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Bürger, Gottfried August

 

Gedichte (Ausgabe 1789)

 

Vorrede

 

Weise Männer trauen der Dichtkunst das Vermögen zu, nicht nur den Ohren und Herzen der Edlen zu schmeicheln, sondern auch manche wichtige Kraft der Menschennatur zum Anbau und Genuß des Schönen und Guten zu erhöhen. Sollte diese Wirkung einige Töne dieser Lieder begleiten, so würde das den Sänger des Blümchens Wunderhold, der von der göttlichen Kunst groß, von sich selbst aber sehr mäßig denkt, freilich noch nicht berechtigen, in Prosa nun eben so zu stolzieren, als es in Versen bisweilen wohl kleiden mag. Allein er dürfte doch einen bescheidenen Mut gegen diejenigen fassen, vor welchen auch der beste Dichter, vermutlich weil er so titel- und brotlos ist, ein sehr überflüssiges Nebengeschöpf zu sein scheinet. Der Niedergeschlagene, zwar weit entfernt auf Sonnenrang Anspruch zu machen, brauchte sich doch alsdann in der großen Welt- und Wesenkette nicht für unnützer und verdienstloser, als wenigstens den Zephyr zu halten. Der Flatterer, der Tändler, der Gaukler, oder wie er sonst noch gescholten werden mag, treibt zwar weder Kriegs- und Handelsschiffe, noch große Mühlen zur unmittelbaren Leibesnahrung und Notdurft: allein er hilft doch Blumen aus den Knospen schmeicheln und süße Früchte zur Reife bringen, Blumen und Früchte, welche vielen wohlgebornen und wohl erzogenen Gemütern große Freude machen und ungemein wohl bekommen. Er wehet den Lieblingen der Natur nach des Tages Last und Hitze die Wohlgerüche des Frühlings zu; er trocknet dem Wanderer die Pfade, dem Müden die nasse Stirn ab; er kühlt dem Schnitter die glühenden Wangen, erquickt entatmete Busen, und stärkt erschlaffte Nerven zu neuen Anstrengungen. Sollten die Ansprüche des Dichters auf ähnliche Verdienste, wofern er sonst nur dem Genius der Kunst genug thäte, gegründet sein: so wären sie ja auch wohl nicht so unbescheiden, daß sie verdienten niedergeschlagen zu werden. Alles, was zur Vollkommenheit und zum Wohlsein des Menschen, der doch bekanntlich noch etwas mehr, als bloß Körper ist, auf irgend eine Weise beiträgt, das verdient von verständigen und gerechten Menschen als etwas Nützliches angesehen und geschätzet zu werden. Kann die schöne, geist- und herzvolle Schwester im Hause ein solches von sich rühmen, so mag es ihr wohl nicht zum gerechten Vorwurfe gereichen, daß sie sich nicht auch auf Kochen, Backen und Brauen verstehet. Sie ist freilich keine Partie für den Gast-und Speisewirt: allein es gibt auch immer noch andere wackere Männer, deren Hauptsache es gerade nicht ist, um bloße Köchinnen oder Schaffnerinnen mit Schlüsselbündeln zu werben. Sie selbst aber wird wiederum auf diese nie deswegen mit spöttischem Übermut blicken, wird ihnen nicht das mindeste von ihren verdienten Ehren entziehen, ja selbst jeden Vortritt, den sie verlangen, sehr willig einräumen. Denn je mehr Verstand, Herz und Geschmack: desto mehr Gerechtigkeit, Toleranz und Bescheidenheit.

Mein geringes Verdienst darf ich nur auf einige Töne gründen. Denn nur von einigen wage ich es zu hoffen, daß sie mein poetisches Dasein nicht ganz ohne Wert für mein Vaterland lassen werden. Für die ungleich größere Menge der unvollkommenen, die wenig oder nichts, ja vielleicht – o hätte mich doch mein guter Genius davor bewahret! – vielleicht wohl gar schlecht auf Herz und Geschmack wirken, von welchen allen es, wie bei Shakespear von Macbeths Unholdinnen heißen möchte:

 

Poetry hath bubbles, as the water has;

And these are of them –

 

bedarf ich gewiß sehr großer Nachsicht. Ein gehöriger Grad der Strenge bei dieser neuen Ausgabe meiner teils 1778 bereits gesammelten, teils nachher einzeln erschienenen, und endlich gegenwärtig ganz neu hinzugefügten Gedichte, hätte vielleicht mehr, als die Hälfte derselben, ganz verwerfen, und von dem Reste wohl abermals mehr, als die Hälfte wegschneiden, oder doch ganz anders zur Vollkommenheit empor arbeiten müssen. Enthält diese Sammlung, sowohl in Materie als Form, ächtes poetisches Gold, so fassen es, ausgebrannt und von den Schlacken gereinigt, vermutlich nur wenige Bogen.

Warum ich denn nun aber diesen Prozeß nicht vorgenommen habe? – Aufrichtig zu reden, ich trauete mir selbst nicht Unbefangenheit genug zu. Nicht, daß ich aus Autorliebe gefürchtet hätte, vieles zu fest, sondern vielmehr zu lose zu halten, was meiner gegenwärtigen Stimmung – vielleicht auch Verstimmung – mißfällt, gleichwohl aber mehrern Lesern noch angenehm sein kann. Die Reduktion sei daher lieber der Kritik und dem Geschmacke des gebildeten Publikums überlassen. Aus Ehrfurcht und Gefälligkeit gegen dasselbe bin ich sehr bereit, alles, was sein Urteil verwirft, ohne Widerrede mit zu verwerfen. Ohne Bedauern habe ich dies schon mit mehrern Kleinigkeiten gethan, welche einiges Mißfallen erregt zu haben schienen. Es ist daher gewiß keine Grimasse, sondern hoher und ungeheuchelter Ernst, wenn ich um die strengste, wiewohl freilich auch besonnenste, Beurteilung, und für kein einziges dieser Gedichte, ja nicht für einen Vers, nicht für ein Wort, um unverdiente Schonung bitte. Für meine Person hingegen wünsche ich allerdings, daß der ehrwürdige Richter nicht mich selbst mit Verdruß und Unwillen ansehen wolle, wenn ich das Gefühl des Schönen und Guten wider meinen Willen irgend wo beleidigt haben sollte. Der Wunsch, meinem Vaterlande in diesem Zweige der Litteratur, sei er nun viel oder wenig wert, keine Schande zu machen; ja wo möglich es dahin zu bringen, daß die Edlen sich meiner ein wenig freuen dürften; dieser Wunsch wird erst mit meinem Leben erkalten. Von ihm beseelt, werde ich, wenn diese Sammlung nun noch eine rechtmäßige Auflage erleben sollte, der erste und eifrigste sein, in das Grab der Vernichtung und Vergessenheit hinabzutreten, alles was deutschen Geist und Geschmack vor Gegenwart und Zukunft entehren könnte.

 

Herzlich bitte ich indessen den guten Genius unserer Litteratur wegen mancher bösen Nachahmung um Verzeihung, wozu ich durch mein Beispiel, sowohl vorhin, als vielleicht itzt abermals, den Unmündigen vorgeleuchtet haben mag. Ich will mich nicht damit entschuldigen, daß dieses auch oft durch gute und untadelhafte Beispiele geschehen könne, wenn es dem Nachahmer an Beurteilungskraft und Geschmack mangelt. Wohl aber will ich diejenigen, die etwa allzusehr von meiner Weise eingenommen sein möchten, aufrichtig vor mir selbst gewarnet haben; damit ich künftig nur für meine eigenen, nicht aber auch noch für fremde Vergehungen zu büßen haben möge. Wenn diejenigen, welche so zuversichtlich meinem Ansehen folgen zu können glauben, wüßten, wie ängstlich und verzagt ich oft selbst bin: so würden sie einem so schwachen Führer sich nicht anvertrauen.

Es ist überhaupt ein sehr mißliches Unternehmen, fremde Eigenheiten nachzuahmen. Demjenigen, dessen Eigenheiten es sind, pflegen sie gemeiniglich so innig natürlich und geläufig zu sein, daß er sie selbst nicht eher an sich gewahr wird, als bis ihn ein Dritter aufmerksam darauf macht. Eben daher aber, und weil sie so ganz zu seiner übrigen Individualität passen, kleiden sie auch nur ihren Eigentümer entweder gut, oder doch wenigstens erträglich, den Nachahmer hingegen oft unausstehlich. Nachahmer fremder Manieren kommen mir immer nicht anders vor, als Kosacken oder Bettler. Sie stecken sich in geraubte oder erbettelte Kleider, wovon ihnen selten ein Stück völlig gerecht sein wird.

Sind denn nun aber alle guten und bösen Worte, jedem Original seine Weise für sich zu lassen, vergebens; ist alles Bitten und Flehen umsonst, ihm den vielleicht sonst zu seinem und des Publikums Besten noch lange fortblühenden Handel nicht vor der Zeit durch tagtägliche Nachäffereien zu Grunde zu richten; indem man ja auch der besten Töne auf dem besten Instrument endlich überdrüssig werden muß, wenn ihrer Wiederholungen gar kein Ende ist1; soll und muß denn schlechterdings auch ich, der geringste von allen, die ihr eigenes Instrument auf eigene Weise spielten, nachgeahmt werden; wiewohl unter allen möglichen Mitteln, meine Hochachtung und Liebe zu gewinnen, dieses gewiß das unglücklichste ist: so rate ich doch wohlmeinend, hierzu nicht gerade meine Eigenheiten zu wählen, bevor sie nicht eine zuverlässige Kritik ausdrücklich gut geheißen hat. Denn ich befürchte sehr, daß die Kritik viele derselben nur mir aus Güte und Nachsicht stillschweigend hingeben läßt, weil ich ihr vielleicht nicht von andern Tugenden gänzlich entblößt scheine. Nach einigen bin ich mir wenigstens eines sehr eifrigen Bestrebens bewußt, wenn auch in der Ausführung die Kraft nicht immer dem Willen die Wage halten sollte. Wie wenn aber dennoch die ehrwürdige Göttin mein Bestreben nach Klarheit, Bestimmtheit, Abrundung, Ordnung und Zusammenklang der Gedanken und Bilder; nach Wahrheit, Natur und Einfalt der Empfindungen; nach dem eigentümlichsten und treffendsten, nicht eben aus der toten Schrift- sondern mitten aus der lebendigsten Mundsprache, aufgegriffenen Ausdrucke derselben; nach der pünktlichsten grammatischen Richtigkeit, nach einem leichten, ungezwungenen, wohlklingenden Reim- und Versbau, hin und wieder zu erkennen glaubte, und mir bloß darum manchen verwerflichen Bürgerianismus verziehe: würde und dürfte sie nun auch meinem Nachahmer, der an dies alles nicht gedacht hätte, gleiche Huld widerfahren lassen? – Wenn ich wirklich, was man mir bisweilen nachgerühmt hat, ein Volksdichter bin, so habe ich dies schwerlich meinen Hopp Hopp, Hurre Hurre, Huhu u.s.w. schwerlich diesem oder jenem Kraftausdrucke, den ich vielleicht nur durch einen Mißgriff aufgehascht, schwerlich dem Umstande zu verdanken, daß ich ein Paar Volksmärchen in Verse und Reime gebracht habe. Nein, dem unablässigen Bestreben nach den vorhin genannten Tugenden muß ichs zu verdanken haben; dem Bestreben, daß dem Leser sogleich alles unverschleiert, blank und bar, ohne Verwirrung, in das Auge der Phantasie springe, was ich ihm anzuschauen, daß alles sogleich die rechte Saite seiner Empfindsamkeit treffe, was ich ihm habe zu empfinden geben wollen.

In meiner Nachtfeier, in dem hohen Liede und einigen andern regt sich freilich etwas alte Mythologie, die aber auch fast populär ist, oder sich doch mit wenigen Worten selbst einem Kinde erklären läßt. Wenn indessen, höchstens nur diese Mythologie abgerechnet, in jenen Gedichten nicht eben der Geist der Popularität, das ist, der Anschaulichkeit und des Lebens für unser ganzes gebildetes Volk, – Volk! Nicht Pöbel! – als in der Lenore und ihres gleichen herrscht und erkannt wird: so fühle ich mich durch den Ehrennamen eines Volksdichters nur sehr wenig geschmeichelt. In diesem Sinne habe ich es gemeint, was ich schon in der Vorrede zur ersten Ausgabe, (die ich übrigens zu vergessen bitte,) von Volkspoesie behauptet, nur aber ein wenig abenteuerlich ausgedrückt habe. Ich hätte sagen sollen, was ich auch noch jetzt, und wie ich meine, nicht ohne Besonnenheit, behaupte: Popularität eines poetischen Werkes ist das Siegel seiner Vollkommenheit. Wer diesen Satz sowohl in der Theorie als Ausübung verleugnet, der mißleitet das ganze Geschäft der Poesie, und arbeitet ihrem wahren Endzweck entgegen. Er zieht diese so allgemein menschliche Kunst aus dem ihr bestimmten Wirkungskreise, von dem Markte des Lebens hinweg, und verbannet sie in enge Zellen, ähnlich denen, worin der Meßkünstler mißt und rechnet, oder der Metaphysiker, wenigen Schülern höchst schwer, oder gar nicht verständlich, etwas vorgrübelt. Diese Erklärung mag nun noch immer, wie vorhin, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Thorheit sein, so kann ich doch nicht aufhören, die Poesie für eine Kunst zu halten, die zwar von Gelehrten, aber nicht für Gelehrte, als solche, sondern für das Volk ausgeübt werden muß. In den Begriff des Volkes aber müssen nur diejenigen Merkmale aufgenommen werden, worin ungefähr alle, oder doch die ansehnlichsten Klassen überein kommen. Ich glaube mit nichten, daß dieser Begriff schimärisch, oder für den Dichter unfruchtbar sei, wiewohl ich ganz und gar die Folgerung nicht soweit getrieben haben will, daß nun jedes Gedicht Jedermann in gleichem Maße verständlich und behaglich sein soll. Anstatt einer umständlichen philosophischen Entwickelung sei es mir erlaubt, meine Meinung nur in einem ganz gemeinen Gleichnisse anschaulich zu machen. Der Schuhmacher, welcher mit einer großen Anzahl zum voraus verfertigter Schuhe zu Markte ziehet, weiß sehr wohl, daß seine Schuhe nicht auf alle Füße passen werden. Es gibt allerdings Abweichungen ins Große und ins Kleine, und selbst Menschen gehen bisweilen auf Pferdefüßen. Deswegen ist doch aber sein allgemeiner Maßstab, wonach er sich richtet, kein Unding; und ob mir, dem gewöhnlichen Manne, gleich nicht alle seine hundert oder tausend Paar Schuhe wie angegossen passen; so könnte ich doch wohl, wenn es drauf ankäme, in allen hundert und tausend Paaren ganz leidlich einhergehn. Wenig Nutzen würde hingegen sowohl ihm, als dem Publikum seine Bude gewähren, wenn er nur Zwerg-oder Riesenschuhe zu Markte gebracht hätte. Einige Paar von beiderlei Abweichungen mögen immer mit unterlaufen. Wahrlich, es ist ein wahres Wort, was schon längst ein scharfsinniger Britte gesagt hat: Human Nature is the same in all reasonable creatures; and whatever falls in with it, will meet with admirers amongst Readers of all Qualities and Conditions2. Dies ist ungefähr meine Meinung von Volkspoesie, und ich glaube zu wissen, was ich sage.

 

Doch ich verliere mich fast von meinem Wege. Ich wollte nur warnen, daß man meine angebliche Popularität nicht in etwas setzen und nachahmen möchte, worin sie gewiß nicht, wenigstens nicht allein bestehet, noch bestehen darf, wenn sie mir zur Ehre, und meinen Werken zum Lebensbalsam über das Restchen dieses Jahrhunderts hinaus gereichen soll. In dem Sinne, wie ich ein Volksdichter, oder lieber ein populärer Dichter zu sein wünsche, ist Homer, wegen der spiegelhellen Durchsichtigkeit und Temperatur seines Gesangstromes, der größte Volksdichter aller Völker und Zeiten, sind es, mehr oder weniger, alle großen Dichter, auch die unsrigen, und gerade in ihren allgemein geliebtesten und unsterblichsten Versen, unendlich mehr als ich gewesen. Was sie nicht populär gedichtet haben, das ist zuverlässig bei ihren lebendigen Leibern bereits vergessen, oder gar niemals in die Vorstellungskraft und das Gedächtnis ihrer Leser aufgenommen worden. Mit gutem Vorbedacht gebe ich daher alles, was ich nicht populär, nicht innerhalb des allgemein anschaulichen und empfindbaren poetischen Horizontes gedichtet habe, wenn auch nicht gerade als Fehler, dennoch als etwas preis, woran ich selbst am wenigsten Wohlgefallen habe.

 

Es thut mir leid, daß ich hier so viel von mir selbst reden muß, welches, wie ich wohl weiß, nicht fein läßt. Ich bin mir indessen bewußt, daß ich von mir selbst so unbefangen und gleichgültig, als von einem fremden Manne rede. Auch geschieht es minder mir, als der Kunst und ihren Jüngern zu Liebe. Denn unter andern auch darum entledige ich mein Herz über Nachahmung, oder vielmehr Nachäffung, welche anstatt des Kernes die Schale ergreift, weil ich eine Überschwemmung von schlechten Sonnetten befürchte, wenn die wenigen, die ich versucht habe, Beifall gewinnen sollten. Diese Gedichtform, deren sich die neuern Ausländer, besonders Italiäner, noch bis auf den heutigen Tag sehr häufig bedienen, war auch bei unsern ältern Dichtern nicht wenig im Gange. Der Zwang aber, die Plumpheit und der Übelklang, womit die meisten, wo nicht alle, deutschen Sonnette dahinstolperten, brachte vermutlich nachher, bei mehrerer Kultur des Geschmackes, diese Form, bis auf wenige Ausnahmen in neuern Zeiten3, aus dem Gebrauch und fast ganz in Vergessenheit. Wenn bessere Dichter oder Kunstrichter ihrer ja noch erwähnten, so geschah es mit einer Art Geringschätzung, womit man etwa von der Kunst sprechen möchte, Hirsenkörner durch ein Nadelöhr zu werfen. Die undankbare Schwierigkeit des Sonnettes ward beinahe, und zwar in Sonnetten selbst, zum Sprichworte. Kurz, man hielt die Kunst des Sonnettes für nicht viel besser, als die Kunst der Anagrammen, Logogryphen, Akrostichen, Chronogrammen und Rätsel. Allein mir däucht denn doch, man sprach davon nur wie der Fuchs von den Trauben, indem der Vorwurf des Zwanges und der Unbehülflichkeit mehr dem Dichter, als der Form und unserer Sprache gebühret. Ein gutes deutsches Sonnett kann demjenigen, der nur einigermaßen Ohr hat, seiner Sprache mächtig ist, und ihren Knoten, deren sie freilich leider! genug hat, auszuweichen verstehet, nicht viel schwerer sein, als jedes andre kleine gute Gedicht von diesem Umfange; und wenn es gut ist, so schlägt es mit ungemein lieblichen Klängen an Ohr und Herz. Das Hin- und Herschweben seiner Rhythmen und Reime wirkt auf meine Empfindung beinahe eben so, als ein von einem schönen, anmutigen, bescheidenen jungen Paare, schön und mit bescheidener Anmut getanztes kleines Menuet, und in dieser Stimmung halte ich es für sehr wahr, was Boileau sagt:

 

Un sonnet sans défaut vaut seul un long poëme.

 

Es ist aber, glaube ich, nicht allein alsdann gut, wann seine mechanischen Regeln, die nach Boileau4 Apoll aus Bizarrerie für dasselbe erfunden und festgesetzt haben soll, auf das genaueste beobachtet werden, wiewohl man, pour pousser au bout tous les rimeurs, und um die Unberufenen abzuwehren, wohl thut, dieselben auf das genaueste beizubehalten. Sondern vornehmlich alsdann ist das Sonnett gut, wann sein Inhalt ein kleines, volles, wohl abgerundetes Ganzes ist, das kein Glied merklich zu viel, oder zu wenig hat, dem der Ausdruck überall so glatt und faltenlos, als möglich, anliegt, ohne jedoch im mindesten die leichte Grazie seiner hin und her schwebenden Fortbewegung zu hemmen. Es muß aus der Seele, es muß von Zunge und Lippen gleiten, glatt und blank, wie der Aal, welcher der Hand entschlüpfend auf dem betauten Grase sich hinschlängelt. Wenn man versuchte, das gute und vollkommene Sonnett in Prose aufzulösen, so müßte es einem schwer werden, eine Sylbe, ein Wort, einen Satz aufzugeben, oder anders zu stellen, als alles das im Verse stehet. Ja sogar die überall äußerst richtig, voll und wohl tönenden Reimwörter müssen nicht nur irgendwo im Ganzen, sondern auch gerade an ihren Stellen, um des Inhalts willen, unentbehrlich scheinen. – Und ist denn das etwa nicht schwer genug? – Allerdings! Allein dem Meister der Kunst doch nicht so gar viel schwerer und zwangvoller, als jedes andre kleine Lied. Darf denn dieses etwas andres sein, als gleichsam ein Hauch, leicht aus der Brust empor gehoben und von den Lippen weggeblasen; nicht aber herausgewürgt, gehustet, geräuspert, gekrächzet, geröchelt? – Wie weit ich meinen eigenen Foderungen Genüge geleistet, das ziemet mir nicht zu entscheiden. Soviel aber darf ich behaupten, daß mein junger vortrefflicher Freund, August Wilhelm Schlegel, dessen großem poetischen Talent, Geschmack und Kritik, mit mannigfaltigen Kenntnissen verbunden, schon sehr frühe die gehörige Richtung gaben, nach jenen Foderungen ohne Anstoß Sonnette verfertigt hat, die das eigensinnigste Ohr des Kenners befriedigen müssen. Ich kann mich nicht enthalten, mit einem derselben diese Vorrede zu würzen, und mich zugleich dadurch zu rechtfertigen, daß ich das Wort der Weihe, in meinem ganzen Leben das erste, an diesen Lieblingsjünger, dessen Meister ich gern heißen möchte, wenn solche Jünger nicht ohne Meister fertig würden, nicht wider die Gebühr verschwendet habe:

 

 

 

Das Lieblichste

 

Sanft entschläft sich’s an bemoosten Klippen,

Bei der dunkeln Quelle Sprudelklang.

Lieblich labt’s, wann Glut das Mark durchdrang,

Traubensaft in Tropfen einzunippen.

 

Himmlisch dem, der je aus Aganippen

Schöpfte, tönt geweihter Dichter Sang.

Göttlich ist der Liebe Wonnempfang

Auf des Mädchens unentweihten Lippen.

 

Aber Eines ist mir noch bewußt,

Das der Himmel seinen liebsten Söhnen

Einzig gab, die Wonne milder Thränen;

 

Wann der Geist, von Ahndung und von Lust

Rings umdämmert, auf der Wehmut Wellen

Wünscht in Melodieen hinzuquellen.

Das Sonnett ist übrigens eine sehr bequeme Form, allerlei poetischen Stoff von kleinerm Umfange, womit man sonst nichts anzufangen weiß, auf eine sehr gefällige Art an den Mann zu bringen. Es nimmt nicht nur den kürzern lyrischen und didaktischen sehr willig auf, sondern ist auch ein schicklicher Rahm um kleine Gemälde jeder Art, eine artige Einfassung zu allerlei Bescherungen für Freunde und Freundinnen. –

 

Noch geziemet sich hier ein Wort der Entschuldigung wegen des Verzuges dieser schon so lange angekündigten neuen Auflage. Meine Absicht war gut, ob ich sie gleich nicht erreichet habe. Ich wollte nicht allein einer ziemlichen Anzahl poetischer Bruchstücke in meinem Pulte die Vollendung, sondern auch den bereits vorhandenen Gedichten einen höhern Grad der Vollkommenheit zu geben suchen, um hernach mit desto mehr Gemütsruhe von der Muse des Gesanges ganz Abschied nehmen zu können. Allein das Klima, die Lage, die Leibes- und Seelenstimmung, worin ich mich befand, waren Produkten dieser Art nicht günstig; und vergebens hoffte ich von einem Jahr in das andre im Buche des Schicksals das Blatt umzuschlagen, worauf Verbesserung geschrieben stünde. Der Anfragen und Anmahnungen, welche indessen entweder herzliches Wohlwollen, oder leere Höflichkeit, bisweilen auch wohl Unbescheidenheit, an mich ergehen ließen, wurden mir denn doch zuletzt zu viele. Ich mußte mich daher entschließen, wenigstens das hiermit zu geben, was sich bis hieher kümmerlich hatte durchwintern lassen. Ich bin nun zwar längst nicht mehr eitel genug, mir einzubilden, als ob das Zurückbleibende ein erheblicher Verlust für das Publikum sei: indessen gibt es doch wohl immer noch gute Freunde und Freundinnen, denen es leid darum ist, und welche ihre Ansprüche darauf im Herzen behalten. Diese muß ich bitten, mich nun nicht weiter zu fragen, von mir nichts mehr zu fodern, nichts mehr zu erwarten. Es kann Lagen und Stimmungen geben, in denen einem dergleichen, anstatt zu schmeicheln, nur zur Last fällt. Zwar will ich mich nicht selbst schon der absoluten Ohnmacht des Alters anklagen, wiewohl ich allerdings über den Johannistag des Lebens hinaus bin, und das Beispiel der alsdann verstummenden Nachtigall die Dichter zu erinnern scheinet, daß sie ihren im Lenz ersungenen Ruhm, in dem schwülen Nachsommer, oder kalten, feuchten Herbste nicht wieder versingen sollen. Auch will ich mir nicht etwa das lächerlich vornehme Ansehn geben, als ob der Umgang mit der jugendlichen, Geist und Herz erhebenden Schönen unter der Würde eines gesetzten Mannes sei, der auch wohl außerdem noch eins und das andre gelernt hat, und auszurichten im Stande ist. Denn schien mir jemals etwas des Spottes, der Verachtung wert, so war es jener dünnethuende Bettelstolz, womit mancher Titulado sich beigehen ließ, auf die Leier Apollons, die er wohl gar selbst in seiner Jugend gespielt, hernach aber mit dem Schreiberkiel vertauscht hatte, als auf eine Kinderklapper herab zu blicken. Die Ergreifung dieses gemeinen Lehr- und Nährkieles ist zwar keinesweges auch dem allerhochadeligsten Göttersohne zu verargen, wenn allerlei Leibesbedürfnisse ihn endlich aus der Gesellschaft der schönen Pierinnen vertreiben. Aber deswegen nun von ihren göttlichen Gaben, und den edlen Vorteilen, welche diese zur Bildung des Geistes und des Gemütes gewährten, wie von den Pfeffernüssen der Frau Pate zu sprechen, das ist eine Thorheit, die glaube ich nur in dem gelehrten Deutschland Mode ist, und in England, Frankreich und Italien, wo man mehr auf Geistes- als Faustwerke hält, vermutlich laut ausgepfiffen werden dürfte. Vor einer solchen Thorheit wird mich mein bißchen Vernunft und Einsicht in den Wert der Menschen und ihrer Beschäftigungen hoffentlich auf immer bewahren. Wenn ich den Umgang mit meiner göttlichen Freundin für die Zukunft nicht eben verschwöre, – denn wer wollte das thun? – aber doch zu meiden mich bestrebe; so geschieht es lediglich um deswillen, damit während der Zeit, da die Herren und Damen sich, wie es ihnen selbst zu sagen beliebt, an meinen Liedern ergötzen, nicht ich selbst in mancher Rücksicht mich allzu unergötzlich befinden möge. Dergleichen wäre nun zwar nicht zu besorgen, wenn alle Dinge im werten deutschen Vaterlande so stünden, wie sie unmaßgeblich stehen sollten. Denn alsdann würde z.B. ein von dem Publikum geliebter Schriftsteller, sei er nun Dichter oder Prosaist, quem Deus nec mensa nec Dea dignata cubili est, die besten Jahre seiner Geisteskraft und Thätigkeit auf die Vollendung einiger vorzüglichen Kunstwerke, die aber auch nun desto mehr Unterricht und Vergnügen, desto mehr Ehre seinem Volk und Zeitalter gewährten, nicht zu seinem selbsteigenen Nachteil verwenden. Vielmehr würde er, da diese Werke vermutlich sehr gern gelesen und häufig gekauft werden würden, sich dadurch eine kleine, sichere und ihm wohl nicht zu mißgönnende Rente auf die unscheltbarste Weise erworben haben. Diese wäre vielleicht hinreichend, ihn gegen manche Unannehmlichkeiten zu schützen, welche die Energie seines Geistes schwächten und sein Leben verbitterten, ohne daß er weiter genötigt wäre, irgend einer sterblichen fürstlichen oder unfürstlichen Seele zur Last zu fallen. Allein es soll weise, gerechte, dankbare und großmütige Staatsvorsteher in Deutschland geben, denen vermutlich ein weit höheres Maß von Einsicht und Beurteilungskraft, als unsern philosophischen und juristischen Matadoren, vermutlich ein unendlich feineres moralisches Gefühl, als den Edelsten unseres Volks zu teil geworben ist. Diese sollen nicht der Meinung sein, daß ein Werk der Litteratur auch alsdann noch seinem Verfasser oder Verleger eigentümlich gehöre, wann es in das Publikum zu jedem beliebigen Gebrauche, außer zum Nachdrucke, ausgegangen ist. Eben dieselben sollen auch nicht dafür halten, daß es die gelehrten, geist-und herzreichen, geschmackvollen, beredten Schriftsteller in Prosa und Versen sind, welche dem Verstande Licht, dem Herzen Rechtschaffenheit und Adel, der ganzen Empfindsamkeit Stimmung zu den schönsten und edelsten Melodieen, den Sitten Glätte, Geschmeidigkeit und Anmut, allen Leibes- und Geisteskünsten Vollkommenheit und Schönheit verleihen. Sie sollen es sich nicht träumen lassen, daß jene Schriftsteller es sind, welche den Fürstenthronen Festigkeit und Glanz, den Staaten Reichtum, Macht und Ehre, und überhaupt dem ganzen menschlichen Geschlecht mehr Heil und Segen zur Vollkommenheit und Glückseligkeit in dieser und jener Welt gewähren, als ihre Kriegsscharen mit aller Gewalt wieder niederzusäbeln, ihre Feuergewehre niederzudonnern im Stande sind. Nun, wem glauben sie denn wohl sonst dieses alles, wem glauben sie es verdanken zu müssen, daß sie nicht mehr über Wilde und Barbaren, sondern über aufgeklärte, edle, gesittete, milde und getreue Völker herrschen, die sie nicht mehr für jeden wirklichen, oder vermeintlichen Frevel, nicht mehr für jede Thorheit, sogleich von Land und Leuten verjagen; unter denen sie ohne Leibwache, mit und ohne Überrock, sicher vor Gift und Dolch, umherwandeln, essen, trinken, und bei ihren Weibern oder Mätressen schlafen können? – Welche Frage! Wem anders, als – den Nachdruckern? Christian Gottlieb Schmiedern und Konsorten!

 

Diese sind ihnen die wahren Verbreiter der Aufklärung, der Tugend, des guten Geschmackes, der feinen Lebensart und Sitten. Es kann daher gedachten weisen, gerechten, dankbaren und großmütigen Staatsvorstehern nicht einfallen, den Schriftstellern, oder deren rechtmäßigen Verlegern ihr laut angeschrienes Eigentum durch allgemeine, beständige, wirksame Gesetze zu sichern, oder die Schriftsteller, als Schriftsteller5, für die Wohlthaten, so sie ihnen und ihren Staaten erweisen, zu belohnen. Was sage ich belohnen? Es kann sie bei jener Denk- und Sinnesart auch nicht einmal ein Gefühl der Scham anwandeln, das Brot, welches die Schriftsteller, ohne ihr durchlauchtiges, hochgebornes und excellentes Zuthun, sich durch sich selbst, durch ihre nach langem, schweren und mühsamen Fleiß endlich vollendeten Werke erworben haben würden, dem ersten dem besten Hunde Preis zu geben, der seine Hütte unter dem Thron ihrer Weisheit, Gerechtigkeit, Dankbarkeit und Großmut aufschlägt. Weil denn nun aber die Umstände so beschaffen sind und eine Änderung sobald nicht zu erwarten stehet, was bleibt dem Schriftsteller übrig? Soll er sich etwa bei dem aufklärenden, Tugend und Geschmack verbreitenden Nachdrucker als Ballenbinber verdingen? Besser stünde er sich dabei unstreitig, als bei der Schriftstellerei, wenn ohne diese auch nur immer etwas zu bündeln und zu schnüren wäre. Oder soll er, anstatt die Blüte seines Lebens und seiner Kraft einem oder zwei vortrefflichen, vollendeten, bauernden Nationalwerken aufzuopfern, jede Messe mit Alphabeten voll Mittelmäßigkeit oder Erbärmlichkeit beschicken? Denn nur die Engel Gabriel und Raphael sind vermutlich im Stande, das Vortreffliche in der Poesie, Philosophie, Geschichte, jedes halbe Jahr in so starken Ballen zu liefern, daß bei der Gefahr des Nachdruckes der Aufwand an Öl, Holz und Schreib- materialien daran gewonnen werden mag. Da es nicht Jedermanns Sache ist, seine Ehre vor Welt und Nachwelt auf jeder Messe für ein Paar Louisd’or Trankgeld feilzubieten; so wird es weit geratener sein, sich in dunkler Stille zur geringsten Handarbeit, zum Abschreiben, zum Abc-lehren, ja zum Graben selbst zu entschließen, als auf Werke der Homere, der Sophokles, der Plato, der Xenophon, der Tacitus, der Montesquieu, der Gibbon, der Klopstocke, Wielande und Kante sich zu verwenden. In der Erwartung, meine armen Gedichte, deren ich gewiß ungern und sehr verschämt so nahe bei jenen großen Namen erwähne, je mehr sie das Publikum etwa ergötzen möchten, desto eher von den genannten erhabenen Wohlthätern unserer Nation, unter gnädigster Protektion bestmöglichst verbreitet zu sehen, mache ich denn also hiermit, unter Verzichtleistung auf Gerechtigkeit, Dank und Großmut, welche nicht mir, sondern Schmiedern und Konsorten gebühren, dem werten Publikum meine demütige Verbeugung und greife von nun an – zum Spaden. Es ist nun freilich bei so bewandten Umständen nicht möglich, daß ein lern- und lustbegieriges Publikum noch zwei andere ähnliche Bände, oder was sonst eine mangel- und verdrußlose Lage hervorbringen möchte, erhalte. Wenn das aber auch Iliaden und Theodiceen wären, so ist doch offenbar ein solcher Verlust eine wahre Kleinigkeit gegen den halben oder ganzen Gulden, den Ihre Majestäten, Durchlauchten, Hoch- und Hochwohlgeborne Excellenzen, und ein ganzes wirtschaftliches Publikum an dem nächstbevorstehenden gnädigst privilegiirten Nachdrucke gewinnen werden. Ein solcher Gewinn ist es schon wert, die Nationalwohlthäter Schmieder und Konsorten dankbar zu verehren und zu segnen. Amen.

 

Göttingen, im April 1789.

 

 

Bürger.

 

 

Fußnoten

 

1 Ich erinnere mich, daß mir in meinen Schuljahren die Flöte, die doch ein so lieblich tönendes Instrument ist, auf lange Zeit dadurch verleidet wurde, daß eine Menge meiner Mitschüler zur Linken und Rechten, über und unter, hinter und vor mir, die Flöte blasen lernten, und Tag für Tag mir die Ohren darauf voll dudelten.

 

2 The Spectator. No. 70.

 

3 S.T. Merkur von 1776. zweites und drittes Vierteljahr.

 

4 Poëtique Ch. II. v. 83. seq.

 

5 Sie werden doch wohl nicht das für Belohnung schriftstellerischer Verdienste halten, wenn sie etwa einen großen Geist und Gelehrten zu einem Amt anstellen, wo er für die ihm oft kärglich genug gereichte Leibesnahrung und Notdurft zu ihrem und des Staates besondern Privatnutzen arbeiten muß, daß ihm der Atem ausgehen möchte. Es gibt freilich Schmeichler genug, die so was für Mäcenatenthaten ausschreien, so wie es auch nicht an durchlauchtigen, hochgebornen und excellenten Pfauen und Straußen fehlet, die das für wahr halten. Allein ein edler und tapferer Mann muß, kraft der ihm zuständigen menschlichen, europäischen und deutschen Bürgerfreiheit, die er für sich, seine Mitbürger und Nachkommen mit Gut, Blut und Leben zu behaupten immer bereit sein soll, sich nie scheuen, klare und offenbare Wahrheit zum allgemeinen Heil auch den ersten Staatsdienern vorzupredigen, wenn es gleich schon oft genug von Andern vergeblich geschehen sein sollte. Ein wiederholter Tropfenfall höhlt doch endlich auch Felsen aus. – Praetera censeo, Carthaginem esse delendam – sprach Cato, der Censor, kraft der Befugnis und Sitte römischer Senatoren, so oft er in der Staatsversammlung auch über ganz andere und fremde Gegenstände gestimmt hatte; und endlich stürzte das wiederholte Wort Karthago. Man braucht aber ganz und gar nicht ein Mitglied im Rate der Archonten zu sein, um über Gesetz- und Regierungsmängel des Staates, dessen Bürger man ist, ein freies, offenes und deutsches Censeo sagen zu dürfen, was auch Sultans- und Bassen-Politik dagegen einwenden möchte. Alle Rational-Schriftsteller sollten es zur Sitte machen, ihre Schriften, besonders diejenigen, die für ein größeres Publikum bestimmt sind, unablässig und so lange mit einem ähnlichen censeo zu besiegeln, bis endlich die Hyder Nachdruck vernichtet wäre. Habe ich diese Worte wider den Beifall der Weisen, der Gerechten und Edlen meines Vaterlandes niedergeschrieben, so werde mir wie einem Verbrecher das Haupt abgeschlagen! Vereinigen sich aber ihre tausend und abermals tausend Stimmen mit der meinigen: so blicke dereinst eine bessere Nachwelt mit Verdruß und Mitleiden auf ein Zeitalter zurück, da eines Jeden, und nur das Eigentum des gleichsam in den Stand der schutz- und hülflosen Natur zurückgeworfenen Schriftstellers nicht unverletzlich und heilig war. – Soll er etwa nun auch das Naturgesetz ausüben und den Nachdrucker niederschießen, niederbohren, wo er ihn trifft? Daß das unter solchen Umständen erlaubt sein müsse, getraue ich mir auszuführen; und nur ein Muster menschlicher Inkonsequenz soll es wagen, mich widerlegen zu wollen. Denn nach eben demselben Recht brechen Staaten und Völker einander die Hälse.

 

 

Erstes Buch

 

Lyrische Gedichte

 

Die Nachtfeier der Venus

Nach dem Lateinischen

1. Vorgesang

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Unter frohen Melodieen

Ist der junge Lenz erwacht.

Seht, wie Stirn und Wang’ ihm glühen,

Wie sein helles Auge lacht!

Über Saat und Kräuterrasen,

Hain und Garten schwebet er.

Sanfte Schmeichellüftchen blasen

Wohlgerüche vor ihm her.

Segenvolle Wolken streuen

Warme Tropfen auf die Flur,

Labsal, Nahrung und Gedeihen

Jedem Kinde der Natur.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Lieb’ und Gegenliebe paaret

Dieses Gottes Freundlichkeit,

Und sein Süßestes versparet

Jedes Tier auf diese Zeit.

Wann das Laub ihr Nest umschattet,

Paaren alle Vögel sich.

Was da lebet, das begattet

Um die Zeit der Blüte sich.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Wonneseliger und röter

Bricht uns dieser Morgen an,

Als der bräutliche, da Äther

Mutter Tellus liebgewann;

Da ihr Schoß vom Himmelsgatten

Floren und den Lenz empfing,

Und des ersten Haines Schatten

Um die Neugebornen hing.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Als der erste Frühling blühte,

Wand, erzeugt aus Kronus Blut,

Wand sich Venus Aphrodite,

Bei gelinder Wogenflut,

Wunderlieblich aus des grauen

Ozeans geheimen Schoß,

Angestaunet von den blauen

Wasserungeheuern, los.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

 

2. Weihgesang

Stimmt, zu Aphroditens Feier,

Stimmt ihn an, den Weihgesang!

Töne d’rein, gewölbte Leier!

Hall’ am Felsen, Wiederklang!

Morgen ziehen ihre Tauben

Sie herab in unsern Hain;

Morgen, unter Myrtenlauben,

Ladet sie zu Tänzen ein;

Morgen winkt vom hohen Throne

Uns ihr goldner Richterstab,

Und sie spricht, zu Straf’ und Lohne,

Gütevolles Recht herab.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Eilt, den Thron ihr zu erheben!

Froh vollbringet ihr Gebot!

Flora soll ihn überweben,

Golden, blau und purpurrot.

Spend’, o Flora, jede Blume,

Die im bunten Enna lacht!

Flora, zu der Holden Ruhme,

Spende deine ganze Pracht!

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat langst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Sie wird thronen; wir Geweihte

Werden tief ihr huldigen.

Amor thronet ihr zur Seite,

Sammt den holden Grazien.

Alle Nymphen sind geladen.

Nymphen aus Gefild’ und Hain,

Oreaden und Najaden

Werden hier versammelt sein.

Alle sind herbei gerufen,

Vor der Göttin Angesicht;

Mit zu sitzen auf den Stufen

Zu dem hohen Throngericht.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Schon durchwallt die frohen Haine

Die berufne Nymphenschar.

Amor flattert mit; doch Keine

Naht sich ihm und der Gefahr. –

Nymphen, die sein Köcher schreckte,

Wißt ihr nicht, was ihm geschehn,

Daß er heut die Waffen streckte,

Daß er heut muß wehrlos gehn?–

Unverbrüchliche Gesetze

Wollen, daß sein Bogen heut

Keiner Nymphe Brust verletze. –

Aber, Nymphen, scheut, o scheut

Ihn auch nackt! Er überlistet,

Er verletzt euch Mädchen doch!

Denn den Waffenlosen rüstet

Seine ganze Schönheit noch.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Nymphen, rein wie du an Sitte,

Sendet, keusche Delia,

Sendet dir mit sanfter Bitte

Venus Amathusia:

Morgen triefe dies Gesträuche

Von des Wildes Blute nicht!

Deines Hornes Klang verscheuche

Dieses Haines Vögel nicht.

Selber wäre sie erschienen,

Selber hätte sie gefleht,

Doch sie scheute deiner Mienen,

Deines Ernstes Majestät.

Weich’ aus unserm Feierhaine!

Venus Amathusia

Walte morgen hier alleine!

Weich’, o keusche Delia!

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Dich auch lüd’ in diese Haine

Traulich unsre Göttin ein,

Ziemt’ es dir, o Keusche, Reine,

Unsrer Lust so nah’ zu sein.

Ha! Du solltest Jubel hören!

Hören Sang und Zymbelklang!

Solltest uns in Taumelchören

Schwärmen sehn drei Nächte lang;

Solltest bald in Wirbelreigen

Uns um rasche Nymphen drehn,

Bald, zu Paaren unter Zweigen,

Süßer Ruhe pflegen sehn.

Auch der Held, der fern am Indus,

Vom bezähmten Pardel stritt,

Ceres und der Gott vom Pindus

Freu’n sich unsrer Freuden mit.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

 

3. Lobgesang

Heller glänzt Aurorens Schleier.

Auf! Beginnt den Lobgesang!

Töne d’rein, geweihte Leier!

Hall’ am Felsen, Wiederklang!

Aphroditens Hauch durchdringet,

Bis zur Gränze der Natur,

Wo die letzte Sphäre klinget,

Alle Pulse der Natur.

Sie befruchtet Land und Meere,

Sie das weite Luftrevier.

Wie sie zeuge, wie gebäre,

Weiß die Kreatur von ihr.

 

Morgen liebe, was auf nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Wie mit Perl’ und Edelsteine,

Schmückt sie bräutlich unsre Welt;

Streuet Blüten auf die Haine,

Blumen über Wies’ und Feld.

Sie enthüllt die Anemonen,

Schließt den goldnen Krokus auf;

Setzet die azurnen Kronen

Prangenden Cyanen auf.

Den Päonien entfaltet

Sie das purpurne Gewand;

Wie der Mädchen Busen, spaltet

Junge Rosen ihre Hand.

Ichor ihrer Dornenwunde

Färbt’ einst ihren Silberschein,

Und ein Hauch aus ihrem Munde

Strömte Wohlgeruch hinein.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Liebe segnet die Gefilde,

Und beseliget den Hain;

Liebe flößt dem rauhen Wilde

Wonnigliche Regung ein.

Gatten um die Gatten hüpfen

Rüstig durch den Wiesengrund.

Aphroditens Hände knüpfen

Ihren süßen Liebesbund.

Alte Sage bringt zu Ohren:

Daß sie auf der Hirtenflur

Selber einst den Sohn geboren,

Den Beherrscher der Natur.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Sie entriß Anchisens Laren

Dem entflammten Ilion,

Und aus tausend Meergefahren

Den verfolgten biedern Sohn.

Sie schlang um die Hand Äneens

Und Laviniens ihr Band,

Und die keusche Zone Rheens

Löste sie durch Mavors Hand.

Sie vermählte Romuls Diener,

Halb durch List und halb durch Macht,

Mit den Töchtern der Sabiner.

Aus der Saat der ersten Nacht

Keimten großer Thaten Thäter,

Wunder für der Nachwelt Ohr,

Und die edlen weisen Väter

Ihres Vaterlands empor.

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

Schall’, o Maigesang, erschalle!

Töne, Cypris Hochgesang!

Hört ihr? Singen ihr nicht alle

Fluren, alle Wälder Dank?

Von dem Anger tönt das laute

Lustgebrüll der Herden ihr.

Aus Gesträuche, Gras und Kraute

Summt sein Lied das Würmchen ihr.

Ihr nur schnattert das Gefieder

Von den Teichen Dank empor;

Und der edlern Vögel Lieder

Sind ein Opfer ihrem Ohr.

Horcht! Es wirbelt Philomele

Tief aus Pappelweiden d’rein.

Liebe seufzet ihre Kehle;

O wie könnt’ es Klage sein?

Nicht um Tereus Grausamkeiten

Wimmert Prognens Schwester mehr.

Soll ich nicht ihr Lied begleiten?

Stimmet mich kein Frühling mehr?

Ha, erwachte nicht im Lenze

Meine Brust zu Lieb’ und Sang,

So entwelkten mir die Kränze,

Die um’s Haupt mir Phöbus schlang.

Phöbus Huld müßt’ ich entbehren;

Stimm’ und Laute nähm’ er mir:

Säng’ ich, Mai, nicht dir zu Ehren,

Nicht zu Ehren, Liebe, dir.

Darum werde, wann die Schwalbe

Singend ihre Wohnung baut,

Werd’, o Sang, gleichwie die Schwalbe,

Nach der Winterstille laut!

 

Morgen liebe, was auch nimmer

Noch geliebet hat zuvor!

Was geliebt hat längst und immer,

Lieb’ auch morgen nach wie vor!

 

 

An ein Maienlüftchen

Auf, Maienlüftchen, aus den Blumenbeeten!

Wo deine Küsse Florens Töchter röten;

Wo du so liebetraulich allen heuchelst,

Und Duft entschmeichelst.

 

Erhebe dich, mit allem süßen Raube,

Nach jener dämmernden Holunderlaube!

Dort lauschet Lina. Laß sie deines süßen

Geruchs genießen!

 

Mir hat das Glück noch keinen Kuß bescheret.

Dir aber, Liebchen, wird ja nichts verwehret.

Nimm drei für einen! Komm zurück! Nur Einer

Davon sei meiner!

 

 

Lust am Liebchen

Wie selig, wer sein Liebchen hat,

Wie selig lebt der Mann!

Er lebt, wie in der Kaiserstadt

Kein Graf und Fürst es kann.

 

Ihm scheinet seiner Seligkeit

Kein Preis auf Erden gleich.

Selbst arm bis auf den letzten Deut,

Dünkt er sich krösusreich.

 

Die Welt mag laufen, oder stehn;

Und alles mag rund um

Kopf unten oder oben gehn!

Was kümmert er sich d’rum?

 

Hui! ist sein Wort zu Strom und Wind,

Wer macht aus euch sich was?

Nichts mehr, als wehen kann der Wind,

Und Regen macht nur naß.

 

Gram, Sorg’ und Grille sind ihm Spott;

Er fühlt sich frei und froh,

Und kräht, vergnügt in seinem Gott,

In dulci Jubilo.

 

Durch seine Adern kreiset frisch

Und ungehemmt sein Blut.

Gesunder ist er, wie ein Fisch,

In seiner klaren Flut.

 

Ihm schmeckt sein Mahl; er schlummert süß

Bei federleichtem Sinn,

Und träumt sich in ein Paradies

Mit seiner Eva hin.

 

In Götterfreuden schwimmt der Mann,

Die kein Gedanke mißt,

Der singen oder sagen kann,

Daß ihn sein Liebchen küßt. –

 

Doch ach! was sing’ ich in den Wind,

Und habe selber keins?

O Evchen, Evchen, komm geschwind,

O komm und werde meins!

 

 

Stutzertändelei

Freund Amor, kannst du machen,

Für einen hübschen Kuß,

Daß mir Agneschen lachen

Aus frommen Augen muß?

 

O allerliebste Sachen,

Die ich kaum nennen kann,

Schenkt’ ich für dieses Lachen

Dir, lieber kleiner Mann!

 

In manchem Spiel um Pfänder

Hab’ ich erobert mir

Viel schöne bunte Bänder;

Die alle gäb’ ich dir.

 

Ja dies geraubte Müschchen

Empfingest du sogar!

Und dieses Federbüschchen,

Aus Minna’s blondem Haar.

 

Und deinen Köcher schmückte

Von golddurchwirktem Band’

Ein Röschen, welches stickte

Des schönsten Mädchens Hand.

 

Weckst du ihr süßes Lachen,

Sieh, so verdienst du dir,

Die Nymphen naß zu machen,

Die kleine Spritze hier.

 

Auch sollen dich belohnen

Bonbon und Marzipan,

Vortreffliche Makronen,

Und was dir lüsten kann.

 

Und siehst du dieses Gläschen

Voll Syrakuserwein? –

Erdenke mir ein Späßchen!

Du bist ja sonst so fein. –

 

Ha! Kleiner, ich erfinde

Viel eher einen Plan!

Den höre mir geschwinde

Mit beiden Ohren an!

 

In eine kleine Fliege –

Siehst du, was ich erfand! –

Verwandle dich und fliege

Auf ihrer Schnürbrust Rand.

 

Dort gleite durch die Falte.

Im zarten Musselin,

Bis zu dem tiefen Spalte

Des warmen Busens hin.

 

Dort wage mir hernieder,

Geschickt, nach Bergmannsart,

Anschließend dein Gefieder,

Die wollustvolle Fahrt!

 

Dann muß es dir gelingen,

Ihr, neidenswerte Müh’!

Ein Lächeln abzuzwingen;

Da kitzle, kitzle sie!

 

 

Adeline

Seh’ ich, bei des Tempels Harmonieen,

Ihr Gesicht von Seelenandacht glühen,

Ach! so wähnt mein hochgetäuschter Blick,

Eine Himmelsbraut in ihr zu schauen.

Mir entsinket alle mein Vertrauen,

Und die Liebe bebt vor ihr zurück.

 

Aber seh’ ich, wie im Alltagskreise,

Frei und fröhlich, doch nach Sitt’ und Weise,

Sie so mädchenhaft sich haben kann;

Wie sie Scherz und Ernst so lieblich kleidet,

Und um ihre Huld sich alles neidet:

Dann wagt Liebe wieder sich heran.

 

Ehrfurcht neigt sich ihr im Engelglanze.

Lieb’ umschmeichelt sie, im Mädchenkranze

Sanfter Myrten, ohne Himmelsschein.

Ach! so himmlisch dünke sie stets allen!

Aber meiner Liebe zu gefallen,

Hold und magdlich meinem Blick allein!

 

 

Huldigungslied

Wär’ ich doch so hold, wie jener

Freund der Liebeskönigin;

Oder nur ein bißchen schöner,

Als ich Armer jetzo bin!

 

Denn von einem hübschen Knaben

Fühltest du vielleicht den Schmerz,

Und verschmähtest nicht die Gaben,

Die ich biete: Hand und Herz.

 

Rührt dich auch aus blassem Munde

Liebevolle Huldigung;

O so heile meine Wunde,

Oder gib ihr Linderung!

 

Dienen kann dir niemand treuer,

Als dein frommer Agathon.

Diese huldigende Leier

Sagt die Hälfte nicht davon.

 

Unermüdet will er dienen,

Deines Lebens Genius,

Und erforschen aus den Mienen

Wohlgefallen und Verdruß.

 

Alles, Kind, was dir behagte,

Hätt’ ich’s, alles gäb’ ich dir.

Schande, wenn ich was versagte,

Hohe Schande wär’ es mir!

 

Fehlen sollt’ es nie im Jahre

Dir an Spielen froher Lust,

Nie an Blumen in die Haare,

Nie an Blumen vor die Brust.

 

Ämsig warten jeder Rebe,

Pflegen wollt’ ich jeden Baum,

Daß er süße Früchte gäbe,

Nur für deinen zarten Gaum.

 

Schattengänge, Sommerlauben

Wölbt’ ich dir, zu kühler Ruh,

Trüge Beeren, Nüss’ und Trauben

Dir in Binsenkörbchen zu.

 

Neben deinem Lager stehen,

Wann du lauschtest, wollt’ ich hier.

Angenehme Kühlung wehen

Sollt’ ein Myrtenfächer dir. –

 

Alles Leid und Mißbehagen,

Jede Sorge, jede Last

Wär’ ich ganz allein zu tragen

Nun und immerdar gefaßt.

 

Nimmer, Liebchen, wollt’ ich trüben

Deines Lebens Heiterkeit.

Alle deine Launen lieben

Wollt’ ich mit Verträglichkeit.

 

Sei es Liebes oder Leides!

Käm’ es nur von deiner Huld,

So erwidert’ ich auf beides

Bald Entzücken, bald Geduld.

 

Flügelschläge von dem Weibchen

Trägt des Taubers frommer Sinn.

Auch von dir, geliebtes Täubchen,

Nähm’ ich alles willig hin.

 

Hieße mich dein Blick entweichen,

Zürnte mir dein Angesicht,

Würd’ ich trauernd von dir schleichen.

Widerstreben könnt’ ich nicht.

 

Winktest du, so eilt’ ich wieder,

Küßte den Versöhnungskuß,

Sänk’ an deinen Busen nieder,

Und verlauschte den Verdruß. –

 

Liebchen, rühret dich die Weise

Dieses Liedes? Hörest du? –

Ach! die Ahndung lispelt leise

Meiner bangen Seele zu:

 

Daß ein wenig Schein der Wangen

Mächtiger an Zauberei,

Als das innige Verlangen

Einer guten Seele sei.

 

Schöne Buhler werden kommen,

Werden dich um Liebe flehn;

Und du wirst von deinem Frommen

Zu dem Schönern übergehn.

 

Leicht begnügen sich die Sinnen

An der Schönheit Tüncherei,

Unbekümmert, ob darinnen

Wahrheit oder Lüge sei.

 

Und wie oft gewann die Lüge

Ihr betrügerisches Spiel,

Wann den Sinnen nur zur Gnüge

Ihre Larve wohlgefiel.

 

Bunt, wie Regenbogendünste,

Aber eitel auch, wie die,

Hat sie hundert Zauberkünste;

Und mit diesen täuschet sie.

 

Sie hat Seufzer, sie hat Zähren,

Wörtchen, wie man gern sie hört,

Eide selber kann sie schwören,

Wie sie Treu’ und Wahrheit schwört.

 

Ach! sie wird, um dich zu rühren,

Toben, wie Verzweifelung.

Eide werden dich verführen,

Eide falscher Huldigung. –

 

Dann werd’ ich zur Seite treten,

Weinend über deine Wahl;

Aber dennoch brünstig beten,

Mitten unter meiner Qual:

 

Daß dein Herz nicht übel wähle,

Was dein Auge wohl erkor.

Gott behüte, liebe Seele,

Gott behüte dich davor!

 

 

Das harte Mädchen

Ich sah so frei und wonnereich

Einst meine Tag’ entschlüpfen,

Wie Vögelchen, von Zweig auf Zweig,

Beim Morgenliede hüpfen.

 

Fragt jeden Sommerwind, der hier

Die Blumenau erfrischet:

Ob je ein Seufzer sich von mir

In seinen Hauch gemischet?

 

Fragt nur den stillen Bach im Klee:

Ob er mich klagen hörte?

Und ob von mir ein Thränchen je

Die kleinen Wellen mehrte?

 

Mein Auge schaute falkenhell,

Durch meilenlange Räume.

Wie Gems und Eichhorn, sprang ich schnell

Auf Felsen und auf Bäume.

 

So bald ich auf mein Lager sank,

Entschlief ich ungestöret.

Des Wächters Horn und Nachtgesang

Hat nie mein Ohr gehöret.

 

Nun aber sind mir Lust und Scherz

Und Mut und Kraft vergangen.

Ein hartes Mädchen hält mein Herz,

Mein armes Herz gefangen.

 

Nun hauch’ ich meine Seele schier

Erseufzend in die Winde,

Und girre kläglich hin nach ihr,

Gleich einem kranken Kinde.

 

Nun müssen Bach und Klee genung

Verliebter Zähren saugen,

Und graue Nebeldämmerung

Umwölkt die muntern Augen.

 

Nun härm’ ich ganze Nächte lang,

Auf schlummerlosem Lager,

Die leichten Glieder matt und krank,

Die vollen Wangen hager.

 

An meinem Leben nagt die Wut

Grausamer Seelengeier;

Nagt Eifersucht auf fremde Glut,

Nagt mein verschmähtes Feuer.

 

Das harte Mädchen sieht den Schmerz,

Und mehrt ihn dennoch stündlich.

O Liebe, kennst du noch ein Herz,

Wie dieses, unempfindlich? –

 

Ein einzig Lächeln voller Huld

Würd’ allen Kummer lindern,

Und ihre nicht erkannte Schuld

Bald tilgen, oder mindern.

 

Mich weckte wohl ihr süßer Ton

Noch aus dem Grabe wieder;

Ja, wär’ ich auch im Himmel schon,

Er lockte mich hernieder.

 

 

An den Traumgott

Zu Schwärmer um die Ruhebetten

Von Moos und Flaum,

O Brüderchen der Amoretten,

Geliebter Traum!

Wo fandest du, sie nachzubilden,

Den Stoff so fein? –

In überirdischen Gefilden

Gewiß allein!

 

Zu freundlich nur für Adelinen

War dies ihr Bild.

Wann wäre sie mir selbst erschienen

So sanft, so mild? –

Verkündigst du wohl noch mir Armen

Barmherzigkeit? –

Nein! nein! sie fühlet kein Erbarmen

In Ewigkeit!

 

O Traumgott, ist es ja dein Wille,

Mir wohlzuthun,

So wandle deine schöne Hülle,

Und kleide nun

Dich in ein Wesen, wie das Meine.

Von Gram verzehrt,

Und wie ein Leidender erscheine,

Der Trost begehrt.

 

Den Schatten laß mein Bildnis gleichen,

Die still bei Nacht

Durch Hallen und um Gräber schleichen.

In Trauertracht,

Mit hagrer Wang’ und einer Miene,

Die Gnade fleht,

Tritt hin zu dieser Adeline,

Die mich verschmäht;

 

Und neige dich mit leisen Tönen

Bis an ihr Ohr;

Zähl’ ihr die Seufzer und die Thränen

Der Liebe vor;

Und bring’ in Aufruhr ihr Gewissen!

Ihr Schlaf entflieh’!

Und schluchzend unter Zährengüssen

Erwache sie!

 

 

An die Hoffnung

Wohlthätigste der Feen!

Du, mit dem weichen Sinn,

Vom Himmel ausersehen,

Zur Menschentrösterin!

Schön, wie die Morgenstunde,

Mit rosichtem Gesicht,

Und mit dem Purpurmunde,

Der Honigrede spricht!

 

Du, die mich oft erheitert,

Vernimm, o Hoffnung, mich!

Mein freies Herz erweitert

Zu Lobgesängen sich.

Sie lodern mit dem Feuer

Des frommen Danks empor.

O neig’ auf meine Leier

Dein allgefällig Ohr!

 

Als, mit dem goldnen Alter,

Der Unschuld Glück entwich,

Da sandten die Erhalter

Gequälter Menschen dich:

Daß du das Unglück schwächtest,

Des Lasters Riesensohn,

Und Freuden wiederbrächtest,

Die mit der Unschuld flohn.

 

Nun wandelt im Geleite

Dir ewig Ruhe nach.

Im Aufruhr und im Streite

Mit grausem Ungemach,

Erteilest du dem Müden,

Eh ganz sein Mut erschlafft,

Erquickung oder Frieden,

Und neue Heldenkraft.

 

Du scheuchest von dem Krieger

Das Grauen der Gefahr,

Und tröstest arme Pflüger,

Im dürren Mangeljahr.

Aus Wind und lauem Regen,

Aus Sonnenschein und Tau,

Verkündest du den Segen

Der zartbesproßten Au.

 

Von deinem Flügel düftet

Ein Balsam für den Schmerz;

Bei seinem Weben lüftet

Sich das beklommne Herz.

Dein Odem hauchet Kräfte

Verwelktem Elend ein;

Erstorbne kalte Säfte

Belebt dein milder Schein.

 

Du bist es, die dem Kranken

Die Todesqualen stillt;

Mit wonnigen Gedanken

Von Zukunft ihn erfüllt;

In seinen letzten Träumen

Das Paradies ihm zeigt,

Und unter grünen Bäumen

Die Lebensschale reicht.

 

Die du den armen Sklaven

Im dunkeln Schacht erfreust;

Von unverdienten Strafen

Erlösung prophezeist;

Dem im Tyrhenermeere

Die Last des Ruders hebst,

Und über der Galeere,

Wie Frühlingswehen, schwebst;

 

O Göttin! Deine Stimme

Tönt der Verzweifelung,

In ihrem tauben Grimme,

Noch oft Beruhigung.

Dein holder Blick entwinket

Sie gieriger Gefahr.

Der Todesbecher sinket,

Der schon am Munde war. –

 

Und ach! – Verschmähte Liebe

Bräch’ ihren Wanderstab

Getrost entzwei, und grübe

Sich vor der Zeit ihr Grab.

Doch du hebst ihr im Leiden

Das schlaffe Haupt empor,

Und spiegelst ihr die Freuden

Erhellter Zukunft vor.

 

Das hat mein Herz erfahren! –

Schon lange wäre wohl

Von meinen Trauerjahren

Die kleine Summe voll;

Dem Kummer hingegeben,

Brach mir bereits der Blick;

Du locktest mich ins Leben

Mit Schmeichelei zurück. –

 

»Vielleicht, daß deiner Zähren

Die Letzte bald verschleicht.

Wie lange wird es währen,

So hauchest du vielleicht

Den Seufzer ihr entgegen,

Dem Lieb’ und Glück verliehn,

Die Harte zu bewegen,

Die unempfindlich schien.

 

Und blieb’ ihr Herz hienieden

Auch immer unerweicht;

So ist sie dir beschieden

Im Himmel noch vielleicht;

Im Himmelreich, wo Liebe

Die Seelen all’ erfüllt,

Und jede Brust die Triebe

Der andern Brust vergilt.

 

Wann, sonder Erdenmängel,

Dein Reiz in Fülle blüht,

Und Anmut holder Engel

Dir aus dem Auge sieht;

Wann sich zur Engelseele

Die deinige verschönt,

Und himmlisch deine Kehle

Zur Himmelsharfe tönt:

 

Dann, süßer Lohn der Treue!

Beschleicht die leere Brust

Erbarmen oder Reue,

Voll reiner Liebeslust.

In Edens schönster Laube

Beseliget sie dich.« –

O Paradiesesglaube,

Erhalt’ und stärke mich!

 

 

Herr Bacchus

Herr Bacchus ist ein braver Mann,

Das kann ich euch versichern;

Mehr, als Apoll, der Leiermann,

Mit seinen Notenbüchern.

 

Des Armen ganzer Reichtum ist

Der Klingklang seiner Leier,

Von der er prahlet, wie ihr wißt,

Sie sei entsetzlich teuer.

 

Doch borgt ihm auf sein Instrument

Kein Kluger einen Heller.

Den frohere Musik ertönt

Aus Vater Evans Keller.

 

Obgleich Apollo sich voran

Mit seiner Dichtkunst blähet:

So ist doch Bacchus auch ein Mann,

Der seinen Vers verstehet.

 

Wie mag am waldigen Parnaß

Wohl sein Diskant gefallen?

Hier sollte Bacchus Kantorbaß

Fürwahr weit besser schallen.

 

Auf, laßt uns ihn für den Apoll

Zum Dichtergott erbitten!

Denn er ist gar vortrefflich wohl

Bei großen Herrn gelitten.

 

Apoll muß tief gebückt und krumm

In Fürstensäle schleichen;

Allein mit Bacchus gehn sie um,

Als wie mit ihres gleichen.

 

Dann wollen wir auf den Parnaß,

Vor allen andern Dingen,

Das große Heidelberger Faß

Voll Nierensteiner bringen.

 

Statt Lorbeerbäume wollen wir

Dort Rebenstöcke pflanzen,

Und rings um volle Tonnen, schier

Wie die Bacchanten tanzen.

 

Man lebte so nach altem Brauch

Bisher dort allzunüchtern.

D’rum blieben die neun Jungfern auch

Von je und je so schüchtern.

 

Ha! zapften sie sich ihren Trank

Aus Bacchus Nektartonnen,

Sie jagten Blödigkeit und Zwang

Ins Kloster zu den Nonnen.

 

Fürwahr! sie ließen nicht mit Müh’

Zur kleinsten Gunst sich zwingen,

Und ungerufen würden sie

Uns in die Arme springen.

 

 

Gabriele

O wie schön ist Gabriele,

O wie schön, an Seel’ und Leib!

Öfters ahndet meiner Seele,

Diese sei kein Erdenweib.

Fast verklärt, wie Himmelsbräute,

Ist sie fehllos ganz und gar.

Heiliger und schöner war

Nur die Hochgebenedeite,

Die den Heiland uns gebar.

 

 

Amors Pfeil

Amors Pfeil hat Widerspitzen.

Wen er traf, der lass’ ihn sitzen,

Und erduld’ ein wenig Schmerz!

Wer geprüften Rat verachtet,

Und ihn auszureißen trachtet,

Der zerfleischet ganz sein Herz.

 

 

Der Liebesdichter

Ich will das Herz mein Leben lang

Der Lieb’ und Schönheit weihen,

Und meinen leichten Volksgesang

Der Liebe Schmeicheleien.

 

Denn wahrlich keines Lobes Ton,

In aller Welt, gewähret

Dem Sänger einen süßern Lohn,

Als wenn er Schönheit ehret.

 

Wohlan, o Laute, werde dann

Der Schönen, die gesellig

Und freundlich ist, und danken kann,

Durch Lied und Lob gefällig!

 

Dein Schmeicheln mildert die Natur.

Schon lassen Schäferinnen

Sich hie und da, auf deutscher Flur,

Durch Lied und Lob gewinnen.

 

Du sollst noch manche Sommernacht,

Vor stillen Schäferhütten,

Das Mädchen, welches lauschend wacht,

Von mir zu träumen bitten.

 

Mir danket dann ihr Morgengruß,

Ihr liebevolles Nicken,

Ihr wonniglicher, warmer Kuß,

Ihr sanftes Händedrücken.

 

Erwerben werd’ ich reiches Gut

An kleinen Herzenspfändern;

Und prangen wird mein Stab und Hut

Mit Rosen und mit Bändern.

 

Bei Spiel und Tanze werden mir

Die Schönsten immer winken;

Und, die ich fodre, werden schier

Sich mehr als Andre dünken.

 

Geliebt, geehrt, bis an mein Ziel,

Von einer Flur zur andern,

Werd’ ich mit meinem Saitenspiel,

Herbeigerufen, wandern.

 

Und, wann ich längst gestorben bin,

Und unter Ulmen schlafe,

So weidet gern die Schäferin

Noch um mein Grab die Schafe;

 

Lehnt wankend sich auf ihren Stab,

Und senkt, voll heller Thränen,

Den sanften Blick zu mir herab,

Und klagt in weichen Tönen:

 

»Du, der so süße Lieder schuf,

So himmelsüße Lieder!

O weckte dich mein lauter Ruf

Aus deinem Grabe wieder!

 

Du würdest mich, nach deinem Brauch,

Gewiß ein wenig preisen.

Dann hätt’ ich doch bei Schwestern auch

Ein Liedchen aufzuweisen.

 

Dein Schmeichelliedchen säng’ ich dann,

Sollt’ auch die Mutter schelten.

O lieber, lieber Leiermann,

Wir wollt’ ich’s dir vergelten!«

 

Dann wird mein Geist, wie Sommerluft,

Aus seiner Ulme Zweigen,

Zu ihr herunter auf die Gruft,

Sie anzuwehen, steigen;

 

Wird durch des Wiesenbaches Rohr,

Und Blätter, die sich kräuseln,

Ein Lied in ihr entzücktes Ohr

Zu ihrem Lobe säuseln.

 

 

An Agathe

Nach einem Gespräche über ihre irdischen Leiden und Aussichten in die Ewigkeit

 

 

Mit dem naßgeweinten Schleier

Lösch’ ich meine Thränen aus;

Und mein Auge schauet freier

Über Zeit und Grab hinaus.

 

Geist erhabner Prophezeiung,

Gottes Geist erleuchtet mich!

Lebensodem zur Erneuung

Weht gewiß auch über mich.

 

Jedes Drangsal dieses Lebens,

So dein weiches Herz gedrückt,

Zeuget, daß du nicht vergebens

Oft nach Trost hinaus geblickt.

 

Nein! Nicht schwelgendem Gewürme

Ewig überlaßner Raub,

Noch ein Spiel der Erdenstürme

Bleibet guter Herzen Staub.

 

Nein! In diese Wüsteneien

Sind wir ewig nicht gebannt.

Keine Zähre darf uns reuen;

Denn sie fiel in Gottes Hand.

 

Was auf diese dürren Auen

Von der Unschuld Thränen fällt,

Wird gesammelt, zu betauen

Die Gefilde jener Welt;

 

Die Gefilde, wo vom Schnitter

Nie der Schweiß der Mühe rann,

Deren Äther kein Gewitter

Und kein Nebel trüben kann.

 

Seufzer, deines Grames Zeugen,

Werden auf gen Himmel gehn,

Werden einst von Palmenzweigen

Kühlung dir herunter wehn.

 

Von dem Schweiße deiner Mühen,

Der hier Undankbaren quillt,

Werden dort einst Blumen blühen,

Wie sie hier kein Lenz enthüllt.

 

Wann Verfolgung ihren Köcher

Endlich auf dich ausgeleert;

Wann dein Gold sich, vor dem Schwächer

Seines Glanzes, rein bewährt;

 

Und, zur Erntezeit der Saaten,

Da das Korn geworfelt wird,

Ausgestreuter Edelthaten

Reine Frucht im Siebe schwirrt. –

 

Heil der schönsten schöner Stunden,

Die sich um dein Leben drehn,

Welche dich, vom Zwang’ entbunden,

Zu der Freiheit wird erhöhn! –

 

Zeuch mich dir, geliebte Fromme,

An der Liebe Banden nach!

Daß auch ich zu Engeln komme,

Zeuch, du Engel, dir mich nach!

 

Mich begleite jede Wahrheit,

Die du schmeichelnd mir vermählt,

Zu dem Urquell aller Klarheit,

Wo kein Reiz sich mehr verhehlt!

 

 

Danklied

Allgütiger, mein Hochgesang

Frohlocke dir mein Leben lang!

Dein Name sei gebenedeit,

Von nun an bis in Ewigkeit!

 

O Gott! An meiner Mira Brust

Durchschauert mich die fromme Lust.

Den du erschufst, der Traube Saft,

Gibt meinem Liede Schwung und Kraft.

 

Im Wonnetaumel thut mein Mund,

Du Geber, deine Gaben kund!

Kuß, Freudenmahl und Becherklang

Entweihen keinen frommen Sang. –

 

Dies süße Mädchen, welches mir

Den Himmel küsset, danket dir,

Dir dankt es feurig mein Gesang!

Wie meine Liebe flammt mein Dank.

 

Die Tenne zollt mir ihre Gift;

Mir zinsen Garten, Forst und Trift;

Von mancher edlen Kelter fleußt

Für mich der Traube Feuergeist.

 

Auf Rebenbergen, fern und nah,

Am hohen Kap, zu Mallaga,

Zu Hochheim, Zypern und Burgund

Troff Nektar schon für meinen Mund.

 

Auch mir führt, unter Tausenden,

Das reiche Schiff auch Indien

Gewürz und edle Spezerei

Und Saba’s Bohnen mit herbei. –

 

Wer zählt die Gaben alle? Wer?

Zählt jemand auch den Sand am Meer?

Wer ist, der an dem Firmament

Die Summe der Gestirne nennt? –

 

Von dieser Unzahl weg den Blick!

Zurück, mein Geist, in dich zurück!

In diesem engumschränkten Bau,

Gott, welcher Gaben Wunderschau!

 

Du flößest Geist den Nerven ein,

Mit Kraft erfüllst du mein Gebein,

Strömst in die Adern reines Blut,

Und in die Brust gesunden Mut.

 

Ich fühle deinen schönen Mai,

Und Philomelens Melodei,

Des Sommers wollustvolle Luft,

Der Blume Farbenglanz und Duft.

 

Vor Tausenden gab deine Gunst

Des Liedes und der Harfe Kunst

In meine Kehle, meine Hand;

Und nicht zur Schande für mein Land!

 

Daß meine Phantasei, voll Kraft,

Vernichtet Welten, Welten schafft,

Und höllenab, und himmelan,

Sich senken und erheben kann;

 

Daß meines Geistes Auge hell

Der Dinge Wirrwarr, leicht und schnell,

Wie nicht ein jeder Erdenmann,

Durchspähen und entwickeln kann;

 

Daß ich, von freiem Biedersinn,

Kein Bube nimmer war und bin,

Nie werden kann mein Leben lang,

Durch Schmeicheleien oder Zwang:

 

Des freuet meine Seele sich,

Und meine Lippe preiset dich!

Dein Name sei gebenedeit,

Von nun an bis in Ewigkeit!

 

 

Winterlied

Der Winter hat mit kalter Hand

Die Pappel abgelaubt,

Und hat das grüne Maigewand

Der armen Flur geraubt;

Hat Blümchen, blau und rot und weiß,

Begraben unter Schnee und Eis.

 

Doch, liebe Blümchen, hoffet nicht

Von mir ein Sterbelied.

Ich weiß ein holdes Angesicht,

Worauf ihr alle blüht.

Blau ist des Augensternes Rund,

Die Stirne weiß, und rot der Mund.

 

Was kümmert mich die Nachtigall,

Im aufgeblühten Hain?

Mein Liebchen trillert hundertmal

So süß und silberrein;

Ihr Atem ist, wie Frühlingsluft,

Erfüllt mit Hyazinthenduft.

 

Voll für den Mund, und würzereich,

Und allerfrischend ist,

Der purpurroten Erdbeer’ gleich,

Der Kuß, den sie mir küßt. –

O Mai, was frag’ ich viel nach dir?

Der Frühling lebt und webt in ihr.

 

 

Bei dem Grabe meines guten Großvaters Jakob Philipp Bauer’s

Ruhe, süße Ruhe schwebe

Friedlich über dieser Gruft!

Niemand spotte dieser Asche,

Die ich jetzt mit Thränen wasche,

Und kein Fluch erschütt’re diese Luft!

 

Denn dem Frommen, der hier schlummert,

Galt der Wert der Redlichkeit. –

Was vordem, in goldnen Jahren,

Deutsche Biedermänner waren,

War er den Genossen seiner Zeit. –

 

Dieser Biederseele Flecken

Rüge keine Lästerung!

Denn was Flecken war, vermodert;

Nur der Himmelsfunken lodert

Einst, geläutert, zur Verherrlichung. –

 

Ach! Er war mein treuer Pfleger,

Von dem Wiegenalter an.

Was ich bin, und was ich habe,

Gab der Mann in diesem Grabe,

Alles dank’ ich dir, du guter Mann! –

 

Ruhe, süße Ruhe schwebe

Friedlich über dieser Gruft!

Bis der himmlische Belohner

Ihren ehrlichen Bewohner,

Seine Krone zu empfangen, ruft.

 

 

Das Lob Helenens

Am Tage ihrer Vermählung

 

 

O Bräutigam, welch’ eine Braut

Wird deinem Arm’ zur Beute!

Bei meiner Leier schwör’ ich’s laut:

Die Krone schöner Bräute!

 

Wer zweifelt, wandre hin und her,

Rings um die alten Gleichen!

Kein schön’res Fräulein findet er,

In allen Königreichen. –

 

Ihr Blick verheißt ein Paradies;

Die Wang’ ist Morgenröte;

Und ihre Stimme tönt so süß,

Wie König Friedrichs Flöte.

 

Noch mehr! Des Dichters Phantasei

Verrät es seiner Leier,

Daß ihre Lippe süßer sei,

Als Honig und Tokaier.

 

Ihr schlanker Wuchs – Doch wie vermag

Ich jeden Reiz zu singen?

Kaum reicht’ ein langer Sommertag,

Ihr Loblied zu vollbringen.

 

Sie weichet nicht in Griechenland

Der schönen Namensschwester;

Doch hält ihr Herz das goldne Band

Der Liebestreu’ weit fester. –

 

Sie hätten in der Wunderzeit

Der Riesen und der Mohren,

Die Paladine weit und breit

Zur Dame sich erkoren.

 

Ihr Name hätt’ im Feldpanier

Den Rittern Mut geschimmert,

Und Schild’ und Lanzen im Turnier

Zu tausenden zertrümmert.

 

Wär’ sie geboren auf der Flur,

In jenen goldnen Jahren,

Als ritterliche Lanzen nur

Noch Hirtenstäbe waren:

 

So hätt’ um sie, in Flur und Hain,

Ein jedes Lied geworben.

Wohl mancher wär’ in Liebespein,

Nach Schäferart gestorben. –

 

Sieh, solche Braut zieht deine Hand

Hinweg aus unsern Blicken.

Wie neiden wir das fremde Land,

Das Helena soll schmücken!

 

Ach! welche Nachbarin ersetzt

Die unsern Nachbarsöhnen?

Und welche wird die Reigen jetzt,

Wie Helena, verschönen?

 

Du müßtest wohl mit blankem Speer

O Mann, sie erst erwerben,

Und billig schäferlich vorher

Ein paarmal für sie sterben! –

 

Doch wirst du künftig, ohne Leid,

Die auf den Händen tragen,

Und immer, nach Verdienst, wie heut,

Ihr Honigwörtchen sagen:

 

So sei es d’rum! Wir lassen sie

In Frieden unsertwegen.

Die Liebe segne dich und sie,

Mit ihrem besten Segen!

 

 

Minnesold

Wem der Minne Dienst gelinget,

O wie hoch wird der belohnt!

Keinen bessern Lohn erringet,

Wer dem größten Kaiser front.

Denn, mit Scepter, Kron’ und Gold,

Front er selbst um Minnesold.

 

Was sind Gold und Edelsteine?

Was des Mogols Perlenpracht?

Minnesold ist doch alleine,

Was auch reich die Herzen macht.

Perlen, Edelstein und Gold

Nähm’ ich nicht für Minnesold.

 

Minnesold läßt Amt und Ehren,

Goldnen Sporn und Ritterschlag,

Lässet ohne Neid entbehren,

Was der Kaiser geben mag.

Ehre lacht nicht halb so hold,

Als der Minne Freudensold.

 

Nimmer, nimmermehr hienieden

Fänd’ ich süßeren Genieß.

Süßeres ist nur beschieden

Seligen im Paradies.

Süß ist, was die Biene zollt;

Süßer dennoch Minnesold.

 

Minnesold ist aller Freuden,

Aller Freuden Fünftelsaft;

Minnesold hat aller Leiden,

Aller Leiden Heilungskraft.

Was der Balsamstaud’ entrollt,

Heilet nicht, wie Minnesold.

 

Minnesold lehrt frei verachten

Aller Fährlichkeiten Not,

Flammen, Wasserfluten, Schlachten,

Lehrt verschmähen jeden Tod.

Stürb’ ich nicht für Ehr’ und Gold,

Stürb’ ich doch für Minnesold.

 

Auszuspenden alle Habe,

Zu verbluten mit Geduld,

Wär’ ein Schärflein Armengabe,

Für der Minne Dank und Huld.

Den Verlust von Gut und Blut

Macht der Sold der Minne gut.

 

O, so will ich immer harren,

Immerdar, mit stetem Mut;

Im Dezemberfrost erstarren,

Schmachten in des Heumonds Glut.

Denn das alles lohnt der Sold,

Den getreue Minne zollt.

 

 

An Themiren

Travestiert nach dem Horaz

 

 

Ach, würden falsche Schwüre

Durch Zeichen an dir kund!

Verfärbte sich, Themire,

Dein frevelhafter Mund!

 

O, daß ein Zahn sich schwärzte.

Meineidige! daß nur

Ein Fingerchen dir schmerzte,

Das sich erhob zum Schwur!

 

So glaubt’ ich, Götter hielten

Noch was auf Treu’ und Pflicht,

Und falsche Mädchen spielten

Mit teuern Eiden nicht. –

 

Doch deinen Reiz erheben

Verbrechen nur noch mehr;

Und immer dichter schweben

Verehrer um dich her.

 

Frau Venus und ihr Völkchen

Läßt fünf gerade sein.

Von Unmut nicht ein Wölkchen

Hüllt ihre Stirnen ein.

 

Per Dio! Was noch schlimmer,

Dein Flattersinn ergötzt

Den Schadenfroh, der immer

An heißen Pfeilen wetzt.

 

Daher in allen Schulen

Befiedert täglich sich

Ein Heer von jungen Buhlen,

Und insgesammt für dich.

 

Die kommen dann, und zollen

Dir Huldigung und Pflicht.

Die Alten aber trollen

Deswegen sich noch nicht.

 

Und Alt und Jung umschwärmet

Nun, wie behext, dein Haus.

Man baxet sich, man lärmet – – –

Ach! wo will das hinaus? –

 

Dich scheut, des Söhnchens wegen,

Die zärtliche Mama;

Und, seines Beutels wegen,

Der geizige Papa.

 

Du ängstigst junge Frauen:

Es möchte deinen Wert

Ein Tröpfchen Gunst betauen,

Das ihnen zugehört.

 

 

Die beiden Liebenden

Ein Andrer werb’ um Ehr’ und Gold!

Ich werb’ um Liebe bei Selinden.

Mich kann allein ihr süßer Gold

An allgetreue Dienste binden.

Das Glück läßt manchen Ehrenmann

In seinem Dienst’ umsonst verderben.

Allein bei treuer Liebe kann

Der Hirt auch sichern Gold erwerben.

 

Ich bin kein großer reicher Herr,

Und sie ist keine hohe Dame.

Dagegen klingt viel reizender

Ein kurzer schäferlicher Name.

Dagegen herzen wir uns frei,

Sind sicher vor Verrätertücken,

Auch schielet keine Spötterei,

Wann wir uns Knie und Hände drücken.

 

Der Prunk der hochstaffierten Kunst,

Selbst die Natur im Feierkleide,

Berauben nie sie meiner Gunst,

Denn sie beschämt an Reizen beide.

Das tausendstimmige Konzert

Der Lerchen und der Nachtigallen

Ist mir kaum halb so lieb und wert,

Wann ihre Solotriller schallen.

 

Im Denken ist sie Pallas ganz,

Und Juno ganz am edlen Gange,

Terpsichore beim Freudentanz’,

Euterpe neidet sie im Sange;

Ihr weicht Aglaja, wann sie lacht,

Melpomene bei sanfter Klage,

Die Wollust ist sie in der Nacht.

Die holde Sittsamkeit bei Tage.

 

Des Morgens, welch ein Malerbild!

Wallt sie hervor in leichtem Kleide,

Doch ungeschnürt, und halb verhüllt

Nur in ein Mäntelchen von Seide.

Entringelt auf die Schulter sinkt

Die Hälfte goldner Locken nieder.

Wie dann ihr rasches Auge blinkt,

So blinkt das Licht aus Quellen wieder.

 

Natur und Einfalt helfen ihr,

An ihrem kleinen Morgentischchen.

Des Busens und des Hauptes Zier

Sind Ros’ und Myrt’ in einem Büschchen.

Zu ihren Wangen wurde nie

Ein Pinsel in Karmin getauchet;

Und doch, wie Rosen, blühen sie,

Von Frühlingsodem aufgehauchet.

 

Wann sie an ihrem Tischchen sitzt,

So werd’ ich scherzend hingewinket:

»Komm, schmücke selbst dein Mädchen izt,

Wie deiner Laun’ am besten dünket!«

Und mich beflügelt ihr Gebot,

Sie unvermutet zu umfangen.

Dann schminkt mit hohem Morgenrot

Mein Kuß die jugendlichen Wangen.

 

Ihr Haar im Nacken reizet mich

Zu hundert kleinen Thorenspielen.

Fast nimmer müde läßt es sich

In diesen seidnen Locken wühlen.

Sie äugelt nach dem Spiegel hin,

Belauschet meine Neckereien;

Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,

Und freut sich doch der Tändeleien.

 

D’rauf leg’ ich ihr die Schnürbrust an.

Vor Wonne beben mir die Hände.

Das Band zerreißt, so oft es kann,

Damit die Arbeit später ende.

Wie flink bin ich nicht stets bereit,

So liebe Dienste zu verrichten!

Doch flinker noch, zur Abendzeit,

Das Werk des Morgens zu zernichten.

 

Nun schlinget meine kühne Hand –

O Liebe, Liebe, welche Gnade! –

Ein sanftgeflammtes Rosenband

Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.

Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!

Nicht schöner wies sie Atalante,

Da sie um’s Jawort, hochgeschürzt,

Mit ihren Freiern wetterannte.

 

Nun schwebt die Grazie vor mir,

Schlägt mit den Silberfüßchen Triller,

Und tanzet hin an das Klavier,

Und singt ein Lied, nach Weiß, von Miller.

Mit welcher Wollustfülle schwellt

Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!

Hinweg, aus aller Gotteswelt,

Gen Himmel singt sie meine Seele!

 

Der Morgen eilt, man weiß nicht wie.

Zur Mahlzeit ruft die Küchenschelle.

Ihr gegen über, Knie an Knie,

Und Fuß an Fuß, ist meine Stelle.

Hier treiben wir’s, wie froh und frei!

Uns fesselt kein verwünschter Dritter.

Die beste Fürstenschmauserei

Ist gegen solch ein Schmäuschen bitter.

 

Selinde schenkt mir Nektar ein.

Erst aber muß sie selber nippen.

Hierauf kredenzet sie den Wein,

Mit ihren süßen Purpurlippen.

Der Pfirsich, dessen zarten Flaum

Ihr reiner Perlenzahn verwundet,

Wie lüstern macht er Zung’ und Gaum!

Wie süß mir dieser Pfirsich mundet!

 

Nach Tische läßt auf ihrer Brust

Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.

Von Wein berauschet und von Lust,

Will schier die Sprache mir versiegen.

Ein volles Herz gibt wenig Klang;

Das leere klingt aus allen Tönen.

Sie fühlet dennoch seinen Drang;

Und ach! versteht sein stummes Sehnen.

 

Jetzt wird der Holden bang’ um’s Herz.

Ein Mädchen ist ein banges Wesen.

Sie reichet mir, aus losem Scherz,

Verwirrten Zwirn, ihn aufzulösen.

Zwar findet sie mich ungeschickt,

Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.

O List! Indem sie her sich bückt,

Muß sich ihr Busen selbst entschleiern.

 

Ein schlauer Blick wird hingesandt;

Allein der Dieb läßt sich betreten.

Ein Streich von ihrer weichen Hand

Rächt auf der Stell’ ihr Schamerröten.

Dann rückt sie weg und spricht nicht mehr;

Bedeckt ihr Auge; macht die Blinde;

Lauscht aber durch die Finger her:

Wie ich die Kränkung wohl empfinde?

 

Dann spiel’ ich einen Augenblick,

Doch nur verstellt, den Tiefbetrübten;

Und sie, o Wonne! springt zurück,

Versöhnt sich mit dem Vielgeliebten,

Umhalset ihn, weiß nicht genug

Mit süßen Namen ihn zu nennen,

Und Mund und Wange, die sie schlug,

Fühlt er von tausend Küssen brennen.

 

Wohl hundert Launen, kraus und hold,

Umflattern täglich meine Traute.

Bald singt und lacht, bald weint und schmollt,

Bald klimpert sie auf ihrer Laute,

Tanzt hin und wieder, blitzgeschwind,

Bringt bald ein Büchelchen, bald Karten,

Bald streut sie alles in den Wind,

Und eilt hinunter in den Garten.

 

Ich hinterher, ereile sie

In einer sichern stillen Grotte.

Freund Amor treibt, sie weiß nicht wie,

Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!

Die bebt, von meinem Arm’ umstrickt.

Mein Kuß erstickt ihr letztes Lallen.

Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,

Und – halt! – und lasse sie nicht fallen.

 

 

Das vergnügte Leben

Der Geist muß denken. Ohne Denken gleicht

Der Mensch dem Öchs- und Eselein im Stalle.

Sein Herz muß lieben. Ohne Liebe schleicht

Sein Leben matt und lahm, nach Adams Falle.

 

Ein Kranz umkränz’ ihn, ohne Drang und Zwang,

Ein Kranz von klugen nur nicht stolzen Leuten,

Die sich auf Witz verstehn und Schnurrigkeiten;

Denn sonst währt mancher Abend gar zu lang.

 

Dabei ist’s eine himmlisch schöne Sache

Um Einen rechten braven Herzensfreund,

Der, ist man fröhlich, wacker mit uns lache,

Und ehrlich weine, so man selber weint.

 

Der Abend muß ein Leckermahl bescheren;

Ein Mahl, erheitert durch Gespräch und Wein.

Da mag das Herz voll guter Dinge sein;

Nur muß der Kopf des Rausches sich erwehren.

 

Was für ein Wunsch zu guter Nacht sich schickt,

Das brauch’ ich nicht erst lang und breit zu sagen.

Ein Weibchen muß man mit zu Bette tragen,

Das jede Nacht, wie eine Braut, entzückt.

 

Sagt, Freunde, schlendert nicht ein solches Leben

Gar artig und gemächlich seinen Gang?

Seit mir die Lieb’ Amalien gegeben,

Besitz’ ich alles, was ich eben sang.

 

 

Der Bauer

In seinen Durchlauchtigen Tyrannen

 

 

Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu

Zerrollen mich dein Wagenrad,

Zerschlagen darf dein Roß?

 

Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch

Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut

Darf Klau’ und Rachen hau’n?

 

Wer bist du, daß, durch Saat und Forst,

Das Hurra deiner Jagd mich treibt,

Entatmet, wie das Wild? –

 

Die Saat, so deine Jagd zertritt,

Was Roß, und Hund, und Du verschlingst,

Das Brot, du Fürst, ist mein.

 

Du Fürst hast nicht, bei Egg’ und Pflug,

Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.

Mein, mein ist Fleiß und Brot! –

 

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?

Gott spendet Segen aus; du raubst!

Du nicht von Gott, Tyrann!

Abendphantasie eines Liebenden

 

In weiche Ruh’ hinabgesunken,

Unaufgestört von Harm und Not,

Vom süßen Labebecher trunken,

Den ihr der Gott des Schlummers bot,

Noch sanft umhallt vom Abendliede

Der Nachtigall, im Flötenton,

Schläft meine Herzens-Adonide

Nun ihr behäglich Schläfchen schon.

 

Wohlauf, mein liebender Gedanke,

Wohlauf zu ihrem Lager hin!

Umwebe, gleich der Epheuranke,

Die engelholde Schläferin!

Geneuß der übersüßen Fülle

Vollkommner Erdenseligkeit,

Wovon zu kosten noch ihr Wille,

Und ewig ach! vielleicht, verbeut! –

 

Ahi! Was hör’ ich? – Das Gesäusel

Von ihres Schlummers Odemzug!

So leise wallt durch das Gekräusel

Des jungen Laubes, Zephyrs Flug.

Darunter mischt sich ein Gestöhne,

Das Wollust ihr vom Busen löst,

Wie Bienensang und Schilfgetöne,

Wann Abendwind dazwischen bläst.

 

O, wie so schön dahin gegossen,

Umleuchtet sie des Mondes Licht!

Die Blumen der Gesundheit sprossen

Auf ihrem wonnigen Gesicht.

Ihr Lenzgeruch wallt mir entgegen,

Süß, wie bei stiller Abendluft,

Nach einem milden Sprüheregen,

Der Moschushyacinthe Duft.

 

Mein ganzes Paradies steht offen.

Die offnen Arme, sonder Zwang,

Was lassen sie wohl anders hoffen,

Als herzenswilligen Empfang?

Oft spannt und hebt sie das Entzücken,

Als sollten sie jetzt ungesäumt

Den himmelfrohen Mann umstricken,

Den sie an ihrem Busen träumt. –

 

Nun kehre wieder! Nun entwanke

Dem Wonnebett’! Du hast genug!

Sonst wirst du trunken, mein Gedanke,

Sonst lähmt der Taumel deinen Flug.

Du loderst auf in Durstesflammen! –

Ha! wirf ins Meer der Wonne dich!

Schlagt, Wellen, über mir zusammen!

Ich brenne! brenne! kühlet mich!

 

 

Seufzer eines Ungeliebten

Hast du nicht Liebe zugemessen

Dem Leben jeder Kreatur?

Warum bin ich allein vergessen,

Auch meine Mutter du! Natur?

 

Wo lebte wohl in Forst und Hürde,

Und wo in Luft und Meer ein Tier,

Das nimmermehr geliebet würde? –

Geliebt wird alles außer mir!

 

Wenn gleich in Hain und Wiesenmatten

Sich Baum und Staude, Moos und Kraut

Durch Lieb’ und Gegenliebe gatten;

Vermählt sich mir doch keine Braut.

 

Mir wächst vom süßesten der Triebe

Nie Honigfrucht zur Lust heran.

Denn ach! mir mangelt Gegenliebe,

Die Eine nur gewähren kann.

 

 

Gegenliebe

Wüßt’ ich, wüßt’ ich, daß du mich

Lieb und wert ein bißchen hieltest,

Und von dem, was ich für dich,

Nur ein Hundertteilchen fühltest;

 

Daß dein Dank hübsch meinem Gruß’

Halben Wegs entgegen käme,

Und dein Mund den Wechselkuß

Gerne gäb’ und wiedernähme:

 

Dann, o Himmel, außer sich,

Würde ganz mein Herz zerlodern!

Leib und Leben könnt’ ich dich

Nicht vergebens lassen fodern! –

 

Gegengunst erhöhet Gunst,

Liebe nähret Gegenliebe,

Und entflammt zur Feuersbrunst,

Was ein Aschenfünkchen bliebe.

 

 

An die Nymphe des Negenborns

Neig’ aus deines Vaters Halle,

Felsentochter, mir dein Ohr!

Hell im Schimmer der Krystalle,

Hell im Silberschleier, walle,

Reine Nymphe, wall’ hervor!

 

Libern jauchzet die Mänade

Huldigung bei Zymbelklang.

Dir nur, glänzende Najade,

Deiner Urne, deinem Bade

Weihte keiner Hochgesang? –

 

Wohl, ich weih’ ihn! Wo der Zecher,

Der des Preises spotten soll?

Ha! Wo ist er? Ich bin Rächer!

Fleuch! Mein Bogen tönt! Mein Köcher

Rasselt goldner Pfeile voll!

 

Hier, wie aus der Traube, quillet

Geist und Leben, frisch und rein,

Leben, das den Hirten füllet,

Das den Durst der Herde stillet,

Welches Wiese tränkt und Hain.

 

Horch! Es rauscht im Felsenhaine,

Woget auf der Wies’ entlang,

Leckt im Widder auf dem Raine,

Schauert durch das Mark der Beine,

Kühlt des Wandrers heißen Gang.

 

Saugt aus Wein der Klee sein Leben,

Wohlgeruch und Honigsaft? –

Kraut und Blumen, selbst die Reben

Danken dir, o Nais, Leben,

Würze, Süßigkeit und Kraft.

 

Lebensfülle, Kraft und Streben

Trank auch ich schon oft bei dir.

Drob sei auch von nun an Leben

Und Unsterblichkeit gegeben

Deinem Namen für und für.

 

 

Die Menagerie der Götter

Wie hier an Affen, Papagei’n,

An Kakadu und Raben

Hofherrn und Damen insgemein

Ihr träges Mütchen laben:

 

So hegt auch mancher Gott sein Tier,

Selbst in der Himmelsstube.

Zeus dahlt mit seinem Adler schier,

Wie ein Quintanerbube.

 

Der darf in Kabinett und Saal,

Auf Stuhl und Tafel springen,

Und keck ein ganzes Göttermahl

Ambrosia verschlingen.

 

Allein, wer so viel frißt, der muß,

Mit Gunst! auch viel hofieren.

D’rum möchte Juno, voll Verdruß,

Ihm oft den Steiß verschnüren.

 

Dagegen kann ihr Pfauenpaar

Sie desto baß erfreuen;

Doch schmälet Zeus, und dies ist wahr,

Daß sie abscheulich schreien.

 

Mit Täubchen kürzt an ihrem Platz’

Sich Cypria die Stunden.

Ihr Por läßt flattern einen Spatz,

An langen Zwirn gebunden.

 

Minerva kömmt durch ihre Gunst

Noch dem Olymp zu statten:

Denn ihre Eule fängt mit Kunst

Die Himmelsmäus’ und Ratten.

 

Apoll hält solchen Tand für schwach,

Nährt sich vier stolze Schimmel,

Und galoppieret, Tag für Tag,

Eins durch den weiten Himmel.

 

Auch, sagt man, hält er einen Schwan,

Des wunderbarer Schnabel

Trotz Roms Kastraten singen kann;

Doch halt’ ich dies für Fabel.

 

Lyäus läßt den Wagen gar

Von zahmen Tigern führen,

Und ohne Sorge vor Gefahr,

Sich durch die Welt kutschieren.

 

Vor Plutons schwarzer Pforte bellt,

Der größte Bullenbeißer,

Und macht die Qual der Unterwelt,

Durch sein Geheul noch heißer. –

 

Vor allen Tieren, groß und klein,

Die sich bei Göttern mästen,

Behagt Silenus Eselein

Noch meinem Sinn’ am besten.

 

Das ist fürwahr! ein feines Vieh,

Von sondrer Zucht und Ehren,

Und läßt von vorn und hinten nie

Was Unverschämtes hören.

 

Mit sich und seinem Herrn vergnügt,

Geduldig allerwegen,

Nimmt es vorlieb, so wie sich’s fügt,

Mit Marzipan und Schlägen.

 

Zum Keller weiß es hin und her

Den Weg von selbst zu finden;

Auch braucht man gar nicht drüber her

Den Reiter fest zu binden.

 

Piano klimmt’s den Berg hinan,

Piano tritt’s bergunter,

Und wirft den trunknen Ehrenmann

Kein einzigmal herunter.

 

So einen Esel wünscht’ ich mir! –

Silen, wirst du einst sterben;

So laß mich dies bequeme Tier,

Laß, Vater, laß mich’s erben!

 

 

Das neue Leben

Eia! Wie so wach und froh,

Froh und wach sind meine Sinnen!

O vor welcher Sonne floh

Meines Lebens Nacht von hinnen?

Wie so holden Gruß entbot

Mir das neue Morgenrot!

 

Mein erheitertes Gesicht

Siehet Paradiese blühen.

Welche Töne! Hör’ ich nicht

Aller Himmel Melodieen?

O wie süß erfüllt die Luft

Edens Amarantenduft!

 

Weingott, bist du mir so nah,

Mir so nah bei jedem Mahle?

Füllst du mit Ambrosia

Und mit Nektar jede Schale?

Geber der Ambrosia

Und des Nektars, mir so nah?

 

Liebe, deine Wunderkraft

Hat mein Leben neu geboren,

Hat zum Glück der Götterschaft

Mich hienieden schon erkoren.

Ohne Wandel! ewig so!

Ewig jung und ewig froh!

 

 

Trautel

Mein Trautel hält mich für und für

In festen Liebesbanden;

Bin immer um und neben ihr;

Sie läßt mich nicht abhanden.

Ich darf nicht weiter, als das Band,

Woran sie mich gebunden.

Sie gängelt mich an ihrer Hand

Wohl Tag für Tag zwölf Stunden.

 

Mein Trautel hält mich für und für

In ihrer stillen Klause.

Darf nie zum Tanz’, als nur mit ihr,

Nie ohne sie zum Schmause.

Und ich bin gar ein guter Mann,

Der sie nur sieht und höret,

Und aus den Augen lesen kann,

Was sie befiehlt und wehret.

 

Ich, Trautel, bin wohl recht für dich,

Und du für mich geboren.

O Trautel, ohne dich und mich,

Sind ich und du verloren. –

Wann einst des Todes Sense klirrt,

Und mähet mich von hinnen,

Ach! lieber, lieber Gott! Was wird

Mein Trautel doch beginnen?

 

 

Spinnerlied

Hurre, hurre, hurre!

Schnurre, Rädchen, schnurre!

Trille, Rädchen, lang und fein,

Trille fein ein Fädelein,

Mir zum Busenschleier.

 

Hurre, hurre, hurre!

Schnurre, Rädchen, schnurre!

Weber, webe zart und fein,

Webe fein das Schleierlein,

Mir zur Kirmeßfeier.

 

Hurre, hurre, hurre!

Schnurre, Rädchen, schnurre!

In und außen blank und rein,

Muß des Mädchens Busen sein,

Wohl deckt ihn der Schleier.

 

Hurre, hurre, hurre!

Schnurre, Rädchen, schnurre!

In und außen blank und rein,

Fleißig, fromm und sittsam sein,

Locket wackre Freier.

 

Ständchen

Trallyrum larum höre mich!

Trallyrum larum leier!

Trallyrum larum das bin ich,

Schön Liebchen, dein Getreuer!

Schleuß auf den hellen Sonnenschein,

In deinen zwei Guckäugelein!

 

Durch Nacht und Dunkel komm’ ich her,

Zur Stunde der Gespenster.

Es leuchtet längst kein Lämpchen mehr,

Durch stiller Hütten Fenster.

Nichts wachet mehr, was schlafen kann,

Als ich, und Uhr, und Wetterhahn.

 

Auf seiner Gattin Busen wiegt

Sein müdes Haupt der Gatte;

Wohl bei der Henne ruht vergnügt

Der Hahn auf seiner Latte;

Der Sperling unterm Dache sitzt

Bei der geliebten Sie anitzt.

 

Wann, o wann ist auch mir erlaubt,

Daß ich zu dir mich füge?

Daß ich in süße Ruh’ mein Haupt

Auf deinem Busen wiege?

O Priesterhand, wann führest du

Mich meiner Herzgeliebten zu?

 

Wie wollt’ ich dann herzinniglich,

So lieb, so lieb dich haben!

Wie wollt’ ich, o wie wollt’ ich mich

In deinen Armen laben!

Geduld! die Zeit schleicht auch herbei.

Ich, Trautchen, bleib mir nur getreu!

 

Nun lyrum larum gute Nacht!

Gott mag dein Herz bewahren! –

Was Gott bewahrt ist wohl bewacht. –

Daß wir kein Leid erfahren.

Ade! schleuß wieder zu den Schein,

In deinen zwei Guckäugelein!

 

 

Das Mädel, das ich meine

O was in tausend Liebespracht

Das Mädel, das ich meine, lacht!

Nun sing’, o Lied, und sag mir an!

Wer hat das Wunder aufgethan:

Daß so in tausend Liebespracht

Das Mädel, das ich meine, lacht?

 

Wer hat, wie Paradieseswelt,

Des Mädels blaues Aug’ erhellt? –

Der liebe Gott! der hat’s gethan,

Der’s Firmament erleuchten kann;

Der hat, wie Paradieseswelt,

Des Mädels blaues Aug’ erhellt.

 

Wer hat das Rot auf Weiß gemalt,

Das von des Mädels Wange strahlt? –

Der liebe Gott! der hat’s gethan,

Der Pfirsichblüte malen kann;

Der hat das Rot auf Weiß gemalt,

Das von des Mädels Wange strahlt.

 

Wer schuf des Mädels Purpurmund

So würzig, süß, und lieb und rund? –

Der liebe Gott! der hat’s gethan,

Der Nelk’ und Erdbeer’ würzen kann;

Der schuf des Mädels Purpurmund

So würzig, süß, und lieb und rund.

 

Wer ließ vom Nacken, blond und schön,

Des Mädels seidne Locken wehn? –

Der liebe Gott! der gute Geist!

Der goldne Saaten reifen heißt;

Der ließ vom Nacken, blond und schön,

Des Mädels seidne Locken wehn.

 

Wer gab, zu Liebesred’ und Sang,

Dem Mädel holder Stimme Klang? –

Der liebe, liebe Gott that dies,

Der Nachtigallen flöten hieß;

Der gab, zu Liebesred’ und Sang,

Dem Mädel holder Stimme Klang.

 

Wer hat, zur Fülle süßer Lust,

Gewölbt des Mädels weiße Brust? –

Der liebe Gott hat’s auch gethan,

Der stolz die Schwäne kleiden kann;

Der hat, zur Fülle süßer Lust,

Gewölbt des Mädels weiße Brust.

 

Durch welches Bildners Hände ward,

Des Mädels Wuchs so schlank und zart? –

Das hat die Meisterhand gethan,

Die alle Schönheit bilden kann;

Durch Gott, den höchsten Bildner, ward

Des Mädels Wuchs so schlank und zart.

 

Wer blies, so lichthell, schön und rein,

Die fromme Seel’ dem Mädel ein? –

Wer anders hat’s als er gethan,

Der Seraphim erschaffen kann;

Der blies so lichthell, schön und rein

Die Engelseel’ dem Mädel ein. –

 

Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!

Und hoher Dank für deine Gunst!

Daß du dein Abbild ausstaffiert,

Mit allem, was die Schöpfung ziert.

Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!

Und hoher Dank für deine Gunst!

 

Doch ach! für wen auf Erden lacht

Das Mädel so in Liebespracht? –

O Gott! bei deinem Sonnenschein!

Bald möcht’ ich nie geboren sein,

Wenn nie in solcher Liebespracht

Das Mädel mir auf Erden lacht.

 

 

Schwanenlied

Mir thut’s so weh im Herzen!

Ich bin so matt und krank!

Ich schlafe nicht vor Schmerzen;

Mag Speise nicht und Trank;

Seh’ alles sich entfärben,

Was Schönes mir geblüht.

Ach, Liebchen, will nur sterben!

Dies ist mein Schwanenlied.

 

Du wärst mir zwar ein Becher,

Von Heilungslabsal voll. –

Nur – daß ich armer Lecher

Nicht ganz ihn trinken soll!

Ihn, welcher so viel Süßes,

So tausend Süßes hat! –

Doch – hätt’ ich des Genießes,

Nie hätt’ ich dennoch satt.

 

D’rum laß mich, vor den Wehen

Der ungestillten Lust,

Zerschmelzen und vergehen,

Vergehn an deiner Brust!

Aus deinem süßen Munde

Laß saugen süßen Tod!

Denn, Herzchen, ich gesunde

Sonst nie von meiner Not!

 

 

Die Umarmung

 

Wie um ihren Stab die Rebe

Brünstig ihre Ranke strickt,

Wie der Epheu sein Gewebe

An der Ulme Busen drückt,

 

Wie ein Taubenpaar sich schnäbelt,

Und auf ausgeforschtem Nest,

Von der Liebe Rausch umnebelt,

Haschen sich und würgen läßt:

 

Dürft’ ich so dich rund umfangen!

Dürftest du, Geliebte, mich! –

Dürften so zusammenhangen

Unsre Lippen ewiglich! –

 

Dann, von keines Fürsten Mahle,

Nicht von seines Gartens Frucht,

Noch des Rebengottes Schale,

Würde dann mein Gaum versucht.

 

Sterben wollt’ ich im Genusse,

Wie ihn deine Lippe beut,

Sterben in dem langen Kusse

Wollustvoller Trunkenheit. –

 

Komm, o komm, und laß uns sterben!

Mir entlodert schon der Geist.

Fluch vermachet sei dem Erben,

Der uns von einander reißt!

 

Unter Myrten, wo wir fallen,

Bleib’ uns Eine Gruft bevor!

Unsre Seelen aber wallen

In vereintem Hauch’ empor,

 

In die seligen Gefilde,

Voller Wohlgeruch und Pracht,

Denen stete Frühlingsmilde

Vom entwölkten Himmel lacht;

 

Wo die Bäume schöner blühen,

Wo die Quellen, wo der Wind,

Und der Vögel Melodieen

Lieblicher und reiner sind;

 

Wo das Auge des Betrübten

Seine Thränen ausgeweint,

Und Geliebte mit Geliebten

Ewig das Geschick vereint;

 

Wo nun Phaon, voll Bedauren,

Seiner Sappho sich erbarmt;

Wo Petrarca ruhig Lauren

An der reinsten Quell’ umarmt;

 

Und auf rundumschirmten Wiesen,

Nicht vom Argwohn mehr gestört,

Glücklicher bei Heloisen

Abälard die Liebe lehrt. –

 

O des Himmels voller Freuden,

Den ich da schon offen sah! –

Komm! Von hinnen laß uns scheiden!

Eia! wären wir schon da! –

 

 

Die Elemente

Horch! Hohe Dinge lehr’ ich dich:

Vier Elemente gatten sich;

Sie gatten sich, wie Mann und Weib,

Voll Liebesglut in einen Leib.

Der Gott der Liebe rief: Es werde!

Da ward Luft, Feuer, Wasser, Erde.

 

Des Feuers Quell, die Sonne, brennt

Am blauen Himmelsfirmament.

Sie strahlet Wärme, Tagesschein;

Sie reifet Korn und Obst und Wein;

Macht alles Lebens Säfte kochen,

Und seine Pulse rascher pochen.

 

Sie hüllt den Mond in stillen Glanz,

Und flicht ihm einen Sternenkranz.

Was leuchtet vor dem Wandrer her?

Was führt den Schiffer, durch das Meer,

Viel tausend Meilen in die Ferne?

Ihm leuchten Sonne, Mond und Sterne.

 

Die Luft umfängt den Erdenball,

Weht hie und dort, weht überall;

Ist Lebenshauch aus Gottes Mund,

Durchwandelt gar das Erdenrund,

Wo sie durch alle Höhlung webet,

Und selbst des Würmchens Lunge hebet.

 

Das Wasser braust durch Wald und Feld.

In tausend Arme nimmt’s die Welt.

Wie Gottes Odem, dringt es auch

Tief durch der Erde finstern Bauch.

Die Wesen schmachteten und sänken,

Wo sie nicht seines Lebens tränken.

 

Drei Bräutigamen hat, als Braut,

Gott seine Erde angetraut.

Wann Luft und Wasser sie umarmt,

Und von der Sonn’ ihr Schoß erwarmt,

Dann wird ihr Schoß, zu allen Stunden,

Von Kindern jeder Art entbunden.

 

All’ ihre Kindlein hegt und pflegt

Sie, an ihr liebend Herz gelegt.

Sie ist die beste Mutter sie;

Sie säuget spät, sie säuget früh.

Kein Kindlein, so ihr Schoß geboren,

Geht ihrem Schoße je verloren.

 

Sieh hin und her! Sieh rund um dich!

Die Elemente lieben sich;

Sie gatten sich in Himmelsglut;

Je Eins dem Andern Liebes thut.

Aus solchem Liebestrieb’ empfangen,

Bist du, o Mensch, hervorgegangen.

 

Nun prüfe dich, nun sage mir:

Glüht noch des Ursprungs Glut in dir?

Erhellt, wie Sonne, dein Verstand,

Erhellt er Haus und Stadt und Land?

Entlodert, gleich den Himmelskerzen,

Noch Liebeslohe deinem Herzen?

 

Und deine Zunge stimmet sie

Zur allgemeinen Harmonie?

Ist deine Rede, dein Gesang

Der Herzensliebe Wiederklang?

Entweht dir Frieden, Freude, Segen,

Wie Maienluft und Frühlingsregen?

 

Hält unzerrissen deine Hand,

Das heilige Verlobungsband?

Reicht sie dem Nächsten in der Not

Von deinem Trank, von deinem Brot?

Und seinen nackenden Gebeinen

Von deiner Wolle, deinem Leinen? –

 

O du! O du! der das nicht kann,

Du Bastard du! was bist du dann? –

Und wärst du mächtig, schön und reich,

Dem Salomo an Weisheit gleich,

Und hättest gar mit Engelzungen

Zur Welt geredet und gesungen,

 

Du Bastard, der nicht lieben kann!

Was bist du ohne Liebe dann? –

Ein toter Klumpen ist dein Herz;

Du bist ein eiteltönend Erz;

Bist leerer Klingklang einer Schelle,

Und Tosen einer Wasserwelle.

 

 

Des Schäfers Liebeswerbung

Für Herrn Voß vor seiner Hochzeit gesungen

 

 

Komm, biß mein Liebchen, biß mein Weib!

Und fodre Lust und Zeitvertreib,

So oft und viel dein Herz begehrt,

Und Garten, Flur, und Hain gewährt.

 

Bald wollen wir von freien Höhn

Rund um die Herden weiden sehn,

Und sehn der Lämmer Fröhlichkeit,

Und junger Stiere Hörnerstreit;

 

Bald hören, durch den Birkenhain,

Das Tutti froher Vögelein,

Und, an des Bächleins Murmelfall,

Das Solo einer Nachtigall.

 

Bald rudern auf bekränztem Kahn,

Den See hinab, den See hinan;

Bald Fischchen angeln aus der Flut,

Bald locken junge Vögelbrut;

 

Bald atmen auf der Maienflur

Den Balsam blühender Natur;

Bald, um die dünnbebuschten Höhn,

Nach Erd- und Heidelbeeren gehn.

 

Ein Blumengurt, ein Myrtenhut

Kühlt Liebchen vor des Sommers Glut.

Ist Liebchen müde, bett’ ich’s gleich

Auf Moos und Thymiänchen weich.

 

Ein Wams, verbrämt mit Schwanenfell,

Mit Knöpfen von Krystallen hell,

Ein Röckchen weiß, aus zarter Woll’,

Aus Lämmchenwoll’ es tragen soll.

 

Und hüpfen soll’s in Saffian,

Mit goldnen Spänglein auf dem Spann,

Und weißen Strümpfchen, fein gestrickt,

Mit Blumenzwickeln ausgeschmückt.

 

Im Maimond tanzt ein Schäferchor

Dir hundert frohe Reigen vor.

Behagt dir dieser Zeitvertreib,

So biß mein Liebchen, biß mein Weib!

 

Ich sing’ und blas’ auf meinem Rohr

Dir täglich Lust und Liebe vor.

Ist das für Liebchen Zeitvertreib,

So biß mein Liebchen, biß mein Weib!

Zechlied

 

Ich will einst, bei Ja und Nein!

Vor dem Zapfen sterben.

Alles, meinen Wein nur nicht,

Lass’ ich frohen Erben.

Nach der letzten Ölung soll

Hefen noch mich färben.

Dann zertrümmre mein Pokal

In zehntausend Scherben!

 

Jedermann hat von Natur

Seine sondre Weise.

Mir gelinget jedes Werk

Nur nach Trank und Speise.

Speis’ und Trank erhalten mich

In dem rechten Gleise.

Wer gut schmiert, der fährt auch gut.

Auf der Lebensreise.

 

Ich bin gar ein armer Wicht,

Bin die feigste Memme,

Halten Durst und Hungerqual

Mich in Angst und Klemme.

Schon ein Knäbchen schüttelt mich,

Was ich auch mich stemme.

Einem Riesen halt’ ich Stand,

Wann ich zech’ und schlemme.

 

Ächter Wein ist ächtes Öl

Zur Verstandeslampe;

Gibt der Seele Kraft und Schwung

Bis zum Sternenkampe.

Witz und Weisheit dunsten auf

Aus gefüllter Wampe.

Baß glückt Harfenspiel und Sang,

Wann ich brav schlampampe.

 

Nüchtern bin ich immerdar

Nur ein Harfenstümper.

Mir erlahmen Hand und Griff,

Welken Haupt und Wimper.

Wann der Wein in Himmelsklang

Wandelt mein Geklimper,

Sind Homer und Ossian

Gegen mich nur Stümper.

 

Nimmer hat durch meinen Mund

Hoher Geist gesungen,

Bis ich meinen lieben Bauch

Weidlich vollgeschlungen.

Wann mein Kapitolium

Bacchus Kraft erschwungen,

Sing’ und red’ ich wundersam

Gar in fremden Zungen.

 

D’rum will ich, bei Ja und Nein!

Vor dem Zapfen sterben.

Nach der letzten Ölung soll

Hefen noch mich färben.

Engelchöre weihen dann

Mich zum Nektarerben:

»Diesen Trinker gnade Gott!

Lass’ ihn nicht verderben!«

 

 

Liebeszauber

Mädel, schau mir ins Gesicht!

Schelmenauge, blinzle nicht!

Mädel, merke was ich sage!

Gib mir Rede, wenn ich frage!

Holla hoch mir ins Gesicht!

Schelmenauge, blinzle nicht!

 

Bist nicht häßlich, das ist wahr;

Äuglein hast du, blau und klar;

Wang’ und Mund sind süße Feigen;

Ach! vom Busen laß mich schweigen!

Reizend, Liebchen, das ist wahr,

Reizend bist du offenbar.

 

Aber reizend her und hin!

Bist ja doch nicht Kaiserin;

Nicht die Kaiserin der Schönen.

Wer wird dich allein nur krönen?

Reizend her und reizend hin!

Viel fehlt noch zur Kaiserin!

 

Hundert Schönen sicherlich,

Hundert, hundert! fänden sich,

Die vor Eifer würden lodern,

Dich auf Schönheit ‘rauszufodern.

Hundert Schönen fänden sich;

Hundert siegten über dich.

 

Dennoch hegst du Kaiserrecht

Über deinen treuen Knecht:

Kaiserrecht in seinem Herzen,

Bald zu Wonne bald zu Schmerzen.

Tod und Leben, Kaiserrecht,

Nimmt von dir der treue Knecht!

 

Hundert ist wohl große Zahl;

Aber, Liebchen, laß es ‘mal

Hunderttausend Schönen wagen,

Dich von Thron und Reich zu jagen!

Hunderttausend! Welche Zahl!

Sie verlören allzumal.

 

Schelmenauge, Schelmenmund,

Sieh mich an und thu mir’s kund!

He, warum bist du die Meine?

Du allein und anders Keine?

Sieh mich an und thu mir’s kund,

Schelmenauge, Schelmenmund!

 

Sinnig forsch’ ich auf und ab:

Was so ganz dir hin mich gab? –

Ha! durch nichts mich so zu zwingen,

Geht nicht zu mit rechten Dingen.

Zaubermädel, auf und ab,

Sprich, wo ist dein Zauberstab?

 

 

Männerkeuschheit

Wer nie in schnöder Wollust Schoß

Die Fülle der Gesundheit goß,

Dem steht ein stolzes Wort wohl an,

Das Heldenwort: Ich bin ein Mann!

 

Denn er gedeiht und sproßt empor,

Wie auf der Wies’ ein schlankes Rohr;

Und lebt und webt, der Gottheit voll,

An Kraft und Schönheit ein Apoll.

 

Die Götterkraft, die ihn durchfleußt,

Beflügelt seinen Feuergeist,

Und treibt, aus kalter Dämmerung,

Gen Himmel seinen Adlerschwung.

 

Dort taucht er sich in’s Sonnenmeer,

Und Klarheit strömet um ihn her.

Dann wandelt sein erhellter Sinn

Durch alle Schöpfung Gottes hin.

 

Und er durchspäht, und wägt, und mißt,

Was schön, was groß und herrlich ist,

Und stellt es dar in Red’ und Sang,

Voll Harmonie, wie Himmelsklang.

 

O schaut, wie er voll Majestät,

Ein Gott, daher auf Erden geht!

Er geht und steht in Herrlichkeit,

Und fleht um nichts; denn er gebeut.

 

Sein Auge funkelt dunkelhell,

Wie ein krystallner Schattenquell.

Sein Antlitz strahlt, wie Morgenrot;

Auf Nas’ und Stirn herrscht Machtgebot.

 

Das Machtgebot, daß d’rauf regiert,

Wird hui! durch seinen Arm vollführt.

Denn der schnellt aus, wie Federstahl;

Sein Schwerthieb ist ein Wetterstrahl.

 

Das Roß fühlt seines Schenkels Macht,

Der nimmer wanket, nimmer kracht.

Er zwängt das Roß, vom Zwang’ entwöhnt,

Er zwängt das Roß, und horch! es stöhnt.

 

Er geht und steht in Herrlichkeit,

Und fleht um nichts; denn er gebeut:

Und dennoch schaut, wo er sich zeigt,

O schaut, wie ihm sich alles neigt!

 

Die edelsten der Jungfrau’n blühn,

Sie blühn und duften nur für ihn.

O Glückliche, die er erkiest!

O Selige, die sein genießt!

 

Die Fülle seines Lebens glänzt,

Wie Wein, von Rosen rund umkränzt.

Sein glücklich Weib, an seiner Brust,

Berauscht sich d’raus zu Lieb’ und Lust.

 

Frohlockend blickt sie rund umher:

»Wo sind der Männer mehr, wie Er?«

Fleuch, Zärtling, fleuch! Sie spottet dein.

Nur Er nimmt Bett’ und Busen ein.

 

Die steht und fodert auf umher:

»Wo ist, wo ist ein Mann, wie Er?«

Sie, ihm allein getreu und hold,

Erkauft kein Fürst mit Ehr’ und Gold.

 

Wie, wann der Lenz die Erd’ umfäht,

Und sie mit Blumen schwanger geht:

So segnet Gott durch ihn sein Weib,

Und Blumen trägt ihr edler Leib.

 

Die alle blüh’n, wie Sie und Er,

Sie blüh’n und duften um ihn her,

Und wachsen auf, ein Zedernwald,

Voll Vaterkraft und Wohlgestalt. –

 

So glänzt der Lohn, den der genießt,

So das Geschlecht, das dem entsprießt,

Der nie in schnöder Wollust Schoß

Die Fülle der Gesundheit goß.

 

 

Auch ein Lied an den lieben Mond

Ei! schönen guten Abend dort am Himmel!

Man freuet sich, Ihn noch fein wohl zu sehn.

Willkommen mir, vor allem Sterngewimmel!

Vor allem Sterngewimmel lieb und schön! –

 

Das lächelst du so bittlich her, mein Teurer?

Willst du vielleicht so was von Sing und Sang?

Ganz recht! Wofür auch wär’ ich sonst der Leirer,

Des Saitenspiel bisher – so so! – noch klang?

 

Es wäre ja nicht halb mir zu verzeihen,

Das muß ich selbst treuherzig eingestehn,

Da alle Dichter dir ein Schärflein weihen,

Wollt’ ich allein dich stumm vorüber gehn.

 

Auch bist du’s wert, mein sanfter, holder, lieber – – –

Ich weiß nicht recht, wie ich dich nennen soll?

Mann oder Weib? – Schon lange war ich über

Und über deines warmen Lobes voll.

 

So wissen’s dann die Jungen und die Alten,

Was immerdar auch meine Wenigkeit

Vom schönen lieben Monde hat gehalten,

Und halten wird in alle Ewigkeit!

 

Die Sonn’ ist zwar die Königin der Erden.

Das sei hiermit höchstfeierlich erklärt!

Ich wäre ja von ihr beglänzt zu werden,

Verneint’ ich dies, nicht eine Stunde wert.

 

Wer aber kann, wann sie im Strahlenwagen

Einher an blauer Himmelsstraße zieht,

Die Glorie in seinem Aug’ ertragen,

Die ihre königliche Stirn umglüht?

 

Du, lieber Mond, bist schwächer zwar und kleiner,

Ein Kleid, nur recht und schlecht, bekleidet dich;

Allein du bist so mehr, wie Unsereiner,

Und dieses ist gerade recht für mich.

 

Ich würde mich fürwahr nicht unterstehen,

Mit ihrer hocherhabnen Majestät

So brüderlich und traulich umzugehen,

Wie man noch wohl mit dir sich untersteht.

 

Die Sonne mag uns tausend Segen schenken.

Das wissen wir und danken’s herzlich ihr.

Doch weiß sie auch es wieder einzutränken,

Und sengt und brennt oft desto baß dafür.

 

Du aber, aller Kreaturen Freude!

Den jeder Mund so treu und froh begrüßt,

Bist immer gut, thust nimmer was zu Leide,

Kein Biedermann hat je durch dich gebüßt.

 

Wär’ ohne sie die Welt nur hell und heiter,

Und frör’ es nur nicht lauter Eis und Stein,

Und Wein und Korn und Obst gediehe weiter,

Wer weiß? so ließ’ ich Sonne Sonne sein.

 

Dich ließ’ ich mir in Ewigkeit nicht nehmen,

Wofern mein armes Nein was gelten kann.

Ich würde bis zum Kranken mich zergrämen,

Verlör’ ich dich, du trauter Nachtkumpan!

 

Wen hätt’ ich sonst, wann um die Zeit der Rosen,

Zur Mitternacht mein Gang um’s Dörfchen irrt,

Mit dem ich so viel Liebes könnte kosen,

Als hin und her mit dir gekoset wird?

 

Wen hätt’ ich sonst, wann überlange Nächte

Entschlummern mich, du weißt wohl was, nicht läßt,

Dem alles ich so klagen könnt’ und möchte,

Was für ein Weh mein krankes Herz zerpreßt?

 

 

Molly’s Wert

Ach, könnt’ ich Molly kaufen

Für Gold und Edelstein,

Und hätte große Haufen;

Die sollten mich nicht reu’n.

Zwar wühlt sich’s hübsch im Golde;

Wohl dem, der wühlen kann! –

Doch ohne sie, die Holde,

Was hätt’ ich Frohes d’ran?

 

Ja, wenn ich der Regente

Von ganz Europa wär’,

Und Molly kaufen könnte;

So gäb ich alles her.

Vor Städten, Schlössern, Thronen,

Und mancher fetten Flur,

Wählt’ ich mit ihr zu wohnen,

Ein Gartenhüttchen nur.

 

Mein liebes Leben enden

Darf nur der Herr der Welt.

Doch dürft’ ich es verspenden,

So wie mein Gut und Geld;

So gäb’ ich gern, ich schwöre!

Für jeden Tag ein Jahr,

Da sie mein eigen wäre,

Mein eigen ganz und gar.

 

 

An die Menschengesichter

Ich habe was Liebes, das hab’ ich zu lieb;

Was kann ich, was kann ich dafür?

D’rum sind mir die Menschengesichter nicht hold:

Doch spinn’ ich ja leider nicht Seide, noch Gold,

Ich spinne nur Herzeleid mir.

 

Auch mich hat was Liebes im Herzen zu lieb;

Was kann es, was kann es für’s Herz?

Auch ihm sind die Menschengesichter nicht hold:

Doch spinnt es ja leider nicht Seide noch Gold,

Es spinnt sich nur Elend und Schmerz.

 

Wir seufzen und sehnen, wir schmachten uns nach,

Wir sehnen und seufzen uns krank.

Die Menschengesichter verargen uns das;

Sie reden, sie thun uns bald dies und bald das,

Und schmieden uns Fessel und Zwang.

 

Wenn ihr für die Leiden der Liebe was könnt,

Gesichter, so gönnen wir’s euch.

Wenn wir es nicht können, so irr’ es euch nicht!

Wir können, ach leider! wir können es nicht,

Nicht für das mogolische Reich!

 

Wir irren und quälen euch Andre ja nicht;

Wir quälen ja uns nur allein.

D’rum, Menschengesichter, wir bitten euch sehr,

D’rum laßt uns gewähren, und quält uns nicht mehr,

O laßt uns gewähren allein!

 

Das dränget ihr euch um die Kranken herum,

Und scheltet und schnarchet sie an?

Von Schelten und Schnarchen genesen sie nicht.

Man liebet ja Tugend, man übet ja Pflicht;

Doch Keiner thut mehr, als er kann.

 

Die Sonne, sie leuchtet; sie schattet, die Nacht;

Hinab will der Bach, nicht hinan;

Der Sommerwind trocknet; der Regen macht naß;

Das Feuer verbrennet. – Wie hindert ihr das? –

O laßt es gewähren, wie’s kann!

 

Es hungert den Hunger, es dürstet den Durst;

Sie sterben von Nahrung entfernt.

Naturgang wendet kein Aber und Wenn. –

O Menschengesichter, wie zwinget ihr’s denn,

Daß Liebe zu lieben verlernt?

 

 

Elegie

Als Molly sich losreißen wollte

 

 

Darf ich noch ein Wörtchen lallen? –

Darf vor deinem Angesicht

Eine Thräne mir entfallen? –

Ach, sie dürfte freilich nicht!

Ihren Ausbruch abzuwehren,

Brächte mehr für dich Gewinst,

Um den Kampf nicht zu erschweren,

Den du gegen mich beginnst.

 

Und, o Gott! darf ich ihn tadeln?

Sollte nicht mein schönstes Lied

Mehr den edlen Kampf noch adeln,

Ob er gleich ins Grab mich zieht? –

Ja, das find’ ich recht und billig!

Noch ist mein Gewissen wach,

Und mein beßres Selbst ist willig;

Aber seine Kraft ist schwach.

 

Denn wie soll, wie kann ichs zähmen,

Dieses hochempörte Herz?

Wie den letzten Trost ihm nehmen,

Auszuschreien seinen Schmerz?

Schreien, aus muß ich ihn schreien!

Herr, mein Gott, du wirst es mir,

Du auch, Molly, wirst verzeihen!

Denn zu schrecklich tobt er hier.

 

Ha, er tobet mit der Hölle,

Mit der ganzen Hölle Wut!

Höchste Glut ist seine Quelle,

Und sein Ausstrom höchste Glut!

Gott und Gottes Kreaturen

Ruf’ ich laut zu Zeugen an:

Ob’s von irdischen Naturen

Eine stumm verschmerzen kann! –

 

Rosicht, wie die Morgenstunde,

Freundlich, wie ein Paradies,

Wort und Kuß auf ihrem Munde –

O kein Nektar ist so süß! –

War ein Mädchen mir gewogen – – –

Wie? Gewogen nur? – Fürwahr,

Ihre tausend Schwüre logen,

Wenn ich nicht ihr Abgott war.

 

Und sie sollte lügen können?

Lügen nur ein einzig Wort?

Nein! In Flammen will ich brennen,

Zeitlich hier und ewig dort;

Der Verdammnis ganz zum Raube

Will ich sein, wofern ich nicht

An das kleinste Wörtchen glaube,

Welches dieser Engel spricht.

 

Und ein Engel sonder gleichen,

Wenn die Erde Engel hat,

Ist sie! Weichen muß ihr, weichen,

Was hier Gott erschaffen hat! –

O ich weiß wohl, was ich sage!

Deutlich, wie mir See und Land

Hoch um Mittag liegt zu Tage,

So wird das von mir erkannt.

 

Rümpften Tausend auch die Nasen:

»Deine Sinne täuschen dich!

Große Liebe macht dich rasen! –«

O ihr Tausend seid nicht Ich!

Ich, ich weiß es, was ich sage!

Denn ich weiß es, was sie ist,

Was sie wiegt auf rechter Wage,

Was nach rechtem Maß sie mißt.

 

Andre mögen Andre loben,

Und zu Engeln sie erhöhn!

Mir, von unten auf bis oben,

Dünkt, wie Sie, nicht Eine schön.

Wie von außen, so von innen,

Dünkt auch nüchtern meinem Sinn,

Sie der höchsten Königinnen

Aller Anmut Königin.

 

Bettelarm ist, sie zu schildern,

Aller Sprachen Überfluß.

Zwischen tausend schönen Bildern

Wühlt umsonst mein Genius.

Spräch’ ich auch mit Engelzungen

Und in Himmelsmelodie,

Dennoch, dennoch unbesungen,

Wie sie wert ist, bliebe sie. –

 

Eine solche ist es! Eine,

Die kein Name nennen kann!

Die zu vollem Herzvereine

Mich so innig liebgewann,

Daß ihr seligster Gedanke,

Den sie dachte, wie den Stab

Rund herum des Weinstocks Ranke,

Tag und Nacht nur mich umgab.

 

Welch ein Sehnen, welch ein Schmachten,

Wann sie mich nicht sah und fand!

Welch ein wonniges Betrachten,

Wo ich ging und saß und stand!

Welch ein Säuseln, welch ein Wehen,

Wann sie kosend mich umfing,

Und mit süßem Liebeflehen

Brünstig mir am Halse hing! –

 

Alles, alles das, wie selig,

O wie selig fühlt’ ich das!

Fühlt’ es so, daß ich allmählich

Alles außer ihr vergaß;

Und nun ward in ihr zu leben,

Mir so innig zur Natur,

Wie, in Licht und Luft zu weben,

Jeder Erden-Kreatur.

 

Stolz konnt’ ich vor Zeiten wähnen,

Hoch sei ich mit Kraft erfüllt,

Auch das Geistigste, mit Tönen

Zu verwandeln in ein Bild.

Doch lebendig darzustellen

Das, was sie und ich gefühlt,

Fühl’ ich jetzt mich, wie zum schnellen

Reigen sich der Lahme fühlt.

 

Es ist Geist, so rasch beflügelt,

Wie der Spezereien Geist,

Der hermetisch, auch versiegelt,

Sich aus seinem Kerker reißt.

Welche Macht kann ihn bezähmen?

Welche Macht durch Ton und Wort

Fesseln und gefangen nehmen? –

Leicht, wie Äther, schlüpft er fort –

 

Nun – o wär’ ich nie geboren,

Oder schwänd’ in nichts dahin! –

Was sie war, ist mir verloren,

Da, was ich ihr war, noch bin.

Sie wähnt sich’s von Gott geheißen,

Trotz Verblutung oder Schmerz,

Von dem meinigen zu reißen

Ihr ihm einverwachs’nes Herz.

 

Rasch, mit Ernst und Kraft zu ringen,

Hat sie nun sich aufgerafft,

Und den Heldenkampf vollbringen

Will ihr Ernst und ihre Kraft.

Wird sie in dem Kampf’ erliegen?

Wird sie, oder wird sie nicht?

»Sterben, rief sie, oder siegen

Heißen Tugend mich und Pflicht.«

 

Ach, ich weiß Dem keinen Tadel,

Ob es gleich mich nieder würgt,

Was so rühmlich für den Adel

Ihrer schönen Seele bürgt!

Denn, o Gott, in Christenlanden,

Auf der Erde weit und breit,

Ist ja kein Altar vorhanden,

Welcher unsre Liebe weiht.

 

Tief in Kerkers Nacht, belastet,

Die von Ketten, zentnerschwer,

Stöhnt mein Geist nun, tappt und tastet

Ohne Rat und That umher.

Nirgends ist ein Spalt nur offen

Für der Hoffnung Labeschein;

Und auch Wünschen oder Hoffen

Scheint Verbrechen gar zu sein.

 

Ich erstarre, ich verstumme,

In Verzweiflung tief versenkt,

Wann mein Herz die Leidensumme

Dieser Liebe überdenkt.

Nichts, ach nichts weiß ich zu sagen,

Im Bewußtsein dieser Schuld,

Nichts zu murren, nichts zu klagen:

Dennoch mangelt mir Geduld!

 

Wie wird mir so herzlich bange,

Wie so heiß und wieder kalt,

Wann in diesem Sturm’ und Drange

Keuchend meine Seele wallt!

Ach! das Ende macht mich zittern,

Wie den Schiffer in der Nacht

Der Tumult von Ungewittern

Vor dem Abgrund’ zittern macht.

 

Herr, mein Gott, wie soll es werden?

Herr, mein Gott, erleuchte mich!

Ist wohl irgend wo auf Erden

Rettung noch und Heil für mich?

Heil auch dann, wann ich erfahre,

Daß sie ganz von mir befreit,

Einem Andern am Altare

Sich mit Leib und Seele weiht?

 

Werd’ ich, o mein Gott und Rächer,

Ohne in den Höllenweh’n

Der Verzweiflung zum Verbrecher

Mich zu wüten, werd’ ich’s sehn:

Wie der Mann bei Kerzen-Scheine

Sie zum Brautgemache winkt,

Und in meinem Freudenweine

Sich zum frohsten Gotte trinkt? –

 

Freilich, freilich fühlt, was billig

Und gerecht ist, noch mein Sinn,

Und das beßre Selbst ist willig:

Doch des Herzens Kraft ist hin!

Weh mir! Alle Eingeweide

Preßt der bängsten Ahndung Krampf?

O ich armer Mann, wie meide

Ich den fürchterlichsten Kampf? –

 

Bist du nun verloren? Rettet

Keine Macht dich mehr für mich?

Molly, meine Molly, kettet

Mich kein Segensspruch an dich?

O so sprich, zu welchem Ziele

Schleudert mich ein solcher Sturm?

Dient denn Gott ein Mensch zum Spiele,

Wie des Buben Hand der Wurm? –

 

Nimmermehr! Dies nur zu wähnen

Wäre Hochverrat an ihm.

Rühre denn dich meiner Thränen,

Meines Jammers Ungestüm!

O es keimt, wie lang’ es währe,

Doch vielleicht uns noch Gewinst,

Wenn ich dir den Kampf erschwere,

Den du gegen mich beginnst.

 

War denn diese Flammenliebe

Freier Willkür heimgestellt?

Nein! den Samen solcher Triebe

Streut Natur ins Herzensfeld.

Unaustilgbar keimen diese,

Sprossen dicht von selbst empor,

Wie im Thal und auf der Wiese

Kraut und Blume, Gras und Rohr.

 

Sinnig sitz’ ich oft und frage,

Und erwäg’ es herzlich treu

Auf des besten Wissens Wage:

Ob »Uns lieben« Sünde sei?

Dann erkenn’ ich zwar und finde

Krankheit, schwer und unheilbar;

Aber Sünde, Liebchen, Sünde

Fand ich nie, daß Krankheit war.

 

O ich möchte selbst genesen!

Doch durch welche Arznei?

Oft gedacht und oft gelesen

Hab’ ich viel und mancherlei;

Ärzte, Priester, Weis’ und Thoren

Hab’ ich oft um Rat gefragt:

Doch mein Forschen war verloren;

Keiner hat’s mir angesagt.

 

O so laß es denn gewähren,

Da Genesung nicht gelingt!

Laß uns lieber Krankheit nähren,

Eh’ uns gar daß Grab verschlingt! –

Suche nicht den Strom zu hemmen,

Der so lang’ sein Bett nur füllt,

Bis er zornig vor den Dämmen

Zum Vertilgungsmeer entschwillt.

 

Freier Strom sei meine Liebe,

Wo ich freier Schiffer bin!

Harmlos wallen seine Triebe

Wog’ an Woge dann dahin.

Laß in seiner Kraft ihn brausen!

Wenn kein Damm ihn unterbricht,

Müsse dir davor nicht grausen!

Denn verheeren wird er nicht.

 

Auf des Stromes Höhe pranget

Eine Insel, anmutsvoll,

Wo der Schiffer hin verlanget,

Aber ach! nicht landen soll.

Auf der schönen Insel thronet

Seines Herzens Königin.

Bei der süßen Holdin wohnet

Dennoch immerdar sein Sinn.

 

Hänget gleich sein Schiff an Banden

Strenger Pflichten, die er ehrt;

Wird ihm gleich dort anzulanden,

Molly, selbst von dir verwehrt:

O so laß’ ihn nur umfahren,

Seines Paradieses Rand,

Und es seine Obhut wahren

Gegen fremde Räuber-Hand.

 

Selbst, o Holdin, – kannst es glauben

Was dir Mund und Herz verspricht! –

Selbst das Paradies berauben

Und verheeren wird er nicht.

Keine Beere wird er pflücken,

Wie so lockend sie auch glüht,

Nicht ein Blümchen nur zerknicken,

Das in diesem Eden blüht.

 

Hinschaun soll ihn nur ergötzen,

Wann sein Schiff herum sich dreht,

Nur der süße Duft ihn letzen,

Den der West vom Ufer weht.

Aber ganz von hinnen scheiden,

Fern von deinem Angesicht

Und der Heimat seiner Freuden,

Heiß’, o Königin, ihn nicht.

 

 

Himmel und Erde

In dem Himmel quillt die Fülle

Heiß ersehnter Seligkeit.

Ich auch, wär’ es Gottes Wille,

Tränke gern aus dieser Fülle

Labsal für der Erde Leid;

 

Für den Wurm, der meiner Tage

Rosenblüte giftig sticht;

Dessen Schmerz ich in mir trage,

Den ich Arzt und Priester klage:

Aber ach! das hilft mir nicht.

 

Längst sind über Thal und Hügel

Alle Freuden mir entflohn.

Lahm sind meiner Hoffnung Flügel.

Rauher Hindernisse Hügel

Sprechen selbst den Wünschen Hohn. –

 

Dennoch setzt’ ich auch auf Erden

Gern noch fort den Pilgerstab.

Sollte Molly mir nur werden,

Trüg’ ich aller Welt Beschwerden

Noch den längsten Pfad hinab.

 

Volkers Schwanenlied

Sonst schlug die Lieb’ aus mir so helle,

Wie eine Nachtigall am Quelle.

Nun hat sie meine Kunst geirrt,

Daß jeder Laut zum Seufzer wird.

 

O Liebe, wundersüßes Wesen,

Wovon die Kranken oft genesen,

Ja Tote schier vom Grab’ erstehn,

Mich drängest du, ins Grab zu gehn! –

 

Im Busen hegt’ ich dich so lange,

Wie Jener die verklomte Schlange.

Dem Busen, der ihr Leben bot,

Gab sie zum Lohne Schmerz und Tod.

 

Nun, süße Mörderin des Lebens,

O Molly, laß nur nicht vergebens

Mein Flehn, mein letztes Flehen sein!

Vergiß nicht, ach, vergiß nicht mein!

 

Auf meiner Gruft, wo ich verwese,

Will ich, daß sanftes Mitleid lese:

»Wie Volker, liebt’ und litt kein Mann:

Der Hoffnungslose starb daran.« –

 

Fritz Stolberg, Harfner, der vor Allen

Mir stets von Herzen wohl gefallen,

Mann, der voll Gotteskraft und Geist

So herzlich Tugend liebt, als preist!

 

Dir, Freund, vermach’ ich Kranz und Leier,

Doch nur geweiht zu Molly’s Feier.

Der Name Molly sei verwebt

In jedes Lied, das ihr entschwebt!

 

Es gilt der Herrlichsten von Allen,

Die unter Gottes Sonne wallen,

Die Volker, der verlorne Mann,

Vom Schicksal nicht erseufzen kann.

 

Nun sei, o Gott, dem Armen gnädig!

Laß aller Schuld ihn los und ledig!

Laß nie in andern Flammen ihn,

Als Flammen seiner Liebe glühn!

 

 

Fortunens Pranger

Nieten? Nieten? Nichts als kahle Nieten? –

Nun so niete dich denn satt und matt! –

Zur Vergeltung will ich dir auch bieten,

Was noch keiner dir geboten hat.

 

Nicht mit Erbsen muß man nach dir schnellen,

Wie ein Lustigmacher etwa schnellt:

An den Pranger, und in Eisenschellen,

Sei, Fortuna, schimpflich ausgestellt! –

 

Rüstig, ihr Verwandten meiner Leier,

Satyrbuben, auf! Verschont sie nicht!

Alle faulen Äpfel – puh! – und Eier

Werft der Bübin in daß Angesicht!

 

Denn sie ist, sie ist die Ehrenlose,

Die das ärgste Schandgesindel liebt,

Und nur selten ihrer Wollust Rose

Einem Biedermann zu kosten gibt.

 

Ha, der Frechen! die so unverhohlen,

Mir nichts, dir nichts! falsche Münzen schlägt,

Und aus Lumpenkupfer die Pistolen,

Und aus Gold die Lumpenheller prägt!

 

O wie manchem edlen Tugendsohne

Gönnte sie kaum seinen Bettelstab,

Sie, die dennoch Zepter, Reich und Krone

Oft dem tollsten Oran-Utan gab!

 

Mit dem Räuber zieht sie aus zum Raube;

Selbst dem Mörder führt sie oft den Stahl.

Wie sie rupft dem Habicht Lamm und Taube,

Zupft sie jenem Wais’ und Witwe kahl.

 

Seht, wie sie beim Beutelschneider stehet,

Und dem Gauner, den der Würfel nährt,

Zum Gewinn die Schinderknochen drehet,

Und dem frommen Tropf die Taschen leert!

 

Wie sie dort den Mann von Treu’ und Glauben

In der Heuchlerlarve fein beschnellt,

Und, ihm vollends Rock und Hemd zu rauben,

Nachts dem Diebe gar die Leiter hält!

 

Ha, mit Treue weiß sie umzuspringen,

Wie die Katze mit der armen Maus!

Wahrheit kann von ihr ein Liedchen singen,

Wahrheit, oft verjagt von Amt und Haus!

 

Doch den Auswurf von den ärgsten Schelmen

Lohnte sie, für seine Heuchelkunst,

Oft mit Sternen, oft mit Ritterhelmen

Und mit Überschwang von Fürstengunst. –

 

Wird sie stets zum Tapfern sich gesellen,

Der für die gerechte Sache kriegt? –

Öfter haben Schurken und Rebellen,

Ohne Recht, durch ihre Hand gesiegt. –

 

Dennoch wird im kurzen alle Gnade

Ihren Buhlen oft zum Ungewinn;

Wie im Märchen der Scheherezade

Von der geilen Zauberkönigin.

 

Labe hieß sie. Buhlerisch gewogen

War sie manchem jungen schönen Mann!

Doch, sobald sie satt der Lust gepflogen,

Spie sie hui und pfui! sein Antlitz an.

 

Hui und pfui! ward er zum Ungeheuer,

Dessen Namen ihre Zunge sprach.

Ihren Kitzel stillte bald ein Neuer:

Aber immer traf ihn gleiche Schmach.

 

Eben so schon tausendmal gehandelt

Hat die Bübin, die wir ausgestellt.

Oft ihr liebster Liebling wird verwandelt

Durch die Zauberstäbchen, Ehr’ und Geld.

 

Ihro Hoch- Hochehr- und Wohlehrwürden

Schaffet sie zu Hammeln, fett und dumm,

Blökend, wie die Brüder in den Hürden,

Öfters auch zu Stutzeböcken um.

 

Hast du dich nicht wohl in Acht genommen,

Wirst du plötzlich in den Kot gestutzt,

Weil sie unversehns von hinten kommen,

Wirst geknufft, zertrampelt und beschmutzt.

 

Ihro Hoch- Hochwohl- und Wohlgeboren,

Wann sie sich an ihnen satt gepflegt,

Schenkt sie hohe Rüssel, oder Ohren,

Wie sie ein bekanntes Tierchen trägt.

 

Manche werden Pavian’ und Lüchse,

Manchen schafft sie um zum Krokodil;

Fürstenschranzen wandelt sie in Füchse

Und Chamäleone, wie sie will.

 

Ihro Gnaden, dero teure Frauen,

Gehen ebenfalls so leer nicht aus.

Diese führt, als stolzbeschwänzte Pfauen,

Sie auf Bäll’ und Assembleen aus.

 

Selten, selten schonet sie der Krieger,

Denen sie mit Gunst zur Seite war,

Wandelt sie in blutversoffne Tiger,

Oft, behüt’ uns Gott! in Teufel gar.

 

Die Gelahrten werden angebunden,

Wild in Bärgestalten, an ihr Pult.

Krittler bellen sich zu tollen Hunden

Und ermüden Ohren und Geduld.

 

Philosophen werden umgeschaffen,

Sammt Ästhetikern, in Dunst und Wind;

Viel Poeten aber sind schon Affen,

Und die bleiben denn nur, was sie sind. –

 

Fuselbrenner, Müller, Bäcker, Schlächter,

Brauer, Wirte, Kauf- und Handelsherrn,

Pferdetäuscher, Lieferer und Pächter

Wandelt sie in Büffel gar zu gern.

 

Manchem ihrer Söhne hext die Metze

Einen Rüssel, der nur frißt und säuft,

Zu zerwühlen die erbuhlten Schätze,

Welche weiland Büffel aufgehäuft. –

 

Dennoch – ließe sie nur so sich gnügen

An so mancher schnöden Zauberthat! –

Aber ach! auch Köpfe läßt sie fliegen.

Manchen Liebling flocht sie schon aufs Rad.

 

Wie mit Rüben, so mit Menschenhälsen

Spielt sie. Den, dem sie die Hand kaum gab,

Ihn zu heben auf den Ehrenfelsen,

Stürzt sie rücklings wieder tief hinab.

 

Manchem Reichen, wann sie kaum gefüllet

Seinen Kasten, hoch bis an den Rand,

Hat sie hinterher den Strick getrillet

Und ihn aufgeknüpft durch eigne Hand.

 

Dieb’ und Gauner, deren guter Engel

Sie zu Schutz und Trutz gewesen war,

Wandelt sie zuletzt in Galgenschwengel

Und in Speise für die Rabenschar. –

 

O der Bübin! über ihren Ränken

Gehn mir Sprache schier und Atem aus. –

Dieser Litanei soll sie gedenken! –

Satyrbuben packt euch nun nach Haus!

 

 

Muttertändelei

Für meine Dorette

 

 

Seht mir doch mein schönes Kind,

Mit den goldnen Zottellöckchen,

Blauen Augen, roten Bäckchen!

Leutchen, habt ihr auch so eins? –

Leutchen, nein ihr habet keins!

 

Seht mir doch mein süßes Kind!

Fetter, als ein fettes Schneckchen,

Süßer, als ein Zuckerweckchen!

Leutchen, habt ihr auch so eins? –

Leutchen, nein ihr habet keins!

 

Seht mir doch mein holdes Kind!

Nicht zu mürrisch, nicht zu wählig!

Immer freundlich, immer fröhlich!

Leutchen, habt ihr auch so eins? –

Leutchen, nein ihr habet keins!

 

Seht mir doch mein frommes Kind!

Keine bitterböse Sieben

Würd’ ihr Mütterchen so lieben.

Leutchen, möchtet ihr so eins? –

O ihr kriegt gewiß nicht meins!

 

Komm’ einmal ein Kaufmann her!

Hunderttausend blanke Thaler,

Alles Gold der Erde zahl’ er!

O er kriegt gewiß nicht meins!

Kauf’ er sich wo anders eins!

 

 

Der große Mann

Es ist ein Ding, das mich verdreußt,

Wenn Schwindel oder Schmeichelgeist

Gemeines Maß für großes preist.

 

Du, Geist der Wahrheit, sag’ es an:

Wer ist, wer ist ein großer Mann?

Der Ruhmverschwendung Acht und Bann!

 

Der, dem die Gottheit Sinn beschert,

Der Größe, Bild, Verhalt und Wert,

Und aller Wesen Kraft ihm lehrt;

 

Des weit umfassender Verstand,

Wie einen Ball mit hohler Hand

Ein ganzes Weltsystem umspannt;

 

Der weiß, was Großes hie und da,

Zu allen Zeiten, fern und nah,

Und wo, und wann, und wie geschah;

 

Der Mann, der die Natur vertraut,

Gleichwie ein Bräutigam die Braut,

An allen Reizen nackend schaut;

 

Und warm an ihres Busens Glut,

Vermögen stets und Heldenmut

Und Lieb’ und Leben saugend, ruht;

 

Und nun, was je ein Erdenmann

Für Menschenheil gekonnt und kann,

Wofern er will, desgleichen kann;

 

Dabei in seiner Zeit und Welt,

Wo sein Beruf ihn hingestellt,

Durch That der Kunst die Wage hält:

 

Der ist ein Mann, und der ist groß!

Doch ringt sich aus der Menschheit Schoß

Jahrhundertelang kaum Einer los.

 

 

Geweihtes Angebinde, zu Louisens Geburtstage

Kann denn nur der Vater Pabst allein

Schwerter, Kerzen, Amulett’ und Ringe

Für die Frommen seiner Kirche weih’n,

Daß kein Leid und Unheil an sie dringe? –

 

Freilich rühmt er sich mit stolzem Sinn

Gottes höchsten Priester auf der Erde;

Aber ich, auch ich weiß, was ich bin,

Weiß, daß ich ihm nimmer weichen werde.

 

Denn ich bin zu hoher Priesterschaft,

Nicht, wie er, von Menschen auserkoren,

Bin dazu empfangen und geboren

Und emporgesproßt durch Gottes Kraft!

 

Bin geweiht zum Priester des Apoll

Mit des Gottes Kranz und goldnem Stabe!

Seines Geistes bin ich froh und voll;

Warum nicht auch frommer Wundergabe? –

 

Ja, ich bin’s! So weih’ ich betend dann

Dieses Band mit Wunderkraft und Segen,

Daß ich’s an Louisens Busen legen,

Und damit Ihr Herz beglücken kann;

 

O ein Herz, des besten Glückes wert!

Das ich nie zu rühmen mich bestrebe,

Weil der schönste Name, den ich gebe,

Doch dies Herz noch nicht genugsam ehrt. –

 

Band, ich segne dich mit Freud’ und Lust,

Für das längste Leben, sonder Grämen;

Diesen Segen sollst du in die Brust

Meiner edlen Freundin reichlich strömen!

 

Freud’ und Lust an Ihrem braven Mann

Ein Jahrhundert, oder nicht viel minder,

Freud’ und Lust an allem ab und an,

An und ab dem Kleeblatt holder Kinder;

 

Freud’ und Lust, von keinem Harm vergällt,

Sei durch dich Ihr in die Brust gegossen,

Freud’ an Gottes ganzer weiter Welt,

Mich, den Priester, auch mit eingeschlossen!

 

 

Die Eine

Sonnett

 

 

Nicht selten hüpft, dem Finken gleich im Haine,

Der Flattersinn mir keck vors Angesicht:

»Warum, warum bist du denn so auf Eine,

Auf Eine nur bei Tag und Nacht erpicht?

 

Ha! glaubst du denn, weil diese dir gebricht,

Daß Liebe dich mit Keiner mehr vereine?

Der Gram um sie beflort dein Augenlicht;

Und freilich glänzt durch diesen Flor dir Keine.

 

Die Welt ist groß, und in der großen Welt

Blühn schön und süß viel Mädchen noch und Frauen.

Du kannst dich ja in manches Herz noch bauen.« –

 

Ach, alles wahr! Vom Rhein an bis zum Belt

Blüht Reiz genug auf allen deutschen Auen.

Was hilft es mir, dem Molly nur gefällt?

 

 

Überall Molly und Liebe

Sonnett

 

 

In die Nacht der Tannen oder Eichen,

Die das Kind der Freude schauernd flieht,

Such’ ich oft, von Kummer abgemüht,

Aus der Welt Gerassel wegzuschleichen.

 

Könnt’ ich nur, wie allem Meinesgleichen,

Auch sogar der Wildnis, die mich sieht,

Und den Sinn zu neuer Arbeit zieht,

Bis ins Nichts hinein zur Ruh’ entweichen!

 

Dennoch ist so heimlich kein Revier,

Ist auch nicht ein Felsenspalt so öde,

Daß mich nicht, wie überall, auch hier

 

Liebe, die Verfolgerin, befehde;

Daß nicht ich mit ihr von Molly rede,

Oder sie, die Schwätzerin, mit mir.

 

 

Täuschung

Sonnett

 

 

Um von Ihr das Herz nur zu entwöhnen,

Der es sich zu stetem Grame weiht,

Forschet durch die ganze Wirklichkeit,

Ach umsonst! mein Sinn nach allem Schönen.

 

Dann erschafft, bewegt durch langes Sehnen,

Phantasie aus Stoff, den Herzchen leiht,

Ihm ein Bild voll Himmelslieblichkeit.

Diesem will es nun statt Molly frönen.

 

Brünstig wird das neue Bild geküßt;

Ale Huld wird froh ihm zugeteilet;

Herzchen glaubt von Molly sich geheilet.

 

O des Wahns von allzu kurzer Frist!

Denn es zeigt sich, wenn Betrachtung weilet,

Daß das Bild leibhaftig – Molly ist.

 

 

Für Sie mein Eins und Alles

Sonnett

 

 

Nicht zum Fürsten hat mich das Geschick,

Nicht zum Grafen, noch zum Herrn geboren,

Und fürwahr nicht hellerswert verloren

Hat an mich das goldbeschwerte Glück.

 

Günstig hat auch keines Wesirs Blick

Mich im Staat zu hoher Würd’ erkoren.

Alles stößt, wie gegen mich verschworen,

Jeden Wunsch mir unerhört zurück.

 

Von der Wieg’ an, bis zu meinem Grabe,

Ist ein wohl ersung’nes Lorbeerreis

Meine Ehr’ und meine ganze Habe.

 

Dennoch auch dies Eine, so ich weiß,

Spendet’ ich mit Lust zur Opfergabe,

Wär’, o Molly, dein Besitz der Preis.

 

 

An Adoniden

O Adonide, welche Kraft

Zwingt alle Kerzen, dir zu schlagen?

Die Huldgöttinnen könnten’s sagen;

Verrieten sie die Wissenschaft.

 

Käm’ uns Homer zurück ins Leben,

Und fühlte diesen Drang und Zug;

Würd’ er die Schuld dem Gürtel geben,

Den Venus um den Busen trug.

 

Weißt du, was er davon gesungen?

Darein war alle Zauberei

Der Liebe, Lächeln, Schmeichelei

Und linder Zephyrsinn verschlungen;

 

War Witz verwebet, froh und leicht,

Und ah! das süße Huldgekose,

Das, wie ein mildes Öl der Rose,

Sogar des Weisen Herz beschleicht.

 

Nicht Jugendreiz, der bald verblühet,

Es ist die ewige Magie

Des Gürtels, den dir Venus lieh,

Der so die Herzen an sich ziehet!

 

Und noch im Herbste werden die

Für dich, wie jetzt im Lenze, lodern,

Und sehnend Lieb’ um Liebe fodern:

Denn Huldgöttinnen altern nie.

 

 

Die Unvergleichliche

Sonnett

 

 

Welch Ideal aus Engelsphantasie

Hat der Natur als Muster vorgeschwebet,

Als sie die Hüll’ um einen Geist gewebet,

Den sie herab vom dritten Himmel lieh?

 

O Götterwerk! Mit welcher Harmonie

Hier Geist in Leib und Leib in Geist verschwebet!

An Allem, was hienieden Schönes lebet,

Vernahm mein Sinn so reinen Einklang nie.

 

Der, welchem noch der Adel ihrer Mienen,

Der Himmel nie in ihrem Aug’ erschienen,

Entweiht vielleicht mein hohes Lied durch Scherz.

 

Der kannte nie der Liebe Lust und Schmerz,

Der nie erfuhr, wie süß ihr Atem fächelt,

Wie wundersüß die Lippe spricht und lächelt.

 

 

Der versetzte Himmel

Sonnett

 

 

Licht und Lust des Himmels zu erschauen,

Wo hinan des Frommen Wünsche schweben,

Muß dein Blick sich über dich erheben,

Wie des Betenden voll Gottvertrauen.

 

Unter dir ist Todesnacht und Grauen.

Würde dir ein Blick hinab gegeben,

So gewahrtest du mit Angst und Beben

Das Gebiet der Höll’ und Satans Klauen.

 

Also spricht gemeiner Menschenglaube.

Aber wann aus meines Armes Wiege

Molly’s Blick empor nach meinem schmachtet:

 

Weiß ich, daß im Auge meiner Taube

Aller Himmelsseligkeit Genüge

Unter mir der trunkne Blick betrachtet.

 

 

Naturrecht

Sonnett

 

 

Von Blum’ und Frucht, so die Natur erschafft,

Darf ich zur Lust, wie zum Bedürfnis, pflücken.

Ich darf getrost nach allem Schönen blicken,

Und atmen darf ich jeder Würze Kraft.

 

Ich darf die Traub’, ich darf der Biene Saft,

Des Schafes Milch in meine Schale drücken.

Mir front der Stier; mir beut das Roß den Rücken;

Der Seidenwurm spinnt Atlas mir und Taft.

 

Es darf das Lied der holden Nachtigallen

Mich, hingestreckt auf Flaumen oder Moos,

Wohl in den Schlaf, wohl aus dem Schlafe hallen.

 

Was wehrt es denn mir Menschensatzung, bloß

Aus blödem Wahn, in Molly’s Wonneschoß,

Von Lieb’ und Lust bezwungen, hinzufallen?

 

 

Molly’s Abschied

Lebe wohl, du Mann der Lust und Schmerzen!

Mann der Liebe, meines Lebens Stab!

Gott mit dir, Geliebter! Tief zu Herzen

Halle dir mein Segensruf hinab!

 

Zum Gedächtnis biet’ ich dir, statt Goldes –

Was ist Gold und goldeswerter Tand? –

Biet’ ich lieber, was dein Auge Holdes,

Was dein Herz an Molly Liebes fand.

 

Nimm, du süßer Schmeichler, von den Locken,

Die du oft zerwühltest und verschobst,

Wann du über Flachs an Pallas Rocken,

Über Gold und Seide sie erhobst!

 

Vom Gesicht, der Mahlstatt deiner Küsse,

Nimm, so lang’ ich ferne von dir bin,

Halb zum mindesten im Schattenrisse

Für die Phantasie die Abschrift hin!

 

Meiner Augen Denkmal sei dies blaue

Kränzchen flehender Vergißmeinnicht,

Oft beträufelt von der Wehmut Taue,

Der hervor durch sie vom Herzen bricht!

 

Diese Schleife, welche deinem Triebe

Oft des Busens Heiligtum verschloß,

Hegt die Kraft des Hauches meiner Liebe,

Der hinein mit tausend Küssen floß.

 

Mann der Liebe! Mann der Lust und Schmerzen!

Du, für den ich alles that und litt,

Nimm von allem! Nimm von meinem Herzen –

Doch – du nimmst ja selbst das Ganze mit!

 

 

Das hohe Lied von der Einzigen, in Geist und Herzen empfangen am Altare der Vermählung

Hört von meiner Auserwählten,

Höret an mein schönstes Lied!

Ha, ein Lied des Neubeseelten

Von der süßen Anvermählten,

Die ihm endlich Gott beschied!

Wie aus tiefer Ohnmacht Banden,

Wie aus Graus und Moderduft

In verschloßner Totengruft,

Fühlt er froh sich auferstanden

Zu des Frühlings Licht und Luft.

 

Zepter, Diademe, Thronen,

Gold und Silber hab’ ich nicht:

Hätten auch, ihr voll zu lohnen,

Silber, Gold und Perlenkronen

Ein genügendes Gewicht.

Was ich habe, will ich geben.

Ihrem Namen, den mein Lied

Schüchtern sonst zu nennen mied,

Will ich schaffen Glanz und Leben

Durch mein höchstes Feierlied.

 

Schweig’, o Chor der Nachtigallen!

Mir nur lausche jedes Ohr!

Murmelbach, hör’ auf zu wallen!

Winde, laßt die Flügel fallen,

Rasselt nicht durch Laub und Rohr!

Halt in jedem Elemente,

Halt in Garten, Hain und Flur

Jeden Laut, der irgend nur

Meine Feier stören könnte,

Halt den Odem an, Natur!

 

Glorreich, wie des Äthers Bogen,

Weich gefiedert, wie der Schwan,

Auf des Wohllauts Silberwogen

Majestätisch fortgezogen,

Wall’, o Lied, des Ruhmes Bahn!

Denn bis zu den letzten Tagen,

Die der kleinste Hauch erlebt,

Der von deutscher Lippe schwebt,

Sollst du deren Namen tragen,

Welche mich zum Gott erhebt.

 

Ja, zum himmelfrohen Gotte,

Der nun, frei und wohlgemut

Vor des Tadels Ernst und Spotte,

Wie in seiner Göttin Grotte

Nach dem Sturm Odysseus, ruht!

Sturm und Woge sind entschlafen,

Die durch Zonen, kalt und feucht,

Dürr und glühend, ihn gescheucht;

Seines Wonnelandes Hafen

Hat der Dulder nun erreicht.

 

Seine Stärke war gesunken;

Lechzend hing die Zung’ am Gaum;

Alles Öl war ausgetrunken,

Und des Lebens letzter Funken

Glimmt’ am dürren Tachte kaum.

Da zerriß die Wolkenhülle,

Wie durch Zauberwort und Schlag.

Heiter lacht’ ein blauer Tag

Auf des Wunderheiles Fülle,

Welche duftend vor ihm lag.

 

Wonne weht von Thal und Hügel,

Weht von Flur und Wiesenplan,

Weht vom glatten Wasserspiegel,

Wonne weht mit weichem Flügel

Des Piloten Wangen an.

Ihr Gefieder, nicht mit Aschen

Trauriger Vergangenheit

Für die Schmähsucht mehr bestreut,

Glänzet rein und hell gewaschen,

Wie des Schwanes Silberkleid.

 

In dem Paradiesgefilde,

Wie sein Aug’ es nimmer sah,

Waltet mit des Himmels Milde,

Nach der Gottheit Ebenbilde,

Adonid-Urania.

Froh hat sie ihn aufgenommen,

Hat erquickt mit süßem Lohn

Ihn, des Kummers müden Sohn.

»Nun, o lieber Mann, willkommen!«

Sang ihr Philomelenton.

 

Ach, in ihren Feenarmen

Nun zu ruhen, ohne Schuld;

An dem Busen zu erwarmen,

An dem Busen voll Erbarmen,

Voller Liebe, Treu’ und Huld:

Das ist mehr, als von der Kette,

Aus der Folterkammer Pein,

Oder von dem Rabenstein

In der Wollust Flaumenbette

Durch ein Wort entrückt zu sein! –

 

Ist es wahr, was mir begegnet?

Oder Traum, der mich bethört,

Wie er oft den Armen segnet

Und ihm goldne Berge regnet,

Die ein Hahnenruf zerstört?

Darf ichs glauben, daß die Eine,

Die sich selbst in mir vergißt,

Den Vermählungskuß mir küßt?

Daß die Herrliche die Meine

Ganz vor Welt und Himmel ist? –

 

Hohe Namen zu erkiesen

Ziemt dir wohl, o Lautenspiel!

Nie wird Die zu hoch gepriesen,

Die so herrlich sich erwiesen,

Herrlich ohne Maß und Ziel:

Daß sie, trotz dem Hohngeschreie,

Trotz der Hoffnung Untergang,

Gegen Sturm und Wogendrang,

Mir gehalten Lieb’ und Treue,

Mehr als hundert Monden lang.

 

Und warum, warum gehalten?

Konnt’ ich, wie der Großsultan,

Über Millionen schalten?

War ich unter Mannsgestalten

Ein Apoll des Vatikan?

War ich Herzog großer Geister,

Prangend in dem Kranz von Licht,

Den die Hand der Fama flicht?

War ich holder Künste Meister?

Ach, das alles war ich nicht!

 

Zwar – ich hätt’ in Jünglingstagen,

Mit beglückter Liebe Kraft

Lenkend meinen Kämpferwagen,

Hundert mit Gesang geschlagen,

Tausende mit Wissenschaft!

Doch des Herzens Loos, zu darben,

Und der Gram, der mich verzehrt,

Hatten Trieb und Kraft zerstört.

Meiner Palmen Keime starben,

Eines mildern Lenzes wert.

 

Sie, mit aller Götter Gnaden

Hoch, an Seel’ und Leib, geschmückt,

Schön und wert, Alcibiaden

Zur Umarmung einzuladen,

Hätt’ ein Beßrer leicht beglückt.

Hymen hätte zur Belohnung

Sie im Freuden-Chor umschwebt,

Und ein Leben ihr gewebt,

Wie es in Kronions Wohnung

Hebe mit Alciden lebt.

 

Dennoch, ohne je zu wanken,

Käm’ ihr ganzes Heil auch um,

Schlangen ihrer Liebe Ranken

Um den hingewelkten Kranken

Unablöslich sich herum.

Schmelzend im Bekümmernisse,

Daß der Eumeniden Schar,

Die um ihn gelagert war,

Nicht in Höllenglut ihn risse,

Bot sie sich zum Schirme dar. –

 

Macht in meiner Schuld, o Saiten,

Ihrer Tugend Adel kund!

Wahrheit knüpfe, des geweihten

Lautenschlägers Hand zu leiten,

Mit Gerechtigkeit den Bund!

Manche Tugend mag er missen:

Aber du, Gerechtigkeit,

Warst ihm heilig jederzeit!

Nein! Mit Willen und mit Wissen

Hat er nimmer dich entweiht.

 

Ruf es laut aus voller Seele:

Schuldlos war ihr Herz und Blut!

Welches Ziel die Rüge wähle,

O so trifft sie meine Fehle,

Fehle meiner Liebeswut!

Geißle mich des Hartsinns Tadel!

Wölke sich ob meiner Schuld

Selbst die Stirne milder Huld!

Büß’ ich nur für ihren Adel,

O so büß’ ich mit Geduld.

 

Ha, nicht linder Weste Blasen

Wehte mich zu Lieb’ und Lust!

Nein, es war des Sturmes Rasen!

Flamme, Steine zu verglasen

Heiß genug, entfuhr der Brust!

Nur in Plutons grausen Landen

Hätten, eisern in der Pflicht,

Welche keine Not zerbricht,

Unholdinnen widerstanden:

Doch die zarte Holdin nicht! –

 

Unglückssohn, warum entflammte

Deinen Busen solche Glut?

Sprich woher, woher sie stammte?

Welches Dämons Macht verdammte,

Frevler, dich zu dieser Wut? –

Eitle Frage! Nimm, Gesunder,

Nimm mein Herz und meinen Sinn

Ohne dieses Fieber hin!

Staune dann noch ob dem Wunder,

Wie ich dieser war und bin!

 

Nimm mein Auge hin und schaue,

Schau in Ihres Auges Licht!

Ah, das klare, himmelblaue,

Das so heilig sein: Vertraue

Meinem Himmelssinne! spricht!

Sieh die Pfirsichzier der Wange,

Sieh nur halb, wie auf der Flucht,

Dieser Lippe Kirschenfrucht,

Ach, und werde von dem Drange

Deines Durstes nicht versucht!

 

Sieh, o Blöder, auf und nieder,

Sieh mit meinem Sinn den Bau

Und den Einklang ihrer Glieder!

Wende dann das Auge wieder,

Sprich: Ich sah nur eine Frau!

Sieh das Leben und das Weben

Dieser Graziengestalt,

Sieh es ruhig an und kalt!

Fühle nicht das Wonnebeben

Vor der Anmut Allgewalt!

 

Hat die Milde der Kamönen

Gütig dir ein Ohr verliehn,

Aufgethan den Zaubertönen,

Die in Leid- und Freudenthränen

Seelen aus den Busen ziehn:

O so neig’ es ihrer Stimme

Und es ist um dich gethan!

Deine Seele faßt ein Wahn,

Daß sie in der Flut verglimme,

Wie ein Funk’ im Ozean.

 

Nahe dich dem Taumelkreise,

Wo ihr Nelkenatem weht;

Wo ihr warmes Leben leise,

Nach Magnetenstromes Weise,

Dir an Leib und Seele geht!

Arm und Arm dann um einander!

An einander Brust und Brust!

Wenn du dann in heißer Lust –

Ha, du bist ein Salamander,

Wenn du nicht zerlodern mußt!

 

Steig’ empor vom Erdenthale,

Was auch Florens Hand es kränzt!

Sonne dich, o Lied, im Strahle,

Der herab vom Sternensaale

Diesen Frühling überglänzt!

Siehe, wie des Maies Wonne,

So verarmt Autumnus Horn;

Wir verschwelgen Most und Korn:

Aber nie versiegt die Sonne,

Gottes goldner Segensborn.

 

Ohne Wandel durch die Jahre,

Durch den Wechsel aller Zeit,

Leuchtet hoch das reine, klare

Geistig-Schöne, Gute, Wahre

Dieser Seel’ in Ewigkeit.

Lebensgeist, von Gott gehauchet,

Odem, Wärme, Licht zu Rat,

Kraft zu jeder Edelthat,

Selig, wer in dich sich tauchet,

Du der Seelen Labebad!

 

Schmeichelflut der Vorgefühle

Hoher Götterlust schon hier

Wallet oft, bei Frost und Schwüle,

Wie mit Wärme, so mit Kühle,

Lieblich um den Busen mir.

Fühlet wohl ein Gottesseher,

Wann sein Seelenaug’ entzückt

In die bessern Welten blickt,

Fühlt er seinen Busen höher,

Unaussprechlicher beglückt?

 

O der Wahrheit! O der Güte,

Rein wie Perlen, ächt wie Gold!

O der Sittenanmut! Blühte

Je im weiblichen Gemüte

Jeder Tugend Reiz so hold?

Hinter sanfter Hügel Schirme,

Wo die Purpurbeere reift

Und der Liebe Nektar träuft,

Hat kein Fittich böser Stürme

Dies Elysium bestreift.

 

Da vergiftet nichts die Lüfte,

Nichts den Sonnenschein und Tau,

Nichts die Blum’ und ihre Düfte;

Da sind keine Mördergrüfte,

Da beschleicht kein Tod die Au;

Da berückt dich keine Schlange,

Zwischen Moos und Klee versteckt;

Da umschwirrt dich kein Insekt,

So das Lächeln von der Wange,

Aus der Brust den Frieden neckt.

 

Alle deine Wünsche brechen

Ihre Früchte hier in Ruh;

Milch und Honig fließt in Bächen;

Töne wie vom Himmel sprechen

Labsal dir und Segen zu. –

Doch – du fühlest dich verlassen,

Lied, in dieser Region!

Lange weigern sich dir schon,

Das Unsägliche zu fassen,

Bild, Gedanke, Wort und Ton. –

 

Der, dem sie die Götter schufen

Zur Genossin seiner Zeit,

Ist vor aller Welt berufen,

Zu erobern alle Stufen

Höchster Erdenseligkeit.

Ihm gedeihn des Glückes Saaten;

Seinem Wunsch ist jedes Heil,

Ehre, Macht und Reichtum feil:

Denn zu tausend Wunderthaten

Wird Vermögen ihm zu teil.

 

Durch den Balsam ihres Kusses

Höhnt das Leben Sarg und Grab;

Stark im Segen des Genusses

Gibt’s der Flut des Zeitenflusses

Keine seiner Blühten ab.

Rosicht hebt es sich und golden,

Wie des Morgens lichtes Haupt,

Seiner Jugend nie beraubt,

Aus dem Bette dieser Holden,

Mit verjüngtem Schmuck umlaubt.

 

Erd’ und Himmel! Eine Solche

Sollt’ ich nicht mein eigen sehn?

Über Nattern weg und Molche,

Mitten hin durch Pfeil’ und Dolche

Konnt’ ich stürmend nach ihr gehn.

Mit der Stimme der Empörung

Konnt’ ich furchtbar: Sie ist mein!

Gegen alle Mächte schrein,

Tempel lieber der Zerstörung,

Eh’ ich ihrer mißte, weihn.

 

Singt mir nicht das Lied von Andern!

Andre sind für mich nicht da:

Sollt’ ich auch, gleich Alexandern,

Durch die Welt erobernd wandern.

West- und osthin, fern und nah.

Andre füllen Andrer Herzen;

Andre reizen Andrer Sinn.

Wann ich erst ein Andrer bin,

Dann sind Andrer Lust und Schmerzen

Mir Verlust auch und Gewinn.

 

Läßt, so ganz nach allen Fernen,

So von Allem abgetrennt,

Was die Sehnsucht möchte körnen,

Schwebend zwischen Meer und Sternen,

Von des Durstes Glut verbrennt,

Läßt die Strebekraft sich dämpfen,

Wenn wir dann, so weit wir sehn,

Eine Labung nur erspähn?

Gilt was anders, als erkämpfen,

Oder kämpfend untergehn? –

 

Herr des Schicksals, deine Hände

Wandten meinen Untergang!

Nun hat alle Fehd’ ein Ende;

Dich, o neue Sonnenwende,

Grüßet jubelnd mein Gesang!

Hymen, den ich benedeie,

Der du mich der langen Last

Endlich nun entladen hast,

Habe Dank für deine Weihe!

Sei willkommen, Himmelsgast!

 

Sei willkommen, Fackelschwinger!

Sei gegrüßt im Freudenchor,

Schuldversöhner, Grambezwinger!

Sei gesegnet, Wiederbringer

Aller Huld, die ich verlor!

Ach, von Gott und Welt vergeben

Und vergessen werd’ ich sehn

Alles, was nicht recht geschehn,

Wann im schönsten neuen Leben

Gott und Welt mich wandeln sehn.

 

Schände nun nicht mehr die Blume

Meiner Freuden, niedre Schmach!

Schleiche, bis zum Heiligtume

Frommer Unschuld, nicht dem Ruhme

Meiner Auserwählten nach!

Stirb nunmehr, verworfne Schlange!

Längst verheertest du genug!

Ihres Retters Adlerflug

Rauscht heran im Waffenklange

Dessen, der den Python schlug.

 

Schwing’, o Lied, als Ehrenfahne

Deinen Fittich um ihr Haupt!

Und erstatte, trotz dem Wahne,

Was ihr mit dem Drachenzahne

Pöbellästerung geraubt!

Spät, wann dies’ im Staubgewimmel

Längst des Unwerts Buße zahlt,

Strahl’, in dies Panier gemalt,

Adonide, wie am Himmel

Dort die Halmen-Jungfrau strahlt.

 

Erdentöchter, unbesungen,

Roher Faunen Spiel und Scherz,

Seht, mit solchen Huldigungen

Lohnt die teuern Opferungen

Des gerechten Sängers Herz!

Offenbar und groß auf Erden,

Hoch und hehr zu jeder Frist,

Wie die Sonn’ am Himmel ist,

Heißt ers vor den Edlen werden,

Was ihm seine Holdin ist. –

 

Lange hatt’ ich mich gesehnet,

Lange hatt’ ein stummer Drang

Meinen Busen ausgedehnet.

Endlich hast du sie gekrönet,

Meine Sehnsucht, o Gesang!

Ach! dies bange süße Drücken

Macht vielleicht ihr Gegenstand

Nur der jungen Frau bekannt.

Trägt sie so nicht vom Entzücken

Der Vermählungsnacht das Pfand?

 

Ah, nun bist du mir geboren,

Schön, ein geistiger Adon!

Tanzet nun, in Lust verloren,

Ihr, der Liebe goldne Horen,

Tanzt um meinen schönsten Sohn!

Segnet ihn, ihr Pierinnen!

Laß, o süße Melodie,

Laß ihn, Schwester Harmonie,

Jedes Ohr und Herz gewinnen,

Jede Götterphantasie!

 

Nimm, o Sohn, das Meistersiegel

Der Vollendung an die Stirn!

Ewig strahlen dir die Flügel,

Meines Geistes helle Spiegel,

Wie der Liebe Nachtgestirn!

Schweb’, o Liebling, nun hinnieder,

Schweb’ in deiner Herrlichkeit

Stolz hinab den Strom der Zeit!

Keiner wird von nun an wieder

Deiner Töne Pomp geweiht.

 

 

Verlust

Sonnett

 

 

Wonnelohn getreuer Huldigungen,

Dem ich mehr als hundert Monden lang,

Tag und Nacht, wie gegen Sturm und Drang

Der Pilot dem Hafen, nachgerungen!

 

Becher, allgenug für Götterzungen,

Goldnes Kleinod, bis zum Überschwang

Stündlich neu erfüllt mit Labetrank,

O wie bald hat dich das Grab verschlungen!

 

Nektarkelch, du warest süß genug,

Einen Strom des Lebens zu versüßen,

Sollt’ er auch durch Weltenalter fließen.

 

Wehe mir! Seitdem du schwandest, trug

Bitterkeit mir jeder Tag im Munde.

Honig trägt nur meine Todesstunde.

 

 

Trauerstille

Sonnett

 

 

O wie öde, sonder Freudenschall,

Schweigen nun Palläste mir, wie Hütten,

Flur und Hain, so munter einst durchschritten,

Und der Wonnesitz am Wasserfall!

 

Todeshauch verwehte deinen Hall,

Melodie der Liebesred’ und Bitten,

Welche mir in Ohr und Seele glitten,

Wie der Flötenton der Nachtigall.

 

Leere Hoffnung! Nach der Abendröte

Meines Lebens einst im Ulmenhain

Süß in Schlaf durch dich gelullt zu sein!

 

Aber nun, o milde Liebesflöte,

Wecke mich beim letzten Morgenschein

Lieblich, statt der schmetternden Trompete.

 

 

Auf die Morgenröte

Sonnett

 

 

Wann die goldne Frühe, neugeboren,

Am Olymp mein matter Blick erschaut,

Dann erblass’ ich, wein’ und seufze laut:

Dort im Glanze wohnt, die ich verloren!

 

Grauer Tithon! du empfängst Auroren

Froh aufs neu, sobald der Abend taut;

Aber ich umarm’ erst meine Braut

An des Schattenlandes schwarzen Thoren.

 

Tithon! Deines Alters Dämmerung

Mildert mit dem Strahl der Rosenstirne

Deine Gattin, ewig schön und jung:

 

Aber mir erloschen die Gestirne,

Sank der Tag in öde Finsternis,

Als sich Molly dieser Welt entriß.

 

 

Liebe ohne Heimat

Sonnett

 

 

Meine Liebe, lange wie die Taube

Von dem Falken hin und her gescheucht,

Wähnte froh, sie hab’ ihr Nest erreicht

In den Zweigen einer Götterlaube.

 

Armes Täubchen! Hart getäuschter Glaube!

Herbes Schicksal, dem kein andres gleicht!

Ihre Heimat, kaum dem Blick gezeigt,

Wurde schnell dem Wetterstrahl zum Raube.

 

Ach, nun irrt sie wieder hin und her!

Zwischen Erd’ und Himmel schwebt die Arme,

Sonder Ziel für ihres Flugs Beschwer.

 

Denn ein Herz, das ihrer sich erbarme,

Wo sie noch einmal, wie einst erwarme,

Schlägt für sie auf Erden nirgends mehr.

 

 

Gesang am heiligen Vorabend des funfzigjährigen Jubelfestes der Georgia Augusta

Morgen, o festlicher Tag,

Morgen entschwebe

Herrlich und hehr der Nacht!

Komm in Titans Strahlenkranze,

Komm im blauen Äthermantel,

In des Urlichts reinstem Glanze!

So entsteige der Grotte der Nacht

Unter dem Meer!

So entschwebe dem Wogentanze

Herrlich und hehr,

Hehr und herrlich in Bräutigamspracht!

 

Es harret dein,

Voll Lieb’ und Lust,

Die hohe Jubelkönigin.

Vor bräutlichem Entzücken

Hüpft ihr die Brust.

Sie harret dein,

Mit wonneglänzenden Wangen und Blicken,

Georgia Augusta harret dein!

 

Als sie vor funfzig ruhmbestrahlten Jahren

Ein schönes Kind,

Ein wunderschönes Götterkind,

Geboren war,

Da brachten sie in dieses Tempels Halle,

Vor Gottes Hochaltar,

Ihr großer Vater und die Hochberühmten alle,

Die ihrer Kindheit Pfleger waren,

Dem Segenspender dar,

Und auf der Andacht Flügel schwang

Sich himmelan ihr flehender Gesang.

 

Herr, erfülle sie mit Weisheit,

Adle sie, o Herr, durch Schönheit,

Rüste sie mit Heldenstärke,

Für den großen Gang zum Ziele

Strahlender Vollkommenheit!

 

Denn der Geist gedeiht durch Weisheit,

Und das Herz gedeiht durch Schönheit,

Dieser Einklang rauscht in Stärke;

Dieser Adel führt zum Ziele

Dauernder Glückseligkei

 

Und als das Lied der frommen Schar,

Das Lied der heißen Inbrunst,

Hinauf gesungen war,

Da wallte Gottes Flamme,

Sanft wallte von des Gebers Thron

Des herzlichen Gebetes Lohn,

Die Flamme, die noch nie verlosch,

Des Segens Flamm’ herab auf den Altar.

 

O Flamme, die vom Himmel sank,

Entlodre hoch und weh’ umher!

Umher, umher!

Entzünde jedes Herz umher

Zu heißem Dank!

Dem Geber zu unaussprechlichem Dank!

 

Der königliche Herrscher auf dem Thron

Von Albion

Trat väterlich herzu, und gab

Ihr reichlich mildes Öl zur Nahrung.

Wetteifernd trat herzu die Schar

Der Pfleger und der Priester am Altar,

Der sie zu heiliger, zu ewiger Bewahrung

Von Gott und König anvertrauet war,

Und hütet’ ihrer gegen jegliche Gefahr

Hinweg zu löschen, oder sich zu trüben:

So gegen den wild stürmenden Orkan

Des Krieges, als des Neides leise Pest.

Gleich jener in der Vesta Heiligtume,

Erhielt getreue, rege Wachsamkeit

Die heil’ge Lohe rein und schön

Und hoch vom Anbeginn bis heut.

 

Himmelslohn euch, große Seelen,

In der Ruhe Heiligtum!

Ewig Heil euch, ewig Friede!

Hier auf Erden tön’ im Liede

Nun und immerdar eu’r Ruhm!

 

Erwärmt von Gottes Segensflamme wuchs,

Münchhausen, du Unsterblicher,

Wuchs deine Tochter schnell und hoch heran.

Des Ruhmes starker Adlerfittich trug

Lautrauschend ihren Namen

Rund um den Erdball über Meer und Land;

Und seiner edlern Völker Söhne kamen

Bei Tausenden zur Huldigung.

Viel teilte sie von ihres Reichtums Fülle,

Und viel von ihres Adels Hoheit,

Viel Mut und Kraft zu Thaten –

So war es in der Weihe ihr verliehn –

Zum Heil der Völker mit.

 

Selig, selig, himmelselig

Ist das hocherhabne Amt,

Auszuspenden, gleich der Sonne

Durch den großen Raum der Welten,

Ins Unendliche des Geistes

 

Lebensnahrung, Licht und Kraft!

 

O wie hoch und herrlich strahlet

Des Triumphes Majestät,

Wann der Held des Geistes Chaos

Und des Chaos Ungeheuer,

Brut der Barbarei, besteht,

Und zum Rechte seines Adels

 

Den gepreßten Geist erhöht!

 

Georgia Augusta, schön und stark,

Voll Lebensgeist und Mark,

Mit Athenäens Rüstung angethan,

Ging tadellos bis heut der Ehre Bahn,

Und stritt des Ruhmes Streit

Mit ungeschwächter rascher Tapferkeit.

Nun steht sie, lehnt sich ruhend auf den Speer,

Und darf – das zeuge du, Gerechtigkeit! –

Getrost zurück auf ihre Thaten schaun.

Des Kampfes Richter nehmen mild und schmeichelnd

Nun zur Erholung ihr die Waffen ab,

Und kleiden sie in festliches Gewand,

Für ihren ersten Jubelfeiertag.

 

Triumph! Des Tages Ehrenkönigin

Erhebt ihr Haupt!

Sie trägt ihr hohes Götterhaupt,

Sie trägt’s mit Laub und Blumen,

Laut rauschend,

Süß duftend,

Süß duftend mit lieblichen Blumen,

Laut rauschend mit Laube des Ruhms umlaub

 

Wer aber führt den schönen Sohn der Zeit,

Wer führt herauf von Osten

Den hellen Ehrentag,

Den lauten Wonnebringer?

Wer führt der schönen Jubelbraut

Den Jubelbräutigam nun zu?

Wer weihet zur Unsterblichkeit sie ein? –

Wer sonst, als ihres großen Vaters Geist

Und ihrer heimgewallten Pfleger Geister,

Die jetzt, von Gott dazu ersehn,

Ihr unsichtbare Lebenswächter sind?

 

Hebe dich himmelan, Weihegesang,

Hoch in die Heimat der seligen Schar!

Zeuch der großen Heimgewallten

Geister zum Feste der Tochter herab!

 

Schwebe herunter, wir rufen dich laut,

Schwebe vom Himmel, unsterbliche Schar!

Freue dich der Ruhmbekränzten,

Hoch in der Blüte der Schönheit und Kraft!

 

Führt, ihr Verklärten, in Bräutigamspracht,

Führet den Freudenerwecker ihr zu!

Strömt auf ihre Kraft und Schönheit

Segen der ewigen Jugend herab! –

 

Merkt auf! Sie habens vernommen,

Die schützenden Geister! Sie kommen!

Sie führen den glänzenden Bräutigam an!

Schon wehet der heilige Schauer voran.

 

Schaut auf! Die Himmlischen steigen,

Ein feierlich schwebender Reigen,

Ein tönender, Seelen entzückender Chor,

Auf purpurnen Wolken in Osten empor.

 

Schlagt hoch, ihr lodernden Flammen

Der Herzen und Lieder, zusammen!

Führt, Orgel und Pauke, mit festlichem Klang

Entgegen des frohen Willkommens Gesang!

 

 

Ode der funfzigjährigen Jubelfeier der Georgia Augusta am 17. September 1787 gewidmet von mehrern zu Göttingen Studierenden

Erhabenster, der du daß All gestaltet,

Zu deiner Herrlichkeit Pallast,

Und in ein Lichtgewand, aus Finsternis entfaltet,

Dein Werk gekleidet hast!

 

Du hast im Raum, wo deine Sonne lodert,

Um Ein Zentralziel aller Kraft,

Zu dem erhabnen Tanz die Sphären aufgefodert,

Der nimmermehr erschlafft!

 

Es schwebt mit ihm, an Harmonieen-Banden,

Der hohe Welt-Choral dahin,

Vom dem Pythagoras und Newton viel verstanden,

Und Keplers tiefer Sinn.

 

Im Geistesall, wo Form des Raums verschwindet,

Wo dumpf der Sinn des Zeitstroms Fall

Nur noch vernimmt, hast du weit Größer dich verkündet,

Als in dem Sinnenall.

 

Da lodern hoch, mit wunderbarem Glanze,

Die Sonnen Wahr und Gut und Schön,

Um die, – so willst du es – sich in vereintem Tanze

Des Geistes Künste drehn.

 

Vereinigung ersehnen die drei Flammen

Durch wechselsweisen Zug und Drang.

Auch hier rauscht die Musik der Sphären laut zusammen

In Einen Chorgesang;

 

Und rauschet fort, von Einem Strom gezogen,

Vom Strome der Vollkommenheit.

Ein Niagara stürzt der seine lichten Wogen

Ins Meer der Seligkeit. –

 

Georgia, die auch Gesang und Reigen

Erhabner Geisteskünste führt,

Tritt heut vor deinen Thron, ihr Haupt vor dir zu neigen,

Dem Anbetung gebührt.

 

Gefiel bisher dir höchsten Chorageten

Ihr Einklang mit dem großen Chor

Der Schöpfung, so vernimm, was ihre Söhne beten,

O Herr, mit mildem Ohr!

 

Gesegn’ ihr heut im Jubelfeierkleide

Den Wunsch, den jede Brust ihr weiht,

Und bis zu Götterkraft den Lebenswein der Freude,

Den ihr Georg ihr beut!

 

Hoch aufgefrischt von dieses Tages Wonnen,

Und deiner Segenskräfte voll,

Erhalte sich ihr Schwung um die drei Geistes-Sonnen,

Um die sie schweben soll!

 

Nie müsse sie des Rhythmus Kunst verlernen,

Die Glied an Glied ins Ganze fügt!

So fliege sie den Flug mit ihren Folge-Sternen,

Den alles Leben fliegt!

 

Und werde stets zum Ziele fortgezogen,

Das nur der Gottgeweihte sieht,

Wohin mit Ozeans-Gewalt der Kräfte Wogen

Die Kraft der Kräfte zieht!

 

 

Lied

Du mit dem Frühlingsangesichte,

Du schönes blondes Himmelskind,

An deiner Anmut Rosenlichte

Sieht sich mein Auge noch halb blind!

 

Nach etwas durst’ ich lang’ im stillen;

Nach Einem Labekuß von dir.

Den gib mir nur mit gutem Willen,

Sonst nehm’ ich rasch ihn selber mir!

 

Und sollte dich der Raub verdrießen,

So geb’ ich gern den Augenblick,

Die Schuld des Frevels abzubüßen,

Ihn hundertfältig dir zurück.

 

 

An Amalien

Auf ein Stammbuchs-Blatt

 

 

Schön, wie du, o Holdin, blüht der Garten,

Den des Dichters Phantasie dir schafft.

Sein als Gärtner treu und hold zu warten,

Sehnet sich des Herzens ganze Kraft.

 

Hundert Wünsche, ächte Leibessprossen

Dieses Gärtners, schwärmen froh hinaus,

Und durchziehn die Felder unverdrossen,

Blumen auszuspähn zum Busenstrauß.

 

Jeder Schönsten, so die Zeiten schenken,

Jeder Blume reiner Lebenslust

Spähn sie nach, zum holden Angedenken,

Welches blüh’ und duft’ an deiner Brust.

 

Ist dies nur der kleinsten Kraft empfänglich,

Die das Herz hinein zu segnen strebt,

O so weiß ich, daß es unvergänglich,

Unvergänglich dir am Busen lebt;

 

Daß es blühn und duften wird so lange,

Als dein süßer Atem drüber weht,

Als noch Leben deiner Rosenwange,

Deiner Purpurlippe Glanz erhöht,

 

Als dein blaues Auge dieses Blickes

Allgewalt bei Himmelsmilde trägt,

Und dein Herz – o welchem Sohn des Glückes? –

Hier auf Erden Lieb’ und Leben schlägt.

 

 

An die Bienen

 

Wollt ihr wissen, holde Bienen,

Die ihr süße Beute liebt,

Wo es mehr, als hier im Grünen,

Honigreiche Blumen gibt?

Statt die tausend auszunippen,

Die euch Florens Milde beut,

Saugt aus Amaryllis Lippen

Aller tausend Süßigkeit.

 

Florens schöne Kinder rötet

Nur der Frühlingssonne Licht:

Amaryllis Blumen tötet

Auch der strenge Winter nicht.

Jener ausgeleerte Hülle

Wird nicht wieder angefüllt:

Aber nie versiegt die Fülle,

Die aus diesem Kelche quillt.

 

Eins, nur Eins sei euch geklaget!

Eh’ ihr auf dies Purpurrot

Eure seidnen Flügel waget,

Hört, ihr Lieben, was euch droht!

Ach, ein heißer Kuß hat neulich

Die Gefahr mir kund gemacht.

Nehmt die Flügel, warn’ ich treulich,

Ja vor dieser Glut in acht!

 

 

An F.M. als sie nach London ging

Könnt’ auf väterlichen Auen

Ein verkümmerter Poet,

Könnt’ er dir ein Hüttchen bauen,

Wie es vor dem Geist’ ihm steht;

 

In der Hütt’ ein frohes Stübchen,

Groß genug für Weib und Mann,

Und zwei Mädchen, oder Bübchen,

Die Gott leicht bescheren kann;

 

In der Stub’ ein nährend Tischchen,

Täglich bietend Wein und Brot,

Auch wohl Brätchen, oder Fischchen,

Unversalzt durch Schuldennot;

 

Neben an zur Gartenseite

Ein vertrautes Kämmerlein,

D’rin ein Bett’, an Läng’ und Breite,

Für ein Pärchen nicht zu klein,

 

Wo du gern hinein dich bettest,

Wo du ruhest, weich und warm,

Mit dem Mann, den du gern hättest,

Fest verschlungen Arm in Arm;

 

Könnte das, mein gutes Mädchen,

Ein verarmter Leiermann,

Der nur auf dies Spinnenfädchen

Wunschkorallen reihen kann:

 

Heut noch brächt’ er froh den Schlüssel

Dir zu Stub’ und Kämmerlein,

Führte dich zu Krug und Schüssel,

Spräche: »Bleib, denn dies ist dein!«

 

»Bleib, würd’ er ins Ohr dir raunen,

Hier ist gut und besser sein,

Als sich mit des Hofes Launen

Zu St. James herum kastein.« –

 

Aber ach! durch Sturm und Regen

Muß er fort dich wandern sehn;

Nichts kann er als Gottes Segen

Zum Begleiter dir erflehn.

 

 

An August Wilhelm Schlegel

Sonnett

 

 

Kraft der Laute, die ich rühmlich schlug,

Kraft der Zweige, die mein Haupt umwinden,

Darf ich dir ein hohes Wort verkünden,

Das ich längst in meinem Busen trug.

 

Junger Aar! Dein königlicher Flug

Wird den Druck der Wolken überwinden,

Wird die Bahn zum Sonnentempel finden,

Oder Phöbus Wort in mir ist Lug.

 

Schön und laut ist deines Fittichs Tönen,

Wie das Erz, das zu Dodona klang,

Leicht und stark dein Aufflug sonder Zwang.

 

Dich zum Dienst des Sonnengotts zu krönen,

Hielt’ ich nicht den eignen Kranz zu wert;

Doch – dir ist ein besserer beschert.

 

 

Daß Blümchen Wunderhold

Es blüht ein Blümchen irgend wo

In einem stillen Thal.

Das schmeichelt Aug’ und Herz so froh,

Wie Abendsonnenstrahl.

Das ist viel köstlicher, als Gold,

Als Perl’ und Diamant.

Drum wird es »Blümchen Wunderhold«

Mit gutem Fug genannt.

 

Wohl sänge sich ein langes Lied

Von meines Blümchens Kraft:

Wie es am Leib’ und am Gemüt

So hohe Wunder schafft.

Was kein geheimes Elixir

Dir sonst gewähren kann,

Das leistet traun! mein Blümchen dir.

Man säh’ es ihm nicht an.

 

Wer Wunderhold im Busen hegt,

Wird wie ein Engel schön.

Das hab’ ich, inniglich bewegt,

An Mann und Weib gesehn.

An Mann und Weib, alt oder jung,

Zieht’s, wie ein Talisman,

Der schönsten Seelen Huldigung

Unwiderstehlich an.

 

Auf steifem Hals ein Strotzerhaupt,

Des Wangen hoch sich bläh’n,

Des Nase nur nach Äther schnaubt,

Läßt doch gewiß nicht schön.

Wenn irgend nun ein Rang, wenn Gold

Zu steif den Hals dir gab,

So schmeidigt ihn mein Wunderhold

Und biegt dein Haupt herab.

 

Es webet über dein Gesicht

Der Anmut Rosenflor;

Und zieht des Auges grellem Licht

Die Wimper mildernd vor.

Es teilt der Flöte weichen Klang

Des Schreiers Kehle mit,

Und wandelt in Zephyrengang

Des Stürmers Poltertritt.

 

Der Laute gleicht des Menschen Herz,

Zu Sang und Klang gebaut,

Doch spielen sie oft Lust und Schmerz

Zu stürmisch und zu laut:

Der Schmerz, wann Ehre, Macht und Gold

Vor deinen Wünschen fliehn,

Und Luft, wann sie in deinen Sold

Mit Siegeskränzen ziehn.

 

O wie dann Wunderhold das Herz

So mild und lieblich stimmt!

Wie allgefällig Ernst und Scherz

In seinem Zauber schwimmt!

Wie man alsdann nichts thut und spricht,

Drob Jemand zürnen kann!

Das macht, man trotzt und strotzet nicht

Und drängt sich nicht voran.

 

O wie man dann so wohlgemut,

So friedlich lebt und webt!

Wie um das Lager, wo man ruht,

Der Schlaf so segnend schwebt!

Denn Wunderhold hält alles fern,

Was giftig beißt und sticht;

Und stäch’ ein Molch auch noch so gern,

So kann und kann er nicht.

 

Ich sing’, o Lieder, glaub’ es mir

Nichts aus der Fabelwelt,

Wenn gleich ein solches Wunder dir

Fast hart zu glauben fällt.

Mein Lied ist nur ein Wiederschein

Der Himmelslieblichkeit,

Die Wunderhold auf Groß und Klein

In Thun und Wesen streut.

 

Ach! hättest du nur die gekannt,

Die einst mein Kleinod war –

Der Tod entriß sie meiner Hand

Hart hinterm Traualtar –

Dann würdest du es ganz verstehn,

Was Wunderhold vermag,

Und in das Licht der Wahrheit sehn,

Wie in den hellen Tag.

 

Wohl hundertmal verdankt’ ich ihr

Des Blümchens Segensflor.

Sanft schob sie’s in den Busen mir

Zurück, wann ichs verlor.

Jetzt rafft ein Geist der Ungeduld

Es oft mir aus der Brust.

Erst, wann ich büße meine Schuld,

Bereu’ ich den Verlust.

 

O was des Blümchens Wunderkraft

Am Leib’ und am Gemüt

Ihr, meiner Holdin, einst verschafft,

Faßt nicht das längste Lied! –

Weil’s mehr, als Seide, Perl’ und Gold

Der Schönheit Zier verleiht,

So nenn’ ichs »Blümchen Wunderhold«

Sonst heißt’s – Bescheidenheit.

 

 

Vorgefühl der Gesundheit

An Heinrich Christian Boie

 

 

Täuschet ihr mit euerm Wechseltanze,

Du, o Wunsch, und du, o Hoffnung, mich?

Oder naht im Purpurnelkenkranze

Frohen Trittes die Gesundheit sich?

Will sie von dem Dämon mich erlösen,

Welcher meine Kraft gefangen nahm?

Soll ich wiederum zu Dem genesen,

Der ich der Natur vom Busen kam?

 

Laß mich dir mein Vorgefühl verkünden,

Boie, alter, trauter Herzensfreund!

Wonniglich wirst du es mit empfinden,

Wann der Dulder fessellos erscheint;

Wann er mit der angebornen Stärke

Jugendlich Apollons Bogen spannt,

Oder rüstig zu Athenens Werke

Unter der Ägide sich ermannt.

 

Ha, dein Freund, einst mehr als halb verloren,

Keck verhöhnt von schnödem Übermut,

War zum lahmen Schwächling nicht geboren;

Ihn durchfloß kein träges feiges Blut.

Das bezeugen ihm des Pindus Würden,

Die er in der Ohnmacht noch erwarb,

Und die Kraft, die unter allen Bürden

Nicht in zwanzig Jahren ganz erstarb.

 

Heil ihm! Leichter fühlt er schon die Glieder;

Und der Genius, der in ihm strebt,

Schüttelt freier, stärker das Gefieder,

Das dem schweren Nebel ihn enthebt.

Erde, dich mit allen deinen Bergen,

Allem lastenden Metall darin,

Allen Riesen drauf und allen Zwergen,

Haucht er bald, wie Flaum, vor sich dahin.

 

Edle Rache beut er dann der Schande,

Die er über sein Verschulden trug,

Seit der Hypochonder dumpfe Bande

Um die rein gestimmten Nerven schlug,

Wann es heller um der Wahrheit Seher,

Wärmer um der Schönheit Pfleger tagt,

Und er glorreich eines Hauptes höher

Als zehntausend Alltagsmenschen ragt.

 

Mag es Riese dann und Drache wagen,

Gegen ihn zum Kampf heran zu gehn!

Mag das Glück ihn auf den Armen tragen,

Oder Er auf eignen Füßen stehn!

Neu gerüstet mit den Götterwaffen,

Die er mit gestähltem Arme führt,

Wird er sich nach Heldenrecht verschaffen,

Was sein Wunsch bedarf und ihm gebührt. –

 

Herr des Lebens, willst du mich erhalten,

O so gib nur Eins, – Gesundheit mir!

Dankend will ich dir die Hände falten,

Aber bitten weiter nichts von dir.

Kühn durch Klippen, Strudel, Ungeheuer

Lenk’ ich, allgenugsam mir, alsdann

Auf des Lebens Ozean mein Steuer.

Selbst sein Gott ist ein gesunder Mann.

 

 

Zweites Buch

 

Episch-lyrische Gedichte

 

Neue weltliche hochdeutsche Reime,

 

enthaltend

 

die abenteuerliche doch wahrhaftige

 

Historiam

 

 

 

von der

 

wunderschönen Durchlauchtigen

 

Kaiserlichen

 

Prinzessin Europa,

 

 

 

und

 

einem uralten heidnischen

 

Götzen,

 

Jupiter item Zeus

 

 

 

genannt,

 

als welcher sich nicht entblödet, unter der Larve eines unvernünftigen Stieres, an höchstgedachter Prinzessin ein crimen raptus, zu deutsch: Jungfernraub auszuüben.

 

 

 

Also gesetzet und an das Licht gestellet

 

durch

 

M. Jocosum Hilarium,

 

Poët. caes. laur.

 

 

Vor alters war ein Gott,

Von nicht geringem Ruhme,

Im blinden Heidentume.

Nun aber ist er tot.

Er starb – – post Christum natum – – –

Ich weiß nicht mehr das Datum.

 

Der war an Schelmerei

Das Weibsen zu betrügen,

Von dem Papa der Lügen

Das ächte Konterfei;

Und kurz, auf alle Fälle,

Ein lockerer Geselle.

 

Ich hab’ ein altes Buch,

Das thut von ihm berichten

Viel schnurrige Geschichten,

Worin manch Stutzer g’nug

Für seinen Schnabel fände,

Wenn er Latein verstände.

 

Mein unverdroßner Mund

Soll, ohne viel zu wählen,

Nur Einen Kniff erzählen.

Denn thät’ ich alle kund,

So wäre zu besorgen,

Ich säng’ bis übermorgen.

 

Eu’r Batzen soll euch nicht,

Geehrte Herrn, gereuen.

Mein Liedel soll euch freuen! –

Doch ihr dort! Schelmgezücht!

Kroaten, hinter’n Bänken!

Laßt nach mit Lärm und Schwänken!

 

Heda! Hier nichts gegeckt,

Ihr ungewaschnen Buben!

Narriert in andern Stuben,

Nur mich laßt ungeneckt!

Sonst hängt euch, schnaps! am Munde

Ein Schloß; wiegt tausend Pfunde.

 

Ha! das Donatgeschmeiß!

Kaum hört und sieht’s was Neues,

So hat es gleich Geschreies,

So puppert Herz und Steiß.

Geduld! Man wird’s euch zahlen,

Euch dünnen Schulpennalen!

 

Traut nicht! Es regt sich hie,

In meinem Wolfstornister,

Der Kuckuck und sein Küster –

Ein Kobolt – heißt Genie.

Dem schafft’s gar guten Frieden,

Wem Gott solch Ding beschieden.

 

Laßt ja den Griesgram gehn!

Er weiß euch zu kuranzen;

Läßt euch wie Affen tanzen,

Und auf den Köpfen stehn;

Wird euch ‘mal begenieen,

Daß euch die Steiße glühen. –

 

Doch ihr, Kunstjüngerlein!

Mögt meine Melodeien

Nur nicht flugs nachlalleien.

So leicht lallt sich’s nicht ‘nein.

Beherzigt doch das dictum:

Cacatum non est pictum. – – –

 

Eu’r Batzen soll euch nicht,

Geehrte Herrn, gereuen.

Mein Liedel soll euch freuen!

Nun schaut mir ins Gesicht!

Merkt auf mit Herz und Sinnen!

Will endlich ‘mal beginnen. –

 

Zeus wälzt im Bette sich,

Nachdem er lang gelegen,

Wie Potentaten pflegen,

Und fluchte mörderlich:

»Schon trommelt’s zur Parade!

Wo bleibt die Schokolade?«

 

Gleich bringt sie sein Lakai;

Bringt Schlafrock, Toffeln, Hose,

Schleppt Pfeife, Knasterdose

Nebst Fidibus herbei.

Denn morgens ging kein Mädchen

Gern in sein Kabinetchen.

 

Er schlürft’ acht Tassen aus;

Hing dann, zum Zeitvertreibe,

Sich mit dem halben Leibe

Zum Himmelsfenster ‘naus,

Und schmauchte frisch und munter,

Sein Pfeifchen Knaster ‘runter.

 

Und durch sein Perspektiv

Visiert’ er von dem Himmel,

Nach unserm Weltgetümmel.

Sonst mochten wohl so tief

Die abgeschwächten Augen

Nicht mehr zu sehen taugen.

 

Da nahm er schmunzelnd wahr,

Auf schönbeblümten Auen,

Gar lieblich anzuschauen,

Vergnügter Mägdlein Schar,

Die auf dem grünen Rasen

Sich Gänseblümchen lasen.

 

Die Schönste war geschmückt

Mit einem leichten Kleide,

Von rosinfarbner Seide,

Mit Fadengold durchstickt.

Die Andern aber schienen

In Demut ihr zu dienen.

 

Die niedliche Gestalt,

Die schlanken zarten Glieder

Besah er auf und nieder.

Ihr Alter er gar bald

Recht kunstverständig schätzte,

Und es auf Sechzehn setzte.

 

Zum Blumenlesen war

Ihr Röckchen aufgehoben.

Das Perspektiv von oben

Sah alles auf ein Haar.

Die Füßchen, Knie’, und Waden

Behagten Seiner Gnaden.

 

Sein Herzenshammer schlug.

Bald wollt’ er mehr gewinnen.

Da hub er an zu sinnen,

Auf arge List und Trug.

Ihn dünkt, sie zu erschnappen,

Sei’s not, sich zu verkappen.

 

Er klügelt’ und erfand,

Nach schlauem Spintisieren,

Als Stier sich zu maskieren:

Doch ist mir unbekannt,

Wie dieses zugegangen?

Und wie er’s angefangen?

 

Ich mag um Schlaf und Ruh

Durch Grübeln mich nicht bringen,

Allein mit rechten Dingen

Ging solches Spiel nicht zu.

Es half ihm, sonder Zweifel,

Gott sei bei uns! ††† der Teufel.

 

Kurz um, er kömmt als Stier,

Und graset im Gefilde,

Als führt’ er nichts im Schilde,

Erst ziemlich weit von ihr,

Und scheint den Frauenzimmern

Sich schlecht um sie zu kümmern.

 

Allmählich hub er an,

Sich näher an zu drehen.

Doch noch blieb sie nicht stehen.

Der Krepp wuchs ihr bergan.

Auch ward ihr in die Länge

Die Schnürbrust mächtig enge.

 

Doch hört nur! Mein Monsieur

Verstand die fintenvolle

Vorherstudierte Rolle,

Wie ich mein A b c.

War er Acteur ich wette,

Daß man geklatschet hätte.

 

Er hatte Theorie

Mit Praxis wohl verbunden.

In seinen Nebenstunden

Verabsäumt’ er fast nie,

Nasonis Buch zu treiben,

Und Noten beizuschreiben.

 

D’rum that der arge Stier

Sehr zahm und sehr geduldig,

Schien keiner Tücke schuldig,

Und suchte mit Manier,

Durch Kopfhang sich und Schweigen

Empfindsam gar zu zeigen.

 

Das Mägdlein, durch den Schein

Von Sittsamkeit betrogen,

Ward endlich ihm gewogen.

»Sollt’ er wohl kurrig sein?«

Sprach sie zu ihrer Amme,

»Er gleicht ja einem Lamme!«

 

Die alte Strunsel rief:

»Ei! welche schöne Frage!

Nach alter deutscher Sage,

Sind stille Wasser tief.

D’rum, Chère Enfant, d’rum bleibe

Dem bösen Stier vom Leibe!«

 

»Ich möchte«, fiel sie ein,

»Ihm wohl ein Kränzel binden,

Und um die Hörner winden.

Er wird schon artig sein,

Wenn ich hübsch traulich rabb’le

Und hinter’m Ohr ihm krabb’le.« –

 

Fort, Kind! da kömmt er! Ah! – – –

Doch er ließ sacht die Glieder

Ins weiche Gräschen nieder,

Lag wiederkäuend da.

Sein Auge, dumm und ehrlich,

Schien gänzlich nicht gefährlich.

 

Da ward das Mägdlein kühn,

Und trieb mit ihm viel Possen,

(Das litt er unverdrossen)

Und ach! und stieg auf ihn.

»Hi! Hi! Ich will’s doch wagen,

Ob mich das Tier will tragen?«

 

Doch der verkappte Gast

Empfand auf seinem Rücken

Mit krabbelndem Entzücken,

Kaum seine schöne Last,

So sprang er auf und rennte,

Als ob der Kopf ihm brennte.

 

Und lief in vollem Trab,

Querfeldein, schnurgerade,

Zum nächsten Meergestade,

Und hui! that er hinab,

Kein Weilchen zu verlieren,

Den Sprung mit allen Vieren.

 

»Ach! schrien die Zofen, ach!

(Die an das Ufer sprangen

Und ihre Hände rangen)

Ach! Ach! Prinzessin, ach!

Was für ein Streich, Ihr Gnaden!

Nun han wir’s auszubaden.«

 

Allein das arme Kind

Hub, zappelnd mit den Beinen,

Erbärmlich an zu weinen:

»Ach! helft mir! helft geschwind!«

Doch unser Schalk vor Freude

War taub zu ihrem Leide.

 

Nichts half ihr Ach und Weh.

Sie mußte fürbaß reiten.

Da gafft’ auf beiden Seiten,

Janhagel aus der See,

Und hub, ganz ausgelassen,

Hierüber an zu spaßen.

 

Der Stier sprach nicht ein Wort,

Und trug sie sonder Gnade

Hinüber ans Gestade,

Und kam in sichern Port.

Darob empfand der Heide.

Herzinnigliche Freude.

 

Hier sank sie auf den Sand,

Ganz matt durch langes Reiten

Und Herzensbangigkeiten,

Von Sinnen und Verstand.

Vielleicht hat’s auch darneben

Ein Wölfchen abgegeben.

 

Mein Stier nahm frisch und froh

Dies Tempo wahr, und spielte,

Als sie nicht sah und fühlte,

Ein neues Qui pro quo.

Denn er verstand den Jocus

Mit fiat Hocus pocus.

 

Und trat als Kavalier,

In hochfrisierten Haaren,

Wie damals Mode waren,

Mit dem Flacon zu ihr,

Und hub, um Brust und Hüften,

Die Schnürbrust an zu lüften.

 

Kaum war sie aufgeschnürt,

Kaum kitzelt’ ihre Nase

Der Duft aus seinem Glase,

So war sie auch kuriert;

D’rauf er, wie sich’s gebührte,

Comme ça mit ihr charmierte:

 

»Willkommen hier ins Grün!

Per dio! das bejah’ ich,

Mein blaues Wunder sah ich!

Woher, mein Kind, wohin?

So weit durch’s Meer zu reiten!

Und doch nicht abzugleiten? –

 

Indessen freut mich’s, hier

In meinem schlechten Garten,

Gehorsamst aufzuwarten.

Ma foi! das ahnte mir.

Heut hatt’ ich so ein Träumchen – – –

Auch juckte mir das Däumchen.

 

Man zog ihr wackres Tier,

Worauf sie hergeritten,

Nachdem sie abgeschritten,

Gleich in den Stall von hier.

Da soll es, nach Verlangen,

Sein Futter schon empfangen.

 

Sie werden, Herzchen, gelt?

Wohl noch ein wenig frieren?

Geruhn sie zu spazieren

In dieses Lustgezelt,

Und thun in meiner Klause,

Als wären sie zu Hause.

 

Hier pflegen sie der Ruh,

Und trocknen sich, mein Schneckchen,

Ihr Hemde, sammt dem Röckchen,

Die Strümpfchen und die Schuh.

Ich, mit Permiß, will ihnen

Statt Kammermädchens dienen.« –

 

Sie sträubte jüngferlich

Sich anfangs zwar ein wenig:

Doch er bat unterthänig,

Und da ergab sie sich.

Nun, hochgeehrte Gäste,

Merkt auf! Nun kömmt das Beste.

 

Hem! – – – Ha! Ich merke wohl

An euren werten Nasen,

Daß ich mit hübschen Phrasen

Eu’r Ohr nun kitzeln soll.

Ihr möchtet, um den Batzen,

Für Lachen gern zerplatzen.

 

Doch teure Gönner, seht,

Was ich dabei riskiere!

Wenn’s der Pastor erführe,

Der keinen Spaß versteht,

Dann wehe meiner Ehre! –

Ich kenne die Pastöre! –

 

D’rum weg mit Schäkerei’n!

Von süßkandierten Zoten

Wird vollends nichts geboten.

Hilarius hält fein

Auf Ehrbarkeit und Mores,

Ihr Herren Auditores.

 

In Züchten, wie sich’s ziemt,

Weil mich vor langem Breie

In solchen Schosen scheue,

Meld’ ich nur kurz verblümt:

Hier that mit seiner Schöne

Der Herr sich trefflich bene. –

 

Nun schwammen mit Geschrei,

In langen grünen Haaren,

Der Wassernixen Scharen

Hart an den Strand herbei:

Zu sehen das Spektakel,

In diesem Tabernakel.

 

Manch Nixchen wurde rot;

Manch Nixchen wurde lüstern;

Jen’s neigte sich zum Flüstern;

Dies lachte sich halb tot;

Neptun, gelehnt an’s Ruder,

Rief: Prosit, lieber Bruder!

 

Nun dank’, o frommer Christ,

Im Namen aller Weiber,

Daß dieser Heid’ und Räuber

Bereits gestorben ist.

Zwar – – – fehlt’s auch zum Verführen

Nicht an getauften Stieren.

 

 

Des armen Suschens Traum

Ich träumte, wie um Mitternacht

Mein Falscher mir erschien.

Fast schwür’ ich, daß ich hell gewacht,

So hell erblickt’ ich ihn.

 

Er zog den Treuring von der Hand

Und ach! zerbrach ihn mir.

Ein Wasserhelles Perlenband

Warf er mir hin dafür.

 

D’rauf ging ich wohl ans Gartenbeet,

Zu schau’n mein Myrtenreis,

Das ich zum Kränzchen pflanzen thät,

Und pflegen thät mit Fleiß.

 

Da riß entzwei mein Perlenband,

Und eh ich’s mich versah,

Entrollten all’ in Erd’ und Sand,

Und keine war mehr da.

 

Ich sucht’ und sucht’ in Angst und Schweiß,

Umsonst, umsonst! Da schien

Verwandelt mein geliebtes Reis

In dunkeln Rosmarin.

 

Erfüllt ist längst das Nachtgesicht,

Ach! längst erfüllt genau.

Das Traumbuch frag’ ich weiter nicht,

Und keine weise Frau.

 

Nun brich, o Herz, der Ring ist hin!

Die Perlen sind geweint!

Statt Myrt’ erwuchs dir Rosmarin!

Der Traum hat Tod gemeint.

 

Brich, armes Herz! Zur Totenkron’

Erwuchs dir Rosmarin.

Verweint sind deine Perlen schon,

Der Ring, der Ring ist hin!

 

 

Lenore

Lenore fuhr um’s Morgenrot

Empor aus schweren Träumen:

»Bist untreu, Wilhelm, oder tot?

Wie lange willst du säumen?« –

Er war mit König Friedrichs Macht

Gezogen in die Prager Schlacht,

Und hatte nicht geschrieben:

Ob er gesund geblieben.

 

Der König und die Kaiserin,

Des langen Haders müde,

Erweichten ihren harten Sinn,

Und machten endlich Friede;

Und jedes Heer, mit Sing und Sang,

Mit Paukenschlag und Kling und Klang,

Geschmückt mit grünen Reisern,

Zog heim zu seinen Häusern.

 

Und überall all überall,

Auf Wegen und auf Stegen,

Zog Alt und Jung dem Jubelschall

Der Kommenden entgegen.

Gottlob! rief Kind und Gattin laut,

Willkommen! manche frohe Braut.

Ach! aber für Lenoren

War Gruß und Kuß verloren.

 

Sie frug den Zug wohl auf und ab,

Und frug nach allen Namen;

Doch keiner war, der Kundschaft gab,

Von allen, so da kamen.

Als nun das Heer vorüber war,

Zerraufte sie ihr Rabenhaar,

Und warf sich hin zur Erde,

Mit wütiger Geberde.

 

Die Mutter lief wohl hin zu ihr: –

»Ach, daß sich Gott erbarme!

Du trautes Kind, was ist mit dir?« –

Und schloß sie in die Arme. –

»O Mutter, Mutter! hin ist hin!

Nun fahre Welt und alles hin!

Bei Gott ist kein Erbarmen.

O weh, o weh mir Armen!« –

 

»Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an!

Kind, bet’ ein Vaterunser!

Was Gott thut, das ist wohlgethan.

Gott, Gott erbarmt sich Unser!« –

»O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!

Gott hat an mir nicht wohlgethan!

Was half, was half mein Beten?

Nun ist’s nicht mehr vonnöten.« –

 

»Hilf Gott, hilf! wer den Vater kennt,

Der weiß, er hilft den Kindern.

Das hochgelobte Sakrament

Wird deinen Jammer lindern.« –

»O Mutter, Mutter! was mich brennt,

Das lindert mir kein Sakrament!

Kein Sakrament mag Leben

Den Toten wiedergeben.« –

 

»Hör, Kind! wie, wenn der falsche Mann,

Im fernen Ungerlande,

Sich seines Glaubens abgethan,

Zum neuen Ehebande?

Laß fahren Kind, sein Herz dahin!

Er hat es nimmermehr Gewinn!

Wann Seel’ und Leib sich trennen,

Wird ihn sein Meineid brennen.« –

 

»O Mutter, Mutter! Hin ist hin!

Verloren ist verloren!

Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!

O wär’ ich nie geboren!

Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!

Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!

Bei Gott ist kein Erbarmen.

O weh, o weh mir Armen!« –

 

»Hilf Gott, hilf! Geh nicht ins Gericht

Mit deinem armen Kinde!

Sie weiß nicht, was die Zunge spricht.

Behalt ihr nicht die Sünde!

Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid,

Und denk an Gott und Seligkeit!

So wird doch deiner Seelen

Der Bräutigam nicht fehlen.« –

 

»O Mutter! Was ist Seligkeit?

O Mutter! Was ist Hölle?

Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,

Und ohne Wilhelm Hölle! –

Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!

Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!

Ohn’ ihn mag ich auf Erden,

Mag dort nicht selig werden.« – – –

 

So wütete Verzweifelung

Ihr in Gehirn und Adern.

Sie fuhr mit Gottes Vorsehung

Vermessen fort zu hadern;

Zerschlug den Busen, und zerrang

Die Hand, bis Sonnenuntergang,

Bis auf am Himmelsbogen

Die goldnen Sterne zogen.

 

Und außen, horch! ging’s trap trap trap,

Als wie von Rosseshufen;

Und klirrend stieg ein Reiter ab,

An des Geländers Stufen;

Und horch! und horch! den Pfortenring

Ganz lose, leise, klinglingling!

Dann kamen durch die Pforte

Vernehmlich diese Worte:

 

»Holla, Holla! Thu auf mein Kind!

Schläfst, Liebchen, oder wachst du?

Wie bist noch gegen mich gesinnt?

Und weinest oder lachst du?« –

»Ach, Wilhelm, du? – – So spät bei Nacht? – –

Geweinet hab’ ich und gewacht;

Ach, großes Leid erlitten!

Wo kommst du hergeritten?« –

 

»Wir satteln nur um Mitternacht.

Weit ritt ich her von Böhmen.

Ich habe spät mich aufgemacht,

Und will dich mit mir nehmen.« –

»Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!

Den Hagedorn durchsaust der Wind,

Herein, in meinen Armen,

Herzliebster, zu erwarmen!« –

 

»Laß sausen durch den Hagedorn,

Laß sausen, Kind, laß sausen!

Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn.

Ich darf allhier nicht hausen.

Komm, schürze, spring’ und schwinge dich

Auf meinen Rappen hinter mich!

Muß heut noch hundert Meilen

Mit dir in’s Brautbett’ eilen.« –

 

»Ach! wolltest hundert Meilen noch

Mich heut in’s Brautbett’ tragen?

Und horch! es brummt die Glocke noch,

Die elf schon angeschlagen.« –

»Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell.

Wir und die Toten reiten schnell.

Ich bringe dich, zur Wette,

Noch heut ins Hochzeitbette.« –

 

»Sag an, wo ist dein Kämmerlein?

Wo? Wie dein Hochzeitbettchen?« –

»Weit, weit von hier! – – Still, kühl und klein! – –

Sechs Bretter und zwei Brettchen!« –

»Hat’s Raum für mich?« – »für dich und mich!

Komm, schürze, spring’ und schwinge dich!

Die Hochzeitgäste hoffen;

Die Kammer steht uns offen.« –

 

Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang

Sich auf das Roß behende;

Wohl um den trauten Reiter schlang

Sie ihre Liljenhände;

Und hurre hurre, hop hop hop!

Ging’s fort in sausendem Galopp,

Daß Roß und Reiter schnoben,

Und Kies und Funken stoben.

 

Zur rechten und zur linken Hand,

Vorbei vor ihren Blicken,

Wie flogen Anger, Heid’ und Land!

Wie donnerten die Brücken! –

»Graut Liebchen auch? – – Der Mond scheint hell!

Hurra! die Toten reiten schnell!

Graut Liebchen auch vor Toten?« –

»Ach nein! – – Doch laß die Toten!« –

 

Was klang dort für Gesang und Klang?

Was flatterten die Raben? – –

Horch Glockenklang! horch Totensang:

»Laßt uns den Leib begraben!«

Und näher zog ein Leichenzug,

Der Sarg und Totenbahre trug.

Das Lied war zu vergleichen

Dem Unkenruf in Teichen.

 

»Nach Mitternacht begrabt den Leib,

Mit Klang und Sang und Klage!

Jetzt führ’ ich heim mein junges Weib.

Mit, mit zum Brautgelage!

Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor,

Und gurgle mir das Brautlied vor!

Komm, Pfaff’, und sprich den Segen,

Eh wir zu Bett’ uns legen!« –

 

Still Klang und Sang. – – Die Bahre schwand. – –

Gehorsam seinem Rufen,

Kam’s, hurre hurre! nachgerannt,

Hart hinter’s Rappen Hufen.

Und immer weiter, hop hop hop!

Ging’s fort in sausendem Galopp,

Daß Roß und Reiter schnoben,

Und Kies und Funken stoben.

 

Wie flogen rechts, wie flogen links,

Gebirge, Bäum’ und Hecken!

Wie flogen links, und rechts, und links

Die Dörfer, Städt’ und Flecken! –

»Graut Liebchen auch? – – Der Mond scheint hell!

Hurra! die Toten reiten schnell!

Graut Liebchen auch vor Toten?« –

»Ach! Laß sie ruhn, die Toten!« –

 

Sieh da! sieh da! Am Hochgericht

Tanzt’ um des Rades Spindel

Halb sichtbarlich bei Mondenlicht,

Ein lustiges Gesindel. –

»Sasa! Gesindel hier! Komm hier!

Gesindel, komm und folge mir!

Tanz’ uns den Hochzeitreigen,

Wann wir zu Bette steigen!« –

 

Und das Gesindel husch husch husch!

Kam hinten nachgeprasselt,

Wie Wirbelwind am Haselbusch

Durch dürre Blätter rasselt.

Und weiter, weiter, hop hop hop!

Ging’s fort in sausendem Galopp,

Daß Roß und Reiter schnoben,

Und Kies und Funken stoben.

 

Wie flog, was rund der Mond beschien,

Wie flog es in die Ferne!

Wie flogen oben über hin

Der Himmel und die Sterne! –

»Graut Liebchen auch? – – Der Mond scheint hell!

Hurra! die Toten reiten schnell!

Graut Liebchen auch vor Toten?« –

»O weh! Laß ruhn die Toten!« – – –

 

»Rapp’! Rapp’! Mich dünkt der Hahn schon ruft. – –

Bald wird der Sand verrinnen – –

Rapp’! Rapp’! Ich wittre Morgenluft – –

Rapp’! Tummle dich von hinnen! –

Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!

Das Hochzeitbette thut sich auf!

Die Toten reiten schnelle!

Wir sind, wir sind zur Stelle.« – – –

 

Rasch auf ein eisern Gitterthor

Ging’s mit verhängtem Zügel.

Mit schwanker Gert’ ein Schlag davor

Zersprengte Schloß und Riegel.

Die Flügel flogen klirrend auf,

Und über Gräber ging der Lauf.

Es blinkten Leichensteine

Rund um im Mondenscheine.

 

Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick,

Huhu! ein gräßlich Wunder!

Des Reiters Koller, Stück für Stück,

Fiel ab, wie mürber Zunder.

Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf,

Zum nackten Schädel ward sein Kopf;

Sein Körper zum Gerippe,

Mit Stundenglas und Hippe.

 

Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp’,

Und sprühte Feuerfunken;

Und hui! war’s unter ihr hinab

Verschwunden und versunken.

Geheul! Geheul aus hoher Luft,

Gewinsel kam aus tiefer Gruft.

Lenorens Herz, mit Beben,

Rang zwischen Tod und Leben.

 

Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,

Rund um herum im Kreise,

Die Geister einen Kettentanz,

Und heulten diese Weise:

»Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!

Mit Gott im Himmel hadre nicht!

Des Leibes bist du ledig;

Gott sei der Seele gnädig!«

 

 

Der Raubgraf

Es liegt nicht weit von hier ein Land,

Da reist’ ich einst hindurch;

Am Weg’ auf hohem Felsen stand,

Vor alters, eine Burg.

Die alten Rudera davon

Wies mir der Schwager Postillon.

 

»Mein Herr, begann der Schwager Matz,

Mit heimlichem Gesicht,

Wär’ mir beschert dort jener Schatz,

Führ’ ich den Herrn wohl nicht.

Mein Seel! den König fragt’ ich gleich:

Wie teuer, Herr, sein Königreich?

 

Wohl manchem wässerte der Mund,

Doch mancher ward geprellt.

Denn, Herr, Gott sei bei uns! Ein Hund

Bewacht das schöne Geld.

Ein schwarzer Hund, die Zähne bloß,

Mit Feueraugen, tellersgroß!

 

Nur immer alle sieben Jahr’

Läßt sich ein Flämmchen sehn.

Dann mag ein Bock, kohlschwarz von Haar,

Die Hebung wohl bestehn.

Um zwölf Uhr in Walpurgis Nacht,

Wird der dem Unhold dargebracht.

 

Doch merk’ eins nur des Bösen List!

Wo noch zum Ungelück

Am Bock ein weißes Härchen ist,

Alsdann: Ade, Genick!

Den Kniff hat mancher nicht bedacht,

Und sich um Leib und Seel’ gebracht.

 

Für meinen Part, mit großen Herrn,

Und Meister Urian,

Äß’ ich wohl keine Kirschen gern.

Man läuft verdammt oft an.

Sie werfen einem, wie man spricht,

Gern Stiel und Stein ins Angesicht.

 

D’rum rat ich immer: Lieber Christ,

Laß dich mit keinem ein!

Wann der Kontrakt geschlossen ist,

Bricht man dir Hals und Bein.

Trotz allen Klauseln, glaube du,

Macht jeder dir ein X für U. –

 

Goldmacherei und Lotterie,

Nach reichen Weibern frei’n,

Und Schätze graben, segnet nie,

Wird manchen noch gereu’n.

Mein Sprüchlein heißt: Auf Gott vertrau,

Arbeite brav und leb’ genau!

 

Ein alter Graf, fuhr Schwager Matz

Nach seiner Weise fort,

Vergrub zu Olims Zeit den Schatz

In seinem Keller dort.

Der Graf, mein Herr, hieß Graf von Rips,

Ein Kraut, wie Käsebier und Lips.

 

Der streifte durch das ganze Land,

Mit Wagen, Roß und Mann,

Und wo er was zu kapern fand,

Da macht’ er frisch sich d’ran.

Wips! hatt’ er’s weg, wips! ging er

Und schleppt’ es heim auf seine Burg.

 

Und wann er erst zu Loche saß,

So schlug mein Graf von Rips, –

Denn hier that ihm kein Teufel was, –

Gar höhnisch seinen Schnips.

Sein allverfluchtes Felsennest

War, wie der Königstein, so fest.

 

So übt’ er nun gar lang’ und oft

Viel Bubenstücken aus,

Und fiel den Nachbarn unverhofft

In Hof und Stall und Haus.

Allein, der Krug geht, wie man spricht,

So lang’ zu Wasser, bis er bricht.

 

Das Ding verdroß den Magistrat

Im nächsten Städtchen sehr,

D’rum riet der längst auf klugen Rat

Bedächtlich hin und her,

Und riet und riet – doch weiß man wohl! –

Die Herren rieten sich halb toll.

 

Da nun begab sich’s daß einsmals,

Ob vielem Teufelsspaß,

Ein Lumpenhexchen auf den Hals

In Kett’ und Banden saß.

Schon wetzte Meister Urian

Auf diesen Braten seinen Zahn.

 

Dies Hexchen sprach: Hört! Laßt mich frei,

So schaff’ ich ihn herein.

Wohl! sprach ein edler Rat, es sei!

Und gab ihr oben d’rein

Ein eisern Privilegium,

Zu hexen frank und frei herum.

 

Ein närrscher Handel! Unsereins

Thät’ nichts auf solchen Kauf.

Doch Satans Reich ist selten eins,

Und reibt sich selber auf.

Für diesmal spielt die Lügenbrut

Ihr Stückchen ehrlich und auch gut.

 

Sie kroch, als Kröt’, auf’s Räuberschloß,

Mit losem leisen Tritt,

Verwandelte sich in das Roß,

Das Rips gewöhnlich ritt;

Und als der Schloßhahn krähte früh,

Bestieg der Graf gesattelt sie.

 

Sie aber trug, trotz Gert’ und Sporn,

So sehr er hieb und trat,

Ihn, über Stock und Stein und Dorn,

Gerades Wegs zur Stadt.

Früh, als das Thor ward aufgethan,

Sieh da! kam unser Hexlein an.

 

Mit Kratzfuß und mit Reverenz

Naht höhnisch alle Welt:

Willkommen hier, Ihr’ Excellenz!

Quartier ist schon bestellt!

Du hast uns lange satt geknufft;

Man wird dich wieder knuffen, Schuft!

 

Dem Schnapphahn ward, wie sich’s gebührt,

Bald der Prozeß gemacht,

Und d’rauf, als man ihn kondemniert,

Ein Käficht ausgedacht.

Da ward mein Rips hineingesperrt

Und wie ein Murmeltier genärrt.

 

Und, als ihn hungern thät, da schnitt

Der Knips, mit Höllenqual,

Vom eignen Leib’ ihm Glied für Glied,

Und briet es ihm zum Mahl.

Als jeglich Glied verzehret war,

Briet er ihm seinen Magen gar.

 

So schmaust’ er sich denn selber auf,

Bis auf den letzten Stumpf,

Und endigte den Lebenslauf,

Den Nachbarn zum Triumph.

Der Eisenbau’r, worin er lag,

Wird aufbewahrt, bis diesen Tag. –

 

Mein Herr, fällt mir der Käficht ein,

So denk’ ich oft bei mir:

Er dürfte noch zu brauchen sein,

Und weiß der Herr, wofür? – –

Für die französchen Raubmarquis

Die man zur Ferme kommen ließ.« –

 

Als Matz kaum ausgeperoriert,

Sieh da! kam querfeldan

Ein Sansfaçon daher trottiert,

Und hielt den Wagen an,

Und visitierte, Pack für Pack,

Nach ungestempeltem Taback.

 

 

Die Weiber von Weinsberg

Wer sagt mir an, wo Weinsberg liegt?

Soll sein ein wackres Städtchen,

Soll haben, fromm und klug gewiegt,

Viel Weiberchen und Mädchen.

Kömmt mir einmal das Freien ein,

So werd’ ich eins aus Weinsberg frei’n.

 

Einsmals der Kaiser Konrad war

Dem guten Städtlein böse,

Und rückt’ heran mit Kriegesschar

Und Reisigengetöse,

Umlagert’ es, mit Roß und Mann,

Und schoß und rannte drauf und dran.

 

Und als das Städtlein widerstand,

Trotz allen seinen Nöten,

Da ließ er, hoch von Grimm entbrannt,

Den Herold ‘nein trompeten:

Ihr Schurken, komm’ ich ‘nein, so, wißt,

Soll hängen, was die Wand bepißt.

 

Drob, als er den Avis also

Hinein trompeten lassen,

Gab’s lautes Zetermordio,

Zu Haus und auf den Gassen.

Das Brot war teuer in der Stadt;

Doch teurer noch war guter Rat.

 

»O weh, mir armen Korydon!

O weh mir! die Pastores

Schrie’n: Kyrie Eleison!

Wir gehn, wir gehn kapores!

O weh, mir armen Korydon!

Es juckt mir an der Kehle schon.«

 

Doch wann’s Matthä’ am letzten ist,

Trotz Raten, Thun und Beten,

So rettet oft noch Weiberlist

Aus Ängsten und aus Nöten.

Denn Pfaffentrug und Weiberlist

Gehn über alles, wie ihr wißt.

 

Ein junges Weibchen Lobesan,

Seit gestern erst getrauet,

Gibt einen klugen Einfall an,

Der alles Volk erbauet;

Den ihr, sofern ihr anders wollt,

Belachen und beklatschen sollt.

 

Zur Zeit der stillen Mitternacht

Die schönste Ambassade

Von Weibern sich ins Lager macht,

Und bettelt dort um Gnade.

Sie bettelt sanft, sie bettelt süß,

Erhält doch aber nichts, als dies:

 

»Die Weiber sollten Abzug han,

Mit ihren besten Schätzen,

Was übrig bliebe, wollte man

Zerhauen und zerfetzen.«

Mit der Kapitulation

Schleicht die Gesandtschaft trüb’ davon.

 

Drauf, als der Morgen bricht hervor,

Gebt Achtung! Was geschiehet?

Es öffnet sich das nächste Thor,

Und jedes Weibchen ziehet,

Mit ihrem Männchen schwer im Sack’,

So war ich lebe! Huckepack. –

 

Manch Hofschranz suchte zwar sofort

Das Kniffchen zu vereiteln;

Doch Konrad sprach: »Ein Kaiserwort

Soll man nicht dreh’n noch deuteln.

Ha bravo! rief er, bravo so!

Meint’ unsre Frau es auch nur so!«

 

Er gab Pardon und ein Bankett,

Den Schönen zu gefallen.

Da ward gegeigt, da ward trompet’t,

Und durchgetanzt mit allen,

Wie mit der Burgemeisterin,

So mit der Besembinderin.

 

Ei! sagt mir doch, wo Weinsberg liegt?

Ist gar ein wackres Städtchen.

Hat, treu und fromm und klug gewiegt,

Viel Weiberchen und Mädchen.

Ich muß, kömmt mir das Freien ein,

Führwahr! muß Eins aus Weinsberg frei’n.

 

 

Der Ritter und sein Liebchen

Ein Ritter ritt einst in den Krieg,

Und als er seinen Hengst bestieg,

Umfing ihn sein fein’s Liebchen:

»Leb wohl, du Herzensbübchen!

Leb wohl! Viel Heil und Sieg!

 

Komm fein bald wieder heim ins Land,

Daß uns umschling’ ein schön’res Band,

Als Band von Gold und Seide:

Ein Band aus Lust und Freude,

Gewirkt von Priesterhand!« –

 

»Ho, ho! Käm’ ich auch wieder hier,

Du Närrchen du, was hülf’ es dir?

Magst meinen Trieb zwar weiden;

Allein dein Band aus Freuden

Behagt mit nichten mir.« –

 

»O weh! so weid’ ich deinen Trieb,

Und willst doch, falscher Herzensdieb,

Ins Ehband dich nicht fügen!

Warum mich denn betrügen,

Treuloser Unschuldsdieb?« –

 

»Ho, ho! du Närrchen, welch ein Wahn!

Was ich that, hast du mitgethan.

Kein Schloß hab ich erbrochen,

Wann ich kam anzupochen,

So war schon aufgethan.« –

 

»O weh! So trugst du das im Sinn?

Was schmeichelst du mir um’s Kinn?

Was mußtest du die Krone,

So zu Betrug und Hohne,

Mir aus den Locken ziehn?« –

 

»Ho ho! Jüngst flog in jenem Hain

Ein kirres Täubchen zu mir ein.

Hätt’ ich es nicht gefangen,

So müßten mir entgangen

Verstand und Sinnen sein.« –

 

D’rauf ritt der Ritter hop sa sa!

Und strich sein Bärtchen trallala!

Sein Liebchen sah ihn reiten,

Und hörte noch vom weiten

Sein Lachen ha ha ha! – –

 

Traut, Mädchen, leichten Rittern nicht!

Manch Ritter ist ein Bösewicht.

Sie löffeln wohl und wandern,

Von Einer zu der Andern,

Und freien Keine nicht.

 

 

Robert

Ein Gegenstück zu Claudius Romanze Phidile

 

 

Ich war wohl recht ein Springinsfeld,

In meinen Jünglingstagen;

Und that nichts lieber auf der Welt,

Als reiten, fischen, jagen.

 

Einst zogen meine Streiferei’n –

Weiß nicht, auf welche Weise?

Doch war es recht, als sollt’ es sein, –

Mich ab von meinem Gleise.

 

Da sah ich über’n grünen Zaun,

Im lichten Frühlingsgarten,

Ein Mädchen, rosicht anzuschaun,

Der Schwesterblumen warten.

 

Ein Mädchen, so von Angesicht,

Von Stirn und Augenstrahlen,

Von Wuchs und Wesen, läßt sich nicht

Beschreiben und nicht malen.

 

Ich freundlich hin, sie freundlich her,

Wir mußten beid’ uns grüßen,

Wir fragten nicht, wohin? woher?

Noch minder, wie wir hießen?

 

Sie schmückte grün und rot den Hut,

Brach Früchte mir vom Stengel;

Und war so lieblich, war so gut,

So himmlisch, wie ein Engel!

 

Doch wußt’ ich nicht, was tief aus mir

So seufzte, so erlebte,

Und, unter Druck und Küssen, ihr

Was vorzuweinen strebte.

 

Ich konnte weder her noch hin,

Nicht weg, noch zu ihr kommen;

Auch lag’s nicht anders mir im Sinn,

Als wär mir was genommen.

 

Mich dünkt’ ich hatt’ ihr tausendviel,

Weiß Gott all’ was? zu sagen:

Doch konnt’ ich, welch ein Zauberspiel!

Nicht eine Sylbe wagen.

 

Sie fragt’ in heller Unschuld: Was?

Was ich wohl von ihr wollte?

Ach Liebe! rief ich, als mir’s naß

Von beiden Wangen rollte.

 

Sie aber schlug den dunkeln Blick

Zum schönen Busen nieder,

Und ich verschüchtert floh zurück,

Und fand sie noch nicht wieder! –

 

Wie konnte wohl dies Eine Wort,

Dies Wörtchen sie betrüben? –

O blöder Junge! wärst du dort,

Wärst du doch dort geblieben!

 

 

Schön Suschen

Schön Suschen kannt’ ich lange Zeit:

Schön Suschen war wohl fein;

Voll Tugend war’s und Sittsamkeit:

Das sah ich klärlich ein.

Ich kam und ging, ich ging und kam,

Wie Ebb’ und Flut zur See.

Ganz wohl mir that es, wann ich kam,

Doch, wann ich ging, nicht weh.

 

Und es geschah, daß nach der Zeit,

Gar andres ich vernahm;

Da that’s mir, wann ich schied, so leid,

So wohl mir, wann ich kam;

Da hatt’ ich keinen Zeitvertreib,

Und kein Geschäft, als sie;

Da fühlt’ ich ganz an Seel’ und Leib,

Und fühlte nichts, als sie.

 

Da war ich dumm, und stumm, und taub;

Vernahm nichts, außer ihr;

Sah nirgends blühen Blum’ und Laub;

Nur Suschen blühte mir.

Nicht Sonne, Mond und Sternenschein,

Mir glänzte nur mein Kind;

Ich sah, wie in die Sonn’, hinein,

Und sah mein Auge blind.

 

Und wieder kam gar andre Zeit,

Gar anders ward es mir:

Doch alle Tugend, Sittsamkeit,

Und Schönheit blieb an ihr.

Ich kam und ging, ich ging und kam,

Wie Ebb’ und Flut zur See.

Ganz wohl mir that es, wann ich kam,

Doch, wann ich ging, nicht weh. –

 

Ihr Weisen, hoch und tief gelahrt,

Die ihr’s ersinnt, und wißt,

Wie, wo und wann sich alles paart?

Warum sich’s liebt und küßt?

Ihr hohen Weisen, sagt mir’s an!

Ergrübelt, was mir da,

Ergrübelt mir, wo, wie und wann,

Warum mir so geschah? –

 

Ich selber sann oft Nacht und Tag,

Und wieder Tag und Nacht,

So wundersamen Dingen nach;

Doch hab’ ich nichts erdacht. –

D’rum, Lieb’ ist wohl, wie Wind im Meer:

Sein Sausen ihr wohl hört,

Allein ihr wisset nicht, woher?

Wißt nicht wohin er fährt?

 

 

Lenardo und Blandine

Blandine sah her, Lenardo sah hin,

Mit Augen, erleuchtet vom zärtlichsten Sinn:

Blandine, die schönste Prinzessin der Welt,

Lenardo, der Schönsten zum Diener bestellt.

 

Zu Land und zu Wasser, von nah und von fern,

Erschienen viel Fürsten und Grafen und Herrn,

Mit Perlen, Gold, Ringen und Edelgestein,

Die schönste der schönen Prinzessen zu frei’n.

 

Allein die Prinzessin war Perlen und Gold,

War Ringen mit blankem Gestein nicht so hold,

Als oft sie ein würziges Blümlein entzückt,

Vom Finger des schönsten der Diener gepflückt.

 

Der schönste der Diener trug hohes Gemüt,

Obschon nicht entsprossen aus hohem Geblüt.

Gott schuf ja aus Erden den Ritter und Knecht.

Ein hoher Sinn adelt auch niedres Geschlecht.

 

Und als sie ‘mal draußen in fröhlicher Schar,

Von Schranzen umlagert, am Apfelbaum war,

Und alle genossen der lieblichen Frucht,

Die ämsig der flinke Lenardo gesucht:

 

Da bot die Prinzessin ein Äpfelchen rar

Aus ihrem hellsilbernen Körbchen ihm dar,

Ein Äpfelchen, rosicht und gülden und rund,

Dazu sprach ihr holdseliger Mund:

 

»Nimm hin für die Mühe! der Apfel sei dein!

Das Leckere wuchs nicht für Prinzen allein.

Er ist ja so lieblich von außen zu sehn;

Will wünschen, was d’rin ist, sei zehnmal so schön.«

 

Und als sich der Liebling gestohlen nach Haus,

Da zog er, o Wunder! ein Blättchen heraus.

Das Blättchen im Apfel saß heimlich und tief;

D’rauf stand gar traulich geschrieben ein Brief:

 

»Du Schönster der Schönsten, von nah und von fern,

Du Schönster, vor Fürsten und Grafen und Herrn,

Der du trägst züchtiger höher Gemüt,

Als Fürsten und Grafen aus hohem Geblüt!

 

Dich hab’ ich vor allen zum Liebsten erwählt;

Dich trag’ ich im Herzen, das sehnend sich quält.

Mich labet nicht Ruhe, mich labet nicht Rast,

Bevor du gestillet dies Sehnen mir hast.

 

Zur Mitternachtstunde laß Schlummer und Traum,

Laß Bette, laß Kammer und suche den Baum,

Den Baum, der den Apfel der Liebe dir trug!

Dein harret was Liebes; nun weißt du genug.« –

 

Das däuchte dem Diener so wohl und so bang’!

So bang’ und so wohl! Er zweifelte lang’;

Viel zweifelt’ er her, viel zweifelt’ er hin;

Von Hoffen und Ahnden war trunken sein Sinn.

 

Doch als es nun tief um Mitternacht war,

Und still herab blinkte der Sternlein Schar;

Da sprang er vom Lager, ließ Schlummer und Traum,

Und eilt’ in den Garten und suchte den Baum.

 

Und, als er stillharrend am Liebesbaum saß,

Da säuselt’ im Laube, da schlich es durch’s Gras,

Und eh’ er sich wandte, umschlang ihn ein Arm,

Da weht’ ihn ein Odem an, lieblich und warm.

 

Und, als er die Lippen eröffnet zum Gruß,

Verschlang ihm die Rebe manch durstiger Kuß,

Und eh’ es ihm zugeflüstert ein Wort,

Da zog es mit sammtenem Händchen ihn fort.

 

Es führt ihn allmählich mit heimlichem Tritt:

»Komm süßer, komm lieblicher Junge, komm mit!

Kalt wehen die Lüftchen; kein Dach und kein Fach

Beschirmet uns; komm in mein stilles Gemach!«

 

Und führt’ ihn, durch Dornen und Nessel und Stein,

In einen zertrümmerten Keller hinein.

Hier flimmert’ ein Lämpchen; es zog ihn entlang,

Beim Schimmer des Lämpchens, den heimlichen Gang. –

 

In Schlummer gehüllet war jedes Gesicht;

Doch ach! das Verräteraug’ schlummerte nicht.

Lenardo! Lenardo! wie wird dir’s ergehn,

Noch ehe die Hähne das Morgenlied krähn? –

 

Weit her, von Hispaniens reichster Provinz,

War kommen ein hochstolzierender Prinz,

Mit Perlen, Gold, Ringen und Edelgestein,

Die schönste der schönen Prinzessen zu frei’n.

 

Ihm brannte der Busen, ihm lechte der Mund;

Doch hofft’ er, doch harrt’ er umsonst in Burgund;

Er warb wohl, und warb doch vergebens manch Jahr

Und wollte nicht weichen noch wanken von dar.

 

D’rob hatte der hochstolzierende Gast,

Bei Nacht und bei Tage nicht Ruhe noch Rast;

Und hatte zur selbigen Stunde der Nacht,

Sich auf und hinaus in den Garten gemacht;

 

Und hatt’ es vernommen, und hatt’ es gesehn,

Was jetzt kaum drei Schritte weit von ihm geschehn.

Er knirrschte die Zähne, biß blutig den Mund:

»Zur Stunde soll’s wissen der Fürst von Burgund!«

 

Und eilte zur selbigen Stunde der Nacht;

Ihm wehrte vergebens die fürstliche Wacht:

»Jetzt will ich, jetzt muß ich zum König hinein!

Weil Hochverrat ihn und Aufruhr bedräu’n.« –

 

»Hallo! Wach auf! du Fürst von Burgund!

Dein Königsgeschmeide besudelt ein Hund;

Blandinen, dein gleißendes Töchterlein, schwächt,

Zur Stunde jetzt schwächt sie ein schändlicher Knecht.«

 

Das krachte dem Alten ins dumpfe Gehör:

Er liebte die einzige Tochter so sehr;

Er schätzte sie höher, als Zepter und Kron’,

Und höher als seinen hellstrahlenden Thron.

 

Wild raffte der Fürst von Burgund sich empor:

»Das leugst du, Verräter, das leugst du mir vor!

Dein Blut mir’s entgelte! das trinke Burgund!

Wofern mich belogen dein giftiger Mund.« –

 

»Hier stell’ ich, o Alter, zum Pfande mich dar.

Auf! eile! so findet’s dein Auge noch wahr.

Mein Blut dir’s entgelte! das trinke Burgund!

Wofern dich belogen mein redlicher Mund.«

 

Da rannte der Alte mit blinkendem Dolch.

Ihm nach kroch der verrätrische Molch,

Und wies ihn, durch Dornen und Nessel und Stein,

Stracks in den zertrümmerten Keller hinein.

 

Hier prangte vor Zeiten ein lustiges Schloß,

Daß längst schon in Schutt und in Trümmer zerschoß.

Noch wölbten sich Keller und Halle. Von vorn

Verbargen die Nessel und Distel und Dorn.

 

Die Halle war wenigen Augen bekannt;

Doch wer der Halle war kundig, der fand

Den Weg, durch eine verborgene Thür,

Wohl in der Prinzessin ihr Sommerlosier. –

 

Noch sendete durch den heimlichen Gang

Das Lämpchen der Liebe den Schimmer entlang.

Sie atmeten leise, sie schlichen gemach

Dem Schimmer des Lämpchens der Liebe sich nach;

 

Und kamen bald vor die verborgene Thür,

Und standen und harrten und lauschten allhier:

»Horch König! da flüstert’s – horch König! da spricht’s. –

Da! glaubest du noch nicht, so glaubest du nichts.«

 

Und als sich der Alte zum Horchen geneigt,

Erkannt’ er der Liebenden Stimme gar leicht.

Sie trieben, bei Küssen und tändelndem Spiel,

Des süßen Geschwätzes der Liebe gar viel:

 

»O Lieber! mein Lieber! was zaget dein Sinn,

Vor mir, die ich ewig dein eigen nun bin?

Prinzessin am Tage nur; aber bei Nacht

Magst du mir gebieten als eigener Magd!« –

 

»O schönste Prinzessin! o wärest du nur

Das dürftigste Mädchen auf dürftiger Flur!

Wie wollt’ ich dann schmecken der Freuden so viel!

Nun setzet dein Lieben mir Kummer ans Ziel.« –

 

» O Lieber! mein Lieber! laß fahren den Wahn!

Bin keine Prinzessin! D’rauf sieh mich nur an!

Statt Vaters Gewalt, Reich, Zepter und Kron’,

Erkies’ ich den Schoß mir der Liebe zum Thron.« –

 

»O Schönste der Schönsten! dies zärtliche Wort,

Das kannst du, das wirst du nicht halten hinfort.

Durch werben, und werben, von nah und von fern,

Erwirbt dich noch Einer der stattlichen Herrn.

 

Wohl schwellen die Wasser, wohl hebet sich Wind;

Doch Winde verwehen, doch Wasser verrinnt.

Wie Wind und wie Wasser ist weiblicher Sinn:

So wehet, so rinnet dein Lieben dahin.« –

 

»Laß werben und werben, von nah und von fern!

Erwirbt mich doch keiner der stattlichen Herrn.

O Süßer! o Lieber! mein zärtliches Wort

Das kann ich, das werd’ ich dir halten hinfort.

 

Wie Wasser und Wind ist mein liebender Sinn:

Wohl wehen die Winde, wohl Wasser rinnt hin;

Doch alle verwehn und verrinnen ja nicht:

So ewig mein quellendes Lieben auch nicht.« –

 

»O süße Prinzessin, noch zag’ ich so sehr!

Mir ahndet’s im Herzen, mir ahndet’s, wie schwer!

Die Bande zerreißen; der Treuring zerbricht,

Worüber der Himmel den Segen nicht spricht.

 

Und wenn es der König, oh! wenn er’s erfährt,

So triefet mein Leben am blutigen Schwert;

So mußt du dein Leben, verriegelt allein,

Tief unter dem Turm im Gewölbe verschrei’n.« –

 

»Ach Lieber! der Himmel zerreißet ja nicht,

Die Knoten, so treue, so Liebe sich flicht.

Der seligen Wonne, bei nächtlicher Ruh,

Der höret, der sieht kein Verräter ja zu.

 

Komm her, o komm her nun, mein trauter Gemahl

Und küss’ mir den Kuß der Verlobung einmal!« – –

Da kam er und küßt’ ihr den rosichten Mund,

D’rob alle sein Zagen im Herzen verschwund.

 

Sie trieben, bei Küssen und tändelndem Spiel,

Des süßen Geschwätzes der Liebe noch viel.

Da knirrschte der König, da wollt’ er hinein:

Doch ließen ihn Schlösser und Riegel nicht ein.

 

Nun harrt’ er und harrte mit schäumendem Mund’,

Wie vor der Höhle des Wildes ein Hund.

Den Liebenden d’rin, nach gepflogener Lust,

Ward enger und bänger von Ahndung die Brust. –

 

»Wach auf, Prinzessin! Der Hahn hat gekräht!

Nun laß mich, bevor sich der Morgen erhöht!« –

»Ach, Lieber, ach bleib noch! Es kündet der Hahn

Die erste der nächtlichen Wachen nur an.« –

 

»Schau auf, Prinzessin! Der Morgen schon graut!

Nun laß mich, bevor uns der Morgen erschaut!« –

»Ach, Trauter, ach bleib noch! der Sternlein Licht,

Verrät ja die Gänge der Liebenden nicht.« –

 

»Horch auf, Prinzessin! Da wirbelt ein Ton,

Da wirbelt die Schwalbe das Morgenlied schon’« –

»Ach Süßer! Ach bleib noch! Es ist ja der Schall

Der liebeflötenden Nachtigall.« – – –

 

»Nein! Laß mich! Der Hahn hat zum Morgen gekräht;

Schon leuchtet der Morgen; die Morgenluft weht;

Schon wirbelt die Schwalbe den Morgengesang,

Oh! Laß mich! Wie wird mir um’s Herze so bang’!« – –

 

»Ach Süßer! – – Leb wohl dann! – – Nein bleib noch! Ade! – –

O weh mir! Wie thut’s mir im Busen so weh! – –

Weis her mir dein Herzchen! – – Ach! pocht ja so sehr! – –

Hab’ lieb mich, du Herzchen! Auf morgen nacht mehr!« –

 

»Schlaf süß! Schlaf wohl!« Da schlüpft’ er hinaus;

Ihm fuhren durch’s Leben Entsetzen und Graus;

Es roch ihm wie Leichen; er stolpert’ entlang,

Beim Schimmer des traurigen Lämpchens, den Gang.

 

Hui! sprangen die Beiden vom Winkel herbei,

Und bohrten ihn nieder mit dumpfem Geschrei:

»Da! Hast du gefrei’t um den Thron von Burgund,

Da hast du die Mitgift! da hast du sie, Hund!« –

 

»O Jesu Maria! Erbarme dich mein!« –

D’rauf hüllte sein brechendes Auge sich ein.

Ohne Beicht’, ohne Nachtmahl, ohn’ Absolution,

Flog seine verzagende Seele davon.

 

Der Prinz von Hispania, schäumend vor Wut,

Zerhieb ihm den Busen mit knirrschendem Mut:

»Weis her mir dein Herzchen! Ach! pocht ja so sehr! –

Hast lieb gehabt, Herzchen? Hab’s morgen nacht mehr!« –

 

Und riß ihm vom Busen das zuckende Herz,

Und kühlte sein Mütchen mit gräßlichem Scherz:

»Da hab’ ich dich, Herzchen! Ach pochst ja so sehr!

Hab’ lieb nun du Herzchen! Hab’s morgen nacht mehr!« –

 

Indes die Prinzessin ach! zagte so sehr!

Zerwarf sich im Schlummer und träumte, wie schwer!

Von blutigen Perlen in blutigem Kranz’,

Von blutigem Gastmahl und höllischem Tanz.

 

Sie warf sich im Bette, so müde, so krank!

Den kommenden Morgen und Tag entlang:

»O wenn’s doch erst wieder tief mitternacht wär’!

Komm, Mitternacht, führe mein Labsal mir her!«

 

Und als es nun wieder tief mitternacht war,

Und still herab blinkte der Sternlein Schar:

»O weh mir! Mein Busen! was ahndet wohl dir?«

Horch! horch! da knarrte die heimliche Thür.

 

Ein Junker, in Flor und in Trauergewand,

Trug Fackel und Leichengedeck in der Hand,

Trug einen zerbrochenen blutigen Ring,

Und legt’ es danieder stillschweigend und ging.

 

Ihm folgt’ ein Junker in Purpurgewand,

Der trug ein goldnes Geschirr in der Hand,

Versehen mit Henkel und Deckel und Knauf,

Und oben ein königlich Siegel darauf.

 

Ihm folgt’ ein Junker in Silbergewand,

Mit einem versiegelten Brief’ in der Hand,

Er gab der erstarrten Prinzessin den Brief,

Und ging und neigte sich schweigend und tief.

 

Und als die erstarrte Prinzessin den Brief

Erbrach, und mit rollenden Augen durchlief,

Umflirrt’ es ihr Antlitz, wie Nebel und Duft;

Sie stürzte zusammen und schnappte nach Luft. –

 

Und als sie, mit zuckender strebender Kraft,

Sich wieder ermannt und dem Boden entrafft:

»Juchheisa! da sprang sie, juchheisa! Tralla!

Auf lustig, ihr Fiedler, mein Brauttag ist da!

 

Juchheisa! Ihr Fiedler, zum lustigen Tanz!

Mir schweben die Füße, mir flattert der Kranz!

Nun tanzet ihr Prinzen, von nah und von fern!

Auf lustig, ihr Damen! Auf lustig, ihr Herrn!

 

Ha! seht ihr nicht meinen Herzliebsten sich drehn?

Im Silbergewande, wie herrlich, wie schön!

Ihn zieret am Busen ein purpurner Stern.

Juchheisa, ihr Damen! Juchheisa, ihr Herrn!

 

Auf! lustig zum Tanze! Was steht ihr so fern?

Was rümpft ihr die Nasen, ihr Damen und Herrn?

Mein Bräutigam ist er! Ich heiße die Braut!

Uns haben die Engel im Himmel getraut.

 

Zu Tanze, zu Tanze! Was grinzet ihr fern?

Das rümpft ihr die Nasen, ihr Damen und Herrn? –

Weg, Edelgesindel! Pfui! stinkest mir an!

Du stinkest nach stinkender Hoffart mir an.

 

Wer schuf wohl aus Erden den Ritter und Knecht?

Ein hoher Sinn adelt auch niedres Geschlecht.

Mein Schönster trägt hohen und züchtigen Mut,

Und speiet in euer hochadliges Blut.

 

Juchheisa! Ihr Fiedler, zum lustigen Tanz!

Mir schweben die Füße, mir flattert der Kranz!

Juchheisa! Trallala! Juchheisa! Tralla!

Auf lustig, ihr Fiedler, mein Brauttag ist da!«

 

So sang sie zum Sprunge, so sprang sie zum Sang’,

Biß aus der Stirn ihr der Todestau drang.

Der Todestau troff ihr die Wangen herab;

Sie taumelt’ und keuchte zu Boden hinab.

 

Und, als sich ihr Leben zum letzten ermannt,

Da streckte sie nach dem Gefäße die Hand,

Und schlang’s in die Arme und hielt es im Schoß,

Und deckte, was d’rinnen verborgen war, bloß.

 

Da rauchte, da pocht’ ihr entgegen sein Herz,

Als fühlt’ es noch Leben, als fühlt’ es noch Schmerz.

Jetzt that sich ihr blutiger Thränenquell auf,

Und strömte, wie Regen vom Dache, darauf.

 

»O Jammer! Nun gleichest du Wasser und Wind:

Wohl Winde verwehen, wohl Wasser verrinnt:

Doch alle verwehn und verrinnen ja nie! –

So du, o blutiger Jammer, auch nie!«

 

D’rauf sank sie, mit hohlem gebrochenen Blick,

In dumpfen Todestaumel zurück,

Und drückte noch fest, mit zermalmendem Schmerz,

Das Blutgefäß an ihr liebendes Herz.

 

»Dir lebt’ ich, o Herzchen, dir sterb’ ich mit Lust! –

O weh mir! O weh! – Du zerdrückst mir die Brust! –

Herab! – Herab! – Den zerquetschenden Stein! –

Oh! – Jesu Maria! – Erbarme dich mein!« –

 

D’rauf schloß sie die Augen, d’rauf schloß sie den Mund.

Nun rannten die Boten; dem König ward’s kund;

Laut scholl durch die Säle das Zetergeschrei:

»Prinzessin ist hin! Auf König, herbei!«

 

Das krachte dem Alten ins dumpfe Gehör.

Er liebte die einzige Tochter so sehr.

Er schätzte sie höher, als Zepter und Kron’,

Und höher, als seinen hellstrahlenden Thron. –

 

Und als auch herbei der Verräter mit sprang,

Ergrimmte der Alte: »Das hab’ ich dir Dank! –

Dein Blut mir’s entgelte! das trinke Burgund!

Weil das mir geraten dein giftiger Mund.

 

Ihr Herzblut verklagt dich vor Gottes Gericht,

Das dir dein blutiges Urtel schon spricht.«

Rasch zuckte der Alte den blinkenden Dolch,

Und bohrte danieder den spanischen Molch.

 

»Lenardo, du Armer! Blandine, mein Kind! –

O heiliger Himmel! Verzeih’ mir die Sünd’!

Verklaget nicht mich auch vor Gottes Gericht!

Ich bin ja – bin Vater! – Verklaget mich nicht!« –

 

So weinte der König, so reut’ ihn zu spat,

Schwer reut’ ihn die himmelanschreiende That.

D’rauf wurde bereitet ein silberner Sarg,

Worein er die Leichen der Liebenden barg.

 

 

Das Lied vom braven Manne

Hoch klingt das Lied vom braven Mann,

Wie Orgelton und Glockenklang.

Wer hohes Muts sich rühmen kann,

Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.

Gottlob! daß ich singen und preisen kann:

Zu singen und preisen den braven Mann.

 

Der Tauwind kam vom Mittagsmeer,

Und schnob durch Welschland trüb’ und feucht.

Die Wolken flogen vor ihm her,

Wie wann der Wolf die Herde scheucht.

Er fegte die Felder; zerbrach den Forst;

Auf Seen und Strömen das Grundeis borst.

 

Am Hochgebirge schmolz der Schnee,

Der Sturz von tausend Wassern scholl;

Das Wiesenthal begrub ein See;

Des Landes Heerstrom wuchs und schwoll;

Hoch rollten die Wogen, entlang ihr Gleis,

Und rollten gewaltige Felsen Eis.

 

Auf Pfeilern und auf Bogen schwer,

Aus Quaderstein von unten auf,

Lag eine Brücke d’rüber her;

Und mitten stand ein Häuschen d’rauf.

Hier wohnte der Zöllner, mit Weib und Kind. –

»O Zöllner! o Zöllner! Entfleuch geschwind!«

 

Es dröhnt’ und dröhnte dumpf heran,

Laut heulten Sturm und Wog’ um’s Haus.

Der Zöllner sprang zum Dach hinan,

Und blickt’ in den Tumult hinaus. –

»Barmherziger Himmel! Erbarme dich!

Verloren! Verloren! Wer rettet mich?« –

 

Die Schollen rollten, Schuß auf Schuß,

Von beiden Ufern, hier und dort,

Von beiden Ufern riß der Fluß

Die Pfeiler sammt den Bogen fort.

Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,

Er heulte noch lauter, als Strom und Wind.

 

Die Schollen rollen, Stoß auf Stoß,

An beiden Enden, hier und dort,

Zerborsten und zertrümmert, schoß,

Ein Pfeiler nach dem andern fort.

Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. –

»Barmherziger Himmel! Erbarme dich!« –

 

Hoch auf dem fernen Ufer stand

Ein Schwarm von Gaffern, groß und klein;

Und Jeder schrie und rang die Hand,

Doch mochte Niemand Retter sein.

Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,

Durchheulte nach Rettung den Strom und Wind. –

 

Wann klingst du, Lied vom braven Mann,

Wie Orgelton und Glockenklang?

Wohlan! So nenn’ ihn, nenn’ ihn dann!

Wann nennst du ihn, mein schönster Sang?

Bald nahet der Mitte der Umsturz sich.

O braver Mann! braver Mann! zeige dich!

 

Rasch galoppiert’ ein Graf hervor,

Auf hohem Roß ein edler Graf.

Was hielt des Grafen Hand empor?

Ein Beutel war es, voll und straff. –

»Zweihundert Pistolen sind zugesagt

Dem, welcher die Rettung der Armen wagt.«

 

Wer ist der Brave? Ist’s der Graf?

Sag an, mein braver Sang, sag an! –

Der Graf, beim höchsten Gott! war brav!

Doch weiß ich einen bravern Mann. –

O braver Mann! braver Mann! Zeige dich!

Schon naht das Verderben sich fürchterlich. –

 

Und immer höher schwoll die Flut;

Und immer lauter schnob der Wind;

Und immer tiefer sank der Mut. –

O Retter! Retter! Komm geschwind! –

Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach.

Laut krachten und stürzten die Bogen nach.

 

»Hallo! Hallo! Frisch auf gewagt!«

Hoch hielt der Graf den Preis empor.

Ein Jeder hört’s doch Jeder zagt,

Aus Tausenden tritt Keiner vor.

Vergebens durchheulte, mit Weib und Kind,

Der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind. –

 

Sieh, schlecht und recht, ein Bauersmann

Am Wanderstabe schritt daher,

Mit grobem Kittel angethan,

An Wuchs und Antlitz hoch und hehr.

Er hörte den Grafen; vernahm sein Wort;

Und schaute das nahe Verderben dort.

 

Und kühn in Gottes Namen, sprang

Er in den nächsten Fischerkahn;

Trotz Wirbel, Sturm, und Wogendrang,

Kam der Erretter glücklich an:

Doch wehe! der Nachen war allzuklein,

Der Retter von Allen zugleich zu sein.

 

Und dreimal zwang er seinen Kahn,

Trotz Wirbel, Sturm, und Wogendrang;

Und dreimal kam er glücklich an,

Bis ihm die Rettung ganz gelang.

Kaum kamen die Letzten in sichern Port;

So rollte das letzte Getrümmer fort. –

 

Wer ist, wer ist der brave Mann?

Sag an, sag an, mein braver Sang!

Der Bauer wagt’ ein Leben dran:

Doch that er’s wohl um Goldesklang?

Denn spendete nimmer der Graf sein Gut;

So wagte der Bauer vielleicht kein Blut. –

 

»Hier, rief der Graf, mein wackrer Freund!

Hier ist dein Preis! Komm her! Nimm hin!« –

Sag an, war das nicht brav gemeint? –

Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn. –

Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug

Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.

 

»Mein Leben ist für Gold nicht feil.

Arm bin ich zwar, doch ess’ ich satt.

Dem Zöllner werd’ eur Gold zu teil,

Der Hab’ und Gut verloren hat!«

So rief er, mit herzlichem Biederton,

Und wandte den Rücken und ging davon. –

 

Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,

Wie Orgelton und Glockenklang!

Wer solches Muts sich rühmen kann,

Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.

Gottlob! daß ich singen und preisen kann,

Unsterblich zu preisen den braven Mann.

 

 

Sanct Stephan

Sanct Stephan war ein Gottesmann,

Von Gottes Geist beraten,

Der durch den Glauben Kraft gewann,

Zu hohen Wunderthaten.

Doch seines Glaubens Wunderkraft,

Und seine Himmelswissenschaft

Verdroß die Schulgelehrten,

Die Erdenweisheit ehrten.

 

Und die Gelehrten stritten scharf

Und waren ihm zuwider;

Allein die Himmelsweisheit warf

Die irdische darnieder.

Und ihr beschämter Hochmut sann

Auf Rache an den Gottesmann.

Ihn zu verleumden, dungen

Sie falscher Zeugen Zungen.

 

Und gegen ihn in Aufruhr trat

Die jüdische Gemeinde.

Bald riß ihn vor den hohen Rat

Die Rachgier seiner Feinde.

Die falschen Zeugen stiegen auf

Und logen: »Dieser hört nicht auf,

Zu sträflichem Exempel,

Zu lästern Gott und Tempel.

 

Sein Jesus schmäht er, würde nun

Des Tempels Dienst zerstören;

Hinweg die Satzung Mosis thun,

Und andre Sitte lehren.«

Starr sah der ganze Rat ihn an;

Doch Er, mit Unschuld angethan,

Trotz dem, was sie bezeugten,

Schien Engeln gleich zu leuchten.

 

»Nun sprich! Ist dem also?« begann

Der Hohepriester endlich.

Da hub er frei zu reden an,

Und deutete verständlich

Der heiligen Propheten Sinn,

Und was der Herr vom Anbeginn,

Zu Juda’s Heil und Frommen,

Gered’t und unternommen.

 

»Doch, Unbeschnitt’ne, fuhr er fort,

An Herzen und an Ohren!

An Euch war Gottes That und Wort

Von je und je verloren.

Eu’r Stolz, der sich der Zucht entreißt,

Stets widerstrebt er Gottes Geist.

Ihr, so wie eure Väter,

Seid Mörder und Verräter!

 

Nennt mir Propheten, die sie nicht

Verfolgt und hingerichtet,

Wann sie aus göttlichem Gesicht

Des Heilands Kunst berichtet;

Des Heilands, welchen eu’r Verrat

Zu Tode jetzt gekreuzigt hat.

Ihr wißt zwar Gottes Willen;

Doch wollt ihn nie erfüllen.«

 

Und horch! ein dumpfer Lärm erscholl.

Es knirrschte das Getümmel.

Er aber ward des Geistes voll,

Und blickt’ empor gen Himmel,

Und sah eröffnet, weit und breit,

Des ganzen Himmels Herrlichkeit,

Und Jesum in den Höhen

Zur Rechten Gottes stehen.

 

Nun rief er hoch im Jubelton:

»Ich seh’ im offnen Himmel,

Zu Gottes Rechten, Gottes Sohn!«

Da stürmte das Getümmel,

Und brauste, wie ein wildes Meer,

Und übertäubte das Gehör,

Und wie von Sturm und Wogen,

Ward er hinweg gezogen.

 

Hinaus zum nächsten Thore brach

Der Strom der tollen Menge,

Und schleifte den Mann Gottes nach,

Zerstoßen im Gedränge;

Und tausend Mörderstimmen schrie’n,

Und Steine hagelten auf ihn,

Aus tausend Mörderhänden,

Die Rache zu vollenden.

 

Als er den letzten Odem zog,

Zerschellt von ihrem Grimme,

Da faltet’ er die Hände hoch,

Und bat mit lauter Stimme:

»Behalt, o Herr, für dein Gericht,

Dem Volke diese Sünde nicht! –

Nimm meinen Geist von hinnen! –«

Hier schwanden ihm die Sinnen.

 

 

Der Bruder Graurock und die Pilgerin

Ein Pilgermädel, jung und schön,

Wallt’ auf ein Kloster zu.

Sie zog das Glöcklein an dem Thor;

Ein Bruder Graurock trat hervor,

Halbbarfuß ohne Schuh.

 

Sie sprach: »Gelobt sei Jesus Christ! -«

»In Ewigkeit!« sprach er.

Gar wunderseltsam ihm geschah;

Und als er ihr ins Auge sah,

Da schlug sein Herz noch mehr.

 

Die Pilgerin mit leisem Ton,

Voll holder Schüchternheit:

»Ehrwürdiger, o meldet mir,

Weilt nicht mein Herzgeliebter hier

In Klostereinsamkeit?« –

 

»Kind Gottes, wie soll kenntlich mir

Dein Herzgeliebter sein?«

»Ach! An dem gröbsten härnen Rock,

An Geißel, Gurt, und Weidenstock,

Die seinen Leib kastei’n.

 

Noch mehr an Wuchs und Angesicht,

Wie Morgenrot im Mai,

Am goldnen Ringellockenhaar,

Am himmelblauen Augenpaar,

So freundlich, lieb und treu!« –

 

»Kind Gottes, o wie längst dahin!

Längst tot und tief verscharrt!

Das Gräschen säuselt d’rüber her;

Ein Stein von Marmel drückt ihn schwer;

Längst tot und tief verscharrt!

 

Siehst dort, in Immergrün verhüllt,

Das Zellenfenster nicht?

Da wohnt’ und weint’ er, und verkam,

Durch seines Mädels Schuld, vor Gram,

Verlöschend, wie ein Licht.

 

Sechs Junggesellchen, schlank und fein,

Bei Trauersang und Klang,

Sie trugen seine Bahr’ ans Grab;

Und manche Zähre rann hinab,

Indem sein Sarg versank.« –

 

»O weh! O weh! So bist du hin?

Bist tot und tief verscharrt? –

Nun brich, o Herz, die Schuld war dein!

Und wärst du, wie sein Marmelstein,

Wärst dennoch nicht zu hart.« –

 

»Geduld, Kind Gottes, weine nicht!

Nun bete desto mehr!

Vergebner Gram zerspellt das Herz;

Das Augenlicht verlischt von Schmerz;

D’rum weine nicht so sehr!«

 

»O nein, Ehrwürdiger, o nein!

Verdamme nicht mein Leid!

Denn meines Herzens Lust war Er;

So lebt und liebt kein Jüngling mehr,

Auf Erden weit und breit.

 

D’rum laß mich weinen immerdar,

Und seufzen Tag und Nacht,

Bis mein verweintes Auge bricht,

Und lechzend meine Zunge spricht:

Gottlob! Nun ist’s vollbracht!« –

 

»Geduld, Kind Gottes, weine nicht!

O seufze nicht so sehr!

Kein Tau, kein Regentrank erquickt

Ein Veilchen, das du abgepflückt.

Es welkt und blüht nicht mehr.

 

Huscht doch die Freud’ auf Flügeln, schnell

Wie Schwalben, vor uns hin.

Was halten wir das Leid so fest,

Das, schwer wie Blei, das Herz zerpreßt?

Laß fahren! Hin ist hin!« –

 

»O nein, Ehrwürdiger, o nein!

Gibt meinem Gram kein Ziel!

Und litt ich um den lieben Mann,

Was nur ein Mädchen leiden kann,

Nie litt’ ich doch zu viel. –

 

So seh’ ich ihn nun nimmermehr?

O weh! Nun nimmermehr? –

Nein! Nein! Ihn birgt ein düstres Grab;

Es regnet d’rauf und schnei’t herab;

Und Gras weht d’rüber her. –

 

Wo seid ihr Augen, blau und klar?

Ihr Wangen, rosenrot?

Ihr Lippen, süß wie Nelkenduft? –

Ach! Alles modert in der Gruft;

Und mich verzehrt die Not.« –

 

»Kind Gottes, härme so dich nicht!

Und denk’ wie Männer sind!

Den Meisten weht’s aus Einer Brust,

Bald heiß, bald kalt; sie sind zur Lust

Und Unlust gleich geschwind.

 

Wer weiß, trotz deiner Treu’ und Huld,

Hätt’ ihn sein Loos gereut.

Dein Liebster war ein junges Blut,

Und junges Blut hegt Wankelmut,

Wie die Aprillenzeit.« –

 

»Ach nein, Ehrwürdiger, ach nein!

Sprich dieses Wort nicht mehr!

Mein Trauter war so lieb und hold,

War lauter, ächt, und treu, wie Gold,

Und aller Falschheit leer.

 

Ach! ist es wahr, daß ihn das Grab

Im dunkeln Rachen hält?

So sag’ ich meiner Heimat ab,

Und setze meinen Pilgerstab

Fort durch die weite Welt.

 

Erst aber will ich hin zur Gruft;

Da will ich niederknie’n;

Da soll von Seufzerhauch und Kuß,

Und meinem Tausendthränenguß,

Das Gräschen frischer blüh’n.« –

 

»Kind Gottes, kehr’ allhier erst ein,

Daß Ruh und Kost dich pflegt!

Horch! wie der Sturm die Fahnen trillt,

Und kalter Schloßenregen wild

An Dach und Fenster schlägt!« –

 

»O nein, Ehrwürdiger, o nein!

O halte mich nicht ab!

Mag’s sein, daß Regen mich befällt!

Wäscht Regen aus der ganzen Welt

Doch meine Schuld nicht ab.« – –

 

»Heida! Fein’s Liebchen, nun kehr’ um!

Bleib hier und tröste dich! –

Fein’s Liebchen, schau mir ins Gesicht! –

Kennst du den Bruder Graurock nicht?

Dein Liebster, ach! – bin ich.

 

Aus hoffnungslosem Liebesschmerz

Erkor ich dies Gewand.

Bald hätt’ in Klostereinsamkeit

Mein Leben und mein Herzeleid

Ein hoher Schwur verbannt.

 

Doch, Gott sei Dank! mein Probejahr

Ist noch nicht ganz herum.

Fein’s Liebchen, hast du wahr bekannt?

Und gäbst du mir wohl gern die Hand;

So kehrt’ ich wieder um.« –

 

»Gottlob! Gottlob! nun fahre hin

Auf ewig Gram und Not!

Willkommen! o willkommen, Lust!

Komm Herzensjung’ an meine Brust!

Nun scheid’ uns nichts, als Tod!«

 

 

Die Entführung, oder Ritter Karl von Eichenhorst und Fräulein Gertrude von Hochburg

»Knapp’, satt’le mir mein Dänenroß,

Daß ich mir Ruh’ erreite!

Es wird mir hier zu eng’ im Schloß;

Ich will und muß ins Weite!« –

So rief der Ritter Karl in Hast,

Voll Angst und Ahndung, sonder Rast.

Es schien ihn fast zu plagen,

Als hätt’ er Wen erschlagen.

 

Er sprengte, daß es Funken stob,

Hinunter von dem Hofe;

Und als er kaum den Blick erhob,

Sieh da! Gertrudens Zofe!

Zusammenschrak der Rittersmann;

Es packt’ ihn, wie mit Krallen an,

Und schüttelt’ ihn, wie Fieber,

Hinüber und herüber.

 

»Gott grüß’ Euch, edler junger Herr!

Gott geb’ Euch Heil und Frieden!

Mein armes Fräulein hat mich her

Zum letztenmal beschieden.

Verloren ist Euch Trudchens Hand!

Dem Junker Plump von Pommerland

Hat sie, vor aller Ohren,

Ihr Vater zugeschworen.

 

›Mord! – flucht er laut, bei Schwert und Spieß, –

Wo Karl dir noch gelüstet,

So sollst du tief ins Burgverließ,

Wo Molch und Unke nistet.

Nicht rasten will ich Tag und Nacht,

Bis daß ich nieder ihn gemacht,

Das Herz ihm ausgerissen,

Und das dir nachgeschmissen.‹

 

Jetzt in der Kammer zagt die Braut,

Und zuckt vor Herzenswehen,

Und ächzet tief, und weinet laut,

Und wünschet zu vergehen.

Ach! Gott der Herr muß ihrer Pein,

Bald muß und wird er gnädig sein.

Hört ihr zur Trauer läuten,

So wißt ihr’s auszudeuten. –

 

›Geh, meld’ ihm, daß ich sterben muß –

Rief sie mit tausend Zähren –

Geh, bring ihm ach! den letzten Gruß,

Den er von mir wird hören!

Geh, unter Gottes Schutz, und bring’

Von mir ihm diesen goldnen Ring

Und dieses Wehrgehenke,

Wobei er mein gedenke!‹« –

 

Zu Ohren braust’ ihm, wie ein Meer,

Die Schreckenspost der Dirne.

Die Berge wankten um ihn her.

Es flirrt’ ihm vor der Stirne.

Doch jach, wie Windeswirbel fährt,

Und rührig Laub und Staub empört,

Ward seiner Lebensgeister

Verzweiflungsmut nun Meister.

 

»Gottslohn! Gottslohn! du treue Magd,

Kann ich’s dir nicht bezahlen.

Gottslohn! daß du mir’s angesagt,

Zu hunderttausendmalen.

Biß wohlgemut und tummle dich!

Flugs tummle dich zurück und sprich:

Wär’s auch aus tausend Ketten,

So wollt’ ich sie erretten!

 

Biß wohlgemut und tummle dich!

Flugs tummle dich von hinnen!

Ha! Riesen, gegen Hieb und Stich,

Wollt’ ich sie abgewinnen.

Sprich: Mitternachts, bei Sternenschein,

Wollt’ ich vor ihrem Fenster sein,

Mir geh’ es, wie es gehe!

Wohl, oder ewig wehe!

 

Risch auf und fort!« – Wie Sporen trieb

Des Ritters Wort die Dirne.

Tief holt’ er wieder Luft und rieb

Sich’s klar vor Aug und Stirne.

Dann schwenkt’ er hin und her sein Roß,

Daß ihm der Schweiß vom Buge floß,

Bis er sich Rat ersonnen

Und den Entschluß gewonnen.

 

D’rauf ließ er heim sein Silberhorn

Von Dach und Zinnen schallen.

Herangesprengt, durch Korn und Dorn,

Kam stracks ein Heer Vasallen.

D’raus zog er Mann bei Mann hervor,

Und raunt’ ihm heimlich Ding ins Ohr: –

»Wohlauf! Wohlan! Seid fertig,

Und meines Horns gewärtig!« –

 

Als nun die Nacht Gebirg’ und Thal

Vermummt in Rabenschatten,

Und Hochburgs Lampen überall

Schon ausgeflimmert hatten,

Und alles tief entschlafen war;

Doch nur das Fräulein immerdar,

Voll Fieberangst, noch wachte,

Und seinen Ritter dachte:

 

Da horch! Ein süßer Liebeston

Kam leis’ empor geflogen.

»Ho, Trudchen, ho! Da bin ich schon!

Risch auf! Dich angezogen!

Ich, ich, dein Ritter, rufe dir;

Geschwind, geschwind herab zu mir!

Schon wartet dein die Leiter.

Mein Klepper bringt dich weiter.« –

 

»Ach nein, du Herzens-Karl, ach nein!

Still, daß ich nichts mehr höre!

Entränn’ ich ach! mit dir allein,

Dann wehe meiner Ehre!

Nur noch ein letzter Liebeskuß

Sei, Liebster, dein und mein Genuß,

Eh ich im Totentkleide

Auf ewig von dir scheide.« –

 

»Ha Kind! Auf meine Rittertreu

Kannst du die Erde bauen.

Du kannst, beim Himmel! froh und frei

Mir Ehr’ und Leib vertrauen.

Risch geht’s nach meiner Mutter fort.

Das Sakrament vereint uns dort.

Komm, komm! Du bist geborgen.

Laß Gott und mich nur sorgen!« –

 

»Mein Vater! – – Ach! ein Reichsbaron! – – –

So stolz von Ehrenstamme! – – –

Laß ab! Laß ab! Wie beb’ ich schon,

Vor seines Zornes Flamme!

Nicht rasten wird er Tag und Nacht,

Bis daß er nieder dich gemacht,

Das Herz dir ausgerissen

Und das mir vorgeschmissen.« –

 

»Ha, Kind! Sei nur erst sattelfest,

So ist mir nicht mehr bange. –

Dann steht uns offen Ost und West. –

O zaudre nicht zu lange!

Horch, Liebchen, horch! – Was rührte sich? –

Um Gotteswillen! tummle dich!

Komm, komm! Die Nacht hat Ohren;

Sonst sind wir ganz verloren.« –

 

Das Fräulein zagte – stand – und stand –

Es graust’ ihr durch die Glieder. –

Da griff er nach der Schwanenhand,

Und zog sie flink hernieder.

Ach! Was ein Herzen, Mund und Brust,

Mit Rang und Drang, voll Angst und Lust,

Belauschten jetzt die Sterne,

Aus hoher Himmelsferne! –

 

Er nahm sein Lieb, mit einem Schwung,

Und schwang’s auf den Polacken.

Hui! saß er selber auf und schlung

Sein Heerhorn um den Nacken.

Der Ritter hinten, Trudchen vorn.

Den Dänen trieb des Ritters Sporn;

Die Peitsche den Polacken;

Und Hochburg blieb im Nacken. –

 

Ach! leise hört die Mitternacht!

Kein Wörtchen ging verloren.

Im nächsten Bett’ war aufgewacht

Ein Paar Verräterohren.

Des Fräuleins Sittenmeisterin,

Voll Gier nach schnödem Goldgewinn,

Sprang hurtig auf, die Thaten

Dem Alten zu verraten.

 

»Hallo! hallo! Herr Reichsbaron! –

Hervor aus Bett’ und Kammer! –

Eu’r Fräulein Trudchen ist entflohn,

Entflohn zu Schand’ und Jammer!

Schon reitet Karl von Eichenhorst,

Und jagt mit ihr durch Feld und Forst.

Geschwind! Ihr dürft nicht weilen,

Wollt ihr sie noch ereilen.«

 

Hui auf der Freiherr, hui heraus,

Bewehrte sich zum Streite,

Und donnerte durch Hof und Haus

Und weckte seine Leute. –

»Heraus, mein Sohn von Pommerland!

Sitz’ auf! Nimm Lanz’ und Schwert zur Hand!

Die Braut ist dir gestohlen;

Fort, Fort! sie einzuholen!« –

 

Rasch ritt das Paar im Zwielicht schon,

Da horch! – ein dumpfes Rufen –

Und horch! – erscholl ein Donnerton,

Von Hochburgs Pferdehufen;

Und wild kam Plump, den Zaum verhängt,

Weit weit voran, dahergesprengt,

Und ließ, zu Trudchens Grausen,

Vorbei die Lanze sausen. –

 

»Halt an! halt an! du Ehrendieb!

Mit deiner losen Beute.

Herbei vor meinen Klingenhieb!

Dann raube wieder Bräute!

Halt an, verlaufne Buhlerin,

Daß neben deinen Schurken hin

Dich meine Rache strecke,

Und Schimpf und Schand’ euch decke!« –

 

»Das leugst du, Plump von Pommerland,

Bei Gott und Ritterehre!

Herab! Herab! daß Schwert und Hand

Dich andre Sitte lehre. –

Halt, Trudchen, halt den Dänen an! –

Herunter, Junker Grobian,

Herunter von der Mähre,

Daß ich dich Sitte lehre!« –

 

Ach! Trudchen, wie voll Angst und Not!

Sah hoch die Säbel schwingen.

Hell funkelten im Morgenrot

Die Damascener Klingen.

Von Kling und Klang, von Ach und Krach,

Ward rund umher das Echo wach.

Von ihrer Fersen Stampfen

Begann der Grund zu dampfen.

 

Wie Wetter schlug des Liebsten Schwert

Den Ungeschliffnen nieder.

Gertrudens Held blieb unversehrt,

Und Plump erstand nicht wieder. –

Nun weh, o weh! Erbarm’ es Gott!

Kam fürchterlich, Galopp und Trott,

Als Karl kaum ausgestritten,

Der Nachtrab angeritten. –

 

Trara! Trara! durch Flur und Wald

Ließ Karl sein Horn nun schallen.

Sieh da! Hervor vom Hinterhalt,

Hop hop! sein Heer Vasallen. –

»Nun halt, Baron, und hör’ ein Wort!

Schau auf! Erblickst du Jene dort?

Die sind zum Schlagen fertig,

Und meines Winks gewärtig.

 

Halt an! Halt an! Und hör’ ein Wort,

Damit dich nichts gereue!

Dein Kind gab längst mir Treu und Wort,

Und ich ihm Wort und Treue.

Willst du zerreißen Herz und Herz?

Soll dich ihr Blut, soll dich ihr Schmerz

Vor Gott und Welt verklagen?

Wohlan! so laß uns schlagen!

 

Noch halt! Bei Gott beschwör’ ich dich!

Bevor’s dein Herz gereuet.

In Ehr’ und Züchten hab’ ich mich

Dem Fräulein stets geweihet.

Gib – – Vater! – – gib mir Trudchens Hand! –

Der Himmel gab mir Gold und Land.

Mein Ritterruhm und Adel,

Gottlob! trotzt jedem Tadel.« –

 

Ach! Trudchen, wie voll Angst und Not!

Verblüht’ in Todesblässe.

Vor Zorn der Freiherr heiß und rot,

Glich einer Feueresse. –

Und Trudchen warf sich auf den Grund;

Sie rang die schönen Hände wund,

Und suchte baß, mit Thränen,

Den Eifrer zu versöhnen.

 

»O Vater, habt Barmherzigkeit,

Mit euerm armen Kinde!

Verzeih’ euch, wie ihr uns verzeiht,

Der Himmel auch die Sünde!

Glaubt, bester Vater, diese Flucht,

Ich hätte nimmer sie versucht,

Wenn vor des Junkers Bette

Mich nicht geekelt hätte. –

 

Wie oft habt ihr, auf Knie und Hand,

Gewiegt mich und getragen!

Wie oft: du Herzenskind! genannt!

Du Trost in alten Tagen!

O Vater, Vater! denkt zurück!

Ermordet nicht mein ganzes Glück!

Ihr tötet sonst daneben

Auch euers Kindes Leben.« –

 

Der Freiherr warf sein Haupt herum,

Und wies den krausen Nacken.

Der Freiherr rieb, wie taub und stumm,

Die dunkelrauhen Backen. –

Vor Wehmut brach ihm Herz und Blick;

Doch schlang er stolz den Strom zurück,

Um nicht durch Vaterthränen

Den Rittersinn zu höhnen. –

 

Bald sanken Zorn und Ungestüm.

Das Vaterherz wuchs über.

Von hellen Zähren strömten ihm

Die stolzen Augen über. –

Er hob sein Kind vom Boden auf,

Er ließ der Herzensflut den Lauf,

Und wollte schier vergehen,

Vor wundersüßen Wehen. –

 

»Nun wohl! Verzeih’ mir Gott die Schuld,

So wie ich dir verzeihe!

Empfange meine Vaterhuld,

Empfange sie auf’s neue!

In Gottes Namen, sei es d’rum! –

Hier wandt’ er sich zum Ritter um, –

Da! Nimm sie meinetwegen,

Und meinen ganzen Segen!

 

Komm, nimm sie hin, und sei mein Sohn,

Wie ich dein Vater werde!

Vergeben und vergessen schon

Ist jegliche Beschwerde.

Dein Vater, einst mein Ehrenfeind,

Der’s nimmer hold mit mir gemeint,

That vieles mir zu Hohne.

Ihn haßt’ ich noch im Sohne.

 

Mach’s wieder gut! Mach’s gut, mein Sohn,

An mir und meinem Kinde!

Auf daß ich meiner Güte Lohn

In deiner Güte finde.

So segne dann, der auf uns sieht,

Euch segne Gott, von Glied zu Glied!

Auf! Wechselt Ring’ und Hände!

Und hiermit Lied am Ende!« –

 

Frau Schnips

 

Ein Märlein halb lustig, halb ernsthaft, sammt angehängter Apologie

 

 

Frau Schnipsen hatte Korn im Stroh,

Und hielt sich weidlich lecker;

Sie lebt’ in dulci Jubilo,

Und Keine war euch kecker.

 

Das Mäulchen, sammt dem Zünglein flink,

Saß ihr am rechten Flecken.

Sie schimpfte wie ein Rohrsperling,

Wenn man sie wollte necken.

 

Da kam Hans Mors, und zog den Strich

Durch ihr Schlaraffenleben.

Zwar belferte sie jämmerlich;

Doch mußte sie sich geben.

 

Sie klaffte fort, den Weg hinan,

Bis vor die Himmelspforte,

Gekränkt, daß sie nicht Zeit gewann,

Zur letzten Mandeltorte.

 

Weil nun der letzte Ärger ihr

Noch spukt’ im Tabernakel,

So trieb sie vor der Himmelsthür

Viel Unfug und Spektakel.

 

»Wer da, rief Adam unmutsvoll,

Stört so die Ruh der Frommen?« –

»Ich bins! Frau Schnips! Ich wünschte wohl

Bei Euch mit anzukommen.« –

 

»Du? – Nicht also, Frau Sünderin!

Frau Liederlich! Frau Lecker!« –

»Ich weiß wohl selber, was ich bin,

Du alter Sündenhecker!

 

Ei, zupfte sich Herr Erdenkloß

Doch nur an eigner Nase!

Denn was man ist, das ist man bloß

Von seinem Apfelfraße.

 

So gut wie Er, denk’ ich zur Ruh

Noch Platz hier zu gewinnen.« –

Der Vater hielt die Ohren zu

Und trollte sich von hinnen.

 

D’rauf machte Jakob sich ans Thor:

»Marsch! Packe dich zum Teufel!« –

»Was? schrie Frau Schnips ihm laut ins Ohr,

Fickfacker! Ich zum Teufel?

 

Du bist mir wohl der rechte Held,

Und bist wohl hier für’s Prellen?

Hast Bruder und Papa geprellt,

Mit deinen Ziegenfellen.« –

 

Stockmäuschenstill trieb ihr Geschrei

Hinweg den Patriarchen.

Hierauf sprang Ehren-Loth herbei,

Mit Brausen und mit Schnarchen.

 

»Du auch, du alter Saufaus hast,

Groß Recht hier zum Geprahle!

Bist wahrlich nicht der feinste Gast

In diesem Himmelssaale!

 

Bezecht sich erst beim Abendbrot,

Den Kindern zum Gelächter,

Und dann beschläft Er – pfui, Herr Loth! –

Gar seine eignen Töchter!«

 

Ha puh! Wie stank der alte Mist! –

Loth mußte sich bequemen,

Als hätt’ er in das Bett’ gepißt,

Voll Scham Reißaus zu nehmen.

 

»Na! – lief Relikte Judith hin,

Welch Lärm hier und Gebrause!« –

»Bonsdies! Frau Gurgelschneiderin!

Sie ist hier auch zu Hause?« –

 

Vor großer Scham bald bleich bald rot,

Stand Judith bei dem Gruße.

Der König David sah die Not,

Und folgt’ ihr auf dem Fuße.

 

»Was für Hallo, du Teufelsweib?

Potz hunderttausend Velten!« –

»Ei, Herr, wär’ ich Uria’s Weib,

Ihr würdet so nicht schelten.

 

Es war, mein Seel! wohl mehr Hallo,

Mit Bathseba zu liebeln,

Und ihren armen Hahnrei so

Zur Welt hinaus zu bübeln.« –

 

»Das Weib ist toll, rief Salomo,

Hat zu viel Schnaps genommen!

Was? Seiner Majestät also – – –

So – – hundsföttsch anzukommen?« –

 

»O Herr, nicht halb so toll, als Er!

Hätt’ er sein Maul gehalten!

Wir wissen’s noch recht gut, wie Er

Auf Erden Haus gehalten.

 

Sieb’n hundert Weiber auf der Streu,

Und extra doch darneben

Drei hundert – – Andre! Meiner Treu!

Das war ein züchtig Leben!

 

Und Sein Verstand war klimperklein,

Als Er von Gott sich wandte,

Und Götzen pur von Holz und Stein,

Sein thöricht Opfer brannte.« –

 

»Fürwahr, empörte Jonas sich,

Das Weib speit, wie ein Drache!« –

»Halt’s Maul, Ausreißer! Kümmre dich

Um Deine faule Sache!« –

 

Auch Thom’s gab seinen Senf dazu:

»Ein Sprichwort, das ich glaube,

Sagt: Weiberzung’ hat nimmer Ruh;

Sie ist von Espenlaube.« –

 

»Glaub’ immer was ein Narr erdacht,

Mit allen dummen Teufeln!

Doch konnt’ an seines Heilands Macht

Der schwache Pinsel zweifeln.« –

 

Maria Magdalena kam. –

Nu ja! Die wird’s erst kriegen! –

»Still, gute Frau, fein still und zahm!

Ihr müßt Euch anders fügen.

 

Denn, gute Frau, erinnert Euch

An Eu’r verruchtes Leben!

So Einer wird im Himmelreich

Kein Plätzchen eingegeben.« –

 

»So Einer? schrie Frau Schnips, ei schaut!

Was bin ich denn für Eine?

Sie war mir auch das rechte Kraut!

Nun brennt Sie gar sich reine?

 

Ach! Um die Tugend Ihrer Zeit

Ist Sie nicht hergekommen.

Des Heilands Allbarmherzigkeit

Hat Sie hier aufgenommen.

 

Durch diese Allbarmherzigkeit,

Sie wird’s nicht übel deuten,

Hoff’ ich, trotz meiner Sündlichkeit,

Auch noch hineinzuschreiten.« –

 

Jetzt sprang Apostel Paul empor:

»Mit deinen alten Sünden,

Weib, wirst du durch das Himmelsthor

Den Eingang nimmer finden!« –

 

»Die lass’ ich draußen! – Denke, Paul,

Wie dir’s vor Zeiten glückte;

Dir, der doch so mit Mord, als Saul,

Die Kirche Gottes drückte!« –

 

Sanct Peter kam nun auch zum Spiel:

»Die Thür nicht eingeschlagen!

Madam, Sie lärmt auch allzuviel;

Wer kann das hier vertragen?« –

 

»Geduld, Herr Pförtner! sagte sie;

Noch bin ich unverloren!

Hab’ ich doch meinen Heiland nie,

Wie Du einst, abgeschworen.« – –

 

Und unser lieber Herr vernahm

Der Seele letzte Worte.

Umringt von tausend Engeln kam

Er herrlich an die Pforte.

 

»Erbarmen! Ach, Erbarmen!« schrie

Die arme bange Seele. –

»O Seele, du gehorchtest nie

Dem göttlichen Befehle.

 

Ich lockte dich an meine Brust:

Zur Sünde gingst du über.

Die Welt mit ihrer eiteln Lust

War, Thörin, dir viel lieber.« –

 

»O! Ich bekenn’ es, Herr, ich schwamm

Im Lustpfuhl dieser Erde;

Doch bringe du dein irrend Lamm

Zurück zu deiner Herde!

 

Ich will, o lieber Hirt, hinfort

Mein Irrsal stets bereuen.

Half doch sein letztes armes Wort

Dem Schächer zum Gedeihen.« –

 

»Du wußtest, Weib, was ich gethan;

Du kanntest meinen Willen:

Allein, was hast du je gethan,

Ihn dankbar zu erfüllen?« –

 

»Ach nichts! Doch, lieber Menschensohn,

Heiß mich darum nicht fliehen!

Es hat ja dem verlornen Sohn

Sein Vater auch verziehen.« –

 

»Nun wohl, Verirrte, tritt herzu!

Will dich mit Gnade zeichnen.

Auch du bist mein! Geh ein zur Ruh!

Ich will dich nicht verleugnen.«

 

Apologie

Ihr Herrn Zeloten dieser Zeit,

Wie steht’s um Euern Willen?

Sind Liebesmäntel wohl so weit,

Dies Lied mit d’rein zu hüllen? –

 

O seid doch, höchlich bitt’ ich d’rum,

Seid diesmal nur nicht kurrig!

Denn seht! Es wär’ doch schade d’rum:

Das Ding ist ja so schnurrig.

 

Auch ist ja die Historia

Aus Wahrheit nicht gesponnen.

Doch webt’ ich d’rein Moralia;

Die hab’ ich nicht ersonnen.

 

Und schlimm ist wahrlich nichts gemeint:

D’rum nehmt doch ja nichts übel!

Moralia sind, wie es scheint,

Die Besten aus der Bibel.

 

Ihr, die ihr, aus erlogner Pflicht,

Begnadigt und verdammet,

Die Liebe sagt: Verdammet nicht,

Daß man nicht Euch verdammet!

Der wilde Jäger

 

Der Wild- und Rheingraf stieß ins Horn:

»Hallo, Hallo zu Fuß und Roß!«

Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn;

Laut rasselnd stürzt’ ihm nach der Troß;

Laut klifft’ und klafft’ es, frei von Koppel,

Durch Korn und Dorn, durch Heid’ und Stoppel.

 

Vom Strahl der Sonntagsfrühe war

Des hohen Domes Kuppel blank.

Zum Hochamt rufte dumpf und klar

Der Glocken ernster Feierklang.

Fern tönten lieblich die Gesänge

Der andachtsvollen Christenmenge.

 

Rischrasch quer übern Kreuzweg ging’s,

Mit Horrido und Hussasa.

Sieh da! Sieh da, kam rechts und links

Ein Reiter hier, ein Reiter da!

Des Rechten Roß war Silbersblinken,

Ein Feuerfarbner trug den Linken.

 

Wer waren Reiter links und rechts?

Ich ahnd’ es wohl, doch weiß ichs nicht.

Lichthehr erschien der Reiter rechts,

Mit mildem Frühlingsangesicht.

Graß, dunkelgelb der linke Ritter

Schoß Blitz vom Aug’, wie Ungewitter.

 

»Willkommen hier, zu rechter Frist,

Willkommen zu der edlen Jagd!

Auf Erden und im Himmel ist

Kein Spiel, das lieblicher behagt.« –

Er rief’s, schlug laut sich an die Hüfte,

Und schwang den Hut doch in die Lüfte.

 

»Schlecht stimmet deines Hornes Klang,

Sprach der zur Rechten, sanftes Muts,

Zu Feierglock’ und Chorgesang.

Kehr um! Erjagst dir heut nichts Guts.

Laß dich den guten Engel warnen,

Und nicht vom Bösen dich umgarnen!« –

 

»Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr!

Fiel rasch der linke Ritter d’rein.

Was Glockenklang? Was Chorgeplärr?

Die Jagdlust mag euch baß erfreun!

Laßt mich, was fürstlich ist, euch lehren

Und euch von Jenem nicht bethören!« –

 

»Ja! Wohlgesprochen, linker Mann!

Du bist ein Held nach meinem Sinn.

Wer nicht des Weidwerks pflegen kann,

Der scher’ ans Paternoster hin!

Mag’s, frommer Narr, dich baß verdrießen,

So will ich meine Lust doch büßen!« –

 

Und hurre hurre vorwärts ging’s,

Feld ein und aus, Berg ab und an.

Stets ritten Reiter rechts und links

Zu beiden Seiten neben an.

Auf sprang ein weißer Hirsch von ferne,

Mit sechzehnzackigem Gehörne.

 

Und lauter stieß der Graf ins Horn;

Und rascher flog’s zu Fuß und Roß;

Und sieh! bald hinten und bald vorn

Stürzt’ Einer tot dahin vom Troß.

»Laß stürzen! Laß zur Hölle stürzen!

Das darf nicht Fürstenlust verwürzen.«

 

Das Wild duckt sich ins Ährenfeld

Und hofft da sichern Aufenthalt.

Sieh da! Ein armer Landmann stellt

Sich dar in kläglicher Gestalt.

»Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen!

Verschont den sauern Schweiß des Armen!«

 

Der rechte Ritter sprengt heran,

Und warnt den Grafen sanft und gut.

Doch baß hetzt ihn der linke Mann

Zu schadenfrohem Frevelmut.

Der Graf verschmäht des Rechten Warnen

Und läßt vom Linken sich umgarnen.

 

»Hinweg, du Hund! schnaubt fürchterlich

Der Graf den armen Pflüger an.

Sonst hetz’ ich selbst, beim Teufel! dich.

Hallo, Gesellen, drauf und dran!

Zum Zeichen, daß ich wahr geschworen,

Knallt ihm die Peitschen um die Ohren!«

 

Gesagt, gethan! Der Wildgraf schwang

Sich übern Hagen rasch voran,

Und hinterher, bei Knall und Klang,

Der Troß mit Hund und Roß und Mann;

Und Hund und Mann und Roß zerstampfte

Die Halmen, daß der Acker dampfte.

 

Vom nahen Lärm emporgescheucht,

Feld ein und aus, Berg ab und an

Gesprengt, verfolgt, doch unerreicht,

Ereilt das Wild des Angers Plan;

Und mischt sich, da verschont zu werden,

Schlau mitten zwischen zahme Herden.

 

Doch hin und her, durch Flur und Wald

Und her und hin, durch Wald und Flur,

Verfolgen und erwittern bald

Die raschen Hunde seine Spur.

Der Hirt, voll Angst für seine Herde,

Wirft vor dem Grafen sich zur Erde.

 

»Erbarmen, Herr, Erbarmen! Laßt

Mein armes stilles Vieh in Ruh!

Bedenket, lieber Herr, hier gras’t

So mancher armen Witwe Kuh.

Ihr Eins und Alles spart der Armen!

Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen!«

 

Der rechte Ritter sprengt heran,

Und warnt den Grafen sanft und gut.

Doch baß hetzt ihn der linke Mann

Zu schadenfrohem Frevelmut.

Der Graf verschmäht des Rechten Warnen

Und läßt vom Linken sich umgarnen.

 

»Verwegner Hund, der du mir wehrst!

Ha, daß du deiner besten Kuh

Selbst um und angewachsen wärst,

Und jede Vettel noch dazu!

So sollt’ es baß mein Herz ergötzen,

Euch stracks ins Himmelreich zu hetzen.

 

Hallo, Gesellen, drauf und dran!

Jo! Doho! Hussasa!« –

Und jeder Hund fiel wütend an,

Was er zunächst vor sich ersah.

Bluttriefend sank der Hirt zur Erde,

Bluttriefend Stück für Stück die Herde.

 

Dem Mordgewühl entrafft sich kaum

Das Wild mit immer schwächerm Lauf.

Mit Blut besprengt, bedeckt mit Schaum

Nimmt jetzt des Waldes Nacht es auf.

Tief birgt sich’s in des Waldes Mitte,

In eines Kläusners Gotteshütte.

 

Risch ohne Rast mit Peitschenknall,

Mit Horrido und Hussasa,

Und Kliff und Klaff und Hörnerschall,

Verfolgt’s der wilde Schwarm auch da.

Entgegen tritt mit sanfter Bitte

Der fromme Kläusner vor die Hütte.

 

»Laß ab, laß ab von dieser Spur!

Entweihe Gottes Freistatt nicht!

Zum Himmel ächzt die Kreatur

Und heischt von Gott dein Strafgericht.

Zum letzten male laß dich warnen,

Sonst wird Verderben dich umgarnen!«

 

Der Rechte sprengt besorgt heran

Und warnt den Grafen sanft und gut.

Doch baß hetzt ihn der linke Mann

Zu schadenfrohem Frevelmut.

Und wehe! trotz des Rechten Warnen,

Läßt er vom Linken sich umgarnen!

 

»Verderben hin, Verderben her!

Das, ruft er, macht mir wenig Graus.

Und wenn’s im dritten Himmel wär,

So acht’ ichs keine Fledermaus.

Mag’s Gott und dich, du Narr, verdrießen;

So will ich meine Lust doch büßen!«

 

Er schwingt die Peitsche, stößt ins Horn:

»Hallo, Gesellen, drauf und dran!«

Hui, schwinden Mann und Hütte vorn,

Und hinten schwinden Roß und Mann;

Und Knall und Schall und Jagdgebrülle

Verschlingt auf einmal Totenstille.

 

Erschrocken blickt der Graf umher;

Er stößt ins Horn, es tönet nicht;

Er ruft und hört sich selbst nicht mehr;

Der Schwung der Peitsche sauset nicht;

Er spornt sein Roß in beide Seiten

Und kann nicht vor nicht rückwärts reiten.

 

D’rauf wird es düster um ihn her,

Und immer düstrer, wie ein Grab.

Dumpf rauscht es, wie ein fernes Meer.

Hoch über seinem Haupt herab

Ruft furchtbar, mit Gewittergrimme,

Dies Urtel eine Donnerstimme:

 

»Du Wütrich, teuflischer Natur,

Frech gegen Gott und Mensch und Tier!

Das Ach und Weh der Kreatur,

Und deine Missethat an ihr

Hat laut dich vor Gericht gefodert,

Wo hoch der Rache Fackel lodert.

 

Fleuch, Unhold, fleuch, und werde jetzt,

Von nun an bis in Ewigkeit,

Von Höll’ und Teufel selbst gehetzt!

Zum Schreck der Fürsten jeder Zeit,

Die, um verruchter Lust zu fronen,

Nicht Schöpfer noch Geschöpf verschonen!« –

 

Ein schwefelgelber Wetterschein

Umzieht hierauf des Waldes Laub.

Angst rieselt ihm durch Mark und Bein;

Ihm wird so schwül, so dumpf und taub!

Entgegen weht’ ihm kaltes Grausen,

Dem Nacken folgt Gewittersausen.

 

Das Grausen weht, das Wetter saust,

Und aus der Erd’ empor huhu!

Fährt eine schwarze Riesenfaust;

Sie spannt sich auf, sie krallt sich zu;

Hui! will sie ihn beim Wirbel packen;

Hui! steht sein Angesicht im Nacken.

 

Es flimmt und flammt rund um ihn her,

Mit grüner, blauer, roter Glut;

Es wallt um ihn ein Feuermeer;

Darinnen wimmelt Höllenbrut.

Jach fahren tausend Höllenhunde,

Laut angehetzt, empor vom Schlunde.

 

Er rafft sich auf durch Wald und Feld,

Und flieht lautheulend Weh und Ach;

Doch durch die ganze weite Welt

Rauscht bellend ihm die Hölle nach,

Bei Tag tief durch der Erde Klüfte,

Um Mitternacht hoch durch die Lüfte.

 

Im Nacken bleibt sein Antlitz stehn,

So rasch die Flucht ihn vorwärts reißt.

Er muß die Ungeheuer sehn,

Laut angehetzt vom bösen Geist,

Muß sehn das Knirrschen und das Jappen

Der Rachen, welche nach ihm schnappen. –

 

Das ist des wilden Heeres Jagd,

Die bis zum jüngsten Tage währt,

Und oft dem Wüstling noch bei Nacht

Zu Schreck und Graus vorüberfährt.

Das könnte, müßt’ er sonst nicht schweigen,

Wohl manches Jägers Mund bezeugen.

 

 

Untreue über alles

Ich lauschte mit Molly tief zwischen dem Korn,

Umduftet vom blühenden Hagebutt-Dorn.

Wir hatten’s so heimlich, so still und bequem,

Und koseten traulich von Diesem und Dem.

 

Wir hatten’s so heimlich, so still und bequem;

Kein Seelchen vernahm was von Diesem und Dem;

Kein Lüftchen belauscht’ uns von hinten und vorn;

Die spielten mit Kornblum’ und Klappros’ im Korn.

 

Wir herzten, wir drückten, wie innig, wie warm!

Und wiegten uns eia popeia! im Arm.

Wie Beeren zu Beeren an Trauben des Weins,

So reihten wir Küsse zu Küssen in eins.

 

Und zwischen die Trauben von Küssen hin schlang

Sich, ähnlich den Reben, Gespräch und Gesang.

Kein Weinstock auf Erden verdienet den Ruf

Von diesem, den Liebe beim Hagedorn schuf.

 

»O Molly, so sprach ich, so sang ich zu ihr,

Lieb Liebchen, was küssest, was liebst du an mir?

Sprich, ist es nur Leibes- und Liebesgestalt?

Sprich! Oder das Herz, das im Busen mir wallt?« –

 

»O Lieber, so sprach sie, so sang sie zu mir,

O Teurer, was sollt’ ich nicht lieben an dir?

Bist süß mir an Leibes- und Liebesgestalt,

Doch teurer durchs Herz, das im Busen dir wallt.« –

 

»Lieb Liebchen, was thätest du, hätte dir Not

Das Eine fürs Andre zu missen gedroht?

Sprich! Bliebe mein liebendes Herz dein Gewinn,

Sprich! Gäbst du für Treue das Übrige hin?« –

 

»Ein goldener Becher gibt lieblichen Schein;

Doch süßeres Labsal gewähret der Wein.

Ach, bliebe der labende Wein mein Gewinn,

So gäb’ ich den goldenen Becher wohl hin.« –

 

»O Molly, lieb Liebchen, wie wär’ es bestellt,

Durchstrichen noch üppige Feen die Welt,

Die Schönste der schönsten entbrennte zu mir,

Und legte mir Schlingen, und raubte mich dir;

 

Und führte mich auf ihr bezaubertes Schloß,

Und ließe nicht eher mich ledig und los,

Als bis ich in Liebe mich zu ihr gesellt;

Wie wär’ es um deine Verzeihung bestellt?« –

 

»Ach! Fragtest du vor der so schmählichen That

Dein ängstlich bekümmertes Mädchen um Rat,

So riet’ ich! Bedenke mein Kleinod, mein Glück!

Komm nimmer mir, oder mit Treue zurück!« –

 

»Wie, wenn sie nun spräche: Komm, buhle mit mir!

Sonst kostet’s dir Jugend und Schönheit dafür.

Zum häßlichsten Zwerge verschafft dich mein Wort;

Dann schickt mit dem Korb’ auch dein Mädchen dich fort.« –

 

»O Lieber, das glaube der Trügerin nicht

Entstelle sie dich und dein holdes Gesicht!

Erfülle sie alles, was Böses sie droht!

So hat es ja doch mit dem Korbe nicht not.« –

 

»Wie, wenn sie nun spräche: Komm, buhle mit mir!

Sonst werde zur Schlange dein Mädchen dafür!

O Molly, lieb Liebchen, was rietest du nun?

Was sollt’ ich wohl wählen, was sollt’ ich wohl thun?« –

 

»O Lieber, du stellst mich zu ängstlicher Wahl!

Leicht wäre mir zwar der Bezauberung Qual:

Doch jetzt bin ich süß dir, wie Honig und Wein:

Dann würd’ ich ein Scheuel und Greuel dir sein.« –

 

»Doch setze: Du würdest kein Greuel darum;

Ich trüge dich sorglich im Busen herum;

Da hörtest du immer, bei Nacht und bei Tag,

Für dich nur des Herzens entzückenden Schlag;

 

Und immer noch bliebe dein zärtlicher Kuß

Dem durstigen Munde des Himmels Genuß:

O Molly, lieb Liebchen, was rietest du nun?

Was sollt’ ich wohl wählen, was sollt’ ich wohl thun?« –

 

»O Lieber, o Süßer, dann weißt du die Wahl.

Was hätt’ ich für Sorge, was hätt’ ich für Qual?

Dann hülle mich lieber die Schlangenhaut ein,

Als daß mir mein Trauter soll ungetreu sein!« –

 

»Doch, wenn sie nun spräche: Komm, buhle mit mir!

Sonst werde zur Rache des Todes dafür!

O Molly, lieb Liebchen, was rietest du nun?

Was sollt’ ich wohl wählen, was sollt’ ich wohl thun?« –

 

»Geliebter, du stellst mich zur schrecklichsten Wahl:

Zur Rechten ist Jammer, zur Linken ist Qual.

Bewahre mich Gott vor so ängstlicher Not!

Denn was ich auch wähle, so wähl’ ich mir Tod.

 

Doch – wenn er zur Rechten und Linken mir droht,

So wähl’ ich doch lieber den süßeren Tod.

O Teurer, so stirb dann, und bleibe nur mein!

Bald folget dir Molly und holet dich ein.

 

Dann ist es geschehen, dann sind wir entflohn;

Dann krönet die Treue unsterblicher Lohn.

So stirb dann, o Süßer, und bleibe nur mein!

Bald holet dein Mädchen im Himmel dich ein.« –

 

Wir schwiegen und drückten, wie innig wie warm!

Und wiegten uns, eia popeia! im Arm.

Wie Beeren zu Beeren an Trauben des Weins,

So reihten wir Küsse zu Küssen in eins.

 

Wir schwankten, berauscht von der Liebe Gefühl,

Und küßten der herrlichen Trauben noch viel.

Dann schwuren wir herzlich, bei Ja und bei Nein,

Im Leben und Tode getreu uns zu sein.

 

 

Des Pfarrers Tochter von Taubenhain

Im Garten des Pfarrers von Taubenhain

Geht’s irre bei Nacht in der Laube.

Da flüstert und stöhnt’s so änstiglich;

Da rasselt, da flattert und sträubet es sich,

Wie gegen den Falken die Taube.

 

Es schleicht ein Flämmchen am Unkenteich,

Das flimmert und flammert so traurig.

Da ist ein Plätzchen, da wächst kein Gras;

Das wird vom Tau und vom Regen nicht naß;

Da wehen die Lüftchen so schaurig. –

 

Des Pfarrers Tochter von Taubenhain

War schuldlos, wie ein Täubchen.

Das Mädel war jung, war lieblich und fein,

Viel ritten der Freier nach Taubenhain,

Und wünschten Rosetten zum Weibchen. –

 

Von drüben herüber, von drüben herab,

Dort jenseits des Baches vom Hügel,

Blinkt stattlich ein Schloß auf das Dörfchen im Thal,

Die Mauern wie Silber, die Dächer wie Stahl,

Die Fenster wie brennende Spiegel.

 

Da trieb es der Junker von Falkenstein,

In Hüll’ und in Füll’ und in Freude.

Dem Jüngferchen lacht’ in die Augen das Schloß,

Ihm lacht’ in daß Herzchen der Junker zu Roß,

Im funkelnden Jägergeschmeide. –

 

Er schrieb ihr ein Briefchen auf Seidenpapier,

Umrändelt mit goldenen Kanten.

Er schickt’ ihr sein Bildnis, so lachend und hold,

Versteckt in ein Herzchen von Perlen und Gold;

Dabei war ein Ring mit Demanten. –

 

»Laß du sie nur reiten, und fahren und gehn!

Laß du sie sich werben zu Schanden!

Rosettchen, dir ist wohl was Bessers beschert.

Ich achte des stattlichsten Ritters dich wert,

Beliehen mit Leuten und Landen.

 

Ich hab’ ein gut Wörtchen zu kosen mit dir;

Das muß ich dir heimlich vertrauen.

D’rauf hätt’ ich gern heimlich erwünschten Bescheid.

Lieb Mädel, um Mitternacht bin ich nicht weit;

Sei wacker und laß dir nicht grauen!

 

Heut mitternacht horch auf den Wachtelgesang,

Im Weizenfeld’ hinter dem Garten.

Ein Nachtigallmännchen wird locken die Braut,

Mit lieblichem tief aufflötenden Laut;

Sei wacker und laß mich nicht warten!« –

 

Er kam in Mantel und Kappe vermummt,

Er kam um die Mitternachtstunde.

Er schlich, umgürtet mit Waffen und Wehr,

So leise so lose, wie Nebel, einher,

Und stillte mit Brocken die Hunde.

 

Er schlug der Wachtel hellgellenden Schlag,

Im Weizenfeld’ hinter dem Garten.

Dann lockte das Nachtigallmännchen die Braut,

Mit lieblichem tief aufflötenden Laut;

Und Röschen, ach! – ließ ihn nicht warten. –

 

Er wußte sein Wörtchen so traulich und süß

In Ohr und Herz ihr zu girren! –

Ach, Liebender Glauben ist willig und zahm!

Er sparte kein Locken, die schüchterne Scham

Zu seinem Gelüste zu kirren.

 

Er schwur sich bei allem, was heilig und hehr,

Auf ewig zu ihrem Getreuen.

Und als sie sich sträubte, und als er sie zog,

Vermaß er sich teuer, vermaß er sich hoch:

»Lieb Mädel, es soll dich nicht reuen!«

 

Er zog sie zur Laube, so düster und still,

Von blühenden Bohnen umdüftet.

Da pocht’ ihr das Herzchen; da schwoll ihr die Brust;

Da wurde vom glühenden Hauche der Lust

Die Unschuld zu Tode vergiftet. – – –

 

Bald, als auf duftendem Bohnenbeet

Die rötlichen Blumen verblühten,

Da wurde dem Mädel so übel und weh;

Da bleichten die rosichten Wangen zu Schnee;

Die funkelnden Augen verglühten.

 

Und als die Schote nun allgemach

Sich dehnt’ in die Breit’ und Länge;

Als Erdbeer’ und Kirsche sich rötet’ und schwoll;

Da wurde dem Mädel das Brüstchen zu voll,

Das seidene Röckchen zu enge.

 

Und als die Sichel zu Felde ging,

Hub’s an sich zu regen und strecken.

Und als der Herbstwind über die Flur,

Und über die Stoppel des Habers fuhr,

Da konnte sie’s nicht mehr verstecken.

 

Der Vater, ein harter und zorniger Mann,

Schalt laut die arme Rosette:

»Hast du dir erbuhlt für die Wiege das Kind,

So hebe dich mir aus den Augen geschwind

Und schaff’ auch den Mann dir ins Bette!«

 

Er schlang ihr fliegendes Haar um die Faust;

Er hieb sie mit knotigen Riemen.

Er hieb, das schallte so schrecklich und laut!

Er hieb ihr die sammtene Lilienhaut

Voll schnellender blutiger Striemen.

 

Er stieß sie hinaus in der finstersten Nacht

Bei eisigem Regen und Winden.

Sie klimmt’ am dornigen Felsen empor,

Und tappte sich fort, bis an Falkensteins Thor,

Dem Liebsten ihr Leid zu verkünden. –

 

»O weh mir daß du mich zur Mutter gemacht,

Bevor du mich machtest zum Weibe!

Sieh her! Sieh her! Mit Jammer und Hohn

Trag’ ich dafür nun den schmerzlichen Lohn,

An meinem zerschlagenen Leibe!«

 

Sie warf sich ihm bitterlich schluchzend ans Herz;

Sie bat, sie beschwur ihn mit Zähren:

»O mach’ es nun gut, was du übel gemacht!

Bist du es, der so mich in Schande gebracht,

So bring’ auch mich wieder zu Ehren!« –

 

»Arm Närrchen, versetzt’ er, daß thut mir ja leid!

Wir wollens am Alten schon rächen.

Erst gib dich zufrieden und harre bei mir!

Ich will dich schon hegen und pflegen allhier.

Dann wollen wir’s ferner besprechen.« –

 

»Ach, hier ist kein Säumen, kein Pflegen, noch Ruh’n!

Das bringt mich nicht wieder zu Ehren.

Hast du einst treulich geschworen der Braut,

So laß auch an Gottes Altare nun laut

Vor Priester und Zeugen es hören!« –

 

»Ho, Närrchen, so hab’ ich es nimmer gemeint!

Wie kann ich zum Weibe dich nehmen?

Ich bin ja entsprossen aus adligem Blut.

Nur Gleiches zu Gleichem gesellet sich gut;

Sonst müßte mein Stamm sich ja schämen.

 

Lieb Närrchen, ich halte dir’s, wie ich’s gemeint:

Mein Liebchen sollst immerdar bleiben.

Und wenn dir mein wackerer Jäger gefällt,

So lass’ ich’s mir kosten ein gutes Stück Geld.

Dann können wir’s ferner noch treiben.« –

 

»Daß Gott dich! – du schändlicher, bübischer Mann! –

Daß Gott dich zur Hölle verdamme! –

Entehr’ ich als Gattin dein adliges Blut,

Warum denn, o Bösewicht, war ich einst gut,

Für deine unehrliche Flamme? –

 

So geh dann und nimm dir ein adliges Weib! –

Das Blättchen soll schrecklich sich wenden!

Gott siehet und höret und richtet uns recht.

So müsse dereinst dein niedrigster Knecht

Das adlige Bette dir schänden! –

 

Dann fühle, Verräter, dann fühle wie’s thut,

An Ehr’ und an Glück zu verzweifeln!

Dann stoß’ an die Mauer die schändliche Stirn,

Und jag’ eine Kugel dir fluchend durch’s Hirn!

Dann, Teufel, dann fahre zu Teufeln!« –

 

Sie riß sich zusammen, sie raffte sich auf,

Sie rannte verzweifelnd von hinnen,

Mit blutigen Füßen, durch Distel und Dorn,

Durch Moor und Geröhricht, vor Jammer und Zorn

Zerrüttet an allen fünf Sinnen.

 

»Wohin nun, wohin, o barmherziger Gott,

Wohin nun auf Erden mich wenden?« –

Sie rannte, verzweifelnd an Ehr’ und an Glück,

Und kam in den Garten der Heimat zurück,

Ihr klägliches Leben zu enden.

 

Sie taumelt’, an Händen und Füßen verklomt,

Sie kroch zur unseligen Laube;

Und jach durchzuckte sie Weh auf Weh,

Auf ärmlichem Lager, bestreuet mit Schnee,

Von Reisicht und rasselndem Laube.

 

Es wand ihr ein Knäbchen sich weinend vom Schoß,

Bei wildem unsäglichen Schmerze.

Und als das Knäbchen geboren war,

Da riß sie die silberne Nadel vom Haar,

Und stieß sie dem Knaben ins Herze.

 

Erst, als sie vollendet die blutige That,

Mußt’ ach! ihr Wahnsinn sich enden.

Kalt wehten Entsetzen und Grausen sie an. –

»O Jesu, mein Heiland, was hab’ ich gethan?«

Sie wand sich das Bast von den Händen.

 

Sie kratzte mit blutigen Nägeln ein Grab,

Am schilfigen Unkengestade.

»Da ruh du, mein Armes, da ruh nun in Gott,

Geborgen auf immer vor Elend und Spott! –

Mich hacken die Raben vom Rade!« – –

 

Das ist das Flämmchen am Unkenteich;

Das flimmert und flammert so traurig.

Das ist das Plätzchen, da wächst kein Gras;

Das wird vom Tau und vom Regen nicht naß;

Da wehen die Lüftchen so schaurig!

 

Hoch hinter dem Garten von Rabenstein,

Hoch über dem Steine vom Rade

Blickt, hohl und düster, ein Schädel herab,

Daß ist ihr Schädel, der blicket aufs Grab,

Drei Spannen lang an dem Gestade.

 

Allnächtlich herunter vom Rabenstein,

Allnächtlich herunter von Rade

Huscht bleich und molkicht ein Schattengesicht,

Will löschen das Flämmchen, und kann es doch nicht,

Und wimmert am Unkengestade.

 

 

Der Kaiser und der Abt

Ich will euch erzählen ein Märchen, gar schnurrig:

Es war ‘mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig;

Auch war ‘mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr;

Nur schade! sein Schäfer war klüger, als Er.

 

Dem Kaiser ward’s sauer in Hitz’ und in Kälte:

Oft schlief er bepanzert im Kriegesgezelte;

Oft hatt’ er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst;

Und öfter noch litt’ er gar Hunger und Durst.

 

Das Pfäfflein, das wußte sich besser zu hegen,

Und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen.

Wie Vollmond glänzte sein feinstes Gesicht.

Drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht.

 

D’rob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader.

Einst ritt er, mit reisigem Kriegesgeschwader,

In brennender Hitze des Sommers vorbei.

Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei.

 

»Ha, dachte der Kaiser, zur glücklichen Stunde!«

Und grüßte das Pfäfflein mit höhnischem Munde:

»Knecht Gottes, wie geht’s dir? Mir däucht wohl ganz recht,

Das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.

 

Doch däucht mir daneben, euch plage viel Weile.

Ihr dankt mir’s wohl, wenn ich euch Arbeit erteile,

Man rühmet, ihr wäret der pfiffigste Mann,

Ihr hörtet das Gräschen fast wachsen, sagt man.

 

So geb’ ich denn euren zwei tüchtigen Backen

Zur Kurzweil drei artige Nüsse zu knacken.

Drei Monden von nun an bestimm’ ich zur Zeit.

Dann will ich auf diese drei Fragen Bescheid.

 

Zum ersten: Wann hoch ich, im fürstlichen Rate,

Zu Throne mich zeige im Kaiserornate,

Dann sollt ihr mir sagen, ein treuer Wardein,

Wie viel ich wohl wert, bis zum Heller mag sein?

 

Zum zweiten sollt ihr mir berechnen und sagen:

Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen?

Um keine Minute zu wenig und viel!

Ich weiß der Bescheid darauf ist euch nur Spiel.

 

Zum dritten noch sollst du, o Preis der Prälaten,

Aufs Härchen mir meine Gedanken erraten.

Die will ich dann treulich bekennen: allein

Es soll auch kein Titelchen Wahres d’ran sein.

 

Und könnt ihr mir diese drei Fragen nicht lösen,

So seid ihr die längste Zeit Abt hier gewesen;

So lass’ ich euch führen zu Esel durchs Land,

Verkehrt, statt des Zaumes, den Schwanz in der Hand.« –

 

D’rauf trabte der Kaiser mit Lachen von hinnen.

Das Pfäfflein zerriß und zerspliß sich mit Sinnen.

Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität,

Der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.

 

Er schickte nach ein, zwei, drei, vier Un’vers’täten,

Er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten,

Er zahlte Gebühren und Sportuln vollauf:

Doch löste kein Doktor die Fragen ihm auf.

 

Schnell wuchsen, bei herzlichem Zagen und Pochen,

Die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,

Die Wochen zu Monden; schon kam der Termin!

Ihm ward’s vor den Augen bald gelb und bald grün.

 

Nun sucht’ er, ein bleicher hohlwangiger Werther,

In Wäldern und Feldern die einsamsten Örter.

Da traf ihn, auf selten betretener Bahn,

Hans Bendix, sein Schäfer, am Felsenhang an.

 

»Herr Abt, sprach Hans Bendix, was mögt ihr euch grämen?

Ihr schwindet ja wahrlich dahin, wie ein Schemen.

Maria und Joseph! Wie hotzelt ihr ein!

Mein Sixchen! Es muß euch was angethan sein.« –

 

»Ach, guter Hans Bendix, so muß sich’s wohl schicken.

Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken,

Und hat mir drei Nüss’ auf die Zähne gepackt,

Die schwerlich Beelzebub selber wohl knackt.

 

Zum ersten: Wann hoch Er, im fürstlichen Rate,

Zu Throne sich zeiget, im Kaiserornate,

Dann soll ich ihm sagen, ein treuer Wardein,

Wie viel er wohl wert, bis zum Heller mag sein?

 

Zum zweiten soll ich ihm berechnen und sagen:

Wie bald er zu Rosse die Welt mag umjagen?

Um keine Minute zu wenig und viel!

Er meint, der Bescheid darauf wäre nur Spiel.

 

Zum dritten, ich ärmster von allen Prälaten,

Soll ich ihm gar seine Gedanken erraten;

Die will er mir treulich bekennen: allein

Es soll auch kein Titelchen Wahres d’ran sein.

 

Und kann ich ihm diese drei Fragen nicht lösen,

So bin ich die längste Zeit Abt hier gewesen;

So läßt er mich führen zu Esel durch’s Land,

Verkehrt, statt des Zaumes, den Schwanz in der Hand.« –

 

»Nichts weiter? erwidert Hans Bendix mit Lachen,

Herr, gebt euch zufrieden! das will ich schon machen.

Nur borgt mir eu’r Käppchen, eu’r Kreuzchen und Kleid;

So will ich schon geben den rechten Bescheid.

 

Versteh’ ich gleich nichts von lateinischen Brocken,

So weiß ich den Hund doch vom Ofen zu locken.

Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt,

Das hab’ ich von meiner Frau Mutter geerbt.«

 

Da sprang, wie ein Böcklein, der Abt vor Behagen.

Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen,

Ward stattlich Hans Bendix zum Abte geschmückt,

Und hurtig zum Kaiser nach Hofe geschickt.

 

Hier thronte der Kaiser im fürstlichen Rate,

Hoch prangt’ er, mit Zepter und Kron’ im Ornate:

»Nun sagt mir, Herr Abt, als ein treuer Wardein,

Wie viel ich itzt wert, bis zum Heller, mag sein?« –

 

»Für dreißig Reichsgulden ward Christus verschachert;

D’rum gäb’ ich, so sehr ihr auch pochet und prachert,

Für euch keinen Deut mehr, als zwanzig und neun,

Denn Einen müßt ihr doch wohl minder wert sein.« –

 

»Hum, sagte der Kaiser, der Grund läßt sich hören,

Und mag den durchlauchtigen Stolz wohl bekehren.

Nie hätt’ ich, bei meiner hochfürstlichen Ehr’!

Geglaubet, daß so spottwohlfeil ich wär’.

 

Nun aber sollst du mir berechnen und sagen:

Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen?

Um keine Minute zu wenig und viel!

Ist dir der Bescheid darauf auch nur ein Spiel?« –

 

»Herr, wenn mit der Sonn’ ihr früh sattelt und reitet,

Und stets sie in einerlei Tempo begleitet,

So setz’ ich mein Kreuz und mein Käppchen daran,

In zweimal zwölf Stunden in alles gethan.« –

 

»Ha, lachte der Kaiser, vortrefflicher Haber!

Ihr futtert die Pferde mit Wenn und mit Aber.

Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht,

Hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht.

 

Nun aber zum dritten, nun nimm dich zusammen!

Sonst muß ich dich dennoch zum Esel verdammen.

Was denk’ ich, das falsch ist? das bringe heraus!

Nur bleib mir mit Wenn und mit Aber zu Haus!« –

 

»Ihr denket, ich sei der Herr Abt von St. Gallen.« –

»Ganz recht! Und das kann von der Wahrheit nicht fallen.« –

»Sein Diener, Herr Kaiser! Euch trüget eu’r Sinn:

Denn wißt, daß ich Bendix, sein Schäfer, nur bin!« –

 

»Was Henker! Du bist nicht der Abt von St. Gallen?«

Rief hurtig, als wär’ er vom Himmel gefallen,

Der Kaiser mit frohem Erstaunen darein;

»Wohlan denn, so sollst du von nun an es sein!

 

Ich will dich belehnen mit Ring und mit Stabe.

Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe!

Und lerne fortan erst quid iuris verstehn!

Denn wenn man will ernten, so muß man auch sä’n.« –

 

»Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben!

Ich kann ja nicht lesen, noch rechnen und schreiben;

Auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein.

Was Hänschen versäumet holt Hans nicht mehr ein.« –

 

»Ach, guter Hans Bendix, das ist ja recht schade!

Erbitte demnach dir ein’ andere Gnade!

Sehr hat mich ergötzet dein lustiger Schwank:

D’rum soll dich auch wieder ergötzen mein Dank.« –

 

»Herr Kaiser, groß hab’ ich so eben nichts nötig:

Doch seid ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig,

So will ich mir bitten zum ehrlichen Lohn,

Für meinen hochwürdigen Herren Pardon.« –

 

»Ha bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle,

Das Herz, wie den Kopf, auf der richtigen Stelle.

D’rum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt,

Und obenein dir ein Panisbrief beschert:

 

Wir lassen dem Abt von St. Gallen entbieten:

Hans Bendix soll ihm nicht die Schafe mehr hüten.

Der Abt soll sein pflegen, nach unserm Gebot,

Umsonst, bis an seinen sanftseligen Tod.«

 

 

Die Kuh

Frau Magdalis weint’ auf ihr letztes Stück Brot.

Sie konnt’ es vor Kummer nicht essen.

Ach, Witwen bekümmert oft größere Not,

Als glückliche Menschen ermessen.

 

»Wie tief ich auf immer geschlagen nun bin!

Was hab’ ich, bist du erst verzehret?« –

Denn, Jammer! ihr Eins und ihr Alles war hin,

Die Kuh, die bisher sie ernähret. –

 

Heim kamen mit lieblichem Schellengetön

Die Andern, gesättigt in Fülle.

Vor Magdalis Pforte blieb keine mehr stehn

Und rief ihr, mit sanftem Gebrülle.

 

Wie Kindlein, welche der nährenden Brust

Der Mutter sich sollen entwöhnen,

So klagte sie Abend und Nacht den Verlust

Und löschte ihr Lämpchen mit Thränen.

 

Sie sank auf ihr ärmliches Lager dahin,

In hoffnungslosem Verzagen,

Verwirrt und zerrüttet an jeglichem Sinn,

An jeglichem Gliede zerschlagen.

 

Doch stärkte kein Schlaf sie von Abend bis früh.

Schwer abgemüdet, im Schwalle

Von ängstlichen Träumen, erschütterten sie

Die Schläge der Glockenuhr alle.

 

Früh that ihr des Hirtenhornes Getön

Ihr Elend von neuem zu wissen.

»O wehe! Nun hab’ ich nichts aufzustehn!« –

So schluchzte sie nieder ins Kissen.

 

Sonst weckte des Hornes Geschmetter ihr Herz,

Den Vater der Güte zu preisen.

Jetzt zürnet’ und hadert’ entgegen ihr Schmerz

Dem Pfleger der Witwen und Waisen.

 

Und horch! Auf Ohr und auf Herz, wie ein Stein

Fiel’s ihr, mit dröhnendem Schalle.

Ihr rieselt’ ein Schauer durch Mark und Gebein:

Es dünkt’ ihr, wie Brüllen im Stalle.

 

»O Himmel! Verzeihe mir jegliche Schuld,

Und ahnde nicht meine Verbrechen!«

Sie wähnt’, es erhübe sich Geistertumult,

Ihr sträfliches Zagen zu rächen.

 

Kaum aber hatte vom schrecklichen Ton

Sich mählich der Nachhall verloren,

So drang ihr noch lauter und deutlicher schon

Daß Brüllen vom Stalle zu Ohren.

 

»Barmherziger Himmel, erbarme dich mein,

Und halte den Bösen in Banden!«

Tief barg sie daß Haupt in die Kissen hinein,

Daß Hören und Sehen ihr schwanden.

 

Hier schlug ihr, indem sie im Schweiße zerquoll,

Daß bebende Herz, wie ein Hammer;

Und drittes noch lauteres Brüllen erscholl,

Als wär’s vor dem Bett’ in der Kammer.

 

Nun sprang sie mit wildem Entsetzen heraus;

Stieß auf die Laden der Zelle;

Schon strahlte der Morgen; der Dämmerung Graus

Mich seiner erfreulichen Helle.

 

Und als sie mit heiligem Kreuz sich versehn:

»Gott helfe mir gnädiglich, Amen!« –

Da wagte sie’s zitternd zum Stalle zu gehn,

In Gottes allmächtigem Namen.

 

O Wunder! Hier kehrte die herrlichste Kuh,

So glatt und so blank, wie ein Spiegel,

Die Stirne mit silbernem Sternchen ihr zu.

Vor Staunen entsank ihr der Riegel.

 

Dort füllte die Krippe frisch duftender Klee

Und Heu den Stall, sie zu nähren;

Hier leuchtet’ ein Eimerchen, weiß wie der Schnee,

Die strotzenden Euter zu leeren.

 

Sie trug ein zierlich beschriebenes Blatt,

Um Stirn und Hörner gewunden:

»Zum Troste der guten Frau Magdalis hat

N.N. hieher mich gebunden.« –

 

Gott hatt’ es ihm gnädig verliehen, die Not

Des Armen so wohl zu ermessen.

Gott hatt’ ihm verliehen ein Stücklein Brot,

Das konnt’ er allein nicht essen. –

 

Mir däucht, ich wäre von Gott ersehn,

Was gut und was schön ist, zu preisen:

Dabei besing’ ich, was gut ist und schön,

In schlicht einfältigen Weisen.

 

»So, schwur mir ein Maurer, so ist es geschehn!«

Allein er verbot mir den Namen.

Gott lass’ es dem Edlen doch wohl ergehn!

Das bet’ ich herzinniglich, Amen!

 

Das Lied von Treue

Wer gern treu eigen sein Liebchen hat,

Den necken Stadt

Und Hof mit gar mancherlei Sorgen.

Der Marschall von Holm, den das Necken verdroß,

Hielt klüglich deswegen auf ländlichem Schloß

Seitweges sein Liebchen verborgen.

 

Der Marschall achtet’ es nicht Beschwer,

Oft hin und her

Bei Nacht und bei Nebel zu jagen.

Er ritt, wann die Hähne das Morgenlied krähn,

Um wieder am Dienste des Hofes zu stehn,

Zur Stunde der lungernden Magen.

 

Der Marschall jagte voll Liebesdrang

Das Feld entlang,

Vom Hauche der Schatten befeuchtet.

»Hui, tummle dich, Senner! Versäume kein Nu!

Und bring’ mich zum Nestchen der Wollust und Ruh,

Eh’ heller der Morgen uns leuchtet!«

 

Er sah sein Schlößchen bald nicht mehr fern,

Und wie den Stern

Des Morgens das Fensterglas flimmern.

»Geduld noch, o Sonne, du weckendes Licht,

Erwecke mein schlummerndes Liebchen noch nicht!

Hör’ auf, ihr ins Fenster zu schimmern!«

 

Er kam zum schattenden Park am Schloß

Und band sein Roß

An eine der duftenden Linden.

Er schlich zu dem heimlichen Pförtchen hinein,

Und wähnt’ im dämmernden Kämmerlein

Süß träumend sein Liebchen zu finden.

 

Doch als er leise vors Bettchen kam,

O weh! da nahm

Der Schrecken ihm alle fünf Sinnen.

Die Kammer war öde, das Bette war kalt. –

»O wehe! Wer stahl mir mit Räuber-Gewalt

So schändlich mein Kleinod von hinnen?« –

 

Der Marschall stürmte mit raschem Lauf

Treppab, treppauf,

Und stürmte von Zimmer zu Zimmer.

Er rufte, kein Seelchen erwiderte drauf –

Doch endlich ertönte tief unten herauf

Vom Kellergewölb’ ein Gewimmer.

 

Das war des ehrlichen Schloßvogts Ton.

Aus Schuld entflohn

War alle sein falsches Gesinde.

»O Henne, wer hat dich herunter gezerrt?

Wer hat so vermessen hier ein dich gesperrt?

Wer? Sag mir geschwinde, geschwinde!« –

 

»O Herr, die schändlichste Frevelthat

Ist durch Verrat

Dem Junker vom Steine gelungen.

Er raubte das Fräulein bei sicherer Ruh,

Und eure zwei wackeren Hunde dazu

Sind mit dem Verräter entsprungen.«

 

Das dröhnt dem Marschall durch Mark und Bein.

Wie Wetterschein

Entlodert sein Sarras der Scheide.

Vom Donner des Fluches erschallet das Schloß.

Er stürmet im Wirbel der Rache zu Roß,

Und sprenget hinaus auf die Heide.

 

Ein Streif im Taue durch Heid’ und Wald

Verrät ihm bald,

Nach wannen die Flüchtling’ entschwanden.

»Nun strecke, mein Senner, nun strecke dich aus,

Nur dies Mal, ein einzig Mal halt nur noch aus,

Und laß mich nicht werden zu Schanden!

 

Hallo! Als ging’ es zur Welt hinaus,

Greif aus, greif aus!

Dies letzte noch laß uns gelingen!

Dann sollst du für immer auf schwellender Streu,

Bei goldenem Haber, bei duftendem Heu

Dein Leben in Ruhe verbringen.«

 

Lang streckt der Senner sich aus und fleucht.

Den Nachttau streicht

Die Sohle des Reiters vom Grase.

Der Stachel der Ferse, das Schrecken des Rufs

Verdoppeln den Donnergaloppschlag des Hufs,

Verdoppeln die Stürme der Nase. –

 

Sieh, da! Am Rande vom Horizont

Scheint hell besonnt

Ein Büschel vom Reiher zu schimmern.

Kaum sprengt er den Rücken des Hügels hinan,

So springen ihn seine zwei Doggen schon an,

Mit freudigem Heulen und Wimmern.

 

»Verruchter Räuber, halt an, halt an,

Und steh dem Mann,

An dem du Verdammnis erfrevelt!

Verschlänge doch stracks dich ihr glühender Schlund!

Und müßtest du ewig da flackern, o Hund,

Vom Zeh bis zum Wirbel beschwefelt!«

 

Der Herr vom Steine war in der Brust

Sich Muts bewußt,

Und Kraft in dem Arme von Eisen.

Er drehte den Nacken, er wandte sein Roß,

Die Brust, die die trotzige Rede verdroß,

Dem wilden Verfolger zu weisen.

 

Der Herr vom Steine zog mutig blank,

Und rasselnd sprang,

So Dieser, wie Jener, vom Pferde.

Wie Wetter erhebt sich der grimmigste Kampf.

Das Stampfen der Kämpfer zermalmet zu Dampf

Den Sand und die Schollen der Erde.

 

Sie haun und hauen mit Tigerwut,

Bis Schweiß und Blut

Die Panzer und Helme betauen.

Doch Keiner vermag, so gewaltig er ringt,

So hoch er das Schwert und so sausend ers schwingt,

Den Gegner zu Boden zu hauen.

 

Doch als wohl Beiden es allgemach

An Kraft gebrach,

Da keuchte der Junker vom Steine:

»Herr Marschall, gefiel’ es, so möchten wir hier

Ein Weilchen erst ruhen, und trautet ihr mir,

So spräch’ ich ein Wort, wie ichs meine.«

 

Der Marschall, senkend sein blankes Schwert,

Hält an und hört

Die Rede des Junkers vom Steine:

»Herr Marschall, was haun wir das Leder uns wund?

Weit besser bekäm’ uns ein friedlicher Bund,

Der brächt’ uns auf Einmal ins Reine.

 

Wir haun, als hackten wir Fleisch zur Bank,

Und keinen Dank

Hat doch wohl der blutige Sieger.

Laßt wählen das Fräulein nach eigenem Sinn,

Und wen sie erwählet, der nehme sie hin!

Beim Himmel, das ist ja viel klüger!«

 

Das stand dem Marschall nicht übel an.

»Ich bin der Mann!«

So dacht’ er bei sich, den sie wählet.

»Wann hab’ ich nicht Liebes gethan und gesagt?

Wann hats ihr an allem, was Frauen behagt,

So lang’ ich ihr diene, gefehlet?

 

Ach, wähnt er zärtlich, sie läßt mich nie!

Zu tief hat sie

Den Becher der Liebe gekostet!« –

O Männer der Treue, jetzt warn’ ich euch laut:

Zu fest nicht aufs Biedermanns-Wörtchen gebaut,

Daß ältere Liebe nicht rostet!

 

Das Weib zu Rosse vernahm sehr gern

Den Bund von fern

Und wählte vor Freuden nicht lange.

Kaum hatten die Kämpfer sich zu ihr gewandt,

So gab sie dem Junker vom Steine die Hand.

O pfui! die verrätrische Schlange! –

 

O pfui! Wie zog sie mit leichtem Sinn

Dahin, dahin,

Von keinem Gewissen beschämet!

Versteinert blieb Holm an der Stelle zurück,

Mit bebenden Lippen, mit starrendem Blick,

Als hätt’ ihn der Donner gelähmet.

 

Allmählich taumelt’ er matt und blaß

Dahin ins Gras,

Zu seinen geliebten zwei Hunden.

Die alten Gefährten, von treuerem Sinn,

Umschnoberten traulich ihm Lippen und Kinn,

Und leckten das Blut von den Wunden.

 

Das bracht’ in seinen umflorten Blick

Den Tag zurück,

Und Lebensgefühl in die Glieder.

In Thränen verschlich sich allmählich sein Schmerz.

Er drückte die guten Getreuen ans Herz,

Wie leibliche liebende Brüder.

 

Gestärkt am Herzen durch Hundetreu,

Erstand er neu

Und wacker, von hinnen zu reiten.

Kaum hatt’ er den Fuß in den Bügel gesetzt,

Und vorwärts die Doggen zu Felde gehetzt,

So hört’ er sich rufen vom weiten.

 

Und sieh! auf seinem beschäumten Roß,

Schier atemlos,

Ereilt’ ihn der Junker vom Steine.

»Herr Marschall, ein Weilchen nur haltet noch an!

Wir haben der Sache kein Gnügen gethan;

Ein Umstand ist noch nicht ins Reine.

 

Die Dame, der ich mich eigen gab,

Läßt nimmer ab,

Nach euern zwei Hunden zu streben.

Sie legt mir auch diese zu fodern zur Pflicht.

Drum muß ich, gewährt Ihr in Güte sie nicht,

Drob kämpfen auf Tod und auf Leben.« –

 

Der Marschall rühret nicht an sein Schwert,

Steht kalt und hört

Die Mutung des Junkers vom Steine.

»Herr Junker, was haun wir daß Leder uns wund?

Weit besser bekommt uns ein friedlicher Bund,

Der bringt uns auf Einmal ins Reine.

 

Wir haun, als backten wir Fleisch zur Bank,

Und keinen Dank

Hat doch wohl der blutige Sieger.

Laßt wählen die Köter nach eigenem Sinn,

Und wen sie erwählen, der nehme sie hin!

Beim Himmel! das ist ja viel klüger.«

 

Der Herr vom Steine verschmerzt den Stich

Und wähnt in sich:

Es soll mir wohl dennoch gelingen!

Er locket, er schnalzet mit Zung’ und mit Hand,

Und hoffet bei Schnalzen und Locken sein Band

Bequem um die Hälse zu schlingen.

 

Er schnalzt und klopfet wohl sanft aufs Knie,

Lockt freundlich sie

Durch alle gefälligen Töne.

Er weiset vergebens sein Zuckerbrot vor.

Sie weichen und springen am Marschall empor,

Und weisen dem Junker die Zähn

 

 

Graf Walter

Nach dem Altenglischen

 

 

Graf Walter rief am Marstallsthor:

»Knapp, schwemm’ und kämm’ mein Roß!«

Da trat ihn an die schönste Maid,

Die je ein Graf genoß.

 

»Gott grüße dich, Graf Walter, schön!

Sieh her, sieh meinen Schurz!

Mein goldner Gurt war sonst so lang,

Nun ist er mir zu kurz.

 

Mein Leib trägt deiner Liebe Frucht.

Sie pocht, sie will nicht ruhn.

Mein seidnes Röckchen, sonst so weit,

Zu eng’ ist mir es nun.« –

 

»O Maid, gehört mir, wie du sagst,

Gehört das Kindlein mein,

So soll all all mein rotes Gold

Dafür dein eigen sein.

 

O Maid, gehört mir, wie du schwörst,

Gehört das Kindlein mein,

So soll mein Land und Leut’ und Burg

Dein und des Kindleins sein.« –

 

»O Graf, was ist für Lieb’ und Treu

All all dein rotes Gold?

All all dein Land und Leut’ und Burg

Ist mir ein schnöder Sold.

 

Ein Liebesblick aus deinem Aug’,

So himmelblau und hold,

Gilt mir, und wär’ es noch so viel,

Für all dein rotes Gold.

 

Ein Liebeskuß von deinem Mund,

So purpurrot und süß,

Gilt mir für Land und Leut’ und Burg,

Und wär’s ein Paradies.« –

 

»O Maid, früh morgen trab’ ich weit

Zu Gast nach Weißenstein,

Und mit mir muß die schönste Maid,

Wohl auf, wohl ab am Rhein.« –

 

»Trabst du zu Gast nach Weißenstein,

So weit schon morgen früh;

So laß, o Graf, mich mit dir gehn,

Es ist mir kleine Müh.

 

Bin ich schon nicht die schönste Maid,

Wohl auf, wohl ab am Rhein;

So kleid’ ich mich in Bubentracht,

Dein Leibbursch dort zu sein.« –

 

»O Maid, willst du mein Leibbursch sein,

Und heißen Er statt Sie;

So kürz’ dein seidnes Röcklein dir

Halb zollbreit überm Knie.

 

So kürz’ dein goldnes Härlein dir

Halb zollbreit überm Aug!

Dann magst du wohl mein Leibbursch sein;

Denn also ist es Brauch.« –

 

Beiher lief sie den ganzen Tag,

Beiher im Sonnenstrahl;

Doch sprach er nie so hold ein Wort:

Nun, Liebchen, reit’ ein mal!

 

Sie lief durch Heid- und Pfriemenkraut,

Lief barfuß neben an;

Doch sprach er nie so hold ein Wort:

O Liebchen, schuh dich an! –

 

»Gemach, gemach, du trauter Graf!

Was jagst du so geschwind?

Ach, meinen armen armen Leib

Zersprengt mir sonst dein Kind.« –

 

»Ho, Maid, siehst du das Wasser dort,

Dem Brück’ und Steg gebricht?« –

»O Gott, Graf Walter, schone mein!

Denn schwimmen kann ich nicht.« –

 

Er kam zum Strand, er setzt’ hinein,

Hinein bis an das Kinn. –

»Nun steh’ mir Gott im Himmel bei!

Sonst ist dein Kind dahin.« –

 

Sie rudert wohl mit Arm und Bein,

Hält hoch empor ihr Kinn.

Graf Waltern pochte hoch das Herz;

Doch folgt’ er seinem Sinn.

 

Und als er überm Wasser war,

Rief er sie an sein Knie:

»Komm her, o Maid, und sieh, was dort,

Was fern dort funkelt, sieh!

 

Siehst du wohl funkeln dort ein Schloß,

Im Abendstrahl wie Gold?

Zwölf schöne Jungfraun spielen dort.

Die Schönste ist mir hold.

 

Siehst du wohl funkeln dort das Schloß,

Aus weißem Stein erbaut?

Zwölf schöne Jungfraun tanzen dort.

Die Schönst’ ist meine Braut.« –

 

»Wohl funkeln seh ich dort ein Schloß,

Im Abendstrahl wie Gold.

Gott segne, Gott behüte dich,

Sammt deinem Liebchen hold!

 

Wohl funkeln seh’ ich dort das Schloß,

Aus weißem Stein erbaut.

Gott segne, Gott behüte dich,

Sammt deiner schönen Braut!« –

 

Sie kamen wohl zum blanken Schloß,

Wie Gold im Abendstrahl,

Zum Schloß, erbaut aus weißem Stein,

Mit stattlichem Portal.

 

Sie sahn wohl die zwölf Jungfraun schön;

Sie spielten lustig Ball.

Die zwölfmal schöner war, als sie,

Zog still ihr Roß zu Stall.

 

Sie sahn wohl die zwölf Jungfraun schön;

Sie tanzten froh ums Schloß.

Die zwölfmal schöner war, als sie,

Zog still zur Weid’ ihr Roß.

 

Des Grafen Schwester wundersvoll,

Gar wundersvoll sprach sie:

»Ha, welch ein Leibbursch! Nein, so schön

War nie ein Leibbursch! Nie!

 

Ha, schöner als ein Leibbursch je

Des höchsten Herrn gepflegt!

Nur daß sein Leib, zu voll und rund,

So hoch den Gürtel trägt!

 

Mir däucht, wie meiner Mutter Kind,

Lieb’ ich ihn zart und rein.

Dürft’ ich, so räumt’ ich wohl zu Nacht

Gemach und Bett ihm ein.« –

 

»Dem Bürschchen, rief Herr Walter stolz,

Das lief durch Kot und Moor,

Ziemt nicht der Herrin Schlafgemach,

Ihr Bett nicht von Drapd’or.

 

Ein Bürschchen, das den ganzen Tag

Durch Kot lief und durch Moor,

Speist wohl sein Nachtbrot von der Faust,

Und sinkt am Herd’ aufs Ohr.« –

 

Nach Vespermahl und Gratias

Ging Jedermann zur Ruh.

Da rief Graf Walter: »Hier, mein Bursch!

Was ich dir sag’, das thu!

 

Hinab, geh flugs hinab zur Stadt,

Geh alle Gassen durch!

Die schönste Maid, die du ersiehst,

Bescheide flugs zur Burg!

 

Die schönste Maid, die du ersiehst,

All säuberlich und nett,

Von Fuß zu Haupt, von Haupt zu Fuß,

Die wirb mir für mein Bett!« –

 

Uns flugs ging sie hinab zur Stadt,

Ging alle Gassen durch.

Die schönste Maid, die sie ersah,

Beschied sie flugs zur Burg.

 

Die schönste Maid, die sie ersah,

All säuberlich und nett,

Von Fuß zu Haupt, von Haupt zu Fuß,

Die warb sie ihm fürs Bett. –

 

»Nun laß, o Graf, am Bettfuß nur

Mich ruhn bis an den Tag!

Im ganzen Schloß ist sonst kein Platz,

Woselbst ich rasten mag.« –

 

Auf seinen Wink am Bettfuß sank

Die schönste Maid dahin,

Und ruhte bis zum Morgengrau

Mit stillem frommen Sinn. –

 

»Hallo! Hallo! Es tönet bald

Des Hirten Dorfschallmei.

Auf, fauler Leibbursch! Gib dem Roß,

Gib Haber ihm und Heu!

 

Bursch, goldnen Haber gib dem Roß,

Und frisches grünes Heu!

Damit es rasch und wohlgemut

Mich heimzutragen sei.« –

 

Die sank wohl an die Kripp’ im Stall;

Ihr Leib war ihr so schwer.

Sie krümmte sich auf rauhem Stroh

Und wimmert’, o wie sehr!

 

Da fuhr die alte Gräfin auf,

Erweckt vom Klageschall;

»Auf, auf, Sohn Walter, auf und sieh!

Was ächzt in deinem Stall?

 

In deinem Stalle haust ein Geist

Und stöhnt in Nacht und Wind.

Es stöhnet, als gebäre dort

Ein Weiblein jetzt ihr Kind.« –

 

Hui sprang Graf Walter auf und griff

Zum Hacken an der Wand.

Und warf um seinen weißen Leib

Das seidne Nachtgewand.

 

Und als er vor die Stallthür trat,

Lauscht’ er gar still davor.

Das Ach und Weh der schönsten Maid

Schlug kläglich an sein Ohr.

 

Sie sang: »Susu, lullull mein Kind!

Mich jammert deine Not.

Susu, lullull, susu, lieb lieb!

O weine dich nicht tot!

 

Sammt deinem Vater schreibe Gott

Dich in sein Segensbuch!

Werd’ ihm und dir ein Purpurkleid,

Und mir ein Leichentuch!« –

 

»O nun, o nun, süß süße Maid,

Süß süße Maid, halt ein!

Mein Busen ist ja nicht von Eis

Und nicht von Marmelstein.

 

O nun, o nun, süß süße Maid,

Süß süße Maid, halt ein!

Es soll ja Tauf’ und Hochzeit nun

In einer Stunde sein.« –

 

 

Lückenbüßer

Ein Harfner hatt’ ein Harfenspiel

Für seine Hand ersonnen.

Drauf hatt’ er süßen Lobes viel

Im Land’ umher gewonnen.

 

Keck stahl das Harfenspiel ein Schwarm

Von Affen gleichen Jüngern,

Und quälte sich, daß Gott erbarm!

Dem Harfner nachzufingern.

 

Viel Glück, viel Glück zum Ehrenschmaus,

Ihr ruhmbeflißnen Jünger!

Die Harfe machts allein nicht aus,

Stehlt ihm auch Hand und Finger!

 

 

Drittes Buch

 

Vermischte Gedichte

 

An Arist

Wenn der gute Himmel mir

Ewig, ewig doch vergönnte,

Daß ich, braver Mann, mit dir

Meine Tage leben könnte!

Nimmer, nimmer wollt’ ich dann

Noch nach andern Freuden jagen.

Ja, fürwahr! ich wollte d’ran

Kein gemeines Opfer wagen.

Lieb’ und Wein wollt’ in entsagen,

Deren doch ein froher Mann

Nicht gar leicht entraten kann.

 

 

Das Dörfchen

Ich rühme mir

Mein Dörfchen hier!

Denn schön’re Auen,

Als rings umher

Die Blicke schauen,

Blüh’n nirgends mehr.

Welch ein Gefilde,

Zum schönsten Bilde

Für Dietrichs Hand!

Hier Felsenwand,

Dort Ährenfelder

Und Wiesengrün,

Dem blaue Wälder

Die Gränze ziehn!

In jener Höhe

Die Schäferei,

Und in der Nähe

Mein Sorgenfrei!

So nenn’ ich meine

Geliebte, kleine

Einsiedelei,

Worin ich lebe,

Zur Lust versteckt,

Die ein Gewebe

Von Ulm’ und Rebe

Grün überdeckt.

 

Dort kränzen Schlehen

Die braune Kluft,

Und Pappeln wehen

In blauer Luft.

Mit sanftem Rieseln

Schleicht hier gemach

Auf Silberkieseln

Ein heller Bach;

Fließt unter Zweigen,

Die über ihn

Sich wölbend neigen,

Bald schüchtern hin;

Läßt bald im Spiegel

Den grünen Hügel,

Wo Lämmer gehn,

Des Ufers Büschchen

Und alle Fischchen

Im Grunde sehn,

Da gleiten Schmerlen

Und blasen Perlen.

Ihr schneller Lauf

Geht bald hinnieder,

Und bald herauf

Zur Fläche wieder.

 

Schön ist die Flur;

Allein Elise

Macht sie mir nur

Zum Paradiese.

 

Der erste Blick

Des morgens wecket

Auch unser Glück.

Nur leicht bedecket

Führt sie mich hin,

Wo Florens Beete

Die Königin

Der Morgenröte

Mit Thränen näßt,

Und Perlen blitzen

Von allen Spitzen

Des Grafes läßt.

Die Knospe spaltet

Die volle Brust;

Die Blume faltet

Sich auf zur Lust.

Sie blüht, und blühet

Doch schöner nicht,

Als das Gesicht

Elisens glühet.

 

Wanns heißer wird

Geht man selbander

Zu dem Mäander,

Der unten irrt.

Da sinkt zum Bade

Der Schäferin,

An das Gestade,

Das Röckchen hin.

Soll ich nicht eilen,

Die Lust zu teilen? –

Der Tag ist schwül,

Geheim die Stelle,

Und klar und kühl

Die Badequelle.

 

Ein leichtes Mahl

Mehrt dann die Zahl

Von unsern Freunden.

In weichem Gras,

An Pappelweiden,

Steht zwischen Beiden

Das volle Glas.

Der Trunk erweitert

Nun bald das Herz,

Und Witz erheitert

Den sanften Scherz.

Sie kömmt, und winket,

Und schenkt mir ein,

Doch lachend trinket

Sie selbst den Wein;

Flieht dann und dünket

Sich gut versteckt;

Doch bald entdeckt,

Muß sie mit Küssen

Den Frevel büßen.

 

Drauf mischet sie

Die Melodie

Der süßen Kehle

In das Ahi

Der Philomele,

Die so voll Seele

Nie sang, wie sie.

 

So zirkeln immer

Lust und Genuß,

Und Überdruß,

Befällt uns nimmer.

 

O Seligkeit!

Daß doch die Zeit

Dich nie zerstöre!

Mir frisches Blut,

Ihr treuen Mut

Und Reiz gewähre!

Das Glück mag dann,

Mit vollen Händen,

An Jedermann,

Der schleppen kann,

Sich arm verschwenden.

Ich seh’ es an,

Entfernt vom Neide,

Und stimme dann

Mein Liedchen an,

Zum Tanz der Freude:

Ich rühme mir

Mein Dörfchen hier!

 

 

Zum Spatz, der sich auf dem Saale gefangen hatte

Bons dies, Herr Spatz! Ei, seht doch ‘mal!

Willkommen hier auf meinem Saal!

Er ist gefangen, sieht er wohl?

Und stellt’ er sich auch noch so toll,

Und flög’ er ewig, kreuz und quer,

Nach allen Fenstern hin und her,

Zerbräch’ auch Schnabel sich und Kopf,

Er ist gefangen, armer Tropf!

Ich sein Despot, und er mein Sklav!

Er sei Prinz, Junker, oder Graf,

Bei seinem Spatzvolk! – Hör’ er nun,

Was all’ ich mit ihm könnte thun.

Zerzupfen, rupfen, Hals umdrehn –

Da wird nicht Hund noch Hahn nach krähn –

Zerschlagen ihn, mit einem Hieb’,

Und das mit Recht, Herr Galgendieb!

Weiß er die Kirschen, die verschmitzt

Er vor dem Maul mir wegstipitzt?

Auch würd’ es Fürstenkurzweil sein,

Ließ’ ich den Kater Lips herein.

Wenn ich ja übergnädig wär’,

So holt’ ich eine scharfe Scher’,

Und schnitt’ ihm ab die Flügelein,

Sammt seinem kecken Schwänzelein.

Dann müßt’ er unter Bett’ und Bank

Im Staube flattern lebenslang. –

He! Bürschchen, wie ist ihm zu Sinn? –

Doch, seh’ er, daß ein Mensch ich bin!

Ich lass’ ihn wieder frank und frei.

Doch daß stets eingedenk ihm sei,

Die Freiheit sei ein goldner Schatz,

So hudelt man ihn erst, Herr Spatz,

Und scheucht ihn hin und her husch! husch!

Nun Fenster auf! Hinaus zu Busch!

 

Hu hu! Despotenhudelei!

Gott wahre mich vor Sklaverei!

 

 

Mamsell La Regle

Halb griechische, halb auch französische Donne,

Ist Regula die wackerste Ma Bonne;

Nimmt sorgsam überall, nimmt Tag und Nacht

Die lieben Kinderchen gar wohl in acht;

Weiß wohlgewandt zu gängeln, weiß spazieren

Den kleinen Trupp vorsichtiglich zu führen;

Und läßt fürwahr die trauten Kindelein

Gefahr und Leid nicht eben leicht bedräun.

Das kleine Volk nicht zu skandalisieren,

Mag man sich gern ein wenig mit genieren.

Oft hat’s mich, wann um nichts und wieder nichts,

So Einer da, unartigen Gezüchts,

Aus Übermut, der Bonne bloß zum Possen,

Nicht folgsam war, oft hat’s mich bald verdrossen.

Doch wenn sie gar zu steif, mit Schneckenschritt,

Durch nackte Gäng’ und Sand-Alleen tritt,

Und hin und her hofmeistert: »Fein gerade!

Hübsch Füßchen aus- und einwärts hübsch die Wade!

Den Rücken schlank! Fein Hals und Kopf empor!

Zurück die Schultern! Bauch ein! Brust hervor!«

Und wehren will, zur Linken oder Rechten,

Eins auszutraben, Strauß und Kranz zu flechten,

Das laßt hier ein und aus zum Ohr dort wehn!

Laßt, Brüderchen, die alte Strunsel gehn!

Nur Kinder mag also ihr Laufzaum schürzen!

Was thut’s, ob wir ‘mal stolpern oder stürzen?

 

 

Notgedrungene Epistel des berühmten Schneiders Johannes Schere an Seinen großgünstigen Mäcen

Wie kümmerlich, trotz seiner Göttlichkeit,

Sich oft Genie hier unterm Monde nähre,

Beweisen uns die Kepler, die Homere,

Und hundert große Geister jeder Zeit

Und jeder Erdenzone weit und breit:

Doch wahrlich nicht zu sonderlicher Ehre

Der undankbaren Menschlichkeit,

Die ihnen späte Dankaltäre

Und Opfer nach dem Tod’ erst weiht.

 

Auch mir verlieh durch Schere, Zwirn und Nadel,

Minerva Kunst und nicht gemeinen Adel.

Allein der Lohn für meine Trefflichkeit

Ist Hungersnot, ein Haderlumpenkleid,

Ist oben ein der schwachen Seelen Tadel,

Und dann ein mal, nach Ablauf dürrer Zeit,

Des Namens Ruhm und Ewigkeit.

 

Allein was hilft’s, wenn nach dem Tode

Mich Leichenpredigt oder Ode

Den größten aller Schneider nennt,

Und ein vergoldet Marmor-Monument,

An welchem Schere, Zwirn und Nadel hangen,

Und Fingerhut und Bügeleisen prangen,

Der späten Nachwelt dies bekennt?

Wenn lebend mich mein Zeitgenosse

Zu Stalle, gleich dem edlen Rosse,

Auf Stroh zu schlafen, von sich stößt,

Und nackend gehn und hungern läßt?

 

Der Stümper, der zu meinen Füßen kreucht,

Beschmitzet zwar mit seines Neides Geifer,

Weil nicht sein Blick an meine Höhe reicht,

Oft meinen Ruhm, und schreit: Ich sei ein Säufer;

Sei stets bedacht, mein Gütchen zu verthun,

Und lass’ indes die edle Nadel ruhn.

O schnöder Neid! Denn überlegt mans reifer,

Gesetzt den Fall, die Lästerung sei wahr,

So ist dabei doch ausgemacht und klar,

Und es bestätigt dies die Menge der Exempel,

Daß solch ein Zug von je und je ein Stempel

Erhabener Genieen war.

 

Sie binden sich nicht sklavisch an die Regel

Der Lebensart, und fahren auf gut Glück,

So wie der Wind der Laun’ in ihre Segel

Just stoßen mag, bald vorwärts bald zurück,

Und lassen das gemeine Volk lavieren.

Sie haben vor den selten Wundertieren

Ein Stärkerrecht, daß man sie sorgsam hegt,

Dankbar bekleidet und verpflegt,

Zu hoch und frei, sich selber zu genieren.

Und wenn der Überfluß verkehrter Welt

Oft Affen, Murmeltier’ und Raben,

Und Kakadu und Papagei erhält:

So sollten sie den Leckerbissen haben,

Der von des reichen Tische fällt.

Allein wie karg ist die verkehrte Welt

Für ein Genie mit ihren Gaben!

 

Willst du davon ein redend Beispiel sehn,

So schau auf mich, großgünstiger Mäcen,

So guck’ ein mal, nebst deinem teuern Weibe,

Auf meinen Rock, durch deines Fensters Scheibe,

Und sieh die Luft in hundert Hadern wehn,

Und meinen Leib dem Winter offen stehn!

Sprich selbst ein mal, ist’s nicht die größte Schande,

Daß mich, der ich so oft mit seidenem Gewande

Bekleidete des Landes Grazien,

Die Welt nun läßt in Haderlumpen gehn?

Kann dies dich nicht zu mildem Mittleid reizen,

Mit einer Kleinigkeit mir hülfreich beizustehn?

Nein, Menschenfreund, du kannst nicht geizen!

Ich kann getrost auf deine Güte baun.

Mich stärkt von deinen Liebesthaten

So manches Beispiel im Vertraun.

Du kannst, du wirst am besten mich beraten.

So borge dann mir, für ein beßres Kleid,

Zu Schutz und Trutz in dieser rauhen Zeit,

Nur einen lumpigen Dukaten!

Mit Dank bin ich ihn jederzeit

Durch künstliche, durch dauerhafte Nahten,

Abzuverdienen gern bereit.

 

 

Der Hund aus der Pfennigschenke

Es ging, was Ernstes zu bestellen,

Ein Wandrer seinen stillen Gang,

Als auf ihn los ein Hund, mit Bellen

Und Rasseln vieler Halsbandschellen,

Aus einer Pfennigschenke sprang.

Er, ohne Stock und Stein zu heben,

Noch sonst sich mit ihm abzugeben,

Hub ruhig weiter Fuß und Stab,

Und Kliffklaff ließ vom Lärmen ab.

 

Des Wegs kam auch mit Rohr und Degen,

Flink, wohlgemut, keck und verwegen,

Ein Herrchen Krauskopf herspaziert.

Kliffklaff setzt an, und hochtuschiert

Hält von dem Hunde sich das Herrchen.

Und Herrchen Krauskopf ist ein Närrchen;

Fängt mit dem Klaffer Händel an,

Greift fix nach Steinen in die Runde,

Und schleudert, was es schleudern kann,

Und flucht und prügelt nach dem Hunde.

 

Der Köter knirrscht in jeden Stein,

Zerrt bald an meines Herrchens Rocke,

Bald an dem Degen, bald am Stocke,

Beißt endlich gar ihm in das Bein,

Und bellt so wütig, daß mit Haufen

Die Nachbarn alle, groß und klein,

Zu Fenstern und zu Thüren laufen.

Die Buben klatschen und juchhein

Und hetzen gar noch oben drein.

Nun fing sich’s Herrchen an zu schämen,

Umsonst so sehr sich abzumühn.

Es mußte sachtchen sich bequemen,

Um dem Hallo sich zu entziehn,

Wohl fürbaß seinen Weg zu nehmen,

Und einzustecken Hohn und Schmach.

Denn alle Straßenbuben gafften,

Und alle Klaffkonsorten klafften

Noch weit zum Dorf hinaus ihm nach.

 

Dies Fabelchen führt Gold im Munde:

Weicht aus dem Rezensentenhunde.

 

 

Göckingk an Bürger

Verdammte Versemacherei!

Was hast du angerichtet?

Uns unsers Lebens einz’gen Mai

Zum Kuckuck hingedichtet?

 

Gevatter Bürger! sagt einmal,

Sind wir nicht brave Thoren,

Daß wir, durch selbgemachte Qual,

Den schönen Mai verloren?

 

Was hat man von dem Dichten? Hum!

Vielleicht das bißchen Ehre:

Gekannt zu sein von Publikum? –

Ich dachte, was mir wäre!

 

Mag sein, daß man bei Tafel spricht,

Wann den durchlauchten Bäuchen

Die Zeit lang währt: Ist Bürger nicht

Amtmann zu Altengleichen?

 

Ein Fräulein thut dir wohl sogar

Die Gnad’ und fragt nicht minder:

Trägt denn der Bürger eignes Haar?

Hat er schon Frau und Kinder?

 

Ein Amtsauditor geht, bepackt

Mit deinem Buch, zu Schönen

Und lieset, daß der Balken knackt

Und alle Fenster dröhnen.

 

Das hört denn ein Student und schreit:

»Und wohnt’ er bei den Sternen!

Ich muß – ist Altengleichen weit? –

Muß Bürgern kennen lernen.«

 

Und eh’ Herr Bürger sich’s versieht

Kömmt mein Signor geritten,

Und Bürger, für sein herrlich Lied,

Muß ihn zum Essen bitten.

 

Da schlingt er nun den Truthahn ein,

Den du mir aufbewahrtest,

Und trinkt, – hol’ ihn der Fuchs! – den Wein,

Den du für mich erspartest.

 

Er rühmt dir baß sein gutes Herz,

Will Freundschaft mit dir treiben,

Und droht sogar – o Höllenschmerz! –

Recht oft an dich zu schreiben.

 

Das macht: Manch ehrliches Journal

Ließ laut dein Lob erschallen;

Allein, wann las denn wohl einmal

Herr Bürger Eins von allen?

 

Und ließ’ ich dich in Kupfer, schier

Von Bausen selber, stechen:

Hilft dir es etwas, wenn von dir

Die Leut’ ein Weilchen sprechen?

 

Was hast du von dem allen? Sklav!

Wenn ich’s zusammenpresse,

Was ist es, als: Despotenschlaf

Und Inquisiten-Blässe?

 

Hör’ auf! Ich gab mein Herz dir hin,

Eh’ du ein Blatt geschrieben;

Hör’ auf! Und die Frau Amtmannin

Wird dich noch lieber lieben.

 

Hör’ auf! Als Dichter kennt man dich,

Als Mensch lebst du verborgen;

Kein Christenkind bekümmert sich

Um alle deine Sorgen.

 

Ja! solltest du auch den Homer

In Jamben übersetzen,

Drob werden dich kein Haarbreit mehr

Die Herrn Minister schätzen.

 

Du würdest dennoch nach wie vor

Amtmann zu Gleichen bleiben;

Drum, trauter Bürger, sei kein Thor,

Und trinke, statt zu schreiben.

 

 

An Göckingk

Nun, nun! Verschütt’ Er nur nicht gar

Das Kindlein sammt dem Bade!

Das arme Kindlein das! Für wahr!

Es wär’ ja jammerschade.

 

Denn, sieht Er, trotz der Plackerei,

Beim Zeugen und Gebären,

Mag doch die edle Reimerei

Auch viel Profit bescheren.

 

Trotz Sing und Sang von Cypripor,

Apoll, Achill und Hektor,

Bleibt man zwar Amtmann, nach wie vor,

Auch – Herr Kanzleidirektor.

 

Denn leichter wird Vokation

Zu Pension und Pfründen

Die kahlste Dissertation,

Als Iliaden finden.

 

Auch mästet man sich eben nicht

Von Mäcenaten-Gnade;

Trägt Abcbuchs-Angesicht

Und Schlotterbauch und Wade.

 

Die Herren von der Klerisei,

Und aus dem edlen Rate

Verschmelzen mehr in Supp’ und Brei,

Und prunken baß im Staate.

 

Doch neid’ ich nicht das Bonzenheer

Um seine dicken Köpfe.

Die meisten sind ja hohl und leer,

Wie ihre Kirchturmknöpfe.

 

Doch – Spaß bei Seite! – Hör’ Er an,

Falls ihm mein Ernst beliebig!

Ist denn nicht auch für ihren Mann

Poeterei ergiebig?

 

Bedenk’ Er nur, wie schön das ist!

Verleger, wohlgezogen,

Bezahlen oft, zu dieser Frist,

Mit Louisd’or den Bogen.

 

Wächst nun im zehnten sauern Jahr

Zehn Bogen stark Sein Bändchen,

So schnappt Er ja an Trankgeld bar

Zehn Blinde, ohne Rändchen.

 

Das heißt doch nicht für Katzendreck

Sich müd’ und lahm kasteien.

Soll denn so viel gebratner Speck

Umsonst ins Maul Ihm schneien?

 

Herr Ugolino1 muß doch auch,

Nebst Weib und Kind und Gästen,

Nach altem hergebrachten Brauch

Von unserm Hirn sich mästen.

 

Steht der gelahrte Fakultist

Dagegen doch viel kahler.

Dem setzt es kaum, wenn’s köstlich ist,

Zwei Gulden oder Thaler

 

Drob ärgern sich nun freilich baß

Die Herren Fakultisten,

Und sticheln Ihm ohn’ Unterlaß

Brav auf die Belletristen.

 

Manch Herr Professor kriegte schon

Vor Kummer graue Haare,

Daß mehr jetzt gilt ein Agathon,

Als Fakultäten-Ware.

 

Der Ruhm hat freilich große Last

In diesem Jammerleben,

Wie du davon zum Sprechen hast

Ein Konterfei gegeben.

 

Doch nach dem Tode geht’s erst an!

Denn auch bei den Tongusen,

Nach tausend Jahren, ehret man,

So Gott will! unsre Musen.

 

Dort illustriert man fein aus uns

Antiquitäten-Listen.

Uns liest manch hochberühmter Duns

Gelahrter Humanisten;

 

Die jetzt aus ihrem Bücherschrein

Verächtlich uns verschieben,

Weil wir nicht griechisch und Latein

Und nicht arabisch schrieben.

 

Dort preist man unsre Opera

Durch Kommentationen,

Inaugural-Programmata

Und Dissertationen.

 

Schon hör’ ich Krittler-Mordgeschrei

In meinem stillen Grabe:

Wer die Lenore doch wohl sei?

Ob sie gelebet habe?

 

Man bringt, bald chrestomathice

Und winzig klein in nucem,

Bald kommentiert cum Indice

In Folio ad lucem.

 

Wie schön, wenn Knaben, jung und alt,

In jenen goldnen Tagen,

Zur Schul’, in Riemen eingeschnallt,

Mich alten Knaster tragen!

 

Aus mir Vokabeln wohlgemut

Und Phrases memorieren,

Um mich so recht in Saft und Blut,

Vt ajunt, zu vertieren?

 

Und gehts nicht mit der Lektion

Und mit dem Exponieren,

Dann wirds gar schlecht im Hause stohn. –

Der Junker muß karieren! –

 

Sieh, was die Reimerei beschert,

Die Du vermaledeiet!

Das ist doch wohl der Federn wert,

Die man darum zerkäuet? –

 

Nur Eine Angst vergällt den Ruhm,

Den ich mir phantasiere,

Daß einst nicht, wie Horatium,

Mich Hans und Kunz vertiere.

Fußnoten

 

1 Ugolino war Verleger des Gehirns des Erzbischofs Ruggieri in der Hölle. S. Dante.

 

 

An Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg

Daimonie

 

 

Fritz, Fritz! Bei den Unsterblichen, die hold

Auch meinem Leben sind! – Sie zeugen mir! –

Sieh, angesichts der Ritter unsers Volks

Und ihrer losen Knappen, schreitest du

Zu Trutz, mit Wehr und Waffen, in mein Feld,

Und wirfst den Fehdehandschuh vor mich hin.

Ha! Schauerte nun auch die Menschlichkeit,

Wie Hektorn vor dem Ajax; und Achill,

Vor dir mich an; hüb’ ich ihn doch empor.

Bei Gott! Bei Gott! Du Trotziger, ich muß! –

So gelt’ es dann! Sieg gelt’ es, oder Tod! –

Denn wisse! Keinem Knaben sprichst du Hohn,

Der seine ersten Waffen schwankend prüft.

Straff sind die Sehnen meiner Jugendkraft;

Ich bin gewandt zu ringen; meinem Arm

Ist Phöbus goldnes Schwert ein Halmenspiel;

Des Fernhintreffers Silberbogen weiß

Ich wohl zu spannen; treffe scharf das Ziel;

Mein Köcher rasselt goldner Pfeile voll – – –

Wer mag einher in meiner Rüstung gehn? –

Es gelte, Fritz! Sieg gelt’ es, oder Tod!

Du! Huldigt dir Gesang und Sprach’ allein?

Und waltet nicht des Mäoniden Geist

Auch über meinem Haupt? Ich rang mit ihm,

Wie Herkuls Kraft mit Anteus Zauber rang.

Bezwang ich ihn nicht oben in der Luft? –

Ich komm’, ich komme dir! Denn ehren mag

Ein solcher Widersacher das Gefecht.

Wie wird des Sieges Blume meinen Kranz

Verherrlichen! – Und gäbe mich der Rat

Der Himmelsherrscher dir auch unterthan;

So könnt’ ich doch von keiner edlern Hand,

Als deiner sterben, edler, starker Held!

Auf rüste dich! Sieg gilt es oder Tod!

 

 

Antwort an Gottfried August Bürger

H men emarnasthn eridos peri tymoboroio

Hd ayt en pilothti dietmagen artmhsante.

Diese Helden kämpften aus heißer Begierde des Ruhmes,

Und dann schieden sie wieder mit Freundschaft auseinander.

 

Homer. Ilias 7.

 

 

Fried’ und Freude dem Sänger zuvor, und traulichen Handschlag!

Sieh, ich habe dein Zürnen vernommen am fernen Gestade,

Hörte den Flügelschlag deines Gesangs; melodische Stürme

Deiner Leier erhuben ihn hoch; ein Riesenadler

Steht er vor mir, mit dräuender Klaue, mit rüstigem Fittich;

Und schon zürnt’ ich entgegen. Da faßte mich Pallas Athänä

Bei den goldnen Locken; ich wandte mich sträubend; mein Auge

Staunte zurück, vom Blitze der göttlichen Augen getroffen.

Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furchtbaren Göttin.

Sie verschwand; da war mir, als atmet’ ich liebliche Düfte,

Läg’ am blumigen Hange des Helikon, unter der Kühlung

Wehender Schatten, an Aganippens Silbergesäusel.

Nun erwacht’ ich, und zürnte nun wieder, und griff zu der Leier.

Aber es hatte die jüngste der Musen die Leier umstimmet,

Daß sie nicht tönte, wie sonst, wie Donner, wie Stimmen der Meere,

Sondern wie Lispel des schwankenden Schilfes, wie zärtliche Klagen

Junger Nachtigallen auf blühenden Zweigen der Myrten.

Und mir kehrte die Weisheit zurück; sie pflückte den Ölzweig,

Den ich dir reiche; sie redet durch mich; vernimm und sei weise!

 

Siehe, zwar kränzen uns Locken der Jugend, doch rauschet der Lorbeer

Über den Locken; es kühlt die Palme den Schweiß an der Stirne.

Früh betraten wir beide den Pfad des ewigen Ruhmes,

Früh erreichten wir beide das Ziel. Auf trotzenden Felsen

Stehn wir, und lächeln entgegen dem Strome der kommenden Zeiten.

Hier besuchen uns oft Kronions liebliche Töchter,

Lehren uns oft die eigne Leier beseelen, und bringen

Oft herab vom Olymp die Harfe des Mäoniden.

Laß uns beide das heilige Lied des göttlichen Greisen,

Unserm Volke singen; wir lieben den Göttlichen Beide!

 

Freund, gehabe dich wohl! Ich kenne die rufende Stimme,

 

Höre wiehern die feurigen Ross’ am flammenden Wagen;

Siehe, mir winket die Mus’; ich folge der winkenden Göttin!

 

Prolog zu Sprickmanns Eulalia auf einem Privattheater

 

Darf, Edle, die ihr hier versammelt seid,

Darf auch des Schauspiels Muse den Kristall,

Worin sie alles, was vom Anbeginn

Der Erde unter Sonn, und Mond geschah,

Lebendig darstellt, darf die Muse wohl

Den Zauberspiegel, düstrer Scenen voll,

Euch vor das Antlitz halten, daß vor Schreck

Die Knie’ euch wanken, daß von bitterm Schmerz

Die Busen schwellen und von Thränen Euch

Die Augen übergehn? – Ergötztet ihr

Nicht lieber euch am lächerlichen Tand

Der Thorheit? Oder an dem heitern Glück,

Womit am Schluß des drolligen Romans

Die Lieb’ ein leicht genecktes Paar belohnt? –

 

Vielleicht! – Vielleicht behagt’ es euch auch wohl,

Ein schönes, keusches, liebetreues Weib,

Umlagert von der schnöden Wollust Brut,

In einen sauern Kampf verstrickt zu sehn.

Ihr nähmet teil an ihrer Angst und Not;

Ihr zittertet und weintet bald mit ihr;

Bald zöget ihr, mit rascherm Odemzug,

Den Mut zu überwinden mit ihr ein.

Doch müßt’ auch dann am Ende Heil und Sieg

Die Brut zerschmettern, und den Kranz,

Den schönen Kranz um ihre Scheitel ziehn,

Woran ihr Recht bewährte Tugend hat;

Doch müßt’ auch dann des Friedens sanfte Ruh

Die Wunden heilen, die der Kampf ihr schlug;

Und nicht das arme, keusche, treue Weib

Ihr Heil, – o Gott, ihr eines letztes Heil! –

Gezwungen sein zu suchen – in der Gruft! –

 

Wohl ist ein edles herrliches Gefühl,

Das solche Wünsch’ in euern Herzen zeugt.

Allein auf Erden kämpft nicht immerdar

Die Tugend, wie der Edle wünscht. Ach! oft

Ist nichts Geringers, als das Leben selbst,

Das Lösegeld für den erhabnen Sieg.

Der Lorbeerzweig, nach dem sie blutend rang,

Flicht sich zur Totenkron’ auf ihren Sarg. –

 

Doch dann auch mag’s euch frommen, diesen Kampf,

Den blutigen, den Todeskampf zu sehn;

Zu sehen, wie von allen Seiten her

Die Büberei mit Netzen sie umstellt;

Zu sehn, wie nirgends eine Freistatt ihr,

Als unter ihr das Grab nur, offen steht;

Und ach! zu sehn, wie sie hinunterstürzt

Und ihre Himmelsperle mit sich nimmt. –

Mag das Entsetzen doch euch dann beim Haar

Ergreifen und zerschütteln! Mag doch Schmerz

Durch eure Busen fahren, wie ein Schwert!

Und mögen eure Augen doch in Flut,

In heißer Thränenflut des Mitleids glühn! –

Wird’s euch doch frommen zur Bewunderung,

Zu hoher heiliger Bewunderung

Der Heldin, welche Blut für Tugend gab.

Gedeihn wird’s euch vielleicht zu gleichem Mut;

Zu Zorn und Abscheu gegen Bubenstück

Und Tyrannei. Zur Weisheit muß es euch

Gedeihen, daß der Tugend Kranz nicht stets

Auf Erden blüht. Zur Warnung, daß ihr nie

Euch gegen Den empören sollt, der tief

In des geheimen Heiligtumes Nacht

Die richterliche Wage hält, und oft

Der Tugend Schmerz, und oft dem Laster Lust,

Zwar unbegreiflich, aber doch gerecht

Und weise, in den Schoß herunter wägt.

 

 

Der kluge Held

Tags vor der Schlacht gerät ein junger Held

In allerlei bedenkliche Bewegung;

Nimmt dies und das in ernste Überlegung

Und bringt heraus: Dein bißchen Löhnungsgeld

Und Lumpenruhm, mein guter König,

Reizt wahrlich unsereinen wenig,

Daß er dafür im Mordgemetzel fällt! –

Als er kaum fertig ist mit Grübeln,

Läuft er zum Chef: »Sie werdens nicht verübeln,

Daß ich, zu meinem bittersten Verdruß,

Gerade jetzt um Urlaub bitten muß.

Denn ach! mein Vater liegt an Todesenden nieder,

So schreibt man mir; ich seh’ ihn sonst nicht wieder;

Und ihn verlangt nach mir und meinem letzten Gruß;

O gönnen Sie mir seinen Abschiedskuß!« –

 

»Sehr wohl! versetzt der Chef, und lächelt vor sich nieder;

Reis’ hurtig ab, mein Sohn! Denn nach der Bibel muß

Dein Vater nach Gebühr von dir geehret werden,

Auf daß dirs wohlergeh’ und du lang’ leb’st auf Erden.«

 

 

Der arme Dichter

Ein Dichter, rund und feist bei Leibe,

Mit einem Antlitz, lang wie breit,

Und glänzend, wie des Vollmonds Scheibe,

Sprach einst von seiner Dürftigkeit,

Und schimpfte brav auf teure Zeit.

 

»Das thun Sie bloß zum Zeitvertreibe,

Rief einer aus der Compagnie;

Denn dies Gedeihn an Ihrem werten Leibe,

Und Ihr Gesicht, die schöne Vollmondsscheibe,

Herr Kläger, zeugen wider Sie!« –

 

»Das hat sich wohl! seufzt der Poet geduldig.

Doch, Gott gesegn’ ihn! meinen Bauch –

Sanft strich er ihn – und diesen Vollmond auch

Bin ich dem Speisewirt noch schuldig.«

 

 

Prometheus

Prometheus hatte kaum herab in Erdennacht

Den Quell des Lichts, der Wärm’ und alles Lebens,

Das Feuer, von Olymp gebracht;

Sieh, da verbrannte sich – denn Warnen war vergebens –

Manch dummes Jüngelchen die Faust aus Unbedacht.

Mein Gott! Was für Geschrei erhuben

Nicht da so manches dummen Buben

Erzdummer Papa,

Erzdumme Mama,

Erzdumme Leibs- und Seelenamme!

Welch Gänsegeschnatter die Klerisei,

Welch Truthahnsgekoller die Polizei! –

 

Ist’s weise, daß man dich verdamme,

Gebenedeite Gottesflamme,

Allfreie Denk- und Druckerei?

 

 

Die Schatzgräber

Ein Winzer, der am Tode lag,

Rief seine Kinder an und sprach:

»In unserm Weinberg liegt ein Schatz,

Grabt nur darnach!« – »An welchem Platz?« –

Schrie alles laut den Vater an.

»Grabt nur!« – O weh! da starb der Mann.

 

Kaum war der Alte beigeschafft,

So grub man nach aus Leibeskraft.

Mit Hacke, Karst und Spaden ward

Der Weinberg um und um gescharrt.

Da war kein Kloß, der ruhig blieb;

Man warf die Erde gar durchs Sieb,

Und zog die Harken kreuz und quer

Nach jedem Steinchen hin und her.

Allein da ward kein Schatz verspürt

Und jeder hielt sich angeführt.

 

Doch kaum erschien das nächste Jahr,

So nahm man mit Erstaunen wahr,

Daß jede Rebe dreifach trug.

Da wurden erst die Söhne klug,

Und gruben nun Jahr ein Jahr aus

Des Schatzes immer mehr heraus.

Die beiden Maler

 

Zum Zeuxis prahlt’ einst Agatharch, ein kleiner,

Fixfingriger, behender Pinselmann:

»So schnell, wie ich, malt wohl so leicht nicht Einer!« –

»Und ich, hub Zeuxis ruhig an,

Ich rühme mich, daß ich so langsam malen kann!« –

Den Fingerfix nennt jetzt fast keiner;

Den Zeuxis noch fast Jedermann.

 

 

Der Maulwurf und der Gärtner

Ein Maulwurf verwüstete die schön geebneten Blumenfelder durch seinen Aufwurf, stürzte die Gewächse und entblößte ihre Wurzeln, daß sie an der Sonne verwelkten.

 

Voll Ingrimms erblickte das der Gärtner und stellte sich mit erhobenem Spaden auf die Lauer. Risch stach er zu, als Jener eben sich regte und hob ihn heraus aufs Harte. »Nun sollst du mir auch des Todes sterben, Garten-Verwüster!«

 

»Gnade! flehte der Maulwurf, da ich dir doch sonst nicht unnütz bin. Ich vertilge die Regenmaden und manches Ungeziefer, das deine Pflanzungen verwüstet.«

 

»Hole dich der Henker, versetzte der Gärtner, wenn du Tugend mit Untugend aufwiegst!« und schlug ihn ohne weitern Prozeß tot.

 

Aufgegebene Liebeserklärung an Sophien,

 

nach vorgeschriebenen Endreimen,

 

am 21. Nov. 1784.

 

 

Am Herzen, wie am Geist, längst dumpf, und stumpf, wie – Blei,

Wähnt’ ich – ein schlechtes Ziel! – vor Amors Pfeil mich – frei.

Bekannt mit meinem Wert, an Leib und Seele – Fratze,

Frißt, dacht’ ich, wie ich bin, mich weder Hund noch – Katze.

Ich würgt’ an Vers und Reim, als steckt’ im Hals ein – Pflock,

Und langsam schlich mein Witz, wie Aarons Sünden- – Bock.

Da, Fiekchen, tratst du auf, an Kraft ein Lebens- – Engel,

Bewegtest zum Bimbam der Zunge trägen – Schwengel.

Nun, däucht mir, komm’ ich faßt von neuem in den – Schuß.

Ganz fraß vielleicht der Wurm mich nicht zur tauben – Nuß.

Ha! tränktest du mich nun mit deiner Liebe – Sprudel,

So lernt’ ich dein Apport noch wie der jüngste – Pudel.

Dir spräng’ ich übern Stock und tanzt’ im bunten – Frack,

Als Äffchen oder Bär, zum polnschen Dudel- – Sack.

 

 

Als Elise sich ohne Lebewohl entfernt hatte

Göttingen am 22. Nov. 1784. Morgens um 9 Uhr.

 

 

Frisch, Bürger, frisch zusammen dich genommen,

Und rüstig vorwärts stets von hier

Im Ozean der Zeiten fortgeschwommen! –

Sie ist nicht fort, das glaube mir! –

Steh nicht so düster, so beklommen,

Nicht so an Hoffnung, Mut und Lebenskraft verglommen!

Sie wird gewiß noch irgendwo zu dir,

Du wirst gewiß noch irgendwo zu Ihr,

Auf einem Freudenfest der Edlen und der Frommen,

Wer weiß an welcher Quelle, kommen.

Im Engelston gebot Sie dir:

»Steh nicht so düster, so beklommen!« –

Sie ist nicht fort, das glaube mir!

Denn – Abschied hat sie nicht genommen.

 

 

Schnick und Schnack

Verbreite du vor Hack und Mack

Den Duft der besten Thaten!

Kaum wird Frau Schnick und kaum Herr Schnack

Ihn merken und verraten.

 

Mach’ aber Einen schwachen Streich –

Wer kann dem immer wehren? –

Ganz heimlich! – O so wirst du gleich

Dein blaues Wunder hören!

 

Umsonst, umsonst bemühst du dich,

Ihn halb nur zu verstecken.

Vom Liebesmantel findet sich

Kein Läppchen, ihn zu decken.

 

Beging’st du ihn im Keller gleich,

Tief in der Nacht der Erde:

Hervor muß er, der matte Streich,

Daß er beschnickschnackt werde!

 

Du fragst umsonst: Wie hat das Pack

Das bißchen Streich erfahren? –

Auch Klag’ und Fluch auf Schnick und Schnack

Kannst du gemächlich sparen.

 

Sie borgen dann die List vom Fuchs;

Vom Spürhund ihre Nasen;

Die gluhen Augen von dem Luchs;

Die Ohren von dem Hasen.

 

Und spüren und verschonen nie,

Nicht Bruder, Schwester, Base.

Wie Galgenraben schwärmen sie

Am liebsten nach dem Aase.

 

 

Keine Witwe!

Es will mir nicht und will nicht ein,

Mir eine Witwe anzufrein.

Ich könnt’ es nimmermehr verdauen,

Den ganzen Tag, Jahr aus Jahr ein,

Das Lob des Seligen zu kauen.

Zur Sicherheit vor solcher Qual

Schritt’ ich zu keiner Witwenwahl,

Wo nicht vor allen andern Dingen

Der selige Herr Ehgemahl

Am hohen lichten Galgen hingen.

 

 

Prognostikon

Vor Feuersglut, vor Wassersnot

Mag sicher fort der Erdball rücken.

Wenn noch ein Untergang ihm droht,

So wird er in Papier ersticken.

 

 

Auf einen litterarischen Händelsucher

Ich? Gegen ihn vom Leder ziehn? –

Dabei gewönn’ er; ich verlöre!

Denn meine Fuchtel adelt’ ihn,

Sie aber käm’ um ihre Ehre.

 

 

Gänsegeschrei und Gänsekiele

Ihr dummer Kikak rettet’ einst

Roms Kapitolium;

Doch ihr Kiele nun

Die sieben Hügel um.

 

 

Verwunderung über die allezeit Fertigen

Mein Gott! Wie macht’s wohl mancher Mann,

Der jeden Quark beverseln kann,

So viel Gedanken aufzujagen? –

Gedanken? – Worte wollt’ ich sagen.

 

 

An Stentor unter der Predigt

Freund, deine Predigt gleicht dem Heerposaunenschalle,

Dem Jericho erlag, durch ihren Wunderlaut.

Denn bald zerreißt von ihrem Donnerhalle –

O Gotteskraft! – des Ohres Trommelhaut.

Doch, soll das End’ auch noch Hörers Beifall lohnen,

So mußt du seiner Ohren schonen.

 

 

Herr von Gänsewitz zum Kammerdiener

Befehlt doch draußen, still zu bleiben!

Ich muß itzt meinen Namen schreiben.

 

 

Ein Casus Anatomicus

Der Kaufmann Harpax starb; sein Leichnam ward sezieret;

Und als man überall dem Übel nachgespüret,

So kam man auch aufs Herz, und sieh! er hatte keins:

Da, wo sonst dieses schlägt, fand man das Einmaleins.

 

 

Der Edelmann und der Bauer

»Das schwör’ ich dir, bei meinem hohen Namen,

Mein guter Claus, ich bin aus altem Samen!«

»Das ist nicht gut, erwidert Claus,

Oft artet alter Samen aus.«

 

 

An die blinde Virtuosin Mademoiselle Paradies

Dein Schicksal werde nicht gescholten!

Zwar raubts dir Phöbus goldnen Strahl:

Doch hat dir diesen tausendmal

Sein goldnes Saitenspiel vergolten.

 

 

An die Nymphe zu Meinberg1

Preis, Nymphe, dir! Dein Kraftquell sieget oft,

Wann Außenglut den derben Bau umlodert.

Doch tröste Gott den Hausherrn, der noch hofft,

Sobald der Kern in Schwell’ und Ständer modert.

Fußnoten

 

1 Ein Heilbad in der Grafschaft Lippe-Detmold.

 

 

Der dunkle Dichter

Sanct Lykophron baut Schöppenstädts1Palast,

Doch keine Fenster drein.

Abhelflich trägt das Licht sein Scholiast

Im Sack hinein.

Fußnoten

 

1 Im Sprichwort das niedersächsische Abdera.

 

 

Einladung

Seid doch einmal mein Gast, Herr Plitt!

Schon bitt’ ich euch zu hundert Malen.

Bringt ihr etwa euer Essen mit,

So sollt ihr nur den Wein bezahlen.

 

 

Kritik betreffend

Verdammt er mein Gedicht mit Recht,

So hilft wahrhaftig kein Vertreten;

Doch urtelt Meister Krittler schlecht,

So ists wahrhaftig nicht vonnöten;

Drum würd’ ich nie, schlecht oder recht,

Eins vor dem Kritiker vertreten.

 

 

Trost

Wann dich die Lästerzunge sticht,

So laß dir dies zum Troste sagen:

Die schlechtsten Früchte sind es nicht,

Woran die Wespen nagen.

 

 

An die Splitterrichter

Das freut mich doch, ihr Herren Falken,

Die ihr, Gott weiß warum? erbost,

So gern auf meine Fehler stoßt,

Daß ihr nichts mehr erstoßt, ihr Falken,

Als Splitter nur von euern Balken.

 

 

An einen Sittenkrittler

Kein Herz gibt dir mehr Stoff zum Sprechen,

Keins zu Kritiken mehr, als meins.

Gern wollt’ ich mich an deinem rächen,

O Krittler, hättest du nur eins.

 

 

Vollkommener Ernst

Sprich, junger Freund, o sprich, was dich bewegt,

Nach schnödem Dichterruhm dich atemlos zu laufen?

Ha, diesen Dorn, den ach! mein Wohlsein in sich trägt,

Den Satans-Engel, der mein Glück mit Fäusten schlägt,

Wollt’ ich – o könnt’ ich nur! – spottwohlfeil dir verkaufen.

 

 

Als das Obige für Versündigung erklärt wurde

Ich schelte nicht die edle Gabe,

Die ich von Gott empfangen habe.

Die Gabe hat mir Heil gewährt,

Allein ihr Ruhm oft Fluch beschert.

 

 

Bettelstolz

Es gibt der bettelstolzen Hachen,

Die mehr aus ärmlicher Kathedertheorei,

Als aus Homers Gesang, Amphions Melodei,

Und jedem Götterwerk der Muse selber machen.

Sprich, Menschensinn, und sag es laut den Hachen,

Daß diesem Wahnsinn ganz der Wahnsinn ähnlich sei:

Aus dem Compendio der Anthropologei,

Das ein Professor schreibt, für seine Klerisei,

Mehr als aus Gottes Werk, dem Menschen selbst, zu machen.

 

 

Mannstrotz

So lang’ ein edler Biedermann

Mit einem Glied sein Brot verdienen kann,

So lange schäm’ er sich nach Gnadenbrot zu lungern!

Doch thut ihm endlich keins mehr gut:

So hab’ er Stolz genug und Mut,

Sich aus der Welt hinaus zu hungern.

 

 

Mittel gegen den Hochmut der Großen

Viel Klagen hör’ ich oft erheben

Vom Hochmut, den der Große übt.

Der Großen Hochmut wird sich geben,

Wenn unsre Kriecherei sich gibt.

 

 

Advokatenprahlerei

Raps fragt, Triumph im Angesicht:

Wer hat an Händeln mehr gewonnen,

Als ich, vor Stadt- und Landgericht?

Ganz recht! Genug hat er gewonnen;

Denn sein Klient gewann es nicht.

 

 

Aruspex und Professor

Wie ein Aruspex dem Kollegen

Ohn’ aufzulachen, einst entgegen

Mit Ernst zu treten fähig war,

Schien, Tullius, dir wunderbar.

Ein größres Wunder fast wär’s unter uns zu nennen,

Wie’s manche Professoren können.

 

 

Auf das Adeln der Gelehrten

Mit einem Adelsbrief muß nie der ächte Sohn

Minervens und Apolls begnadigt heißen sollen.

Denn edel sind der Götter Söhne schon,

Die muß kein Fürst erst adeln wollen.

 

 

Gute Werke

An Glauben und Vertraun, mein guter Musensohn,

Scheints dir wohl nicht zu fehlen, wie ich merke:

Doch wisse du, Apolls Religion

Schenkt dir die Glaubenspflicht und dringt auf gute Werke.

 

 

Bullius

Was zwischen manchem wilden Haufen

Sich Bullius, der Adlermann,

An Hörnern endlich abgelaufen,

Das läuft sein Weib ihm wieder an,

 

 

Liebesschwur

Flox zu den Füßen seiner Schönen

Schwört mit Verzuckungen und Thränen:

Aus Liebe sei er jederzeit

Mit Leib und Leben ihr bereit!

Nur kann er, trotz dem Wunsch der Schönen,

Des Schnupftobacks sich nicht entwöhnen.

 

 

Frage

Wie? Sollt’ es denn nicht besser lassen,

Ein schönes Bild im Musenhain,

Als Pfahl nur, oder Pflasterstein,

Kaum gut genug für Zäun’ und Gassen,

In dieser besten Welt zu sein?