Utilitarismus

Definition des Utilitarismus

Utilitarismus (engl. utilitarianism, von lat. utilitas, Nutzen) nennt man die ethische Position, die eine Handlung danach bewertet, ob sie im Vergleich mit anderen Handlungsalternativen die größte Anzahl positiver, nicht-moralischer Werte, z. B. Glück, Reichtum, Gesundheit, Schönheit, Einsicht usw., hervorbringt. Der Utilitarismus wird der konsequentialistischen Ethik und dem Eudämonismus zugerechnet und ist eine altruistische Ethik.

Früher wurde der Utilitarismus auch Utilismus genannt.

Arten des Utilitarismus

Hedonistischer und ideeller Utilitarismus

Im Hinblick auf die jeweils vorausgesetzte Werttheorie – zwischen hedonistischem und ideellem Utilitarismus (auch: idealistischer Utilitarismus) unterschieden.

In seiner klassischen Formulierung findet sich der hedonistische Utilitarismus bei Bentham; er anerkennt nur eine Form von positivem (nicht-ethischem) Wert, das Erleben von Lust (pleasure). Dabei identifiziert er Erleben von Lust mit Glück und dieses mit Nutzen. Sein Hedonismus ist wegen der Gleichsetzung von Lust und Glück gleichzeitig ein Eudämonismus.

Bentham formuliert das Nutzenprinzip so: Jene Handlung muss als ethisch wertvollste beurteilt werden, die das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl Menschen erzielt.

Der individuelle Gratifikationswert einer Handlungsfolge bemißt sich nach Bentham:

  1. an der Intensität des aus der Handlungsfolge zu erwartenden Lustgewinnes,
  2. an der Dauer und dem Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der der Lustgewinn zu erwarten ist,
  3. an der zeitlichen und räumlichen Nähe des Eintreffens der Folgen,
  4. an der Frage, ob mit diesen Handlungsfolgen weitere (sekundäre) positive oder negative Folgen verbunden sind.

Bentham war der Ansicht, dass man für jeden einzelnen den individuellen Lustgewinn errechnen und von dem individuellen Gratifikationswert auf den kollektiven Gratifikationswert schließen könne.

Als rational im Sinne des utilitaristischen Prinzips ist die Wahl jener Handlung zu werten, deren kollektiver Gratifikationswert größer ist als der jeder anderen Handlungsalternative.

Durch die Verknüpfung von hedonistischem Prinzip und Universalisierung unterstellt Bentham ein Subjekt, das aus aufgeklärtem Eigeninteresse heraus urteilt und handelt und nicht nur sein individuelles Glück erstrebt.

J. S. Mill differenziert im Unterschied zu Bentham zwischen den Formen von Lust und argumentiert, dass selbst eine geringe geistige Freude (z. B. an Wissensgewinn) einem größeren leiblichen Lustempfinden vorzuziehen sei (vgl. seinen Satz Lieber ein unzufriedener Sokrates als ein glückliches Schwein).

In Principia Ethica (1903) entwirft G. E. Moore einen idealen Utilitarismus, in dem neben Lusterlebnissen auch Erkenntnis, Weisheit, Liebe und Selbstentwicklung zu positiven Werten erklärt werden.

Handlungs- und Regelutilitarismus

Man unterscheidet analog zur Unterscheidung von Handlungs- und Regelkonsequentialismus zwischen Handlungsutilitarismus (auch: Aktutilitarismus) und Regelutilitarismus.

Im Handlungsutilitarismus wird die einzelne Handlung direkt nach den aus ihr folgenden (zu erwartenden) Konsequenzen und ohne Rücksicht darauf beurteilt, welche Art Handlung jeweils vorliegt; so kann z. B. ein Vertrauensbruch je nach den möglichen Konsequenzen als besser beurteilt werden als Treue.

Beim Regelutilitarismus (Urmson, Brandt) ist die Beurteilung der einzelnen Handlung von ihrer Übereinstimmung mit Handlungsregeln abhängig, z. B. mit der Regel: Es ist falsch, sein Versprechen zu brechen. Eine Handlung ist richtig, wenn sie einer Handlungsregel entspringt, deren Befolgung im Vergleich zu anderen Handlungsregeln die nützlichsten Folgen hat.

Präferenzutilitarismus

Eine der modernen Varianten des Utilitarismus ist der Präferenzutilitarismus.

Nach dem Präferenzutilitarismus ist eine Handlung, die der Präferenz irgendeines Wesens entgegensteht, ohne dass diese Präferenz durch entgegengesetzte Präferenzen ausgeglichen wird, moralisch falsch.

Eine Person zu töten, die es vorzieht, weiterzuleben, ist daher, gleiche Umstände vorausgesetzt, unrecht. Daß die Opfer nach der Ermordung nicht mehr da sind, um sich darüber zu beklagen, dass ihre Präferenzen nicht beachtet worden sind, ist unerheblich.

Für Präferenzutilitaristen ist die Tötung einer Person in der Regel schlimmer als die Tötung eines anderen Wesens, weil Personen in ihren zukunftsorientierte Präferenzen haben.

Für die Annahme von Präferenzen wird zum Teil ein Maß an Rationalität vorausgesetzt, das nur Menschen zugeschrieben wird. In diesem Fall läuft der Präferenzutilitarismus auf eine anthropozentrische Position hinaus. Man kann allerdings den Präferenzutilitarismus auch schwächer definieren und würde dann zu pathozentrischen Ansätzen gelangen.

Totalansicht und Vorherige-Existenz-Ansicht

Einige Paradoxien lassen sich vermeiden, wenn man nicht die Totalansicht, sondern die Vorherige-Existenz-Ansicht einnimmt.

Bei der Totalansicht ist es unerheblich, ob die Vermehrung der Gesamtsumme von Lust (oder die Verminderung der Gesamtsumme von Schmerz) durch die Vermehrung der Lust existierender Wesen geschieht oder durch die Vermehrung der Zahl von Wesen, die existieren.

Bei der Vorherigen-Existenz-Ansicht werden nur Wesen berücksichtigt, die bereits vor der Entscheidung existieren oder zumindest unabhängig von der Entscheidung existieren werden.

Eine dritte Position ist es, davon auszugehen, dass das durchschnittliche Glück aller Menschen maximiert werden soll.

Diese Position kommt allerdings in Schwierigkeiten. Nicht alle Menschen sind in der gleichen Lage Glück zu empfinden. Sollen wir also alle töten, die diesbezüglich unterm Durchschnitt liegen? Wohl kaum. Und daher ist diese Position wenig brauchbar. Klar ist natürlich, dass diese Position entwickelt wurde, um das Gleichheitspinzip, die Verpflichtung der Reichen, den Armen abzugeben begründen zu können und um die Fehler der Totalansicht zu überwinden. Die makaberen Folgen sprechen aber eine deutliche Sprache gegen diese Position.

Die Totalansicht führt zu einer ethischen Pflicht der Kindeszeugung, solange – grob gesprochen – das Glück, der gezeugten Kinder ihr Unglück über die Dauer ihres Lebens gerechnet überwiegt. Die Vorherige-Existenz-Ansicht vermeidet diese irritierende Pflicht ebenso wie die letztgenannte Ansicht.

Leslie Stephen schrieb im 19. Jahrhundert einmal:

"Von allen Argumenten für den Vegetarismus ist keines so schwach wie das Argument der Humanität. Das Schwein hat ein stärkeres Interesse an der Nachfrage nach Speck als irgend jemand sonst. Wären alle Juden, gäbe es überhaupt keine Schweine."

Peter Singer nennt dies das Ersetzbarkeitsargument [5]. Es ist ein Argument, dass unter der Totalansicht durchgeht, da aber die Totalansicht höchst problematisch ist, auch nicht gelten kann. Es ist aber auch kein Argument für die Massentierhaltung von Schweinen, eine artgerechte Tierhaltung würde auch den Bestand der Schweine sichern und ihr Leid wäre um vieles geringer.

Derek Parfit hat Beispiele vorgetragen in denen das Ersetzbarkeitsargument zu gelten scheint. Eines dieser Beispiele:

Man stelle sich vor, dass eine Frau schon drei Monate schwanger ist, als ihr der Arzt eine schlechte und eine gute Nachricht mitteilt. Die schlechte lautet, dass der Fötus, den sie in sich trägt, so geschädigt ist, dass die Lebensqualität des zukünftigen Kindes beträchtlich verringert wird, wenn gleich nicht so schlimm, dass das Leben des Kindes ganz und gar elend wäre. Die gute Nachricht ist, dass diese Schädigung leicht zu behandeln ist. Die Frau braucht nur eine Tablette zu nehmen, die keine Nebenwirkungen hat, und das zukünftige Kind wird nicht geschädigt werden. In dieser Situation würden die meisten darin übereinstimmen, dass die Frau die Tablette nehmen solle.

Diese Position entspricht sowohl der Vorherige-Existenz-Ansicht als auch der Totalansicht.

Derek Parfit beschreibt folgende Situation:

Eine Frau geht zum Arzt, bevor sie schwanger ist und teilt ihm mit, dass sie die Verhütungsmittel absetzen will. Sie erhält vom Arzt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte ist, dass sie sich in einem Gesundheitszustand befindet, der zur Folge hat, dass sie ein sehr stark behindertes Kind bekäme falls sie in den nächsten drei Monaten ein Kind bekäme. Hier sind wohl die meisten der Meinung, dass die Frau warten sollte. Aber vorausgesetzt, die Frau bekommt doch das behinderte Kind und dieses beschwert sich später bei der Mutter, dass sie nicht gewartet hat, könnte die Mutter dem Kind sagen, dass es froh sein solle, dass sie es bekommen hat, denn sonst gäbe es es nicht (das später gezeugte wäre ein anderes Kind).

In diesem Beispiel können wir scheinbar unser Gefühl, dass die Frau warten soll nur aus der Perspektive der Totalansicht, nicht aber so leicht aus der Vorherige-Existenz-Perspektive begründen.

Einwände

Sind Werte kommensurabel?

Ein stets wiederkehrendes Problem für utilitaristische Werttheorien (und auch der meisten anderen Axiologien) ergibt sich bei der Frage, wie die verschiedenen Wertvorstellungen zu vergleichen seien. Die mangelnde Kommensurabilität scheint eine vollständige Beurteilung der Konsequenzen einer Handlung unmöglich zu machen; genau dies ist aber Voraussetzung einer utilitaristischen Wertung. Wenn z. B. die Ausstrahlung eines Fußballspiels im Fernsehen einer großen Anzahl von Menschen gute Unterhaltung bringt, während die Alternative – in derselben Sendezeit ein Schauspiel von Ibsen auszustrahlen – einer kleineren Anzahl einen dauerhaften Erkenntnisgewinn vermittelt, muss die utilitaristische Werttheorie diese zu erwartenden Güter vergleichbar machen. Es geht demnach darum, einen gemeinsamen Maßstab zu finden, aufgrund dessen die verschiedenen Werttypen beurteilt werden können.

Auch wenn die Werte (wie bei J. S. Mill) in eine Rangordnung gebracht werden, bleibt das Problem, angeben zu müssen, ob und wann ein kleines Quantum eines höheren Werts einem relativ größeren Quantum eines geringeren Werts zu weichen hat.

Sind die Utilitaristen naturalistisch?

Die meisten Vertreter des Utilitarismus waren ethische Naturalisten, von Ausnahmen wie G. E. Moore abgesehen. Ihnen wurde vorgeworfen, den sog. Naturalistischen Fehlschluß zu begehen.

Ist der Utilitarismus ungerecht?

Allgemein hat man gegen den Utilitarismus eingewandt, er widerspreche akzeptierten moralischen Auffassungen, die sich etwa mit dem ethisch zentralen Begriff der Gerechtigkeit verbinden. Insbesondere vermißt man beim Utilitarismus in seiner klassischen Form eine theoretische Begründung für den Grundsatz der gerechten Behandlung jedes einzelnen Menschen. Z. B. bietet der Utilitarismus keine Grundlage, den Mord an einem möglicherweise unschuldigen Menschen zu verurteilen, falls diese Tat für möglichst viele Menschen ein möglichst hohes Gut gewährt.

Darf der Utilitarist über seinen eigenen Körper entscheiden? (Thomson-Paradoxon)

Judith Jarvis Thomson hat im Zusammenhang mit der Abtreibung folgendes Beispiel vorgestellt:

Stell dir vor – so Thomson – du wachst eines Morgens auf und befindest dich in einem Krankenhausbett, und im Bett neben dir liegt ein bewusstloser Mann, an den du irgendwie angeschlossen bist. Man erzählt dir, dieser Mann sei ein bekannter Geiger mit einem Nierenleiden. Er könne nur überleben, wenn sein Kreislauf an das Kreislaufsystem eines anderen Menschen mit derselben Blutgruppe angeschlossen werde, und du bist die einzige Person, deren Blut geeignet ist. Deshalb hat dich eine Gesellschaft von Musikliebhabern gekidnappt, die Operation des Ankoppelns vollziehen lassen, und da bist du nun. Da es sich um ein renommiertes Krankenhaus handelt, könntest du jetzt, wenn du dich dafür entscheidest, einen Arzt herbeirufen, um dich von dem Geiger abkoppeln zu lassen; aber der Geiger wird dann mit Sicherheit sterben. Wenn du dagegen für neun Monate mit dem Geiger verbunden bleibst, wird er genesen, und du kannst von ihm abgekoppelt werden, ohne ihn zu gefährden.

Nach der utilitaristischen Position muss ist das Kidnapping in Ordnung, da die Gesamtsumme des Glücks gemehrt wird. Die meisten würden jedoch solch ein Verfahren zurückweisen. Ich nenne diesen Widerspruch Thomson-Paradoxon.

Wird der Utilitarist bevormundet? (Bevormundungs-Paradoxon)

Das Bevormundungs-Paradoxon ist, wenn man so will eine Verallgemeinerung des Thomson-Paradoxons. Angenommen die Handlung einer Person X hat nur Auswirkungen für die Person X. Dann darf X diese Handlung nur tun, wenn sie sein eigenes Glück maximiert. Und dies auch für sehr alltägliche Angelegenheiten. Eine Ethik die den Einzelnen derart bevormundet, kann doch nicht okay sein, oder?

Externe Vorlieben

Eines der ernstzunehmendsten Einwände gegen den Utilitarismus sind die externen Vorlieben.

Das utilitaristische Argument, dass eine Entscheidung gerechtfertigt ist, wenn sie insgesamt mehr Vorlieben (Interessen, Lust, Nutzen) befriedigt, scheint auf den ersten Blick egalitär.

Dieses Urteil zerbricht jedoch schnell, wenn wir die Vorlieben untersuchen, die die Individuen tatsächlich haben.

Es lassen sich mehrere Arten von Vorlieben unterscheiden,

  1. die persönlichen Vorlieben für den eigenen Genuß bestimmter Güter und Möglichkeiten,
  2. die externen Vorlieben für die Zuteilung von Gütern und Möglichkeiten an andere
  3. Vorlieben, die sowohl extern als auch persönlich sind. [1]

"Wenn ein utilitaristisches Argument externe Vorlieben zusammen mit persönlichen Vorlieben zählt, dann wird der egalitäre Charakter dieses Arguments zerstört, weil die Erfolgschancen, die jeder hat, dann nicht nur von den Forderungen abhängen werden, die die Vorlieben anderer nach knappen Ressourcen aufstellen, sondern auch von der Achtung oder Zuneigung, die sie für ihn oder seine Lebensform haben." [2]

Die Zerstörung des Utilitarismus ist offenkundig für den Fall, dass einige politische Theorien vertreten, die selbst nicht utilitaristisch sind.

"Angenommen viele Bürger, die selbst nicht krank sind, vertreten eine rassistische politische Theorie und ziehen es daher vor, dass ein knappes Medikament einem Weißen gegeben wird, der es benötigt, und nicht einem Schwarzen, der es dringender benötigt. Wenn der Utilitarismus diese politischen Vorlieben für bare Münze nimmt, dann wird er vom Standpunkt der persönlichen Vorlieben sich selbst aufheben, weil die Verteilung des Medikaments dann von diesem Standpunkt überhaupt nicht utilitaristisch sein wird." [3]

Ronald Dworkin liefert noch ein ähnliches Beispiel, wo die Vorlieben altruistisch oder moralisch sind:

"Angenommen viele Bürger, die selbst nicht schwimmen gehen, ziehen das Schwimmbad dem Theater vor, weil sie Sport schätzen und Sportler bewundern oder weil sie der Meinung sind, dass das Theater unmoralisch ist und unterdrückt werden sollte. Wenn die altruistischen Vorlieben gezählt werden, so dass die persönlichen Vorlieben der Schwimmer verstärkt werden, dann wird das Ergebnis eine Art von doppeltem Zählen sein: jeder Schwimmer wird nicht nur von seiner eigenen Vorliebe profitieren, sondern auch noch von der Vorliebe eines anderen, der sich an seinem Erfolg freut. Wenn die moralischen Vorlieben gezählt werden, wird das Ergebnis dasselbe sein: Schauspieler und Publikum werden leiden, weil ihre Vorlieben von Bürgern, deren eigene Vorlieben nicht betroffen sind, weniger geachtet werden." [4]

Externe und persönliche Vorlieben können sich auch vermischen:

"Wenn ich zu meinem eigenen Vergnügen ein Schwimmbad haben möchte, kann ich außerdem altruistisch zugunsten meines Mitsportlers sein, oder ich kann außerdem denken, dass das Theater moralisch ist." [5]

Dieser Punkt führt dazu, dass sich persönliche und externe Vorlieben nicht immer trennen lassen und daher nicht möglich ist, nur persönliche Vorlieben zu zählen.

"In jeder Gemeinschaft, in der starke Vorurteile gegen eine bestimmte Minderheit bestehen, werden die persönlichen Vorlieben, auf die sich ein utilitaristisches Argument konzentrieren muss, von diesem Vorurteil gesättigt sein; es folgt, dass in einer solchen Gemeinschaft kein utilitaristisches Argument, das vorgibt, einen Nachteil für diese Minderheit zu rechtfertigen, fair sein kann." [6]

Verlangen die Utilitaristen zuviel? (Supererogationen)

Schon Mill hat sich mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass die Utilitaristen zu hohe Forderungen an das einzelne Individuum stellen.

"Im Gegenteil bemängeln gerade jene, die eine halbwegs angemessene Vorstellung vom uneigennützigen Charakter dieser Theorie haben, dass die Norm, die sie aufstellt, für die Menschheit zu hoch sei: man fordere zuviel, sagen sie, wenn man von den Menschen verlange, ihr einziges Handlungsmotiv solle es sein, die allgemeinen Interessen der Menschheit zu fördern." [7]

Mill entgegnet, dass dieser Einwand die Rolle der Ethik verkennt. Diese zeige unsere Pflichten auf, aber in unseren Handlungen ist das Pflichtgefühl nicht das einzige Motiv. [8]

"Wer einen Mitmenschen vor dem Ertrinken rettet, tut, was moralisch richtig ist, einerlei, ob er es aus Pflichtgefühl tut oder in der Hoffnung, für seine Mühe entschädigt zu werden." [9]

Mill geht noch von der Annahme aus, dass unsere Wirkmöglichkeiten begrenzt sind. Peter Singer hat in seiner Diskussion einiger bevölkerungsethischer Probleme gezeigt, dass dies längst nicht so ist.

Mill schreibt noch:

"Die Vermehrung des Glücks ist nach der utilitaristischen Ethik der Zweck der Tugend; aber die Gelegenheiten, in denen es – eine unter tausend ausgenommen – in der Macht der einzelnen Person steht, dieses in größerem Umfange zu tun und zu einem öffentlichen Wohltäter zu werden, ergeben sich nur ausnahmsweise; und nur in solchen Fällen hat er die Pflicht, den öffentlichen Nutzen zu berücksichtigen. In allen anderen Fällen braucht er nur auf den privaten Nutzen, das Interesse oder das Glück einiger weniger Personen zu sehen. Allein diejenigen, die durch ihr Handeln auf die Gesellschaft als ganzes Einfluß nehmen können, müssen sich ein so umfassendes Ziel setzen." [10]


[1] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 382
[2] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 382
[3] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 382
[4] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 383
[5] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 383
[6] Dworkin, R.: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt a. M. 1984, 385
[7] Mill, J. S.: Der Utilitarismus. Stuttgart 1976, 31f.]
[8] Mill, J. S.: Der Utilitarismus. Stuttgart 1976, 32]
[9] Mill, J. S.: Der Utilitarismus. Stuttgart 1976, 32]
[10] Mill, J. S.: Der Utilitarismus. Stuttgart 1976, 33]