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Als Peter Corelly zu der Firma Rhyburn kam, wurde er sofort zu der Verhafteten geführt. Sie war aufs höchste empört und äußerte das auch in nicht mißzuverstehenden Worten. Aufregung macht manche Frauen häßlich, aber bei Miss Bertram war gerade das Gegenteil der Fall. Peter Corelly hielt den Hut in der Hand und sah sie erstaunt an.

 

Wie gewöhnlich ließ er die Schultern hängen und stand vornübergebeugt. Sie sah seinen müden Blick und hörte seine melancholische Stimme.

 

»Der Polizeipräsident bedauert unendlich, Miss Bertram, daß Sie diese unangenehme Erfahrung gemacht haben. Er hat mich hergeschickt, um die Sache in Ordnung zu bringen.«

 

Sie nickte, preßte die Lippen zusammen und sah ihn feindlich an. Im Augenblick war sie entrüstet über alle Organe des Gesetzes und der öffentlichen Ordnung. Langsam zog sie den Handschuh wieder an, den sie vor ein paar Minuten ebenso langsam ausgezogen hatte.

 

»Es ist empörend, daß ich hier auch nur eine Minute zurückgehalten werde. Das kann natürlich nur in New York passieren und nur auf das Zeugnis eines solchen Menschen hin.«

 

Sie zeigte auf den deprimierten Hausdetektiv der Firma, der ganz zusammengesunken in einer Ecke stand. »Es ist einfach lächerlich, daß so etwas passieren kann!«

 

»Aber meine liebe Miss –« begann Peter.

 

»Ich bin nicht Ihre liebe Miss«, fuhr sie ihn heftig an. »Ich dulde nicht, daß Sie mich so beleidigen. Mein Vater wird bald hiersein, und ich werde sofort zum Polizeipräsidium gehen und mich beschweren.«

 

Peter seufzte, schloß die Augen und sah sehr unglücklich aus. Selbst Miss Bertram, die doch so aufgebracht und erregt war, hätte beinahe lachen müssen.

 

Er wandte sich an den Polizeibeamten, der die Verhaftung durchgeführt hatte.

 

»Sie können die Dame entlassen, sie ist der Polizei bekannt.«

 

Miss Bertram war schon halb beruhigt, aber diese letzten Worte brachten sie wieder in Harnisch.

 

»Wie können Sie sagen, daß ich der Polizei bekannt bin!« rief sie heftig.

 

»Also, hören Sie einmal zu«, entgegnete Peter, dessen Geduld nun auch zu Ende war. »Hier in dieser großen Stadt gibt es Millionen und aber Millionen von Menschen, und nach der Verfassung ist einer so gut wie der andere. Ein solches Mißverständnis kann einmal vorkommen. Sie gehen in einen Laden, in dem man Sie nicht kennt, und wenn Sie dann mit einem gefälschten Geldschein zahlen, werden Sie eben verhaftet. Wer sind Sie denn, daß Sie nicht verhaftet werden sollten, wenn Sie das Gesetz übertreten? Sie wissen doch, vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Ich würde keinen Augenblick zögern, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu verhaften, wenn er sich schuldig machte. Aber Sie tun so, Miss Bertram, als ob Sie etwas Besseres wären als andere Leute, als ob für Sie eine Extrapolizei bestünde. Wenn Sie glauben, daß das den amerikanischen Sitten entspricht, dann ist das eben Ihre Privatmeinung. Ich bin gekommen, um Sie freizulassen, ich behandle Sie höflich, und Sie fangen hier an zu schimpfen!«

 

Miss Bertram wußte immer noch nicht, was sie sagen sollte. Da stand nun ein Polizeibeamter vor ihr, hatte die Hände in die Hüften gestemmt, sah sie böse und düster an und hielt ihr eine Strafpredigt! Und dabei war sie doch die Tochter eines großen Geschäftsmannes in New York, eines Multimillionärs, der eine führende Stellung in der Gesellschaft einnahm.

 

Nachdem sie einige Zeit überlegt hatte, antwortete die junge Dame ganz bescheiden und ruhig. Die Umstehenden, die ihr früheres Benehmen miterlebt hatten, sahen sich erstaunt an.

 

»Ich verlange keine andere Behandlung als irgendein anderer Mensch. Es war ein dummer Fehler, den der Geschäftsführer hier gemacht hat. Ich bin früher niemals in dem Geschäft gewesen, und ich wäre auch nicht hierhergekommen, wenn ich nicht meiner Zofe etwas zum Geburtstag schenken wollte. Sie sagte mir, daß ihr ein Kleid so sehr gefallen hätte, das sie hier im Schaufenster sah. Ich verstehe eigentlich nicht, warum Sie mir Vorwürfe machen«, sagte sie, und der letzte Satz klang schon wieder etwas hochfahrend.

 

»Dafür werde ich ja bezahlt, daß ich die Leute in Ordnung halte und zurechtweise«, entgegnete Peter ruhig. »Ich bin da, um die Kinder der Armen zu beschützen und die Übeltäter zu bestrafen. Und dieser Mann hier« – er zeigte auf den nervösen Geschäftsführer – »ist ein Kind der Armen, die ich zu beschützen habe, wenigstens im übertragenen Sinn.«

 

Einen Augenblick sah sie auf den unglücklichen kleinen Herrn, und plötzlich kam ihr die Komik der Situation zum Bewußtsein. Miss Bertram mußte laut lachen.

 

»Sie haben vollkommen recht, ich habe mich von meiner schlechten Stimmung hinreißen lassen – es tut mir leid, daß ich so viel Unannehmlichkeiten verursachte. Hier kommt mein Vater.«

 

Sie ging schnell durch das Zimmer einem älteren Herrn entgegen.

 

George Bertram mochte etwa fünfundfünfzig Jahre alt sein, er hatte einen Spitzbart und war tadellos gekleidet. Sein Gesicht wirkte jugendlich, und vor allem faszinierten seine klugen, wohlwollenden Augen. Er gehörte zu den klügsten Finanzleuten der Weltstadt und dachte von dem Augenblick an, wo er das Geschäftsgebäude der Bank betrat, bis zu dem Augenblick, wo er wieder zu seinem Auto ging, an nichts anderes als an Geldwerte und Spekulationen.

 

»Mein liebes Kind, das ist sicher sehr unangenehm für dich gewesen. Wie war das nur möglich?«

 

»Es war mein eigener Fehler«, erwiderte sie freundlich. »Ich habe mich von meiner Aufregung hinreißen lassen, statt dem Geschäftsführer ruhig zu erklären, wer ich bin.«

 

»Aber was hast du denn eigentlich getan?« fragte er.

 

Als sie es ihm erklärte, sah er sie überrascht an.

 

»Eine gefälschte Banknote …? Aber ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du in den Besitz eines solchen Geldscheins kommen könntest«, meinte er ungläubig.

 

»Das Geld habe ich natürlich von deiner Bank abgeholt. Ehe ich zur Stadt fuhr, bin ich dort gewesen und habe für meine Einkäufe Geld abgehoben.«

 

»Ich möchte den Schein einmal sehen.«

 

Der Detektiv zeigte die beschlagnahmte Banknote, und George Bertram prüfte sie sorgfältig.

 

»Ja, das ist tatsächlich eine Fälschung. Hast du noch andere Scheine, die du von der Bank abgeholt hast?«

 

Sie öffnete die Handtasche und nahm noch vier andere Banknoten heraus.

 

»Die anderen sind echt«, erklärte der Bankier, »aber es wäre doch möglich, daß noch weiteres gefälschtes Geld auf der Bank ist. Ich bin erstaunt, daß mein Hauptkassierer Dutton es bei der Auszahlung nicht sofort entdeckt hat. Mein Hauptkassierer ist einer meiner tüchtigsten Beamten. Es ist einfach unglaublich, daß er diesen Schein durchgehen ließ, ohne die Fälschung zu entdecken. Bist du auch ganz sicher, daß du kein anderes Geld in deiner Tasche hattest, als du heute morgen fortgingst?«

 

Sie zögerte einen Augenblick.

 

»Doch, das wäre möglich. Nachdem du darüber sprichst, erinnere ich mich …«

 

Sie zählte das Geld.

 

»Ja, ich hatte noch Geld in meiner Tasche. Es war eine Banknote … Ich müßte mir überlegen, wo ich sie bekommen habe – irgend jemand hat mir einen größeren Schein gewechselt …« Sie zog die Augenbrauen hoch, während sie scharf nachdachte.

 

»Es kommt im Augenblick ja auch gar nicht darauf an, wo Sie das falsche Geld her haben, Miss Bertram«, sagte Peter gutmütig. »Wenn Sie aber imstande sind, darüber genauere Auskunft zu geben, werde ich mich sehr freuen. Auf jeden Fall spreche ich morgen im Laufe des Tages einmal bei Ihnen vor.«

 

Sie lachte, und Peter klang das wie Musik in den Ohren.

 

»Ja, bitte, kommen Sie nur. Dann können Sie mir ja wieder einen Vortrag über die Menschenrechte halten.«

 

»Was für Rechte?« fragte Mr. Bertram erstaunt.

 

»Ach, ich hatte eine kleine Unterhaltung mit Mr. – ich habe Ihren Namen ja noch gar nicht erfahren.«

 

»Ich heiße Peter Corelly. Hier ist meine Karte. Ich komme selten dazu, eine Visitenkarte zu benützen, meistens genügt es, wenn ich die Marke zeige, die mich als Detektiv legitimiert.«

 

»Sie sind ein merkwürdiger Mann«, erwiderte sie, als sie ihm die Hand zum Abschied reichte.

 

Sie interessierte sich für ihn und empfand es unangenehm, daß umgekehrt sein Interesse für sie nicht besonders groß zu sein schien. Sein Beruf und die vornehme Art und Weise, in der er sprach, schienen nicht zusammenzupassen. Er mußte eine gewisse Bildung haben, und vor allem besaß er große Selbstbeherrschung, die sie trotz ihrer impulsiven Art bewunderte.

 

»Also, vergessen Sie nicht, mich zu besuchen«, rief sie, als sie sich noch einmal aus dem Fenster ihres eleganten Autos lehnte. »Ich möchte durch die Unterhaltung mit Ihnen noch viel lernen.«

 

»Das wird nötig sein«, entgegnete er.

 

Sie drehte sich um, nachdem der Wagen angefahren war, und bemerkte zu ihrer Enttäuschung, daß er ihr nicht nachschaute, sondern ihr bereits den Rücken gekehrt hatte.

 

»Mr. Rhyburn«, wandte sich Peter an den Geschäftsführer, »ich habe Sie aus einer großen Klemme befreit. Es konnte doch jeder Mensch, der einigermaßen Augen im Kopf hat, sehen, daß die Dame nicht absichtlich mit einem falschen Geldschein zahlte.«

 

»Aber Mr. Corelly«, protestierte der andere, »ich habe immer mit solchen Schwierigkeiten zu tun. Die Verluste, die ich jährlich durch falsches Geld erleide, sind einfach unheimlich. Ich hatte Miss Bertram noch niemals gesehen – obwohl sie zu meinen Kunden gehört.«

 

»Sie sagten doch, daß sie noch nie in Ihrem Geschäft war.«

 

»Das stimmt, aber ich führe eine Buchhandlung in der Stadt unter einem anderen Firmennamen. Ich kaufte den Laden, als der frühere Geschäftsinhaber starb, und dort ist sie eine gute Kundin. Hoffentlich kann ich mich darauf verlassen, daß Sie die Tatsache ihr gegenüber nicht erwähnen.«

 

Peter schüttelte den Kopf.

 

»Ich schicke ihr alle Neuerscheinungen, und sie trifft dann ihre Wahl. Es ist mir furchtbar peinlich, daß das passiert ist. Aber wir hatten, wie gesagt, dieses Jahr schon sehr viel Schwierigkeiten mit falschen Geldscheinen. Auch sonst habe ich gerade genug Sorgen. Vor zwei Monaten wurde in dem Buchladen eingebrochen, und dabei wurden alle Bücher mehr oder weniger ruiniert.«

 

»Melden Sie das dem Sergeanten, die Geschichte, die Sie mir da erzählen, klingt übrigens sehr unglaubwürdig. Ich kenne die Verbrecherwelt schließlich recht gut und weiß, daß sie keine literarischen Interessen hat – es sei denn aus Langeweile im Gefängnis.«

 

»Aber es ist vollkommen wahr, Mr. Corelly«, protestierte der Mann. »Ich dachte, Sie hätten davon gehört. Sie werden noch niemals in Ihrem Leben eine derartige Unordnung gesehen haben, wie ich sie in meinem Geschäft an jenem Morgen vorfand. Die Bücher waren von den Regalen heruntergenommen und auf den Boden geworfen worden, alle Schränke waren ausgeleert …«

 

»Und der Safe war aufgebrochen und ihr gesamtes Vermögen geraubt«, unterbrach ihn Peter.

 

»Nein, das war doch das Merkwürdigste von allem – den Geldschrank hatten die Einbrecher nicht angerührt.«

 

Corelly wurde plötzlich aufmerksam; dieser ungewöhnliche Einbruch interessierte ihn.

 

»Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß die Einbrecher das Geld nicht anrührten?«

 

»Doch. Sie haben mir aber sonst genug Schaden zugefügt. Das schlimmste war, daß ich das Lager nicht versichert hatte.«

 

Peter zog sein Notizbuch.

 

»Datum?« fragte er lakonisch.

 

Der Geschäftsinhaber nannte es sofort; er hatte auch allen Grund, sich daran zu erinnern.

 

»Also das wäre erledigt«, meinte Peter, nachdem er zwei Seiten beschrieben hatte. »Darf ich einmal Ihre Bücher einsehen, und zwar für die Woche, bevor dieser Einbruch passierte?«

 

»Gewiß, Mr. Corelly.«

 

»Gut, dann komme ich heute abend um fünf Uhr in Ihre Buchhandlung.«

 

Peter war sehr nachdenklich, als er fortging. Mit langen Schritten wanderte er zum Northern-Hospital und erkundigte sich dort nach seinem Kollegen.

 

»Ja, Mr. Wilbur Smith hat das Bewußtsein wiedererlangt, und ich glaube, sein Zustand ist nicht mehr gefährlich«, meinte der Arzt. »Möchten Sie ihn sprechen? Wenn Sie die Unterhaltung nicht zu lang ausdehnen, wird es möglich sein.«

 

Wilbur Smith lag in einem Privatzimmer; sein Kopf war bis auf die Augen in Bandagen eingehüllt.

 

»Hallo, was wollen Sie denn? Sind Sie hergekommen, um meinen letzten Willen aufzunehmen, bevor ich abkratze?«

 

»Nun, es scheint Ihnen doch schon wieder ganz gut zu gehen«, entgegnete Peter und rückte einen Stuhl ans Bett. »Aber ich muß schon sagen, Sie sind ziemlich mitgenommen.«

 

»Ja, und dabei war es eine Dummheit, in diese Falle zu gehen«, erklärte Wilbur ärgerlich. »Die Leute müssen ja gelacht haben über den Leichtsinn, den ich an den Tag legte. Sie hatten zwei Taxis für mich bereitgestellt, und ich habe gleich das erste genommen.«

 

»Es scheint mir aber ganz unglaublich, daß so etwas am hellen Tag mitten in New York passieren kann.«

 

»Und doch bleibt es eine Tatsache. Sie haben natürlich nichts getan, was irgendwelchen Verdacht hätte erregen können; höchstens haben sie ab und zu einen kürzeren Weg gewählt. Plötzlich fuhr der Wagen in eine Garage. Im nächsten Augenblick waren die Tore hinter uns geschlossen. Ich sprang heraus, aber bevor ich meinen Revolver ziehen konnte, hatten sie mich schon gepackt. Das ist alles, worauf ich mich besinnen kann.«

 

»Und nachher haben sie Sie in eine leere Wohnung geschleppt, ohne daß sie jemand beobachtete. Meiner Meinung nach haben sie angenommen, daß sie tot wären. Haben Sie einen der Leute gesehen, die Sie überfielen? Können Sie sich auf ein Gesicht besinnen?«

 

»Nein«, entgegnete Wilbur entschieden. »Ich kann mich auf nichts besinnen. Ich weiß nur so viel, daß ich in einer ziemlich großen Garage war und sah, wie ein Mann von der anderen Seite mit einer Kanne Benzin auf mich zukam. Das haben sie wahrscheinlich so angeordnet, damit ich keinen Verdacht schöpfen sollte. Und während ich noch überlegte, was ich anfangen könnte, haben sie mich niedergeschlagen. Und das Geld haben sie natürlich gestohlen?«

 

Peter nickte.

 

»Und Sie haben jetzt die Untersuchung des Falles übernommen?«

 

»Ja. Ich habe auch ein paar neue Anhaltspunkte gefunden. Übrigens ist der Fall wirklich sehr interessant.«

 

Er erzählte, was er mit dem jungen Mädchen erlebt hatte, die plötzlich ein Vermögen von hundertzwanzigtausend Dollar in der Hand hatte, und auch die andere Geschichte mit Fatty. Wilbur Smith hörte erstaunt zu.

 

»Das ist ein ganz verhexter Fall. Etwas Ähnliches habe ich noch nicht erlebt. Wie denken Sie denn darüber?«

 

Peter erhob sich zunächst, ging zur Tür des Krankenzimmers und schloß ab,

 

»Mir ist die Sache nicht vollkommen neu, dabei meine ich besonders den Stempel auf der Rückseite der Banknoten – das Bild des goldenen Hades. – Es muß sich um einen Geheimkult handeln.«

 

»Was für einen Geheimkult?« fragte Wilbur erstaunt.

 

»Es gibt die sonderbarsten Kulte, darunter auch eine Art Teufelskult«, erklärte Peter. »Sie glauben wohl, ich wäre verrückt, aber ich kann das durchaus beweisen. Während des großen Prozesses gegen die Kamorra kam auch etwas über einen merkwürdigen Teufelskult in Italien zum Vorschein. Dann gab es etwas Ähnliches in Nordengland… Solche Teufelskulte gab es auch in Südrußland, und jeder Kult hat seine besonderen Priester und sein besonderes Ritual.«

 

»Aber…«, begann Smith.

 

»Warten Sie noch einen Augenblick. Vor allem muß ich Ihnen erzählen, daß die Teufelsanbeter sich bemühen, das Bild ihrer Gottheit, die sie verehren, zu verbreiten. Das ist immer wieder beobachtet worden. In Nordengland haben die Mitglieder dieses Teufelskults das Bild auf ihre Briefumschläge gedruckt. Dann wurde jedesmal die Marke darübergeklebt. Die Verehrer des Teufelsgottes Nick in Südrußland haben das Bild in ihre Schuhsohlen einbrennen lassen. Dort kam auch zum erstenmal die Gewohnheit auf, das Bild der Gottheit auf die Rückseite von Banknoten zu stempeln.«

 

»Das klingt fast, als ob Sie mir etwas vormachen wollten. Woher haben Sie eigentlich diese Kenntnisse?«

 

»Nun, man lebt und lernt«, erwiderte Peter etwas von oben herab. »Mein ganzes Leben lang habe ich Leute verfolgt, die Falschgeld verteilten. Und außerdem kann man in jedem großen Lexikon unter dem Stichwort ›Dämonenkult‹ nachlesen.«

 

»Dann sind Sie also der Meinung…«

 

»Ja – ich glaube, daß es hier in Amerika einen derartigen Teufelskult gibt. Er scheint allerdings eine ganz besondere Abart zu sein.«

 

»Haben Sie etwas von Alwin gehört?« fragte Wilbur, der unvorsichtigerweise seinen Kopf auf die Seite wandte, dann aber vor Schmerzen stöhnte.

 

»Nein, wir haben keine neuen Nachrichten. Aber ich nehme es als sicher an, daß sie Alwin irgendwo gefangengesetzt haben.«

 

»Ich glaube, daß er tot ist«, entgegnete Wilbur ruhig. »Peter, ich sage Ihnen, sobald meine verdammten Rippen wieder einigermaßen zusammengeheilt sind, stehe ich auf. Ich kann es in diesem Bett nicht mehr aushalten. Und dann kaufe ich mir den Mörder Frank Alwins. Ich werde nichts unversucht lassen, und wenn es mein ganzes Leben lang dauern sollte. Sie können sich darauf verlassen, daß ich ihn zum Schluß doch fassen werde.«

 

»Sie sind ja ein ganz wilder Geselle!« Peter seufzte. »An Ihrer Stelle würde ich tatsächlich über andere Dinge nachdenken, die nicht so furchtbar blutrünstig und schrecklich sind.«

 

»Hören Sie bloß damit auf! Erzählen Sie mir lieber noch etwas von diesem tollen Teufelskult.«

 

»Wenn ich wiederkomme, kann ich Ihnen viel mehr berichten«, sagte Peter und nahm seinen Hut. »Heute nachmittag besuche ich Professor Cavan und befrage ihn.«

 

»Zum Teufel, wer ist denn dieser Cavan?«

 

Peter zuckte verächtlich die Schultern.

 

»Es ist ja unheimlich, wieviel Sie nicht wissen. Wollen Sie tatsächlich behaupten, daß Sie Professor Cavan nicht kennen?«

 

»Ich habe noch nie von dem Mann gehört«, erklärte Wilbur verzweifelt. »Wann haben Sie denn etwas von ihm erfahren?«

 

»Erst gestern«, entgegnete Peter lakonisch und verließ das Zimmer.