Worin der Zweifel über Mambrins Helm und den Eselssattel gründlich und in voller Wahrheit aufgehellt wird, nebst andern Abenteuern, so sich zugetragen

»Was halten Euer Gnaden, meine Herren«, sagte der Barbier, »von den Behauptungen dieser edlen Herren, da sie beharrlich dabei bleiben, es sei dies keine Bartschüssel, sondern ein Helm?«

»Und wer das Gegenteil sagt«, sprach Don Quijote, »dem werde ich zu Gemüte führen, daß er lügt, falls es ein Ritter ist; und wenn ein Knappe, daß er nochmals lügt und tausendmal lügt.«

Unser Barbier Nikolas, der bei allem zugegen war, wollte, da er Don Quijotes Sparren so gut kannte, noch Öl ins Feuer gießen und den Spaß weitertreiben, damit sie alle was zu lachen hätten, und so sagte er zu dem andern Barbier: »Herr Barbier, oder was Ihr sonst seid, wißt, daß auch ich von Eurem Handwerk bin und seit länger als zwanzig Jahren mein Meisterzeugnis habe und mich auf alle Werkzeuge des Bartscherertums, nicht eines ausgenommen, sehr wohl verstehe. Ebenso war ich in meiner Jugend eine Zeitlang Soldat: und weiß auch, was ein Helm ist und was eine Eisenhaube und was ein Helm mit Visier, und weiß noch anderes in betreff des Kriegswesens, ich meine der verschiedenen Waffen. Und ich sage mit aller schuldigen Achtung vor besserem Ermessen und vorbehaltlich besserer Einsicht: dies Ding, das sich hier vor unseren Augen befindet und das dieser wackere Herr in Händen hält, ist nicht nur nicht eine Barbierschüssel, sondern ist so fern davon, eine solche Schüssel zu sein, wie das Weiße fern ist vom Schwarzen und die Wahrheit von der Lüge. Sodann sage ich, daß es zwar ein Helm ist, aber kein vollständiger Helm.«

»Gewiß nicht«, sprach Don Quijote hierauf, »denn es fehlt ihm die Hälfte, nämlich die Halsberge.«

»So ist es«, fiel der Pfarrer ein, der die Absicht seines Freundes, des Barbiers, bereits wohl verstanden hatte, und das nämliche bestätigten Cardenio sowie Don Fernando und seine Gefährten. Selbst der Oberrichter würde seinen Teil zu dem Spaß beigetragen haben, wenn nicht die Angelegenheit mit Don Luis seine Gedanken in Anspruch genommen hätte; aber der Ernst der Gegenstände, die er zu bedenken hatte, hielt ihn in so beständiger Spannung, daß er wenig oder gar nicht auf diese Possen achten konnte.

»Gott steh mir bei!« sagte jetzt der gefoppte Bartscherer, »ist es möglich, daß so viel vornehme Herren behaupten, dies sei nicht eine Bartschüssel, sondern ein Helm! Das ist offenbar eine Geschichte, die eine ganze Universität mit ihrer Weisheit in Verwunderung setzen könnte. Gut denn; wenn diese Schüssel also tatsächlich ein Helm ist, muß dieser Eselssattel wohl auch ein Pferdegeschirr sein, wie dieser Herr gesagt hat.«

»Mir allerdings scheint es ein Eselssattel«, sprach Don Quijote, »aber ich habe bereits gesagt, daß ich mich hierein nicht mische.«

»Ob es ein Eselssattel oder Pferdezeug ist«, sagte der Pfarrer, »das hängt ganz von der Entscheidung des Herrn Don Quijote ab, denn in Dingen des Rittertums ordnen wir uns ihm ganz unter.«

»Bei Gott, meine Herren«, entgegnete Don Quijote, »so vieles und so Seltsames ist mir in dieser Burg die beiden Male begegnet, die ich darin geherbergt, daß ich nicht wagen kann, irgend etwas mit Bestimmtheit über die Dinge zu sagen, die in selbiger geschehen; denn ich meine, alles, was hier vorgeht, geschieht mittels Zauberkunst. Das erstemal quälte mich gewaltig ein verzauberter Mohr, der in der Burg weilt, und auch Sancho ging es mit dessen Helfershelfern gar nicht gut; und heute nacht habe ich schier zwei Stunden an diesem meinem Arm schwebend gehangen, ohne zu wissen, wie oder warum ich in dieses Mißgeschick geraten bin. Wenn ich daher in einer Sache von solcher Unklarheit meine Meinung ausspräche, das hieße, in eine dreiste Übereilung beim Urteilen verfallen. Was die Behauptung betrifft, dieses sei eine Barbierschüssel und kein Helm, darauf habe ich schon geantwortet; aber bezüglich der Entscheidung, ob dieses ein Esels- oder ein Pferdesattel ist, da erkühne ich mich nicht, einen endgültigen Spruch zu fällen, das überlasse ich ausschließlich dem besseren Ermessen Euer Gnaden. Vielleicht weil ihr nicht zu Rittern geschlagen seid, wie ich es bin, berühren euch die Verzauberungen dieses Ortes nicht und ist euere Urteilskraft frei und könnt ihr von den Dingen in dieser Burg so urteilen, wie sie wahr und wirklich sind, und nicht, wie sie mir erscheinen.«-

»Es ist kein Zweifel daran«, entgegnete Don Fernando hierauf, »daß der Herr Don Quijote diesmal sehr richtig gesagt hat, nur uns komme die Entscheidung dieses Falles zu; und damit alles ordentlich zugeht, will ich die Stimmen dieser Herren im geheimen sammeln und von dem Ergebnis vollständige und deutliche Kunde geben.«

Für diejenigen, die über Don Quijotes Sparren schon Bescheid wußten, war das alles ein Stoff zu unendlichem Lachen; aber denen, die nichts davon wußten, schien es der größte Unsinn der Welt, besonders den vier Dienern des Don Luis, und ebenso dem letzteren und so auch drei andern Reisenden, die soeben zufällig in die Schenke gekommen waren und wie Landreiter aussahen, was sie auch wirklich waren. Wer aber am meisten außer sich geriet, das war der Barbier, dessen Bartschüssel sich ihm vor seinen Augen in den Helm Mambrins verwandelt hatte und der gar nicht daran zweifelte, daß auch sein Eselssattel sich ihm in ein reiches Pferdegeschirr verwandeln würde. Alle aber, die einen wie die andern, brachen in Gelächter aus, als sie sahen, wie Don Fernando die Stimmen sammelte und sich um der geheimen Abstimmung willen ins Ohr flüstern ließ, ob dies Kleinod, über das soviel gekämpft worden, ein Eselssattel oder ein Pferdezeug sei. Und nachdem er die Stimmen derer, die Don Quijote kannten, gesammelt hatte, sprach er laut zu dem Barbier:

»Der Kasus ist, guter Freund, daß ich bereits müde bin, so viele Stimmen zu sammeln; denn ich sehe, daß keiner, den ich nach dem Verlangten frage, mir nicht antwortet, es sei ein Unsinn, dies für einen Eselssattel auszugeben, sondern es sei das Sattelzeug eines Pferdes, und obendrein eines Pferdes von reiner Rasse. So müßt Ihr Euch denn in Geduld fassen, denn zu Eurem und Eures Esels Leidwesen ist dies ein Pferdegeschirr und nicht ein Eselssattel; Ihr habt Euernteils falsch geklagt und nichts bewiesen und habt verloren.«

»So will ich im Jenseits verloren sein«, versetzte der arme Barbier, »wenn Ihr, gnädige Herren, Euch nicht alle täuscht, und möge meine Seele so sicher vor Gott erscheinen, wie dies mir ein Eselssattel scheint und nicht ein Pferdezeug. Allein, Gewalt geht vor … mehr will ich nicht sagen. Und wahrlich, ich bin nicht betrunken, ich habe mir heute noch nichts vergönnt, ausgenommen etwa, Sünden zu begehen.«

Nicht weniger Lachen erregten die albernen Reden des Barbiers als die verrückten Don Quijotes, der jetzt sprach: »Hier ist nichts weiter zu tun, als daß jeder nehme, was ihm gehört, und wem es Gott gegeben hat, dem mag Sankt Petrus es gesegnen.«

Einer aber von den vier Dienern des Don Luis sagte: »Wenn dies nicht etwa eine verabredete Fopperei ist, kann ich unmöglich verstehen, daß Leute von gesundem Verstand, wie alle hier Anwesenden sind oder scheinen, sich erlauben können zu sagen, dies sei keine Bartschüssel und jenes kein Eselssattel; aber da sie es sagen und behaupten, so muß ich annehmen, es steckt ein absonderlich Geheimnis dahinter, so hartnäckig bei einer Behauptung zu bleiben, wovon uns das Gegenteil durch die Wirklichkeit und durch die Erfahrung selbst dargetan wird. Denn ich schwör’s bei dem und jenem« – und er stieß den Schwur rundheraus –, »mich soll nichts auf der Welt überreden, daß dies sich umgekehrt verhalte und daß dies nicht eine Barbierschüssel und jenes nicht der Sattel eines Esels sei.«

»Es könnte der Sattel einer Eselin sein«, sagte der Pfarrer.

»Das ist ganz einerlei«, entgegnete der Diener, »denn es handelt sich nicht hierum, sondern darum, ob es ein Eselssattel ist oder nicht, wie die gnädigen Herren sagen.«

Dies vernahm einer der eben angekommenen Landreiter, der dem Streit und der ganzen Verhandlung zugehört hatte, und sprach voller Zorn und Ärger: »Das ist ebenso sicher ein Eselssattel, wie mein Vater einer ist, und wer was anderes gesagt hat oder sagt, muß toll und voll sein!«

»Ihr lüget als ein niederträchtiger Schelm!« rief Don Quijote, erhob seinen Spieß, den er nie aus den Händen ließ, und holte zu einem so gewaltigen Schlag auf den Kopf des Landreiters aus, daß er ihn, wenn er nicht ausgewichen wäre, ohne weiteres niedergestreckt hätte. Der Spieß zersprang auf dem Boden in Stücke, und als die anderen Landreiter ihren Kameraden mißhandelt sahen, erhoben sie die Stimme und riefen nach Beistand für die Heilige Brüderschaft. Der Wirt, welcher auch zur Genossenschaft der Landreiter gehörte, lief eilig hinein nach seinem Amtsstab und seinem Schwert und stellte sich dann seinen Kameraden zur Seite. Die Diener des Don Luis umringten diesen, damit er ihnen in dem Getümmel nicht entkomme. Als der Barbier das ganze Haus in Aufruhr sah, griff er wieder nach seinem Sattel, und das nämliche tat Sancho. Don Quijote zog sein Schwert und griff die Landreiter an. Don Luis schrie seinen Dienern zu, sie sollten ihn lassen und Don Quijote zu Hilfe eilen, ebenso dem Cardenio und Don Fernando, die beide sich Don Quijotes annahmen. Der Pfarrer schrie laut auf; die Wirtin kreischte, ihre Tochter jammerte, Maritornes weinte; Dorotea stand in Bestürzung, Luscinda war erschrocken, Doña Clara ohnmächtig. Der Barbier prügelte Sancho, Sancho zerdrosch den Barbier; Don Luis, den einer seiner Diener am Arm zu fassen gewagt, damit er nicht entfliehe, gab ihm einen Faustschlag, daß ihm Mund und Zähne in Blut schwammen; der Oberrichter nahm sich des Jünglings an; Don Fernando hatte einen Landreiter unter sich gebracht und nahm ihm mit den Füßen das Maß seines ganzen Körpers nach Herzenslust; der Wirt schrie wiederum und mit stärkerer Stimme als zuvor: »Zu Hilfe der Heiligen Brüderschaft!« So war die ganze Schenke voll Klagen und Schreien und Kreischen, Wirrsal, Ängsten, Schrecken, Unheil, Schwerthieben, Maulschellen, Prügel, Fußtritten und Blutvergießen.

Und in diesem Chaos, in diesem ganzen Gewirre und Labyrinth der verschiedensten Dinge tauchte plötzlich in Don Quijotes Geiste die Vorstellung auf, er habe sich gewaltsam mitten in die Zwietracht von Agramants Lager eingedrängt, und so rief er mit einer Stimme, welche die ganze Schenke durchdröhnte: »Haltet alle ein, steckt alle die Schwerter ein, kommt alle zur Ruh, hört mich alle an, wenn ihr am Leben bleiben wollt!«

Beim Ton dieser mächtigen Stimme hielten alle inne, und er fuhr fort: »Habe ich euch nicht gesagt, ihr Herren, daß diese Burg verzaubert ist und daß eine Landsmannschaft von Teufeln in ihr hausen muß? Zu dessen Bewahrheitung sollt ihr nun mit euren eigenen Augen sehen, wie die Zwietracht in Agramants Lager jetzt hierher übergegangen und mitten unter uns hereingetragen ist. Schauet, wie dort gekämpft wird um das Schwert, hier um das Roß, an jener Stelle um den Adler, dort um den Helm, und wir alle kämpfen, wir alle verstehen uns nicht. So komme denn Euer Gnaden, Herr Oberrichter, und Euer Gnaden, Herr Pfarrer, und der eine trete auf als König Agramant, der andere als König Sobrino, und stiftet Frieden unter uns; denn bei dem allmächtigen Gott, es ist eine Schande, daß soviel hochgestellte Leute, wie wir hier sind, einander aus so leichtfertigen Ursachen totschlagen!«

Don Quijote

Die Landreiter, die Don Quijotes Redensarten nicht verstanden und sich von Don Fernando, Cardenio und deren Gefährten übel zugerichtet sahen, wollten sich nicht zur Ruhe fügen. Der Barbier dagegen wollte es gern, weil ihm bei dem Kampfe der Bart und der Sattel arg mitgenommen worden waren. Sancho gehorchte bei der leisesten Mahnung seines Herrn als ein pflichtgetreuer Diener; auch die vier Diener des Don Luis gaben sich zum Frieden, da sie sahen, wie wenig sie vom Gegenteil gehabt hätten. Nur der Wirt blieb hartnäckig dabei, man müsse die Unverschämtheiten dieses Narren züchtigen, der ihm bei jedem Anlaß die Schenke in Aufruhr bringe. Zuletzt wurde der Lärm, wenigstens für den Augenblick, gestillt, und in Don Quijotes Einbildung blieb der Eselssattel ein Pferdegeschirr bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, die Barbierschüssel ein Helm und die Schenke eine Burg.

Als nun auf Zureden des Oberrichters und des Pfarrers alle sich beruhigt und miteinander Frieden geschlossen hatten, drangen die Diener des Don Luis aufs neue in ihn, augenblicks mit ihnen heimzukehren; und während er sich mit ihnen auseinandersetzte, besprach sich der Oberrichter mit Don Fernando, Cardenio und dem Pfarrer, was er tun solle unter diesen Umständen, die er ihnen darlegte, und teilte ihnen auch alles mit, was Don Luis ihm gesagt hatte. Endlich kamen sie überein, Don Fernando solle den Dienern eröffnen, wer er sei und wie er den Wunsch hege, daß Don Luis ihn nach Andalusien begleite, wo er bei seinem Bruder, dem Marquis, eine ehrenvolle Aufnahme finden werde, wie sie seine Persönlichkeit verdiene; denn man kenne Don Luis‘ Vorsatz, auf solche Weise nicht zu seinem Vater für diesmal zurückzukehren, und wenn man ihn in Stücke risse. Als nun die vier den Stand Don Fernandos und den bestimmten Vorsatz ihres jungen Herrn erfuhren, faßten sie unter sich den Beschluß, drei von ihnen sollten heimkehren, um dessen Vater Bericht zu erstatten, der vierte aber sollte bei Don Luis zurückbleiben, um ihn zu bedienen, und nicht von ihm weichen, bis sie wiederkommen würden, ihn zu holen, oder bis er vernähme, was sein Vater ihnen befehle.

So wurde durch das hohe Ansehen Agramants und die Klugheit des Königs Sobrino diese ganze Maschinerie des Haders in den Stand der Ruhe gebracht.

Als aber der Feind der Eintracht und Widersacher des Friedens sich verhöhnt und seinen Zweck vereitelt sah und inneward, wie wenig Nutzen er daraus gezogen, daß er sie alle in einen solchen Irrgarten geführt hatte, da gedachte er, nochmals einen Versuch zu machen und neuen Streit und Unfrieden zu stiften.

Es war nämlich allerdings so, daß die Landreiter sich beruhigt hatten, weil sie etwas vom Stande der Herren erhorcht, mit denen sie im Kampf gewesen; sie hatten sich aus dem Streite zurückgezogen, weil es sie bedünkte, auf welche Weise auch die Sache ausginge, sie würden in diesem Kampfe jedenfalls den kürzeren ziehen. Allein, einer von ihnen, und zwar gerade der, welchen Don Fernando durchgewalkt und mit Fußtritten bearbeitet hatte, erinnerte sich jetzt, daß er unter verschiedenen Haftbefehlen gegen etliche Verbrecher auch einen gegen Don Quijote bei sich trug, den die Heilige Brüderschaft festzunehmen befohlen hatte, weil er die Galeerensklaven in Freiheit gesetzt, wie dies Sancho mit gutem Grund befürchtet hatte. Da ihm dieses gerade wieder einfiel, wollte er sich vergewissern, ob die Kennzeichen zuträfen, die man ihm von Don Quijote angegeben; er holte etliche Pergamente aus dem Busen und fand das gesuchte. Er begann nun langsam zu lesen, denn er war kein großer Leser, und bei jedem Worte heftete er die Augen auf Don Quijote, verglich die Kennzeichen im Haftbefehl mit den Gesichtszügen des Ritters und fand, daß ohne allen Zweifel er der Mann sei, auf den sich der Steckbrief beziehe. Und kaum hatte er sich dessen versichert, als er seine Pergamente wieder einsteckte, mit der Linken den Haftbefehl vorzeigte, mit der Rechten Don Quijote so fest am Hals packte, daß diesem der Atem ausging, und mächtig schrie: »Zu Hilfe der Heiligen Brüderschaft! Und damit alle ersehen, daß ich dies mit Recht verlange, so lese man diesen Befehl, wo es geschrieben steht, daß dieser Straßenräuber festzunehmen ist!«

Der Pfarrer nahm den Haftbefehl und sah, daß alles sich in Wahrheit so verhalte, wie der Landreiter gesagt, und daß die Kennzeichen stimmten. Bei Don Quijote aber stieg, als er sah, wie übel ihm von einem schurkischen Bauernlümmel mitgespielt wurde, die Wut auf den höchsten Gipfel. Es knirschten ihm die Knochen im Leibe, er packte mit aller Gewalt den Landreiter an der Kehle, und wären diesem nicht seine Kameraden zu Hilfe gekommen, so hätte er eher das Leben als Don Quijote seine Beute gelassen.

Der Wirt, der seinen Amtsgenossen zu Hilfe kommen mußte, eilte sogleich herzu, ihnen Beistand zu leisten. Die Wirtin, die ihren Mann aufs neue in Streit befangen sah, erhob aufs neue ihre Stimme, in deren Ton sogleich ihre Tochter und Maritornes zur Begleitung einfielen, indem sie den Himmel und alle Anwesenden um Beistand anriefen. Als Sancho aber die Vorgänge sah, sprach er: »So wahr Gott lebt, was mein Herr über die Verzauberungen in dieser Burg gesagt hat, ist alles wahr, denn in ihr kann man auch nicht eine Stunde ruhig leben.«

Don Fernando trennte den Landreiter und Don Quijote, und beide waren froh, als er ihnen die Hände auseinanderriß, mit denen sie sich fest gepackt hatten, der eine den andern am Rockkragen, der andere den einen an der Kehle. Aber die Landreiter ließen darum nicht ab, ihren Gefangenen zu fordern; sie verlangten, man solle ihnen beistehen und den Ritter gebunden ausliefern und ihn in ihre Gewalt geben, denn solches sei man dem Dienste des Königs und der Heiligen Brüderschaft schuldig, in deren Namen sie nochmals Hilfe und Beistand verlangten, um die Verhaftung dieses Räubers, dieses Strauchdiebs und Wegelagerers zustande zu bringen.

Don Quijote lachte laut auf, als er diese Äußerungen hörte, und sprach mit vollster Gelassenheit: »Kommt mal her, schmutziges, gemeines Volk; also den Gefesselten die Freiheit wiedergeben, die Gefangenen von den Banden lösen, den Bedrängten Beistand leisten, die Gefallenen aufrichten, die Hilfeflehenden aus der Not erretten, das heißt ihr Straßenraub? Ha, nichtswürdiges Gesindel! Um eures niedrigen, pöbelhaften Sinnes willen verdient ihr, daß der Himmel euch niemals offenbare, welch hohe Bedeutung die fahrende Ritterschaft in sich trägt, und euch niemals erkennen lasse, in welcher Sündhaftigkeit und Verstocktheit ihr wandelt, wenn ihr nicht den bloßen Schatten, geschweige denn die wirkliche Anwesenheit eines jeglichen fahrenden Ritters in hohen Ehren haltet. Kommt mal her, ihr Landräuber und nicht Landreiter, ihr Wegelagerer unter dem Freibrief der Heiligen Brüderschaft, sagt mir: Wer war der Verblendete, der einen Haftbefehl gegen einen Ritter wie mich unterzeichnet hat? Wer war’s, der nicht wußte, daß die fahrenden Ritter von aller gerichtlichen Obergewalt befreit und ausgenommen sind, daß ihr Schwert ihr Recht, ihr Mut ihre Regel, ihr Wille ihr Gesetz ist? Wer war der Tollhäusler, sag ich wieder und wieder, der nicht weiß, daß es keinen Adelsbrief mit soviel Vorrechten und soviel Ausnahmevergünstigungen gibt, als wie ihn ein fahrender Ritter an dem Tage erwirbt, wo er den Ritterschlag empfängt und sich dem harten Beruf des Rittertums hingibt? Welcher fahrende Ritter hat jemals Kopfsteuer bezahlt oder den Kauf- und Tauschpfennig, der Königin Nadelgeld, die siebenjährige Königssteuer, Wegezoll oder Fährgeld? Welcher Schneider bekam je von ihm Macherlohn für Kleider? Welcher Burgvogt nahm ihn in seine Burg auf, daß er ihm die Zeche abgefordert hätte? Welcher König zog ihn nicht an seine Tafel? Welches Fräulein neigte sich ihm nicht zu und ergab sich ihm nicht in Unterwürfigkeit nach all seinem Begehr und Belieben? Und endlich, welchen fahrenden Ritter auf Erden gibt es, hat es gegeben, wird es geben, der nicht Mut und Kraft besäße, um für sich ganz allein vierhundert Landreitern, die ihm vor die Augen treten, vierhundert Stockprügel aufzuzählen?«