Substanz

Substanz (von lat. substantia, griech. hypostasis, hypokeimenon, ousia) ist nach Aristoteles das, was im eigentlichen Sinne seiend ist [Metaphysik VII.1].

In der Kategorienschrift definiert Aristoteles eine Substanz als dasjenige, was nicht von einem Zugrundeliegenden prädiziert werden kann und nicht in einem Zugrundeliegenden ist [2a 11 – 13]. Das wichtigste Merkmal einer Substanz ist für Aristoteles, als dasselbe beharren zu können und wechselnde Eigenschaften annehmen zu können [4a 10 – 11].

Aristoteles sieht in der Kategorienschrift einzelne Dinge wie Menschen und Pferde als Substanzen an [2a 11 – 14]. Im 7. Buch der Metaphysik betrachtet er nur die Form der Dinge als Substanzen.

Die aristotelische Tradition unterscheidet dementsprechend zwischen primärer und sekundärer Substanz. Bei der primären Substanz handelt es sich um das konkrete individuelle Ding (z. B. dieser Mensch hier), bei der sekundären Substanz um eine Art (z. B. Mensch) oder eine Gattung (z. B. Lebewesen).

Eine primäre Substanz vermag durch sich selbst zu existieren, unabhängig von allem anderen. Dies unterscheidet sie von Eigenschaften und Relationen, die als Eigenschaften nur an oder als Relationen nur zwischen primären Substanzen existieren können.

Die sekundäre Substanz ist eine Essenz (ein Wesen).

Der französische Philosoph Nicolaus von Autrecourt ist u. a. wegen seiner Kritik des Substanzbegriffs bekannt geworden.

Descartes bestimmt die Substanz als etwas, das existiert und zu seiner Existenz nichts anderes benötigt. In diesem Sinn ist Gott für Descartes die einzige Substanz. Allerdings begreift Descartes auch das materielle Ding und die Seele als Substanz, weil sie als Geschaffene für ihre Existenz nur Gott benötigen.

Descartes differenziert zwischen wesentlicher und zufälliger Eigenschaft, Attribut (Essenz) und Modus (Akzidens). Seiner Meinung nach kann man ein Attribut nicht bestimmen, ohne es zugleich einer Substanz zuzuschreiben. Wenn es ein Attribut gibt, muß es auch eine Substanz geben, der es angehört.

Umgekehrt lässt sich eine Substanz nicht ohne ihre Eigenschaften auffassen, weil die Unterscheidung von Substanz und Attribut eine Distinktion der Vernunft ist. Die wesentliche Eigenschaft der Seele liegt im Denken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nicht denke, während ich mir sehr gut vorstellen kann, keinen Körper zu haben. Die wesentliche Eigenschaft oder das Attribut der materiellen Dinge liegt in der Ausdehnung; denn um sie als materielle Dinge überhaupt identifizieren zu können, ist Ausdehnung notwendig.

Spinoza bestimmt die Substanz als das, was in sich ist und durch sich begriffen wird, und das Attribut als das, was für den Verstand die Wesensbeschaffenheit der Substanz ausmacht. Es gibt nur eine Substanz, und Spinoza nennt sie Gott oder Natur (deus sive natura).

Existierten mehrere Substanzen, müsste es für diese Vielheit auch eine Erklärung geben. Das würde bedeuten, dass sich die Substanz als Wirkungen von Ursachen erklären ließen. Da eine Substanz jedoch als das bestimmt ist, was aus sich selbst heraus verstehbar ist, muss sie ihre eigene Ursache sein.

Für Leibniz gibt es unendlich viele Substanzen, die er Monaden nennt. Bei Monaden handelt es sich um nicht-ausgedehnte, unteilbare, unvergängliche und geschaffene Entitäten, die die Fähigkeit zu wirken besitzen. Sie fungieren als logische Subjekte. Da nach Leibniz das Prädikat in einem wahren bejahenden Satz immer im Subjekt enthalten ist, umfaßt jede einzelne Substanz alles, was sich mit ihr jemals ereignen kann. D. h. die Substanz ist von allem anderen unabhängig.

Für Locke zeigt unsere Erfahrung, dass bestimmte Eigenschaften regelmäßig zusammen auftreten. Um auf die Summe dieser Eigenschaften zu referieren, benutzen wir sprachliche Ausdrücke (Wörter), wobei wir annehmen, dass es Dinge gibt, die ihnen entsprechen. Wir schließen auf die Existenz von etwas Zugrundeliegendem, das die jeweiligen Eigenschaften trägt und zusammenhält. Und dieses Unbekannte nennen wir Substanz.

Daß sich eine Substanz in diesem Sinn findet, also etwas, das bei aller Veränderung konstant bleibt, lehnt Berkeley ab. Von einer solchen Größe kann der Mensch keine Erfahrung besitzen, und deshalb kann es keine Substanz geben.

Für Kant existieren Substanzen. Die einzelnen Sinneseindrücke sind nicht nur in einem zeitlichen Nacheinander gegeben. Durch den Verstand erhält die Erfahrung vielmehr etwas Dauerhaftes.

In der modernen analytischen Philosophie wird der Begriff der Substanz weitgehend vermieden. Statt dessen besteht die Tendenz, alle singulären Terme zu eliminieren und sie durch Quantoren, gebundene Variablen und rein prädikative Terme zu ersetzen (vgl. Quine,, Goodman, Ayer). Diese Tendenz entspricht der empiristischen Tradition, der zufolge ein individuelles Ding nur eine Summe (ein Bündel) von Eigenschaften ist (Bündeltheorie der Referenz).

Strawson wendet ein, dass sich der Gebrauch von Quantoren nicht verstehen lässt, ohne ein Verständnis des Gebrauchs bestimmter Subjektausdrücke schon vorauszusetzen. Deshalb können Sätze über individuelle Dinge nicht auf Sätze über Eigenschaften reduziert werden.