D’Artagnan grüßte, entfernte sich und lief heim, um Porthos die Botschaft zu bringen.

Trotz der Aufregung, die immer noch in der Stadt nachzitterte, bot das Palais-Royal, als d’Artagnan gegen fünf Uhr abends dahin ging, ein sehr heiteres Schauspiel. Darüber durfte man sich nicht wundern; die Königin hatte Broussel und Blancmesnil dem Volke zurückgegeben. Sie hatte jetzt nichts mehr zu befürchten, denn das Volk hatte nichts mehr zu verlangen.

Es fand ein kleines Festmahl statt, wobei die Rückkehr des Siegers von Lens als Vorwand diente. Die Prinzen und Prinzessinnen wurden eingeladen; ihre Karossen füllten den Hof seit Mittag. Nach dem Mahle sollte Spiel bei der Königin sein.

Anna von Österreich strahlte an diesem Tag von Geist und Anmut; nie hatte man sie so heiterer Laune gesehen. Die lockende Rache glänzte in ihren Augen und umspielte ihre Lippen. Im Augenblick, wo man von der Tafel aufstand, verschwand Mazarin. D’Artagnan war bereits an seinem Posten und erwartete ihn im Vorzimmer. Der Kardinal erschien mit lachender Miene, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in sein Kabinett.

Mein lieber Herr d’Artagnan, sagte der Minister, sich setzend, ich will Euch den größten Beweis von Vertrauen geben, den ein Minister einem Offizier geben kann.

D’Artagnan verbeugte sich und erwiderte: Ich hoffe, daß Monseigneur ihn mir ohne Hintergedanken und mit der Überzeugung gibt, daß ich desselben würdig bin. – Die Königin hat beschlossen, mit dem König eine kleine Reise nach Saint-Germain zu machen. – Ah, ah! rief d’Artagnan, das heißt, die Königin will Paris verlassen? – Ihr begreift, Weiberlaune. – Ja, ich begreife sehr gut. – Deshalb ließ sie Euch diesen Morgen kommen und beauftragte Euch, heute abend um fünf Uhr abermals zu erscheinen. Man hat auf Euch die Augen geworfen, um den König und die Königin nach Saint-Germain zu bringen. – Doppelter Schelmenstreich! sprach d’Artagnan zu sich selbst. – Ihr seht wohl, versetzte Mazarin, als er das gleichgültige Wesen d’Artagnans wahrnahm, daß das Heil des Staates in Euern Händen ruhen wird. – Ja, Monseigneur, und ich fühle die ganze Verantwortlichkeit eines solchen Auftrags. – Ihr übernehmt ihn jedoch? – Ich willige stets ein. – Haltet Ihr die Sache für möglich? – Alles ist möglich. – Glaubt Ihr, Ihr werdet auf dem Wege angegriffen werden? – Es ist wahrscheinlich. – Was werdet Ihr in diesem Falle tun? – Ich werde durchbrechen. – Und wenn Ihr nicht durchbrecht? – Dann geht es den Angreifern schlecht, dann reite ich über sie weg. – Und Ihr bringt den König und die Königin wohlbehalten nach Saint-Germain? – Ja. – Bei Eurem Leben? – Bei meinem Leben. – Ihr seid ein Held, mein Teurer! sprach Mazarin und betrachtete den Musketier voll Bewunderung. – Und ich? sagte Mazarin nach kurzem Stillschweigen, d’Artagnan fest anschauend. – Wie, Ihr, Monseigneur? – Und ich, wenn ich reisen will? – Das wird schwierig sein. – Wieso? – Ew. Eminenz kann erkannt werden. – Selbst unter dieser Verkleidung? sagte Mazarin.

Und er hob einen Mantel auf, der ein Fauteuil bedeckte, auf dem ein vollständiger perlgrauer und granatfarbiger, ganz mit Silber verbrämter Reiteranzug lag.

Wenn Ew. Eminenz sich verkleidet, wird die Sache leichter.

Mazarin gab aufatmend ein gedehntes Ah! von sich.

Aber man wird tun müssen, was Ew. Eminenz, wie sie uns einst sagte, an unserer Stelle getan hätte. – Was meint Ihr? – Man muß Nieder mit Mazarin! schreien. – Ich werde schreien. – Aber in gutem Französisch, gebt wohl auf den Akzent acht. – Ich werde mein möglichstes tun. – Es sind viele bewaffnete Leute auf den Straßen, fuhr d’Artagnan fort; seid Ihr überzeugt, daß niemand den Plan der Königin kennt? – Ich traue nicht jedermann, sagte Mazarin lebhaft; zum Beweise mag dienen, daß ich Euch zu meinem Geleitsmann ausersehen habe. – Reist Ihr nicht mit der Königin? – Nein. – Dann reist Ihr nach der Königin? – Nein, erwiderte Mazarin. – Ah! rief d’Artagnan, der zu begreifen anfing. – Ja, ich habe meine Pläne, fuhr Mazarin fort; gehe ich mit der Königin, so verdopple ich ihre schlimmen Aussichten; nach ihrer Abreise verdoppeln sich meine; weiter … ist der Hof einmal gerettet, so kann man mich vergessen; die Großen sind undankbar. – Das ist wahr, sagte d’Artagnan und warf unwillkürlich einen Blick auf den Diamanten der Königin, den Mazarin am Finger trug.

Mazarin folgte der Richtung dieses Blickes und drehte sacht den Stein des Ringes nach innen.

Ich will daher vor ihnen abreisen, und Ihr werdet also vor allen Dingen mich aus Paris bringen, nicht wahr, mein lieber Herr d’Artagnan? – Ein schwerer Auftrag, antwortete d’Artagnan wieder mit ernster Miene. – Aber, versetzte Mazarin und schaute ihn so aufmerksam an, daß ihm kein Ausdruck seiner Physiognomie entgehen konnte, aber Ihr habt in Betreff des Königs und der Königin diese Einwendungen nicht gemacht?

Der König und die Königin sind mein König und meine Königin, Monseigneur, antwortete der Musketier, mein Leben gehört ihnen, ich bin es ihnen schuldig. Sie verlangen es von mir, ich habe nichts zu sagen.

Das ist richtig, murmelte Mazarin ganz leise, aber da dein Leben nicht mir angehört, muß ich es dir abkaufen, nicht wahr?

Und er begann mit einem Seufzer den Stein des Ringes nach außen zu drehen. D’Artagnan lächelte.

Doch Ihr begreift, sprach Mazarin, wenn ich diesen Dienst von Euch verlange, so geschieht es mit der Absicht, dankbar dafür zu sein.

Ist Monseigneur erst bei der Absicht?

Nehmt, sagte Mazarin, den Ring von seinem Finger ziehend, hier ist ein Diamant, der einst Euch gehört hat; es ist billig, daß er zu Euch zurückkehre; nehmt, ich bitte.

D’Artagnan machte Mazarin nicht die Mühe, in ihn dringen zu müssen; er nahm ihn, schaute den Stein an, ob es gewiß derselbe sei, und steckte den Ring, nachdem er sich von der Reinheit des Wassers überzeugt hatte, mit einem unbeschreiblichen Vergnügen an seinen Finger.

Ich hielt große Stücke darauf, sagte Mazarin, den Diamanten mit einem letzten Blick begleitend, aber gleichviel, es macht mir Freude, ihn Euch zu geben. – Und ich, Monseigneur, versetzte d’Artagnan, ich nehme ihn, wie er mir gegeben wird. Sprechen wir nun von Euern Angelegenheiten. Ihr wollt vor allen anderen abreisen? – Ja, es ist mir viel daran gelegen. – Um welche Stunde? – Um zehn Uhr. – Und die Königin? – Um Mitternacht. – Dann ist es möglich; ich bringe Euch aus Paris, ich lasse Euch vor der Barriere und kehre zurück, um sie abzuholen. – Vortrefflich; aber wie wollt Ihr mich aus Paris bringen? – Oh! da müßt Ihr mich machen lassen. – Ich gebe Euch Vollmacht, nehmt eine Eskorte so stark, als Ihr wollt.

D’Artagnan schüttelte den Kopf.

Aber wie wollen wir dann zu Werke gehen? – Ihr müßt mich machen lassen, Monseigneur, – Hm! brummte Mazarin. – Ihr müßt mir die Leitung des ganzen Unternehmens übergeben. – Doch … – Oder einen andern damit beauftragen, sagte d’Artagnan, den Rücken drehend. – Ah! sprach Mazarin ganz leise, ich glaube, er geht mit meinem Diamanten.

Und er rief ihn zurück.

Herr d’Artagnan, mein lieber Herr d’Artagnan, sprach Mazarin mit schmeichelndem Tone. – Monseigneur? – Steht Ihr mir für alles? – Ich stehe für nichts; ich werde mein möglichstes tun. – Euer möglichstes? – Ja. – Nun wohl, ich verlasse mich auf Euch. – Das ist ein Glück, sagte d’Artagnan zu sich selbst. – Ihr werdet also um halb zehn Uhr hier sein? – Und ich finde Ew. Eminenz bereit? – Ganz gewiß. – Abgemacht also. Will mich Monseigneur nun zu der Königin führen?

Nun gut, sagte Mazarin nach einigem Zögern, d’Artagnans unerschütterlichem Willen nachgebend, ich will Euch führen, aber kein Wort von unserer Unterredung. – Was unter uns gesprochen worden ist, geht nur uns an, Monseigneur. – Ihr schwört mir, stumm zu sein? – Ich schwöre nie, Monseigneur. Ich sage ja oder nein und halte mein Wort als Edelmann. – Ich sehe, daß ich mich ganz unbedingt Euch anvertrauen muß. – Glaubt mir, das ist das beste, Monseigneur. – Kommt.

Mazarin ließ d’Artagnan in das Betzimmer der Königin eintreten und hieß ihn warten. Nach fünf Minuten erschien die Königin in großer Gala.

Ihr seid es, Herr d’Artagnan? sagte sie freundlich lächelnd; ich danke Euch, daß Ihr darauf bestanden habt, mich zu sehen. – Ich bitte Ew. Majestät um Verzeihung, erwiderte d’Artagnan, aber ich wollte ihre Befehle nur aus ihrem eigenen Munde empfangen. – Ihr wißt, um was es sich handelt? – Ja, Madame. – Ihr übernehmt den Auftrag, den ich Euch anvertraue? – Dankbar übernehme ich den Auftrag. – Gut, seid um Mitternacht hier. – Ich werde mich einfinden. – Herr d’Artagnan, ich kenne Euren uneigennützigen Charakter zu gut, um in diesem Augenblick von meiner Dankbarkeit zu sprechen, aber ich schwöre Euch, daß ich diesen zweiten Dienst nicht vergessen werde, wie ich den ersten vergessen habe. – Es steht Ew. Majestät frei, sich zu erinnern und zu vergessen, und ich weiß nicht, was sie damit sagen will, erwiderte d’Artagnan sich verbeugend. – Geht, mein Herr, sprach die Königin mit ihrem bezauberndsten Lächeln, geht und kehrt um Mitternacht zurück.

Um halb zehn Uhr trat d’Artagnan in das Vorzimmer des Kardinals; Bernouin wartete und führte ihn ein.

Er fand den Kardinal in Reitertracht. Mazarin sah sehr gut aus in dieser Kleidung, die er mit großer Leichtigkeit trug; er war nur bleich und zitterte ein wenig.

Ganz allein? fragte Mazarin. – Ja, Monseigneur. – Und der gute Herr du Vallon, werden wir uns seiner Gesellschaft nicht erfreuen? – Allerdings, Monseigneur, er wartet in seinem Wagen. – Wo? – Am Gartentor vom Palais-Royal. – Wir reisen also in seinem Wagen? – Ja, Monseigneur. – Und ohne anderes Geleite als Euch beide? – Ist das nicht genug? Einer von beiden würde hinreichen. – In der Tat, mein lieber Herr d’Artagnan, sagte Mazarin, Ihr erschreckt mich mit Eurer Kaltblütigkeit. – Ich hätte eher geglaubt, sie müßte Euch Vertrauen einflößen. – Und kann ich Bernouin mitnehmen? – Es ist kein Platz für ihn, er kann Ew. Eminenz nachfolgen. – Gut, sagte Mazarin, da ich in allem tun muß, wie Ihr es haben wollt. – Monseigneur, es ist noch Zeit zurückzutreten, und Ew. Eminenz ist vollkommen frei. – Nein, nein, gehen wir.

Beide stiegen die geheime Treppe hinab; Mazarin stützte sich dabei auf d’Artagnan, und der Musketier fühlte, wie der Arm des Kardinals zitterte.

Sie durchschritten die Höfe des Palais-Royal, wo noch einige Wagen verspäteter Gäste aufgestellt waren, erreichten den Garten und gelangten zu der kleinen Tür.

Mazarin versuchte, sie mit Hilfe eines Schlüssels, den er aus der Tasche zog, zu öffnen, aber seine Hand zitterte dergestalt, daß er das Schlüsselloch nicht finden konnte.

Gebt, sagte d’Artagnan.

Mazarin gab ihm den Schlüssel, d’Artagnan öffnete und steckte dann den Schlüssel in seine Tasche; er gedachte auf diesem Weg zurückzukehren.

Der Fußtritt war heruntergelassen, der Kutschenschlag offen; Mousqueton stand am Schlag, Porthos saß im Wagen.

Steigt ein, Monseigneur, sprach d’Artagnan.

Mazarin ließ sich das nicht zweimal sagen und sprang in den Wagen.

D’Artagnan stieg hinter ihm ein; Mousqueton schloß den Schlag wieder und schwang sich mit vielen Seufzern hinter dem Wagen auf; er hatte einige Einwendungen gegen die Reise erhoben, unter dem Vorwand, seine Wunde schmerze ihn noch, aber d’Artagnan entgegnete ihm: Bleibt, wenn Ihr wollt, mein lieber Herr Mouston, aber ich mache Euch darauf aufmerksam, daß Paris in dieser Nacht abgebrannt wird.

Darauf hatte Mousqueton nichts mehr verlangt, sondern sich vielmehr bereit erklärt, seinem Gebieter und Herrn d’Artagnan bis ans Ende der Welt zu folgen.

Der Wagen ging in einem anständigen Trab, der nicht entfernt verriet, daß er Menschen enthielt, die große Eile hatten. Der Kardinal trocknete sich die Stirn mit seinem Taschentuch ab und schaute um sich her.

Er hatte zu seiner Linken Porthos, zu seiner Rechten d’Artagnan. Jeder bewachte einen Schlag, jeder diente ihm als Wall.

Auf dem Vordersitz lagen zwei Paar Pistolen, eines vor Porthos, ein anderes vor d’Artagnan; die Freunde hatten überdies ihre Degen an der Seite.

Hundert Schritte vom Palais-Royal hielt eine Patrouille den Wagen an.

Wer da? rief der Führer.

Mazarin! antwortete d’Artagnan und brach in ein schallendes Gelächter aus. Dem Kardinal standen die Haare zu Berge. Der Spaß kam den Bürgern beim Anblick dieses ohne Bewaffnete und ohne Geleite fahrenden Wagens vortrefflich vor.

Glückliche Reise! riefen sie und ließen den Wagen vorüberziehen.

Nun, sagte d’Artagnan, was denkt Monseigneur von dieser Antwort?

Ihr seid ein Mann von Geist! rief Mazarin.

Richtig, sprach Porthos, ich begreife.

Gegen die Mitte der Rue des Petits-Champs hielt eine zweite Patrouille den Wagen an.

Wer da? rief der Anführer.

Rückt zurück, Monseigneur, sagte d’Artagnan.

Mazarin schob sich dergestalt zwischen die zwei Freunde, daß er gänzlich hinter ihnen verschwand.

Wer da? wiederholte dieselbe Stimme ungeduldig.

D’Artagnan merkte zugleich, daß man die Pferde anhielt.

Er beugte sich mit dem halben Leib zum Wagen hinaus und rief: He! Planchet.

Der Führer näherte sich; es war wirklich Planchet. D’Artagnan hatte die Stimme seines ehemaligen Lakaien wiedererkannt.

Wie, Herr, Ihr seid es? sagte Planchet.

Ei, mein Gott, ja, mein Freund. Der liebe Porthos hat einen Degenstich bekommen, und ich führe ihn nach seinem Landhaus in Saint-Cloud.

Oh! wirklich? rief Planchet.

Porthos, versetzte d’Artagnan, teurer Porthos, wenn Ihr noch sprechen könnt, so sagt ein Wort zu diesem guten Planchet. Planchet, mein Freund, sprach Porthos mit gepreßter Stimme, ich bin sehr krank, und wenn du einen Arzt findest, so mach mir das Vergnügen, ihn zu mir zu schicken.

Ah! großer Gott, rief Planchet, welch ein Unglück! Wie ist es denn geschehen?

Ich werde es dir später erzählen, sprach Mousqueton.

Porthos stieß einen Seufzer aus.

Mach uns Platz, Planchet, sagte d’Artagnan ganz leise, oder er kommt nicht mehr lebendig nach Hause: die Lunge ist verletzt, mein Freund.

Planchet wandte sich gegen seine Mannschaft um und sagte: Laßt den Wagen vorbei, es sind Freunde.

Der Wagen fuhr weiter, und Mazarin wagte wieder zu atmen.

Bricconi (Schurken)! murmelte er.

Einige Schritte, ehe man zu der Porte Saint-Honoré kam, begegnete man einer dritten Gruppe; diese bestand aus Menschen von schlimmem Aussehen, die eher Banditen, als sonst etwas glichen; es waren die Leute des Bettlers von Saint-Eustache.

Aufgepaßt, Porthos, sagte d’Artagnan.

Porthos streckte die Hand nach seinen Pistolen aus.

Was gibt es? fragte Mazarin.

Monseigneur, ich glaube, wir sind in schlechter Gesellschaft.

Ein Mann trat, eine Art Sense in der Hand haltend, an den Kutschenschlag.

Wer da? fragte dieser Mann.

Ei, Bursche, sagte d’Artagnan, erkennt Ihr den Wagen des Prinzen nicht?

Prinz oder nicht, erwiderte der andere, öffnet! Wir haben die Torwache, und niemand kommt durch, ohne daß wir wissen, wer es ist.

Was ist zu tun? fragte Porthos.

Bei Gott, nichts anders, als fortzufahren, erwiderte d’Artagnan.

Wie dies? sagte Mazarin.

Mitten durch oder drüber weg. Kutscher im Galopp!

Der Kutscher hob die Peitsche.

Keinen Schritt mehr, sprach der Mann, welcher der Führer zu sein schien, oder ich schneide Euern Pferden die Sehnen durch.

Verdammt! versetzte Porthos, das wäre schade, die Tiere kosten mich zweihundert Pistolen.

Ich bezahle sie Euch doppelt, sagte Mazarin.

Ja, aber wenn man ihnen die Sehnen durchgeschnitten hat, so schneidet man uns den Hals ab.

Es kommt einer auf meine Seite, sprach Porthos; soll ich ihn töten?

Ja, mit einem Faustschlag, wenn Ihr könnt; wir wollen erst in der äußersten Not Feuer geben.

Ich kann es, erwiderte Porthos.

Kommt und öffnet also, sagte d’Artagnan zu dem Mann mit der Sense, nahm dann eine seiner Pistolen beim Lauf und schickte sich an, mit dem Kolben dreinzuschlagen.

Der Mann näherte sich; während er sich aber näherte, legte sich d’Artagnan, um freier in seinen Bewegungen zu sein, halb aus dem Schlage heraus; seine Augen hefteten sich auf die des Bettlers, den der Schimmer einer Laterne beleuchtete.

Ohne Zweifel erkannte er den Musketier, denn er wurde sehr bleich; ohne Zweifel erkannte d’Artagnan auch ihn, denn seine Haare sträubten sich auf dem Haupte.

Herr d’Artagnan! rief er, einen Schritt zurückweichend, Herr d’Artagnan! Laßt den Wagen vorbei.

Vielleicht war d’Artagnan im Begriff, zu antworten, als ein Schlag ertönte, wie wenn eine Keule auf den Schädel eines Ochsen fällt: Porthos hatte seinen Mann tot zu Boden gestreckt.

D’Artagnan wandte sich um und sah den Unglücklichen vier Schritte vom Wagen auf der Erde liegen.

Im stärksten Galopp! rief er dem Kutscher zu. Angetrieben! Zugefahren!

Der Kutscher versetzte seinen Pferden einen mächtigen Peitschenhieb. Die edlen Tiere sprangen auf. Man hörte ein Geschrei, wie von Menschen, die niedergeworfen werden. Dann fühlte man einen doppelten Stoß; zwei Räder waren über einen biegsamen, runden Körper gegangen.

Es wurde ein Augenblick still. Der Wagen fuhr aus dem Tore.

Nach dem Cours-la-Reine, rief d’Artagnan dem Kutscher zu.

Dann wandte er sich gegen Mazarin und sagte:

Jetzt, Monseigneur, könnt Ihr fünf Pater und fünf Ave beten, um Gott für Eure Befreiung zu danken. Ihr seid gerettet, Ihr seid frei!

Mazarin antwortete nur durch eine Art von Gestöhn; er konnte kaum an ein solches Wunder glauben. Fünf Minuten nachher hielt der Wagen an: er war bei dem Cours-la-Reine angelangt.

Ist Monseigneur mit seiner Eskorte zufrieden? fragte der Musketier.

Entzückt, mein Herr, antwortete Mazarin, und er wagte es endlich, den Kopf ein wenig aus dem Schlage zu legen; nur tut ebensoviel für die Königin.

Das wird weniger schwierig sein, sagte d’Artagnan zu Boden springend. Herr du Vallon, ich empfehle Euch Seine Eminenz.

Seid unbesorgt! sprach Porthos, die Hand ausstreckend.

D’Artagnan nahm Porthos‘ Hand und schüttelte sie.

Adieu! rief Porthos.

Was habt Ihr denn? – Ich glaube, ich habe mir das Faustgelenk verstaucht, erwiderte Porthos. – Den Teufel, Ihr schlagt auch wie verrückt drauf. – Ich mußte wohl, mein Mann wollte eine Pistole auf mich abdrücken; aber Ihr, wie habt Ihr Euch des Eurigen erledigt? – Oh! der meinige, sagte d’Artagnan, das war kein Mensch. – Was war es denn? – Ein Gespenst. – Und … – Ich habe es beschworen.

D’Artagnan nahm ohne weitere Erklärung die Pistolen, die auf dem Vordersitz lagen, steckte sie in seinen Gürtel, hüllte sich in seinen Mantel und wandte sich, da er nicht durch dieselbe Barriere zurückkehren wollte, durch die er herausgekommen war, nach der Porte Richelieu.