Empedokles von Akragas (ca. 495 – 435 v. u. Z.)

Der griechische Politiker, Arzt und Philosoph Empedokles, selber aus der Aristokratie stammend, lehnte die ihm angetragene Königswürde ab und wurde zum Führer der Demokratie in Akragas.

Als Arzt vertrat er den Grundsatz, dass man nur heilen kann, wenn man die Natur des Menschen und die den Menschen umgebende Natur erkennt. Sein Ruhm gründet sich auf die erfolgreiche Bekämpfung der Malaria. Er ließ – wie uns berichtet wird – den Sumpf bei Seiinunt entwässern und beseitigte damit die Brutstätten dieser Krankheit. Er ließ des weiteren Berge abtragen bzw. Schluchten in sie schlagen, damit günstige Winde das Klima seiner Heimatstadt beeinflussen konnten.

Sein Tod ist unklar. Man fand, so berichtet eine Legende, am Krater des Ätna eine seiner Sandalen und schloß daraus, dass er sich freiwillig dem Feuer überantwortet habe. Andere dagegen berichten, dass er – trotz allen Ruhmes – aus seiner Heimatstadt vertrieben und in der Verbannung gestorben sei.

Es sind Framgente von Empedokles‘ Schriften Über die Natur und Reinigungen überliefert.

Die Schrift Über die Natur enthält seine wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Empedokles vertrat die Auffassung, wonach Feuer, Luft, Erde und Wasser Ursprung aller Dinge sind:

"Höre zuerst von den vier Grundwurzeln aller Dinge: Zeus, der Schimmernde, Hera, die Leben erleihende, und Hades und Nestis, die aus ihren Tränen sterblichen Quell entspringen lässt." [11 fr. 6].

Der mythische Charakter der Ausführungen des Empedokles ergibt sich aus der Gattung dieses Werkes, ein Gedicht, und daher mit poetischer, allegorische Ausdrucksweise.

Zeus bezeichnet das Feuer, Hera die Luft, Hades die Erde und Nestis – die sizilianische Göttin des Feuchten – das Wasser.

Aristoteles bemerkt:

Empedokles sprach über "vier Elemente, indem er zu den genannten die Erde als viertes hinzufügte: diese Elemente sollen immer erhalten bleiben und niemals entstehen – sie sollen sich nur hinsichtlich ihrer Menge (oder Wenigkeit) ändern, indem sie sich zu einem verflechten und aus dem Einen wieder entflechten" [Aristoteles: Metaphysik A 3. 984a 9 – 11].

Empedokles kann also Ewigkeit und Unveränderlichkeit des wahren Sein annehmen als auch Entstehen und Vergehen erklären.

Empedokles hat das Wirken der Natur in Analogie zum künstlerischen Produktionsprozeß beschrieben:

"Wie wenn Maler bunte Gemälde als Weihgeschenke verfertigen, Männer, die in ihrer Kunst dank ihrer Klugheit wohlbewandert sind – wenn diese die vielfarbigen Gifte in ihren Händen genommen und harmonisch gemischt haben, indem sie vom einen mehr, vom andern weniger nehmen, dann lassen sie daraus Gestalten entstehen, die allem möglichen gleichen: bald entwerfen sie Bäume, bald Männer und Weiber, bald wilde Tiere und Vögel und Fische des Wassers, bald auch lang lebende Götter, die hoch geehrt sind – so ist auch die Quelle der irdischen Dinge, so viele uns in ihrer unendlichen Fülle bekanntgeworden sind, nirgendwo anders als in ihnen (den Elementen) zu suchen." [13 fr. 23]

Es scheinen drei Bedingungen zu sein, die die Mischung ermöglichen:

1. Die Elemente bestehen aus kleinsten Teilchen, denen die Eigenschaft des jeweiligen Elements zukommt.

Galenus aus Pergamon schreibt: "Empedokles meinte, dass aus den vier unveränderlichen Elementen die Natur der zusammengesetzten Stoffe hervorgehe, indem die ersten (d. h. die Urteilchen) so miteinander vermischt wären, wie wenn jemand Rost und Kupfererz und Zinkerz und Vitriolerz ganz fein zerriebe und zu Pulver machte und miteinander mischte, so dass er nichts von ihnen ohne einen Teil eines anderen in die Hand nehmen kann." [Galen zu Hippokrates‘ Schrift Von der Natur des Menschen XV 32].

Aristoteles schreibt: "(Die Mischung der Elemente nach Empedokles) muss eine Vereinigung sein wie eine Mauer, die aus Ziegelsteinen zusammengefügt ist. Und diese Mischung wird aus Elementen bestehen, die als solche unverändert bleiben, aber in kleinen Teilen nebeneinandergefügt sind. Und ebenso ist es mit der Substanz des Fleisches und jedem andern Stoff." [Aristoteles: Vom Entstehen und Vergehen II 7. 334a 26ff.].

2. Die Mischung der aus Feuer-, Luft-, Erd-, und Wasserteilchen bestehenden Dinge wird möglich, weil diese Poren besitzen, durch die Ausflüsse anderer Dinge eindringen können. Absolute Leere wird verworfen.

Alexandros von Aphrodisias schreibt: "Warum der Herakleische Stein (der Magnet) das Eisen anzieht: Empedokles behauptet, dass auf Grund der Ausflüsse, die von beiden Seiten stattfinden, und auf Grund der Poren des Magneten, die den Ausflüssen des Eisens symmetrisch sind, sich das Eisen auf den Magneten zu bewege. Denn dessen Ausflüsse stoßen die Luft, die auf den (Ausgängen der) Poren des Eisens lagert, fort und setzen die die Poren verstopfende Luft in Bewegung.

Wenn diese verdrängt sei, dann folge das Eisen seinem Ausfluß, der (nun) in seiner Gesamtheit auf einmal erfolge. Denn wenn sich die Ausflüsse des Eisens auf die Poren des Magneten zu in Bewegung setzten, folge – weil sie (die Ausflüsse) diesen symmetrisch wären und in sie hineinpaßten, auch das Eisen (selber) mitsamt seinen Ausflüssen und gerate so in Bewegung." [Alexander von Aphrodisias: Physikalische Fragen II 23 S. 72].

Passen Ausflüsse und Poren nicht zueinander, findet keine Mischung statt, wie etwa bei Öl und Wasser.

Hervorzuheben ist, dass Empedokles die Mischung aufgrund der Symmetrie der Poren erfolgen lässt.

Auf die Symmetrie von Ausflüssen und Poren, durch die alle Dinge charakterisiert sind, stützt Empedokles seine Erkenntnislehre. Aus ihr leitet er den Grundsatz ab, dass Gleiches nur von Gleichen erkannt werden kann.

3. Zwei entgegengesetzte Kräfte bewirken die Mischung bzw. die Trennung des Gemischten: Liebe und Haß.

Liebe, die Kraft der Aphrodite bewirkt das Einswerden, die Harmonie. Der Streit bewirkt das Viele, letztlich das Chaos. Der Streit ist der Vater aller einzelnen Dinge. Liebe und Haß vollziehen den Kreislauf der Elemente:

"Zweierlei will ich dir sagen: denn bald wächst ein einziges Sein aus Mehrerem zusammen, bald wird es wieder Mehreres aus Einem. Zwiefach der sterblichen Dinge Entstehung, zwiefach auch ihr Dahinschwinden. Denn die Vereinigung aller Dinge erzeugt und zerstört die eine; die andere aber, kaum herangewachsen, fliegt davon, wenn sie (die Elemente) sich wieder scheiden. Und dieser fortwährende Wechsel hört niemals auf: bald kommt alles durch die Liebe in Eins zusammen, bald wieder scheiden sich alle Dinge voneinander durch den Haß des Streites – sofern nun auf diese Weise Eins aus Mehrerem zu werden pflegt und wieder aus der Spaltung des Einen Mehreres hervorgeht, insofern entstehen die Dinge und haben kein ewiges Leben; insofern aber ihr ständiger Wechsel niemals aufhört, insofern sind sie ewig unerschüttert im Kreislauf." [18 fr. 17]. Die Rolle des Feuers unter den Elementen, die gegensätzlichen Kräfte, der Streit als Vater der Dinge, der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen erinnern stark an Heraklitsches Denken. Während aber bei Heraklit das ewige Werden Prinzip des Seins ist, reduziert Empedokles dieses Werden auf die einzelnen getrennten Dinge. Die Elemente selber bleiben unveränderlich. Während bei Heraklit die Gegensätze ständig, gleichzeitig das Werden bewirken, lässt Empedokles die gegensätzlichen Kräfte in gewisser Weise nacheinander wirken.

Den Ausgangspunkt des Weltprozesses beschreibt Empedokles im eher Parmenidischen als Heraklitischen Sinne: "So liegt in dem festen Verlies der Harmonie der kugelförmigen Sphairos gebannt, der sich ringsum herrschenden Einsamkeit freut." [50 fr. 27].

"Kein Zwist und kein ungebührlicher Streit herrscht in seinen Gliedern." [51 fr. 27a]. Dies ist der Zustand der absoluten Mischung und der absoluten Herrschaft der Liebe. Dieser Zustand wird durch den Haß aufgelöst.

Der Haß löst das Eine, die Harmonie auf. Das Resultat des Hasses ist das Chaos, der Zustand der absoluten Trennung, der absoluten Macht des Hasses. Die Liebe beginnt wieder ihren Vormarsch. Zwischen den beiden Polen der absoluten Macht der Liebe und der absoluten Macht des Hasses, vollzieht sich der Weltprozeß, entstehen und vergehen die Welten, bildet sich und zerfällt der Kosmos, werden und verschwinden die Dinge. Die Bildung des Kosmos beginnt bei Empedokles dadurch, dass sich aus dem Sphairos zunächst die Luft absondert und sich kuppelförmig ausdehnt, danach das Feuer, das unter der Kuppel seinen Platz einnimmt, schließlich die Erde und das Wasser, und aus der Mischung der vier Elemente bilden sich alle Dinge.

Aus der Mischung der Elemente gingen auch die organischen Wesen hervor. Anaximandros war der erste, der das Leben aus dem Wasser und die Menschen aus den Fischen hervorgehen ließ. Bei Empedokles gehen die organischen Wesen – wie alle Dinge – aus der Mischung der Elemente hervor: "Zuerst kamen noch ganz rohe Erdklumpen hervor, die von beidem, vom Wasser und Feuer, den rechten Anteil bekommen hatten. Sie trieb das Feuer empor, das zum Gleichen gelangen wollte. Sie zeigten noch nicht die liebliche Gestalt von Gliedern noch Stimme oder Schamglied, wie es den Menschen eigen ist." [90 fr. 62].

"Ihr (der Erde) entsprossen viele Köpfe ohne Hälse, Arme irrten für sich allein umher, ohne Schultern, und Augen schweiften allein herum, der Stirnen entbehrend." [94 fr. 57].

"Da wuchsen viele Geschöpfe heran mit Doppelantlitz und doppelter Brust, mit dem Rumpf eines Rindes, aber dem Antlitz eines Menschen, und umgekehrt kamen andere zum Vorschein, Menschenleiber mit Kuhhäuptern, Mischwesen, die teils Männer-, teils Frauengestalt hatten und mit beschatteten Schamgliedern ausgestattet waren." [97 fr. 61].

Da nun aber Gleiches zum Gleichen strebe, Harmonie wolle, fanden die Arme ihre entsprechenden Schultern, die Augen ihre entsprechenden Stirnen. Aphrodite stellte "mit den Nägeln der Liebe" die Vereinigung her.

Wie Empedokles die Enstehung des Organischen auf natürliche Weise zu erklären versuchte, so interpretierte er die Seele, das heißt die Fähigkeit, wahrzunehmen und zu denken. Diese Fähigkeit liege im Blut: "In den Fluten des Blutes, das entgegenspringt, ist (die Denkkraft) ernährt, wo gerade das Denken nach Meinung der Menschen seinen Sitz hat. Denn das das Herz umströmende Blut ist dem Menschen die Denkkraft." [148 fr. 105].

"Denn aus ihnen (den Elementen) ist alles passend zusammengefügt, und durch sie denken, freuen und grämen sie sich." [152 fr. 107].

Sinneswahrnehmung entsteht durch Berührung des Gleichen durch das Gleiche: "Denn mit der Erde (in uns) sehen wir die Erde, mit dem Wasser das Wasser, mit der Luft die göttliche Luft, aber mit dem Feuer das vernichtende Feuer, mit der Liebe die Liebe, den Streit mit dem traurigen Streite." [158 fr. 109].

Trotz Kenntnis der Grenzen des menschlichen Wahrnehmens und Denkens, vertritt Empedokles einen Erkenntnisoptimismus: "Doch wohlan, betrachtete scharf mit jedem Sinne, wie ein jedes Ding offenbar ist; und glaube den Augen nicht mehr als den Ohren; schätze auch nicht das brausende Gehör höher als die Wahrnehmungen des Gaumens und setze nicht die Glaubwürdigkeit der anderen Sinne zurück, soweit es einen Pfad der Erkenntnis gibt, sondern suche jedes einzelne Ding zu erkennen, soweit es offenbar ist." [161 fr. 4, 9ff].