Trotzdem Macko und Zbyszko mit einander übereingekommen waren, Marienburg so rasch wie möglich zu verlassen, brachen sie doch nicht an dem Tage auf, an dem ihnen durch die Darlegungen Zindrams aus Maszkowice frischer Mut eingeflößt worden war, denn an diesem Tage fanden sowohl des Mittags wie des Abends in dem Hochschlosse zu Ehren der Gäste und der Gesandten Festmahle statt, zu denen Zbyszko als Ritter in dem Gefolge des Königs, und Macko aus Rücksicht für seinen Bruderssohn geladen worden war. Zu dem Mittagsmahle, erschien eine auserlesene Gesellschaft in dem Haupt-Refektorium, das durch zehn Fenster Licht erhielt und dessen in Spitzbogen ausgeführte Decke durch eine nur selten angewandte, kunstvolle Bauart auf einer Säule ruhte. Von Fremden saßen außer den Rittern aus dem Gefolge Jagiellos nur ein schwäbischer Graf und ein Graf aus Burgund an der Tafel, welch letzterer trotz des großen Reichtums seiner Gebieter auf deren Befehl von dem Orden Geld entleihen sollte. Von den in Marienburg weilenden Kreuzrittern waren, abgesehen von dem Großmeister, noch vier Würdenträger, die sogenannten Pfeiler des Ordens anwesend, nämlich der Groß-Komtur, der Almosengeber, der Kämmerer und der Schatzmeister. Nur der Marschall befand sich gerade auf einem Zuge gegen Witold.

Obschon der Orden das Gelübde der Armut abgelegt hatte, wurde doch auf Gold und Silber gespeist, wurde doch Malvasier getrunken, weil der Meister die Gesandten aus Polen in Staunen setzen wollte. Allein trotz der köstlichsten Gerichte, trotz der aufmerksamsten Bewirtung, kam bei diesem Mahle keine Behaglichkeit aus, da die Festteilnehmer sich nur schwer untereinander verständigen konnten, da sie nach allen Seiten hin Rücksichten zu nehmen hatten. Das abendliche Festmahl in dem ungeheuern Refektorium des Ordens (Konvents-Remter) dagegen verlief weit fröhlicher, versammelten sich doch bei demselben alle Ordensglieder, sowie alle jene Gäste, welche nicht mit unter dem Kriegsvolke des Marschalls gegen Witold gezogen waren. Weder Zank noch Streit störte die Lustbarkeit. Freilich warfen die fremdländischen Ritter, in der Voraussicht, daß sie über kurz oder lang mit den Polen zusammenstoßen würden, diesen mehr oder minder unfreundliche Blicke zu, allein sie befolgten doch die zuvor von den Kreuzrittern an sie gerichtete Bitte, ein verbindliches Benehmen an den Tag zu legen, damit nicht in der Person eines Gesandten der König und mit ihm das ganze Königreich, beleidigt werde. Aber selbst in dieser Aufforderung kennzeichnete sich die Böswilligkeit des Ordens, warnten doch die Kreuzritter ihre Gäste gleichzeitig vor dem Jähzorn der

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Statt jeder Antwort rollte Powala ein Messer, das eine Elle lang und mehr denn eine halbe Spanne breit war, gleich einer Pergamentrolle zusammen und hielt es hoch empor.

Polen, indem sie behaupteten: »Bei jedem harten Worte, das aus Euerem Munde geht, werden die Polen einem der Eurigen den Bart ausreißen, oder ihm ein Messer in den Leib stoßen.« Wie erstaunt waren daher die Gäste über das höfliche Wesen von Powala aus Taczew und von Zindram aus Maszkowice, und die Scharfsinnigen unter ihnen begriffen sofort, wie verleumderisch, wie hinterlistig die Aussage der Kreuzritter gewesen war, als diese von den rohen Sitten der Polen gesprochen hatten.

Gar mancher der Gäste hatte schon allerlei Lustbarkeiten an den verfeinerten Höfen des Westens angewohnt und bekam daher keine allzugünstige Meinung von den bei den Kreuzrittern herrschenden Sitten, denn während des Festmahles brachte eine Musikkapelle einen ohrenzerreißenden Lärm hervor, Spielleute sangen rohe Lieder, Spaßmacher ergingen sich in derben Scherzen, Bären tanzten und barfüßige Mägdlein führten ihre Tänze aus. Und als die Gäste ihr Staunen über die Anwesenheit von Frauen in dem Hochschlosse ausdrückten, hörten sie, daß das Verbot gegen die Anwesenheit von Frauen längst nicht mehr bestehe, und daß sogar der weithin bekannte Winrych Kniprode seiner Zeit mit der schönen Marya von Alfleben getanzt habe. Wie die Brüder erzählten, durften nicht nur Frauen in der Burg wohnen, sondern auch bei Festen in dem Refektorium erscheinen, ein Zugeständnis, demzufolge sich auch die Ehegemahlin des Fürsten Witold, welche im vergangenen Jahre zu Gast bei dem Orden gewesen war und ihre Wohnräume in der Prächtig hergerichteten alten Gießerei in der Vorburg angewiesen bekommen hatte, tagtäglich in dem Refektorium einstellte, um Brettspiel mit goldenen Steinen zu spielen, welche ihr die Kreuzritter jeden Abend schenkten.

Besonders aber an diesem Abend ergötzte man sich an Brettspiel und Schachspiel, ja, man griff sogar zu den Würfeln, da jedes Gespräch durch die Gesänge und durch die lärmende Musik beeinträchtigt ward. Gleichwohl trat aber doch dann und wann eine längere Ruhepause ein, und eine solche benutzend, wandte sich Zindram aus Maszkowice, indem er sich ganz unwissend stellte, mit der Frage an den Großmeister, ob sich der Orden in den ihm unterstehenden Gebieten großer Beliebtheit erfreue.

Darauf entgegnete Kuno von Jungingen:

»Wer dem Kreuze anhängt, der wird auch dem Orden ergeben sein.«

Da diese Antwort sowohl bei den Kreuzrittern wie bei den Gästen großen Anklang fand, da alle den Großmeister darob laut priesen, hub dieser von neuem an: »Wer unser Freund ist, der wird sich glücklich unter unserer Herrschaft fühlen, gegen unsere Feinde indessen haben wir zwei treffliche Mittel.«

»Wollt Ihr mir diese Mittel nennen?« fragte der Ritter aus Polen.

»Vielleicht ist es Euch, edler Herr, unbekannt, daß ich aus meiner Kemenate über eine kleine Treppe in dieses Refektorium gelange, und daß sich neben dieser Treppe ein gewölbtes Gelaß befindet. Könnte ich Euch dahin geleiten, würdet Ihr sofort erkennen, welcher Art dies mein Mittel ist.«

»Bei unserm Leben, so ist es!« riefen die Brüder.

Der Herr aus Maszkowice erriet sofort, daß der Meister auf jenen mit Geld gefüllten Turm anspielte, von dem die Kreuzritter häufig prahlend zu sprechen liebten, und so begann er nach kurzem Ueberlegen: »Einstens, traun, vor langer, langer Zeit, zeigte irgend ein deutscher Kaiser einem unserer Gesandten mit Namen Skarbek solch ein Gelaß und meinte: ›Hier liegt ein Schatz, kraft dessen ich Deinen Herrn besiegen werde.‹ Doch Skarbek warf unverweilt einen kostbaren Ring in das Gelaß mit den Worten: ›Gold gehört zu Gold; wir Polen aber ziehen das Eisen vor.‹ Und wißt Ihr, was sich bald darauf ereignete, wohledler Herr? Bei Hundsfeld kam es zum Gefechte.«

»Was ist’s mit Hundsfeld?« fragten gleichzeitig einige Ritter.

»Das Gefilde dort,« entgegnete Zindram ruhig, »war nicht groß genug, um die Bestattung all der erschlagenen Deutschen zu ermöglichen, und so mußten Hunde die übrige Arbeit verrichten.«

Bestürzt und verwirrt über diese Antwort, wußten weder die Ritter noch die Ordensbrüder, was sie sagen sollten, während Zindram aus Maszkowice zum Schlüsse hinzufügte: »Mit Gold könnt Ihr gegen Eisen nichts ausrichten.«

»Hei, als zweites Mittel greifen wir stets zu dem Eisen,« nahm jetzt der Großmeister das Wort. »Ihr, wohledler Herr, habt ja in der Vorburg die Waffenschmiede gesehen. Tag und Nacht dröhnen die Hämmer, und Schwerter und Rüstungen werden geschmiedet, wie man sie in der ganzen Welt nicht wieder findet.«

Statt jeder Antwort streckte Powala die Hand bis zur Mitte der Tafel aus, erfaßte ein zum Zerteilen des Fleisches bestimmtes Messer, das eine Elle lang und mehr denn eine halbe Spanne breit war, rollte es mit der größten Leichtigkeit gleich einer Pergamentrolle zusammen, hielt es dann hoch empor, damit alle es sehen konnten, und überreichte es hierauf dem Großmeister, indem er sagte: »Wenn Euere Schwerter von gleicher Art sind, werdet Ihr nicht allzuviel damit ausrichten.«

Ein Lächeln der Befriedigung aber überzog sein Antlitz, als er sah, wie die Ritter und die Ordensbrüder von ihren Sitzen aufsprangen und, sich um den Meister scharend, die eiserne Rolle von Hand zu Hand gehen ließen, während eine tiefe Stille herrschte, weil angesichts einer solchen Kraftprobe bange Furcht aller Herzen beschlich.

»Beim Haupte des heiligen Liborius!« rief schließlich der Großmeister aus, »Ihr habt Hände von Eisen, o Herr!«

»Und von stärkerem Eisen als dieses hier,« fügte der Graf aus Burgund hinzu, »denn er rollte das Messer so leicht zusammen, wie wenn es aus Wachs wäre.«

»Und sein Antlitz rötete sich nicht einmal dabei, seine Adern schwollen nicht einmal an!« bemerkte einer der Ordensbrüder.

»Traun,« ließ sich jetzt Powala hören, »ein einfacher Sinn herrscht unter uns, wir kennen diesen Reichtum, diese Pracht nicht, die sich bei Euch unsern Augen zeigt, allein wir sind stark, wir sind gesund.«

Nun traten etliche italienische und französische Ritter auf ihn zu und redeten mit ihm in ihren wohlklingenden Sprachen, von denen freilich Macko zu behaupten Pflegte, sie lauteten, wie wenn man zinnerne Schüsseln aneinander schlüge. Laut priesen sie die Kraft Powalas, der sie ausforderte, die Becher aneinander klingen zu lassen, indem er erklärte: »Bei unsern Festmahlen könnt Ihr häufig Aehnliches sehen, ja, es geschah schon, daß ein Mägdlein ein kleineres Messer ohne Anstrengung zusammenrollte.«

Durch das Geschehene, vollends aber durch diese Worte gerieten die Deutschen, die sich vor fremden Rittern gern ihres hohen Wuchses, ihrer Kraft rühmten, in solch große Aufregung, ja, in solche Wut, daß schließlich der alte Helfenstein über die ganze Tafel rief: »Dies ist eine Schmach für uns! Bruder Arnold von Baden, liefere Du den Beweis, daß auch unsere Knochen nicht aus Wachs gemacht sind. Reicht ihm ein Messer!«

Einer der Bediensteten ergriff sofort ein Messer und legte es vor Arnold auf die Tafel. Doch sei es nun, daß sich dieser durch die Anwesenheit so vieler Zeugen bedrückt fühlte, sei es, daß er thatsächlich weniger Kraft in den Fingern besaß als Powala, genug, es gelang ihm, das Messer zur Hälfte, aber nicht vollständig zusammenzurollen.

Gar mancher aber von den fremden Gästen, dem die Kreuzritter schon häufig allerlei über den Krieg zugeraunt hatten, der im Laufe des nächsten Winters mit dem König von Polen ausbrechen werde, wurde recht nachdenklich und fragte sich, ob er wegen des in dieser Gegend voraussichtlich sehr harten Winters nicht besser daran thue, beizeiten in das Schloß seiner Väter, unter einen milderen Himmel zurückzukehren.

Das Merkwürdigste bei allem war aber die Thatsache, daß sich die Gäste im Juli solchen Gedanken Hingaben – im Juli, also zu einer Zeit der brennendsten Hitze, der wolkenlosesten Tage.