Kapitel 2

 

Wie er damals aus der Theaterkanzlei herausgekommen war, darüber hat Andreas in der Folge oft nachgedacht, doch ist er nie zu einem Resultate gelangt. Eines nur steht fest, was in fünfundzwanzig Jahren nicht geschehen war, geschah – man vermißte seine Gegenwart im Büro.

Er hatte sich auf dem Wege dahin verirrt, war in einen ihm völlig unbekannten Stadtteil geraten, in ein Babel von neuen Häusern, neuen Brücken und Straßen. Steinerne Adern, durch die eine mächtig erwachte Tätigkeit ihre raschen Wellen trieb, Früchte und Pflanzstätten rüstiger Unternehmungslust. Alles fremd, alles wie durch Zauber entstanden über Nacht.

Andreas eilte staunend vorwärts und wiederholte unablässig: »Eine neue Welt! eine neue Welt!«

Kein Wunder auch. – Sein Stück war angenommen, sein Stück wurde aufgeführt, sein Stück! – das konnte in der alten Welt nicht geschehen. Während er in seinem Büro kopierte und addierte und in seinem Stübchen träumte, hatte sie sich umgestaltet.

Es war Abend geworden, als seine Irrgänge ihn endlich in die Nähe des Hoftheaters lenkten. Unwiderstehlich zog es ihn hinein. Das versäumte Mittagessen deckte den Preis des Eintritts in diesen Tempel, in dem sich vielleicht bald die geliebten Gebilde seiner Phantasie verkörpern, Leben gewinnen und die Gemüter aufmerksam lauschender, verständnisvoller Menschen ergreifen und erschüttern sollten.

Mit Mühe fand Andreas auf der letzten Galerie ein letztes Plätzchen. Er drückte sich höflich zur Seite, sooft ein neuer Ankömmling auf mehr oder minder energische Weise den Wunsch kundgab, an die Brüstung vorzudringen. Immer weiter gegen die Wand geschoben, besorgte er, zuletzt der Vorstellung kaum mehr folgen zu können. Doch kam es besser. Wenn es ihm nur gelang, sich mit einer Hand an dem eisernen Dachsparren festzuhalten und sich mit einem Knie an die Bank vor ihm zu stemmen, konnte er den Kopf so weit vorstrecken, daß er immer noch beinahe die halbe Bühne übersah.

So war es ihm doch möglich, dem bevorstehenden Genusse mit einem gewissen Behagen entgegenzuhoffen.

Es wurden zwei neue Lustspiele aufgeführt, ein einaktiges und darauf eines in mehreren Aufzügen. Das erste Stück begann. Eine einfache Handlung; aber voll inneren Lebens. Die Charaktere fein und sicher gezeichnet, lauter wirkliche Menschen, an Schwächen und Irrtümern reich, aber Teilnahme erregend und ihrer wert. Und nun erst der Dialog! – ganz durchweht von Anmut, ganz durchsprüht von Geistesfunken. – – Andreas lauschte hingerissen und betrübt.

Dahin, sagte er zu sich selbst, dahin bringst du’s nie. Niemals werden deine schwerfälligen Gedanken so klaren Ausdruck finden in so feiner Form. Dir ist diese spielende Grazie versagt, diese heitere Ausführung, der im sicheren Gefühle des Könnens die Arbeit zum Genusse wird.

Das Stückchen ging zu Ende mit einer überraschenden und doch ungemein klug angebahnten Wendung.

Andreas bereitete sich vor, in den Applaus einzustimmen, der nun im Hause losbrechen mußte, statt dessen blieb alles still. Im Parterre erhoben die Herren sich von ihren Sitzen und kehrten der Bühne den Rücken zu. Ein schwacher Versuch, Beifall zu spenden, der auf der zweiten Galerie unternommen wurde, rief sofort lebhaften Widerstand hervor, einige Zischlaute ertönten.

»Applaudieren auch noch?« sagt jemand und pfeift herzhaft, und lachend stimmen seine Nachbarn ein.

Was ist das? denkt Andreas, sind die Anforderungen des Publikums so hoch gestiegen? Ist ihm das Vortreffliche nicht mehr gut genug?… Wie werde ich vor solchen Richtern bestehen?

Der Vorhang erhob sich wieder, das zweite Stück begann. Eine derb komische Szene versetzte das Auditorium sofort in die heiterste Stimmung, und Andreas lachte mit. Aber er lachte an dem Abende nicht mehr. Der harmlose Scherz artete bald in unlautere Zweideutigkeiten aus, die Handlung wurde sinnlos, alle Gestalten auf der Bühne verzerrten sich zur Karikatur, und was sie darstellten, war ein frivoles Possenspiel.

Wie mußte sich das Publikum beleidigt fühlen, dem man ein Werk vorzuführen wagte, dessen Wirkung berechnet war auf niedrige Neigungen im Menschen, auf kindische Neugier, auf Ungeschmack, auf die Freude am Rohen und am Häßlichen.

Andreas schauderte bei dem Gedanken an den Unwillen, den es erregen, an das Strafgericht, das es heraufbeschwören müsse. Und – wieder hatte er sich getäuscht. Der Beifall stieg von Akt zu Akt; vielfach gerufen, erschien am Schlusse des letzten der Autor auf der Bühne. Eine schwankende Gestalt, der es an Muskeln und Knochen zu gebrechen schien. Er trat, sich in den Hüften wiegend, vor bis an die Rampe und verneigte sich nachlässig mit dreistem Lächeln.

Er hatte nicht umsonst auf die Gemeinheit vertraut, sie jubelte ihrem Dichter zu, bereitete ihm einen lärmenden Sieg.

Und das konnte geschehen? und das geschah in dem Hause, in dem die heilige Dichtkunst ihre reinsten Triumphe gefeiert hatte?

Alles erhob sich von den Sitzen. Andreas gelangte mit der Menge in die Halle und lehnte sich hier schwer aufatmend an einen Pfeiler, an dem die Ankündigung der morgigen Vorstellung angeheftet war. Er las den Theaterzettel, die Preise der Plätze, das Repertoire der Woche. Für den letzten Tag derselben war angesetzt: »Zum erstenmal: Marc Aurel.«

Eine brennende Glut stieg ihm in das Gesicht, und seine Knie wankten.

»Noch nicht! noch nicht!« rief er laut und unwillkürlich aus.

Die Umstehenden sahen ihn erstaunt an, einige lachten. Er wurde totenblaß vor Scham und stürzte sich wie ein Verzweifelter in die Menschenflut, die dem Ausgange zudrängte.

Am nächsten Morgen erschien er vor allen anderen im Büro, begann die Papiere auf seinem Pulte zu ordnen und vermochte nicht damit zustande zu kommen. Jeder der eintreffenden Kollegen fragte ihn, was ihm fehle, und Finanzrat Seydelmann meinte: »Wenn Sie krank sind, so bleiben Sie zu Hause.«

Aber er fühlte sich nicht krank, nur peinlich unbehaglich und von dem Drange beseelt, sich nützlich zu machen. Er spitzte die Bleistifte aller seiner Kollegen und füllte Tinte nach, und als der Sekretär, witzig wie immer, äußerte, ihm sei hungrig zumute, holte er eiligst für ihn ein Weißbrot aus dem nächsten Bäckerladen.

Nur sich regen, nur nicht ruhig bleiben auf einem Flecke, nur nicht am Pulte sitzen der Wanduhr gegenüber, deren langer Zeiger sich so schnell, beinahe sichtbar, bewegte, vorwärts, vorwärts – unaufhaltsam – einer Stunde zu – – wenn er ihrer dachte, lief es ihm mit leisem Prickeln über den Scheitel, als ob seine Haare sich sträubten.

Die Arbeit, die er in diesen Tagen verrichtete, mag ihm der Staat verzeihen. Sie war durchaus unbrauchbar und zog ihm die erste Rüge von seinem Chef zu. Die größte Strenge wird immer gegen den besten Arbeiter geübt. Bei dem, der sich niemals eine Nachlässigkeit zuschulden kommen ließ, erscheint die erste am unverzeihlichsten. So war denn auch der Tadel des Finanzrates ein herber und schloß mit den Worten: »Ich weiß nicht, wie Sie mir vorkommen.«

Worauf Muth sich leichthin, wie es gar nicht in seiner Art lag, verneigte und mit verbindlichem Lächeln erwiderte: »Jawohl! jawohl!«

Andreas hatte sich vorgenommen, der Aufführung seines Dramas nicht beizuwohnen; wie kam es, daß er trotzdem lange vor Beginn der Vorstellung auf der ersten Bank in der letzten Galerie saß und nicht wankte und nicht wich, wie arg er auch gedrängt und gestoßen wurde?

Das Parterre, die Logen füllten sich allmählich, es wurde laut geschwatzt; besonders lebhaft unterhielt sich eine Gruppe von Herren in den vordersten Reihen, zunächst dem Orchester.

Unter ihnen erblickte Andreas den Verfasser des Lustspiels, das er jüngst in denselben Räumen mit soviel Beifall hatte aufführen sehen. Bestürzt wandte er den Blick einer Loge zu, in der eine Dame sich allein befand … O Wonne!… O Schmerz! Sie, die schüchtern aus weiter Ferne angebetete Frau. Hatte der Zufall, die Gewohnheit oder eine leise Ahnung sie hergeführt, um Zeugin des Triumphes oder der Niederlage ihres stillen Bewunderers zu sein?

Er drückte das Gesicht in die Hände, und eine eigentümliche Empfindung bemächtigte sich seiner. Mitten in der Menge kam er sich vor wie ihr entrückt, wie schwebend auf Flügeln in einer ganz reinen, ganz lichten Atmosphäre. Und er sah doch wieder dieselbe Menschenmenge vor sich, unter sich, alle Räume eines glänzend erleuchteten Hauses füllend und seiner Dichtung atemlos lauschend. Dann hörte er tausendstimmig seinen Namen rufen und sah sich selbst auf der Bühne stehen, und Kränze und Blumen flogen ihm zu Füßen.

Und die schöne Frau dort in der Loge nickte ihm beifällig und bewundernd zu und war erstaunt, in dem großen, ruhmgekrönten Dichter den kleinen demütigen Beamten wiederzuerkennen, den sie einmal vor Jahren gesprochen und niemals ganz vergessen hatte, nie … Da schlug’s wie gellendes Gelächter an sein Ohr: Narr, erwache! Was du träumst, wird nur dem Genius oder dem Glücklichen. Du bist keines von beiden!

Aber eine andere melodische Stimme flüsterte ihm zu: Träume, arme Menschenseele, träume fort. Laß dich ganz durchdringen von der Seligkeit, die dich jetzt erfüllt, bewahre, wenn sie erloschen sein wird, die Erinnerung an sie. Träume, träume, wiege dich in deinem Wahne und wünsche nie, daß er dir zur Wahrheit werde. Wie dem Körper sein Schatten, folgt dem Glücke das Leid und dem Erfolge Enttäuschung, Ekel und Schmerz!…

Die Musik im Orchester verklang, das Schauspiel begann. Andreas wurde plötzlich ruhig und seiner selbst bewußt. Manchmal ward es ihm ganz leicht ums Herz, weil er dachte: Possen, das ist nicht mein Stück! Das ist ein andres, das nur denselben Namen trägt. Dann wieder tönten ihm seine sorgfältig gefeilten Verse entgegen, und hie und da blitzte doch ein Schimmer von Ähnlichkeit hindurch zwischen den Personen, die sich dort auf den Brettern bewegten, und denen, die er zu schaffen gemeint und liebevoll in der Seele gehegt hatte ein ganzes Jahr.

Sein »Marc Aurel« erfuhr dasselbe Schicksal, das neulich dem kleinen Lustspiel zuteil geworden war. Das Publikum ließ ihn lautlos an sich vorübergehen. Ein bescheidener Applausversuch, den am Schlusse einige Besucher der zweiten Galerie unternahmen, fand Widerstand, aber keinen heftigen, da allen Anwesenden ein möglichst rasches Davoneilen aus dem Theater wichtiger war als das Schicksal der Novität, die eben aufgeführt worden.

Andreas ging langsam nach Hause. Dichte Schneeflocken, vom Sturme gejagt, umwirbelten sein heißes Gesicht wohltuend kühl. Je weiter er sich von der Stadt entfernte, je menschenleerer wurden die Straßen. Nur vor den Kneipentüren standen noch kleine Gruppen von Arbeitern. Ein Betrunkener vertrat Andreas den Weg und schimpfte ihm nach, als dieser ihn zur Seite geschoben hatte und weiterwanderte. In der Nähe seiner Haustüre angelangt, sah er vor ihr eine lange Gestalt auf und ab rennen, die Arme übereinander schlagen und mit den Füßen stampfen, um sich zu erwärmen.

»Nun, wie ist’s gegangen?« rief ihm eine wohlbekannte Stimme zu, und eine wohlbekannte knochige Hand legte sich wie Blei auf seine Schultern. »Ich konnte nicht in das Theater kommen. Mein Junge ist krank und auch die Frau. Wie ist’s gegangen?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Andreas, »ich glaube schlecht. O mein Freund, wir haben uns geirrt, ich bin kein Dichter.«

»Versündige dich nicht«, rief Ziegler, »ein Dichter bist du. Aber heutzutage ist das kein Mittel mehr, den Leuten zu gefallen.«

Im Büro nahm Andreas, als er am folgenden Tage eintrat, unter seinen Kollegen eine ungewöhnliche Bewegung wahr. Sie flüsterten eifrig zusammen, sobald sie ihn jedoch erscheinen sahen, wurde das Gespräch abgebrochen. Der Sekretär nahm rasch eine Zeitung von seinem Pulte und tat, als sei er auf das eifrigste mit Lesen beschäftigt.

»Das Feuilleton der Staatszeitung bringt heut eine köstliche Kritik von Moritz Salmeyer!« rief er. »Ich kenne den Verfasser, treffe ihn manchmal bei meinem Schwager, dem Buchhändler. Ein noch junger Mann, von dem auch unlängst ein Lustspiel aufgeführt wurde, das rasend gefallen hat. Boshaft ist er, aber verteufelt gescheit. Da hat er einen armen Dichter verarbeitet, dessen Drama gestern im Hoftheater kläglich durchgesunken ist. Lesen Sie, Muth, Sie werden lachen.«

Mit eiskalten Fingern nahm Andreas das Blatt und las die darin enthaltene Kritik über sein Stück.

Der Rezensent erzählte zuerst die Handlung in einer Weise, die sie als eine Ausgeburt des Blödsinns erscheinen ließ. Sodann beschäftigte er sich nicht mehr mit dem Werke, sondern mit der Person des Verfassers. Er bewies seine Talentlosigkeit, seinen Mangel an Verstand; er griff seinen Charakter an. Dies alles mit einer Lustigkeit, die an jene des Clowns im Zirkus gemahnte.

»Nun, was sagen Sie?« fragte der Sekretär. »Wie mag dem armen Tropf von Poeten zumute sein, wenn er das liest?«

»Als hätte ihn Hanswurst mit der Britsche erschlagen«, erwiderte Andreas und setzte sich an seinen Arbeitstisch.

Erschlagen unter Lachen und Scherzen. Die letzte, die reifste Arbeit seines Geistes war nicht einmal einer ernsthaften Beurteilung würdig.

Noch nie hatte er an sein Alter gedacht, jetzt fiel ihm das Bewußtsein seiner fünfundvierzig Jahre schwer auf das Herz. Was konnte die Zukunft noch gutmachen? – er hatte keine mehr. Was konnte er von sich erwarten, nachdem er, urteilslos und blind, ein langes Dasein hindurch Werke geschaffen hatte ohne Wert und Zweck?

Das Bestreben seines ganzen Lebens war töricht gewesen, lächerlich alles, seine Hoffnungen, seine Entzückungen, ja selbst seine Resignation.

Sogar sie, die bescheidene, entsprang einer Überhebung. Wo kein Anspruch vorhanden ist, da gibt es auch kein Verzichten. Nun wurden ihm die Augen geöffnet, nun sah er sich in seiner Erbärmlichkeit, und schlimmer noch, als er war, sahen ihn die anderen, die seine Verurteilung gelesen hatten – die seine, ja, er zweifelte nicht, daß sein Geheimnis, Gott weiß durch welchen Zufall, verraten sei. Gewiß! es ist so, und die Folgen werden nicht ausbleiben. Seine Kollegen werden ihm ihr Wohlwollen entziehen, ihm vielleicht sagen: Gehen Sie; ein Mensch, der öffentlich verhöhnt worden ist, gehört nicht in die Gesellschaft ehrenhafter Männer.

… Schande! Schande!… Fressende Qual, nicht zu ertragen, nicht zu besiegen – – sie umspinnt ihn, sie haftet fest an ihm, nie mehr zu tilgen, nie mehr! – Sein Wesen erstarrt unter ihrem Hauche – o könnt er sterben!

Aber so gut wird es ihm nicht. Erst muß noch alles wirklich erlitten sein, was er jetzt in Gedanken erleidet.

Im Zimmer entsteht eine Bewegung, er neigt den Kopf tiefer über das mit Worten und Zahlen bedeckte Blatt auf seinem Pulte, die schwarzen Zeichen laufen wütend durcheinander wie aufgescheuchte Ameisen.

Nun wird ein Flüstern hörbar, Schritte nähern sich, eine Stimme ruft: »Herr Muth!«

Und er springt empor.

Seine Kollegen stehen in zwei dichten Reihen vor ihm, an ihrer Spitze in feierlicher Haltung der Finanzrat und der Finanzsekretär. Jetzt, denkt Andreas, jetzt werden sie mir sagen, daß sie nicht mehr mit mir dienen wollen, daß ich um meine Entlassung bitten soll.

Der stattliche Rat weidete sich einen Augenblick an der Bestürzung seines Untergebenen und begann dann voll Salbung laut und langsam: »Sie feiern, Herr Muth, heut Ihr fünfundzwanzigjähriges Dienstjubiläum. Ich und Ihre Kollegen, wir laden Sie ein, teilzunehmen an einem zu Ihren Ehren im Gasthofe ,Zum weißen Lamm’ veranstalteten kleinen Festsouper. Und findet dasselbe um neun Uhr statt.«

Als ob er ihn nicht verstanden hätte, starrte Andreas den Sprecher mit weit aufgerissenen Augen an, in denen sich Überraschung, Freude, unaussprechliche Dankbarkeit spiegelten. Seine Hände, die die Sessellehne umklammert gehalten hatten, lösten sich, und er preßte sie ineinandergefaltet an seine Brust. Er wollte vortreten, die Knie brachen unter ihm, er wollte sprechen, die Stimme versagte ihm, und schluchzend wie ein Kind sank er auf seinen Platz zurück.

Auf eine derart überwältigende Wirkung ihrer freundlichen Demonstration waren die Herren nicht gefaßt gewesen, und sie rief bei ihnen eine nicht geringe, wenn auch männlich bekämpfte Rührung hervor.

Einige versuchten zu lächeln, keinem gelang’s. Der erste Kommissär zwinkerte dem zweiten zu; dabei gerieten die Muskeln seines Gesichts in ein sonderbares Zucken, und in seinen Augen zitterte etwas, das ihm Schmerz zu machen schien, denn er wendete sich plötzlich vom Lichte ab. Der Magazinverwalter verzog den Mund, als hätte er Tinte getrunken, und schnaubte sich so schmetternd in sein mit einer Ansicht von Sanssouci geschmücktes Taschentuch, daß der Sekretär sich’s nicht versagen konnte, ihm zuzurufen: »Der Teufel, Heinecke, Sie sollten Postillion werden!«

Finanzrat Seydelmann, dessen berühmte Trockenheit zu der Sage Veranlassung gegeben hatte, er werde nach seinem Tode nicht in Verwesung, sondern in Streusand übergehen, klopfte Muth auf die Schulter und sprach leise und väterlich ermunternd: »Seien Sie ein Mann!«