Der Oberintendant traf am Abend in Nantes ein, und noch an demselben Abend, gegen zehn Uhr, ließ d’Artagnan sich bei ihm melden. Obwohl Fouquet bei der gegenwärtigen Lage der Dinge in dem Kapitän der königlichen Musketiere seinen schlimmsten Feind hatte erkennen sollen, hatte sich doch zwischen beiden eine Art Freundschaft begründet, die auf gegenseitiger Achtung beruhte. Fouquet hatte in der Tat die Absicht gehabt, nach Belle-Ile zu entfliehen. Er war auf einem jener Fahrzeuge, die auf dem Loire-Flusse der Binnenschiffahrt dienen, nach Nantes gekommen, und auf der ganzen Strecke war ihm ein zweiter solcher Kahn gefolgt, und zwar so hartnäckig, daß man ihn nicht für ein zufällig die gleiche Fahrt machendes Schiff halten konnte. Fouquet, auf diese Begleitschaft aufmerksam gemacht, sich durch ein Fernrohr und erkannte an Bord jener Gabarre Herrn Colbert. Nun war für ihn die Lösung des Rätsels gefunden. Sein Todfeind verfolgte ihn zu Wasser, wie d’Artagnan ihn zu Lande verfolgt haben würde. Das Herz dieses edeln und stolzen Mannes lehnte sich nun dagegen auf, vor einem Colbert zu entfliehen, er ließ den Entschluß, sich nach Belle-Ile einzuschiffen, fallen und blieb in Nantes, um der Stände-Versammlung beizuwohnen und aufs neue den furchtbaren Kampf mit dem Zorne Ludwigs XIV. aufzunehmen.

Als nun d’Artagnan sich bei ihm melden ließ, empfing er ihn, obwohl er von der Reise erschöpft war. – »Monseigneur, ich habe die Ehre, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen?« sprach der Gaskogner höflich. – »Schlecht, schlecht,« antwortete der Minister, »ich trinke nur noch Gerstenwasser mit Süßholz.« – »Sie sollten vor allen Dingen schlafen,« meinte der Chevalier. – »Schlafen? Wo Sie hier sind? Denn Sie kommen doch hier ebenso im Namen des Königs wie in Paris?« – »Lassen Sie doch den König aus dem Spiele, Monseigneur,« erwiderte der Musketier. »Wenn ich im Namen der Majestät komme, werden Sie mich eintreten sehen, mit der Hand am Degen, und ich werde in zeremoniösem Tone rufen: »Im Namen des Königs, Sie sind verhaftet!«

Fouquet fuhr zusammen, so natürlich und erschütternd klangen die Worte des Gaskogners. – »Wir sind noch nicht soweit,« fuhr d’Artagnan fort, »und ich habe auch noch nichts davon reden hören. Der König sollte Sie von Herzen gern haben.« – »Jedenfalls hätte ich Sie gern haben sollen,« entgegnete Fouquet. »Zehn Jahre lang haben wir am Hofe gelebt, ohne uns kennen zu lernen. Ich habe jährlich Millionen ausgegeben, aber Sie haben nichts davon empfangen, und erst jetzt, wo ich vorm Ruin stehe, werde ich auf Sie aufmerksam. Ich hätte mich Ihres Dienstes versichern und Sie reich machen sollen.«

»Sie sprechen von Ihrem Ruin,« antwortete d’Artagnan. »Ich kann nur sagen, der König hat kein böses Wort über Sie gesprochen. Er hat mich nur beauftragt, nach Nantes zu gehen und eine Brigade Musketiere mitzunehmen, was mir überflüssig zu sein scheint, da die Stadt völlig ruhig ist.« – »Eine Brigade?« rief Fouquet. »Also 96 Reiter. Das wird ja wohl genügen, um mich zu verhaften. Und welche Befehle haben Sie in bezug auf meine Person?« – »Gar keine, Monseigneur.« »Herr d’Artagnan, es handelt sich für mich darum,« sprach Fouquet ernst, »Ehre und Leben zu retten. Sie hintergehen mich doch nicht?« – »Keineswegs,« antwortete der Gaskogner, »es gibt da wohl einen allgemeinen Befehl, keinen Wagen und kein Schiff ohne einen vom König unterzeichneten Patz aus Nantes herauszulassen, aber das ist einfache Polizeimaßregel, mit der Sie nichts zu tun haben. Auch tritt dieser Befehl erst in Kraft, sobald der König selbst in Nantes angelangt ist. Sie sehen also –?«

Fouquet dachte nach. D’Artagnan sprach in gleichgültigem Tone weiter: »Sie sehen also, Sie sind ganz Ihr eigener Herr. Ich habe wohl das Schloß hier sorgsam zu bewachen, aber das ist eine Order, die stets erteilt wird. Ich habe auch die Stadttore und den Fluß absperren zu lassen, aber erst wenn der König hier ist. Wenn hier jemand wäre, der das Weite suchen wollte, so könnte er sich keine günstigere Gelegenheit wünschen. Keine Polizei, keine Wache, keine Befehle, freie Land- und Wasserstraßen. Was wollen Sie mehr? Und ich will Ihnen jeden Gefallen tun, Herr Fouquet, den Sie von mir verlangen können, während ich nur einen kleinen Gegendienst beanspruche, nämlich den, einen Gruß an meine Freunde Aramis und Porthos auszurichten, falls Sie nach Belle-Ile fahren sollten, wie Sie zu tun berechtigt sind, ohne noch die Hauskleidung zu wechseln, die Sie anhaben.«

Nach diesen Worten verneigte sich d’Artagnan und ging hinaus. Er war noch auf der Treppe, als Fouquet klingelte und seinem Diener zurief: »Meine Pferde! Mein Schiff!« – Darauf kleidete er sich in aller Eile selbst an und ließ Herrn Gourville, seinen Sekretär, kommen. »Wir reisen auf der Stelle!« befahl er. – »Es ist zu spät,« antwortete Gourville. »Hören Sie?« – Von draußen scholl Trompetenklang und Trommelwirbel. – »Was bedeutet das, Gourville?« – »Der König kommt an.« – »Der König!« – »Er ist im Fluge gereist und hat sein Pferd totgeritten, um acht Stunden eher hier zu sein, als wir gerechnet haben.«

»Dann sind wir verloren!« stöhnte Fouquet. »Wackrer d’Artagnan, dein Rat kommt zu spät.« Und der Minister ließ sich festlich kleiden, um den König willkommen zu heißen.

Ludwig XIV. wurde in großem Pomp zum Schlosse geleitet. Vorm Portal sah man ihn leise mit d’Artagnan sprechen, der ihm den Steigbügel hielt. Dieser trat dann den Weg zu Fouquets Wohnung an, aber er ging so langsam, als wenn er seine Schritte zählen wollte. – »Hm!« brummte d’Artagnan, als er den Minister erblickte, »Sie sind noch hier?« – Fouquet konnte nur mit einem Seufzer antworten. – »Der König ist eben angekommen,« sagte d’Artagnan. – »Ich habe es gesehen, und diesmal kommen Sie wohl in seinem Namen?«

»Um zu fragen, wie Sie sich befinden und zu melden, daß Sie, wenn es Ihre Gesundheit irgend erlaubt, sich alsbald ins Schloß begeben möchten,« antwortete der Kapitän. »Ja, Herr Fouquet, nun ist Majestät da, nun gibt es keine offenen Land- und Wasserstraßen mehr. Die Parole beherrscht jetzt mich wie Sie!«

Fouquet seufzte noch einmal, dann stieg er mit d’Artagnan in die Kutsche und fuhr zum Schloß. Als er ausstieg, trat aus der Menge, die die Freitreppe umringte, um all die vornehmen Herren zu sehen, die zum König befohlen waren, ein Mann hervor und überreichte dem Minister einen Brief. Fouquet las das Schreiben, schien zu erschrecken, steckte das Kuvert in die Tasche und begab sich in die Gemächer des Königs. Man ließ ihn zehn Minuten warten, was allein schon eine empfindliche Kränkung für den Oberintendanten war.

Der Minister las das Briefchen inzwischen noch einmal. – »Es ist etwas gegen Sie im Werke,« hieß es darin, »im Schlosse wird man nichts wagen, aber vielleicht bei Ihrer Rückkehr. Ihr Haus ist schon von Musketieren umstellt. Wenn Sie noch als freier Mann das Schloß verlassen, so kehren Sie gar nicht mehr in Ihre Wohnung zurück, sondern gehen Sie zur Esplanade, wo ein Pferd für Sie bereitsteht.«

Fouquet erkannte die Schrift seines Sekretärs Gourville und dankte ihm im stillen für seinen Eifer. Er zerriß das Papier in kleine Stücke und warf sie von der Terrasse hinab, wo der Wind sie zerstreute. D’Artagnan kam hinzu, als die letzten Fetzen zur Erde flatterten. – »Mein Herr,« sagte der Musketier, »der König erwartet Sie.« –

Der Oberintendant schritt durch den Korridor, wo die Herren von Brienne, von Rose und von Saint-Aignan, auf Befehle des Königs wartend, herumstanden. Es fiel Herrn Fouquet auf, daß sie ihn kaum beachteten; sie grüßten ihn nicht einmal. Er erkannte an dem Benehmen dieser Höflinge die Stimmung, die beim König selbst gegen ihn herrschte. Aber er richtete den Kopf stolz empor und trat mit ruhiger Entschlossenheit vor Ludwig XIV., der am Schreibtische saß und, ohne aufzublicken, nach Herrn Fouquets Befinden fragte.

»Ich habe Fieber,« antwortete der Minister, »aber ich stehe Eurer Majestät zu Dienst.« – »Die Stände versammeln sich morgen,« sprach Ludwig. »Haben Sie eine Ansprache vorbereitet?« – »Nein, doch kann ich aus dem Stegreif reden, denn ich kenne die Staatsgeschäfte so gut, daß ich nicht in Verlegenheit kommen kann. Aber warum haben Majestät Ihrem ersten Minister das nicht in Paris gesagt?« – »Sie sind krank, ich will Sie nicht mehr anstrengen.« – »Mich strengt keine Arbeit an,« erwiderte Fouquet. »Und da hiermit der Augenblick gekommen ist, Eure Majestät um eine Erklärung zu bitten –« – »Um was für eine Erklärung, Herr Fouquet?« – »Ueber die Gesinnung Eurer Majestät gegen meine Person. Sire, ich bin verleumdet worden und muß Sie bitten, eine gerichtliche Untersuchung gegen mich in die Wege zu leiten. Ich selbst werde dabei als Kläger gegen einen Mann auftreten, der mich bei Eurer Majestät immer wieder in Mißkredit bringt.« – »Herr Fouquet, ich habe das Anklagen nicht gern.« – »Doch wenn man beschuldigt wird, Sire, soll man sich da nicht rechtfertigen dürfen?« – »Ich erkläre Ihnen, ich beschuldige Sie nicht.«

Fouquet trat zurück. – »Er hat seinen Entschluß gefaßt,« dachte er. »So halsstarrig ist nur jemand, der nicht mehr zurück will. In diesem Augenblick die Gefahr nicht sehen, hieße blind sein, und nur ein Tor würde wehrlos abwarten.« – Und laut fragte er: »Haben Majestät mich zu einer Arbeit befohlen?« – »Nein, Herr Fouquet, ich habe Ihnen nur den einen Rat zu erteilen, ruhen Sie sich aus. Die Ständeversammlung wird bald vorüber sein, und dann gedenke ich Ihnen volle Ruhe zu vergönnen.« – »Haben Sie mir in betreff dieser Ständeversammlung irgend etwas zu sagen?« – »Nein, Herr Fouquet.« – »Mir, dem Finanzminister, gar nichts?« – »Ruhen Sie aus, das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Sie sind krank, Sie müssen sich pflegen.«

»Sire, dann darf ich vielleicht auch darum bitten, der Ständeversammlung fernbleiben zu dürfen, da Eure Majestät so sehr besorgt um meine Gesundheit sind?« antwortete er. »Ich werde den morgigen Tag im Bett zubringen und mir etwas gegen mein Fieber verschreiben lassen.« – »Ich gestatte Ihnen das gern, Herr Fouquet. Sie haben Urlaub, und ich werde Ihnen meinen Leibarzt schicken.« – »Ich danke,« antwortete Fouquet mit einer tiefen Verbeugung. »Und da Majestät in Nantes sind, so werden Sie mir vielleicht das Glück gewähren, nun von Belle-Ile Besitz zu ergreifen, das Sie von mir anzunehmen geruht haben?« – Er sah bei diesen Worten dem König fest ins Gesicht. Ludwig errötete und antwortete: »O, ich habe nicht etwa deswegen meine Musketiere mitgebracht.«

»Sire,« erwiderte der Minister lächelnd, »das kann ich mir denken. Brauchen doch Majestät auch nur mit einem Spazierstock in der Hand Belle-Ile zu betreten, um alle Befestigungen fallen zu machen.« – »Pst!« rief Ludwig. »Diese schönen Festungswerke sollen ja gar nicht fallen; sie können mir noch gute Dienste gegen England und Holland leisten. Nun ja, ich werde nach Belle-Ile fahren. Haben Sie Fahrgelegenheiten in Bereitschaft?« – Fouquet durchschaute diesen Schachzug, der ja eigentlich auch eine ziemlich plumpe Finte war. – »Nein, Sire,« antwortete er, »ich wußte ja nicht, daß Majestät so sehr schnell hierher kommen würden. Es ist für nichts gesorgt. Ich habe fünf Schiffe, aber sie liegen alle hier und dort im Hafen, und bis man sie hier haben kann, vergehen mindestens 24 Stunden. Soll ich durch einen Kurier eins herbestellen?«

»Warten Sie bis morgen,« versetzte der König. »Lassen Sie erst das Fieber vorübergehen.« – »Es ist wahr,« sagte Fouquet, der nunmehr des Königs Absicht klar durchschaute. »Wer weiß, ob wir nicht bis morgen tausend andere Ideen haben?«

»Herr Fouquet, Sie sind ernstlich krank,« sprach der König. »Ihre Zähne klappern vor Fieber. Gehen Sie! Es soll Sie jemand in Ihre Wohnung begleiten.« – »Majestät sind sehr gütig,« antwortete Fouquet. »Ich würde mich jetzt allerdings gern eines Armes bedienen.«

»Herr d’Artagnan!« rief Ludwig XIV. – »O, Sire,« unterbrach Fouquet ihn mit traurigem Lächeln, »der Kapitän der Musketiere soll mich in meine Wohnung bringen? Eine zweideutige Ehre! Man wird überall sagen, Sie hätten mich verhaften lassen.« – »Verhaften?« rief Ludwig und erblaßte. Als d’Artagnan eintrat, gab er ihm nun den Befehl, Herrn Fouquet einen seiner Musketiere zum Begleiter zu überlassen. – »Es ist nicht nötig,« sprach der Minister, »mein Sekretär Gourville genügt mir.« – Er verbeugte sich und ging langsam hinaus, wie jemand, der einen Spaziergang antritt. – »Ich bin gerettet!« dachte er, als er unangefochten aus dem Schlosse gelangte. »Ja, treuloser König, du sollst Belle-IIe sehen, aber erst, wenn ich nicht mehr dort bin!«

D’Artagnan war beim König geblieben. – »Folgen Sie Herrn Fouquet auf hundert Schritt,« rief Ludwig ihm zu. »Wenn er in seine Wohnung zurückgekehrt ist, so verhaften Sie ihn in meinem Namen, stecken ihn in eine Kutsche und sorgen dafür, daß er unterwegs mit niemand reden, noch auch Zettelchen hinauswerfen kann.« – »Das ist sehr schwer, Sire,« entgegnete der Musketier. »Herr Fouquet muß Luft haben, ich kann also weder das Fenster immer geschlossen halten, noch ihm einen Mantel übers Gesicht ziehen.« – »Sie nehmen eine vergitterte Kutsche,« antwortete der König. – »Sehr wohl, aber die hat man nicht im Handumdrehen.«

»Sie ist schon fertig und steht bespannt unten,« sprach der König. – D’Artagnan zog die Brauen hoch, verbeugte sich und antwortete: »Das ist etwas anderes, Sire. Und wohin ist Herr Fouquet zu schaffen?« – »Zunächst nach Schloß Angers,« antwortete der König. »Das Weitere findet sich.« – »Ich bitte um den schriftlichen Befehl,« sagte der Musketier. – »Auch er liegt schon fertig hier,« sprach Ludwig XIV. und reichte dem Kapitän die Urkunde.

D’Artagnan ging hinaus. Von der Terrasse herab sah er Herrn Gourville, der über den Hof schritt und eine weit heitre Miene zur Schau trug, als die Umstände es eigentlich zu erlauben schienen. Das fiel dem scharfsinnigen Gaskogner sofort auf. Er erinnerte sich des Briefes, den man dem Oberintendanten in die Hand gedrückt; er erinnerte sich, daß Fouquet ihn zerrissen. Und er ging in den Hof hinab und hob aufs Geratewohl eins von den Papierstückchen auf. Er las darauf das eine Wort: »Pferd«, schob den Hut ein wenig von der Stirn und stieg gedankenvoll die große Freitreppe hinab. Da flog sein Blick über die Ebene, die man von dem hochgelegenen Schloß weithin überschauen konnte, und er sah auf der Heerstraße, die sich wie ein weißes Band durch die Felder hinzog, einen Punkt, der sich rasch entfernte. Sein scharfes Auge erkannte ein Pferd und einen Reiter im Sattel. Seine raschen Gedanken verknüpften diese Erscheinung sofort mit dem heitern Gesicht Gourvilles und mit dem Worte »Pferd« und den Papierstückchen. – »Das ist Fouquet – und er entflieht mir,« sprach er vor sich hin, und mit gewaltigen Sätzen kehrte er in den Schloßhof zurück, riß ein Pferd aus dem Stalle, befahl, die vergitterte Kutsche in ein Wäldchen außerhalb der Stadt zu bringen, und verließ das Palais durch das Ausfahrttor. Dann sprengte er auf der Landstraße dahin; aber er nahm nicht denselben Weg, den Herr Fouquet genommen, sondern folgte nach wenigen Minuten schon dem Ufer der Loire, wodurch er etwa zehn Minuten an Zeit zu gewinnen hoffte. Da Fouquet auf der allerdings etwas ebeneren Landstraße zuletzt auch zum Flusse gelangen mußte, so glaubte d’Artagnan, er würde ihn dort einholen. Er rechnete auch damit, daß Herr Fouquet, wenn er sich nicht verfolgt sah, dem Pferde etwas Ruhe gönnen würde.

Der Kapitän ritt lange Zeit am Ufer hin, ohne den Flüchtling sehen zu können. Er hatte den Wind im Gesicht, und seine Augen tränten. Er galoppierte so scharf, daß der Sattel unter ihm zu glühen schien. Er drückte dem Tiere so oft und so wütend die Sporen in den Leib, daß es vor Schmerz laut wieherte. Hinter den Hufen prasselte ein Regen von Sand und Steinen auf. Aber immer wieder, wenn d’Artagnan sich im Steigbügel aufrichtete, sah er noch nichts als Baumwipfel und Luft. Wie rasend jagte er weiter.

»Ich! Ich!« stieß er keuchend zwischen den Zähnen hervor, »ich soll von einem Gourville übertölpelt worden sein! Man wird sagen, ich sei altersschwach geworden, und der König wird denken, ich hätte mir von Fouquet eine Million zahlen lassen und ihm dafür zur Flucht verhelfen.« – Und wieder bohrte er die Sporen in die Weichen des Pferdes, das mit gewaltigen Sprüngen vorwärtsschoß.

Da sah er vor sich zwischen den Bäumen etwas Weißes: Fouquets Schimmel! – D’Artagnan atmete auf. Wenn er ihn sah, so war er auch sein, so sollte er ihm auch nicht mehr entkommen. Er ließ das Tier ein wenig langsamer laufen, damit es erst einmal wieder zu Atem kam, und folgte dem Schimmel. Fouquet hatte sein Pferd noch nicht übermäßig angestrengt, da er bisher auf der glatten Heerstraße geritten war. D’Artagnan lenkte jetzt auch schnurgerade auf die Straße zu, auf welcher nun die eigentliche Jagd erst beginnen sollte.

Der harte Boden erdröhnte unter den Hufschlägen, und Fouquet sah sich um. Hundert Schritte hinter sich erblickte er seinen Feind, der sich tief auf den Hals seines Renners beugte. Der Minister zog den Zügel straff und schoß im Nu seinem Verfolger um weitere hundert Schritt voraus. Daran erkannte nun d’Artagnan, wie schwierig es sein würde, ihn einzuholen. Ein noch kräftiges Pferd und ein abgehetztes, das nach wenigen Schritten vielleicht zusammenbrach. Und in der Tat vermochte er dem Minister nicht um eines Fußes Breite näherzukommen, so wild er sein Tier auch antrieb. »Mag es krepieren,« knirschte er, »aber kriegen muß ich ihn!«

Er fing an, das Maul des armen Tieres mit der Kandare zu zerreißen, während er mit den Sporen in der blutigen Haut wühlte. Nun näherte sich das todesmatte Pferd dem andern auf Pistolenschußweite. – »Halten Sie an!« schrie d’Artagnan, »Sie sind verhaftet im Namen des Königs!« – »Dazu müssen Sie mich erst haben,« antwortete Fouquet lakonisch und jagte weiter. – »Halten Sie an!« schrie d’Artagnan abermals, »oder ich schieße!« – »So schießen Sie!« rief Fouquet zurück. – »Soll ich Sie meuchlings morden, zum Teufel?« brüllte der Musketier. »Soll ich Sie hinterrücks niederknallen? Ergeben Sie sich!« – »Lieber sterbe ich,« versetzte Fouquet.

»Nein,« keuchte d’Artagnan, »ich bin kein Meuchelmörder!« und schleuderte die Pistole von sich. Mit einem gewaltigen Ruck trieb er sein Pferd bis auf zehn Schritte an den Flüchtling heran, aber es schwankte alsbald wieder, und Fouquet gewann einen neuen Vorsprung. Der Musketier schien sein Pferd fast zwischen den Knien zu tragen, aber er sah, daß er unterliegen müsse. Da riß er die zweite Pistole aus dem Halfter, zielte und schoß. Das Pferd Fouquets, ins Kreuz getroffen, stürzte mit wildem Gebrüll weiter. D’Artagnans Pferd sank im selben Augenblick tot zu Boden.

»Ich bin entehrt!« schrie d’Artagnan. »Herr Fouquet, Sie haben auch Pistolen, steigen Sie ab und schießen Sie sich mit mir!« – Herr Fouquet antwortete nicht und sprengte weiter. – Nun fing d’Artagnan an, hinter seinem Feinde herzulaufen, er warf Hut, Rock und Wehrgehenk von sich, um nicht behindert zu sein. Der Schimmel röchelte und rannte nur noch in einzelnen Sätzen weiter; der Musketier kam ihm näher. Nun ging das Pferd nur noch im Schritt, eine Blutspur hinter sich lassend. D’Artagnan, dem die Brust zu springen drohte, lief mit seiner letzten Kraft, packte Fouquet am Bein und schrie: »Ich verhafte Sie im Namen des Königs! Zerschmettern Sie mir den Schädel, wir haben beide unsere Pflicht getan.«

Allerdings hätte wohl in diesem Augenblick der noch nicht entkräftete Fouquet den halb ohnmächtigen Kapitän niederschlagen können; doch nein! Er sprang aus dem Sattel, ließ das Pferd weiterwanken, das nach wenigen Schritten röchelnd zusammenbrach, und erfaßte d’Artagnans Arm. »Ich bin Ihr Gefangener,« sagte er. »Gestatten Sie, daß ich Sie stütze, Sie fallen um.« – »Dank!« stöhnte der Musketier, dem wirklich der Boden unter den Füßen zu schwinden schien. Der Minister brachte ihn zu einer nahen Böschung, dort sank d’Artagnan zu Boden. Der andere schöpfte aus dem Graben ein wenig Wasser in seinem Hute und besprengte die Schläfen des Kapitäns.

D’Artagnan kam zu sich; er sah Fouquet vor sich knien. – »Was?« knurrte er. »Sie sind nicht entflohen? Sie haben sich meine Schwäche nicht zunutze gemacht? O, Herr Fouquet, der wahre König, wenn man nach dem Edelsinn urteilt, ist nicht Ludwig im Louvre, nicht Philipp auf der Margareteninsel, sondern Sie, der Verdammte!« – »Wir müssen zu Fuß nach Nantes zurück,« antwortete der Ober-Intendant mit melancholischem Lächeln, »unsere Pferde sind beide tot.« – »Den Teufel auch!« seufzte d’Artagnan, »das ist ein elender Tag!« – Sie gingen langsam, Arm in Arm, bis sie ein Gehölz erreichten. – »Ich habe einen Wagen hier für Sie,« sagte der Kapitän, die Augen niederschlagend. »Der König schickt ihn.«

Als der Minister den vergitterten Kasten sah, rief er aus: »Das ist ein Gedanke, der von keinem Biedermanne ausgegangen ist. So etwas hätte ich dem König denn doch nicht zugetraut. Und wozu dieses Gitter?« – »Damit Sie keine Briefchen hinauswerfen können,« antwortete d’Artagnan, in einem Tone, als schäme er sich seines Königs. – »Sehr sinnreich!« antwortete der Oberintendant. »Und wohin bringen Sie mich?« – »Nach Schloß Angers,« antwortete der Kapitän traurig.

*

Es war zwei Uhr nachmittags. Ludwig XIV. wartete ungeduldig auf d’Artagnans Rückkehr. Seine Höflinge hatten unter dieser Stimmung viel zu leiden. – »Ist Herr d’Artagnan noch nicht zurück?« fuhr er Herrn Colbert an. »Sie besonders sollten wissen, wo er so lange bleibt?« – »Majestät haben mir nicht gesagt, wohin Sie ihn schicken,« antwortete Colbert. – »Herr,« versetzte Ludwig, »es gibt Dinge, die einem niemand zu sagen braucht. Man muß sie erraten. Sie besonders.« – Er hatte diese Worte kaum gesprochen, als im Vorzimmer die heisere Stimme des Kapitäns erklang. Blaß und erregt trat er herein.

»Majestät,« sprach er, »haben Sie meinen Musketieren Befehle erteilt?« – »Ich? Nicht einen,« antwortete Ludwig. – »Dann ist es also dieser Herr dort,« sagte der Musketier, auf Herrn Colbert zeigend, »auf dessen Geheiß das ganze Haus Fouquets umgedreht, seine Dienerschaft mißhandelt, seine friedliche Wohnung verwüstet wird! Alle Wetter! das ist ein schändlicher Befehl!« – »Mein Herr!« unterbrach ihn Colbert. – »Mein Herr«! rief d’Artagnan. »Der König allein hat meinen Musketieren zu befehlen, verstehen Sie! Ich verbiete es Ihnen, und in Gegenwart des Königs lassen Sie es sich gesagt sein: Edelleute, die den Degen tragen, sind keine Federfuchser.«

»D’Artagnan! D’Artagnan!« murmelte der König.

»Das ist erniedrigend, Sire!« rief der Kapitän. »Meine Soldaten sind entehrt. Ich kommandiere nicht über Zahlenschinder und Intendanzsekretäre! Meine Musketiere haben seit heute morgen das Haus des Herrn Fouquet umstellt, und nachdem nun dieser Herr für seinen Vorgesetzten von gestern einen eisernen Käfig hat machen lassen, hat er auch noch seinen Schergen die Weisung erteilt, die Papiere des Oberintendanten in Beschlag zu nehmen. Warum zwang man meine Musketiere, an dieser Plünderung teilzunehmen und zu Mitschuldigen an dieser Gemeinheit zu werden? Den Teufel auch, wir dienen dem König, nicht aber Herrn Colbert!«

»Ich habe im Interesse meines Königs gehandelt,« sprach Colbert mit bewegter Stimme. »Es tut mir weh, von einem Offizier des Königs so behandelt zu werden, obendrein an einem Orte, wo die Ehrfurcht vor dem König mir verbietet, mich zu rächen.« – »Die Ehrfurcht vor dem König,« rief d’Artagnan mit flammenden Augen, »betätigt man zuvörderst darin, daß man seine Autorität achtet und seine Person liebt. Jeder, der von ihm mit einer Machtbefugnis belehnt wird und diese Befugnis mißbraucht, stellt den König bloß und trägt dazu bei, daß die Völker die Hand verfluchen, die sie segnen sollen. Muß Ihnen ein Soldat, dessen Herz in vierzigjährigen Ungewittern hart geworden ist, diese Lehre erteilen? Muß das Erbarmen von mir, die Wildheit von Ihnen ausgehen? Sie haben die Freunde des Herrn Fouquet verhaften lassen – Sie haben sich an Unschuldigen vergriffen.«

»Ich bin nur gegen die Mitschuldigen des Herrn Fouquet vorgegangen,« versetzte der Intendant. – »Wer sagt Ihnen, Herr Fouquet habe Mitschuldige? Wer sagt Ihnen, er sei selbst schuldig?« rief d’Artagnan. »Das weiß der König allein: seine Gerechtigkeit ist nicht blind. Sie greifen dieser Gerechtigkeit vor, und das nennen Sie Ehrfurcht vor Ihrem König?« Er kehrte dem Intendanten den Rücken und trat ins Vorzimmer. Aber Ludwig XIV., der noch nicht recht wußte, welche Partei er ergreifen sollte, und dem gleichwohl diese Zurechtweisung Colberts nicht unlieb war, rief ihn zurück. »Entledigen Sie sich zuvörderst Ihres Auftrages, Kapitän,« sprach er, »ehe Sie gehen, sich auszuruhen.« Gleichzeitig gab er Colbert einen Wink, auf einige Augenblicke ins Vorzimmer zu treten, und der gedemütigte Intendant schritt mit finsterm Gesicht, zu Tode beleidigt, an der stolz emporgerichteten Gestalt des Musketiers vorbei.

»Sire,« sprach d’Artagnan ruhig, »Sie sind ein junger König. An der Morgenröte erkennt der Mensch, ob der Tag schön oder unangenehm werde. Wie sollen aber die Völker, über die Gott Sie gesetzt hat, Ihre Regierung beurteilen, wenn Sie zwischen sich und Ihrem Minister Haß und Gewalttat herrschen lassen? Doch genug von Vorstellungen, die nutzlos sind, die Ihnen vielleicht ungebührlich erscheinen. Ich habe Herrn Fouquet verhaftet.« – »Ich finde, Sie haben sehr viel Zeit dazu gebraucht.« – D’Artagnan sah den König finster an und antwortete: »Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Ich hätte vielmehr sagen sollen: ich bin von Herrn Fouquet gefangengenommen worden.« – Ludwig sah erstaunt auf, aber d’Artagnan ließ ihm keine Zeit zu fragen. Er erzählte ihm mit malerischer Offenherzigkeit das Abenteuer mit dem Ober-Intendanten. Ludwig fühlte sich gedemütigt durch den Edelsinn dieses Verfolgten, der zehnmal hätte entfliehen können und dennoch das Gefängnis vorzog, weil er genau wußte, daß er mit diesem Opfer seinem königlichen Feinde ein gut Teil seines Ruhmes entzog.

»Daraus geht, für mich wenigstens, hervor, ein solcher Mann kann nicht der Feind des Königs sein. Das erkläre ich freimütig. Majestät. Ich weiß, was Sie mir antworten werden, und verneige mich ehrerbietig: Staatsgründe! Wohl, diese sind sehr beachtenswert. Und deshalb habe ich auch den mir erteilten Befehl vollzogen, obgleich ich tausendmal lieber Herrn Fouquet zur Freiheit verholfen hätte.«

»Wo ist er in diesem Augenblick?« – »Auf der Straße nach Angers – in seinem vergitterten Wagen.«

»Warum haben Sie ihn auf der Straße verlassen?«

»Weil Majestät mir nicht befohlen haben, nach Angers zu gehen. Der beste Beweis dafür, daß ich hier gebraucht werde, liegt ja wohl auch darin, daß Sie mich eben suchen ließen. Und dann hatte ich noch einen andern Grund. Ich habe nämlich Herrn Fouquet in der Obhut eines meiner Musketiere zurückgelassen, weil er gewiß keinen Fluchtversuch machen würde, wenn ich bei ihm geblieben wäre. Und es ist mein lebhafter Wunsch, er möchte die Gelegenheit benützen.«

»Sind Sie verrückt, Herr d’Artagnan?« rief Ludwig XIV., die Arme über der Brust kreuzend. »Selbst wenn man das Unglück hat, solche Ueberspanntheiten zu denken, man spricht sie doch nicht aus.« – »Frei und offen, Sire! Denken Sie etwa, ich sei nach allem, was Herr Fouquet für mich und für Sie getan hat, sein Feind? Nein, Sire, geben Sie ihn nie in meine Obhut, wenn Sie wollen, daß er hinter Schloß und Riegel bleibe! So gut versichert der Käfig auch sei, der Vogel würde schließlich doch ausfliegen.«

»Ich bin erstaunt,« sprach der König finster, »daß Sie sich nicht dem Dienste dessen gewidmet haben, den Herr Fouquet auf meinen Thron setzen wollte. Dort würden Sie finden, was Sie suchen: Zuneigung und Erkenntlichkeit. In meinem Dienst, Herr, findet man nur einen Gebieter.« – »Hätte Herr Fouquet Sie nicht aus der Bastille geholt,« antwortete d’Artagnan fest, »so wäre nur ein einziger Mann hingegangen, Sie zu befreien, nämlich ich. Das wissen Sie recht gut, Sire.«

Der König hielt inne. Gegen diese freimütige, wahre Sprache seines Kapitäns ließ sich nichts einwenden. Er erinnerte sich jenes Abends, wo dieser selbe d’Artagnan sich hinter den Vorhängen seines Bettes versteckt hielt, als das Volk von Paris unter der Führung des Kardinals von Retz sich davon überzeugen wollte, ob der König sich im Palais Royal befände; er erinnerte sich jenes Tages, an dem er diesem selben d’Artagnan mit der Hand zuwinkte, als er bei seiner Rückkehr nach Paris in die Notre-Dame-Kirche fuhr. Er erinnerte sich jenes Tages, wo der Wackere ihm in Blois den Dienst aufkündigte, und der Zeit, da Mazarin starb und er ihn wieder zu sich rief. Und er fand, daß dieser Mann stets bieder, tapfer und treu gewesen sei.

Ludwig XIV. ging zur Tür und rief Herrn Colbert herein. – »Sie haben bei Herrn Fouquet Haussuchung halten lassen?« redete er ihn an. »Was ist dabei herausgekommen?« – »Die Papiere sind mir überbracht worden,« antwortete Colbert. – »Ich will sie sehen. Geben Sie mir Ihre Hand!« sprach der König. – »Meine Hand, Majestät?« – »Ja, daß ich sie in die des Herrn d’Artagnan lege. Sie kennen diesen Mann hier nicht, Herr Kapitän,« wandte er sich an den Gaskogner. »Lernen Sie ihn schätzen.« – »Majestät!« stammelte Colbert. Und er sah d’Artagnan an, mit einem Gesicht, das völlig verschieden von dem war, welches man bisher an ihm gesehen; er sah freundlich, heiter, strahlend drein, seine Augen unter den dichten Brauen nahmen einen edlen, lichtvollen Ausdruck an. Colbert wußte, daß er von diesem Moment an keinen Fouquet mehr über sich hatte, und aus dem Intrigant wurde der weitsichtige, das Wohl des Volkes fördernde Staatsmann, der sein eigenes System zum Siege über ein anderes, von ihm verworfenes, geführt hatte.

»Majestät hat mit diesen Worten bewiesen, welch feiner Menschenkenner Sie sind,« sprach er. »Die schroffe Opposition,« setzte er hinzu, sich an d’Artagnan wendend, »die ich bisher gegen gewisse Mißbräuche und infolgedessen auch gegen gewisse Persönlichkeiten durchgeführt habe, beweist nichts weiter, als daß es mein Streben ist, meinem König ein großes Reich zu schaffen, meinem Lande eine große Wohltat zu bereiten. O, Herr d’Artagnan, ich habe sehr viele Pläne und Ideen. Sie werden die Sonne finanzieller Wohlfahrt aufgehen sehen, und ich hoffe, wenn auch nicht die Freundschaft, so doch die Achtung meiner Gegner zu erringen.«

Der Musketier verneigte sich höflich vor Colbert. Der König entließ sie, als er sie versöhnt sah, und sie gingen zusammen fort. – »Herr d’Artagnan,« sprach Colbert draußen, »Sie irren, wenn Sie meinen, ich verfolge Herrn Fouquet. Ich wollte ihm nur die Finanzen entreißen, das ist alles. Und das ist nun gelungen. Nun soll es anders werden in Frankreich. Alles Gold des Landes wird unter meiner Verwaltung sein, und es soll sich vervielfältigen, statt zu zerrinnen. In meinem Besitz wird auch nach dreißig Jahren noch nicht ein Pfennig sein, dafür aber wird es neue Gebäude, neue Häfen, ja neue Städte geben. Ich werde eine Seemacht gründen und Handelsschiffe schaffen, die Frankreichs Namen nach den fernsten Erdteilen tragen sollen: ich will Bibliotheken und Akademien gründen, die Frankreich zur größten geistigen Macht der Welt erheben sollen. Sehen Sie, das sind die Gründe, weshalb ich so gegen Herrn Fouquet gekämpft habe. Und wenn Frankreich groß und stark ist, dann werde ich zu ihm gehen und sprechen: Verzeihen Sie mir!«

Der König rief d’Artagnan zurück und befahl ihm, zwanzig Musketiere nach Angers zu schicken, welche Herrn Fouquet nach Paris und in die Bastille transportieren sollten. – D’Artagnan wollte schon fragen, ob der König ihm mißtraue, weil er nicht ihm den Befehl erteilte, da setzte Ludwig hinzu: »Und Sie, Herr Kapitän, nehmen auf der Stelle Besitz von Belle-Ile. Setzen Sie sofort mit zahlreicher Mannschaft in See! Ich selbst mag die Insel nicht sehen. Sie haben mir nur die Schlüssel der Festung zu bringen. Und wenn Sie diesen Auftrag gut ausführen, so wird Ihnen der Marschallstab zuteil werden.«

»Weshalb sagen Sie: wenn ich ihn gut ausführe?« fragte d’Artagnan. – »Weil es sehr schwierig ist.« – »Inwiefern, Majestät?« – »Sie haben Freunde auf Belle-Ile, und für Männer wie Sie ist es keine Kleinigkeit, über den Leichnam eines Freundes zu schreiten.« – D’Artagnan antwortete nicht; er verneigte sich und ging hinaus. Eine Viertelstunde später brachte Colbert ihm den schriftlichen Befehl, Belle-Ile zu erobern, im Falle des Widerstandes in die Luft zu sprengen und keinen einzigen der Besatzung – das war besonders hervorgehoben – entschlüpfen zu lassen.

»Ein Marschallstab gegen das Leben zweier Freunde!« murmelte der Gaskogner. »Ei, meine Freunde sind nicht so dumm wie Gimpel und werden nicht auf die Leimrute des Vogelstellers warten. Ich will ihnen Zeit lassen davonzufliegen. Armer Porthos, armer Aramis! nein! mein Glück soll euch keine Feder aus den Flügeln kosten.« – Darauf rief d’Artagnan die königliche Armee zusammen und ging in Paimboeuf zu Schiffe. Ohne Zeitverlust wurden die Segel gehißt, und man nahm Kurs auf Belle-Ile.