Wie der Wal zu seinem Rachen kam

Übersetzt von Erich Ferdinand

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Es war einmal im Ozean, o mein Meistgeliebter, ein Wal, und der fraß Fische. Er fraß den Sternfisch und den Sonnenfisch, und die Krabbe und die Dabbe, und den Barsch und den Dorsch, und den Kabeljau samt seiner Frau, und die Makrele und die Garnele und den wirklich echten Schlingel-Schlängel-Aal. Alle Fische, die er im ganzen Ozean finden konnte, fraß er so mit seinem Maul! Bis zuletzt nur noch ein kleiner Fisch im ganzen Ozean übrig war, und das war ein kleiner Schlaufisch, und der schwamm ein wenig hinter dem rechten Ohr des Wales, um in Sicherheit zu sein. Dann stellte sich der Wal auf seinen Schwanz und sagte: »Ich habe Hunger«. Und der kleine Schlaufisch sagte mit kleiner schlauer Stimme, »Edler und großmütiger Walfisch, hast Du jemals Mensch geschmeckt?«

»Nein,« sagte der Wal, »wie schmeckt das?«

»Nett,« sagte der Schlaufisch. »Nett aber knotig.«

»Dann bring mir was davon,« sagte der Wal, und schlug mit seinem Schwanz das Meer schaumig.

»Aber nur einen auf einmal« sagte der Schlaufisch. »Wenn du nach 50° nördlicher Länge und 40° westlicher Breite schwimmst (das ist magisch), wirst du auf einem Floss sitzend, mitten im Ozean, mit nichts bekleidet als einem Paar blauer Segeltuchhosen und einem Paar Hosenträger (du darfst die Hosenträger nicht vergessen, Meistgeliebter), und einem Taschenmesser, einen schiffbrüchigen Seemann finden, der, was ich dir aus Anstandsgefühl sage, ein Mann unendlicher Raffinesse und Findigkeit ist.«

So schwamm und schwamm der Wal nach 50° nördlicher Länge und 40° westlicher Breite, so schnell er schwimmen konnte, und auf einem Floß sitzend, mit nichts bekleidet als einem Paar blauer Segeltuchhosen, einem Paar Hosenträger (du mußt besonders die Hosenträger im Gedächtnis behalten, Meistgeliebter), und einem Taschenmesser, fand er einen einzelnen, einsamen schiffbrüchigen Seemann, der seine Zehen ins Wasser hielt.

Dann öffnete der Wal sein Maul weit und weiter und weiter, bis es fast seinen Schwanz berührte, und er verschluckte den schiffbrüchigen Seemann, und das Floss, auf dem er saß, und seine blauen Segeltuchhosen, und die Hosenträger (die du nicht vergessen darfst), und das Taschenmesser – er verschluckte das alles in seine warme, dunkle innere Speisekammer, und dann schmatzte er so mit den Lippen und drehte sich dreimal auf seinem Schwanz.

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Dies ist das Bild von dem Wal, wie er den Seemann mit der unendlichen Raffinesse und Findigkeit verschluckt, mitsamt dem Floß und dem Taschenmesser und seinen Hosenträgern, die du nicht vergessen darfst. Die Dinger mit den Knöpfen sind die Hosenträger des Seemanns, und direkt daneben kannst du das Messer sehen. Er sitzt auf dem Floß, aber es ist zur Seite gekippt, so dass du nicht viel davon siehst. Das weißliche Ding an der linken Hand des Seemanns ist ein Stück Holz, mit dem er versuchte, das Floß zu rudern, als der Wal vorbeikam. Das Holzstück wird Gaffelklaue genannt. Der Seemann ließ es draußen, als er hineinrutschte. Der Name des Wals war Grinser, und der Seemann hieß Mr. Henry Albert Bivvens. Der kleine Schlaufisch versteckt sich unter dem Bauch des Wals, sonst hätte ich ihn gezeichnet. Dass das Meer so wirbel-quirlig ist, liegt daran, dass der Wal es alles in sein Maul saugt, um Mr. Henry Albert Bivvens und das Floß und das Taschenmesser und die Hosenträger einzusaugen. Du darfst niemals die Hosenträger vergessen.

Aber sobald der Seemann, der ein Mann von unendlicher Raffinesse und Findigkeit war, sich wirklich in der warmen, dunklen inneren Speisekammer fand, stampfte er und hüpfte er, und er pochte und er klopfte, und er tollte und er tanzte, und er krawallte und er knallte, und er schlug und er biss, und er sprang und er kroch, und er graulte und er jaulte, und er hopste und er tobte, und er weinte und er greinte, und er krabbelte und er babbelte, und er schritt und er glitt, und er tanzte Hornpipe wo er nicht durfte, und der Wal wurde wirklich sehr unglücklich. (Hast du die Hosenträger vergessen?)

Also sagte er zu dem Schlaufisch, »Dieser Mann ist sehr knotig, und außerdem macht er mir einen Schluckauf. Was soll ich machen?«

»Sag ihm, er soll rauskommen,« sagte der Schlaufisch.

Also rief der Wal in seinen Rachen hinab dem schiffbrüchigen Seemann zu, »Komm raus und benimm dich. Ich habe den Schluckauf.«

»Nix da!« sagte der Seemann. »Nichts zu machen, sondern ganz im Gegenteil. Bring mich zu meinem Heimatstrand und den weißen Klippen von Albion, dann werde ich es mir durch den Kopf gehen lassen.« Und er begann, noch toller als zuvor zu tanzen.

»Du solltest ihn besser heimbringen,« sagte der Schlaufisch zu dem Wal. »Ich hätte ich warnen sollen, dass er ein Mann von unendlicher Raffinesse und Findigkeit ist.«

Also schwamm und schwamm und schwamm der Wal, mit beiden Flossen und dem Schwanz, so schnell er mit seinem Schluckauf konnte; und schließlich sah er des Seemanns Heimatstrand und die weißen Klippen von Albion, und er rutschte halb auf den Strand, und öffnete sein Maul weit und weiter und weiter, und sagte, »Umsteigen nach Winchester, Ashuelot, Nashua, Keene und Bahnhof Fitchburg Road;« und gerade, als er »Fitch« sagte, spazierte der Seemann ihm aus dem Maul. Aber während der Wal geschwommen war, hatte der Seemann, der wirklich eine Person von unendlicher Raffinesse und Findigkeit war, sein Taschenmesser genommen und das Floß zu einem kleinen Gitter geschnitzt, das ganz kreuz und quer verlief, und er hatte es mit seinen Hosenträgern zusammengebunden (jetzt weißt du, warum du die Hosenträger nicht vergessen solltest!) und er drückte das Gitter gut und fest in den Rachen des Wals, und da steckte es! Dann rezitierte er das folgende Sloka, welches, weil du es noch nicht gehört hast, ich jetzt vortragen werde-

Ein alter Gitterrost
verdirbt dir nun die Kost.

Denn der Seemann war auch Hi-ber-ni-er. Und er trat heraus auf den Strandkies und ging heim zu seiner Mutter, die ihn hatte gehen lassen, damit er seine Zehen ins Wasser halten konnte; und er heiratete und lebte fortan glücklich und in Frieden. Das tat auch der Wal. Aber von diesem Tage an verhinderte der Gitterrost in seinem Rachen, den er weder aushusten noch herunterschlucken konnte, das er irgendetwas anderes fraß als sehr, sehr kleine Fische; und das ist der Grund, warum Wale heutzutage niemals Männer oder Jungen oder kleine Mädchen fressen.

Der kleine Schlaufisch ging und versteckte sich im Schlamm unter der Türschwelle des Äquators. Er befürchtete, dass der Wal wütend auf ihn sein könnte.

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Hier sieht man, wie der Wal den kleinen Schlaufisch sucht, der sich unter der Türschwelle des Äquators versteckt. Der kleine Schlaufisch hieß Pingel. Er versteckt sich zwischen den Wurzeln des großen Seetangs, der vor den Türen des Äquators wächst. Ich habe die Türen des Äquators gezeichnet. Sie sind geschlossen. Sie werden immer geschlossen gehalten, weil eine Tür immer geschlossen sein sollte. Das Seil-Ding direkt darüber ist der Äquator selbst; und die Dinger, die wie Felsen aussehen, sind die beiden Riesen Moar und Koar, die den Äquator in Ordnung halten. Sie haben die Schattenbilder auf die Türen des Äquators gemalt, und sie haben auch all die verdrehten Fische unter den Türen geschnitzt. Die Fische mit den weißen Schnauzen werden Weißschnauzendelphine genannt, und die anderen Fische mit den komischen Köpfen nennt man Hammerhaie. Der Wal fand den kleinen Schlaufisch nicht, bis er sich beruhigt hatte, und dann wurden sie wieder gute Freunde.

Das Taschenmesser nahm der Seemann mit nach Hause. Er trug die blauen Segeltuchhosen, als er auf den Strandkies heraustrat. Die Hosenträger blieben zurück, du verstehst, um den Gitterrost zusammen zu binden; und das ist das Ende dieser Geschichte.

Wenn die Kabinenluken sind dunkel und grün,
Von den Wellen draußen auf See;
Wenn das Schiff macht wupp (mit ’nem Wackeln darin)
Und der Steward fällt in die Suppenterrin‘,
Und die Koffer rutschen davon;
Das Kindermädchen liegt wie ein Bündel auf Deck
Und Mama schickt dich müde hinaus,
Und du bist ungekämmt, ungewaschen und nackt,
Na dann wirst du wissen (wenn du’s nicht erraten hast)
du bist 50° Nord und 40° West!