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Er hatte die schreckliche Vision, daß sich diese entsetzliche Tragödie tatsächlich abspielte. Im Vordergrund lag er selbst, zu Tode getroffen.
»Aber Sie sollen nicht ungerächt sterben, mein Superbus!«
Dempsi hatte ihn liebevoll am Arm gefaßt. Julius ging jetzt vom Feuer weg, es war ihm plötzlich zu heiß geworden.
»Wissen Sie bestimmt, daß er einen Revolver bei sich hat?«
Dempsi nickte.
»Eine geladene Pistole? Das ist aber doch ganz gegen das Gesetz. Ein Mann kann deswegen verurteilt werden!«
Mr. Dempsi faßte die Sache nicht so ernst auf. In Julius‘ Augen war seine Gleichgültigkeit beinahe schon ein Verbrechen.
»Natürlich hat er eine Schußwaffe. Ich habe bis jetzt noch keinen Verbrecher gesehen – ich bin schon einigen begegnet –, der nicht einen geladenen Revolver bei sich gehabt hätte. Und gewöhnlich benützen diese Menschen Dum-Dum-Geschosse und sind sichere Schützen.«
Er schien fast darauf stolz zu sein. Julius betrachtete ihn von der Seite und sah nicht sehr geistreich aus.
»Ja, das glaube ich auch«, sagte er heiser. »Natürlich wird meine Frau –«
Dempsi ließ ihn nicht ausreden. Er wurde plötzlich ernst, als ob ihm die Schwere der Situation zum Bewußtsein käme.
»Ihre Frau? Fürchten Sie sich nicht, Superbus!« sagte er ruhig. »Sie soll keinen Mangel leiden. Ich werde für sie sorgen. Und Ihre Tat soll dem Gedächtnis der Nachwelt überliefert werden. Ich sehe schon in meinem Geiste einen großen, schwarzen Marmorblock, einfach und schlicht, aber von erhabener Größe. Kein reicher Schmuck wird ihn zieren, aber in großen, goldenen, flammenden Buchstaben werden die Worte darauf stehen:
Seine Stimme zitterte, als er sprach. Er stand in Gedanken schon vor diesem erhabenen Monument und weinte.
Julius wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ach ja, das muß sehr schön sein«, brachte er heiser hervor. »Meiner lieben Frau wird das sehr gefallen. Sie hatte schon immer eine gute Meinung von mir, obgleich sie nie darüber sprach. Aber obwohl ich Ihnen sehr zu Dank verbunden bin und niemand liebenswürdiger zu mir sein könnte –«
»Können Sie nicht schon jetzt im Geiste sehen, wie sie vor Ihrem Grabstein steht und die Inschrift liest?« fragte Dempsi erregt. »Können Sie sich vorstellen, wie sie tränenden Auges auf diese Marmortafel schaut, die in einer großen Kirche aufgestellt ist, vielleicht unter einem bunten Glasfenster? Wie sie mit stolzen, leuchtenden Augen den Kindern an ihrer Seite erzählt –«
»Aber ich habe ja gar keine Kinder«, unterbrach ihn Julius laut.
Dempsi machte eine abwehrende Handbewegung.
»Sie kann doch wieder heiraten«, sagte er unbewegt. »Sie ist wahrscheinlich noch in der Blüte ihres Lebens und findet noch ein neues Glück.«
Mr. Superbus setzte sich ganz verstört.
»Sie erschrecken mich furchtbar«, rief er vorwurfsvoll.
Dempsi beugte sich über ihn und sprach beruhigend auf ihn ein.
»Heute abend schlafe ich in Erwartung, Ihre Stimme zu hören. Zögern Sie nicht, sofort zu rufen. Vielleicht komme ich noch zeitig genug, um Sie zu retten. Ich bete, daß mir das gelingen wird, denn ich liebe Sie. Wir sind vielleicht sogar Blutsverwandte. Wer Sie schlägt, schlägt auch mich – Giuseppe Dempsi!«
Mr. Superbus stand auf. Seine Knie zitterten, die Zunge klebte in seinem Munde.
»Wenn Sie hier schlafen und Mr. Bobby hier schläft, ist meine Hilfe doch eigentlich nicht mehr notwendig. Es macht mir natürlich nichts aus. Weit davon entfernt. Superbus war stets da zu finden, wo die Gefahr am größten war. Es ist nur meine Frau, an die ich denke. Ich soll in diesem Zimmer schlafen. Das ist doch eigentlich Unsinn.«
»Ich werde zur Stelle sein.« Mr. Dempsi betrachtete einen Revolver, den er aus seiner Hüfttasche genommen hatte. Julius wäre beinahe ohnmächtig geworden.