Als Broussel am andern Morgen in einem großen Wagen, seinen Sohn Louvières neben sich, nach Paris zurückkehrte, lief ihm alles Volk bewaffnet entgegen. Der Ruf: Es lebe Broussel! es lebe unser Vater! erscholl allenthalben und bereitete Mazarin Todesqualen. Von allen Seiten brachten die Spione des Kardinals und der Königin verdrießliche Nachrichten zurück, die den Minister in Erregung versetzten und die Königin sehr ruhig ließen; Anna von Österreich schien in ihrem Kopf einen großen Entschluß zur Reife zu bringen, was die Unruhe Mazarins noch verdoppelte. Er kannte ihren Stolz und fürchtete ihre Entschlüsse.

Der Koadjutor war, mehr König als der König, die Königin und der Kardinal zusammen, ins Parlament zurückgekehrt. Auf seinen Rat forderte ein Edikt des Parlaments die Bürger auf, die Waffen abzulegen und die Barrikaden zu zerstören; sie gehorchten, denn sie wußten jetzt, daß es nur einer Stunde bedurfte, um die Waffen wiederzuergreifen, und einer Nacht, um die Barrikaden wiederherzustellen.

Planchet war in seine Bude zurückgekehrt; er fürchtete sich nicht mehr vor dem Galgen, er war überzeugt, daß das Volk, sobald man Miene machen sollte, ihn zu verhaften, sich für ihn erheben würde, wie es sich für Broussel erhoben hatte.

Rochefort hatte dem Chevalier d’Humières seine Chevaulegers zurückgegeben; es fehlten zwei beim Appell; aber der Chevalier, der in seinem Innern Frondeur war, wollte nichts von einer Entschädigung wissen.

Der Bettler hatte seinen Platz im Vorhof von Saint-Eustache wieder eingenommen, teilte von neuem mit einer Hand sein Weihwasser aus und forderte mit der andern das Almosen, und niemand ahnte, daß diese Hände soeben den Grundstein des Königtums zum Wanken gebracht hatten.

Louvières war stolz und zufrieden; er hatte sich an Mazarin, den er verabscheute, gerächt und viel zur Befreiung seines Vaters aus dem Gefängnis beigetragen; sein Name war mit Schrecken im Palais-Royal genannt worden, und er sprach lächelnd zu dem seiner Familie zurückgegebenen Rate: Glaubt Ihr, mein Vater, wenn ich jetzt von der Königin eine Kompanie verlangte, sie würde mir eine geben?

D’Artagnan benutzte den Augenblick der Ruhe, um Raoul, den er während des Aufruhrs nur mit großer Mühe eingeschlossen gehalten hatte, zum Heere zurückgehen zu lassen.

Rochefort allein fand das Ende der Sache schlecht; er hatte dem Herzog von Beaufort geschrieben, er möge kommen; der Herzog mußte bald erscheinen und sollte Paris ruhig finden.

Er suchte den Koadjutor auf und fragte ihn, ob er nicht den Prinzen benachrichtigen solle, daß er seine Reise einzustellen habe; aber Gondy dachte einen Augenblick nach und erwiderte:

Laßt ihn seinen Weg fortsetzen. – Die Sache ist also noch nicht beendigt? sagte Rochefort. – Mein lieber Graf, wir sind erst beim Anfang. – Was bringt Euch zu diesem Glauben? – Meine Kenntnis des Charakters der Königin; sie wird nicht geschlagen bleiben wollen. – Sie bereitet also etwas vor? Ich hoffe es. – Sprecht, was wißt Ihr? – Ich weiß, daß sie an den Prinzen geschrieben hat, er möge in aller Eile von der Armee zurückkommen. – Ah! ah! sagte Rochefort, Ihr habt recht, man muß Herrn von Beaufort kommen lassen.

Am Abend des Tages, wo dieses Gespräch stattfand, verbreitete sich das Gerücht, der Prinz sei angelangt und die Königin hege finstere Pläne. In der Bürgerschaft tauchte der Gedanke auf, den König ins Stadthaus zu bringen und vom Koadjutor hinfort in einer dem Volk genehmen Weise erziehen und leiten zu lassen.

In der Nacht herrschte eine dumpfe Bewegung; am andern Morgen erschienen die grauen und schwarzen Mäntel, die Patrouillen bewaffneter Kaufleute und die Bettlerbanden wieder.

Die Königin hatte bis fünf Uhr morgens allein mit dem Prinzen eine Unterredung gehabt. Um fünf Uhr begab sie sich in Mazarins Kabinett. Hatte sie sich nicht niedergelegt, so war der Kardinal seinerseits bereits aufgestanden.

Er entwarf eine Antwort an Cromwell; sechs Tage waren von den zehn abgelaufen, die er von Mordaunt gefordert hatte.

Er überlas wohlgefällig den ersten Paragraphen seines Schreibens, als man an die Tür klopfte, die mit den Gemächern der Königin in Verbindung stand. Anna von Österreich konnte allein durch diese Tür kommen. Der Kardinal stand auf und öffnete.

Die Königin war im Negligé; aber das Negligé stand ihr gut, denn wie Diana von Poitiers und Ninon bewahrte Anna von Österreich das Vorrecht, stets schön zu bleiben; nur war sie an diesem Morgen schöner, als gewöhnlich, denn ihre Augen hatten den vollen Glanz, den eine innere Freude dem Blick verleiht.

Ja, Giulio, sagte sie, ich bin stolz und glücklich, denn ich habe das Mittel gefunden, diese Hydra zu ersticken.

Ihr seid eine große Politikerin, meine Königin, sprach Mazarin; nennt mir das Mittel.

Ihr wißt, sie wollen mir den König nehmen, sagte die Königin. – Ach ja, und mich hängen. – Sie werden den König nicht bekommen. – Und mich nicht hängen. – Hört! ich will ihnen meinen Sohn und mich selbst samt Euch entführen. Dieses Ereignis, das von heute bis morgen die ganze Gestalt der Dinge verändern wird, soll in Erfüllung gehen, ohne daß jemand außer Euch, mir und einer dritten Person davon erfährt. – Und wer ist diese dritte Person? – Der Prinz. – Er ist also angekommen, wie man mir sagte? – Gestern abend. – Und Ihr habt ihn gesehen? – Ich verlasse ihn soeben. – Er bietet seine Hand zu dem Unternehmen? – Der Rat kommt von ihm. – Und Paris? – Er hungert es aus und nötigt es, sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben. – Es fehlt dem Plan nicht an großartigem Charakter; nur sehe ich dabei ein Hindernis. Ich begreife die Wirkung, aber ich sehe das Mittel nicht, um dazu zu gelangen. – Ich werde es finden. – Ihr wißt, was der Krieg bedeutet, der heiße, erbitterte, unversöhnliche Bürgerkrieg? – Oh! ja, der Bürgerkrieg, sprach Anna von Österreich, ja, ich will diese Stadt in Asche legen, ich will das Feuer im Blute löschen, ein furchtbares Beispiel soll das Verbrechen und die Strafe verewigen. Paris! ich hasse es, ich verabscheue es! – Ganz schön, Anna, Ihr seid blutgierig; nehmt Euch in acht. Ihr bringt es dahin, daß man Euch enthauptet, meine schöne Königin, und das wäre schade! – Ihr scherzet? – Ich scherze nicht. Der Krieg mit einem ganzen Volke ist sehr gefährlich. Seht Euern Bruder Karl I. an. Es steht schlimm, sehr schlimm mit ihm. – Wir sind in Frankreich, und ich bin Spanierin. – Desto schlimmer, per Bacco! desto schlimmer! Wäret Ihr lieber eine Französin und ich ein Franzose, man würde uns beide weniger hassen. – Doch Ihr billigt mein Vorhaben? – Ja, wenn die Sache möglich ist. – Sie ist’s, sage ich Euch. Trefft Vorkehrungen zu Eurer Abreise. – Ich bin immer reisefertig; nur reise ich, wie Ihr wißt, niemals … und diesmal ebensowenig, als sonst. – Aber wenn ich reise, werdet Ihr auch reisen? – Ich werde es versuchen. – Ich sterbe vor Ungeduld über Eure Befürchtungen, Giulio; vor was habt Ihr denn Angst? – Vor vielen Dingen. – Vor welchen?

Mazarins spöttisches Gesicht wurde düster, er nahm die Königin bei der Hand und führte sie an das Fenster.

Nun? sagte die Königin in ihrer blinden Starrköpfigkeit.

Nun? was seht Ihr von diesem Fenster aus? Bürger mit Panzern, Helmen und mit guten Musketen bewaffnet, wie zur Zeit der Liga; sie betrachten das Fenster so scharf, daß sie Euch sehen werden, wenn Ihr den Vorhang so hoch aufhebt. Kommt nun an das andere Fenster. Was seht Ihr? Leute aus dem Volke, mit Hellebarden bewaffnet, bewachen Eure Tore. An jeder Öffnung des Palastes, an die ich Euch führen werde, könnt Ihr ebensoviele sehen. Eure Türen sind bewacht, die Luftlöcher Eurer Keller sind bewacht, und ich sage Euch, was mir der gute La Ramée von Herrn von Beaufort sagte, wenn Ihr nicht ein Vogel oder eine Maus seid, kommt Ihr nicht hinaus.

Ich bin also eine Gefangene hier?

Bei Gott, sprach Mazarin, seit einer Stunde beweise ich Euch dies.

Zitternd vor Zorn, rot über die Demütigung, verließ Anna das Kabinett und schlug die Tür mit der größten Heftigkeit hinter sich zu. Mazarin wandte nicht einmal den Kopf um.

In ihre Gemächer zurückgekehrt, sank die Königin auf einen Stuhl und fing an zu weinen.

Aber plötzlich kam ihr ein Gedanke; sie erhob sich und rief:

Ich bin gerettet, o ja, ja! ich kenne einen Menschen, der mich aus Paris zu bringen vermag, einen Menschen, den ich nur zu lange vergessen habe.

Und sie lief an einen Tisch, nahm Feder und Papier und fing an zu schreiben.