Sechzehntes Kapitel.

Vorwärts

Das neuverheiratete Ehepaar wurde bei seiner Ankunft in Harleystreet, Cavendishsquare, London, von dem Oberhaushofmeister empfangen. Dieser große Mann nahm kein Interesse an ihnen, aber er duldete sie im ganzen. Es müssen beständig Leute verheiratet und getraut werden, sonst brauchte man keine Haushofmeister. Wie Staaten zum Besteuern da sind, so sind Familien da, um gehaushofmeistert zu werden. Der Oberhaushofmeister dachte jedenfalls, daß der Lauf der Natur seinetwegen die Fortpflanzung der reichen Bevölkerung vorschreibe.

Er ließ sich deshalb herab, den Wagen von der Haustür aus ohne zürnende Blicke zu betrachten, und sagte zu einem seiner Untergebenen auf höchst liebenswürdige Weise: »Thomas, hilf beim Abpacken!« Er geleitete sogar die junge Frau die Treppe hinauf zu Mr. Merdle; aber dies war als ein Akt der Huldigung gegen das schöne Geschlecht (das er bewunderte, wie er notorisch in die Reize einer gewissen Herzogin sich verliebt hatte) und nicht als ein Unterordnen seiner selbst unter die Familie zu betrachten.

Mr. Merdle schlich auf dem Kaminteppich umher und erwartete die Ankunft Mrs. Sparklers. Seine Hand schien beim Willkomm in seinen Rockärmel hinaufzukriechen, und er gab ihr einen solchen Überfluß von Rockaufschlag, daß es wie ein Empfang von dem der Volksvorstellung entsprechenden Bilde von Guy Fawkes3 war. Als er seine Lippen auf die ihren drückte, nahm er sich bei den Handgelenken fest und deckte sich den Rücken durch die Ottomanen und Stühle und Tische, als wenn er sein eigner Polizeimann wäre, und sagte zu sich: »Nun, nichts da! Kommt! Ich habe euch mal, wie ihr seht, und ihr geht ruhig mit mir!«

Mrs. Sparkler, die nun in den Staatszimmern installiert war – dem Allerheiligsten von Eiderdaunen, Seide und feinem Linnen –, fühlte, daß ihr Triumph gelungen und ihr Weg Schritt für Schritt gemacht sei. Am Tage vor ihrer Hochzeit hatte sie der Kammerfrau von Mrs. Merdle mit anmutiger Gleichgültigkeit in Mrs. Merdles Gegenwart ein hübsches kleines Andenken (Armband, Hut und zwei Kleider, alles ganz neu) geschenkt, was ungefähr viermal so viel wert war als das Geschenk, das Mrs. Merdle ihr früher gemacht hatte. Sie wohnte jetzt in Mrs. Merdles eigenen Zimmern, die mit einigen Extranachbesserungen ihrer würdiger gemacht worden waren. Während sie hier weilte, umgeben von allen Luxusgegenständen, die der Reichtum kaufen und die Phantasie erfinden konnte, sah sie mit ihrem innern Auge den schönen Busen, der im Einklang mit ihrem frohlockenden Herzen schlug, mit dem so lange berühmt gewesenen Busen wetteiferten, ihn überglänzen und verdrängen. Glücklich? Fanny mußte glücklich sein, denn sie wünschte nicht mehr, lieber tot zu sein.

Der Kurier hatte es nicht gebilligt, daß Mr. Dorrit in dem Hause eines Freundes wohne, und vorgezogen, ihn nach einem Hotel in Brook Street, Grosvenorsquare zu bringen. Mr. Merdle befahl, morgen früh seinen Wagen bereit zu halten, damit er sogleich nach dem Frühstück Mr. Dorrit seine Aufwartung machen könne.

Der Wagen sah glänzend aus, die Pferde waren glatt, das Geschirr funkelte, die Livreen machten den Eindruck des Reichen und Soliden. Ein herrliches entsprechendes Äußere. Eine Equipage für einen Merdle. Leute, die früh auf waren, sahen ihr nach, wie sie durch die Straßen hinrollte, und sagten mit ehrfurchtsvollem Ton: »Da fährt er!«

Da fuhr er hin, bis Brook Street ihm Halt gebot. Dann kam er wie ein Juwel aus seinem prachtvollen Gehäuse, aber nicht durch sich glänzend, sondern ganz das Gegenteil.

Aufruhr in dem Bureau des Hotels. Merdle! Der Wirt, obgleich ein Gentleman von großem Stolz, der kaum mit zwei Vollblutpferden in die Stadt gekommen war, kam heraus, um ihn die Treppe hinaufzuführen. Die Kommis und die Diener schnitten ihm durch Seitengänge den Weg ab und warteten wie zufällig an Gängen und Ecken, um ihn zu sehen. Merdle! O Sonne, Mond und Sterne, der große Mann! Der reiche Mann, der gewissermaßen das Neue Testament verbessert hat, indem er bereits in das Himmelreich gekommen war. Der Mann, der jeden, den er wollte, zu Tische einladen konnte und der so viel Geld verdiente. Als er die Treppe hinaufging, standen die Leute schon auf den untern Stufen, damit sein Schatten auf sie fiele, wenn er herabkäme. So brachte man die Kranken und legte sie auf den Weg, den der Apostel kommen mußte – der nicht in die gute Gesellschaft gekommen und kein Geld verdient hatte.

Mr. Dorrit saß im Schlafrock, mit der Morgenzeitung beschäftigt, beim Frühstück. Der Kurier meldete mit aufgeregter Stimme: »Mr. Mairdaile!« Mr. Dorrits übervolles Herz hüpfte vor Freude, als er aufsprang. »Mr. Merdle, das ist wahrhaftig eine Ehre. Erlauben Sie mir, Ihnen auszusprechen, wie – hm – hoch ich die Ehre – ha – diesen – ha, hm – schmeichelhaften Beweis Ihrer Aufmerksamkeit zu schätzen weiß. Ich weiß recht gut, mein Herr, wie sehr Ihre Zeit in Anspruch genommen ist und – ha – welch unermeßlichen Wert sie hat.« Mr. Dorrit konnte das Wort unermeßlich nicht rund genug zu seiner Zufriedenheit aussprechen. »Daß Sie – ha – zu dieser frühen Stunde etwas von Ihrer unschätzbaren Zeit auf mich verwenden, ist – ha – ein Kompliment, das ich mit der größten Achtung anerkenne.« Mr. Dorrit zitterte wirklich, als er den großen Mann anredete.

Mr. Merdle ließ in seiner gedämpften, innerlichen, zögernden Stimme ein paar Worte hören, die nichts besagen wollten; und zuletzt sagte er: »Ich bin sehr erfreut, Sie zu sehen, Sir.«

»Sie sind sehr freundlich«, sagte Mr. Dorrit, »wirklich sehr freundlich.« Inzwischen hatte sich der Besuch gesetzt und fuhr mit seiner großen Hand über die erschöpfte Stirn. »Sie sind hoffentlich wohl, Mr. Merdle?«

»Ich bin so wohl, wie ich – ja, ich bin so wohl, wie ich gewöhnlich bin«, sagte Mr. Merdle.

»Ihre Geschäfte müssen Sie außerordentlich in Anspruch nehmen?«

»So ziemlich. Aber – o nein, es fehlt mir eigentlich nichts«, sagte Mr. Merdle im Zimmer umhersehend.

»Etwas schlechte Verdauung?« deutete Mr. Dorrit an.

»Wohl möglich. Aber ich – o ich befinde mich ganz gut«, sagte Mr. Merdle.

Auf seinen Lippen, wo sie sich schlossen, waren schwarze Streifen, als wenn etwas Pulver darauf abgebrannt worden wäre; und er sah aus wie ein Mann, der, wenn er von etwas lebhafterem Temperament wäre, heute morgen starkes Fieber gehabt haben würde. Dies und die schwerfällige Weise, wie er über seine Stirn strich, hatten Mr. Dorrits besorgliche Erkundigungen veranlaßt.

»Mrs. Merdle«, fuhr Dorrit einschmeichelnd fort, »verließ ich, wie Sie wohl zu hören erwarten werden, als die von allen – ha – Beobachtern Beobachtete, von allen – hm – Bewunderern Bewunderte, als die, die die ganze römische Gesellschaft entzückt und bezaubert hat. Sie sah außerordentlich gut aus, als ich die Römerstadt verließ.«

»Mrs. Merdle«, sagte Mr. Merdle, »gilt im allgemeinen als eine sehr anziehende Frau. Und sie ist es auch ganz gewiß. Ich weiß es wohl, daß sie es ist.«

»Wer wüßte es nicht?« antwortete Mr. Dorrit.

Mr. Merdle drehte seine Zunge in seinem geschlossenen Munde umher – es schien eine steife und unlenksame Zunge –, feuchtete die Lippen an, strich mit der Hand über die Stirn und sah wieder im Zimmer umher, hauptsächlich unter die Stühle. »Aber«, sagte er, indem er Mr. Dorrit zum ersten Male ins Gesicht sah und dann augenblicklich die Blicke auf die Westenknöpfe von Mr. Dorrit herabsinken ließ, »wenn wir von anziehendem Wesen sprechen, so sollte Ihre Tochter unser Gesprächsgegenstand sein. Sie ist ausnehmend schön. Nach Gesicht wie Gestalt ist sie eine ungewöhnliche Erscheinung. Als die jungen Leute vergangenen Abend ankamen, war ich wirklich überrascht von dem Anblick solcher Reize.«

Mr. Dorrit fühlte sich so geschmeichelt, daß er sagte – ha –, er könne nicht umhin, mündlich Mr. Merdle zu wiederholen, was er bereits brieflich getan, daß er die Verbindung ihrer Familien für eine große Ehre und ein großes Glück halte. Und er bot ihm seine Hand. Mr. Merdle betrachtete die Hand eine Augenblick, nahm sie einen Augenblick, als wenn sie ein gelber Präsentierteller oder eine Fischscheibe wäre, und gab sie dann Mr. Dorrit zurück.

»Ich dachte, ich wolle sogleich hierherfahren«, sagte Mr. Merdle, »um meine Dienste anzubieten, im Falle ich etwas für Sie tun kann, und Ihnen zu sagen, ich hoffe, Sie werden mir wenigstens die Ehre erweisen, heute und immer bei mir zu speisen, solange Sie in der Stadt und nicht anderwärts besser in Anspruch genommen sind.«

Mr. Dorrit war entzückt über diese Aufmerksamkeiten.

»Werden Sie sich lange hier aufhalten?«

»Ich habe vorderhand die Absicht«, sagte Mr. Dorrit, »nicht länger als vierzehn Tage zu verweilen.«

»Das ist nach einer so langen Reise ein sehr kurzer Aufenthalt«, versetzte Mr. Merdle.

»Hm. Ja«, sagte Mr. Dorrit. »Aber offen gesagt – ha – mein lieber Merdle, ich finde das Leben auf dem Kontinent meiner Gesundheit so zuträglich und meinem gegenwärtigen Geschmack so entsprechend, daß ich – hm – bei meinem gegenwärtigen Besuche in London nur zweierlei im Auge habe. Nämlich erstens – ha – das ausgezeichnete Glück und – ha – die Ehre, die mir gegenwärtig zuteil wird und die ich zu schätzen weiß; und zweitens das Arrangement – hm –, das heißt, die beste Anlegung – ha, hm – meiner Kapitalien.«

»Nun, Sir«, sagte Mr. Merdle, nachdem er seine Zunge noch einmal gedreht, »wenn ich Ihnen in dieser Beziehung irgendwie von Nutzen sein kann, so befehlen Sie über mich.«

Mr. Dorrit zögerte mehr denn gewöhnlich mit seinen Worten, als er auf diesen kitzlichen Punkt zu sprechen kam, denn er war sich nicht ganz klar, wie ein so erhabener Potentat es aufnehmen möchte. Er zweifelte, ob die Erwähnung eines persönlichen Kapitals oder Vermögens nicht ein zu elender Detailkram für einen solchen Großhändler sei. Sehr erleichtert durch Mr. Merdles freundliches Anerbieten seiner Dienste, säumte er nicht, sie anzunehmen, und überhäufte ihn mit Dank.

»Ich hätte – ha – kaum gewagt«, sagte Mr. Dorrit, »versichere ich Ihnen, einen so außerordentlichen Vorteil wie Ihren unmittelbaren Rat und Beistand zu hoffen. Obgleich ich natürlich, unter allen Umständen, wie die – ha, hm – ganze übrige zivilisierte Welt Mr. Merdles Spuren gefolgt wäre.«

»Sie wissen, wir können uns beinahe Verwandte nennen, Sir«, sagte Mr. Merdle, indem er mit großem Interesse das Muster des Teppichs betrachtete, »und deshalb können Sie ganz auf meine Dienste zählen zu dürfen versichert sein.«

»Ah. Sehr hübsch, wahrhaftig!« rief Mr. Dorrit. »Ah. Sehr hübsch!«

»Es würde«, sagte Mr. Merdle, »im gegenwärtigen Augenblick für einen, der nicht eingeweiht ist, sehr schwer sein, an einer der guten Spekulationen teilzunehmen – natürlich spreche ich von meinen eigenen guten Spekulationen –«

»Natürlich, natürlich!« rief Mr. Dorrit, in einem Ton, der deutlich zu sagen schien, daß es gar keine andern guten Spekulationen geben könne.

»– außer zu sehr hohem Preis, was wir eine sehr lange Zahl zu nennen pflegen.«

Mr. Dorrit lachte in der gehobenen Stimmung, in der er sich befand. »Ha, ha, ha! Lange Zahl. Gut. Ha. Wirklich sehr bezeichnend.«

»Ich behalte jedoch«, sagte Mr. Merdle, »gewöhnlich die Vollmacht für mich, einzelne zu bevorzugen – die Leute würden es vielleicht begünstigen heißen –, was ich als eine Art Belohnung für meine Sorge und Mühe ansehe.«

»Und ihren Gemeingeist und Ihr Genie«, fügte Mr. Dorrit hinzu.

Mr. Merdle schien mit einer trocknen schlingenden Bewegung diese Eigenschaften wie eine Pille hinunterzuschlucken; dann fügte er hinzu: »Eine Art von Entschädigung. Wenn Sie mir erlauben, will ich sehen, wie ich von dieser beschränkten Vollmacht (denn die Leute sind eifersüchtig, und sie ist beschränkt) in Ihrem Interesse Gebrauch machen kann.«

»Sie sind sehr gut«, versetzte Mr. Dorrit. »Sie sind sehr gut.«

»Natürlich«, sagte Mr. Merdle, »muß bei diesen Geschäften die größte Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit herrschen; Glaube auf Wort muß zwischen den einzelnen gelten; zweifelloses und unzweifelhaftes Vertrauen muß obwalten; sonst könnte man kein Geschäft machen.«

Mr. Dorrit begrüßte diese edlen Gesinnungen lebhaft und freudig.

»Deshalb«, sagte Mr. Merdle, »kann ich Ihnen bloß bis zu einer gewissen Ausdehnung den Vorzug geben.«

»Ich verstehe. In einer beschränkten Ausdehnung«, bemerkte Mr. Dorrit.

»Beschränkten Ausdehnung. Und ganz offen vor der Welt. Mit meinem Rate dagegen ist es etwas anderes«, sagte Mr. Merdle. »Soviel dieser gilt –«

»Oh! Soviel dieser gilt!« (Mr. Dorrit konnte selbst bei Mr. Merdle nicht die geringste Unterschätzung seines Wertes ertragen.)

»– diesen zu geben, wenn ich Lust habe, hindert mich nichts, was die makellose Ehre zwischen mir und meinen Genossen verlangt. Und dieser«, sagte Mr. Merdle, jetzt ganz auf den Kehrichtkarren, der unter dem Fenster vorüberfuhr, seine Aufmerksamkeit richtend, »wird stets zu Ihren Diensten stehen, wenn Sie denselben einzuholen für passend erachten.«

Neuer Dank von seiten Mr. Dorrits. Abermaliges Über-die-Stirne-Fahren von Mr. Merdles Hand. Pause und Schweigen. Betrachten der Westenknöpfe Mr. Dorrits von seiten Mr. Merdles.

»Da meine Zeit ziemlich kostbar ist«, sagte Mr. Merdle plötzlich aufstehend, als wenn er inzwischen auf seine Beine gewartet und diese nun gekommen wären, »so muß ich mich jetzt nach der City begeben. Kann ich Sie vielleicht irgendwohin mitnehmen? Ich würde mich glücklich schätzen, Sie irgendwo aussteigen oder mit meinem Wagen weiterfahren zu lassen. Er steht zu Ihren Diensten.«

Mr. Dorrit bedachte sich, daß er Geschäfte bei seinem Bankier habe. Sein Bankier wohnte in der City. Das traf sich glücklich; Mr. Merdle konnte ihn in die City mitnehmen. Aber er dürfe natürlich Mr. Merdle nicht aufhalten, bis er seinen Rock angezogen? Jawohl dürfe und müsse er das; Mr. Merdle bestand darauf. Mr. Dorrit zog sich deshalb in das nächste Zimmer zurück, vertraute sich seinem Kammerdiener an und kam nach fünf Minuten strahlend wieder.

Dann sagte Mr. Merdle: »Erlauben Sie mir, Sir. Nehmen Sie meinen Arm.« Dann stieg Mr. Dorrit, auf Mr. Merdles Arm gelehnt, die Treppe hinab, sah die Gläubigen auf den Stufen stehen und fühlte, daß ein Abglanz des Lichts von Mr. Merdle auf ihn fiel. Dann stieg man in den Wagen und fuhr in die City, und das Volk staunte sie an, und die Hüte flogen von grauen Köpfen herunter, und es war ein allgemeines Bücken und Kriechen vor diesem wunderbaren Sterblichen; eine solche Demut im Geiste war – beim Himmel, nein! das mögen die Schmeichler aller Namen bedenken – weder in der Westminster-Abtei noch in der St. Paulskirche zusammengenommen an irgendeinem Sonntag im Jahre zu sehen. Es war ein berauschender Traum für Mr. Dorrit, so hoch erhaben in diesem öffentlichen Triumphwagen zu sitzen und diese prachtvolle Fahrt nach dem entsprechenden Ziele, der goldenen Lombardstraße mitzumachen.

Dort bestand Mr. Merdle darauf, auszusteigen und seinen Weg zu Fuß zu machen, indem er seinen armen Wagen zu Mr. Dorrits Disposition stellte. So wurde der Traum noch berauschender, als Mr. Dorrit allein von dem Bankier herauskam und die Leute in Abwesenheit Mr. Merdles ihn ansahen und er mit den Ohren seines Geistes den häufigen Ausruf hörte, während er blitzschnell dahinfuhr: »Ein ausgezeichneter Mann muß das sein, wenn er Mr. Merdles Freund ist!«

Bei dem Mittagsmahl dieses Tages, obgleich es ganz unvorbereitet arrangiert war, befand sich eine glänzende Gesellschaft von lauter Leuten, die nicht aus irdischem Staube, sondern aus einem wertvolleren, bis jetzt unbekannten Stoffe gemacht waren und ihren herrlichen Segen auf die Ehe der Tochter Mr. Dorrits ausströmten. Und Mr. Dorrits Tochter begann an diesem Tage in allem Ernst ihren Wettkampf mit jener nicht anwesenden Frau; und begann ihn so gut, daß Mr. Dorrit, wenn man es verlangt, die eidliche Erklärung hätte abgeben können, Mrs. Sparkler habe ihr ganzes Leben der vollen Länge nach im Schoße des Glückes gelegen und habe nie von einem so groben Worte der englischen Sprache wie Marshalsea gehört.

Am nächsten und übernächsten und allen darauffolgenden Tagen, die stets von neuen Tischgesellschaften beehrt waren, wirbelten Karten auf Mr. Dorrit herab wie Theaterschnee. Als Freund und Verwandter des berühmten Mr. Merdle wünschten Advokat, Bischof, Schatz, Chornus und jedermann Mr. Dorrit kennenzulernen. In den zahlreichen Kontors Mr. Merdles in der City war, wenn Mr. Dorrit in einem derselben bei seinen Geschäftsbesuchen im Osten erschien (was häufig geschah, denn diese nahmen erstaunlich zu), der Name Dorrit stets ein Paß, der Zutritt zu dem großen Merdle verschaffte. So wurde der Traum mit jeder Stunde berauschender, und Mr. Dorrit fühlte immer mehr, daß diese Verbindung ihn wirklich vorwärtsgebracht habe.

Nur eines lag nichts weniger als golden und leicht auf Mr. Dorrits Seele. Das war der Oberhaushofmeister. Diese erstaunliche Persönlichkeit sah ihn während seiner offiziellen Beaufsichtigung des Diners in einer Weise an, die Mr. Dorrit sehr in Frage zu ziehen geneigt war. Wenn er durch die Halle und über die Treppe ging, um sich zum Diner zu begeben, sah er ihn mit einer glasigen Starrheit an, die Mr. Dorrit nicht gefiel. Wenn Mr. Dorrit bei Tische saß und trank, sah er durch sein Weinglas, wie der Oberhaushofmeister ihn mit kaltem und geisterhaftem Blicke betrachtete. Der Zweifel stieg in ihm auf, ob ihn nicht der Oberhaushofmeister als Gefangenen gekannt, ihn im Gefängnis gesehen – vielleicht ihm sogar vorgestellt worden. Er sah den Oberhaushofmeister so genau an, als man überhaupt einen solchen Mann ansehen kann, und doch erinnerte er sich nicht, daß er ihn je anderwärts gesehen hatte. Zuletzt neigte er sich zu der Ansicht, daß der Mann keine Ehrfurcht, diese große Kreatur kein Gefühl besitze. Aber das beruhigte ihn nicht, denn, er mochte denken, was er wollte, der Oberhaushofmeister ließ sein geringschätziges Auge auf ihm ruhen, selbst wenn dieses Auge auf das Silberzeug oder andern Tafelschmuck sah. Ihm einen Wink zu geben, daß diese Begrenzung seines Blickes unangenehm sei, oder ihn zu fragen, was das heißen solle, war ein zu kühnes Wagstück, um sich dazu zu entschließen, denn er war gegen seinen Herrn und dessen Gäste entsetzlich streng und erlaubte ihnen nicht, sich die geringste Freiheit gegen ihn herauszunehmen.