»Schreibe mir einen Brief! Saperli kann nicht schreiben! Saperli kann aber den Brief auf die Post tragen!«
»Einen Brief für dich?« fragte Rudi. »Und an wen?«
»An den Herrn Christus!«
»Wen meinst du damit?«
Und der Halbblödsinnige, den sie einen Kretin nannten, sah Rudi mit einem rührenden Blicke an, faltete seine Hände und sagte dann feierlich und fromm: »Jesus Christus! Saperli will ihm einen Brief senden, will ihn bitten, daß Saperli tot daliegen muß und nicht der Mann hier im Hause!
Rudi drückte ihm Die Hand »Der Brief kommt nicht an sein Ziel! Der Brief gibt ihn uns nicht zurück.«
Es war Rudi schwer, ihm die Unmöglichkeit zu erklären.
»Nun bist die Stütze des Hauses«, sagte die Pflegemutter, und Rudi wurde es. 4. Babette
Wer ist der beste Schütze im Kanton Wallis? Nun, die Gemsen wussten es. »Nimm dich vor Rudi in acht!« konnten sie sagen. Wer ist der schönste Schütze?« – »Je nun, das ist der Rudi!« sagten die Mädchen, aber sie setzten nicht hinzu: «Nimm dich in acht!« Nicht einmal die ernsten Mütter sagten es, denn er nickte ihnen ebenso freundlich zu wie den jungen Mädchen. Er war kühn und frohgesinnt, seine Wangen waren braun, seine Zähne weiß und seine Augen leuchteten kohlschwarz; ein schöner Bursch war er und nur zwanzig Jahre. Das Eiswasser kam ihm nicht kalt vor, wenn er schwamm; wie ein Fisch konnte er sich im Wasser wenden und drehen, klettern wie kein anderer, sich wie eine Schnecke an die Felsenwände kleben; es war Mark in ihm; stahlfest waren seine Muskeln und Sehnen. Das bewies er auch beim Springen, der Kater hatte ihn ja zuerst gelehrt und später die Gemsen. Er war der zuverlässigste Führer, er hätte sich als solcher ein ganzes Vermögen sammeln können. Für das Böttcherhandwerk, in dem ihn Onkel ebenfalls unterrichtet hatte, fehlte es ihm an Sinn; Gemsen zu schießen war seine Lust und Sehnsucht; das brachte nicht weniger Geld ein. Rudi war, wie man sagte, eine gute Partie, wollte er nur seinen Augen nicht über seinen Stand erheben. Er war beim Tanze ein Tänzer, von dem die Mädchen träumten, und eine und die andere dachte seiner auch wachend.
»Mich hat er im Tanze geküßt!« sagte Schullehrers Anette zu ihrer liebsten Freundin, aber das hätte sie nicht erzählen sollen, nicht einmal