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Als Henry Vandersluis den Entschluß faßte, in die führenden Kreise der englischen Gesellschaft vorzudringen, ging er mit derselben Gründlichkeit und Hartnäckigkeit vor wie im Geschäftsleben. Es war ihm gelungen, die großen Vandersluis-Werke zu gründen, den größten Konzern auf dem Gebiet der Möbelindustrie.

 

Er siedelte mit seinem Vermögen von zwanzig Millionen Dollar nach England über, zeigte gleich eine besondere Vorliebe und Bewunderung für die englische Aristokratie und faßte den festen Entschluß, auch zu ihr zu gehören. Mr. Vandersluis war ein Streber, und die eisige Kälte des englischen Adels schreckte ihn nicht ab, ebensowenig kümmerte er sich um die vielen Zurückweisungen, die er bei seinen Bemühungen erfuhr.

 

Er kaufte einen wunderbaren Landsitz in Somersetshire, eine Stadtwohnung am Grosvenor Square, einen Rennstall und eine prachtvolle Jacht, die in den Zeitungen als schwimmender Palast bezeichnet wurde.

 

Die Motorjacht »Oisa« war hochelegant eingerichtet und schnittig in ihren Umrißlinien. Sie hatte fabelhafte Maschinen, einen ausgezeichneten Kapitän, hervorragende Offiziere und eine gutgeschulte Besatzung. Nur eins fehlte: die Gäste. Die »Oisa« war ein Palast mit einem König ohne Hof und Höflinge.

 

In den wundervollen Kabinen hätten Prinzen wohnen können. Meistens schliefen dort aber die Geschäftsfreunde von Mr. Vandersluis, die gar keine Titel besaßen. An Bord der Jacht befand sich auch ein prachtvoller Empfangssalon. Dort saß Mr. Vandersluis und las die Briefe von den Vertretern der höheren Aristokratie, in denen sie mitteilten, daß sie es tief bedauerten, leider nicht imstande zu sein, seiner freundlichen Einladung zu folgen.

 

Die große Seglerwoche von Cowes begann. Auf der Reede lagen die wunderbarsten, weißen Privatjachten vor Anker, und in dem großen Jachtklub ging es hoch her. Jede Jacht, und wenn sie auch noch so klein war, hatte eine Gesellschaft an Bord, nur die »Oisa« machte eine Ausnahme. Dort befand sich nur Mr. Vandersluis, und er war durchaus nicht in freundlicher Stimmung.

 

Er stand auf dem Oberdeck der »Oisa«, umgeben von einer Anzahl luxuriöser, aber leerer Decksessel. Neben ihm stand sein Sekretär, ein düster dreinblickender junger Mann, der von morgens bis abends Gummi kaute.

 

Vandersluis blickte von den anderen Jachten auf sein eigenes Deck, auf dem er sich so einsam fühlte.

 

»Großartig, finden Sie nicht auch?« fragte er bitter. »Ich möchte am liebsten eine Kapelle mieten, die Besatzung mit Champagner traktieren und dann zwischen all den anderen Booten umherfahren.«

 

»Morgen wird es schon anders werden«, entgegnete der Sekretär. »Ich sagte Ihnen ja gleich zu Anfang, es würde einsam und still werden. Warum haben Sie nicht Mr. Smithers und Mr. Jackson eingeladen?«

 

»Smithers und Jackson sind verreist«, entgegnete Mr. Vandersluis wütend. »Außerdem kann ich diese Leute aus der City nicht leiden. Die reden den ganzen Tag nur darüber, wo sie in London am besten zu Abend speisen können, wie sie die Bank von England hereingelegt haben und dergleichen nebensächliche Dinge. Aber morgen wird es anders«, fügte er mit einem grimmigen Lächeln hinzu. »Morgen kommen die vielen jungen Damen – Sie haben doch einen Extrazug für sie bestellt?«

 

»Selbstverständlich. Gaba de Vere, Gertie Summers, Teddy Bristowe und alle die anderen berühmten Stars kommen.«

 

»So ist es recht«, sagte Mr. Vandersluis. »Man muß erst die Frauen haben, dann bekommt man auch die Männer. Ich wette, wenn die anderen erfahren, daß all die Mädels an Bord sind, müssen wir Extra-Leitern über die Reling legen, damit sie alle schnell genug heraufkommen können.«

 

Er sprach zwar durchaus überzeugt, aber er glaubte nicht an seine eigenen Worte. Nachdem er eine Weile auf und ab gegangen war, trat er wieder zu seinem Sekretär.

 

»Ich dachte, daß die andere Idee auch gut gewesen wäre, George; Ich habe den besten Roulettetisch, den man an Bord einer Jacht finden kann. Meinen Sie, daß das in den Kreisen, auf die es ankommt, bekannt genug ist?«

 

»Ganz bestimmt«, entgegnete der junge Mann. »Ich habe dafür gesorgt, daß man an Land und auf den Jachten davon spricht.«

 

»Haben Sie auch die kurze Notiz in die Presse gebracht?«

 

George nickte und zog einen Zeitungsausschnitt aus seiner Westentasche.

 

»Hier steht der kleine Artikel.«

 

Mr. Vandersluis klemmte sein Monokel ins Auge und las.

 

»Man sollte doch denken, daß das zieht«, sagte Mr. Vandersluis. »Mein Geld ist doch ebenso gut wie das anderer Leute. Aber wir locken nur Menschen an, die wir nicht haben wollen. Wer kommt denn da?«

 

Er zeigte über die Reling auf ein Boot, das direkt auf das Fallreep der Jacht zuhielt.

 

»Vielleicht ist das endlich mal jemand«, meinte Mr. Vandersluis begeistert.

 

»Der sieht aber mehr wie ein Büroangestellter aus«, erwiderte der etwas nüchterne George, der wenig Phantasie besaß. »Die Lords tragen keine weißen Flanellhosen und schwarzen Schuhe, wenigstens nicht die Lords, die ich getroffen habe.«

 

Der Fremde kam mit seinem kleinen Boot längsseits und stieg das Fallreep hinauf. Er grüßte Mr. Vandersluis, indem er den Strohhut abnahm, und zog dann einen Brief aus der Tasche. Mr. Vandersluis drehte das Schreiben nach allen Seiten und las auf der Rückseite ›Vereinigte Versicherungsgesellschaften‹.

 

»Ach, ist das ein Geschäftsbrief?« fragte er und riß den Umschlag auf.

 

 

Sehr geehrter Herr!

 

Ich habe in den Morgenzeitungen zu meiner größten Beunruhigung von den bedeutenden Geldsummen gelesen, die Sie an Bord der ›Oisa‹ mit sich führen. Ich schicke diesen Brief durch einen besonderen Boten, nicht weil ich Sie stören, sondern weil ich Ihnen helfen möchte. Darf ich Sie bitten, unter diesen Umständen, besonders da Sie gegen Diebstahl bei uns hoch versichert sind, unseren besten Detektiv, Mr. Bob Brewer, bei sich an Bord der Jacht als Gast aufzunehmen? Sicherlich haben Sie schon in Amerika von ihm gehört.

 

Mr. Brewer hat mir berichtet, daß zur Zeit auf der Insel Wight eine besonders gefährliche Verbrecherbande ihr Unwesen treibt, und er fürchtet, daß der Artikel in der Zeitung die Verbrecher auf den Gedanken bringen wird, Ihnen einen unerwünschten Besuch an Bord abzustatten. Wir haben es so eingerichtet, daß Mr. Brewer morgen zu Ihnen kommt, und zwar in der Verkleidung eines Matrosen, der bei Ihnen an Bord Anstellung findet. Unser Mr. Brown, der dieses Schreiben überbringt, wird Ihnen morgen Mr. Brewer zeigen, das heißt, nur aus der Ferne. Es wäre unserer Meinung nach verkehrt, wenn Sie zusammen an Deck gesehen würden oder wenn die andere Besatzung etwas davon erfahren sollte. Es freut uns, daß wir Ihnen zu Diensten sein können. Sonderkosten werden hierfür nicht berechnet.

 

Douglas Campbell.

 

 

Mr. Vandersluis faltete den Brief zusammen und betrachtete den Überbringer durch sein Monokel.

 

»Kennen Sie den Inhalt des Schreibens?«

 

»Jawohl!«

 

Der Millionär verzog den Mund.

 

»Es ist mir unangenehm, Detektive an Bord zu haben«, sagte er dann. »Meiner Meinung nach bin ich imstande, selber auf meine Wertsachen und mein Geld aufzupassen, aber wenn dieser Mann von der Versicherung an Bord kommen will, habe ich schließlich nichts dagegen. Sie können Mr. Brewer ein Telegramm senden und ihm mitteilen, daß ich ihn erwarte.«

 

Er rief George herbei.

 

»Dies ist Mr. Brown. Sorgen Sie dafür, daß er Quartier für die Nacht bekommt. Was wollen Sie trinken?«

 

»Limonade«, entgegnete der bescheidene und zurückhaltende Mr. Brown.

 

Mr. Vandersluis stöhnte, denn er hatte fünfzig Kisten besten französischen Sekt an Bord.

 

Am Abend beim Essen trank Mr. Brown aber doch zwei Gläser Portwein, und unter dem Einfluß des Alkohols redete er frei und offen. Er, George und Mr. Vandersluis waren die einzigen, die bei Tisch saßen, und sie sahen ziemlich verloren in dem großen, prachtvollen Speisesaal aus.

 

»Die ganze Gesellschaft ist nicht viel wert!« erklärte Mr. Vandersluis.

 

»Das ist auch Mr. Campbells Meinung«, erwiderte Mr. Brown, »Er sagt, daß die Gesellschaft –«

 

»Ich will nicht wissen, was Mr. Campbell sagt«, erklärte Vandersluis. »Er hat kein Recht, sich derartig über die Gesellschaft zu äußern. Erstens gehört er nicht dazu, zweitens ist er der Diener dieser Leute – auch der meine.«

 

»Das ist es ja gerade, was Mr. Brewer ihm immer sagt«, entgegnete Mr. Brown, der sich nicht im mindesten einschüchtern ließ.

 

»Brewer? Ach, das ist der Mann, der morgen an Bord kommen soll? Wer ist denn das eigentlich? Ich glaube, daß ich schon von ihm gehört habe.«

 

»Er ist ein sehr netter, umgänglicher junger Mann«, sagte Brown. »Und er kann in unendlich vielen Verkleidungen auftreten.«

 

»Ach, den brauchen Sie mir erst gar nicht zu zeigen, den kenne ich unter Tausenden heraus. Diese Detektive haben etwas an sich, das sie schon auf einen Kilometer Entfernung kenntlich macht. Und außerdem ist diese Angst, daß die Verbrecher hier an Bord kommen sollen, doch einfach kindisch. Wie sollten sie das wohl anstellen? Ich habe zwanzig Mann Besatzung, die Heizer eingerechnet, und ich liege einen guten Kilometer vom Ufer entfernt. Und glauben Sie mir, ich kann mit einer Pistole besser umgehen als irgend jemand, der heute abend in Cowes ist.«

 

»Das glaube ich schon«, sagte Mr. Brown und goß sich noch ein Glas Portwein ein.

 

»Sie haben alle versucht, mir das Geld abzunehmen – die Bande von Moore und die von O’Donovan. Aber es ist keinem gelungen. Mir hat noch keiner einen Dollar abgenommen, mein Junge, darauf können Sie sich verlassen.«.

 

»Als ich heute an Bord kam«, erklärte Brown schon ein wenig schläfrig, »dachte ich sofort, das ist ein Mann, dem man nicht einen einzigen Dollar abnehmen kann.«

 

Mr. Vandersluis sah ihn belustigt an.

 

»Sie scheinen ja nicht viel vertragen zu können. Es wäre vielleicht doch besser gewesen, wenn Sie Limonade getrunken hätten.«

 

»Ich bin vollkommen nüchtern«, erwiderte Mr. Brown und versuchte aufzustehen. Aber dann setzte er sich sehr schnell wieder in seinen Sessel und machte ein verdutztes Gesicht.

 

»Also, setzen Sie sich einmal bequem hin«, sagte Mr. Vandersluis. »George, helfen Sie mir.«

 

Sie führten Mr. Brown zu einem prachtvollen Klubsessel, dann gingen sie an Deck.

 

Mr. Vandersluis hatte die Gewohnheit, bis zwölf Uhr nachts an Deck zu bleiben, aber es machte ihm wenig Vergnügen. Von Bord der anderen Jachten hörte er fröhliches Lachen.

 

Sein Sekretär George legte beim Schein der großen Decklampen Patience.

 

Mr. Vandersluis lehnte gerade an der Reling, als ihn plötzlich eine Stimme aus dem Dunkel anrief.

 

»Jacht, ahoi!«

 

Es war kurz vor Mitternacht, und Mr. Vandersluis zögerte. Er wußte nicht recht, wie er sich verhalten sollte, denn es war die Stimme einer Dame.

 

Gleich darauf hörte er sie schon bedeutend näher.

 

»Helfen Sie mir bitte, ich habe ein Ruder verloren!«

 

Er sah auf das Wasser hinunter und entdeckte ein kleines Boot. Er rief nicht erst einen Matrosen, sondern eilte selbst hinunter, nahm die Leine, die an der Reling hing, und warf sie geschickt nach dem Boot hinüber.

 

Es war eine Dame in Abendkleidung. Er half ihr auf die untere Plattform des Fallreeps, machte das Boot fest und führte sie an Deck. Im hellen Licht sah er, daß sie jung und schön war. Sie trug ein kostbares Kleid, und ihr Perlenhalsband war ein kleines Vermögen wert. Aber sie schien sehr müde zu sein und sank in einen bequemen Korbsessel.

 

»Holen Sie etwas Kognak, George«, sagte Mr. Vandersluis, der von dem Abenteuer begeistert war, »oder besser eine Flasche Sekt«, fügte er hinzu, und seine Augen strahlten bei diesem guten Gedanken.

 

Die junge Dame trank das Glas Sekt in einem Zug aus und sah ihn mit einem dankbaren Lächeln an.

 

»Es war eine große Torheit von mir. Ich dachte, ich könnte allein zur Jacht meines Vaters zurückrudern. Als ich aus dem Klub kam, war der Matrose nicht im Boot; und so ruderte ich selbst. Ich bin Lady Mary Glendellon«, stellte sie sich vor. »Mein Vater ist der Earl von Crouboro.«

 

»Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen«, erwiderte Mr. Vandersluis heiser und beinahe ehrfürchtig. »Ich hoffte, Ihren Vater zu sehen, aber er hatte leider eine wichtige Verabredung in Wales. Ich wußte nicht, daß er schon zurück ist.«

 

»O ja, er ist zurückgekommen. – Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben wahrscheinlich mein Leben gerettet. – Es war allerdings nicht recht von mir, ich blieb länger im Klub, als ich eigentlich bleiben sollte. Das heißt, wir waren nicht direkt im Jachtklub«, sagte sie ganz offen, »sondern wir gingen nachher noch zu Lord Bentel. Aber das dürfen Sie meinem Vater nicht erzählen. Dort haben wir Bakkarat gespielt.«

 

Mr. Vandersluis lächelte höflich und diskret.

 

»Ach ja, die modernen jungen Damen! Was würde wohl Ihre Großmutter sagen, wenn sie erführe, daß Sie Bakkarat spielen?«

 

Sie lachte, und er lachte auch, sie schienen sich gut zu verstehen.

 

»Ach, hier ist es so schön und bequem! Was haben Sie doch für eine elegante Jacht«, sagte sie und schaute sich begeistert um. »Führen Sie mich doch bitte umher, bevor ich fortgehe.«

 

Er kam ihrem Wunsch nur zu gern nach, und sie war von allem entzückt.

 

»Morgen muß ich unbedingt wiederkommen und meinen Vater mitbringen«, erklärte sie, und Mr. Vandersluis holte tief und befriedigt Atem. »Er muß diese Jacht sehen. Sie ist ja herrlich! Und ich will auch die Herzogin von Thacham herbringen, eine sehr vornehme und nette Dame.«

 

Sie waren wieder zur Tür des Salons gekommen, und die junge Dame war bereits eingetreten, als Mr. Vandersluis einfiel, daß Mr. Brown, der noch in seinem Sessel schlief, gerade keinen sehr vornehmen Eindruck machte. Er gab daher seinem Sekretär, der vorausging, einen Wink, und mit einem kräftigen Ruck schob George den Sessel so weit herum, daß nur die Rückenlehne zu sehen war.

 

»Dies ist der Gesellschaftssalon.«

 

Der Tisch war abgeräumt, und Vasen mit duftenden Rosen standen auf der Tafel. Sie ließ sich nieder und legte eine große, seidene Handtasche vor sich hin. Mr. Vandersluis nahm links von ihr Platz und fürchtete jeden Augenblick, daß dieser unheimliche, betrunkene Mr. Brown zu schnarchen anfangen könnte.

 

»Es war ein recht aufregender Tag für mich«, seufzte die junge Dame.

 

»Meinen Sie nicht, daß ich Sie zu Ihrer Jacht zurückrudern lassen sollte?« fragte Mr. Vandersluis. »Der Earl von Crouboro ist doch sicherlich sehr besorgt um Sie?«

 

»Ach nein«, entgegnete sie lachend. »Ich glaube, Sie wissen nicht, wie wir zu leben gewohnt sind, Mr. – ach, ich habe Ihren Namen vergessen.«

 

»Vandersluis.«

 

»Ja, es war ein kolossal aufregender Tag.« Sie zählte ihre Abenteuer auf. »Erstens wäre ich fast auf dem Meer verlorengegangen, dann habe ich tausend Pfund im Bakkarat gewonnen, und schließlich wurde mir beinahe mein Perlenhalsband gestohlen.«

 

»Was, die kostbare Kette?«

 

»Ja. Haben Sie noch nichts davon gehört? Es treiben sich zur Zeit entsetzliche Leute in Cowes herum. Ich glaube, es sind amerikanische Verbrecher. Eine ganz gemeine Bande, zwei Männer und eine Frau. Wissen Sie denn nichts davon?«

 

Mr. Vandersluis wußte nichts, aber er nickte. Er hatte es sich zur Regel gemacht, alles zu wissen, was in der Welt vorging und was die Welt wußte, selbst wenn er keine Ahnung davon hatte.

 

»Und diese entsetzliche Frau selbst – wie heißt sie doch gleich? Perlen-Sara! Ist das nicht ein lächerlicher Name?«

 

»Ach ja, ich habe schon von ihr gehört«, sagte Mr. Vandersluis. »Wie hat sich denn die Sache zugetragen?«

 

»Sie kam heute morgen an Bord«, sagte Lady Glendellon, »und gab vor, von mir als Zofe engagiert worden zu sein. Ich war gerade an Land, und da ich tatsächlich ein junges Mädchen engagiert hatte, stellte auch niemand weitere Fragen an sie. Man zeigte ihr meine Kabine, und wenn unser Obersteward nicht auf der Hut gewesen wäre, hätte sie mir meinen ganzen Schmuck geraubt. Aber der Mann zwang sie, die Kabine zu verlassen, und sie konnte nicht ein einziges Schubfach öffnen, bis ich zurückkehrte.«

 

»Da hatten Sie aber wirklich Glück. Ist die Perlen-Sara denn entkommen?«

 

Lady Glendellon nickte.

 

»Sie ging unter irgendeinem Vorwand an Land und ließ sich nicht wieder sehen. Die Sache hat mich ziemlich in Aufregung versetzt.«

 

Mr. Vandersluis versuchte die Unterhaltung fortzusetzen, aber das junge Mädchen schien zerstreut zu sein.

 

»Würde wohl einer Ihrer Leute mich ans Ufer rudern?« fragte sie schließlich.

 

»Ans Ufer?«

 

Sie nickte.

 

»Ach, es ist geradezu wie ein Fieber«, sagte sie und lachte vergnügt. Dann steckte sie die Hand in ihre Tasche und holte einen Stoß Spielkarten und ein großes Paket Banknoten heraus.

 

Mr. Vandersluis wußte nicht, was er sagen sollte.

 

»Aber Sie wollen doch nicht etwa das Geld verspielen?« fragte er.

 

»O nein!« entgegnete sie selbstbewußt. »Ich habe in den letzten zwölf Monaten dauernd gewonnen.«

 

»Nun, wenn Sie durchaus Bakkarat spielen wollen, können Sie auch mit mir spielen«, sagte Mr. Vandersluis. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Ihr Geld abzunehmen«, fügte er hinzu, als er sah, daß sie zögerte.

 

»Bitte, sagen Sie doch so etwas nicht«, bat sie. »Wenn Sie wollen, will ich gern mit Ihnen spielen, aber Sie dürfen meinem Vater nichts davon erzählen.«

 

Sie spielten, und Mr. Vandersluis gewann ein Spiel nach dem anderen. Der Haufen Geldscheine, den sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte, wurde immer kleiner. Vandersluis überlegte sich schon, unter welchem Vorwand er ihr später das Geld zurückgeben könnte. Andererseits war er froh, daß er nun wirklich mit den führenden Kreisen der Aristokratie in Berührung gekommen war. Jeder Eingeweihte wußte, daß der Earl von Crouboro sehr großen Einfluß besaß und daß man mit einer Einführung bei Hofe rechnen konnte, wenn man ihn zum Freund hatte. Als sie das vor sich liegende Geld verspielt hatte, holte sie aus ihrer Handtasche ein neues Bündel Banknoten hervor.

 

»Das habe ich alles gewonnen, Sie können es mir also ruhig wieder abnehmen. Das hier ist meine Bank, und ich setze zweitausend Pfund.«

 

»Einverstanden«, erwiderte Mr. Vandersluis höflich und verlor den Satz.

 

Er gewann zwischendurch, aber im allgemeinen verlor er, sie spielten fast eine Stunde lang. Er schickte seinen Sekretär nach dem Geldschrank, und George brachte ein Bündel Hundertpfundnoten, die langsam dahinschwanden.

 

Mr. Vandersluis wurde es heiß und kalt. Es war ein großer Unterschied, ob man von einer jungen Dame große Summen gewann und ihr das Geld wieder zurückgeben wollte oder ob man selbst große Summen beim Spiel zusetzte.

 

»Machen Sie das Fenster auf«, rief Mr. Vandersluis seinem Sekretär zu. »Es ist furchtbar heiß hier. Und bringen Sie mehr Geld.«

 

Das Geld kam. Als er die Hälfte davon verloren hatte, sah Lady Mary plötzlich auf ihre Armbanduhr und stieß einen leisen Schrei aus.

 

»Ach, es ist schon Viertel nach zwei«, sagte sie und steckte die Banknoten, die vor ihr lagen, in die Tasche. »Jetzt muß ich aber gehen.«

 

Ein Licht glitt draußen vorbei. Sie sprang auf und schaute hinaus. »Ach, das ist ja die Jacht meines Vaters. Er muß gehört haben, daß ich hier bin. – Gute Nacht, Mr. Vandersluis, ich werde Ihnen morgen einen Besuch machen.«

 

Mr. Vandersluis schwitzte heftig, er hatte schwer verloren und reichte ihr gezwungen lächelnd die Hand.

 

»Wollen Sie mir nicht erst noch gute Nacht sagen?« fragte Mr. Brown, der plötzlich vor der Tür stand. Er hatte die Hände in den Taschen und lächelte zufrieden.

 

Die junge Dame runzelte die Stirn.

 

»Wie bitte?« entgegnete sie kühl.

 

»Wollen Sie mir wirklich nicht guten Abend sagen, Sara?« fragte Bob Brewer. »Es ist zwar schon viele Jahre her, daß wir uns das letztemal trafen, aber sicherlich erinnern Sie sich noch an den Abend, an dem ich Sie gefangennahm, weil Sie James H. Seidlitz vollkommen ausplünderten?«

 

»Ach, Sie belästigen mich«, erwiderte, sie. Dann sprang sie wie der Blitz zum Fenster und rief etwas hinaus.

 

»Ach, machen Sie sich keine Sorge wegen Ihrer Komplicen«, meinte Bob. »Draußen wartet ein Polizeiboot auf Sie, seit Sie an Bord kamen.«

 

»Was hat denn das alles zu bedeuten?« fragte Mr. Vandersluis atemlos. »Ist sie denn nicht die Tochter des Earls von Crouboro?«

 

»Ich weiß nichts von dem Privatleben des Earls«, entgegnete Bob. »Aber wenn sie tatsächlich seine Tochter sein sollte, so weiß er noch nichts von seinem Glück.«