Vierzehn Tage nach diesen Ereignissen kam Ordener Guldenlew, begleitet von Levin von Knud und Athanasius Munder in den Kerker des Löwen von Schleswig.
Schuhmacher ging eben im Garten mit seiner Tochter spazieren. Er drückte zärtlich Ordeners Hand und grüßte die beiden Andern.
»Junger Mann,« sagte der alte Gefangene, »der Himmel segne Deine Rückkehr!«
»Herr Graf,« erwiederte Ordener, »ich komme von Bergen von meinem Vater.«
»Was soll das heißen?« fragte der erstaunte Greis.
»Das soll heißen, daß ich um die Hand Ihrer Tochter bitte.«
»Meiner Tochter!« rief der alte Gefangene aus und wandte sich zu Ethel, die schamroth und zitternd da stand.
»Ja, Herr Graf, ich liebe Ihre Ethel.«
Schuhmachers Stirne umwölkte sich: »Du bist ein edler und würdiger junger Mann, mein Sohn. Dein Vater hat mir viel Böses zugefügt, aber ich verzeihe ihm um Deinetwillen, und ich würde diese Heirath gerne sehen. Aber es ist ein Hinderniß …«
»Welches, Herr Graf?« fragte Ordener unruhig.
»Du liebst meine Tochter, aber weißt Du auch, ob sie Dich liebt?«
Die beiden Liebenden betrachteten sich stumm vor Staunen.
»Ja,« fuhr der Vater fort, »es ist mir leid, denn ich liebe Dich, und hätte Dich gerne meinen Sohn genannt. Aber meine Tochter wird nicht wollen. Sie hat mir neulich ihre Abneigung gegen Dich erklärt. Seit Deiner Abreise schweigt sie, wenn ich von Dir rede, und scheint den Gedanken an Dich zu vermeiden. Verzichte daher auf Deine Liebe. Die Liebe heilt sich, wie der Haß …«
»Herr Graf! …« sagte Ordener bestürzt.
»Mein Vater!« rief Ethel aus.
»Sei ruhig, meine Tochter! Diese Heirath gefällt mir, aber sie mißfällt Dir. Ich will Dich nicht zwingen, mein Kind; seit vierzehn Tagen bin ich ein anderer Mensch. Du bist frei …«
Athanasius Munder lächelte: »Sie ist nicht frei.«
»Sie irren sich, mein Vater,« fügte Ethel ermuthigt hinzu, »Ordener ist mir nicht zuwider.«
»Wie!« rief der alte Gefangene aus.
»Ich bin …« fuhr Ethel fort.
Sie hielt inne. Ordener kniete vor dem Greise nieder.
»Sie ist mein Weib,« sagte er. »Verzeihen Sie uns und segnen Sie Ihre Kinder!«
Der Greis, erstaunt und gerührt, gab dem vor ihm knieenden Paar seinen Segen.
Man theilte ihm mit, wie Alles gegangen war. Er weinte vor Rührung und Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die Alles zu einem glücklichen Ende gefühlt hatte.
»Ich hielt mich für weise,« sagte er, »ich bin alt, und das Herz eines jungen Mädchens war mir ein Räthsel!«
»Mein Sohn Ordener,« fügte er hinzu, »Du bist besser als ich, denn in den Tagen meines Glücks hätte ich mich gewiß nicht so tief herabgelassen, die Tochter eines armen Gefangenen zu heirathen, der Ehre und Güter verloren hat.«
Der General Levin schüttelte die Hand des Gefangenen und reichte ihm ein Paket zusammengerollter Papiere dar.
»Herr Graf,« sagte er, »reden Sie nicht so. Hier sind Ihre Adelstitel, welche Ihnen der König bereits durch Dispolsen zurückgeschickt hatte. Se. Majestät fügt das Geschenk Ihrer Begnadigung und Freiheit hinzu. Dies ist die Mitgift der Gräfin von Daneskiold, Ihrer Tochter.«
»Gnade! Freiheit!« wiederholte Ethel entzückt.
»Gräfin von Daneskiold!« fügte der Vater hinzu.
»Ja, Herr Graf!« erwiederte der General, »Sie werden in Ihre Güter, Ehren und Würden wieder eingesetzt.«
»Wem danke ich dies Alles?« fragte der beglückte Greis.
»Dem General Levin von Knud,« antwortete Ordener.
»Levin von Knud! Ich sagte es ja, er ist der beste der Menschen. Aber warum ist er nicht selbst gekommen, mir mein Glück zu verkünden?«
»Hier steht er!« sagte Ordener lächelnd und deutete auf den Gouverneur.
Welch rührende Scene, als die beiden Jugendfreunde sich wieder umarmten! Des alten Gefangenen Herz öffnete sich ganz. Als er Han den Isländer kennen lernte, hatte er aufgehört, die Menschen zu hassen; Ordener und Levin lehrten ihn sie lieben.
Ordeners heimliche Vermählung wurde durch prachtvolle Feste öffentlich gefeiert. Der Graf Ahlfeldt sah sie glücklich und dies war seine größte Strafe.
Athanasius Munder hatte auch seine Freude: er erlangte die Begnadigung nicht nur der zwölf Verurtheilten, sondern auch die Kennybols, Jonas und Norbiths, die frei und freudig in ihre Heimath zurückkehrten und den Bergleuten verkündeten, daß der König sie von der Vormundschaft befreit habe.
Schuhmacher erfreute sich nicht lange des Glücks seiner Kinder, sein Herz war unter den Wechselfällen dieser wenigen Tage zu sehr erschüttert worden; er starb in demselben Jahre. Man begrub ihn in der Kirche von Beer, einer Besitzung seines Tochtermanns in Jütland. Aus dem Ehebund Ordeners und Ethels entsprang die Familie der Grafen von Daneskiold.