Der Besuch der Höhle. – Hucks Entdeckung.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Das erste, was Tom am Freitag morgen hörte, war eine sehr angenehme Neuigkeit, – Becky Thatcher war mit den Ihren am Abend vorher zurückgekehrt. Vor diesem Ereignis mußte der Indianer-Joe zusamt seinem Schatze in den Hintergrund treten, und Becky, die einzige Becky, nahm das ganze Interesse des Knaben ein. Er sah sie wieder, und die beiden verbrachten einen köstlichen Tag in Gesellschaft der Schulkameraden bei »Blindekuh« und »Verstecken«. Um das Glück des Tages vollzumachen, hatte Becky von ihrer Mutter die Erlaubnis erwirkt, am folgenden Tag das längst geplante und immer wieder verschobene Picknick halten zu dürfen, was ungeheuren Enthusiasmus und Jubel erregte. Becky insbesondere war außer sich vor Entzücken, und Tom nicht minder. Vor Sonnenuntergang noch wurden die Einladungen herumgeschickt, und die sämtliche jugendliche Bevölkerung des Städtchens war in einem Fieber der Erwartung und der emsigen Vorbereitung. Toms Erregung hielt ihn bis zu später Stunde wach, wobei er immer auf Hucks Miausignal wartete. Wie herrlich wäre es gewesen, die Gesellschaft folgenden Tages mit dem aufgefundenen Schatze zu verblüffen! Diese Hoffnung aber trog, – kein Signal störte die Ruhe der Nacht.

Endlich tagte der Morgen, und um zehn oder elf Uhr sammelte sich eine lärmende, wonnetrunkene Gesellschaft vor dem Hause der Familie Thatcher. Alles war zum Aufbruch bereit. Ältere Leute pflegten Picknicks niemals durch ihre Gegenwart zu stören, die Kinder hielt man unter den Fittichen einiger junger Damen von achtzehn und einiger junger Herren von ungefähr vierundzwanzig Jahren für genügend beschützt. Man hatte für diese Gelegenheit die alte Dampffähre gemietet, und alsbald setzte sich die heitere, bunte Menge, beladen mit vielversprechenden Vorratskörben, die Hauptstraße hinunter in Bewegung, Sid war unwohl und mußte dem Vergnügen entsagen; Mary war ihm zum Trost und zur Gesellschaft zurückgeblieben. Das letzte, was Frau Thatcher zu Becky sagte, war:

»Ihr werdet wohl spät zurückkommen, Kind, am Ende tust du besser, für diese Nacht bei einer deiner Freundinnen zu bleiben, die nahe beim Landungsplatz der Fähre wohnen.«

»Dann bleib ich bei Suschen Harper, Mama.«

»Meinetwegen; und hörst du, daß du dich hübsch ordentlich beträgst und niemand zur Last fällst.«

Als sie dann zusammen die Straße hinuntertrabten, sagte Tom zu Becky:

»Du – paß mal auf, was wir tun wollen. Anstatt daß wir mit Joe Harper heimgehen, steigen wir den Berg hinauf und bleiben die Nacht bei der Witwe Douglas. Die hat gewiß Gefrorenes, – sie hat immer welches, ganze Haufen davon, und wird sich schrecklich freuen, wenn wir zu ihr kommen.«

»O, das wird aber köstlich!«

Danach überlegte sich’s Becky aber doch einen Moment und meinte:

»Was wird aber meine Mama dazu sagen?«

»Ei, wie soll denn die’s erfahren?«

Wieder sann Becky ein Weilchen nach und sagte dann zögernd:

»Recht ist’s ja nicht – aber –«

»Aber, – Unsinn! Deine Mutter erfährt’s nicht, und was ist denn weiter Schlimmes dabei! Alles, was sie will, ist, daß du für die Nacht gut aufgehoben bist, und ich wette, sie hätt‘ dich ebensogut dorthin geschickt, wenn sie nur daran gedacht hätte. Das weiß ich ganz gewiß! –«

Frau Douglas, die das größte und schönste Haus des Städtchens besaß und deren glänzende Gastfreundschaft die Wonne aller bildete, die sie je genießen durften, bewies sich als allzu verlockender Köder. Dieser und Toms Beredsamkeit trugen denn auch den Sieg davon und es wurde beschlossen, gegen niemanden etwas über das Programm für die Nacht verlauten zu lassen.

Auf einmal fiel es Tom ein, daß Huck am Ende gerade in derselben Nacht kommen könne, um ihm das verabredete Zeichen zu geben. Dieser Gedanke trübte seine freudigen Erwartungen um ein beträchtliches, aber er konnte sich doch nicht entschließen, den Plan mit Frau Douglas aufzugeben. Warum sollte er auch? Er dachte bei sich, in der Nacht zuvor sei ja auch alles ruhig geblieben, warum sollte das Signal gerade diese Nacht ertönen? Das sichere Vergnügen, das er sich vom Abend versprach, überwog bei weitem die unsichere Aussicht auf den Schatz, und recht, wie ein Junge, beschloß er, der stärkeren Neigung nachzugeben und sich für den Rest des Tages jeden Gedanken an die Geldkiste aus dem Kopf zu schlagen.

Drei Meilen unterhalb der Stadt landete die Fähre in einer rings mit Wald umstandenen Bucht. Die fröhliche Gesellschaft schwärmte aus dem Boote, und bald tönten die Wälder und felsigen Höhen von Geschrei und Gelächter wieder. Alle die verschiedenen Methoden, sich heiß und müde zu machen, wurden der Reihe nach durchgegangen, bis allmählich einer nach dem anderen von den Herumschwärmenden sich im Lager einstellte, ausgerüstet mit dem nötigen Appetit, und nun die Vertilgung der mitgebrachten leckeren Sachen beginnen konnte. Nach der Mahlzeit folgte ein erquickendes Ruhe- und Plauderstündchen im Schatten der breitästigen Eichen, bis dann jemand rief:

»Wer kommt mit zur Höhle?«

Alle waren sofort bereit, ganze Bündel von Kerzen wurden ausgekramt und es folgte ein allgemeines Erklettern des Hügels. Hoch oben lag die Mündung der Höhle, eine schwarze, gähnende Öffnung, geformt wie der lateinische Buchstabe A. Die massive, eichene Tür stand weit offen. Im Innern sah man zunächst eine schmale, kleine Kammer, kalt wie ein Eiskeller, von der Natur mit festen Kalkmauern umgeben, die viel Feuchtigkeit ausschwitzten. Etwas romantisch Geheimnisvolles lag darin, von diesem finsteren kalten Orte aus hineinzuschauen in das sonnbeglänzte grüne Land. Der Zauber aber, der die Geister zuerst gefangenhielt, verlor bald seinen Reiz und das Herumtollen begann von neuem. Sobald irgend jemand versuchte, eine Kerze anzuzünden, stürzte sich alles darauflos und es entspann sich ein Kampf gegen den tapferen Verteidiger. Das Licht wurde ihm schließlich entrissen, zu Boden geworfen und ausgelöscht, worauf eine neue Hetzjagd mit demselben Ausgang folgte, Na aber jedes Ding sein Ende hat, so ordnete sich allmählich der Zug und bewegte sich vorsichtig den steilen Abstieg des Hauptganges der Höhle hinunter. Mit düsterem, unruhigem Schein bestrahlte die flackernde Reihe der Lichter die mächtigen Felswände zu beiden Seiten, fast bis hinauf zu dem Punkt, wo sie in einer Höhe von etwa sechzig Fuß zusammenstießen. Dieser Hauptgang war nicht mehr als acht oder zehn Fuß breit. Alle paar Schritte zweigten andere hochgewölbte und noch engere Felsspalten nach beiden Seiten ab, denn die Mc. Douglashöhle war eigentlich nur ein ungeheures Labyrinth gewundener Gänge, die ineinander- und wieder auseinanderliefen und nirgends ein Ziel oder Ende hatten. Es hieß, daß man tage- und nächtelang durch dies krause, verschlungene Gewirr von Spalten und Klüften wandern könne, ohne jemals ein Ende der Höhle zu finden; daß man hinunter und hinunter, tiefer und immer tiefer bis ins Innerste der Erde steigen könne und doch immer dasselbe finden würde – Labyrinth unter Labyrinth in endloser Folge. Keiner kannte die Höhle ganz, das war ein Ding der Unmöglichkeit. Die meisten der jungen Leute kannten einen Teil derselben, und für gewöhnlich wagte sich niemand über diesen allgemein begangenen Teil hinaus. Tom Sawyer kannte von der Höhle nicht mehr als die anderen.

Der ganze Zug bewegte sich noch immer geschlossen den Haupteingang entlang, allmählich aber begannen sich Gruppen und Paare zu lösen und in den Seitengängen zu verschwinden. Hier flogen sie lautlos dahin durch die unheimlichen Gänge, uneingestandenen Grausens voll, und überraschten und erschreckten andere an Punkten, wo die einzelnen Gänge sich kreuzten oder auch zusammenliefen. Halbe Stunden lang konnte man sich so meiden oder finden, ohne sich jemals aus dem bekannten Teil der Höhle zu entfernen.

Allmählich fand sich ein Teil der Gesellschaft nach dem anderen wieder an der Mündung der Höhle ein, atemlos, fröhlich, glückselig, vom Kopf bis zu den Füßen mit Talg betröpfelt, mit Lehm beschmiert, aber entzückt, berauscht von dem genossenen Vergnügen des Tages. Man war erstaunt, daß es da draußen mittlerweile schon beinahe Nacht geworden war. Die Glocke der Fähre mahnte seit beinahe einer halben Stunde schrill zur Heimkehr. Dieser Schluß der Abenteuer des Tages aber war ganz nach dem Sinn der jugendlichen Gesellschaft, die gewohnt war, jeden Freudenkelch bis zur Neige zu schlürfen. Als die Fähre mit ihrer tollen Fracht in den Strom hinausstieß, bedauerte nur einer an Bord die verschwendete Zeit der letzten Stunde, und das war der Kapitän.

Huck war bereits auf seinem allnächtlichen Lauscherposten, als die Lichter der Fähre am Ufer vorüberglitten. Er hörte kein Geräusch an Bord, denn die jungen Leute waren zahm und still geworden, so zahm und still, wie man zu werden pflegt, wenn man sich in Lust und Übermut todmüde getobt hat. Huck sann nach, was für ein Boot dies sein könne, und warum es nicht am gewöhnlichen Halteplatz anlege; dann wanderten seine Gedanken weiter, um sich voll und ganz auf sein Vorhaben zu richten. Die Nacht war wolkig und dunkel. Zehn Uhr kam, das Geräusch der Wagen erstarb, einzelne Lichter begannen zu erlöschen, der Fußgänger wurden weniger und weniger, das Städtchen bereitete sich zum nächtlichen Schlummer vor und überließ den kleinen Lauscher sich selber, dem rings herrschenden Schweigen und den Geistern der Finsternis. Elf Uhr nahte, auch die Lichter der Herberge erloschen, Dunkel überall. Huck harrte und lauschte, eine lange, bange Zeit, wie ihm schien. Nichts erfolgte. Sein Vertrauen begann zu wanken. Hatte dies geduldige Ausharren wohl irgendeinen Wert? Würde es irgendeinen Nutzen haben? Ob er’s nicht viel besser ganz sein ließe und sich gar nicht weiter um die Sache kümmerte?

Da schlug ein Geräusch an sein Ohr. Im Moment war er ganz atemlose Aufmerksamkeit. Eine Türe schloß sich leise und sacht. Er sprang an die Ecke der kleinen Gasse, und fast gleichzeitig huschten zwei dunkle Gestalten an ihm vorüber, deren eine irgend etwas Gewichtiges unter dem Arme zu tragen schien. Das mußte die Geldkiste sein! Der Schatz wurde also fortgeschleppt! Sollte er nach Tom rufen? Das wäre hirnverbrannt gewesen, denn einstweilen konnten die Kerle mit der Beute Gott weiß wohin verschwinden – auf Nimmerwiedersehen. Behüte, er wollte sich an ihre Sohlen heften und im sicheren Schutz der Dunkelheit ihrer Spur folgen. Während er so mit sich selber ins reine kam, war er behende hinter den Männern hergeglitten, tatzenartig, barfuß, denselben gerade genügend Vorsprung lassend, um sie noch im Auge behalten zu können.

Eine Strecke weit gingen sie der Flußstraße entlang und bogen dann zur Linken in ein Seitengäßchen ein. Diese verfolgten sie bis dahin, wo ein Fußpfad nach dem Cardiffberge abzweigte, welchen sie nun einschlugen, dann ging’s an des Wallisers Haus vorbei, höher und immer höher den Berg hinan. Schön, dachte Huck, die gehen zum Steinbruch und verscharren dort ihren Schatz. Nein, weiter, immer weiter ging’s, vorbei am Steinbruch, ohne Aufenthalt. Nun war die Höhe des Berges erreicht. Jetzt drangen sie auf schmalem Pfad in das dichte Sumachgehölz ein und waren auf einmal in der Dunkelheit verschwunden. Huck folgte rasch nach und verkürzte seinen Abstand, denn hier war eine Entdeckung ganz unmöglich. So trabte er eine Weile dahin, um dann doch wieder langsamere Schritte zu machen, aus Furcht, zu rasch vorwärts zu kommen. Noch ein paar Schritte, dann hielt er an, lauschte, – kein Ton, keiner, außer dem Klopfen seines eigenen Herzens! Der Schrei einer Eule klang aus dem Tal empor, – unheilvoller Laut! Aber kein Fußtritt, kein noch so leises Knistern der Zweige! Großer Gott, war denn alles verloren? Eben wollte er sich in beschleunigtem Tempo vorwärtsstürzen, als sich jemand, keine vier Fuß von ihm entfernt, räusperte. Sein Herz schien ihm in die Kehle zu fahren, doch entschlossen schluckte er’s wieder hinab. Da stand er, zitternd wie Espenlaub, als ob ihn ein Dutzend kalter Fieber auf einmal gepackt hätte und schüttelte, bis ihm Hören und Sehen verging, und er dachte zu Boden sinken zu müssen vor Angst und Schwäche. Er wußte nun, wo er war. In der Entfernung von wenigen Schritten mußte sich der Zaun befinden, der das Eigentum der Witwe Douglas umzog. »Um so besser,« überlegte er, »wenn sie’s hier verscharren, wird’s ’ne kleine Mühe sein, es wieder aufzufinden.«

Jetzt hörte er eine leise Stimme, eine sehr leise Stimme, die er trotzdem erkannte, es war die des Indianer-Joe.

»Hol sie der Henker, hat sicher wieder Leute bei sich – seh noch Lichter, so spät’s auch ist!«

»Ich seh gar nichts.«

Es war jenes Fremden Stimme, – des Fremden aus dem Geisterhause. Eiseskälte durchzuckte Hucks Herz. Das also war jener geplante »Racheakt«. Sein erster Gedanke war Flucht. Dann dachte er daran, wie gütig die Witwe Douglas, die freundliche schöne Dame, mehr als einmal gegen ihn, den armen Strolch, gewesen und daß diese Schurken vielleicht im Sinn hätten, sie zu morden. Ach, wenn er nur den Mut hätte, sie zu warnen; aber das getraute er sich doch nicht, – konnten die Kerle doch kommen und ihn abfangen. All dies und mehr noch schoß ihm durchs Hirn in dem einen Moment, welcher zwischen der Bemerkung des Fremden und der darauffolgenden Antwort des Indianer-Joe verfloß:

»Na, der Busch steht dir im Weg, da schau mal hier hinaus, – so – gelt, jetzt siehst du’s?«

»Jawohl, werden wohl Leute dort sein – geben’s besser auf, denk ich.«

»Aufgeben, eben wo ich dem verdammten Land für immer den Rücken kehren will, aufgeben, um vielleicht nie wieder Gelegenheit zur Rache zu haben? Ich sag dir’s noch mal, wie ich’s schon gesagt hab, keinen Pfifferling frag ich nach ihrem Geld – das kannst du haben. Aber ihr Mann war hart gegen mich, nicht einmal, nein, oft und oft, und vor allem war er der Hund von einem Richter, der mich wegen Landstreichern immer wieder ins Loch steckte. Und das ist noch lang nicht alles! Millionenmal nicht alles! Durchpeitschen hat er mich lassen, durchpeitschen vor dem Gefängnis, wie einen Hund oder einen Nigger! Die ganze Stadt konnt’s sehen! Durchpeitschen – begreifst du das! Er kam meiner Rache zuvor und starb, – sie aber soll’s büßen!«

»Du wirst sie doch nicht umbringen wollen? Das wirst du doch nicht tun, so’n hübsches, stattliches Frauenzimmer, und ’n gutes Herz hat sie auch für die Armen!«

»Umbringen? Wer denkt daran? Ihn würd ich abschlachten, wenn er da wär – sie nicht! Ein Frauenzimmer bringt man nicht um, wenn man sich rächen will, Unsinn! Der geht’s an die geliebte Fratze, man schlitzt ihr die Nasenflügel und stutzt ihr die Ohren, wie ’nem Schwein!«

»Herr Gott, das ist –«

»Behalt deine Meinung für dich, bis du gefragt wirst, rat dir’s im Guten, ’s wird wohl das beste für dich sein. Ich bind sie auf ihr Bett fest; wenn sie sich hinterher verblutet, ist’s meine Schuld nicht. Ich wein ihr nicht nach! Du, Kamerad, wirst mir dabei helfen – mir zulieb – deshalb hab ich dich mitgenommen, denn allein brächt ich’s am Ende nicht fertig. Probierst du auszukneifen, so hau ich dich nieder, das merk dir! Und wenn ich dir den Rest geben muß, so kriegt sie auch eins, daß sie das Aufstehen vergißt, und dann soll mir einer dahinter kommen, wer das Geschäft besorgt hat.«

»Na, wenn’s denn sein muß, so muß es eben sein, dann los und dran! Je schneller, desto besser – mir läuft’s jetzt schon kalt über den Leib!«

»Jetzt dran? – wo die Leute auf sind? Du, paß mal auf, sonst trau ich dir nicht mehr. Nichts da! – gewartet wird, bis die Lichter aus sind, ’s hat ohnehin keine Eile!«

Huck wußte, daß nun ein Schweigen folgen müsse, – ein Schweigen, schauerlicher und gefährlicher als die mörderischsten Reden. So hielt er denn seinen Atem an und trat behutsam und verstohlen einen Schritt zurück, den Fuß vorsichtig und fest niedersetzend, nachdem er zuvor auf einem Bein balancierte, so daß er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Noch einen Schritt rückwärts mit derselben Umständlichkeit, denselben Gefahren, einen und noch einen! Jetzt krachte ein Ästchen unter seinem Fuße, Der Atem blieb ihm beinahe aus, er lauschte. Kein Laut – tiefstes Schweigen! Grenzenlos war seine Dankbarkeit. Jetzt drehte er sich lautlos und mit der äußersten Vorsicht um und verfolgte seinen früheren Pfad zwischen den hohen Sumachbüschen zurück. Schnell und behutsam glitt er dahin. Als er dann am Steinbruch aus dem Gehölz hervortrat, fühlte er sich geborgen. Nun lieh er seinen Sohlen Schwingen und flog den Berg hinunter, weiter, immer weiter bergab, bis er das Haus des alten Wallisers erreichte. Er trommelte an die Türe und alsbald erschienen der Alte und seine beiden handfesten Söhne am Fenster.

»Was zum Teufel ist denn los? Wer drischt dort an der Türe? He, was wollt ihr?«

»Schnell, macht auf – ich sag euch dann ja alles!«

»Wer ist der Ich?«

»Ei, ich, der Huckleberry Finn. Schnell – um Gotteswillen macht auf!«

»Sieh mal einer, der Huckleberry Finn! Ist ’n Name, dem sich eigentlich nicht viele Türen öffnen. Laßt ihn aber nur immer ‚rein, Jungens, wollen mal hören, was er zu sagen hat.«

»Sagt’s um Gotteswillen keinem Menschen, daß ich’s euch gesagt hab,« waren Hucks erste Worte, als er ins Haus trat, »bitte, bitte, verratet mich nicht, sie würden mich ja umbringen, so gewiß ich hier steh, – aber die Witwe da oben ist schon oft und oft gut gegen mich gewesen, und ich will’s sagen, wenn ihr versprecht, nicht zu verraten, daß ich’s gewesen bin!«

»Bei Gott, da muß was passiert sein, oder der Junge stellte sich nicht so an,« rief der alte Mann, »heraus damit, mein Sohn, und niemand soll je ein Sterbenswörtchen davon zu hören kriegen.«

Drei Minuten später stiegen der Alte und seine Söhne wohlbewaffnet den Berg hinan und drangen auf den Zehenspitzen vorsichtig in das Gehölz ein, die Flinten in der Hand. Huck begleitete sie nicht weiter. Er barg sich hinter einem großen Felsblock und lauschte. Zuerst ein drückendes, angstvolles Schweigen, das dann urplötzlich durch mehrere Schüsse und einen gellenden Aufschrei unterbrochen wurde. Näheres zu erfahren drängte es Huck nicht. Auf sprang er und fort und flog den Berg hinunter, so schnell ihn seine Füße zu tragen vermochten.