Sechzehn Jahre vor dem Anfang dieser Geschichte war am Sonntag Quasimodo in der Liebfrauenkirche zu Paris, auf dem Brett vor dem Bilde des heiligen Christoph, ein lebendes Geschöpf ausgesetzt worden. An diesem Platze pflegte man die Findelkinder auszusetzen, bis ein barmherziger Samariter kam, der sie zu sich nahm. Daneben stand ein Opferbecken, in das man Almosen für die verlassenen Geschöpfe warf.

Das lebende Wesen, das am Sonntag Quasimodo des Jahres 1467 auf diesem Brette lag, schien die Neugierde der Gruppe, welche sich um dasselbe gesammelt hatte, in hohem Grade zu erregen. Sie gehörte meist dem schönen Geschlechte an, bestand jedoch fast aus lauter alten Weibern.

In der vordersten Reihe standen vier solche Weiber, die ihrer Kleidung nach irgend einer frommen Gesellschaft angehörten. »Was ist das, Schwester?« fragte die eine, indem sie auf das kleine Geschöpf deutete, das, durch den Anblick so vieler fremden Gesichter erschreckt, sich auf dem Brett unruhig hin und her wälzte.

»Ich verstehe mich nicht auf Kinder,« erwiederte die Andere, »aber es ist gewiß eine Sünde, ein solches in Sünden erzeugtes Wesen nur anzusehen.«

»Es ist ein Kind,« fiel die Dritte ein.

»Es ist ein halber Affe,« sagte die Vierte.

Jetzt fingen sie Alle zumal an zu reden:

»Ein wahres Scheusal an Häßlichkeit!«

»Es schreit, daß man taub werden möchte!«

»Das ist kein Mensch, aber auch kein Thier; ich glaube fast, daß es von einem Juden und einer Sau ist, irgend etwas Unchristliches, das man in’s Wasser oder Feuer werfen sollte.«

»Ich glaube nicht, daß irgend ein Mensch es annehmen wird.«

In der That war dieses kleine Geschöpf, das bereits wenigstens vier Jahre zählte, ein wirkliches Ungeheuer an Häßlichkeit. Seine unförmliche Masse steckte in einem Sack, der ihm bis an den Hals ging; der Kopf war sichtbar, er zeigte einen Wald rother Borsten, ein Auge, einen Mund und Zähne. Das Auge troff, der Mund schrie und die Zähne schienen beißen zu wollen. Der Körper stampfte unruhig in dem Sack, zur großen Belustigung der Zuschauer.

Eine vornehme, reichgekleidete Dame, ihre sechsjährige Tochter an der Hand, bückte sich zu dem unförmlichen Wesen hinab, wandte den Blick mit Ekel ab und sagte: »In der That, ich glaubte, man setze hier bloß Kinder aus.« – Sie warf ein Silberstück in das Opferbecken und ging.

Ein ernster, wohlgekleideter Mann, von der sogenannten hohen Bürgerschaft, schritt vorüber. »Findelkind!« sagte er und bückte sich zu dem Wesen hinab; als er es angesehen hatte, fügte er hinzu: »Offenbar an den Ufern des Flusses Phlegeton gefunden!«

»Es hat nur ein Auge und auf dem andern eine Warze,« bemerkte eine der Betschwestern.

»Es ist keine Warze,« erwiederte der Bürger mit großem Ernst, »sondern ein Ei, in dem ein anderer kleiner Teufel steckt, der wieder ein kleines Ei hat, in dem wieder ein kleiner Teufel steckt, und so fort.«

Die Betschwestern wunderten sich darüber sehr und eine derselben fragte: »Was prophezeit Ihr uns von diesem angeblichen Findelkinde?«

»Das größte Unglück,« versetzte er.

»So wäre es besser,« riefen viele Zuschauer zumal, »diesen kleinen Höllenbrand ins Wasser oder ins Feuer zu werfen.« Einige machten bereits Anstalten, diesen Vorschlag zu vollziehen.

Da trat plötzlich ein junger Priester von ernstem Ansehen hinzu, legte die Hand auf das kleine Geschöpf und sprach: »Ich nehme dieses Kind an.«

Er wickelte es in seinen Priesterrock und ging. Eine der Betschwestern neigte sich zu dem Ohre einer andern und sprach: »Habe ich es nicht gesagt, daß dieser junge Priester Claude Frollo ein Hexenmeister ist?«

Claude Frollo gehörte einer jener Familien an, die man hohe Bürgerschaft oder kleinen Adel nannte. Er war von seiner Kindheit an für den geistlichen Stand bestimmt: man lehrte demnach das Kind lateinisch lesen, die Augen niederschlagen und leise reden. Hierauf, als er ein Knabe wurde, mauerte man ihn in das Collegium von Torchi ein. Dort wuchs er mit dem Meßbuch und dem Lexicon auf.

Claude Frollo war ein ernsthafter, fast düsterer Knabe, der eifrig lernte und schnell begriff; er mischte sich selten unter die Spiele seiner Mitschüler und nahm nur lauen Antheil an denselben; dagegen lag er um so fleißiger seinen Büchern ob, und im sechzehnten Jahre hatte er die mystische, die kanonische und die scholastische Theologie inne. Hierauf ging er zum Studium der Rechtsgelehrsamkeit, sodann zu dem der Arzneikunde und der schönen Wissenschaften über. Die alten Sprachen, Lateinisch, Griechisch und Hebräisch, verstand er, was damals eine Seltenheit war, vollkommen. Er hatte ein wahres Fieber, Schätze der Wissenschaft anzuhäufen.

Etwa um diese Zeit führte der außerordentlich heiße Sommer des Jahres 1466 jene große Pest herbei, die allein in der Grafschaft Paris mehr als 40,000 Menschen hinraffte. In der Universitätsstadt verbreitete sich das Gerücht, daß die Straße Tirechappe, wo Claude Frollo’s Eltern wohnten, besonders heftig von der Krankheit heimgesucht sei. Der junge Student, durch diese Nachricht bestützt, lief eilends dem väterlichen Hause zu. Sein Vater und seine Mutter waren bereits den Tag zuvor gestorben, und in der Wiege schrie verlassen ein kleines Kind, sein Bruder. Dies war Alles, was von seiner Familie übrig blieb. Er nahm das Kind auf den Arm und trug es fort.

Bis jetzt hatte der junge Mensch bloß in der Wissenschaft gelebt. Diese Katastrophe führte ihn in das wirkliche Leben ein und war für ihn eine Krisis in seinem Dasein. Waise und Familienhaupt zugleich in seinem neunzehnten Jahre, sah er sich von den Träumereien der Schule in die Wirklichkeiten des Lebens gewaltsam weggezogen. Er, der bis jetzt bloß Bücher geliebt hatte, lernte jetzt andere Gefühle kennen und widmete seine ganze Liebe dem verlassenen Säugling.

Diese Neigung entwickelte sich in seinem so unerfahrenen Herzen bis zu einem seltsamen Grade, sie glich fast einer ersten Liebe. Von Kindheit an von seinen Eltern getrennt, die er kaum gekannt hatte, festgebannt an seine Bücher, heißhungrig im Lernen, ausschließlich sich den Fortschritten in der Wissenschaft widmend, hatte bis jetzt der arme Schüler noch nicht Zeit gehabt zu untersuchen, ob er auch ein Herz habe. Dieser vater- und mutterlose junge Bruder, dieses kleine Kind, das ihm wie vom Himmel zugefallen war, machte ihn zu einem neuen Menschen. Er überzeugte sich, daß es noch etwas Anderes in der Welt gebe, als theologische Streitfragen und Homerische Verse; daß der Mensch zur Liebe geschaffen sei, und daß ein Leben ohne Liebe und Zärtlichkeit nur ein trockenes, kreischendes Räderwerk ist, das eintönig von der Wiege bis zum Sarge führt. Dies fühlte er jetzt; da er aber noch immer in dem Alter war, wo eine Täuschung bloß durch eine andere verdrängt wird, so bildete er sich ein, daß die Neigungen der Blutsverwandtschaft die einzig nothwendigen seien, und daß die Liebe zu einem kleinen Bruder das ganze Dasein eines Menschen ausfüllen könne.

Der kleine Johannes Frollo war noch ein Säugling, als er seine Mutter verlor. Die Familie besaß in der Nähe des Schlosses Winchester auf einem Hügel eine Mühle; hieher brachte er den Säugling und übergab ihn der Müllerin, die ein Kind von gleichem Alter säugte. Nun theilte er seine Zeit zwischen dem Knaben und seinen Büchern. Seine Fortschritte in den Wissenschaften, seine Verdienste und Glücksumstände öffneten ihm alle Pforten der Kirche, und im zwanzigsten Jahre wurde er durch besondere Dispensation des heil. Stuhles zum Priester geweiht. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse und sein ernstes Wesen erwarben ihm schnell die Achtung und Bewunderung des Klosters, und von da aus hatte sich sein Ruf als ausgezeichneter Gelehrter unter das Volk verbreitet, das ihn, was damals häufig war, wie jeden ungewöhnlichen Mann, für eine Art Hexenmeister hielt.

Dies war der junge Priester, der zum Erstaunen der Betschwestern den mißgestalteten Findling zu sich nahm. Als er ihn aus dem Sacke zog, fand er ein wahres Ungeheuer an Häßlichkeit, krumm, verwachsen, einäugig! doch kündigte sein Geschrei, obgleich man nicht unterscheiden konnte, in welcher Sprache er stammelte, Gesundheit und Kraft an. Er ließ den Findling taufen und nannte ihn Quasimodo, entweder weil er ihn an diesem Tage gefunden hatte, oder um anzudeuten, bis zu welchem hohen Grade das arme, kleine Geschöpf unvollständig und gleichsam bloß aus dem Groben geschnitten sei. In der That war auch unser Quasimodo ein wahrer Quasimodo.

Im Jahre 1482 war Quasimodo, trotz seiner Mißgestalt, kräftig und lebendig. Seit einigen Jahren war er Glöckner in der Liebfrauenkirche, Dank seinem Adoptivvater Claude Frollo, der Archidiakonus derselben geworden war, Dank Herrn Louis de Beaumont, welcher im Jahre 1472 Bischof von Paris war, Dank seinem Beschützer Olivier, dem Teufel, Barbier Ludwigs XI., der durch die Gnade Gottes König von Frankreich war.

Quasimodo war demnach Glöckner in der Liebfrauenkirche. Die Zeit bildete zwischen dem Glöckner und der Kirche ein gewisses inniges Band. Durch seine unbekannte Geburt und seine Mißgestalt von der übrigen Welt abgeschnitten, hatte sich der Unglückliche daran gewöhnt, die heiligen Mauern, die ihn in ihren Schatten aufgenommen, als seine Welt anzusehen. Die Liebfrauenkirche war für ihn, so wie er allmählig heranwuchs, sein Ei, sein Nest, sein Haus, sein Vaterland, seine Welt. Er kannte jeden Winkel des weiten Gebäudes; es gab keine Tiefe und keine Höhe der Kirche, wohin der Zwerg nicht schon gekommen war. Durch die Gewohnheit, alle Räume und Höhen des gigantischen Gebäudes zu durchklettern und zu überspringen, war er halb Affe, halb Gemse geworden.

Noch niederer, als sein mißgestalteter Körper, stand die Seele des Zwergs. Mit großer Mühe und Geduld hatte ihn Claude Frollo sprechen gelehrt. Ein neues Unglück und eine neue Gebrechlichkeit trafen ihn im vierzehnten Jahre; das Geläute der Glocken hatte ihn taub gemacht. Die einzige Thüre, welche ihm die Natur nach außen offen gelassen hatte, war jetzt plötzlich und für immer geschlossen. Von nun an konnte kein Strahl von Licht und Freude mehr in die Seele des Zwergs fallen, und sie sank in finstere Nacht. Die Melancholie des elenden Wesens war unheilbar und vollständig, wie seine Mißgestalt. Seine Taubheit machte ihn gewissermaßen stumm, denn von dem Augenblicke an, wo er taub wurde, faßte er, um nicht Andern zum Gelächter zu dienen, den festen Entschluß, nicht mehr zu sprechen, und brach dieses Stillschweigen selten anders, als wenn er allein war. Daher kam es, daß, wenn ihn die Nothwendigkeit zum Reden trieb, seine Zunge ungeschmeidig und schwerfällig war, gleich einer Thüre, deren Angeln eingerostet sind.

Der Geist verkrüppelt in einem mißgestalteten Körper. Quasimodo fühlte kaum etwas in sich, das von Ferne einer Seele glich. Die äußeren Eindrücke erlitten eine bedeutende Strahlenbrechung, bevor sie zu seinem Denkvermögen gelangten. Nachdem eine Idee durch seinen Kopf gegangen war, kam sie ganz verwirrt aus demselben heraus. Die Betrachtung, die aus dieser eigenthümlichen Strahlenbrechung hervorging, war nothwendig divergent und abschweifend. Daher tausend optische Täuschungen, tausend Verwirrungen im Urtheil, tausend Abschweifungen des Gedankens, bald unklug, bald stumpfsinnig. Die erste Wirkung dieser unglücklichen Organisation war, daß sie den Blick trübte, den er auf die Dinge warf. Er erlangte fast nie eine unmittelbare Berührung mit denselben. Die Außenwelt erschien ihm um Vieles weiter entfernt, als uns.

Die zweite Wirkung seines Unglücks war, daß es ihn bösartig machte. Er war bösartig, weil er roh, er war roh, weil er häßlich war. Es war eine Logik in seiner Natur, wie in der unseren.

Seine auf so außerordentliche Weise entwickelte Stärke war eine weitere Ursache seiner Bösartigkeit. Malus puer robustus.

Im Uebrigen war ihm seine Bösartigkeit nicht angeboren. Von seinem ersten Auftreten an unter den Menschen sah er sich verachtet, verhöhnt, mit Ekel abgestoßen. Die menschliche Stimme hatte für den Unglücklichen keine anderen Worte, als Verhöhnung oder Verwünschung. Er wuchs heran und fand nur Haß und Verachtung um sich her. Er nahm sie in sich auf und stritt nun mit derselben Waffe, mit der man ihm Wunden geschlagen hatte.

So mied nun der Zwerg den Umgang mit den Menschen, die düstern Mauern seiner Kirche genügten ihm. Die Marmorbilder darin höhnten, die Heiligen, die Bischöfe verspotteten ihn nicht und blickten ihn stets mit demselben unbeweglichen, wohlwollenden Auge an. Die Statuen mißgestalteter Dämonen glichen ihm zu sehr, um ihn hassen zu können. Die Heiligen waren seine Freunde und segneten ihn. In dieser einsamen Bilderwelt lebte der Zwerg. Stundenlang konnte er vor einer Bildsäule stehen und mit ihr plaudern. Ueberraschte ihn Jemand bei diesem Gekose, so entfloh er, wie ein Liebhaber vor den Blicken der Lauscher.

Die Kirche war seine Welt und die Glocken seine Kinder; diese liebte er am meisten, er sprach mit ihnen, er liebkoste sie, diese nämlichen Glocken, die ihn taub gemacht hatten. Oft liebt eine Mutter das Kind am meisten, das sie mit Schmerzen geboren.

Die Stimme der Glocken war noch der einzige Laut, der die Ohren des tauben Zwerges durchdrang. Darum war auch die große Glocke sein Lieblingskind. Diese große Glocke hieß Marie. Quasimodo hatte fünfzehn Glocken auf seinen Thürmen, aber die große Marie war sein Liebling.

Die großen Festtage, wo man mit allen Glocken läutete, waren für ihn Tage des Hochgenusses. Wenn die Stunde schlug, eilte er schneller auf den Glockenthurm hinauf, als ein Anderer heruntergestiegen wäre. Athemlos trat er in die luftige Kammer der großen Glocke, betrachtete sie einen Augenblick mit den wohlwollenden Blicken eines Vaters, redete sie sanft an, streichelte sie mit der Hand, wie man einem Renner den Hals klopft, bevor er seinen Wettlauf beginnt. Hierauf rief er seinen Gehülfen im untern Stockwerke zu, das Läuten zu beginnen. Sie hingen sich an das Seil, und die ungeheure Maschine begann sich langsam zu bewegen. Quastmodo, zitternd vor Freude, folgte ihr mit den Blicken. Der Balken, auf den er gestiegen war, erzitterte unter dem ersten Schlag der Glocke. Quasimodo baumelte mit ihm. Baumle! Baumle! schrie er mit wahnsinnigem Gelächter. Immer schneller, immer lauter ertönte der Schlag der Glocke, immer flammender wurden die Augen des Zwergs. Jetzt läuteten alle Glocken zumal, der Thurm zitterte unter ihrem Schall. Quasimodo schäumte, ging, kam, zitterte mit dem Thurme von oben bis unten. Die Glocke, losgelassen, durch die Lüfte sausend, gab jene weithallenden Töne von sich, die man auf vier Stunden Weges hört. Quasimodo stellte sich vor ihre offene Kehle, schlürfte mit Wollust ihren betäubenden Hauch ein. Dies war die einzige Stimme, die er hörte, der einzige Ton, der das allgemeine Stillschweigen um ihn her unterbrach. Plötzlich ergriff ihn die Tollwuth der Glocke, aus seinen Augen sprühte ein irres Feuer, er lauerte auf den Rückschwung der Glocke, wie die Spinne auf eine Fliege, und warf sich dann plötzlich mit vollem Leibe auf sie hin. Jetzt, über dem Abgrund schwebend, mit dem reißenden Schwung der Glocke dahingerissen, faßte er das eherne Ungeheuer am Oehr, umschlang es mit seinen Knieen, spornte es mit seinen Fersen und verdoppelte auf solche Weise, mit dem ganzen Stoß und Gewicht seines Körpers, den mächtigen Schwung der Glocke. Der Thurm schwankte, der zauberhafte Zwerg schrie und grinste mit den Zähnen, seine rothen Borsten sträubten sich auswärts, seine Brust pochte wie ein Hammer, sein Auge strömte Flammen aus, die ungeheure Glocke schien unter ihrem Reiter zu stöhnen; das war nicht mehr die Glocke der Liebfrauenkirche, noch Quasimodo, es war ein Traum, ein Sturm, eine Windsbraut, der auf dem Geräusch reitende Schwindel, ein auf dem Kreuz eines Flügelrosses angeklammerter Dämon, ein seltsamer Centaur, halb Mensch, halb Glocke.

Das Dasein dieses ungewöhnlichen Wesens flößte der ganzen Kirche einen gewissen Lebenshauch ein. Der Aberglaube der Menge schrieb ihm eine magische Kraft zu, welche alle Steine des alten Gebäudes zu beleben, die tausend Bildsäulen in Bewegung zu setzen und die Mauern der Kirche bis in den Grund zu erschüttern vermöge. In der That war auch die Kirche von Quasimodo wie von einem spiritus familiaris besessen und erfüllt. Ueberall und zu allen Zeiten sah man ihn, er schien sich zu vervielfältigen. Bald erblickte man mit Schaudern auf der höchsten Spitze eines Thurmes einen seltsamen Zwerg, der emporstieg, auf allen Vieren kroch, und über dem äußeren Rande schwebte, von Gestein zu Gestein sprang und endlich in dem hohlen Leib einer Gorgone mit den Händen wühlte: es war Quasimodo, der ein Rabennest ausnahm. Bald stieß man in einem finstern Winkel der Kirche auf eine Art lebender Chimäre, die trübsinnig in einer Ecke kauerte: es war Quasimodo in Gedanken. Bald sah man in einem Glockenturme einen mißgestalteten Zwerg am Seile hängen: es war Quasimodo, der die Vesper oder das Angelus einläutete. In Aegypten würde man ihn für den Gott des Tempels gehalten haben, im Mittelalter hielt man ihn für den bösen Geist desselben.