Während dieses ganzen Auftrittes hatte Peter Gringoire sein Schauspiel beharrlich fortsetzen lassen. Immer noch hoffte er, daß sich doch am Ende das Publikum ihm zuwenden werde. Dieser Hoffnungsstrahl belebte sich, als er den Narrenpabst mit seinem ganzen Gefolge unter großem Geräusch aus dem Saale ziehen sah.

»Gut,« sprach er für sich, »daß diese Störenfriede endlich abziehen!«

Leider aber waren diese Störenfriede das gesammte Publikum, und in einem Nu war der ganze weite Saal leer, bis auf einige Weiber, alte Männer, oder Kinder, die da und dort noch um die Pfeiler stehen blieben. Einige Studenten saßen noch auf dem Fenstergesimse und schauten auf den Platz hinaus.

Je nun, dachte der Poet, es sind ihrer schon genug, um die Entwicklung meines Stücks zu hören; obwohl klein an der Zahl, ist es ein um so ausgewählteres, wissenschaftliches Publikum.

Der Dichter blickte mit Selbstgefühl nach der Bühne hin, wo eben eine Symphonie die Ankunft der heiligen Jungfrau Maria verkünden sollte. Doch keine Musik ließ sich hören, sie war mit der Prozession des Narrenpabstes abgezogen. »Nur weiter! Immer fortgefahren!« sprach der Poet mit stoischem Gleichmuth.

In diesem Augenblicke schrie einer der Studenten, die unter dem Fenster saßen: »Die Esmeralda! Die Esmeralda da unten!«

Dieses Wort brachte eine magische Wirkung hervor. Wer noch im Saale war, stürzte den Fenstern zu, um auf den Platz hinunter zu schauen, und Alle wiederholten mit Einer Stimme: »Die Esmeralda! die Esmeralda!«

Zu gleicher Zeit hörte man von außen rauschenden Beifallruf.

»Was will das heißen: die Esmeralda?« sprach der trostlose Poet mit gefalteten Händen. »Jetzt schauen sie gar auf die Straße, weil es im Saal keinen Spektakel mehr gibt!«

Er wendete sich seiner Bühne zu und sah, daß die Vorstellung unterbrochen war. Eben sollte Jupiter mit dem Blitz in der Hand auftreten. Der gute Jupiter stand aber unbeweglich unten am Gerüste.

»Michel Giborne,« rief ihm der erzürnte Poet zu, »was machst Du da unten? Ist das Deine Rolle? Steige herauf!«

»Ich kann nicht,« erwiederte der Donnergott kläglich, »ein Student hat mir die Leiter genommen.«

»Und warum denn?« fragte der Poet.

»Um die Esmeralda zu sehen,« erwiederte Jupiter.

Das war der letzte Schlag, der unsern armen Dichter traf; er gab das Stück verloren und sprach zu den Schauspielern: »Packt Euch zum Teufel! Wenn ich bezahlt werde, will ich Euch auch bezahlen.«

Hierauf entfernte er sich mit gesenktem Haupte und murmelte, während er die Wendeltreppe des Palastes hinabstieg, für sich: Esel, Dummköpfe, diese Pariser! Sie kommen, ein Mysterium zu hören, und hören nicht darauf! Sie achten auf Alles, was außer der Bühne vorgeht, auf Clopin Trouillefou, auf den Kardinal von Bourbon, auf Jakob Coppenole, auf Quasimodo den Großbuckel, aber auf das Schauspiel und die heilige Jungfrau Maria nicht! Hätte ich das gewußt, so würde ich euch was Anderes gekocht haben, als die heilige Jungfrau Maria, ihr Lümmel! Ich, ein Dichter, will strahlende Gesichter sehen, die vor Freude und Bewunderung meines Stücks glänzen, und erblicke nichts als die Rücken eines rohen und unwissenden Haufens! Doch ein Poet muß sich an Mißgeschick gewöhnen. Homer bettelte von einem griechischen Dorfe zum andern und Ovidius Naso starb in der Verbannung am unwirthlichen Gestade Pannoniens. Aber was Teufels wollen sie denn mit ihrer Esmeralda! Was ist das für ein Wort? Es ist ägyptisch!