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Annette von Droste-Hülshoff

Einzeln publizierte Gedichte

Das Ich, der Mittelpunkt der Welt

Jüngst hast die Phrase scherzend du gestellt:

»Wer Reichtum, Liebe will und Glück erlangen,

Der mache sich zum Mittelpunkt der Welt,

Zum Kreise, drin sich alle Strahlen fangen.«

Dein Wort, mein Freund, war wie des Tempels Tür:

Die Inschrift draußen und das Volksgedränge,

Und durch die Spalten blinkt der Lampen Zier,

Ziehn Opferduft und heilige Gesänge.

Wie könnte jemals wohl des Glückes Born

Aus andrem als dem eignen Herzen fließen,

Aus welcher Schale wohl des Himmels Zorn

Als aus der selbstgebotnen sich ergießen!

O glücklich sein, geliebt und glücklich sein –

Möge ein Engel mir die Pfade deuten!

Da schwillt des Tempels Vorhang, zart und rein

Hör’ ich’s wie Echo durch die Falten gleiten.

»Standest an einem Krankenbett du je

Nach wochenlangen selbstvergeßnen Sorgen,

Hobst deine schweren Wimper in die Höh’

Zu einem Dankgebete nach dem Morgen,

Und sahst um des Genesenden Gesicht

Ein neuerwachtes Scelenschimmern schweben

Und einen Liebesblick auf dich, wie nicht

Ihn Freund und nicht Geliebte können geben?

Hieltest du je den Griffel in der Hand

Und rechnetest mit frohem Geiz zusammen

Die Groschen, die du selber dir entwandt,

Schien jeder Heller dir wie Gold zu flammen

Des Schatzes für den fremden Sorgenpfühl,

Um den du deine Freuden schlau betrogen,

Und hast in deines Reichtums Vollgefühl

Tief, tief den Odem in die Brust gezogen?

Und der Moment, wo eine Rechte schwimmt

Ob teurem Haupte mit bewegtem Segen,

Wo sie das Herz vom eignen Herzen nimmt,

Um freudig an das fremde es zu legen:

Hast du ihn je erlebt und standest dann,

Die Arme still und freundlich eingeschlagen,

Selig berechnend, welche Früchte kann,

Wie liebliche das neue Bündnis tragen?

Dann bist du glücklich, bist geliebt und reich,

Ein Fels, an dem sich alle Blitze spalten,

Dann mag dein Kranz verwelken, mögen bleich

Krankheit und Alter dir die Stirne falten;

Dann bist der Mittelpunkt du deiner Welt,

Der Kreis, aus dem die Freudenstrahlen quillen,

Und was so frisch der Bäche Ufer schwellt,

Wie sollte seinen Born es nicht erfüllen!«

Spätes Erwachen

Wie war mein Dasein abgeschlossen,

Als ich im grünumhegten Haus

Durch Lerchenschlag und Fichtensprossen

Noch träumt’ in den Azur hinaus!

Als keinen Blick ich noch erkannte,

Als den des Strahles durchs Gezweig,

Die Felsen meine Brüder nannte,

Schwester mein Spiegelbild im Teich!

Nicht rede ich von jenen Jahren,

Die dämmernd uns die Kindheit beut –

Nein, so verdämmert und zerfahren

War meine ganze Jugendzeit.

Wohl sah ich freundliche Gestalten

Am Horizont vorüberfliehn;

Ich konnte heiße Hände halten

Und heiße Lippen an mich ziehn.

Ich hörte ihres Grußes Pochen,

Ihr leises Wispern um mein Haus,

Und sandte schwimmend, halb gebrochen,

Nur einen Seufzer halb hinaus.

Ich fühlte ihres Hauches Fächeln,

Und war doch keine Blume süß;

Ich sah der Liebe Engel lächeln,

Und hatte doch kein Paradies.

Mir war, als habe in den Noten,

Sich jeder Ton an mich verwirrt,

Sich jede Hand, die mir geboten,

Im Dunkel wunderlich verirrt.

Verschlossen blieb ich, eingeschlossen

In meiner Träume Zauberturm,

Die Blitze waren mir Genossen

Und Liebesstimme mir der Sturm.

Dem Wald ließ ich ein Lied erschallen,

Wie nie vor einem Menschenohr,

Und meine Träne ließ ich fallen,

Die heiße, in den Blumenflor.

Und alle Pfade mußt’ ich fragen:

Kennt Vögel ihr und Strahlen auch?

Doch keinen: wohin magst du tragen,

Von welchem Odem schwillt dein Hauch?

Wie ist das anders nun geworden,

Seit ich ins Auge dir geblickt,

Wie ist nun jeder Welle Borden

Ein Menschenbildnis eingedrückt!

Wie fühl’ ich allen warmen Händen

Nun ihre leisen Pulse nach,

Und jedem Blick sein scheues Wenden

Und jeder schweren Brust ihr Ach.

Und alle Pfade möcht’ ich fragen:

Wo zieht ihr hin, wo ist das Haus,

In dem lebend’ge Herzen schlagen,

Lebend’ger Odem schwillt hinaus?

Entzünden möcht’ ich alle Kerzen

Und rufen jedem müden Sein:

Auf ist mein Paradies im Herzen,

Zieht alle, alle nun hinein!

Die tote Lerche

Ich stand an deines Landes Grenzen,

An deinem grünen Saatenwald,

Und auf des ersten Strahles Glänzen

Ist dein Gesang herabgewallt;

Der Sonne schwirrtest du entgegen,

Wie eine Mücke nach dem Licht,

Dein Lied war wie ein Blütenregen,

Dein Flügelschlag wie ein Gedicht.

Da war es mir, als müsse ringen

Ich selber nach dem jungen Tag,

Als horch’ ich meinem eignen Singen,

Und meinem eignen Flügelschlag;

Die Sonne sprühte glühe Funken,

In Flammen brannte mein Gesicht,

Ich selber taumelte wie trunken,

Wie eine Mücke nach dem Licht!

Da plötzlich sank und sank es nieder,

Gleich toter Kohle in die Saat;

Noch zucken sah ich kleine Glieder,

Und bin erschrocken dann genaht.

Dein letztes Lied, es war verklungen,

Du lagst ein armer, kalter Rest,

Am Strahl verflattert und versungen,

Bei deinem halbgebauten Nest.

Ich möchte Tränen um dich weinen

Wie sie das Weh vom Herzen drängt;

Denn auch mein Leben wird verscheinen,

Ich fühl’s, versungen und versengt.

Dann du mein Leib, ihr armen Reste,

Dann nur ein Grab auf grüner Flur

Und nah nur, nah bei meinem Neste,

In meiner stillen Heimat nur!

Lebt wohl

Lebt wohl, es kann nicht anders sein!

Spannt flatternd eure Segel aus,

Laßt mich in meinem Schloß allein,

Im öden geisterhaften Haus.

Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch

Und meinen letzten Sonnenstrahl,

Er scheide, scheide nur sogleich,

Denn scheiden muß er doch einmal.

Laßt mich an meines Sees Bord

Mich schaukelnd mit der Wellen Strich,

Allein mit meinem Zauberwort

Dem Alpengeist und meinem Ich.

Verlassen, aber einsam nicht,

Erschüttert, aber nicht zerdrückt,

Solange noch das heil’ge Licht‹

Auf mich mit Liebesaugen blickt,

Solange mir der frische Wald

Aus jedem Blatt Gesänge rauscht,

Aus jeder Klippe, jedem Spalt

Befreundet mir der Elfe lauscht,

Solange noch der Arm sich frei

Und waltend mir zum Äther streckt,

Und jedes wilden Geiers Schrei

In mir die wilde Muse weckt.

Grüße

Steigt mir in diesem fremden Lande

Die altbekannte Nacht empor,

Klatscht es wie Hufesschlag vom Strande,

Rollt sich die Dämmerung hervor

Gleich Staubeswolken mir entgegen

Von meinem lieben starken Nord,

Und fühl’ ich meine Locken regen

Der Luft geheimnisvolles Wort:

Dann ist es mir, als hör’ ich reiten

Und klirren und entgegenziehn

Mein Vaterland von allen Seiten,

Und seine Küsse fühl’ ich glühn;

Dann wird des Windes leises Munkeln

Mir zu verworrnen Stimmen bald,

Und jede schwache Form im Dunkeln

Zur tiefvertrautesten Gestalt.

Und meine Arme muß ich strecken,

Muß Küsse, Küsse hauchen aus,

Wie sie die Leiber könnten wecken,

Die modernden im grünen Haus;

Muß jeden Waldeswipfel grüßen

Und jede Heid’ und jeden Bach,

Und alle Tropfen, die da fließen,

Und jedes Hälmchen, das noch wach.

Du Vaterhaus mit deinen Türmen,

Vom stillen Weiher eingewiegt,

Wo ich in meines Lebens Stürmen

So oft erlegen und gesiegt, –

Ihr breiten laubgewölbten Hallen,

Die jung und fröhlich mich gesehn,

Wo ewig meine Seufzer wallen

Und meines Fußes Spuren stehn!

Du feuchter Wind von meinen Heiden,

Der wie verschämte Klage weint, –

Du Sonnenstrahl, der so bescheiden

Auf ihre Kräuter niederscheint, –

Ihr Gleise, die mich fortgetragen,

Ihr Augen, die mir nachgeblinkt,

Ihr Herzen, die mir nachgeschlagen,

Ihr Hände, die mir nachgewinkt!

Und Grüße, Grüße, Dach, wo nimmer

Die treuste Seele mein vergißt

Und jetzt bei ihres Lämpchens Schimmer

Für mich den Abendsegen liest,

Wo bei des Hahnes erstem Krähen

Sie matt die graue Wimper streicht

Und einmal noch vor Schlafengehen

An mein verlaßnes Lager schleicht!

Ich möcht’ euch alle an mich schließen,

Ich fühl’ euch alle um mich her,

Ich möchte mich in euch ergießen

Gleich siechem Bache in das Meer;

O wüßtet ihr, wie krankgerötet,

Wie fieberhaft ein Äther brennt,

Wo keine Seele für uns betet

Und keiner unsre Toten kennt!

Im Grase

Süße Ruh’, süßer Taumel im Gras,

Von des Krautes Arom’ umhaucht,

Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut,

Wenn die Wolke am Azure verraucht,

Wenn aufs müde schwimmende Haupt

Süßes Lachen gaukelt herab,

Liebe Stimme säuselt und träuft

Wie die Lindenblüt’ auf ein Grab.

Wenn im Busen die Toten dann,

Jede Leiche sich streckt und regt,

Leise, leise den Odem zieht,

Die geschloßne Wimper bewegt,

Tote Lieb’, tote Lust, tote Zeit,

All die Schätze, im Schutt verwühlt,

Sich berühren mit schüchternem Klang

Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.

Stunden, flücht’ger ihr als der Kuß

Eines Strahls auf den trauernden See,

Als des ziehnden Vogels Lied,

Das mir niederperlt aus der Höh’,

Als des schillernden Käfers Blitz

Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,

Als der flücht’ge Druck einer Hand,

Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur

Dieses eine nur: für das Lied

Jedes freien Vogels im Blau

Eine Seele, die mit ihm zieht,

Nur für jeden kärglichen Strahl

Meinen farbig schillernden Saum,

Jeder warmen Hand meinen Druck

Und für jedes Glück einen Traum.

Die Golems

Hätt’ ich dich nicht als süßes Kind gekannt,

Mit deinem Seraph in den klaren Blicken,

Dich nicht geleitet in der Märchen Land,

Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken:

Ich würde jetzt dich mit Behagen sehen,

Du wärst mir eine hübsche, brave Frau,

Doch, ach! nun muß ich unter deiner Brau,

Muß stets nach dem entflognen Engel spähen!

Und du, mit deinem Wort bedacht und breit,

Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten,

Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit,

Wo deine Glut die Felsen wollte spalten?

Ein braver Bürger bist du, hoch zu ehren,

Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn,

Doch, o, mein Flammenwirbel, mein Vulkan –

Ach, daß die Berge Mäuse nur gebären!

Weh ihm, der lebt in des Vergangnen Schau,

Um bleiche Bilder wirbt, verschwommne Töne!

Nicht was gebrochen, macht das Haar ihm grau,

Was Tod geknickt in seiner süßen Schöne;

Doch sie, die Monumente ohne Toten,

Die wandernden Gebilde ohne Blut,

Sie, seine Tempel ohne Opferglut

Und seine Haine ohne Frühlingsboten!

‘s gibt eine Sage aus dem Orient

Von Weisen, toter Masse Formen gebend,

Geliebte Formen, die die Sehnsucht kennt,

Und mit dem Zauberworte sie belebend;

Der Golem wandelt mit bekanntem Schritte,

Er spricht, er lächelt mit bekanntem Hauch,

Allein es ist kein Strahl in seinem Aug’,

Es schlägt kein Herz in seines Busens Mitte.

Und wie sich alte Lieb’ ihm unterjocht,

Er haucht sie an mit der Verwesung Schrecken;

Wie angstvoll die Erinnrung ruft und pocht,

Es ist in ihm kein Schlafender zu wecken;

Und tiefgebrochen sieht die Treue schwinden,

Was sie so lang und heilig hat bewahrt,

Was nicht des Lebens, nicht des Todes Art,

Nicht hier und nicht im Himmel ist zu finden.

O, kniee still an deiner Toten Gruft,

Dort magst du milde, fromme Tränen weinen,

Mit ihrem Odem säuselt dir die Luft,

Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir scheinen;

Dein sind sie, dein, wie mit gebrochnen Augen,

Wie dein sie waren mit dem letzten Blick;

Doch fliehe, vor den Golems flieh zurück,

Die deine Tränen kalt wie Gletscher saugen!

Volksglauben in den Pyrenäen

1. Silvesterfei

Der morsche Tag ist eingesunken,

Sein Auge, gläsern, kalt und leer,

Barg keines Taues linden Funken

Für den gebräunten Eppich mehr.

Wie’s draußen schauert! – längs der Wand

Ruschelt das Mäuslein unterm Halme,

Und langsam sprießt des Eises Palme

Am Scheibenrand.

In tiefer Nacht wem soll noch frommen

Am Simse dort der Lampe Strahl?

Da schon des Herdes Scheit verglommen,

Welch späten Gastes harrt das Mahl?

Längst hat im Turme zu Escout

Die Glocke zwölfmal angeschlagen,

Und glitzernd sinkt der Himmelswagen

Dem Pole zu.

Durch jener Kammer dünne Barren

Ziehn Odemzüge, traumbeschwert,

Ein Ruck mitunter auch, ein Knarren,

Wenn sich im Bett der Schläfer kehrt;

Und nur ein leiser Husten wacht,

Kein Traum die Mutter hält befangen,

Sie kann nicht schlafen in der langen

Silvesternacht.

Jetzt ist die Zeit, wo, los’ und schleichend,

Die Fei sich durch die Ritze schlingt,

Mit langer Schlepp’ den Estrich streichend,

Das Schicksal in die Häuser bringt,

An ihrer Hand das Glück, Gewind’

Und Ros’ im Lockenhaar, ein schlankes,

Das Mißgeschick ein fieberkrankes,

Ein weinend Kind.

Und trifft sie alles recht zu Danke

Geordnet von der Frauen Hand,

Dann nippt vom Mahle wohl das schlanke,

Und läßt auch wohl ein heimlich Pfand;

Doch sollt’ ein Frevler lauschen, risch,

Im Hui, zerstoben ist die Szene,

Und scheidend fällt des Unglücks Träne

Auf Herd und Tisch.

O, keine Bearnerin wird’s wagen,

Zu stehn am Astloch, lieber wird

Ein Tuch sie um die Augen schlagen,

Wenn durch den Spalt die Lampe flirrt;

Manon auch drückt die Wimper zu,

Und zupft an der Gardine Linnen,

Doch immer, immer läßt das Sinnen

Ihr keine Ruh’.

Ward glatt das Leilach auch gebreitet?

Hat hell der Becher auch geblinkt?

Ob jetzt das Glück zum Tische gleitet,

Ein Bröcklein nascht, ein Tröpflein trinkt?

Oft glaubt sie zarter Stimmen Hauch,

Verschämtes Trippeln oft zu hören,

Und dann am Brode leises Stören

Und Knuspern auch.

Sie horcht und horcht – das war ein Schlüpfen!

Doch nein – der Wind die Föhren schwellt.

Und das – am Flur ein schwaches Hüpfen,

Wie wenn zum Grund die Krume fällt!

»Eugène, was wirfst du dich umher,

Was soll denn dies Gedehn’ und Ziehen?

Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen!

Er träumt so schwer.«

Sie rückt das Kind an ihrer Seiten,

Den Knaben, dicht zu sich heran,

Läßt durch sein Haar die Finger gleiten,

Es hangen Schweißes Tropfen dran;

Erschrocken öffnet sie das Aug’,

Will nach dem Fensterglase schauen,

Da eben steigt das Morgengrauen,

Ein trüber Rauch.

Vom Lager fährt die Mutter, bebend

Hat sie der Lampe Docht gehellt,

Als, sachte überm Leilach schwebend,

Ein Efeublatt zu Boden fällt.

Das Glück! das ist des Glückes Spur!

Doch nein, – sie pflückt’ es ja dem Kinde,

Und dort – nascht an der Semmelrinde

Die Ratte nur.

Und wieder aus der Kammer stehlen

Sich Seufzer, halbbewußt Gestöhn;

»O Christ, was mag dem Knaben fehlen!

Eugène, wach auf, wach auf, Eugène!

Du lieber Gott, ist so geschwind,

Eh noch der Morgenstrahl entglommen,

Das Unglück mir ins Haus gekommen

Als krankes Kind!«

2. Münzkraut

Der Frühling naht, es streicht der Star

Am Söller um sein altes Nest;

Schon sind die Täler sonnenklar,

Doch noch die Scholle hart und fest;

Nur wo der Strahl vom Felsen prallt,

Will mählich sich der Grund erweichen,

Und schüchtern aus den Windeln schleichen

Der Gräser lichter dichter Wald.

Schau dort am Riff – man sieht es kaum –

So recht vom Sonnenbrand gekocht

Das kleine Beet, vier Schritte Raum,

Vom Schieferhange überjocht,

Nach Ost und Westen eingehegt,

Mit starken Planken abgeschlagen,

Als sollt’ es Wunderblumen tragen,

Und sind nur Kräuter, was es trägt.

Und dort die Frau an Riffes Mitten,

Ach Gott, sie hat wohl viel gelitten!

Sie klimmt so schwer den Steig hinan,

Nun steht sie keuchend, löst das Mieder,

Nun sinkt sie an dem Beete nieder,

Und faltet ihre Hände dann.

»Liebe Münze, du werter Stab,

Drauf meines Heilands Sohle stand,

Als ihm, drüben im Morgenland,

Sankt Battista die Taufe gab,

Heiliges Kraut, das aus seinem Leibe

Ward gesegnet mit Wunderkraft,

Hilf einer Witw’, einem armen Weibe,

Das so sorglich um dich geschafft!

Hier ist Brod, und hier ist Salz und Wein,

Sieh, ich leg’s in deine Blätter mitten;

Woll’ nicht zürnen, daß das Stück so klein,

Hab’s von meinem Teile abgeschnitten;

Etwas wahrt’ ich, Münze gnadenreich,

Schaffens halber nur, sonst gäb’ ich’s gleich.

Mein Knab’ ist krank, du weißt es wohl,

Ich kam ja schon zu sieben Malen,

Und gestern mußt’ ich in Bregnoles

Den Trank für ihn so teuer zahlen.

Vier hab’ ich, vier, daß Gott erbarm’!

Mit diesen Händen zu ernähren,

Und, sieh, so kann’s nicht länger währen,

Denn täglich schwächer wird mein Arm.

O Madonna, Madonna, meine gnädige Frau!

Ich hab’ gefrevelt, nimm’s nicht genau,

Ich hab’ gesündigt wider Willen!

Nimm, o nimm mir nur kein Kind,

Will ihnen gerne den Hunger stillen,

Wär’s mit Bettelbrod, nicht eins

Kann ich missen, von allen keins!

Zweimal muß ich noch den Steig hinan,

Siebenmal bin ich nun hier gewesen.

Heil’ge Fraue von Embrun, wär’ dann

Welk die Münze und mein Knab’ genesen!

Gerne will ich dann an deinem Schrein

Meinen Treuring opfern, er ist klein,

Nur von Silber, aber fleckenrein;

Denn ich hab’ mit Ehren ihn getragen,

Darf vor Gott und Menschen mich nicht schämen;

Milde Fraue, laß mich nicht verzagen,

Liebe Dame, woll’ ihn gütig nehmen,

Denk, er sei von Golde und Rubin,

Süße, heil’ge, werte Himmelskönigin!«

3. Der Loup Garou

Brüderchen schläft, ihr Kinder, still!

Setzt euch ordentlich her zum Feuer!

Hört ihr der Eule wüst Geschrill?

Hu! im Walde ist’s nicht geheuer.

Frommen Kindern geschieht kein Leid,

Drückt nur immer die Lippen zu,

Denn das böse, das lacht und schreit,

Holt die Eul’ und der Loup Garou.

Wißt ihr, dort, wo das Naß vom Schiefer träuft

Und übern Weg ‘ne andre Straße läuft,

Das nennt man Kreuzweg, und da geht er um,

Bald so, bald so, doch immer falsch und stumm,

Und immer schielend; vor dem Auge steht

Das Weiße ihm, so hat er es verdreht;

Dran ist er kenntlich, und am Kettenschleifen,

So trabt er, trabt, darf keinem Frommen nahn;

Die schlimmen Leute nur, die darf er greifen

Mit seinem langen, langen, langen Zahn.

Schiebt das Reisig der Flamme ein,

Puh! wie die Funken knistern und stäuben!

Pierrot, was soll das Wackeln sein?

Mußt ein Weilchen du ruhig bleiben,

Gleich wird die Zeit dir Jahre lang!

Laß doch den armen Hund in Ruh’!

Immer sind deine Händ’ im Gang,

Denkst du denn nicht an den Loup Garou?

Vom reichen Kaufmann hab’ ich euch erzählt,

Der seine dürft’gen Schuldner so gequält,

Und kam mit sieben Säcken von Bagnères,

Vier von Juwelen, drei von Golde schwer;

Wie er aus Geiz den schlimmen Führer nahm,

Und ihm das Untier auf den Nacken kam.

Am Halse sah man noch der Kralle Spuren,

Die sieben Säcke hat es weggezuckt,

Und seine Börse auch, und seine Uhren,

Die hat es all zerbissen und verschluckt.

Schließt die Tür, es brummt im Wald!

Als die Sonne sich heut verkrochen,

Lag das Wetter am Riff geballt,

Und nun hört man’s sieden und kochen.

Ruhig, ruhig, du kleines Ding!

Hörst du? – drunten im Stalle – hu!

Hörst du? Hörst du’s? kling, klang, kling,

Schüttelt die Kette der Loup Garou.

Doch von dem Trunkenbolde wißt ihr nicht,

Dem in der kalten Weihnacht am Gesicht

Das Tier gefressen, daß am heil’gen Tag

Er wund und scheußlich überm Schneee lag;

Zog von der Schenke aus, in jeder Hand

‘ne Flasche, die man auch noch beide fand;

Doch wo die Wangen sonst, da waren Knochen,

Und wo die Augen, blut’ge Höhlen nur;

Und wo der Schädel hier und da zerbrochen,

Da sah man deutlich auch der Zähne Spur.

Wie am Giebel es knarrt und kracht!

Caton, schau auf die Bühne droben

– Aber nimm mir die Lamp’ in acht –

Ob vor die Luke der Riegel geschoben.

Pierrot, Schlingel! das rutscht herab

Von der Bank, ohne Strümpf und Schuh!

Willst du bleiben! tapp, tipp, tapp,

Geht auf dem Söller der Loup Garou.

Und meine Mutter hat mir oft gesagt

Von einem tauben Manne, hochbetagt,

Fast hundertjährig, dem es noch geschehn,

Als Kind, daß er das Scheuel hat gesehn,

Recht wie ‘nen Hund, nur weiß wie Schnee und ganz

Verkehrt die Augen, eingeklemmt den Schwanz,

Und spannenlang die Zunge aus dem Schlunde,

So mit der Kette weg an Waldes Bord,

Dann wieder sah er ihn im Tobelgrunde,

Und wieder sah er hin – da war es fort.

Hab’ ich es nicht gedacht? es schneit!

Ho, wie fliegen die Flocken am Fenster!

Heilige Frau von Embrun! wer heut

Draußen wandelt, braucht keine Gespenster;

Irrlicht ist ihm die Nebelsäul’,

Führt ihn schwankend dem Abgrund zu,

Sturmes Flügel die Toteneul’,

Und der Tobel sein Loup Garou.

4. Maisegen

Der Mai ist eingezogen,

Schon pflanzt er sein Panier

Am dunklen Himmelsbogen,

Mit blanker Sterne Zier.

Die wilden Wasser brausen

Und rütteln aus den Klausen

Rellmaus und Murmeltier.

»Ob wohl das Gletschereis den Strom gedämmt?

Von mancher Hütte geht’s auf schlimmen Wegen.

Der Sturm hat alle Firnen kahl gekämmt,

Und gestern wie aus Röhren schoß der Regen.

Adieu, Jeannette, nicht länger mich gehemmt!

Adieu, ich muß, es gilt den Maiensegen;

Wenn vier es schlägt im Turme zu Escout,

Muß jeder Senne stehn am Pointe de Droux.«

Wie trunken schaun die Klippen,

Wie taumelnd in die Schlucht!

Als nickten sie, zu nippen

Vom Sturzbach auf der Flucht.

Da ist ein rasselnd Klingen,

Man hört die Schollen springen

Und brechen an der Bucht.

Auf allen Wegen ziehn Laternen um,

Und jedes Passes Echo wecken Schritte.

Habt acht, habt acht, die Nacht ist blind und stumm,

Die Schneeflut fraß an manches Blockes Kitte;

Habt acht, hört ihr des Bären tief Gebrumm?

Dort ist sein Lager, an des Riffes Mitte;

Und dort die schiefe Klippenbank, fürwahr!

Sie hing schon los’ am ersten Februar.

Nun sprießen blasse Rosen

Am Gletscherbord hervor,

Und mit der Dämmrung kosen

Will schon das Klippentor;

Schon schwimmen lichte Streifen,

Es lockt der Gemse Pfeifen

Den Blick zum Grat empor.

Verlöscht sind die Laternen, und im Kreis

Steht eine Hirtenschar auf breiter Platte,

Voran der Patriarch, wie Silber weiß

Hängt um sein tiefgebräunt Gesicht das glatte,

Gestrehlte Haar, und alle beten leis,

Nach Osten schauend, wo das farbensatte

Rubingewölk mit glitzerndem Geroll

Die stolze Sonnenkugel bringen soll.

Da kömmt sie aufgefahren

In strenger Majestät,

Und von den Firnaltaren

Die Opferflamme weht.

Da sinken in der Runde

So Knie an Knie, dem Munde

Entströmt das Maigebet:

»Herr, Gott, der an des Maien erstem Tag

Den Strahl begabt mit sonderlichem Segen,

Den sich der sünd’ge Mensch gewinnen mag

In der geweihten Stunde, allerwegen,

Segne die Alm, segne das Vieh im Hag,

Mit Luft und Wasser, Sonnenschein und Regen,

Durch Sankt Anton den Siedel, Sankt Renée,

Martin von Tours und unsre Frau vom Schnee.

Segne das Haus, das Mahl auf unserm Tisch,

Am Berg den Weinstock und die Frucht im Tale,

Segne die Jagd am Gletscher, und den Fisch

Im See, und das Getiere allzumale,

So uns zur Nahrung dient, und das Gebüsch,

So uns erwärmt, mit Tau und Sonnenstrahle,

Durch Sankt Anton den Siedel, Saint Remy,

Sankt Paul und unsre Fraue von Clery.«

»Wir schwören,« alle Hände stehn zugleich

Empor, »wir schwören, keinen Gast zu lassen

Von unserm Herd, eh sicher Weg und Steig,

Das Vieh zu schonen, keinen Feind zu hassen,

Den Quell zu ehren, Recht an arm und reich

Zu tun, und mit der Treue nicht zu spaßen;

Das schwören wir beim Kreuze zu Autun

Und unsrer mächt’gen Fraue von Embrun.«

Da überm Kreise schweben,

Als wollten sie den Schwur

Zum Himmelstore heben,

Zwei Adler; auf die Flur

Senkt sich der Strahl vom Hange,

Und eine Demantschlange

Blitzt drunten der Adour.

Die Weiden sind verteilt, und wieder schallt

In jedem Passe schwerer Tritte Stampfen.

Voran, voran, die Firnenluft ist kalt,

Und scheint die Lunge eisig zu umkrampfen.

Nur frisch voran – schon sehn sie überm Wald

Den Vogel ziehn, die Nebelsäule dampfen,

Und wo das Riff durchbricht ein Klippengang,

Summt etwas auf, wie ferner Glockenklang.

Da liegt das schleierlose

Gewäld in Sonnenruh’!

Und, wie mit Sturmgetose

Dem Äthermeere zu,

Erfüllt des Tales Breite

Das Angelusgeläute

Vom Turme zu Escout.

5. Höhlenfei

Siehst du drüben, am hohlen Baum,

Ins Geklüfte die Schatten steigen,

Überm Bord, ein blanker Saum,

Leises Quellengeriesel neigen?

Das ist die Eiche von Bagnères,

Das ist die Höhle Trou de fer,

Wo sie tags in der Spalten Raum,

Nächtlich wohnt in den surrenden Zweigen.

O, sie ist überalt, die Fei!

Laut Annalen, vor grauen Jahren,

Zwei Jahrhunderten oder drei,

Mußte sie seltsam sich gebaren:

Bald als Eule, mit Uhuhu!

Bald als Katze und schwarze Kuh,

Auch als Wiesel, mit feinem Schrei,

Ist sie über die Kluft gefahren.

Aber wenn jetzt im Mondenschein

Zarte Lichter den Grund betüpfen,

Sieht mitunter man am Gestein

Sie im schillernden Mantel hüpfen,

Hört ihr Stimmchen, Gesäusel gleich;

Aber nahst du, dann nickt der Zweig,

Und das Wasser wispert darein,

Und du siehst nur die Quelle schlüpfen.

Reich an Gold ist der Höhle Grund,

O, wie Guinea und wie Bengalen!

Und man spricht vom bewachenden Hund,

Doch des melden nichts die Annalen;

Aber mancher, der wundersam,

Unbegreiflich zu Gelde kam,

Ließ, so kündet der Sage Mund,

Es am Baum von Bagnères sich zahlen,

Barg einen Beutel im Hohle breit,

Drin den neuen Liard, bedächtig,

Recht in der sengenden Mittagszeit,

Die den Geistern wie mitternächtig,

Fand ihn abends mit Gold geschwellt, –

O, kein Christ komme so zu Geld!

Falsch war Feiengold jederzeit,

Kurz das Leben, und Gott ist mächtig.

Einmal nur, daß mich des gedenkt,

Ist ein Mann an den Baum gegangen,

Hat seinen Sack hinein gesenkt,

Groß, eines Königes Schatz zu fangen;

‘s war ein Wucherer, war ein Filz,

Ein von Tränen geschwellter Pilz;

Nun, er hat sich zuletzt gehenkt, –

Besser hätt’ er schon da gehangen!

Hielt die Lippen so fest geklemmt,

– Denn Geflüster nur, mußt du wissen,

Das ist eben, was alles hemmt,

Lieber hätt’ er die Zunge zerbissen; –

Barfuß kam er, auf schlechten Rat,

Und als da in die Scherb’ er trat,

Hat er sich nur an den Baum gestemmt

Und den Schart aus der Wunde gerissen;

Doch als aus dem Gemoder scheu

Schlüpft ‘ne Schlange ihm längs den Haaren,

Da ist endlich ein kleiner Schrei,

Nur ein winziger, ihm entfahren;

Und am Abend? – verschwunden war

Großer Sack und neuer Liard.

O, verräterisch ist die Fei!

Und es wachen der Hölle Scharen.

6. Johannistau

Es ist die Zeit nun, wo den blauen Tag

Schon leiser weckt der Nachtigallen Schlag,

Wo schon die Taube, in der Mittagsglut,

Sich trunkner, müder breitet ob der Brut,

Wo abends, wenn das Sonnengold zergangen,

Verlorner Funke irrt des Wurmes Schein,

An allen Ranken Blütenbüschel hangen,

Und Düfte ziehn in alle Kammern ein.

»Weck mich zur rechten Zeit, mein Kamerad,

Versäumen möcht’ ich Sankt Johannis Bad

Um alles nicht; ich hab’ das ganze Jahr

Darauf gehofft, wenn mir so elend war.

Jérôme, du mochtest immer gut es meinen,

Bist auch, wie ich, nur armer Leute Kind,

Doch hast du klare Augen und die Deinen,

Und ich bin eine Waise und halb blind!

Hat schon der Hahn gekräht? ich hab’s verfehlt;

Oft schlaf’ ich fest, wenn mich der Schmerz gequält.

Ob schon die Dämmrung steigt? ich seh es nicht,

Mir fährt’s wie Spinneweben am Gesicht;

Doch dünkt mich, hör’ im Stalle ich Gebimmel

Und Peitschenknall; was das für Fäden sind,

Die mir am Auge schwimmen? lieber Himmel,

Ich bin nicht halb, ich bin beinah schon blind!

Hier ist der Steg am Anger, weiter will

Ich mich nicht wagen, hier ist alles still,

Und Tau genug für Kranke allzumal

Des ganzen Weilers, eh der Sonnenstrahl

Mit seinem scharfen Finger ihn gestrichen

Und aufgesogen ihn der Morgenwind;

Doch ist kein zweiter wohl hieher geschlichen,

Denn, Gott sei Dank, nur wenige sind blind.

Das ist ein Büschel – nein – doch das ist Gras,

Ich fühle meine Finger kalt und naß.

Johannes, heiliger Prophet, ich kam

In deinem werten Namen her, und nahm

Von jenem Taue, den im Wüstenbrande

Die Wolke dir geträufelt, lau und lind,

Daß nicht dein Auge in dem heißen Sande,

Nicht dein gesegnet Auge werde blind.

Gepredigt hast du in der Steppenglut –

So weißt du auch, wie harte Arbeit tut;

Doch arm und nicht der Arbeit fähig sein,

Das ist gewiß die allergrößte Pein.

Du hast ja kaum geruht in Mutterarmen,

Warst früh ein elternlos verwaistes Kind,

Woll’ eines armen Knaben dich erbarmen,

Der eine Waise ist, wie du, und blind!«

Das Bild

1.

Sie stehn vor deinem Bild und schauen

In dein verschleiert Augenlicht,

Sie prüfen Lippe, Kinn und Brauen,

Und sagen dann: du seist es nicht,

Zu klar die Stirn, zu voll die Wange,

Zu üppig in der Locken Hange,

Ein lieblich fremdes Angesicht.

O wüßten sie es, wie ein treues

Gemüt die kleinsten Züge hegt,

Ein Zucken nur, ein flüchtig scheues,

Als Kleinod in die Seele legt,

Wie nur ein Wort, mit gleichem Klange

Gehaucht, dem Feinde selbst, das bange,

Bewegte Herz entgegenträgt.

Sie würden besser mich begreifen,

Sehn deiner Locken dunklen Hag

Sie mich mit leisem Finger streifen,

Als lüft’ ich sie dem jungen Tag;

Den Flor mich breiten, dicht und dichter,

Daß deiner Augen zarte Lichter

Kein Sonnenstaub verletzen mag.

Was fremd, dahin will ich nicht schauen,

Ich will nicht wissen wo sie brennt,

Ob an der Lipp’, ob in den Brauen,

Die Flamme, die dein Herz nicht kennt;

Ich will nur sehn in deine Augen,

Den einen reinen Blick nur saugen,

Der leise meinen Namen nennt.

Ihn, der wie Äther mich umflossen,

Als in der ernsten Abendzeit

Wir saßen, Hand in Hand geschlossen,

Und dachten Tod und Ewigkeit;

Ihn, der sich von der Sonne Schwinden

Heilig gewendet mich zu finden,

Und lächelnd sprach: ich bin bereit.

2.

Und wär’ es wahr auch, daß der Jahre Pflug

Dir Furchen in die klare Stirn getrieben,

Nicht so elastisch deiner Lippen Zug

Bezeichne mehr dein Zürnen und dein Lieben,

Wenn dichter auch die Hülle dich umschlingt

Durch die der Strahl, der gottbeseelte, dringt,

Mir bist die immer Gleiche du geblieben.

Wenn minder stolz und edel die Gestalt,

Ich weiß in ihr die ungebeugte Seele,

Wenn es wie Nebel deinen Blick umwallt,

Ich weiß es, daß die Wolke Gluten hehle;

Und deiner weichen Stimme tiefrer Klang,

Verhallend, geisterhaft wie Wellensang,

Ich fühl’ es daß kein Liebeswort ihm fehle.

O Fluch des Alters, wenn das beßre Teil

Mit ihm dem Gottesbilde müßte weichen!

Wenn minder liebewarm ein Lächeln, weil

Der Kummer ihm gelassen seine Zeichen,

Ein Auge gütig nur, solange leicht

Und anmutsvoll die Träne ihm entschleicht,

Und ros’ge Wangen, zücht’ger als die bleichen!

Und dennoch hält sie alle uns betärt,

Die Form, die staubgeborne, wandelbare,

Scheint willig uns ein Ohr das leise hört,

Kühn einer frischen Stimme Siegsfanfare,

Wir alle sehen nur des Pharus Licht,

Die Glut im Erdenschoße sehn wir nicht,

Und keiner denkt der Lampe am Altare.

3.

Ich weiß ein beßres Bild zu finden

Als jenes, das dir ferner weicht,

Wie tiefer deine Wurzeln gründen

Und reifer sich die Ähre neigt;

Ein beßres als zu dessen Rahmen,

Wenn Jahre schwanden, Jahre kamen,

Man wie sein eigner Schatten schleicht.

Lausch’ ich am Strande ob der lauen

Entschlafnen Flut, mit scheuer Lust,

Wird unterm Flore dann, dem blauen,

Lebendig mir die ernste Rust,

Ich seh am Grunde die Korallen,

Ich seh der Fischicin goldig Wallen,

Und schaue tief in deine Brust.

Und wieder, an der Grüfte Bogen,

Seh ich der Mauerflechte Stab

Mit tausend Ranken eingesogen

In des Gesteines Herz hinab,

Von Taue schwer die grünen Locken,

Leuchtwürmer in der Wimper Flocken,

Das ist dein Lieben übers Grab.

Und wenn an der Genesung Bronnen

– Im Saale tafeln Stern und Band –

Sich mittags kranke Bettler sonnen,

Begierig schlürfen überm Rand

Und emsig ihre Schalen schwenken,

Dann muß ich an dein Geben denken,

An deine warme, offne Hand.

O jener Quell, der glüh und leise,

Ein Sprudel, deiner Brust entquillt,

Der nichts von Flocken weiß und Eise,

Mit Segen seine Steppe füllt,

Ihm kann nur gleichen wessen Walten

Nie siechen kann und nie veralten,

Und die Natur nur ist dein Bild.

Das erste Gedicht

Auf meiner Heimat Grunde

Da steht ein Zinnenbau,

Schaut finster in die Runde

Aus Wimpern schwer und grau,

An seiner Fenster Gittern

Wimmert des Kauzes Schrei,

Und drüber siehst du wittern

Den sonnentrunknen Weih.

Ein Wächter, fest wie Klippen,

Von keinem Sturm bewegt,

Der in den harten Rippen

Gar manche Kugel trägt,

Ein Mahner auch, ein strenger,

Des Giebel grün und feucht

Mit spitzem Hut und Fänger

Des Hauses Geist besteigt:

Und sieht ihn das Gesinde

Am Fahnenschafte stehn,

Sich, wirbelnd vor dem Winde,

Mit leisem Schreie drehn,

Dann pocht im Schloßgemäuer

Gewiß die Totenuhr,

Oder ein tückisch Feuer

Frißt glimmend unterm Flur.

Wie hab’ ich ihn umstrichen

Als Kind oft stundenlang,

Bin heimlich dann geschlichen

Den schwer verpönten Gang,

Hinauf die Wendelstiege,

Die unterm Tritte bog,

Bis zu des Sturmes Wiege,

Zum Hahnenbalken hoch.

Und saß ich auf dem Balken,

Im Dämmerstrahle falb,

Mich fühlend halb als Falken,

Als Mauereule halb,

Dann hab’ ich aus dem Brodem

Den Geist zitiert mit Mut,

Ich, Hauch von seinem Odem

Und Blut von seinem Blut.

Doch als nun immer tiefer

Die Schlangenstiege sank,

Als schiefer stets und schiefer

Dräute die Stufenbank,

Da klomm ich sonder Harren

Hinan den Zinnenring,

Und in des Daches Sparren

Barg ich ein heimlich Ding.

Das sollten Enkel finden

Wenn einst der Turm zerbrach,

Es sollte etwas künden

Das mir am Herzen lag,

Nun sinn’ ich oft vergebens

Was mich so tief bewegt,

Was mit Gefahr des Lebens

Ich in den Spalt gelegt?

Mir sagt ein Ahnen leise,

Es sei, gepflegt und glatt,

Von meinem Lorbeerreise

Das arme, erste Blatt,

Auch daß es just gewittert,

Mir, wie im Traume scheint,

Und daß ich sehr gezittert

Und bitterlich geweint.

Zerfallen am Gewände

Ist längst der Stiege Rund,

Kaum liegt noch vom Gelände

Ein morsches Brett am Grund,

Und wenn die Balken knarren,

Im Sturm die Fahne kreist,

Dann gleitet an den Sparren

Nicht mehr des Ahnen Geist;

Er mag nicht ferner hausen

Wo aller Glaube schwand;

Ich aber stehe draußen

Und schau hinauf die Wand,

Späh durch der Sonne Lodern

In welcher Ritze wohl

Es einsam mag vermodern

Mein schüchtern arm Idol!

Nie sorgt’ ein Falke schlechter

Für seine erste Brut!

Doch du, mein grauer Wächter,

Nimm es in deine Hut;

Und ist des Daches Schiene

Hinfürder nicht zu traun,

So laß die fromme Biene

Dran ihre Zelle baun.

Durchwachte Nacht

Wie sank die Sonne glüh und schwer!

Und aus versengter Welle dann

Wie wirbelte der Nebel Heer,

Die sternenlose Nacht heran!

– Ich höre ferne Schritte gehn, –

Die Uhr schlägt zehn.

Noch ist nicht alles Leben eingenickt,

Der Schlafgemächer letzte Türen knarren,

Vorsichtig in der Rinne Bauch gedrückt

Schlüpft noch der Iltis an des Giebels Sparren,

Die schlummertrunkne Färse murrend nickt,

Und fern im Stalle dröhnt des Rosses Scharren,

Sein müdes Schnauben, bis, vom Mohn getränkt,

Es schlaff die regungslose Flanke senkt.

Betäubend gleitet Fliederhauch

Durch meines Fensters offnen Spalt,

Und an der Scheibe grauem Rauch

Der Zweige wimmelnd Neigen wallt.

Matt bin ich, matt wie die Natur! –

Elf schlägt die Uhr.

O wunderliches Schlummerwachen, bist

Der zartren Nerve Fluch du oder Segen? –

‘s ist eine Nacht vom Taue wach geküßt,

Das Dunkel fühl’ ich kühl wie feinen Regen

An meine Wange gleiten, das Gerüst

Des Vorhangs, scheint sich schaukelnd zu bewegen,

Und dort das Wappen an der Decke Gips,

Schwimmt sachte mit dem Schlängeln des Polyps.

Wie mir das Blut im Hirne zuckt!

Am Söller geht Geknister um,

Im Pulte raschelt es und ruckt

Als drehe sich der Schlüssel um,

Und – horch! der Seiger hat gewacht,

‘s ist Mitternacht.

War das ein Geisterlaut? so schwach und leicht

Wie kaum berührten Glases schwirrend Klingen,

Und wieder, wie verhaltnes Weinen, steigt

Ein langer Klageton aus den Syringen,

Gedämpfter, süßer nun, wie tränenfeucht

Und selig kämpft verschämter Liebe Ringen;

O Nachtigall, das ist kein wacher Sang,

Ist nur im Traum gelöster Seele Drang.

Da kollert’s nieder vom Gestein!

Des Turmes morsche Trümmer fällt,

Das Käuzlein knackt und hustet drein.

Ein jäher Windesodem schwellt

Gezweig und Kronenschmuck des Hains;

– Die Uhr schlägt eins –

Und drunten das Gewölke rollt und klimmt;

Gleich einer Lampe aus dem Hünenmale

Hervor des Mondes Silbergondel schwimmt,

Verzitternd auf der Gasse blauem Stahle,

An jedem Fliederblatt ein Fünkchen glimmt,

Und hell gezeichnet von dem blassen Strahle

Legt auf mein Lager sich des Fensters Bild,

Vom schwanken Laubgewimmel überhüllt.

Jetzt möcht’ ich schlafen, schlafen gleich,

Entschlafen unterm Mondeshauch,

Umspielt vom flüsternden Gezweig,

Im Blute Funken, Funk’ im Strauch,

Und mir im Ohre Melodei;

– Die Uhr schlägt zwei. –

Und immer heller wird der süße Klang,

Das liebe Lachen, es beginnt zu ziehen,

Gleich Bildern von Daguerre, die Deck’ entlang,

Die aufwärts steigen mit des Pfeiles Fliehen;

Mir ist als seh ich lichter Locken Hang,

Gleich Feuerwürmern seh ich Augen glühen,

Dann werden feucht sie, werden blau und lind,

Und mir zu Füßen sitzt ein schönes Kind.

Es sieht empor, so froh gespannt,

Die Seele strömend aus dem Blick,

Nun hebt es gaukelnd seine Hand,

Nun zieht es lachend sie zurück,

Und – horch! des Hahnes erster Schrei!

– Die Uhr schlägt drei. –

Wie bin ich aufgeschreckt – o süßes Bild

Du bist dahin, zerflossen mit dem Dunkel!

Die unerfreulich graue Dämmrung quillt,

Verloschen ist des Flieders Taugefunkel,

Verrostet steht des Mondes Silberschild,

Im Walde gleitet ängstliches Gemunkel,

Und meine Schwalbe an des Frieses Saum

Zirpt leise, leise auf im schweren Traum.

Der Tauben Schwärme kreisen scheu,

Wie trunken, in des Hofes Rund,

Und wieder gellt des Hahnes Schrei,

Auf seiner Streue rückt der Hund,

Und langsam knarrt des Stalles Tür,

– Die Uhr schlägt vier –

Da flammt’s im Osten auf – o Morgenglut!

Sie steigt, sie steigt, und mit dem ersten Strahle

Strömt Wald und Heide vor Gcsangesflut,

Das Leben quillt aus schäumendem Pokale,

Es klirrt die Sense, flattert Falkenbrut,

Im nahen Forste schmettern Jagdsignale,

Und wie ein Gletscher, sinkt der Träume Land

Zerrinnend in des Horizontes Brand.

Mondesaufgang

An des Balkones Gitter lehnte ich

Und wartete, du mildes Licht, auf dich.

Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,

Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;

Der See verschimmerte mit leisem Stöhnen,

Zerfloßne Perlen oder Wolkentränen? –

Es rieselte, es dämmerte um mich,

Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.

Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,

Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm;

Im Laube summte der Phalänen Reigen,

Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen,

Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;

Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,

Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid

Und Bildern seliger Vergangenheit.

Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein –

Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein! –

Sie drangen ein wie sündige Gedanken,

Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,

Verzittert war der Feuerfliege Funken,

Längst die Phaläne an den Grund gesunken,

Nur Bergeshäupter standen hart und nah,

Ein düstrer Richterkreis, im Düster da.

Und Zweige zischelten an meinem Fuß

Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß;

Ein Summen stieg im weiten Wassertale

Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;

Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,

Als stehe zagend ein verlornes Leben,

Als stehe ein verkümmert Herz allein,

Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.

Da auf die Wellen sank ein Silberflor,

Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;

Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,

Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;

Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,

An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,

Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,

Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.

O Mond, du bist mir wie ein später Freund,

Der seine Jugend dem Verarmten eint,

Um seine sterbenden Erinnerungen

Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,

Bist keine Sonne, die entzückt und blendet,

In Feuerströmen lebt, in Blute endet –

Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,

Ein fremdes, aber o ein mildes Licht.

Gastrecht

Ich war in einem schönen Haus

Und schien darin ein werter Gast,

Die Damen sahn wie Musen fast,

Sogar die Hunde geistreich aus,

Die Luft, von Ambraduft bewegt,

Schwamm wie zerfloßne Phantasie,

Und wenn ein Vorhang sich geregt,

Dann war sein Säuseln Poesie.

Wohl trat mir oft ein Schwindel nah,

Ich bin an Naphtha nicht gewöhnt,

Doch hat der Zauber mich versöhnt,

Und reiche Stunden lebt’ ich da,

All was man sagte war so fein,

So aus der Menschenbrust seziert,

Der Schnitt, so scharf und spiegelrein,

Und so vortrefflich durchgeführt.

Da kam ein Tag an dem man oft

Und leis von einem Gaste sprach,

Der, längst geladen, hintennach,

Kam wie die Reue unverhofft.

Da ward am Fenster ausgeschaut,

Ein seltsam Lächeln im Gesicht,

Ich hätte Häuser drauf gebaut,

Der Fremde sei ein Musenlicht.

Und als er endlich angelangt,

Als alles ihm entgegenflog

In den Salon ihn jubelnd zog,

Da hat mir ordentlich gebangt.

Doch schien ein schlichter Bursche nur

Mein Bruder in hospitio;

Vom Idealen keine Spur!

Nur frank, gesund und lebensfroh.

Drei Tage lebten wir nun flott,

Ganz wie im weiland Paradies,

Wo man die Engel sorgen ließ

Und geistreich sein den lieben Gott.

Des Gastes Auge hat geglüht,

Hat freundlich wie ein Stern geblinkt,

Und als er endlich trauernd schied,

Da ward ihm lange nachgewinkt.

O, unsre Wirte waren fein,

Gar feine Leute allzumal,

Schon sank die Dämmerung ins Tal,

Eh ihre Schonung nickte ein,

Und hier und dort ein Nadelstich,

Und schärfer dann ein Messerschnitt,

Und dann die Sonde säuberlich

In des Geschiednen Schwächen glitt.

O sichre Hand! o fester Arm!

O Sonde, leuchtend wie der Blitz!

Ich lehnte an des Gastes Sitz,

Und fühlte sacht ob er noch warm?

Und an das Fenster trat ich dann,

Nahm mir ein allbekanntes Buch

Und las, die Blicke ab und an

Versenkend in der Wolken Zug!

»Einst vor dem Thron Mütassims, des Kalifen

Beschwert mit Fesseln ein Verbrecher stand,

Dem, als vom Trunk betäubt, die Wächter schliefen,

Des Herrschers eigne Hand den Dolch entwand,

Nur dunkel ward die Tat dem Volk bekannt.

Man flüsterte von nahen Blutes Sünden,

Von Freveln die der Fürst nicht mög’ ergründen.

Schwer traf die läß’gen Söldner das Gericht,

Wie es sie traf, die Sage kündet’s nicht,

Nur dieses sagt sie: daß an jenem Tag

Ein schaudernd Schweigen über Bagdad lag,

Und daß, als man zum Spruch den Sünder führte,

Im weiten Saal sich keine Wimper rührte,

Und daß Mütassims Blick, zum Grund gewandt,

Die Blumen aus dem Teppich schier gebrannt.

Am Throne stand ein Becher mit Scherbet,

Den Gaum des Fürsten dörrten düstre Gluten,

Er fühlte seine Menschlichkeit verbluten

Am Stahle der bedräuten Majestät.

Wer gibt ihm seiner Nächte Schlaf zurück?

Wer seinen Mut zum Schaffen und zum Lieben?

Wer das Vertrauen auf sein altes Glück? –

Dies alles stand in seinem Blick geschrieben,

Weh! weh, wenn er die Wimper heben wird!

Der Frevler zittert, daß die Fessel klirrt.

Als noch der Lohn ihm wässerte den Mund,

Ein kecker Fuchs, und jetzt ein feiger Hund,

Würd’ er sich doppelten Verrats nicht schämen,

Doch sieht er deutlich keiner will ihn nehmen,

Schaut zähneknirschend nur zum Fürsten auf;

Die Wimper zuckt! – da drängt ein Schrei sich auf, –

Und wie im Strauch die kranke Schlange pfeift,

An innerm Krampte, will der Sklav’ ersticken.

O Allah! wird er sich dem Pfahl entrücken!

Und stürmisch der Kalif zum Becher greift,

Hält mit den eignen Händen den Scherbet

Ihm an die Lippen bis der Krampt vergeht.

Die Farbe kehrt, der Sklave atmet tief,

Sein Auge, irr zuerst, dann fest und kühn,

Läßt lang’ er auf des Thrones Stufen glühn,

Dann spricht er ernst: ›Lang lebe der Kalif!

Auf ihn hat sich Suleimans Geist gesenkt;

Ob er auch in gerechten Zornes Flamme,

Zum Marterpfahle einen Gast verdamme,

Den aus dem eignen Becher er getränkt.‹

Da ward Mütassim bleich vor innrer Qual,

Zittern sieht ihn sein Hof zum erstenmal,

Dann plötzlich ward sein Antlitz sonnenhell,

Und, hochgetragnen Hauptes rief er: ›Schnell

Die Fesseln ihm gelöst, ihr Sklaven! frei

Entwandl’ er, nur von seiner Schuld gedrückt.‹

Doch zu dem Thron tritt der Wesir, gebückt,

Spricht: ›Fürst der Gläubigen, was soll geschehn,

Wenn er zum zweitenmal den Dolch gezückt?‹

›Allah kerim! das was geschrieben ist

Im Buch des Lebens, drin nur Allah liest;

Allein auf keinem Blatte kann es stehn,

Daß der Verbrecher keine Gnade fand,

Den der Kalif getränkt mit eigner Hand!‹«

Ich schloß das Buch und dachte nach,

An Türken – Christen – mancherlei,

Mir war ein wenig schwül und scheu,

Und sacht entschlüpft’ ich dem Gemach.

Wie schien der Blumen wilde Zier,

Wie labend mir die schlichte Welt!

Und auf dem Rückweg hab’ ich mir

Die Pferde an der Post bestellt.

Auch ein Beruf

Die Abendröte war zerflossen,

Wir standen an des Weihers Rand

Und ich hielt meine Hand geschlossen

Um ihre kleine kalte Hand;

»So müssen wir denn wirklich scheiden?

Das Schicksal würfelt mit uns beiden,

Wir sind wie herrenloses Land.

Von keines Herdes Pflicht gebunden,

Meint jeder nur, wir seien, grad

Für sein Bedürfnis nur erfunden,

Das hülfbereite fünfte Rad.

Was hilft es uns, daß frei wir stehen,

Auf keines Menschen Hände sehen?

Man zeichnet dennoch uns den Pfad.

Wo dicht die Bäume sich verzweigen

Und um den schlanken Stamm hinab,

Sich tausend Nachbaräste neigen,

Da schreitet schnell der Wanderstab.

Doch drüben sieh die einzle Linde,

Ein jeder schreibt in ihre Rinde,

Und jeder bricht ein Zweiglein ab.

O hätten wir nur Mut, zu walten

Der Gaben die das Glück beschert!

Wer dürft’ uns hindern? wer uns halten?

Wer kümmern uns den eignen Herd?

Wir leiden nach dem alten Rechte:

Daß wer sich selber macht zum Knechte,

Nicht ist der goldnen Freiheit wert.

Zieh hin, wie du berufen worden,

Nach der Campagna Glut und Schweiß!

Und ich will ziehn nach meinem Norden,

Zu siechen unter Schnee und Eis.

Nicht würdig sind wir beßrer Tage,

Denn wer nicht kämpfen mag der trage!

Dulde wer nicht zu handeln weiß!«

So ward an Weihers Rand gesprochen,

Im Zorne halb, und halb in Pein.

Wir hätten gern den Stab gebrochen,

Ob all den kleinen Tyrannein.

Und als die Regenwolken stiegen,

Da bahnten wir erst mit Vergnügen

Uns in den Ärger recht hinein.

Solang die Tropfen einzeln fielen,

War’s Naphthaöl in unsern Trutz;

Auch eins von des Geschickes Spielen,

Zum Schaden uns und keinem nutz!

Doch als der Himmel Schlossen streute,

Da machten wir’s wie andre Leute,

Und suchten auch der Linde Schutz.

Dort stand ein Häuflein dicht beisammen,

Sich schauernd unterm Blätterdach;

Die Wolke zuckte Schwefelflammen,

Und jagte Regenstriemen nach.

Wir hörten’s auf den Blättern springen,

Jedoch kein Tropfen konnte dringen

In unser laubiges Gemach.

Fürwahr ein armes Häuflein war es,

Was hier dem Wettersturm entrann;

Ein hagrer Jud’ gebleichten Haares,

Mit seinem Hund ein blinder Mann,

Ein Schuladjunkt im magren Fracke,

Und dann, mit seinem Bettelsacke,

Der kleine hinkende Johann.

Und alle sahn bei jedem Stoße

Behaglich an den Stamm hinauf

Rückten die Bündelchen im Schoße,

Und drängten lächelnd sich zuhauf,

Denn wie so hohler schlug der Regen,

So breiter warf dem Sturm entgegen

Der Baum die grünen Schirme auf.

Wie kämpfte er mit allen Gliedern

Zu schützen was sich ihm vertraut!

Wie freudig rauscht’ er, zu erwidern

Den Glauben, der auf ihn gebaut!

Ich fühlte seltsam mich befangen,

Beschämt, mit hocherglühten Wangen,

Hab’ in die Krone ich geschaut

Des Baums der, keines Menschen Eigen,

Verloren in der Heide stand,

Nicht Früchte trug in seinen Zweigen,

Nicht Nahrung für des Herdes Brand,

Der nur auf Gottes Wink entsprossen

Dem fremden Haupte zum Genossen,

Dem Wandrer in der Steppe Sand.

Zur Freundin sah ich, sie herüber,

Wir dachten Gleiches wohl vielleicht,

Denn ihre Mienen waren trüber

Und ihre lieben Augen feucht.

Doch haben wir kein Wort gesprochen,

Vom Baum ein Zweiglein nur gebrochen,

Und still die Hände uns gereicht.

Gemüt

Grün ist die Flur, der Himmel blau,

Doch tausend Farben spielt der Tau,

Es hofft die Erde bis zum Grabe,

Bis sie in Himmelblau erblüht,

Und, sprich, was ist denn deine Gabe,

Der Seele Iris du, Gemüt?

Du Tropfen Wolkentau, der sich

In unsrer Scholle Poren schlich,

Daß er dem Himmel sie gewöhne

An seinem lieblichsten Gedicht,

Du, irdisch heilig wie die Träne,

Und himmlisch heilig wie das Licht!

Ein Tropfen nur, ein Widerschein,

Doch alle Wunder saugend ein,

Ob, Perle, dich am Blatte wiegend

Und spielend um der Biene Fuß,

Ob, süßer Traum, im Grase liegend,

Und lächelnd bei des Halmes Gruß:

O, Erd und Himmel lächeln auch,

Wenn du, geweckt vom Morgenhauch,

Gleich einem Kinde hebst den weichen

Verschämten Mondesblick zum Tag,

Erharrend was die Hand des Reichen,

Von Glanz und Duft dir geben mag.

Lächle nur, lächle für und für,

Des Kindes Reichtum wird auch dir:

Dir wird des Zweiges Blatt zur Halle,

Zum Sammet dir des Mooses Vlies,

Opale, funkelnde Metalle

Wäscht Muschelscherbe dir und Kies.

Des kranken Blattes rötlich Grün,

Drückt auf die Stirn dir den Rubin,

Mit Chrisolithes goldnem Flittern

Schmückt deinen Spiegel Kraut und Gras;

Und selbst des dürren Laubes Zittern,

Schenkt dir den bräunlichen Topas.

Und gar wenn losch der Sonnenbrand,

Und nun dein eigenstes Gewand,

Morgana deines Sees, gaukelt,

Ein Traum von Licht, um deinen Ball,

Und zarte Schattenbilder schaukelt,

Gefangne Geister im Kristall:

Dann schläfst du, schläfst in eigner Haft,

Läßt walten die verborgne Kraft,

Was nicht dem Himmel, nicht der Erden,

Was deiner Schöpfung nur bewußt,

Was nie gewesen, nie wird werden,

Die Embryone deiner Brust.

O lächle, träume immerzu,

Iris der Seele, Tropfen du!

Den Wald laß rauschen, im Gewimmel

Entfunkeln laß der Sterne Reihn,

Du hast die Erde, hast den Himmel,

Und deine Geister obendrein.

Der sterbende General

Er lag im dicht verhängten Saal,

Wo grau der Sonnenstrahl sich brach,

Auf seinem Schmerzensbette lag

Der alte kranke General;

Genüber ihm am Spiegel hing

Echarpe, Orden, Feldherrnstab,

Still war die Luft, am Fenster ging

Langsam die Schildwach’ auf und ab.

Wie der verwitterte Soldat

So stumm die letzte Fehde kämpft!

Zwölf Stunden, seit zuletzt gedämpft

Um »Wasser« er, um »Wasser« bat.

An seinem Kissen beugten zwei,

Des einen Auge rotgeweint,

Des andern düster, fest und treu,

Ein Diener und ein alter Freund.

»Tritt seitwärts«, sprach der eine, »laß

Ihn seines Standes Ehren sehn, –

Den Vorhang weg! daß flatternd wehn

Die Bänder an dem Spiegelglas!«

Der Kranke schlug die Augen auf,

Man sah wohl daß er ihn verstand,

Ein Blick, ein leuchtender, und drauf

Hat er sich düster abgcwandt.

»Denkst du, mein alter Kamerad,

Der jubelnden Viktoria?

Wie flogen unsre Banner da

Durch der gemähten Feinde Saat!

Denkst du an unsers Prinzen Wort:

– ›Man sieht es gleich hier stand der Wart!‹? –

Schnell, Konrad, nehmt die Decke fort,

Sein Odem wird so kurz und hart.«

Der Obrist lauscht, er murmelt sacht:

»Verkümmert wie ein welkes Blatt!

Das Dutzend Friedensjahre hat

Zum Kapuziner ihn gemacht. –

Wart, Wart! du hast so frisch und licht

So oft dem Tode dich gestellt,

Die Furcht, ich weiß es, kennst du nicht,

So stirb auch freudig wie ein Held!

Stirb wie ein Leue, adelich,

In seiner Brust das Bleigeschoß,

O, stirb nicht wie ein zahnlos Roß

Das zappelt vor des Henkers Stich! –

– Ha, seinem Auge kehrt der Strahl –

Stirb, alter Freund, stirb wie ein Mann!«

Der Kranke zuckt, zuckt noch einmal,

Und »Wasser, Wasser!« stöhnt er dann.

Leer ist die Flasche. – »Wache dort,

He, Wache, du bist abgelöst!

Schau, wo ans Haus das Gitter stößt,

Lauf, Wache, lauf zum Borne fort! –

‘s ist auch ein grauer Knasterbart,

Und strauchelt wie ein Dromedar –

Nur schnell, die Sohlen nicht gespart!

Was, alter Bursche, Tränen gar?«

»Mein Kommandant«, spricht der Ulan

Grimmig verschämt, »ich dachte nach

Wie ich blessiert am Strauche lag,

Der General mir nebenan,

Und wie er mir die Flasche bot,

Selbst dürstend in dem Sonnenbrand,

Und sprach: ›Du hast die schlimmste Not‹ –

Dran dacht’ ich nur, mein Kommandant.«

Der Kranke horcht, durch sein Gesicht

Zieht ein verwittert Lächeln, dann

Schaut fest den Veteran er an. –

Die Seele, der Viktorie nicht,

Nicht Fürstenwort gelöst den Fluch,

Auf einem Tropfen Menschlichkeit

Schwimmt mit dem letzten Atemzug

Sie lächelnd in die Ewigkeit.

Silvesterabend

Am letzten Tage des Jahres

Da dacht’ ich wie mancher tot,

Den ich bei seinem Beginne

Noch lustig gesehn und rot,

Wie mancher am Sargesbaume

Und wie vielleicht auch der meine

Zur Stunde schon sei gefällt.

Wer wird dann meiner gedenken

Wenn ich gestorben bin?

Wohl wird man Tränen mir weihen,

Doch diese sind bald dahin!

Wohl wird man Lieder mir singen,

Doch diese verweht die Zeit!

Vielleicht einen Stein mir setzen,

Den bald der Winter verschneit!

Und wenn die Flocke zerronnen

Und kehrt der Nachtigallschlag,

Dann blieb nur die heilige Messe

An meinem Gedächtnistag,

Nur auf zerrissenem Blatte

Ein Lied von flüchtigem Stift,

Und mir zu Häupten die Decke

Mit mooszerfressener Schrift.

Wohl hab’ ich viele Bekannte

Die gern mir öffnen ihr Haus,

Doch wenn die Türe geschlossen,

Dann schaut man nimmer hinaus,

Dann haben sie einen andern

An meiner Stelle erwählt,

Der ihnen singt meine Lieder

Und meine Geschichten erzählt.

Wohl hab’ ich ehrliche Freunde,

Die geht es schon härter an;

Doch wenn die Kette zerrissen,

Man flickt sie so gut man kann;

Zwei Tage blieben sie düster,

– Sie meinten es ernst und treu –

Und gingen dann in die Oper

Am dritten Tage aufs neu.

Ich habe liebe Verwandte

Die trugen im Herzen das Leid,

Allein wie dürfte verkümmern

Ein Leben so vielen geweiht?

Die haben sich eben bezwungen,

Für andere Pflichten geschont,

Doch schweben meine Züge

Zuweilen noch über den Mond.

Ich habe Brüder und Schwestern,

Da ging ins Leben der Stich,

Da sind viel Tränen geflossen

Und viele Seufzer um mich;

O, hätten sie einsam gestanden,

Ich lebte in ewigem Licht!

Nun haben sie meines vergessen

Um ihres Kindes Gesicht.

Ich hab’, ich hab’ eine Mutter,

Der kehr’ ich im Traum bei Nacht

Die kann das Auge nicht schließen,

Bis mein sie betend gedacht;

Die sieht mich in jedem Grabe,

Die hört mich im Rauschen des Hains –

O, vergessen kann eine Mutter

Von zwanzig Kindern nicht eins!

Schloß Berg

Ein Nebelsee quillt rauchend aus der Aue,

Und duft’ge Wolken treiben durch den Raum,

Kaum graut ein Punkt im Osten noch, am Taue

Verlosch des Glühwurms kleine Lampe kaum;

Horch! leises leises Zirpen unterm Dache

Verkündet, daß bereits die Schwalbe wache,

Und um manch Lager schwebt ein später Traum.

Die Stirn gelegt an meines Fensters Scheiben,

Schau immer ich zur wolk’gen Flut hinein,

Und an die Wölkchen, die dort lichter treiben,

Mein Blick hängt unverwendet an dem Schein.

Ja! dort! dort wird nun bald die Sonne steigen,

Mir ungekannte Herrlichkeit zu zeigen!

Dort ladet mich der Schweizermorgen ein!

So steh ich wirklich denn auf deinem Grunde,

Besungnes Land, von dem der Fremdling schwärmt,

Da meines Lebens allerfrühste Kunde

Aus jener Zeit, die noch das Herz erwärmt,

Da eine, nie vergessen, doch entschwunden,

So manche liebe hingeträumte Stunden,

An allzu teuren Bildern sich gehärmt.

Wenn sie gemalt, wie malet das Verlangen,

Die Felsenkuppen und den ew’gen Schnee,

Wenn an mein Ohr die Alpenglocken klangen,

Vor meinem Auge blitzte auf der See;

Von Schlosses Turm mit zitterndem Vergnügen

Ich zahllos sah die blanken Dörfer liegen,

Der Königreiche vier von meiner Höh’.

Mich dünkt, noch seh ich ihre milden Augen,

Die aufwärts schaun mit heiliger Gewalt,

Noch will mein Ohr die weichen Töne saugen,

Wenn echogleich sie am Klavier verhallt;

Und drunten, wo die lichten Pappeln wehen,

Noch mein’ ich ihrer Locken Wald zu sehen,

Und ihre zarte schwankende Gestalt!

Wohl war sie gut, wohl war sie klar und milde,

Wohl war sie allen wert, die sie gekannt,

Kein Schatten haftet an dem reinen Bilde,

Man tritt sich näher, wird sie nur genannt –

Ja, über Tal und Ströme schlingt aufs neue,

Um alles, was sie einst gehegt mit Treue,

Aus ihrem Grabe sich ein festes Band.

Ihr! ruhend noch in dieser frühen Stunde,

Verehrter Freund! und meine teuren Zween,

Emilie! und Emma! unserm Bunde

Wohl mag euch lächelnd sie zur Seite stehn,

Ich weiß es, denkend an geliebte Toten,

Habt ihr der Fremden eure Hand geboten,

Als hättet ihr seit Jahren sie gesehn.

So bin ich unter euer Dach getreten,

Wie eines Bruders Schwelle man berührt,

Eur gastlich Dach, wo frommer Treu’ im steten

Gefolge – aller Segen wohl gebührt,

Wo Frieden wohnt – was kann man Liebres sagen?

Mag Mailands Krone denn ein andrer tragen,

Nebst seinem Szepter, das ihr einst geführt.

Schlaft wohl, schlaft sanft, indem ich späh und lausche

Nach jedem Flöckchen, das dort rötlich weht,

Ist’s nicht, als ob der Morgenwind schon rausche?

Wie’s drüben wogt, und rollt, und um sich dreht,

Es breitet sich – es sinkt – und überm Schaume,

Was steigt dort auf? ein Bild aus kühnem Traume!

O Säntis, Säntis, deine Majestät!

Bist du es, dem ringsum die Lüfte zittern?

Du weißes Haupt mit deinem Klippenkranz,

Ich fühle deinen Blick die Brust erschüttern,

Wie überm Duft du riesig stehst im Glanz –

Ja! gleich der Arche über Wogengrimmen,

Seh ich in weiter Wolkenflut dich schwimmen,

Im weiten weiten Meere – einsam ganz!

Doch nein! – dort blickt – dort taucht es aus den Wellen!

Cäsapiana hebt die Stirne bleich,

Dort taucht der Glärnisch auf, – dort seh ich’s schwellen –

Und Zack’ an Zack’ entragt der Flut zugleich.

O Säntis! wohl mit Recht trägst du die Krone,

Da sieben Fürsten stehn an deinem Throne

Und unermeßlich ist dein luftig Reich.

Und sieh! Tirol auch sendet seine Zeichen,

Es blitzt dir seine kalten Grüße zu,

Welch Hof ist wohl dem deinen zu vergleichen,

Mein grauer stolzer Wolkenkönig du!

Die Sonne steigt, schon Strahl auf Strahl sie sendet,

Wie’s droben funkelt! wie’s das Auge blendet!

Und drunten alles Dämmrung, alles Ruh.

So sah ich, unter Märchen eingeschlafen,

Im Traume einst des Winterfürsten Haus,

Den Eispalast, wo seinen goldnen Schafen

Er täglich streut das Silberfutter aus.

Ja, in der Tat, sie sind hinabgezogen

Die goldnen Lämmchen, und am Himmelsbogen

Noch sieht man schimmern ihre Wolle kraus.

Doch schau! ist Ebbe in dies Meer getreten?

Es sinkt – es sinkt – und schwärzlich übern Duft,

Streckt das Gebirge schon, gleich Riesenbeeten,

Die waldbedeckten Kämme in die Luft;

Ha! Menschenwohnungen an allen Enden!

Fast glaub’ ich, Gais zu sehn vor Fichtenwänden,

Versteckt nicht Weisbad jene Felsenkluft?

Und immer sinkt es, immer zahllos steigen

Ruinen, Schlösser, Städte an den Strand,

Schon will der Bodensee die Spiegel zeigen,

Und wirft gedämpfte Schimmer übers Land,

Und jetzt – verrinnt die letzte Nebelwelle,

Da steht der Äther perlenklar und helle!

Die Berge möcht’ man greifen mit der Hand.

Wüßt’ ich die tausend Punkte nur zu nennen,

Die drüben lauschen aus dem Waldrevier,

Mich dünkt, mit freiem Auge müßt’ ich kennen

Den Sennen, tretend in die Hüttentür;

Ob meilenweit, nicht seltsam würd’ ich’s finden,

Säh in die Schluchten ich den Jäger schwinden,

Und auf der Klippe das verfolgte Tier.

So klar, ein stählern Band, die Thur sich windet,

Ja! wie ich lauschend steh auf meiner Höh’,

Ein einz’ger Blick mir zwölf Kantone bindet,

Wo drüben zitternd ruht der Bodensee;

Wo, längs dem Strand, die Wimpel lässig gleiten,

Vier Königreiche seh ich dort sich breiten –

Erfüllt ist alles ohne Traum und Fee.

Mein freier stolzer Grund! dich möcht’ ich nennen

Mein kaiserlich’, mein königliches Land;

Das Höchste muß ich deinen Bergen gönnen,

Doch Liebres ich in deinen Tälern fand.

Was klingt an meine Tür nach Geisterweise!

Horch! »guten Morgen, Nette« flüstert’s leise,

Und meine Emma bietet mir die Hand.