»Du bist abscheulich!« erwiderte Babette. »Ich hasse dich!« und dabei brach sie in Tränen aus. »Geh, geh!«
»Das habe ich nicht verdient!« entgegnete er und ging; seine Wangen brannten wie Feuer, sein Herz brannte wie Feuer.
Babette warf sich auf ihr Bett und weinte.
»So innig liebe ich dich, Rudi, und du kannst so übel von mir denken!«
Und sie war böse, und das war gut für sie, sonst wäre sie tief betrübt gewesen. Nun konnte sie in Schlaf fallen und den stärkenden Schlaf der Jugend schlafen.
12. Böse Mächte
Rudi verließ Bex, begab sich auf den Heimweg und sucht die Berge mit ihrer frischen, kühlenden Luft auf, die Berge, wo der Schnee lag, wo die Eisjungfrau herrschte. Die Laubbäume standen tief unten, als wären sie nur Kartoffelkraut, Tannen und Sträucher wurden kleiner, die Alpenrosen wuchsen aus dem Schnee hervor, der in einzelnen Flecken wie Leinwand auf der Bleiche dalag. Ein blaues Blümchen wiegte sich in der balsamischen Luft, er zerschlug es mit seinem Gewehrkolben.
Höher hinauf zeigten sich zwei Gemsen; Rudis Augen erhielten Glanz, seine Gedanken neuen Flug. Aber er war nicht nahe genug, um sich seines Schußes sicher zu sein. Höher stieg er, wo nur noch struppiges Gras zwischen den Steinblöcken wuchs. Ruhig gingen die Gemsen auf dem Schneefeld weiter. In Eile beflügelte er seine Schritte. Die Nebelwolken senkten sich rings um ihn, und plötzlich stand er vor der steilen Felsenwand. Der Regen begann hinabzuströmen.
Er fühlte einen brennenden Durst, Hitze im Kopfe, Kälte in seinen anderen Gliedern; er griff nach seiner Jagdflasche, aber diese war leer; er hatte, als er in die Berge hinaufstürmte, nicht daran gedacht. Nie war er krank gewesen, aber jetzt hatte er ein Gefühl davon. Müde war er; Lust, sich hinzuwerfen und zu schlafen, überschlich ihn, doch strömte das Wasser überall und er suchte sich deshalb zusammenzunehmen. Sonderbar zitterten die Gegenstände vor seinen Augen, und plötzlich gewahrte er, was er vorher nie bemerkt hatte, ein neu gezimmertes niedriges Haus, das sich an den Felsen lehnte. In der Tür stand ein junges Mädchen; im ersten Augenblicke hielt er es für Schullehrers Anette, die er einmal beim Tanzen geküsst hatte, allein Anette war es nicht, und doch musste er sie schon vorher gesehen haben, vielleicht bei Grindelwald, an jenem Abend, als er vom Schützenfest in Interlaken heimkehrte.
»Wie kommst du hierher?« fragte er.