Am nächsten Tag konnte das Schiff seine Reise fortsetzen.
Kein Kasperle hatte sich mehr blicken lassen. Still lag die Insel und Kasperle stand auch still an Bord des Schiffes und schaute hinüber.
Wie schwer war ihm doch sein Herz!
Da hatte er noch nicht einmal das ganze kleine Land gesehen, wußte wenig vom Leben seiner Brüder, wie ein Traum lag alles hinter ihm.
Marlenchen stand neben dem Kasperle, als das Schiff sich in Bewegung setzte. Ganz langsam tat es das und langsam verschwand auch die Insel in der Ferne. Kasperle konnte sie noch lange sehen, und der Wind wehte einen köstlichen Blumenduft herüber. Der letzte Gruß von Valrosa, Kasperles Heimat. Da legte das Kasperle den Kopf auf die Holzplanke, an der er stand, und weinte bitterlich. So bitterlich, wie ihn noch nie jemand hatte weinen hören.
Und seitdem wurde Kasperle gar nicht mehr das alte, putzvergnügte Kasperle.
Er machte noch Streichlein. O ja!
Auf dem Schiff, das nun ohne Unfall seine Fahrt nach Amerika fortsetzte, passierte noch allerlei.
Der Prinzessin Gundolfine lag ein Fisch in der Nachthaube und in ihrer Wasserflasche war bitteres Meerwasser. Sie hatte auch einmal Teer, wie Kasperle sagte, an dem Hosenbödle, obgleich so etwas eine Prinzessin eigentlich nicht hat, und es fand sich, daß auf ihrem Stuhl Teer war. Wie er darauf gekommen war, wollte niemand wissen, auch Kasperle nicht, obgleich er wie eine Teerjacke aussah.
»Ja Kasperle!«
Mister Stopps lachte noch manchmal herzhaft, wenn auch nie so wie durch die Lachkanone, und dann bat er jedesmal: »Kahspärle, mein liebes Kahspärle, komm zu mich und uenn nur in den Ferien!«
Aber Kasperle wollte nicht. Wenn er sich auch besser mit der Prinzessin vertrug und die seine Streichlein nicht mehr so schlimm fand: mit ihr zusammen hausen, das mochte er doch nicht.
Man fuhr nach Amerika und fuhr wieder zurück, und eines Tages kam man wieder in Genua an.
Und wer stand da?
Angela, aber die junge, Florizel und Bob.
War das eine Freude! Florizel wollte gleich von Kasperles Insel wissen, aber da fing das kleine Kasperle zu weinen an, und Florizel sang ihm später dazu dies Lied:
»Liegt eine Insel im blauen Meer,
Finde sie nimmer und nimmermehr.
Ließ aus Treue dich Inselland,
Weil Marlenchen den Heimweg nicht fand.
Ich armes, armes Kasperlein
Mußte ein Held auf dem Meere sein.
Mußte entsagen so bitterschwer
Und seh‘ meine Insel nun nimmermehr.«
Da weinte Kasperle jedesmal, wenn er das Lied sang. Er sang es aber gerne.
Angela und Florizel kehrten nun in die Heimat zurück. Bob blieb bei Mister Stopps. Erst wurde noch Hochzeit gefeiert, bei der Kasperle »aus Versehen« das ganze Tischtuch mit allen Gläsern, Schüsseln, Tellern und Gerichten herunterzog, es geschah aber nur aus Versehen. Die Prinzessin kriegte dabei das ganze Kompott auf das Kleid und Kasperle dachte, schade um das schöne Kompott, und schleckte es ab.
Es war eben Kasperle.
Und nach der Hochzeit kam man nach Torburg.
Lieber Himmel, gab das ein Geschrei, als Kasperle ankam! Alles, was Beine hatte, vier oder zwei, je nachdem, rannte herbei, um Kasperle zu sehen, und Kasperlebrötchen gab es wieder in jeder Bäckerei, und wie Kasperle wollten wieder alle Buben sein, auch die Mädels.
Acht Tage lang sprach die Stadt nur vom Kasperle, und man hätte noch länger von ihm gesprochen, wenn Kasperle nicht abgefahren wäre.
Aber die guten Torburger hätten am liebsten ihre Stadt umgetauft und sie Kasperleburg genannt, doch der Bürgermeister wollte nicht. Er sagte, das täte man nicht, wenn eine Stadt schon ein paar hundert Jahre einen Namen habe, müsse sie ihn auch behalten.
Also wurde aus Torburg kein Kasperleburg, und das ist schade, denn dann wüßte man heute, wo Kasperle damals gelebt hat.
An einem wunderschönen Frühlingstag kam Kasperle endlich wieder nach Lindeneck. Das sollte nun seine Heimat werden und bleiben.
Das feine Marlenchen war recht wie eine kleine, liebevolle Schwester zu Kasperle. Über Mangel an Liebe brauchte sich Kasperle nicht zu beklagen. Das ganze Land liebte ihn. Der alte Herzog August Erasmus freute sich genau so, wenn Kasperle kam, wie die Straßenbuben in Torburg. Es gab niemand im Land, der so beliebt war wie Kasperle. Wenn Kasperle auf einen Jahrmarkt kam, und das tat er sehr gerne, war es allemal ein Fest. Dann meinten alle Leute, so schön wäre es nie, denn Kasperle wäre eben Kasperle. Und Kasperle kasperte dann auch und aß Schmalzkuchen, bis er beinahe platzte. Und wenn er zum Herzog kam, kriegte er einen Pudding ganz für sich allein. Der Herzog söhnte sich auf Kasperles Zureden auch mit seiner Base Gundolfine aus, und Mister Stopps mit seiner Frau kamen einmal zu Besuch.
Und dabei geschah ein großes Wunder.
Die Prinzessin brachte für Kasperle eine riesengroße – sie war schon ungeheuer groß – Zuckertüte mit und sie sagte nicht: »Schling nicht,« sondern: »Iß nur tüchtig!«
Das tat Kasperle dann auch.
Aber auf einmal konnte er die Tüte voll Zuckerzeug nicht aufessen, dazu war sie zu gewaltig.
Überhaupt vertrug sich Kasperle sehr gut mit der Prinzessin bei dem Besuch. Es sagten aber auch alle, Frau Stopps wäre viel netter, als die Prinzessin Gundolfine gewesen wäre.
Kasperle besuchte dann später auch einmal Mister Stopps, und Mister Stopps fuhr mit ihm nach Torburg und diesmal gab es eine Empfangsmusik, bei der zwar nicht die Trommel platzte, aber des Bürgermeisters Hosen, weil der so schrecklich viele Verbeugungen machte.
Sonst platzte nichts, es war aber sehr schön.
Am liebsten aber war Kasperle doch auf Lindeneck bei Marlenchen.
Marlenchen hatte überall, wo es möglich war, Blumen hingepflanzt. Blumen gab es an jedem Fenster, Blumen im Schloßhof, Blumen im Garten, Blumen im alten Schloßgraben. Die Leute nannten das Schloß deshalb immer das Blumenschloß.
Und dem Kasperle war es wie die Heimat.
Aber Marlenchen wuchs und wuchs und Kasperle blieb klein. Darüber grämte er sich sehr. Er wäre so gern groß geworden und hätte das Marlenchen geheiratet. Aber da kam der Prinz, der aus einem blassen Prinzlein ein schöner stattlicher Prinz geworden war, und wollte Marlenchen heiraten. Doch Marlenchen sagte: »Das geht nicht, ich muß bei Kasperle bleiben.«
Treue um Treue.
»Kasperle hat mich gerettet, ich habe versprochen, bei ihm zu bleiben, und sein Wort muß man halten!«
Ja, sein Wort muß man halten.
Kasperle sah aber wohl, Marlenchen hätte gern den Prinzen geheiratet. Da sagte er: »Marlenchen, heirate, ich ziehe in die weite Welt.«
Das war ein Wort.
Marlenchen wollte es jedoch nicht gelten lassen. Aber Kasperle zog es hinaus in die blaue Ferne, und an einem Frühlingstag ging Kasperle wieder auf Reisen. Er lief wieder durch die Wälder, sprang über Bäche, plumpste hinein, schlief auf Bergwiesen und kasperte auf Messen und Märkten herum. Er erlebte wieder die wunderlichsten Dinge, wurde geliebt und ausgelacht und die Kinder sangen vor Freude bei seinem Anblick:
»Heirassassa,
Kasperle ist da,
Der kleine Wandersmann,
Der alles kann.
Er heißt Peringel
Und ist ein Schlingel,
Wir lieben ihn alle,
> Singt drum mit lautem Schalle:
Heirassassa,
Kasperle ist da.«
Vielleicht kaspert er noch heute in der Welt herum und noch heute muß jeder lachen, der ihn sieht: Peringel, den Schlingel.
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