Von den guten Lehren, welche Don Quijote seinem Sancho Pansa noch ferner erteilte

Wer die vorigen Reden Don Quijotes gehört, hätte der ihn nicht für einen Mann von gutem Verstande und noch bessrem Herzen halten müssen? Allein wie es oftmals im Verlauf dieser Geschichte gesagt worden, er verfiel in Unsinn nur, wenn man bei ihm an das Ritterwesen rührte, und in all seinen Reden zeigte er einen hellen, offenen Kopf, so daß bei jeder Gelegenheit seine Taten seinen Verstand und sein Verstand seine Taten Lügen strafte. Aber in dieser seiner neuesten Tat, nämlich der Fortsetzung seiner Weisheitslehren, zeigte er liebenswürdigste Anmut und trieb seine Klugheit wie seine Narrheit auf den höchsten Grad. Mit gespannter Aufmerksamkeit hörte ihm Sancho zu und gab sich Mühe, seine Lehren im Gedächtnis festzuhalten als redlicher Schüler, der gewillt war, sie zu befolgen und, da er jetzt mit seiner Statthalterschaft schwanger ging, durch ihre Hilfe mit einer glücklichen Geburt gesegnet zu werden. Don Quijote fuhr also fort und sprach: »Was die Frage betrifft, wie du dich und dein Haus regieren sollst, so ist das erste, was ich dir rate, reinlich zu sein und dir die Nägel zu schneiden, nicht aber sie wachsen zu lassen, wie etliche tun, die in ihrer Ungebildetheit meinen, lange Nägel verschönern die Hände, als wenn dieser Auswuchs, dies Anhängsel, das sie wegzuschneiden verschmähen, wirklich Fingernägel wären, wo es doch vielmehr Krallen eines eidechsenfangenden Aasgeiers sind: eine schlechte Gewohnheit, schweinisch und unerhört widerwärtig.

Gehe nicht mit losem Gurt und schlampig einher, denn ein unordentlicher Anzug verrät immer einen schlaffen Geist, wenn nicht etwa solche Unordentlichkeit und Nachlässigkeit zu den Mitteln schlauer Verstellung gehört, wie man sie Julius Cäsar nachsagt.

Fühle deinem Amte mit Überlegung den Puls, was es abwerfen kann, und wenn es dir gestattet, deinen Dienern Livree zu geben, so gib sie ihnen lieber anständig und dauerhaft als in die Augen fallend und prunkvoll, und teile sie zwischen deiner Dienerschaft und den Armen; ich will damit sagen, wenn du sechs Hausdiener kleiden kannst, so kleide ihrer drei und dazu drei Arme; so wirst du Diener im Himmel und auf Erden haben.

Aber für diese neue Art, Livree zu geben, wird eitlen Prahlern immer das Verständnis fehlen.

Iß weder Knoblauch noch Zwiebeln, damit die Leute nicht am Geruch deine niedrige Herkunft erkennen. Geh mit langsamen Schritten, sprich mit ruhiger Gelassenheit, aber nicht so, daß es aussieht, als wolltest du dir selbst zuhören, denn alle Ziererei ist vom Übel.

Iß wenig zu Mittag und noch weniger zu Abend, denn die Gesundheit des ganzen Leibes wird in der Werkstätte des Magens bereitet.

Sei mäßig im Trinken und bedenke, daß Wein im Übermaß weder Geheimnisse bewahrt noch Wort hält.

Hüte dich, mit beiden Backen zugleich zu kauen und vor anderen Leuten zu eruktieren.«

»Das Ding mit dem Eruktieren, das versteh ich nicht«, sagte Sancho.

Don Quijote entgegnete: »Eruktieren, Sancho, heißt rülpsen. Dies Wort ist zwar sehr bezeichnend, jedoch eines der unschicklichsten Wörter in unserer Sprache; und darum haben die Leute, die auf feinen Ausdruck halten, ihre Zuflucht zum Latein genommen und sagen eruktieren für rülpsen und statt Rülpser Eruktation. Und wenn auch der und jener diese Ausdrücke nicht verstehen sollte, so macht das wenig aus; der Gebrauch wird sie mit der Zeit allmählich einführen, bis sie mit Leichtigkeit verstanden werden; und dies heißt die Sprache bereichern, über welche die gemeine Menge und der Gebrauch alle Macht haben.«

»Wahrhaftig, Señor«, sagte Sancho, »eine Eurer Ermahnungen und Belehrungen, die ich ernstlich im Gedächtnis behalten will, wird die sein, nicht zu rülpsen, denn ich pflege das häufig zu tun.«

»Eruktieren, nicht rülpsen«, fiel Don Quijote ein.

»Eruktieren will ich von nun an sagen«, entgegnete Sancho, »und wahrlich, ich werde es nicht vergessen.«

»Ferner, Sancho, sollst du in deine Rede nicht die Menge Sprichwörter einmischen, wie du zu tun pflegst. Sprichwörter sind zwar gute Sinnsprüche, ziehst du sie aber öfter bei den Haaren herbei, scheinen sie eher Ungereimtheiten als Sinnsprüche.«

»Da kann nur Gott helfen«, erwiderte Sancho; »denn ich weiß mehr Sprichwörter, als im Buch stehen; und wenn ich rede, kommen mir so viele auf einmal in den Mund, daß sie sich stoßen und drängen, um miteinander herauszukommen; aber die Zunge stößt eben diejenigen hinaus, die ihr zuerst in den Weg kommen, wenn sie auch nicht zur Sache passen. Ich will aber von jetzt an aufpassen, daß ich nur diejenigen herauslasse, die sich zur Würde meines Amtes schicken. In vollem Haus ist bald gerüstet der Schmaus, und wer die Karten abhebt, der hat nicht zu mischen; und wer Sturm läutet, ist sicher vor der Gefahr; und: Gib’s aus der Hand und behalt’s in der Hand, zu beidem brauchst du Verstand.«

»Immer drauf, Sancho!« fiel Don Quijote ein. »Nur immer Sprichwörter zusammengebracht, aneinandergeflickt, auf eine Schnur gezogen! Keiner wehrt es dir. Meine Mutter zankt mich, und ich tanze ihr auf der Nase herum! Eben erst sage ich dir, du sollst die Sprichwörter beiseite lassen, und im gleichen Augenblick gibst du wieder eine ganze Litanei davon zum besten, die zu dem Gegenstand unsrer Besprechung geradeso passen wie die Faust aufs Auge. Sieh, Sancho, ich sage ja nicht, daß ein am rechten Ort angewendetes Sprichwort sich übel ausnimmt; aber wenn man Sprichwörter kreuz und quer aufeinanderhäuft und aneinanderreiht, wird die Rede niedrig und gemein.

Wenn du reitest, lehne den Körper nicht auf den hinteren Sattelbogen zurück und halte die Beine nicht steif ausgestreckt und vom Bauch des Pferdes weg; hänge aber auch nicht so auf dem Sattel, daß es aussieht, als säßest du auf deinem Grauen, denn am Reiten zeigt es sich, ob einer ein Ritter oder ein Stallknecht ist.

Halte maß im Schlafen, denn wer nicht früh mit der Sonne aufsteht, genießt den Tag nicht; und merke dir, Sancho, Fleiß ist der Vater des Glücks, und Trägheit, seine Feindin, erreicht nie das Ziel redlichen Willens.

Die letzte Lehre, die ich dir jetzt geben will, hat zwar nichts mit der Anständigkeit der äußeren Erscheinung zu tun; du sollst sie aber doch wohl im Gedächtnis behalten, denn ich glaube, sie wird dir von nicht minderem Nutzen sein, als die ich dir bisher gegeben. Es ist nämlich folgende: Laß dich niemals darauf ein, über die Herkunft der Familien zu streiten, wenigstens nicht so, daß du sie miteinander vergleichst; denn unter den verglichenen muß notwendig eine die vornehmere sein, und die, welche du niedriger stellst, wird dich gründlich hassen, und die, welche du höher stellst, wird dir es nicht im geringsten lohnen.

Deine Kleidung sei eine lange Hose, ein weiter Leibrock und ein noch etwas weiterer Mantel; kurze Hosen unter keiner Bedingung, denn sie passen weder für Ritter noch für Statthalter.

Dies ist’s, was mir vorderhand an guten Lehren für dich in den Sinn gekommen ist; mit der Zeit wird sich andres finden, und ich werde dann nicht verfehlen, dir weitere Ratschläge zukommen zu lassen, ja nachdem du daran denken wirst, mich von deinen Umständen in Kenntnis zu setzen.«

»Señor«, entgegnete Sancho, »ich sehe wohl ein, was Euer Gnaden mir gesagt hat, ist alles gut und fromm und nützlich; aber wozu soll mir’s helfen, wenn ich mich an nichts von alledem erinnere? Es mag sein, daß die Geschichte mit den Nägeln, die ich mir nicht wachsen lassen soll, und mit dem Wiederverheiraten, wenn sich die Gelegenheit bietet, mir nicht aus dem Sinn kommen wird; was aber den übrigen Krimskrams und all den närrischen Schnickschnack angeht, darauf besinn ich mich nicht mehr und werde auch künftig mich ebensowenig darauf besinnen können wie auf die Wolken vom vorigen Jahr, und darum müßt Ihr sie mir schriftlich geben; wenn ich auch nicht lesen und schreiben kann, ich werde sie meinem Beichtvater geben, damit er sie mir einprägt und wieder ins Gedächtnis bringt, wo’s nötig ist.«

»Gott verzeih mir meine Sünden!« versetzte Don Quijote; »wie schlecht steht es um einen Statthalter, der nicht lesen noch schreiben kann! Denn du mußt wissen, mein Sancho, wenn ein Mensch nicht lesen kann oder linkshändig ist, so beweist das zweierlei: daß entweder seine Eltern zu arm und zu gering waren oder er so verkehrt und schlecht geartet, daß er nicht imstande war, gute Sitte und gute Lehre anzunehmen. Das ist ein großer Mangel an dir, und ich wünschte daher, daß du wenigstens unterschreiben lerntest.«

»Meinen Namen kann ich schon unterschreiben«, erwiderte Sancho; »denn als ich Einnehmer in meinem Dorfe war, lernte ich ein paar Buchstaben malen, wie man sie auf Warenballen macht, und die Leute sagten, die bedeuteten meinen Namen. Außerdem kann ich tun, als hätte ich die Gicht an der rechten Hand, und einen andern für mich unterzeichnen lassen; es gibt für alles ein Kraut, nur nicht für den Tod. Und wenn ich einmal den Befehl und den Stab in Händen habe, kann ich tun, was mir gut dünkt; zudem, wenn einer den Schultheiß zum Vater hat. … Und wenn ich Statthalter bin, was doch mehr als Schultheiß ist, da sollen sie mir nur kommen, sie sollen schon sehen! Oder sie sollen mich einmal schief ansehen und mir nachreden! Aber, aber, da gehen sie nach Wolle aus und kommen geschoren nach Haus. Und wen Gott liebhat, dem merkt es alle Welt an; und des Reichen dumme Redensarten gelten in der Welt für Sprüche Salomonis; und da ich reich sein werde, wenn ich Statthalter bin, und dazu freigebig sein will, so wird kein Fehler an mir zu sehen sein. Nein, macht euch nur zu Honig, so fressen euch die Fliegen; du giltst soviel, wie du hast, sagte meine Großmutter, und wer ein Rittergut hat und adlig Geschlecht, denk nicht, daß einer an dem dich rächt.«

»O daß dich Gott verdamme, Sancho!« fiel hier Don Quijote ein, »daß sechzigtausend Teufel dich und deine Sprichwörter holten! Schon seit einer Stunde häufst du eins aufs andre und trichterst sie mir ein wie Wasser auf der Folter. Ich versichere dir, diese Sprichwörter bringen dich noch eines Tages an den Galgen; um ihretwillen nehmen dir deine Untertanen die Statthalterschaft, oder es bilden sich Bündnisse unter den Ortschaften gegen dich. Sage mir nur, wo du sie her hast, du unwissender Mensch? Oder wie du sie anwendest, du Einfaltspinsel? Ich, wenn ich nur eines beibringen und richtig anwenden will, ich schwitze und mühe mich ab, als wäre ich ein Schatzgräber.«

»Um Gottes willen, lieber Herr und Gebieter«, antwortete Sancho, »wie regt sich Euer Gnaden doch über gar geringe Dinge auf! Was, zum Teufel, macht es Euch aus, wenn ich mein Eigentum ausnütze? Ich habe ja kein andres und weiter kein Vermögen als Sprichwörter und immer wieder Sprichwörter. Und jetzt eben kommen mir ihrer vier in den Sinn, die aufs Härchen hierhergehören wie Birnen in den Obstkorb; aber ich gebe sie nicht her, denn das Schweigen zur rechten Zeit ist ein großer Heiliger.«

»Dieser Heilige bist du nicht«, sagte Don Quijote, »denn das Schweigen zu rechter Zeit ist deine Sache nicht, wohl aber das Reden und immerfort Reden zu unrechter Zeit. Aber trotzdem möchte ich wohl wissen, welche vier Sprichwörter dir jetzt in den Sinn gekommen sind, die hierher passen sollten; ich wenigstens, der ich ein gutes Gedächtnis habe, suche überall darin herum, und kein passendes Sprichwort will mir einfallen.«

»Was kann es für bessere geben«, sagte Sancho, »als die: Man soll den Daumen nie zwischen die Backenzähne stecken, und: Auf ein ›Pack dich aus meinem Hause!‹ und ›Was willst du mit meinem Weib?‹ läßt sich nichts antworten; und: Ob Krug wider Stein oder Stein wider Krug, der Krug ist der Verlierer. Alle diese passen aufs Härchen. Mit dem Statthalter soll niemand anbinden, überhaupt mit keinem, der ihm zu befehlen hat, denn er wird den Schaden davon haben, gerade wie der, der den Finger zwischen die Backenzähne hinten steckt; und wenn sie auch nicht hinten sind, falls es nur Backenzähne sind, ’s ist kein Unterschied.

Und gegen das, was der Statthalter sagt, darauf läßt sich nichts antworten, so wenig wie auf das ›Pack dich!‹ und ›mein Weib laß ungeschoren!‹ Und was das mit dem Stein wider Krug betrifft, das kann ja ein Blinder sehen. Demnach muß notwendig, wer den Splitter im fremden Auge sieht, den Balken im seinigen sehen, damit man nicht von ihm sagt: Eine Gestorbene ist arg erschrocken, als sie eine Geköpfte zu sehen bekam. Auch weiß Euer Gnaden ja: Der Dummkopf weiß in seinem Hause mehr als der gescheite Kopf im fremden.«

»Das ist nicht so, Sancho«, entgegnete Don Quijote; »der Dummkopf, in seinem Haus wie im fremden, weiß nichts, weil auf der Grundmauer der Dummheit kein vernünftiges Gebäude stehen kann. Aber lassen wir das hier auf sich beruhen, Sancho. Wenn du ein schlechter Statthalter wirst, so hast du die Schuld und ich die Schande davon; aber ich tröste mich damit, daß ich meine Schuldigkeit getan, da ich so ernstlich und vernünftig, als ich vermochte, dir meinen guten Rat erteilt habe; und damit habe ich meine Pflicht und mein Versprechen gelöst. Gott geleite dich, Sancho, und regiere dich bei deiner Regierung, mich aber befreie er von der Angst, die ich im Gewissen fühle, du möchtest auf der ganzen Insul das Oberste zuunterst kehren, was ich hätte verhindern können, wenn ich dem Herzog offenbart hätte, was du für ein Mensch bist, und ihm gesagt hätte, daß dein ganzer Dickwanst und deine ganze zwerghafte Person weiter nichts als ein Sack voller Sprichwörter und Tücken ist.«

»Señor«, erwiderte Sancho, »wenn Euer Gnaden der Meinung ist, daß ich für selbige Statthalterschaft nicht tauge, so laß ich sie auf der Stelle fahren; denn von meiner Seele ist mir das Schwarze am Fingernagel schon allein weit lieber als mein ganzer Leib, und ich kann als Sancho von Brot und Zwiebeln ebensogut leben wie als Statthalter von Rebhühnern und Kapaunen; zumal die Menschen im Schlaf alle gleich sind, Große und Kleine, Arme und Reiche. Und wenn Euer Gnaden es recht bedenkt, werdet Ihr sehen, Ihr allein habt mich zum Statthaltern gebracht, denn ich versteh den Geier davon, wie man Statthalter über Insuln ist; und wenn Ihr glaubt, daß mich, wenn ich Statthalter werde, der Teufel holt, da will ich lieber als Sancho in den Himmel denn als Statthalter in die Hölle kommen.«

»Bei Gott, Sancho«, sprach Don Quijote hierauf, »ob dieser letzten Worte, die du geredet, erachte ich, daß du verdienst, über tausend Insuln Statthalter zu sein. Du hast ein gutes Herz, ohne das keinerlei Wissen Wert hat, befiehl dich Gott dem Herrn und trachte von Anfang an, bei deinen Vorsätzen nicht fehlzugehen; ich meine, du sollst stets die Absicht und den festen Vorsatz haben, bei allen Angelegenheiten, die dir vorkommen, das Rechte zu tun, denn der Himmel ist stets dem guten Wollen günstig. Jetzt aber gehen wir zum Mittagsmahl; ich glaube, die Herrschaften erwarten uns schon.«