Am folgenden Tage brach Zbyszko auf, um wieder in die Ferne zu ziehen. Als er sein hohes Streitroß bestieg, scharten sich die Zurückbleibenden dicht um ihn. Jagienka, welche am Steigbügel stand, richtete schweigend ihre traurigen, blauen Augen zu dem jungen Kämpen empor, wie wenn sie sich vor der Trennung sein Bild noch recht tief einprägen wolle. Auf der andern Seite standen Macko und Pater Kaleb, dicht daneben der Knappe sowie Anielka. Zbyszko wendete das Haupt bald hierin bald dorthin, die kurzen Redensarten mit den Zurückbleibenden austauschend, die man gewöhnlich vor einer langen Fahrt äußert. »Bleibt gesund.« – »Möge Gott Dich geleiten!« – »Nun ist es Zeit!« – »Hei! Es ist Zeit! Es ist Zeit!« Zuvor schon hatte er Abschied von allen genommen, auch von Jagienka, zu deren Füßen er niedergefallen war, um ihr für ihre Güte zu danken. Und jetzt, während er von seinem hohen Sattel auf sie niederschaute, sehnte er sich darnach, ihr noch einige herzliche Worte zu sagen, da in ihren Augen, in ihrem emporgerichteten Antlitz so deutlich zu lesen war: »Kehre zurück!« daß sein Herz vor Dankbarkeit schwoll. Und wie wenn ihre stumme Beredsamkeit einen Widerhall in ihm fände, sprach er: »Jagus, zu Dir rede ich, wie zu meiner leiblichen Schwester … Du weißt! … Mehr will ich nicht sagen!«

»Ich weiß! … Gott lohne Dir!«

»Und vergiß des Oheims nicht.«

»Und vergiß Du nicht, daß –«

»Ich kehre zurück, sei dessen gewiß, wenn ich nicht dem Tode zur Beute falle.«

»Gehe nicht in den Tod!«

Schon einmal, in Plock, als er ihr gegenüber erwähnte, daß er wieder gegen den Feind ziehen werde, hatte sie ihm gesagt: »Gehe nicht in den Tod!« aber jetzt kamen diese Worte aus tiefstem Herzen, und vielleicht um ihre Thränen zu verbergen, neigte sie sich so tief herab, daß ihre Stirne für einen Augenblick Zbyszkos Knie berührte.

Da begannen am Thore die berittenen Mannen, welche die schon beladenen Saumrosse hielten, zu singen:

»Nicht dahin ist der Reif, der güldene Reif
Nicht verloren.
Ein Rabe bringt ihn wieder, vom Felde wieder
Dem Mägdlein« –

»Auf denn!« rief Zbyszko.

»Auf denn!«

»Gott geleite Dich! Und die heilige Jungfrau!«

Die hölzerne Zugbrücke erdröhnte von dem Hufschlag der Pferde, eines derselben wieherte unausgesetzt, die andern begannen laut zu schnauben, und der kleine Zug setzte sich in Bewegung.

Jagienka, Macko und Pater Kaleb, Tolima, sowie der Böhme mit seinem Weibe und die Diener, welche in Spychow zurückblicken, traten auf die Brücke hinaus und blickten den Reitern nach. Pater Kaleb hörte nicht auf, sie mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes zu segnen, bis sie hinter einem hohen Erlengebüsch verschwunden waren, dann sagte er: »Unter diesem Zeichen wird sie kein Unheil treffen.«

Und Macko fügte hinzu: »Gewiß, aber es war auch eine gute Vorbedeutung, daß die Pferde ein so furchtbares Schnauben hören ließen.«

Auch Macko blieb nicht mehr lauge in Spychow. Nach vierzehn Tagen brachte er die Sache mit dem Böhmen zu Ende, indem er ihm das Gut in Pacht gab, er selbst aber machte sich an der Spitze einer langen Reihe von Wagen, umgeben von seinen bewaffneten Mannen, mit Jagienka auf den Weg nach Bogdaniec.

Es waren keine frohen Blicke, mit denen Pater Kaleb und der alte Tolima jene Wagen verfolgten, denn die Wahrheit zu sagen, hatte Macko die Burg ein wenig ausgeplündert; weil indessen Zbyszko ihm die Oberleitung über alles gegeben hatte, wagte niemand, Einspruch zu erheben. Er hätte noch mehr mitgenommen, wäre er nicht durch Jagienka daran verhindert worden, mit der er zwar in Streit geriet, wobei er sein Erstaunen über ihren »Altweiberverstand« ausdrückte, der er aber schließlich wie fast in allem nachgab.

Danusias sterbliche Hülle führten sie jedoch nicht mit sich fort, denn da Spychow nicht verkauft worden war, wünschte Zbyszko, daß sie in der Gruft bei ihren Vätern bleibe. Sie nahmen beträchtliche Geldsummen mit und Schätze allerlei Art, die zum größten Teil durch Jurand in seinen Kämpfen mit den Deutschen erbeutet worden waren. Während jetzt Macko auf die schwer beladenen, mit Binsenmatten bedeckten Wagen blickte, freute er sich in der Seele bei dem Gedanken, welche Verbesserungen und neue Einrichtungen er nun in Bogdaniec zu treffen vermöge. Diese Freude ward ihm zwar durch die Angst vergiftet, Zbyszko könne in einem Kampfe erliegen, allein da er wußte, wie gewandt sein Bruderssohn in ritterlichen Künsten war, verlor er nicht die Hoffnung, daß er glücklich zurückkehren werde, und voll Entzücken vergegenwärtigte er sich diesen Augenblick.

»Vielleicht war es Gottes Wille,« sagte er sich, »daß Zbyszko zuerst Spychow erhalten sollte, und daß ihm später Moczydoly, sowie alles, was der Abt hinterließ, zu teil werde. Wenn er nur glücklich zurückkehrt, so will ich ihm ein Schloß in Bogdaniec bauen, das seiner würdig ist, und dann werden wir sehen …«

Hier kam ihm in den Sinn, daß Cztan aus Rogow und Wilk aus Brzozowa ihn sicherlich nicht allzu freundlich empfangen würden, und daß er vielleicht Kämpfe mit ihnen zu bestehen habe, doch hegte er deshalb keine Furcht.

Indessen beunruhigte ihn etwas anderes: »Wann Zbyszko zurückkehrt, weiß Gott allein, und zudem betrachtet er Jagienka nur wie eine Schwester,« sagte er sich. »Wenn aber die Maid nun auch einen Bruder in ihm sieht und nicht auf seine ungewisse Rückkehr warten will?«

So wendete er sich denn zu ihr und sprach: »Höre mich an, Jagna! Von Cztan und Wilk will ich gar nicht reden, denn das sind ungeschlachte Bauern und passen nicht zu Dir. Du bist ja jetzt ein Hoffräulein! … Aber da Du nun alt genug bist, kann ich mit Dir darüber reden … der verstorbene Zych sagte mir schon, daß Du Dir wohl bewußt wärst, was Gottes Wille ist, und dies war vor einigen Jahren … Und ich weiß wohl, daß weder Cztan noch Wilk in Betracht kommen … Aber wie denkst Du denn darüber?«

»Was wollt Ihr denn wissen?« fragte Jagienka.

»Willst Du Dich nicht vermählen?«

»Ich? … Ich gehe in ein Kloster!«

»Was sprichst Du da! Und wenn Zbyszko zurückkehrt?«

Sie schüttelte das Haupt.

»Ich gehe ins Kloster!«

»Und wenn er Dich liebte? Wenn er Dich recht inständig bäte, es nicht zu thun?«

Da wandte die Maid ihr glühendes Antlitz von ihm ab und dem Gefilde zu, aber ein Windhauch, der aus jener Richtung kam, brachte Macko die Antwort: »Dann gehe ich nicht ins Kloster!«

– – – – – –