Ein Haus zu vermieten auf einer niedrigen Insel

Nie stark bevölkert, geschah es doch durch eine Reihe von Zufällen, daß ich die Insel so ganz und gar verlassen fand und kein Laut menschlichen Daseins die Stunden belebte. Wir wanderten in jenem sauberen Stadtpark zwischen geschlossenen Häusern, die nicht einmal durch Zettel in den Fenstern bekundeten, daß in den rückwärtigen Räumen Bewohner verweilten, und als wir das Regierungsbungalow besuchten, begrüßte uns nur Mr. Donat, der Vizeresident, und bewirtete uns mit Kokosnußpunsch im Sitzungssaal, dem Gerichtshof jenes großen Archipels, so daß unsere Gläser mitten zwischen Haftbefehlen und Steuerzetteln standen. Die Unbeliebtheit eines früheren Vizeresidenten hatte den Auszug seiner eingeborenen Angestellten verursacht, die ihre Stellungen bei Hofe aufgaben und sich alle zu ihren eigenen kleinen Kokospalmenbesitzungen in den entlegeneren Teilen der Insel zurückgezogen hatten. Daraufhin hatte der Gouverneur in Papeete einen Befehl erlassen: »Alles Land auf den Paumotus muß bis zu einem bestimmten Datum ausgemessen und registriert werden.« Nun lebt das Volk des Archipels halbwegs wie Nomaden, man kann schwerlich von einem Menschen sagen, er gehöre zu einem bestimmten Atoll; er gehört zu mehreren, besitzt vielleicht Land und Verwandte auf dutzenden, und besonders die Bewohner von Rotoava, Männer, Frauen und Kinder, vom Gendarmen bis zum Mormonenpropheten und dem Schulmeister, besaßen – ich hätte beinahe gesagt Land –, besaßen wenigstens Korallenbänke und junge Kokospalmen auf irgendeiner benachbarten Insel. Vom Gendarmen bis zum Baby im Mutterarm, vom Pastor, dem seine Gemeinde folgte, bis zum Schulmeister, der seine Schüler mit sich führte, die wiederum ihre Bücher und Schiefertafel mitschleppten, hatten sie alle ungefähr zwei Tage vor unserer Ankunft ihre Schiffe bestiegen und waren nun alle damit beschäftigt, sich über die Grenzlinien zu streiten. In der Phantasie hörten wir ihre schrillen zankenden Stimmen sich mit der Brandung und dem Gekreisch der Seevögel mischen. Erstaunlich, ihre Flucht mit Sack und Pack zu beobachten, die der von Zugvögeln glich; nichts bleibt zurück als leere Häuser, gleich alten gestern, die im Frühling wieder bezogen werden sollen; selbst den harmlosen und entbehrlichen Schulmeister hatten sie auf ihre Wanderung mitgenommen. Ungefähr fünfzig waren ausgezogen und nur sieben zurückgeblieben, wie man mir sagte. Aber als ich an Bord der »Casco« ein Festmahl gab, erschienen mehr denn sieben und eher sieben mal sieben als meine Gäste. Woher sie kamen, wer sie eingeladen hatte, und wohin sie verschwanden, als das Mahl verzehrt war, vermag ich nicht zu erraten. Denkt man an die Märchen der niedrigen Inseln und jene unheimlichen Besucher, die den Menschen fernhalten von den Küsten der Atolle, so mögen manche, die mit uns aßen, bei dieser Gelegenheit aus dem Reich des Todes zurückgekehrt sein.

Diese Einsamkeit brachte uns auf den Gedanken, ein Haus zu mieten und einstweilen Bewohner der Insel zu werden – eine Gewohnheit, die ich seither immer einhielt, wenn es möglich war. Mr. Donat stellte uns zu diesem Zweck unter die Führung eines gewissen Taniera Mahinui, der die beiden widerspruchsvollen Berufe eines Katecheten und Sträflings in sich vereinigte. Der Leser mag lächeln, aber ich kann versichern, daß er sich für beide gut eignete, für den des Zuchthäuslers in erster Linie durch einen recht erheblichen Betrug, der in allen Ländern den Urheber in Ketten und Gefängniszellen bringt. Taniera war ein Mann von Geburt und vor einiger Zeit noch der Häuptling eines Distriktes von Anaa mit achthundert Einwohnern, wie er zu erzählen liebte. In einer bösen Stunde fiel es den Autoritäten auf Papeete ein, die Häuptlinge mit der Sammlung der Steuern zu beauftragen. Es fragt sich, wieviel gesammelt wurde; sicherlich wurde nichts abgeliefert, und Taniera, der sich durch einen Besuch in Papeete und hohe Zechen in Wirtshäusern ausgezeichnet hatte, wurde zum Sündenbock auserkoren. Der Leser muß wissen, daß nicht Taniera, sondern die Autoritäten in Papeete den Hauptfehler begingen. Es war falsch, den Auftrag zu erteilen. Ich habe noch von keinem Polynesier gehört, der eine solche Probe bestanden hätte; ehrliche und aufrichtige Hawaiier, insbesondere einer, der selbst von den Weißen als unbestechlicher Beamter bewundert wurde, sind gestrauchelt auf dem schmalen Pfade eines Treuhänders. Und Taniera weigerte sich, als er gefaßt wurde, die Mitschuldigen zu denunzieren; andere hatten an der Beute teilgenommen, er allein erduldete die Strafe. Er wurde zu fünf Jahren verurteilt. Die Zeit war noch nicht abgelaufen, als ich das Vergnügen hatte, seine Freundschaft zu erwerben; er bezog noch Gefängnisrationen, die einzige und nicht unwillkommene Erinnerung an seine Ketten, und blickte dem Termin seiner Befreiung, wie ich glaube, nur mit Schrecken entgegen. Denn er empfand keine Scham über seine Lage, beklagte sich über nichts als über den zerbrochenen Tisch seiner Haftwohnung und bedauerte nichts als den Mangel an Hühnern, Eiern und Fischen, die man auf seiner eigenen gesegneten Insel besaß. Und was seine Pfarrkinder betraf, so schätzten sie ihn nicht um einen Deut geringer. Ein Schulknabe, der zehntausend Zeilen Griechisch zur Strafe lernen und auf dem Schlafsaal verbannt wohnen muß, genießt die uneingeschränkte Bewunderung seiner Mitschüler. So erging es Taniera: er war ein berühmter Mann, nicht ein Ehrloser. Er war von der Zuchtrute unsichtbarer Götter getroffen worden, ein Hiob etwa oder ein Taniera in der Löwengrube. Wahrscheinlich wird man über diesen heiligen Robin Hood Lieder verfassen und singen. Andererseits war er sogar hochbegabt für sein kirchliches Amt, denn er war von Natur aus ein ruhiger, rücksichtsvoller und liebenswürdiger Mensch, sein Gesicht trug ernste Falten, sein Lächeln war herzhaft; er beherrschte mehrere Handelszweige, konnte Boote und Häuser bauen, besaß eine gute Rednerstimme und eine so vortreffliche Gabe der Beredsamkeit, daß er am Grabe des früheren Häuptlings von Fakarava alle Anwesenden zu Tränen rührte. Ich habe niemals einen kirchlicheren Mann getroffen, er liebte es, über Dogmen und Sektengeschichte zu disputieren und sich zu unterrichten, und als ich ihm die Stiche in einem Bande von Chambers‘ Enzyklopädie zeigte, richtete sich seine ganze Begeisterung auf Kardinalshüte, Weihrauchgefäße, Leuchter und Kathedralen – abgesehen von dem Bild eines Affen. Ich glaube, als er einen Kardinalshut anblickte, flüsterte eine leise Stimme in sein Ohr: »Dein Fuß sieht auf der Leiter!«

Unter der Führung Tanieras waren wir bald untergebracht in einem Privathause, das nach meiner Ansicht das bestgelegene von Fakarava war. Es stand dicht hinter der Kirche auf einem länglichen Streifen Kulturlandes. Mehr als dreihundert Sack Erde waren von Tahiti für den Residentschaftsgarten eingeführt worden, und man mußte es bald wiederholen, denn die Erde weht fort, sinkt in die Höhlungen der Korallen und wird schließlich vergeblich gesucht. Ich weiß nicht, wieviel Erde für den Garten meines Landhauses verwandt worden ist, aber ziemlich viel sicher, denn eine Allee üppiger Bananen führte zur Tür, und auf dem übrigen Teil des eingezäunten Grundstückes, das mit den üblichen klinkerartigen Stücken zertrümmerter Korallen bedeckt war, wuchsen nicht nur Kokospalmen und Wikis, sondern auch Feigenbäume in herrlichem Blätterschmuck. Selbstverständlich gab es keinen Grashalm. Vorn trennte uns ein Holzzaun von der weißen Straße, dem palmenumrandeten Bande der Lagune und der Lagune selbst, die am Tage die Wolken und nachts die Sterne widerspiegelte. Im Hintergrund schloß uns eine Art Mauer von mörtellosen Korallen ab von dem schmalen Buschgürtel und dem nahen Strande des Ozeans, wo die See erdröhnte und ihr Tosen und Branden bis in die Kammern unseres Hauses sandte.

Das Haus selbst war einstöckig, mit einer Veranda vorn und hinten. Es enthielt drei Zimmer, drei Nähmaschinen, drei Seekisten, Stühle, Tische, ein paar Betten, eine Wiege, eine doppelläufige Flinte, ein paar vergrößerte farbige Photographien, ein paar Buntdrucke nach Wilkie und Mulready und eine französische Lithographie mit der Unterschrift: »Die Brigade des Generals Lepasset verbrennt ihre Fahne vor Metz.« Unter den Pfosten des Hauses rostete ein Ofen, bis wir ihn herauszogen und in Tätigkeit setzten; nicht weit entfernt war eine Öffnung in den Korallen, wo wir uns mit Brackwasser versorgten. Auch Lebewesen waren auf dem Grundstück, Hähne und Hühner und ein Wurf schlecht erzogener Katzen, die Taniera jeden Morgen bei Sonnenaufgang mit geschabter Kokosnuß fütterte. Seine Stimme war unser regelmäßiger Weckruf, wenn er sie über den Garten hin erklingen ließ: »Put, put, put, put, put!«

Waren wir auch fern von den öffentlichen Gebäuden, so machte doch die Nähe der Kapelle die Lage unseres Hauses »bevorzugt«, wie man in einer Anzeige gesagt hätte, und erlaubte uns manchen Einblick in das Eingeborenenleben. Jeden Morgen setzte Taniera, sobald er die Hühner gefüttert hatte, die Glocke in dem kleinen Glockenturm in Schwung, und die Gläubigen, die nicht sehr zahlreich waren, versammelten sich zum Gebet. Einmal war ich anwesend, es war der Tag des Herrn, und sieben Frauen und acht Männer hatten sich versammelt. Eine Frau spielte den Vorsänger, sie hob an mit einem langgezogenen Ton, der Katechet setzte beim zweiten Takt ein, und dann folgten die Gläubigen alle miteinander. Einige hatten gedruckte Gesangbücher, aus denen sie lasen, manche sangen nur »eh – eh – eh«, das do-re-mi der Paumotus. Nach der Hymne wurden ein oder zwei Wechselgebete gesprochen, und dann erhob sich Taniera von der Vorderbank, wo er in seinem Katechetengewande gesessen hatte, öffnete die tahitische Bibel und begann nach seinen Notizen zu predigen. Ich verstand nur ein Wort, den Namen Gottes, aber der Prediger beherrschte geschmackvoll sein Organ, hatte gewählte und ausdrucksvolle Gesten und machte durchaus den Eindruck der Aufrichtigkeit. Der einfache Gottesdienst, die Bibel in der Eingeborenensprache, die Gesangmelodien meist nach englischem Vorbilde – » God save the Queen« ist eine Lieblingsmelodie, wie man mir sagte –, alles das, abgesehen von einigen Papierblumen auf dem Altar, schien nicht nur obenhin, sondern bewußt protestantisch. Auf diese Weise sind die Katholiken ihren Proselyten auf den niedrigen Inseln auf halbem Wege entgegengekommen.

Taniera besaß die Schlüssel unseres Hauses, mit ihm schloß ich meinen Mietvertrag, wenn man es so nennen will, da alles meiner Freigebigkeit anheimgestellt wurde; er fütterte die Katzen und Hühner, er besuchte uns und aß mit uns wie ein alter Freund, und wir vermuteten selbstverständlich lange Zeit, daß er der Hausbesitzer sei. Dieser Glaube rechtfertigte sich nicht durch die Tatsache, und wie meine Erzählung zeigen wird, erlangten wir keinerlei Gewißheit darüber. Wir verbrachten einige Tage in windloser Stille und großer Hitze, Muschelsammler mußten sich vom Ozeanstrand zurückziehen, wo der Sonnenstich ihrer wartete von zehn bis vier Uhr; die höchsten Palmen standen regungslos, nichts war zu hören als die Stimme der See in der Ferne. Schließlich um vier Uhr eines Nachmittags wurde die Oberfläche der Lagune von langen Strichen durchzogen, und bald erwachte in den Baumwipfeln das angenehme Rauschen des Passatwindes. Alle Häuser und Gassen der Insel wurden ausgelüftet. Mehr als einem verzauberten Schiff, das angesichts des grünen Strandes ruhig daliegen mußte, brachte der Wind Erlösung, und bei Tagesanbruch lagen ein Schoner und zwei Kutter am Kai im Hafen von Rotoava. Nicht nur auf offener See, sondern auch in der Lagune selbst erwachte mit der auffrischenden Brise ein gewisser Verkehr, und unter anderem setzte ein gewisser François, ein Halbblut, die Segel beim ersten Tageslicht auf seinem eigenen halbverdeckten Kutter. Er hatte früher eine Stellung bei Hofe innegehabt, und zwar war er, wie ich vermutete, Zimmerreiniger in der Residentschaft gewesen. Als das Zerwürfnis mit dem unbeliebten Vizeresidenten entstand, hatte er auf seine Ehren verzichtet und war zum fernsten Ende des Atolls geflohen, um Kohl zu bauen – oder wenigstens Kokospalmen. Von dort trieben ihn nun Bedürfnisse her, die selbst ein Cincinnatus anerkennen muß, und er fuhr nach der Hauptstadt, dem Schauplatz seiner früheren Beamtenlaufbahn, um eine halbe Tonne Kopra gegen das lebensnotwendige Mehl einzutauschen. Und hier muß die Geschichte seiner Reise für eine Weile unterbrochen werden.

Ich muß statt dessen von unserem Hause erzählen, wo gegen sieben Uhr abends plötzlich der Katechet eintrat, mit der Miene eines Mannes, der weiß, daß er willkommen ist, bewaffnet mit einem großen Bund Schlüssel, die er an den Seekisten versuchte, indem er sie einzeln von ihrem Platz an der Wand hervorzog. Unbekannte Köpfe erschienen in der Türfüllung und suchten ihren Rat anzubringen. Alles vergebens. Entweder waren es die falschen Schlüssel oder die falschen Kisten, oder der falsche Mann benutzte sie. Eine Zeitlang schwitzte und schimpfte Taniera, dann entschloß er sich zu dem mehr summarischen Verfahren einer Axt; eine Kiste wurde erbrochen und ein Arm voll weiblicher und männlicher Kleider herausgeholt und den Fremdlingen auf der Veranda ausgehändigt.

Es war François mit Weib und Kind. Ungefähr um acht Uhr morgens war der Kutter beim Kreuzen in der Mitte der Lagune gekentert. Sie richteten ihn auf und setzten das Kind an Bord, obgleich er noch voll Wasser war. Das Hauptsegel war fortgetrieben, aber das Focksegel schleppte das Schiff langsam vorwärts, und François und sein Weib schwammen hinterdrein und bedienten das Steuer mit den Händen. Die Kälte war grausam, die Müdigkeit wurde mit der Zeit entsetzlich, und Furcht umlauerte sie in diesen Jagdgründen der Haifische. Immer wieder wollte François, das Halbblut, aufgeben und versinken, aber die Frau, Vollblut einer dem Wasser verschwisterten Rasse, richtete ihn mit anspornenden Worten auf. Ich erinnere mich einer hawaiischen Frau, die mit ihrem Manne ich weiß nicht wie viele Meilen auf hoher See schwamm und schließlich mit dem Leichnam im Arm die Küste erreichte. Ungefähr um fünf Uhr nachmittags, nach neun Stunden Schwimmen, langten Franyois und sein Weib in Rotoava an, der tapfere Kampf war gewonnen, und alsbald kam die kindliche Seite ihres Eingeborenencharakters zum Durchbruch. Sie hatten gegessen und immer wieder ihre Geschichte erzählt, triefend, wie sie angekommen waren; der Körper des Weibes, dem meine Frau beim Umziehen half, war kalt wie Stein, und François saß, nachdem er ein trockenes baumwollenes Hemd und Hosen angezogen hatte, den ganzen Rest des Abends auf meinem Fußboden zwischen offenen Türen in der Zugluft. Aber François, der Sohn eines französischen Vaters, sprach selbst ausgezeichnet Französisch und scheint intelligent zu sein.

Unser erster Gedanke war, daß der Katechet, treu seinem Evangelistenberuf, die packten kleidete von seinem Überfluß. Dann stellte es sich heraus, daß François nur über sein Eigentum verfügte. Die Kleider gehörten ihm, genau wie die Kiste und das Haus. François war tatsächlich der Hausbesitzer, und doch hatte er sich zurückgehalten auf der Veranda, während Taniera seine ungeschickte Hand an den Schlössern versuchte, und selbst jetzt, als sein wahrer Stand sich offenbarte, machte er von seinen Eigentumsrechten keinen anderen Gebrauch, als daß er die Kleider seiner Familie am Zaun trocknen ließ. Immer noch war Taniera der Freund des Hauses, immer noch fütterte er die Hühner und besuchte uns täglich, indes François sich schamhaft in der Ferne hielt während der Restzeit seines Aufenthaltes; und noch sonderbarere Dinge geschahen. Da François die gesamte Ladung seines Kutters verloren hatte, seine halbe Tonne Kopra, eine Axt, Schüsseln, Messer und Kleider, da er also gewissermaßen ganz von vorn wieder anfangen mußte und das notwendige Mehl weder gekauft noch bezahlt war, schlug ich ihm vor, ihm für seinen Bedarf einen Vorschuß auf die Miete zu geben. Zu meinem großen Erstaunen lehnte er ihn ab, und der Grund, den er angab – wenn man das einen Grund nennen kann, was die Verhältnisse nur noch mehr verdunkelte – war, daß Taniera sein Freund sei. Man beachte: sein Freund, nicht etwa sein Gläubiger. Ich erkundigte mich, und man versicherte mir, daß Taniera, der als Verbannter einer fremden Insel hier wohnte, selbst möglicherweise Schulden habe, aber bestimmt niemandes Gläubiger sei.

Eines Morgens wurden wir in aller Frühe durch Geräusche auf dem Hofe geweckt und stellten fest, daß unsere Lagerstatt von einer großen mageren alten Dame überrascht worden war, die offenbar Witwentracht trug. Wir sahen auf den ersten Blick, daß sie eine ansehnliche Frau war, eine Hausfrau, streng praktisch, mit Energie geladen und allerlei Temperament verratend» Tatsächlich war an ihr außer der Haut nichts von einer Eingeborenen, und der Typ ist überall in unserer Heimat vorhanden und geschätzt. Wir sahen mit Vergnügen, wie sie das Gelände reinigte, die Pflanzen begoß, die Küken fütterte und alles genau prüfte, säuberte und grimmig und bestimmt mit Beschlag belegte. Als sie sich dem Hause näherte, bröckelte unsere Sympathie ab, und als sie zu der erbrochenen Kiste kam, wünschte ich mich weit fort. Wir wechselten kaum ein Wort, aber ihr ganzer hagerer Körper sprach für sich mit beredter Verdrießlichkeit. »Meine Kiste!« rief er aus, mit starker Betonung auf dem mein. »Meine Kiste – erbrochen! Das ist ja eine nette Geschichte!« Ich beeilte mich, den Tadel an die richtige Stelle zu lenken, nämlich auf François und sein Weib, aber es stellte sich heraus, daß ich die Lage verschlechtert statt verbessert hatte. Sie wiederholte die Namen zuerst ungläubig, dann verzweifelt. Eine Weile schien sie stutzig, dann räumte sie plötzlich die Kiste aus, warf die Sachen auf den Boden, prüfte sichtlich den Umfang von François‘ Raub, und bald darauf sahen wir sie heftig mit Taniera reden, der die Ohren hangen ließ, wie jemand, der ein schlechtes Gewissen hat.

Hier also mußte sich aller Wahrscheinlichkeit nach endlich meine Hauswirtin gefunden haben, hier waren alle Anzeichen eines Besitzers üppig entwickelt. Sollte ich mich ihr nicht nähern, um die Frage der Miete endlich zu klären? Ich trug die Angelegenheit einem Kenner vor. »Unsinn,« rief er aus, »Unsinn! das ist die Alte, die Mutter, ihr gehört nichts, ich glaube, daß dem Manne dort das Haus gehört«, und er zeigte auf eine der bunten Photographien an der Wand. Damit gab ich jeden Wunsch auf, alles das zu verstehen, und als die Zeit des Abschieds kam, zahlte ich im Gerichtssaal des Archipels und unter der düsteren Zustimmung des stellvertretenden Gouverneurs ordnungsgemäß meine Miete an Taniera. Er war zufrieden und ich auch. Aber was hatte er damit zu tun? Mr. Donat, der stellvertretende Gerichtsherr und ein Mann mit einer Beimischung von Eingeborenenblut, konnte kein Licht in die geheimnisvolle Angelegenheit bringen, und von einem einfachen Privatmann mit einer Neigung zur Literatur kann man schlechterdings auch nichts anderes erwarten.