Betragen ausgelegt werden konnte, von dem jungen Engländer sicherlich leichtfertiger und lebensfroher, als sich für des Müllers ehrbare und neuverlobte Tochter schickte.
Wo die Landstraße von Bex unter der schneebedeckten Felsenspitze hinläuft, die in der Landessprache Diablerets heißt, lag die Mühle unweit eines reißenden Gebirgsstromes, der eine weißlichgraue Farbe wie gepeitschtes Seifenwasser hatte. Die Mühle trieb er aber nicht, vielmehr tat das ein kleiner Gießbach der auf dem anderen Ufer des Flusses vom Felsen hinabstürzte und sich durch einen steinernen Abzugskanal unter der Straße hindurch infolge seiner Kraft und Schnelligkeit wieder erhob und dann in einer breiten, von starken Balken gezimmerten und auf allen Seiten geschlossenen Rinne über den reißenden Fluß lief. Die Rinne war so reichhaltig an Wasser, dass es überströmte und deshalb demjenigen, der auf den Einfall geriet, die Mühle auf diesem Weg schneller zu erreichen, nur einen nassen und schlüpfrigen Pfad darbot. Und auf diesen Einfall geriet ein junger Mann: der Engländer. Weißgekleidet wie ein Müllerbursche trat er in der Abendstunde, von dem Lichtschimmer geleitet, der aus Babettens Kammer fiel, seine Kletterwanderung an. Klettern war seine Stärke nicht, das hatte er nicht gelernt, und beinahe wäre er häuptlings in den Strom gefallen, kam aber mit durchnässtenÄrmeln und bespritzten Beinkleidern fort. Durchnäßt und beschmutzt kam er unter Babettens Fenstern an, wo er in die alte Linde hinaufkletterte und das Geschrei einer Eule nachahmte; das war der einzige Vogel, dessen Töne er einigermaßen nachmachen konnte. Babette hörte es und guckte durch die dünnen Vorhänge hindurch, als sie aber den weißen Mann gewahrte und sich denken konnte, wer es war, schlug ihr kleines Herz vor Schrecken und zugleich vor Zorn. Schnell löschte sie das Licht, fühlte, fühlte, ob alle Fensterriegel vorgeschoben waren, und ließ ihn dann tuten und heulen.
Schrecklich müßte es sein, wenn Rudi jetzt hier in der Mühle wäre; aber Rudi war nicht in der Mühle, nein, es war weit schlimmer – er befand sich gerade davor.
Laute zornige Worte wurden gewechselt; es schien zur Schlägerei kommen zu wollen; vielleicht gab es gar Mord und Totschlag.
In ihrer Angst öffnete Babette ihr Fenster, rief Rudi bei Namen und bat ihn, doch zu gehen; sie könnte, sagte sie, es nicht dulden, daß er hierbliebe.
»Du duldest es nicht, daß ich bleibe!« brach er zornig aus, »es ist also eine Verabredung! Du erwartest gute Freunde, bessere als ich! Schäme dich, Babette!«