evas Schneeschaufel, die er an einen langen Stiel gebunden hatte, säuberte er einen Fleck der Schutthalde von Schnee und zerrte eine Anzahl Mergelplatten aus dem Gesteins-Schutt.
Da er die Steine einzeln zum Schlitten tragen mußte, wurde ihm vom Schleppen gehörig warm. So arbeitete er tagsüber und nahm sich kaum Zeit, etwas zu essen. Erst in der Dämmerung fiel er über das Fleisch her, bastelte noch ein wenig im Schein des Feuers und schlief dann die Nacht durch. Am Abend des dritten Tages war die Mauer bis zur halben Höhe des Höhleneingangs gediehen.
Nur an der Seite, wo Peter sein Lager hatte, standen die obersten Steine an der Höhlendecke an.
Daneben war eine Lücke als Durchlaß für den Steigbaum, zu deren Verschluß ein aus Ruten geflochtenes, mit Fellen behängtes Türgitter eingefügt werden konnte.
Am Morgen des vierten Tages war es unmöglich, draußen etwas zu unternehmen. Es schneite nicht, aber dicker, gelbgrauer Nebel erfüllte den Talkessel, die Luft schien zu stehen. Matt leuchtete die Sonne als rote Scheibe durch den Dunst, den ihre Strahlen nicht aufzulösen vermochten. So blieb es bis Mittag, dann wurde der Ausblick über den Talgrund frei, die Sonne brach durch die Nebelmassen und verzehrte sie.
Als die Ostseite des Sonnsteins im Schatten lag, schien die Mittagssonne hell in die Tiefe des Heimlichen Grunds. Schneewasser tropfte von allen Zweigen und rieselte glitzernd an Ästen und Stämmen herab.
Peter, der erst aus seiner Schlafgrube gekommen war, als Eva ihn zum Essen gerufen hatte, aß im Stehen und machte sich dann zur Salzlehne auf, um neue Bausteine zu holen. Er stapfte durch Schneematsch. Als er den Bach überschritt, fiel ihm auf, daß die Gangsteine verschoben und leicht überflutet waren. Der Bach rauschte lauter als sonst. Die Luft über dem Talgrund war so klar, daß Peter die Umrisse der drei Gipfel über den Klammwänden – Horn, Henne und Spitz – deutlicher sah als jemals. Über den Zinnen der Grabwände entstanden leichte Wölkchen und lösten sich rasch wieder auf. Dann bildete sich eine lange, massige Wolkenbank, die am Rande der Felsen zu kleben schien.
Das alles sah Peter mit Befremden. Von Ahnls Zeiten her wußte er, daß der warme Föhn, der Schneefresser, auf den diese Vorzeichen gepaßt hätten, im Frühling wohl zu fürchten war, wo er große Schneemassen zum Schmelzen brachte. Jetzt aber war es Spätherbst, und es lag wenig Schnee.
*
Als Peter das Steinesammeln wieder aufnahm, bemerkte er, daß der Schnee zusehends schwand, und unter seinen Füßen und ringsumher raunten und rieselten Wässerchen. Von den einzeln stehenden Bäumen fielen große Tropfen wie nach einem Platzregen. Peter brauchte die Schaufel nicht mehr, die Steinplatten sahen naßglänzend aus dem Geröll hervor. Er nahm auf, was er heben konnte, und schleuderte es die Lehne hinab. Dabei wurde ihm sonderbar heiß. Noch schrieb er die Wärme seiner Anstrengung zu; aber eine seltsame Niedergeschlagenheit erfaßte ihn, eine angstvolle Unrast und Mattigkeit, die er nicht zu deuten wußte. Plötzlich horchte er auf: Ein gewaltiges Brausen ging durch die Luft. Und die Wolkenbank dort drüben am Rande der Grabwände hatte sich in Fetzen aufgelöst, die, vom Sturm gedrückt, über die Wandränder niederfegten zum Grund, wo sich noch kein Blatt regte.
Dann stieß ein heißer Windstoß herab, der die Eschen und Fichten wie Schilfhalme bog; da und dort stürzte krachend ein Baum. Peter stand wie gelähmt. Gebannt sah er die rasende Bewegung der Wolkenfetzen, die der brausende Sturm von den Grabwänden zum Talgrund niederjagte und dann an der Südwand emporriß.
Der Schnee um ihn her war ganz verschwunden. Plötzlich erschütterte ein donnerartiges Getöse, dem ein Prasseln und Knattern folgte, die Luft. War eine Lawine, ein Steinschlag niedergegangen? Ungewiß, ob nicht auch über ihm todbringende Massen in Bewegung geraten seien, stürzte Peter in langen Sätzen abwärts, durchwatete den stark angeschwollenen Bach und hastete nach seiner Höhle. Dort angekommen, hockte er sich hinter die Mauer ins Laub seines Lagers. Jetzt erst fühlte er sich geborgen. Eva kauerte sich schluchzend neben ihn. Er starrte wie betäubt vor sich hin. Draußen wuchs das Sausen und Brausen des Sturmes, der sich breit und massig auf den Urwald geworfen hatte. Bebend lauschten die beiden dem Krachen abgestorbener Äste, dem Niederwuchten toter Baumriesen.
Über die niedere Schutzmauer drangen Sturzwellen der bewegten Luft in die Höhle ein, wirbelten die Asche der Feuerstätte hoch, zerstreuten die glimmenden Holzreste, fachten die Glut zu Flammen an und ließen die Feuerzungen gierig über den Boden lecken. Da fuhr Peter aus seiner Betäubung auf: Das Feuer durfte sich nicht ausbreiten, durfte die Stützen des Trockenbodens nicht ergreifen!
Mit dem Wurzelbesen fegte Eva die verstreuten Kohlen gegen die Schutzmauer, kehrte sie auf ein Häuflein, bedeckte sie mit abgebrannten Stücken von Moderholz und beschwerte diese mit aufgelegten Steinplatten.
Als Peter an der Mauer vorbei in seinen geschützten Winkel zurückkehren wollte, warf ihn ein Windstoß zu Boden.
Er blieb liegen, stützte sich auf die Ellbogen und schaute, unbekümmert um den warmen Sturm, der in seinem Haar wühlte, hinaus in das Wogen der Baumkronen.
Er sah geknickte Äste und Baumwipfel dahinfliegen, er lauschte dem Sausen, Klingen und Brausen des Sturmes, er hörte das grobe Bruchholz zur Erde stürzen.
Da überkam ihn plötzlich eine Freude: Der Schneefresser arbeitete für ihn, schaffte ihm neue Vorräte an Brenn- und Werkholz, ersparte ihm unzählige Axtschläge! Was die Borkenkäfer an Bäumen getötet hatten, brach der Sturm nieder.
Der Föhn tobte nicht lange. Unvermittelt trat wieder Ruhe ein. Die Bäume standen regungslos. Unten im Bocksgraben, wo die zwei Häute unter Laub und Steinen lagen, schoß gelbes Wasser dem Klammbach zu. Die Felle mußten gerettet werden!
Trotz der Sorge, ein Steinschlag könnte ihn treffen, eilte Peter hinunter, fand die Felle noch unter den Beschwersteinen und kam mit ihnen heil zu Eva zurück. Während sie angstvoll warteten, was noch kommen würde, und in die unheimliche Stille des Grundes hinauslauschten, sahen sie den Bocksgrabenbach anschwellen. Bald schoß das lehmgelbe Wasser in der Höhe des Grabenrandes dahin. Es führte Rasenstücke und Schwemmholz dem Klammbach zu, aber auch ertrunkene Waldmäuse, Vogelleichen, Schneckenhäuser, Stauden von Alpenrosen und Heidekraut, Wurzelstöcke und ausgewaschene Zwiebeln. Peter litt es nicht mehr in der Höhle. Blitzschnell war er unten im neuen Rinnsal und fing alles auf, was er brauchen konnte.
Zwei Alpenhasen warf er ans Ufer, eine Menge Lauchzwiebeln, einen Haufen Holz und Moos. In seinem Sammeleifer war es ihm entgangen, daß der Himmel sich verfinstert hatte. Erst als ein schwerer, lauer Regen auf seinen Rücken fiel, schaute er auf.
Er schaffte das Erbeutete eiligst zur Höhle, wo es von Eva mit Jubel entgegengenommen wurde.
Draußen rauschte der Regen. Eva trug dem Feuer neue Nahrung zu und umbaute es mit einer niederen Steinmauer. Dann bereitete sie das Essen, und Peter stellte das Schwemmholz zum Trocknen auf. Rings um die Feuerstelle stapelte er die nassen Knüttel, die bald zu dampfen begannen. Den Rest des Holzes schichtete er an der Schutzmauer und über sie hinaus bis zur Höhlendecke. Nur einige Lichtluken und den Eingang ließ er frei.
Eva, die fleißig Scheiter und Zweige zugereicht hatte, zog sich, als die Dämmerung hereinbrach, müde in ihre Schlafkammer zurück. Peter aber arbeitete beim Licht eines brennenden Föhrenastes weiter. Er stäubte die glitschigen Rehfelle, deren Haardecke vielfach losgegangen war, tüchtig mit Asche ein und schnitt Ruten zu, um so bald wie möglich eine Trennungswand zwischen dem Herdraum und seiner Schlafstelle aufzurichten. Er wollte endlich vor der Rauchplage ein wenig geschützt sein. Bevor er seine Schlafgrube aufsuchte, zog er den Steigbaum herauf, versorgte das Feuer und schloß den Höhleneingang und den Aufgang zu Evas Kammer ab. Der eintönig niederrauschende Regen schläferte ihn ein.
Als Peter am nächsten Tag die zwei geretteten Rehfelle am Bach schwemmte, fiel ihm ihr herber Rindenduft auf, der den üblen Fäulnisgeruch verdrängt hatte. Daß die Holzasche alle Haare glatt weggebeizt hatte, war für ihn eine nicht minder wertvolle Erfahrung. Das ältere Fell spannte er ans Gestänge des Trockenbodens; für das neuere vertiefte er einen aufgefüllten Tümpel.
Schon am Nachmittag desselben Tages war der Bocksgrabenbach stärker angeschwollen und brachte viel Kleinholz, aber auch Baumstrünke mit, die Peter rasch einheimste.
Als das nasse Holz in der Höhle zum Trocknen ausgebreitet war, füllte sich der ganze Raum mit Dampf, der sich an den Wänden zu Wasser verdichtete. Unbehaglich war’s in den Höhlen. Ihre Umgebung war ungangbar, da der Bocksgrabenbach über seine Ufer getreten war. Die Höhlensiedler arbeiteten daheim und zankten sich. Peter ärgerte sich, daß viele getrocknete Beeren verschimmelt waren. Auch die gedörrten Pilze waren verdorben, sie rochen abscheulich. Vieles, was sie mit Mühe eingetragen hatten, mußte weggeworfen werden. Für den langen Steigbaum war die Höhle zu niedrig, und Eva mußte, auf Peters Schultern stehend, sich mit der einen Hand am Trockenboden festhalten und mit der anderen herumräumen. Peter, dem das zu langsam ging, verlor die Geduld.
Er entschloß sich, einen der Baumstrünke aus dem Bocksgrabenbach zum Daraufsteigen zu richten, um nicht immer von Evas Hilfe abhängig zu sein. Das Zurechtzimmern des hüfthohen Strunkes, von dem die abstehenden Wurzeln abgehackt werden mußten, kostete Peter viel Zeit. Besonders hielten ihn die immer wieder notwendigen Ausbesserungen seiner Steinbeile auf, deren Schäftung mangelhaft war: Die Bindung lockerte sich während der Arbeit. Das Zurichten der Steinbeile war eine Nebenarbeit, die ihn von seiner Hauptaufgabe so ablenkte, daß er mehr Zeit auf das Ausprobieren neuer Bindungen verwendete als auf die Zimmerarbeit selbst. Endlich, nach zwei Tagen angestrengter Tätigkeit, war der Trockenboden in Ordnung. Das Flechten der Trennungswand, die den Rauch von den Schlafstellen abhalten sollte, konnte Eva allein besorgen. Inzwischen war das Schwemmholz halbwegs trocken geworden, und Peter begann mit der Verarbeitung.
Einen bewurzelten Baumstrunk, der ihm bis zu den Ellbogen reichte, bestimmte er zum Werkstock, zwei kleinere zu Hockern. Die Betreuung des Feuers, das Trocknen und Schichten des Holzes überließ er jetzt Eva ganz. Dafür erfüllte er ihr den Wunsch, den Ausblick ihrer Kammer mit Steinen und Holz zu verbauen, so daß nur eine kleine Lichtluke blieb, durch die nicht viel Schnee eindringen konnte.
Eva, die einen angeborenen Sinn für Ordnung besaß, bemühte sich, den Fußboden der unteren Höhle, der mit Zweigen, Rinden, Geräten und Werkzeugen übersät war, zu säubern.
Das Allerlei schaffte sie in den rechten Hintergrund der Höhle und machte so einen Raum, der wegen der niedrigen Decke nicht begangen werden konnte, wenigstens als Lagerplatz für Dinge nutzbar, über die sie nicht immer stolpern wollte. Was sie an unbrauchbaren, übelriechenden Abfällen fand, das kehrte sie in den kurzen »Schiefen Gang«, jenen zuletzt entdeckten Höhlenausgang, aus dem sie leicht ins Freie geschafft werden konnten.
Mit der Rumpelkammer war Peter einverstanden, als Eva aber auch die Aschen- und Holzreste hinüberkehren wollte, erhob er Einspruch.
Die angekohlten Holzreste waren noch brauchbares Brennmaterial, und die Asche war nicht nur zum Reinigen der Hände notwendig, sondern auch zum Entfetten der Bälge. Er legte eine Aschengrube an und machte sich an die Bearbeitung der Fuchsbälge.
Im Lehmboden seiner Höhle hob er eine kleine flache Grube aus, rührte darin aus Wasser, Salz, Lehm und zermürbtem Laub einen Brei an, rieb damit die Fuchsbälge auf der Fleischseite ein und breitete sie in der Nähe des unteren Schiefen Ganges aus; dort mochten sie eine Zeitlang liegen bleiben. Dann nahm er den fast in Vergessenheit geratenen Elsternbalg vor, den er zu einer Kopfbedeckung für Eva bestimmt hatte, scharrte den Rest des salzigen Lehmbreies aus der Grube und füllte damit die zukünftige Haube.
Während der Arbeit an den Fellen erwachte in Peter die Jagdlust. Aber draußen rauschte noch immer der Regen nieder, Tag und Nacht, Nacht und Tag. Doch in den Wohnhöhlen gab es dringende Arbeit genug. Die nur flüchtig eingegrabenen Stützen des stark belasteten Trockenbodens zeigten eine bedenkliche Neigung umzufallen. Durch schräge Stäbe, die Peter einrammte und an die Stützen band, gab er dem Ganzen größere Standfestigkeit. Nachdem dies getan war, machte er sich wieder an die Felle, die unter dem ausgetrockneten Lehmbrei beinahe geruchlos, aber auch so hart geworden waren, daß sie erst eingefettet und mühsam weichgerieben werden mußten. Dann klopfte er die fast trocken gewordene Lehmmasse aus dem Elsternbalg, zog innen eine Waldrebenranke als Spannring ein, verband ihn mit den in die Flügel und den Kopf eingelassenen Stützruten, steckte ein paar abgeschliffene Granate als Augen in den Vogelkopf und freute sich, als Eva die Haube aufsetzte und sich im Spiegel des Wasserkorbes beschaute. Durch mancherlei Halsverrenkungen brachte sie es sogar fertig, auch den blaugrün schillernden Stoß, der ihr über den Nacken hing, im Spiegelbild zu sehen.
Aus den beiden stärkeren Fuchsbälgen wollte Eva für Peter Kniestutzen machen, aus den zwei schwächeren Stutzen für sich selbst. Der fünfte Balg endlich sollte Evas neuer Muff werden. Das mit Moos ausgestopfte Hasenfell blieb jetzt ihre Kopfstütze.
Der nächste Tag war, wie Peter an seinen Zeitstrichen ablas, ein Sonntag. Der Regen hatte schon in der Nacht aufgehört. Als die Nebel sich im Laufe des Vormittags verzogen hatten, war das Grasland am Bocksgrabenbach vom Wasser frei, und der helle Herbsttag lud die Kinder ein, ihre Höhle zu verlassen. Zum Grab der Ahnl wollten sie. Sorgfältig gewaschen und gekämmt, angetan mit ihren Winterkleidern, an den Füßen die neuen Schuhe, die Kniestutzen an den Waden, im Federschmuck ihrer Kopfbedeckungen stiegen sie, den Feuerkorb in den Händen, den Steigbaum hinab.
Sie gingen langsam am Fuß der Höhlenwand den Bocksgrabenbach aufwärts.
Schon waren sie am Fuchsenbühel angelangt, und noch immer konnten sie den Bach nicht überspringen. Aber auf dem unterwaschenen Ufer standen dicht beieinander zwei armdicke Tannen, die sich schräg über den Bach neigten. Wären sie drüben aufgelegen, so wären sie als Stegbäume brauchbar gewesen. Peter versuchte, sie niederzudrücken. Eva erriet seine Absicht. Gemeinsam stiegen sie die Bäume hinan, die Hände im Gezweig verkrallt; da gab das Ufer langsam dem Drucke nach, und die beiden Stämme legten sich sachte über den Bach.
Diese Bäume sollten eine Brücke über das schmale, aber tiefe Bachbett werden, beschloß Peter, begnügte sich aber vorläufig damit, nur die paar aufragenden Wurzeln und Äste abzuschlagen. Dann belegte er mit Evas Hilfe die Brückenbalken mit aufgelesenem Prügelholz.
Beim Grab, das von angewehtem Laub hoch überdeckt war, knieten sie nieder und verrichteten ihre Andacht. Sie hatten der Toten viel zu erzählen und dem Allmächtigen viel zu danken, aber auch viel von ihm zu erbitten. Der Winter war nicht mehr weit.