Siebzehntes Kapitel.

Eröffnung des neuen Covent-Garden-Theaters. – Die großen Tumulte wegen des sogenannten »alten Preises«. – Grimaldis erste Auftreten als Clown in den Straßen. – Augenblickliche Verlegenheiten. – Triumphe in Cheltenham und Gloucester. – Besuch in Berkeley Castle und Bekanntschaft mit Lord Byron. – Fischbrühe und Apfelstrudel. – Abreise nach Bath.

Am 18. September wurde das neue Theater in Covent-Garden mit Shakespeares »Macbeth« und dem musikalischen Nachspiele »Der Quäker« eröffnet, und gleichzeitig hiermit hob der große Lärm an, der um den sogenannten »Alten Preis« sich drehte, und aus der Entrüstung hervorging, die durch die Erhöhung der Eintrittspreise in das Publikum getragen wurde. Es kam infolgedessen im Theater zu Auftritten, wie sie wohl kaum je einmal in einem Theater erlebt worden sein dürften. Der Lärm wurde manchmal so laut, daß die Schauspieler gar nicht spielen konnten. Um den Lärm zu erhöhen, brachten die schlimmsten unter den Tumultanten allerhand Instrumente mit ins Theater, Pfeife, Klappern ec. Ein adeliger Herr, der einen Stammsitz im Parterre hatte, schwang den ganzen Abend über eine jener Glocken, mit denen die Kehrichtleute ihr Erscheinen anzeigten, und die damals das Entsetzen von ganz London waren, und ließ sich durch die höflichsten Vorstellungen nicht bewegen, mit dieser gräßlichen Musik Einhalt zu tun. Ein paar andere Leute, denen es auch nicht darauf ankam, wie sie ihren Empfindungen Luft machten, wenn sie es nur tun konnten, schleppten ein paar lebendige Ferkelchen in ihren Taschen mit, denen sie im geeigneten Augenblick so lange das Schwänzchen kniffen, bis sie jämmerlich zu quieken anfingen.

Aber man begnügte sich nicht mit solchem Höllenlärm, sondern zürnte alle Augenblicke den Direktor, John Kemble, auf die Bühne, und wenn es ihm schließlich gelang, sich ein paar Sekunden Gehör zu verschaffen, mußte er doch immer unverrichteter Sache wieder abtreten. Allabendlich waren Scharen von Polizisten im Theater. Versuchten sie aber einmal, ein paar der Hauptschreier zu verhaften, so wurden sie vom ganzen Publikum in Schutz genommen, versteckt oder rechtzeitig durch eine Seitentür oder wohl auch durch ein Fenster aus dem Theater spediert, so daß die Polizei das Nachsehen hatte. Es kam zu häufigen Kämpfen zwischen Polizei und Publikum, bei denen ein Mensch beinahe zu Tode gekommen wäre.

Es verging wohl kein Abend, ohne daß feurige Reden aus dem Parterre, den Logen oder von der Galerie herunter gehalten wurden, ja zuweilen hörte man ihrer ein halbes Dutzend auf einmal.

Die Sheriffs hatten ununterbrochen mit Feststellungen von allerhand Verstößen gegen die öffentliche Ruhe zu tun, und so ging es wohl siebzig Abende hindurch. – An allen Ecken, in allen Gängen, auf allen Sitzreihen des Theaters sah man Plakate angeheftet, die sich auf die Vorgänge bezogen, oder in denen allerhand Jux verkündigt wurde, z. B.:

Öffentliche Bekanntmachung. – Dieses Haus ist mit sämtlichem Inventar preiswert zu verkaufen, da die Herren Kemble & Co. ihr Geschäft an den Nagel zu hängen gedenken.

Oder:

Sobald die Vorstellungen ihren Anfang nahmen, drehte sich das ganze Publikum wie ein Mann herum und wandte der Bühne den Rücken zu. Waren die Vorstellungen zu Ende, was wegen des schrecklichen Lärms meistens schon gegen halb zehn Uhr der Fall war, dann stimmte alles eine Parodie auf die Volkshymne an, in welcher Gott um Segen für Johnny Bull gebeten wurde, damit er den Genuß aus den höheren Theaterpreisen recht lange für sich habe; dann wurde zu Ehren der alten Preise ein Ringeltanz ausgeführt, worauf wieder Reden über Reden gehalten wurden, bis dann endlich alles sich in seine Penaten zurückzog.

Wie bei allen öffentlichen Fragen, waren die Ansichten der Presse natürlich auch bei dieser geteilt. Während die Times und die Morning Post das neue System befürworteten, trat das Morning Chronicle für die alten Preise ein und führte die Sache der Tumultanten mit ebenso viel Eifer wie Beharrlichkeit.

Als der Spektakel ein paar Abende hindurch gedauert hatte, schickte John Kemble zu Grimaldi und ließ ihm sagen, da das Publikum kein Drama sehen wolle, gedächte er es mit einer Pantomime zu probieren und ließ für den folgenden Abend den Don Juan ankündigen, in welchem Grimaldi seine alte Rolle, den Scaramuz, spielen sollte. Grimaldi wurde mit großem Jubel begrüßt, und es traf sich merkwürdigerweise, daß gerade an diesem Abend so gut wie gar keine Ruhestörungen vor sich gingen. Grimaldi schrieb sich das zum Teil als sein persönliches Verdienst zu gute und war darüber nicht wenig erfreut. Auch Kemble war wieder heiter und guter Dinge und schüttelte dem Kollegen, als er abgetreten war, kordial die Hand.

»Bravo, Joe, bravo!« sagte er zu ihm, »jetzt haben wir sie, und nun wollen wir vorderhand bei der Pantomime bleiben.«

Das taten sie wohl, aber daß »sie sie damit gehabt hätten«, traf nicht zu, denn am andern Abend ging der Spektakel wieder von frischem los und weit ärger als zuvor, so daß das ganze Theaterpersonal erklärte, noch nie im Leben einen so gräßlichen Spektakel gehört zu haben.

Am 25. Dezember kehrte endlich wieder Ruhe ein, nachdem die Theaterdirektion die Erklärung abgegeben hatte, es bei den alten Preisen lassen zu wollen, und alle Klagen gegen Personen zurückzog, die infolge dieses in der Theatergeschichte ohne Beispiel dastehenden Spektakels mit den Gerichten in Kollision, gekommen waren. John Kemble fiel die unangenehme Aufgabe zu, dem Publikum im Theater hiervon Mitteilung zu machen. Er bewies hierbei ebenso große Ruhe wie Würde. Das Publikum klatschte ihm Beifall, und von allen Sitzreihen regneten Zettel auf die Bühne mit dem Aufdruck: »So ist’s recht! Nun sind wir zufrieden!«

Damit war der Krawall aus der Welt.

Zu Weihnachten wurde »Harlekin als Hausierer, oder: Der Spukbrunnen« in Szene gesetzt und höchst beifällig aufgenommen, auch an zweiundfünfzig Abenden hintereinander wiederholt.

Im März des Jahres 1810 trat Grimaldi zum ersten Male als Scaramuz im »Deserteur von Neapel« auf; auch die »Mutter Gans« wurde wieder gegeben. Im Juli wurde das Theater geschlossen und im Oktober wieder eröffnet. Im Sadlers-Wells-Theater kam keine Novität heraus, und in Covent-Garden trat Grimaldi wie immer zu dieser Zeit in einer neuen Pantomime auf: »Harlekin Asmodi, oder: Kupido auf Krücken«, die sechsundvierzigmal hintereinander gegeben wurde.

In diesem Monate mußte Grimaldi den Clown auf allen beiden Bühnen spielen. In Sadlers-Wells war die Pantomime das erste, im Covent-Garden das letzte Stück, das gegeben wurde. In beiden Häusern hatte er dieselbe Rolle; es war deshalb, auch wenn ihm Zeit dazu geblieben wäre, unnötig sich umzukleiden, sondern er nahm in der Regel eine Droschke und ließ sich gleich im Clown-Kostüme von dem einen Theater zum andern fahren.

Eines Abends ließ sich aber keine Droschke auftreiben, weil es wie mit Mulden vom Himmel goß, und kein Mensch auf den Straßen laufen konnte. Grimaldi blieb keine Zeit zum Besinnen. Als er noch ein Weilchen gewartet hatte, in der Hoffnung, der ausgeschickte Bote werde noch mit einer Droschke vorgefahren kommen, blieb ihm schließlich nichts übrig, als den Weg durch die Stadt zu Fuße zu machen.

Da es stockfinster war, ging in der ersten Zeit alles ganz gut. Kaum aber war er nach Clerkenwall gekommen, wo die Kaufläden hell erleuchtet waren, als er auch durch sein Kostüm schnell Aufsehen erregte. An einer Ecke lief er einem Manne in den Weg, der ihn sogleich erkannte und mit dem Rufe: »Oho, Joe Grimaldi! Joe Grimaldi!« begrüßte.

Mehr war nicht nötig. Grimaldi beeilte sich zwar, in die nächste Straße zu schlüpfen. Es half ihm aber nichts. Schon war ihm ein dichter Schwarm auf den Fersen unter Geschrei und Gejohle. Die einen ließen seinen Namen erschallen, andere warfen die Mützen und Hüte in die Luft oder drückten ihren Jubel auf andere Weise aus. In Holborn fand er endlich einen Mietswagen. Der Menschenschwarm wurde aber immer zahlreicher und folgte ihm unermüdlich und unter verdoppeltem Geschrei und Jubel.

Da ließ er, den Kopf zum Wagen heraussteckend, sein weitbekanntes, man kann dreist sagen, berühmtes Gelächter erschallen. Der Haufe stimmte ein, schrie ihm Beifall zu, und hunderte von Stimmen wurden laut, daß er wohlbehalten nach Covent-Garden gebracht werden müsse.

Gesagt, getan. Eine Leibwache bildete sich um ihn, freilich von einer so urwüchsigen Sorte, wie sie wohl kaum jemand begleitet haben dürfte, und das Geschrei und Gejohle wollte, als er vor dem Theater aus dem Wagen stieg, kein Ende nehmen. Ein Teil seiner Geleitschaft eilte auf die Galerie und begrüßte ihn, als er sich auf der Bühne zeigte, zum endlichen Ergötzen aller Anwesenden, denen der Vorfall bekannt geworden war, durch den Jubelruf: »Wir haben ihn wieder, wir haben ihn wieder!« und ein nicht enden wollendes Hurra erklang wieder im Theater, alle Räume desselben durchbrausend.

In der Saison des Jahres 1811 wurde in Sadlers-Wells der »Große Teufel« wieder in Szene gesetzt. Grimaldi spielte darin eine Rolle, in der er unermeßlichen Beifall erntete. Im Juli stürzte er auf ein gespanntes Seil und trug einen nicht unerheblichen Brustschaden davon, der ihn mehrere Wochen ans Haus fesselte.

Im Oktober trat er wieder in Covent-Garden und zwar in »Asmodi«, in »Mutter Gans«, »Valentine und Orson« und »Raymond und Agnes« auf, in welch letzterem Stücke er den Robert gab. Am 26. Dezember wurde die neue Pantomime gebracht. Sie hieß: »Harlekin und Padmanaha, oder der goldene Fisch« und gefiel außerordentlich.

Im Juni 1812 trat er, was bis dahin erst einige Male geschehen war, im eigentlichen Drama auf. Er spielte nämlich den »Acres« in Sheridans erstem Lustspiele »Der Nebenbuhler« und machte an diesem einen Abend eine Einnahme von 200 Pfund.

Im Laufe des Jahres 1812 entstanden ihm einige finanzielle Verdrießlichkeiten, und zwar einerseits dadurch, daß er zugleich eine Wohnung in der Stadt und eine auf dem Lande hatte, anderseits aber auch durch die Verschwendung seiner Frau, die, so vortrefflich sie sonst war, doch auch ihren Fehler hatte, der in stark übertriebener Putzsucht bestand. Er sagte sich, daß Einschränkungen notwendig seien, gab sein Landhaus auf, schaffte seinen Diener ab, verkaufte Pferd und Gig und übergab die Ordnung seiner Angelegenheiten demselben Mr. Harmer, den er vor ein paar Jahren unter so sonderbaren Umständen kennen gelernt hatte. Nach Verlauf von sieben bis acht Monaten waren alle seine Gläubiger bis auf den letzten Heller befriedigt.

Im Jahre 1812 gab es in Sadlers-Wells nichts Bemerkenswertes. Sein zweites Benefiz im Oktober brachte ihm 225 Pfund ein. Man nahm an, daß die Einnahme eines Abends 200 Pfund nicht übersteigen könne, Grimaldi hatte jedoch nie eine Benefiz-Einnahme unter 210 Pfund, einmal sogar, wovon sogleich die Rede sein soll, eine Einnahme von annähernd 270 Pfund; indessen können wir nicht behaupten, daß sich sämtliche Personen, die zu dieser Einnahme beigesteuert hatten, auch, wirklich im Schauspielhause befanden.

In der zweiten Hälfte des Oktobers machte Grimaldi sich anheischig, an zwei Abenden in Cheltenham aufzutreten. Direktor Watson hatte ihm die Hälfte der gesamten Einnahme zugesichert. Vor seiner Fahrt nach Cheltenham besprach er sich mit Mr. Hughes, dem Vater seiner ersten Frau. Dieser sagte ihm, daß Cheltenham einer der ungünstigsten Theaterplätze sei insofern, als sie zuviel andere Vergnügungen böte. Grimaldi meinte aber, außer den Kosten doch vielleicht auf 40-50 Pfund zu kommen, und wagte die Reise. Er trat in der Rolle des Scaramuz auf, und mit großem Beifall, gab am zweiten Abend in einer kleinen, selbst ersonnenen Pantomime den Clown und erzielte an beiden Abenden ein ausverkauftes Haus. Direktor Watson wußte ihn zu bestimmen, daß er noch zwei Tage länger verweilte und auch in dem nur etwa acht Stunden entfernten Gloucester auftrat, wo Watson ein zweites Theater besaß. Grimaldi tat ihm den Gefallen und trat auch in Gloucester mit großem Erfolge auf.

Nach Schluß des Theaters führte Watson seinen Gast zu einem solennen Abendessen. Als sie fertig waren, sagte Watson:

»Nun aber, lieber Joe, ist die Zeit so kostbar, daß ich Ihnen nur ein einziges Glas Punsch vergönnen kann.« –

Grimaldi erwiderte, daß er nicht verstände, was Watson damit sagen wolle.

»Weiter nichts, als daß es meiner Meinung nach um zwölf Uhr nachgerade Zeit zum Zubettgehen ist.«

»Ganz einverstanden, lieber Watson. Nur meine ich, daß es nicht gerade Ihre Gewohnheit sei, sich früh zu Bett zu begeben. Gestern abend ließen Sie mich erst drei volle Stunden später gehen, und vorgestern, dünkt mich, war es noch später.«

»Das wohl. Ich möchte nur, daß Sie morgen ein bißchen zeitig mit mir ausführen.«

»Und was nennen Sie zeitig?«

»Hm, wir müssen vor drei Uhr aufbrechen.« »0, wenn Sie sich mit dergleichen Plänen tragen«, antwortete Grimaldi lachend, »dann sage ich Ihnen ohne weiteres gute Nacht«, – und begab sich auf der Stelle in sein Schlafzimmer.

Zur festgesetzten Stunde kutschierten sie zusammen nach Berkeley Castle, von dessen Besitzer, dem Oberst Berkeley, der als ältester Sohn des Earl of Berkeley unter dem Titel eines Lords Dursley für Gloucester im Unterhause saß, ihnen eine Einladung zum Besuche zugegangen war. Grimaldi war mit dem Obersten bekannt, hin und wieder sein Tischgast gewesen und wurde sehr freundlich im Schlosse aufgenommen, wo sich eine zahlreiche Gesellschaft zusammengefunden hatte.

Unter anderen ausgezeichneten Personen war auch Lord Byron anwesend, den Grimaldi oft gesehen und der seinen Benefiz-Vorstellungen immer beigewohnt hatte, mit dem er jedoch noch niemals ein Wort gesprochen hatte.

Der Oberst machte ihn mit allen Anwesenden bekannt, denen er noch fremd war, auch mit Lord Byron, der sogleich auf ihn zutrat und ihm unter tiefen Verbeugungen und mit der übertriebensten Höflichkeit sagte: »wie grenzenlos er sich darüber freue, einen Menschen von so seltenen und ausgezeichneten Talenten kennen zu lernen« usw.

Grimaldi merkte sogleich, daß Lord Byron ihn nur zum besten haben wollte, und hätte ihm am liebsten auf der Stelle dafür gedient, unterließ es aber, weil er keinerlei Anstoß zu Ärgernis geben wollte, und weil er dachte, daß sich ihm schon noch Gelegenheit geben würde, dem Lord mit gleicher Münze zu zahlen.

Er beschränkte sich also zunächst darauf, die Verbeugungen mit doppelter und dreifacher Höflichkeit zu erwidern, schnitt aber, als die Zeremonie der Vorstellung vorüber war, dem Lord Berkeley ein so possierliches Gesicht, zwischen Vergnügen und Argwohn die Mitte haltend, daß alle Umstehenden hellaut auflachen mußten, während Byron, der das Gesicht nicht sah, sich so verwundert über diesen jähen Ausbruch ungebundener Höflichkeit umguckte, daß das Gelächter auf allen Seiten von neuem ausbrach.

»Grimaldi«, sagte der Oberst, »Sie müssen nach dem Frühstück einen Pirschgang mit uns machen und bleiben dann zu Mittag unserer Gast. Es wird früh gegessen werden. Sie können also noch immer zur rechten Zeit im Theater sein.«

Es wurde auf die Jagd gegangen, die ohne Zwischenfall, aber auch ohne Ergebnisse verlief. Beim Essen saß Grimaldi zwischen Lord Byron und einem jungen Herrn vom Adel, den er, wie ihm einfiel, in der Garderobe des Covent-Garden-Theaters hin und wieder gesehen hatte, dessen Name ihm aber nicht mehr gegenwärtig war.

Als das Essen seinen Anfang nahm, flüsterte der junge Herr seinem Nachbar Grimaldi die Frage zu, ob er wohl schon einmal mit Lord Byron zu Tisch gespeist habe?

Grimaldi verneinte.

»Dann will ich Ihnen sagen«, nahm der junge Herr wieder das Wort, »warum ich danach gefragt habe. Ich wollte Sie nur auf eine Eigentümlichkeit des Lords aufmerksam machen, die Sie also noch nicht kennen, die zwar an sich unbedeutend ist, aber beachtet sein will, wenn man sich den Lord nicht zum Feinde machen will, und das empfiehlt sich für einen Künstler entschieden nicht, da man niemals weiß, wie man solchen Herrn noch einmal im Leben gebrauchen kann.«

Grimaldi dankte dem freundlichen jungen Manne, ohne zu merken, daß dieser weiter nichts im Schilde führte, als ihm zusammen mit dem Lord noch einmal zum besten zu haben.

»Die Eigentümlichkeit, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte«, fuhr der junge Herr fort, »besteht darin, daß es Lord Byron nicht liebt, wenn man von seiner Artigkeit keinen Gebrauch, macht. Ich möchte Ihnen deshalb raten, wenn er Ihnen etwas anbietet, sei es Speise oder Trank – was ganz sicher geschehen wird – sich ja nicht zu weigern, es anzunehmen.«

»Ich bin Ihnen sehr verpflichtet, Mylord«, antwortete Grimaldi, »und erkenne Ihre Güte in Wahrheit als eine recht große Gunst an. Seien Sie versichert, daß ich mich sorgfältig bemühen werde, Ihrem Rate gemäß zu handeln.«

Nicht lange, so forderte ihn Lord Byron auf, von einer Schüssel nach der andern zu nehmen, so daß er sich schließlich zu übernehmen fürchtete und um sein Auftreten in Gloucester Bange bekam.

Beim Nachtisch bot ihm der Lord ein Stück Apfelstrudel an, der eine Lieblingsspeise von Grimaldi bildete, und den er schon deshalb nicht ausschlagen mochte. Kaum aber fing er an davon zu essen, als Lord Byron verwundert die Hände über dem Kopfe zusammenschlug und rief:

»Aber, Mr. Grimaldi, Sie essen den Strudel ohne Paprika?«

»Paprika, Mylord?« fragte Grimaldi verwundert.

»Nun freilich, Paprika gehört doch zu jedem Nachtisch und gibt einem Apfelstrudel erst die rechte Würze.«

Grimaldi wollte das nun freilich gar nicht einleuchten, aber der junge Herr zur Rechten stieß ihn mit dem Ellbogen an, und Grimaldi besann sich auf den Wink, den er ihm gegeben hatte, verneigte sich artig gegen den Lord und schüttete sich Paprika über den Apfelstrudel. Nach einigen vergeblichen Versuchen, einen Bissen von diesem paprizierten Apfelstrudel hinunterzubringen, drehte er sich zeremoniell zu dem Lord herum und bat ihn, gelten zu lassen, daß wohl kaum noch jemand der Liebenswürdigkeit und Güte Seiner Herrlichkeit soviel Aufmerksamkeit und Rücksicht habe widerfahren lassen wie er. Doch möchten Seine Herrlichkeit gütigst entschuldigen, wenn er das ihm huldvollst empfohlene Mixtum compositum von Apfelstrudel mit Paprika ablehne, denn wenn er auch durch solche Weigerung als unhöflicher Mensch zu erscheinen fürchten müsse, so sei es ihm doch nicht möglich, seinen Magen diese Speise zuzumuten, ohne ihn rebellisch zu machen.

Grimaldi fiel ein Stein vom Herzen, als er sah, daß Lord Byron nicht bloß nicht ungehalten auf ihn wurde, sondern sich vor Lachen ausschütten zu wollen schien. Weshalb der Lord so lachte, hat Grimaldi, wie er später oft erzählt hat, sich nicht recht klar machen können, es müßte denn gewesen sein, daß man sich auf seine Kosten einen Scherz habe erlauben wollen; um dies aber ernstlich anzunehmen, dazu war Grimaldi ein viel zu harmloser Mensch.

Nicht lange darauf kehrten die Herrschaften nach Gloucester zurück. Das Theater war an diesem Abend ebenso vollbesetzt wie am Abend vorher und auf Grimaldis Teil entfielen von der Einnahme bare 195 Pfd.

Er reiste am folgenden Morgen zurück, traf in der Nacht wieder zu Hause ein und begab sich am andern Morgen zu seinem Schwiegervater Hughes, um ihm zu zeigen, wie kräftig er diesmal seine böse Prophezeiung, Cheltenham betreffend, Lügen strafen könne. Mr. Hughes freute sich aber herzlich über die goldene Ernte, die Grimaldi dort gehalten hatte.

Abends begab sich Grimaldi nach Covent-Garden, wo ihm Mr. Harris sagte, daß ihn Diamond, der Besitzer des Bather und Bristoler Theaters, auf die Zeit von 5 Wochen zu engagieren vorhabe und ihm außer einem halben Benefiz in jedem Orte eine wöchentliche Gage von 25 Pfund zusichere. Mr. Harris konnte ihm weiter sagen, daß ihm von seiten der Covent-Gardener Direktion nichts im Wege stände, daß ihm seine Gage aber unbeanstandet weiter bezahlt werden solle, auch wenn er bis Weihnachten sich auf Gastrollen begebe. Grimaldi drückte Mr. Harris für diese Liebenswürdigkeit dankbar die Hand, schrieb Diamond sofort, daß er den Vorschlag annehmen wolle, und reiste kurz darauf nach Bath ab.