12

 

Es dauerte eine halbe Stunde, bis Diana zurückkam. Sie sah immer noch angegriffen aus.

 

»Hallo, Bobby! Was ist denn mit dir los?«

 

»Diana« – er sprach sehr langsam – »du hast irgendeinen Kummer –«

 

»Irgendein Kummer ist gut!« Sie warf ihren Hut rücksichtslos auf den Tisch. »Ich weiß nicht, wo ich vor Sorgen hin soll, mein Lieber!«

 

»Gordon sagte mir, daß er fünfzigtausend Dollar hier im Geldschrank habe, um einen Amerikaner auszuzahlen, der am Sonntag hierherkommen wird. Er hat mir das Schlüsselwort gesagt.«

 

Sie stellte sich vor ihn und legte die Hände auf den Rücken.

 

»Nun – und?«

 

»Das Geld ist verschwunden!«

 

Eine kleine Pause.

 

»Weißt du denn, warum es verschwunden ist?«

 

»Nein – ich bin zu Tode erschrocken – Gordon hat es doch nicht mitgenommen?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Nein, ich habe es geholt, Bobby. Dempsi lebt. Ich habe heute morgen einen Brief von ihm bekommen – dreizehn Seiten lang und in einer Sprache – es ist einfach schrecklich! Ich bin ganz außer mir.«

 

»Ich dachte, er wäre damals in den Busch gelaufen und gestorben.«

 

Sie lächelte schmerzlich und ließ sich in den Stuhl fallen, in dem Gordon die Nacht zugebracht hatte.

 

»Er wurde im Busch gefunden. Er hatte Fieber, als die Eingeborenen ihn entdeckten. Sie nahmen ihn mit in ihr Dorf.«

 

Bobby dachte lange nach.

 

»Weiß er denn, daß du nicht verheiratet bist?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Wie?«

 

»Nein«, sagte Diana ruhig. »Wir haben vorhin miteinander telefoniert. Seine erste Frage an mich lautete: ›Bist du noch frei? Wir werden morgen vor den Altar treten. Wenn du aber verheiratet bist, wirst du noch heute abend Witwe sein.‹ Ich erkannte Dempsi gleich wieder an diesen Worten.«

 

»Was hast du ihm denn geantwortet?« fragte er verwundert.

 

»Ich habe ihm selbstverständlich gesagt, daß ich verheiratet sei«, erwiderte sie mit einer Selbstverständlichkeit, die ihn fassungslos machte. »Ich konnte ihm doch nicht gut erklären, warum ich hier bin, wenn ich nicht verheiratet bin. Dann wurde er aber so heftig, daß ich ihm erzählte, ich sei Witwe. Bobby, weißt du, Lügen ist doch furchtbar leicht!«

 

Bobby war noch sprachlos.

 

»Dann setzte er mir aufs neue zu, und ich teilte ihm mit, daß ich hier bei meinem Onkel Artur wohne. Ich hatte früher einmal einen solchen Onkel Artur, das heißt, er war natürlich nur so eine Art Adoptivonkel – er starb an Delirium tremens. Es scheint, daß alle unsere Familienmitglieder nicht ganz normal sind. Ich konnte ihm doch unmöglich sagen, daß ich allein in dem großen Hause wohne. Bedenke doch, Gordon ist fort – aber es ist eigentlich gut, daß er nicht im Lande ist.«

 

Bobby ging in größter Aufregung im Zimmer auf und ab.

 

»Ja, aber was hast du denn eigentlich mit dem Geld gemacht?«

 

»Das war ich Dempsi doch schuldig. Bevor er in den Busch rannte, hatten wir einen furchtbaren Auftritt. Er wollte mich veranlassen, mit ihm durchzubrennen, und als ich ihm diesen Wunsch nicht erfüllte, Wollte er Selbstmord begehen. Er war damals vollständig verrückt. Er schrie mich an, dann weinte er wieder, küßte meine Füße und lief davon, um im Busch zu sterben. Aber nicht einmal das hat er richtig ausgeführt.«

 

»Und das Geld?«

 

»Er hat mir damals sein Vermögen vor die Füße oder vielmehr der Katze an den Kopf geworfen – ich weiß, es nicht mehr genau. Jedenfalls war ich nachher im Besitz des Geldes. Er hatte keine arideren Verwandten, und es blieb mir nichts anderes übrig, als es auf die Bank zu tragen.« Sie biß sich auf die Lippen. »Ich hatte eigentlich vor, ihm ein schönes Grabmal zu errichten.«

 

Bobby seufzte erleichtert auf.

 

»Da du ihm anscheinend das Geld geschickt hast, ist wenigstens diese Sorge erledigt. Du kannst es ja ersetzen. Die Banken schließen heute erst um eins.«

 

»Wie soll ich denn das machen?« fragte sie bitter. »Ich habe kein Geld auf der Bank, mit Ausnahme von ein paar Pfund, mit denen ich mir ein Konto eröffnete, als ich nach London kam. Ich nahm die fünfzigtausend Dollar und zahlte achttausend Pfund auf mein Konto ein. Hier ist der Rest!« Sie zog ein Paket Banknoten aus der Tasche und reichte sie ihm.

 

Bobby sah sie entsetzt an.

 

»Aber wenn nun dieser Tilmet, der Amerikaner, kommt, dann mußt du ihn doch auszahlen!«

 

»Ich dachte, du könntest mir vielleicht aushelfen«, sagte sie bittend.

 

Er schaute auf seine Uhr.

 

»Da muß ich mich aber anstrengen. Man kann achttausend Pfund in bar nicht in zwei Stunden beschaffen. Gordons Geld liegt auf deiner Bank?«

 

Sie nickte.

 

»Ich will Dempsi durch einen besonderen Boten einen Scheck schicken. Er wohnt in einem kleinen Hotel in der Edgware Road.«

 

»Hat er denn das Geld von dir verlangt?«

 

»Nein, nicht direkt. Er machte eine Bemerkung, woraus ich das schloß. Mein Gewissen hat sich geregt.« Sie nahm ihr Taschentuch und fächelte sich damit.

 

Bobby schloß die Banknoten in den Geldschrank.

 

»Ich will sehen, was ich tun kann. Darf ich mal telefonieren?«

 

Sie nickte.

 

»Du kannst alles tun, was du willst – nur bitte mich nicht, Dempsi zu heiraten«, sagte sie müde.

 

Zuerst rief er bei seiner Bank an, aber sein Gespräch war nicht sehr ermutigend. Bobby hatte in den letzten Tagen große Rechnungen bezahlt und sein Guthaben etwas überzogen. Als er dem Direktor den Vorschlag machte, noch mehr Kredit in Anspruch zu nehmen, war dieser nicht sehr erbaut davon. Nach Bobbys drittem erfolglosem Versuch kam Eleanor mit einem Telegramm herein. Diana öffnete es schnell. »Wir sind gerettet!« rief sie.

 

»Was ist denn?« Bobby nahm ihr das Formular aus der Hand.

 

Es kam aus Paris und war von dem Sekretär des Amerikaners unterzeichnet.

 

»Mr. Tilmet schwer an Grippe erkrankt, kann nicht vor vierzehn Tagen nach London kommen.«

 

»Gott sei Dank!« Bobby wischte sich den Schweiß von der Stirn.

 

»Ich will das Geld lieber mitnehmen, Diana. Ich habe so eine Ahnung, daß es hier nicht gut aufgehoben ist.« Sie antwortete ihm nicht, sondern öffnete eine Schublade des Schreibtisches und zog ihren Browning heraus.

 

»Einbrecher sind meine Spezialität«, sagte sie nur.

 

»Aber leg doch diese Mordwaffe beiseite, ich hätte niemals gedacht, daß du so blutdürstig bist!«

 

»Ja, das bin ich! Augenblicklich könnte ich tatsächlich jemand umbringen!« Sie dachte an Dempsi. »Nun, was gibt es, Eleanor?«

 

»Wollen Sie jetzt Mr. Superbus sprechen?«

 

»Ich wußte ja gar nicht, daß er hier war. Lassen Sie ihn bitte näher treten.«

 

Mr. Superbus stolzierte wie ein alter Senator ins Zimmer und wurde Bobby vorgestellt. Offenbar wollte er mit Diana allein sprechen, aber sie erklärte ihm, in welchen verwandtschaftlichen Beziehungen sie zu Bobby stehe.

 

»Es tut mir sehr leid, daß ich Mr. Selsbury nicht mehr getroffen habe. Ich habe gestern abend ganz bestimmte Nachrichten von meinem Geheimagenten über gewisse Leute erhalten.«

 

»Meinen Sie etwa den Doppelgänger?«

 

Diana lachte plötzlich, sie hatte ja im Augenblick keine Sorgen mehr.

 

»Das ist nicht zum Lachen, Miss.« Mr. Superbus schüttelte den Kopf und setzte sich dann würdevoll. »Nein, wirklich nicht, es ist sehr ernst, Madam – Miss! Wenn er jetzt hier zur Tür hereinkäme, würden Sie sicher denken, es sei Ihr Vater!«

 

Diana hob abwehrend die Hand.

 

»Kann ich Ihnen wenigstens nebenbei erklären, daß Mr. Selsbury nicht mein Vater ist?«

 

Julius gab ihr gnädig die Erlaubnis dazu.

 

»Dieser Doppelgänger ist wirklich wunderbar! Ich gab noch heute morgen meiner Frau Verhaltungsmaßregeln. Wenn sie einen Kerl sieht, der mir aufs Haar gleicht und in das Haus eindringen will, während ich fort bin, muß sie ihn zuerst das Hemd ausziehen lassen – ich habe nämlich ein Muttermal auf meiner Schulter.«

 

Diana wandte sich an Bobby.

 

»Warum sollte er denn ausgerechnet hierherkommen?« fragte Bobby, obgleich er sehr wohl wußte, daß der Inhalt des Geldschrankes einen Besuch rechtfertigen würde.

 

»Das sagen die Leute immer vorher. Aber der Doppelgänger weiß stets, warum er kommt. Meine Frau meinte auch, warum er denn gerade zu uns kommen solle – sagen Sie einmal, was ist denn in dem Geldschrank? Doch nicht etwa wertvolle Dinge?«

 

»Da ist nicht viel drin«, erklärte Diana hastig. »Erzählen Sie uns doch noch etwas mehr von diesem Menschen.«

 

Mr. Superbus lächelte selbstgefällig.

 

»Ich bin die größte lebende Autorität über ihn«, erwiderte er bescheiden. »Er ist ein sehr gerissener Junge und arbeitet immer mit einem Mädchen zusammen. Ich weiß es nicht genau, aber nehmen Sie einmal an, daß sie seine Frau ist. Sie hat die Aufgabe, vorher den Mann auszuholen, den der Doppelgänger berauben will. Verstehen Sie mich?«

 

»Ja, sie ist so eine Art Lockvogel, die das Opfer auskundschaftet.«

 

»Nur auskundschaften?! Das versteht sie bestimmt aus dem Effeff. Aber es wäre viel leichter, Ihnen das alles zu erklären, wenn Sie eine verheiratete Frau wären.«

 

»Bilden Sie sich einmal ein, ich wäre das. Sie muß ihn natürlich sehr genau kennenlernen?«

 

»Ja, sie muß mit ihm eine Freundschaft – eine Art Verhältnis anfangen.«

 

»Ist das immer der Fall?« unterbrach ihn Bobby. »Den alten Smith haben sie doch auf diese Art und Weise nicht hereingelegt? Der ist doch schon fünfundsechzig!«

 

Mr. Superbus amüsierte sich.

 

»Aber natürlich! Die Leute von fünfundsechzig an sind ja oft die allertollsten! Mit denen können die Weiber machen, was sie wollen. Sie macht sich am liebsten an Denker heran. Sie kann sich sehr gut benehmen und hat eine gebildete Sprache – Sie wissen ja, wie guterzogene Damen reden.«

 

»Gibt sie sich als verheiratet aus?« fragte Diana.

 

»Ja, es ist immer ein Gatte im Hintergrund. Manchmal lebt er außer Landes, manchmal ist er in einer Irrenanstalt, auf jeden Fall ist er zunächst einmal nicht da.«

 

Bobby schwankte und hielt sich an der Tischkante fest. Glücklicherweise bemerkte es Diana in ihrer Aufregung nicht.

 

»Und wie geht die Sache weiter?« Diana war nervös geworden.

 

»Nun, sie sorgt dafür, daß er wegkommt. Sie lockt ihn irgendwohin, man kann es gar nicht anders nennen. Und während die beiden nun fort sind, erscheint der Doppelgänger als der Abgereiste, er hat genau seine Stimme, alle Einzelheiten sind bis ins letzte kopiert. Das Mädchen hat ja wochen- oder monatelang Zeit dazu, alles zu studieren und es dem Doppelgänger mitzuteilen. Verstehen Sie mich? Das habe ich alles selbst herausgebracht.«

 

»Ja, und was macht denn das Mädchen?« fragte Diana.

 

»Die zieht sich natürlich zurück. Sie schützt vor, daß ihr Mann unerwartet aus dem Ausland zurückgekommen ist, oder so etwas Ähnliches, aber sie richtet es schon so ein, daß das Opfer nicht nach Hause zurückkehren kann. Gewöhnlich hat er seinen Bekannten gesagt, daß er etwa vierzehn Tage fortbleiben wird, und dann kann er natürlich nicht ohne weiteres zurückkehren.«

 

»Das ist aber alles furchtbar gerissen eingefädelt«, sagte Diana entsetzt.

 

»Das habe ich auch immer behauptet«, erwiderte Mr. Superbus ernst. »Wenn sich ein Mann erst so weit mit einer Dame eingelassen hat –«

 

»Aber jedenfalls brauchen wir uns in dieser Beziehung keinerlei Sorgen über Mr. Selsbury zu machen.« Diana lächelte beruhigt.

 

Aber Mr. Superbus schien nicht ganz ihrer Meinung zu sein, denn er war sehr beunruhigt. Er sah sich geheimnisvoll um.

 

»Ist Mr. Selsbury schon abgereist?«

 

Diana nickte.

 

»Wann will er denn zurückkommen?«

 

»Etwa in einer Woche.«

 

Superbus fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

 

»Ja, das ist nun eine sehr delikate Angelegenheit – ich bin ja ein verheirateter Mann, Madam – Miss. Ist er auf eine Geschäftsreise gegangen oder –«

 

»Oder?«

 

»Ich meine – hat man ihn nicht vielleicht von hier weggelockt ihn wegbugsiert?«

 

Diana lachte.

 

»Nein, da können Sie ohne Sorge sein. Mr. Selsbury läßt sich nicht wegbugsieren.« Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Wie sieht denn die Frau aus, die mit dem Doppelgänger zusammenarbeitet? Ist sie sehr schön?«

 

»Ach ja, sie wird im allgemeinen so beschrieben.«

 

»Gehst du fort, Bobby?«

 

Bobby folgte dem Detektiv aus dem Zimmer.

 

»Ja, ich habe jetzt eine wichtige Unterredung«, sagte er ein wenig zusammenhanglos. Es war immer noch Zeit, Gordon zurückzuhalten, und er hatte sich zu dieser äußersten Maßnahme entschlossen.

 

Nachdem Bobby gegangen war, klingelte Diana. Als Eleanor eintrat, saß sie am Schreibtisch und löschte gerade ein Kuvert ab.

 

»Ziehen Sie sich an, Eleanor, und geben Sie diesen Brief im Marble-Arch-Hotel ab. Nehmen Sie ein Auto.«

 

»Jawohl, Madam«, sagte Eleanor erstaunt.

 

»Fragen Sie, ob Sie Mr. Dempsi sprechen können.«

 

Diana machte den Versuch, vollständig gleichgültig zu erscheinen, es gelang ihr aber vollkommen vorbei.

 

»Wenn er den Brief küßt oder irgend etwas Derartiges tut brauchen Sie nicht erstaunt zu sein – der Herr ist sehr impulsiv es ist auch möglich, daß er Sie selbst küßt!«

 

»Wirklich?«

 

»Aber er denkt sich nichts dabei.« Diana war sehr diplomatisch und baute vor. »Er hat die Angewohnheit, alle Leute zu küssen, wenn er sie sieht. Ich wäre nicht einmal erstaunt, wenn er mich selbst küssen würde, wenn er hierherkommt. Wir sind alte Freunde – und in Australien macht man das so.«

 

»Ach, das ist aber interessant«, erwiderte Eleanor. Ihr Interesse an Australien war erwacht.

 

»Ich fürchte, daß Mr. Selsbury das nicht verstehen würde«, fuhr Diana gleichgültig fort. »Manche Männer haben einen furchtbar engen Horizont. Wenn Sie ihm das erzählten –«

 

»Ich würde mir nicht im Traume einfallen lassen, zu Mr. Selsbury darüber zu sprechen«, entgegnete Eleanor etwas beleidigt.

 

Sie kam noch einmal herein, bevor sie fortging.

 

»Entschuldigen Sie, Miss Ford, aber wenn es passieren sollte, daß mich dieser fremde Herr küßt, dürfte ich Sie dann bitten, Mr. Trenter gegenüber nichts davon zu erwähnen?«

 

»Darauf können Sie sich verlassen – wir Frauen müssen doch zusammenhalten.«

 

Sie schaute Eleanor nach, bis sie außer Sicht gekommen war, dann warf sie sich in ihren Stuhl zurück. Die Zeitungen lagen noch alle ungelesen auf dem Schreibtisch, und sie nahm eine auf, um sich zu zerstreuen. Aber es gelang ihr nicht. Plötzlich hörte sie ein Klopfen und wandte sich um. Es schien aber nicht von der Tür, sondern vom Fenster herzukommen. Man könnte einen kleinen, viereckigen Teil des unteren Fensters öffnen. Sie schaute näher hin und sah den Schatten eines Kopfes dort.

 

»Wer ist dort?« fragte sie.

 

Dann hörte sie eine Stimme, die sie bis ins Innerste traf.

 

»Erkennst du meine Stimme nicht, Geliebte?«

 

»Giuseppe Dempsi!« sagte sie atemlos. »Du darfst nicht hereinkommen! Onkel Artur ist nicht zu Hause, und ich kann dich nicht empfangen!«

 

Mit äußerster Willensanstrengung öffnete sie das Fenster und schaute in ein bärtiges Gesicht und in glänzende Augen. Mr. Dempsi trug einen breitkrempigen Hut, den er ins Gesicht geschoben hatte, und um seine Schultern hing ein langes, schwarzes Cape – er hätte direkt von einer Opernbühne entlaufen sein können.

 

»Ich – ich kann dich jetzt nicht sehen – wirklich, ich kann nicht! Kannst du nicht nächsten Mittwoch wiederkommen?«

 

Das war also Dempsi! Sie sah dunkel einige Ähnlichkeit mit dem bartlosen jungen Mann, den sie gekannt hatte. Diese wildblitzenden Augen, diese heftigen Bewegungen – das war er!

 

»Diana«, rief er leidenschaftlich, »ich bin aus dem Grabe zurückgekommen, um meine alten Rechte an dich geltend zu machen!«

 

»Ja, ja, ich weiß, aber nicht jetzt«, sagte sie ganz verzweifelt. »Geh bis drei Uhr zu deinem Grab zurück, dann werde ich dich sprechen können.«

 

Der Schatten verschwand. Wie mochte er nur dort hingekommen sein? Sie sah, wie er mit einer Behendigkeit über die Mauer kletterte, die sie bei anderer Gelegenheit sicherlich bewundert hätte. Langsam ging sie auf ihr Zimmer hinauf, schloß sich ein und setzte sich müde auf ihr Bett.

 

Früher einmal hatte ihre Tante einen Revolver geladen, um diesen Dempsi zu erschießen. Die Tränen kamen ihr in die Augen.

 

»Liebe Tante«, schluchzte sie, »du hast doch eine große Menschenkenntnis gehabt!«