Joseph von Eichendorff

Der Mondenschein verwirret
die Täler weit und breit,
die Bächlein, wie verirret,
gehn durch die Einsamkeit.

Da drüben sah ich stehen
den Wald auf steiler Höh‘,
die finstern Tannen sehen
in einen tiefen See.

Ein Kahn wohl sah ich ragen,
doch niemand, der es lenkt,
das Ruder war zerschlagen,
das Schifflein halb versenkt.

Eine Nixe auf dem Steine
flocht dort ihr goldnes Haar,
sie meint‘, sie wär‘ alleine,
und sang so wunderbar.

Sie sang und sang, in den Bäumen
und Quellen rauscht‘ es sacht
und flüsterte wie in Träumen
die mondbeglänzte Nacht.

Ich aber stand erschrocken,
denn über Wald und Kluft
erklangen Morgenglocken
schon ferne durch die Luft.

Und hätt‘ ich nicht vernommen
den Klang zu guter Stund‘,
wär‘ nimmermehr gekommen
aus diesem stillen Grund.

Der wandernde Musikant

Joseph von Eichendorff

Wandern lieb ich für mein Leben,
Lebe eben wie ich kann,
Wollt ich mir auch Mühe geben,
Paßt es mir doch gar nicht an.

Schöne alte Lieder weiß ich,
In der Kälte, ohne Schuh‘
Draußen in die Saiten reiß ich,
Weiß nicht, wo ich abends ruh.

Manche Schöne macht wohl Augen,
Meinet, ich gefiel‘ ihr sehr,
Wenn ich nur was wollte taugen,
So ein armer Lump nicht wär. –

Mag dir Gott ein’n Mann bescheren,
Wohl mit Haus und Hof versehn!
Wenn wir zwei zusammen wären,
Möcht mein Singen mir vergehn.

Wenn die Sonne lieblich schiene
Wie in Welschland lau und blau,
Ging‘ ich mit der Mandoline
Durch die überglänzte Au.

In der Nacht dann Liebchen lauschte
An dem Fenster süß verwacht,
Wünschte mir und ihr, uns beiden,
Heimlich eine schöne Nacht.

Wenn die Sonne lieblich schiene
Wie in Welschland lau und blau,
Ging‘ ich mit der Mandoline
Durch die überglänzte Au.

Ich reise übers grüne Land,
Der Winter ist vergangen,
Hab um den Hals ein gülden Band,
Daran die Laute hangen.

Der Morgen tut ein’n roten Schein,
Den recht mein Herze spüret,
Da greif ich in die Saiten ein,
Der liebe Gott mich führet.

So silbern geht der Ströme Lauf,
Fernüber schallt Geläute,
Die Seele ruft in sich: Glück auf!
Rings grüßen frohe Leute.

Mein Herz ist recht von Diamant,
Ein Blum von Edelsteinen,
Die funkelt lustig übers Land
In tausend schönen Scheinen.

Vom Schlosse in die weite Welt
Schaut eine Jungfrau ‚runter,
Der Liebste sie im Arme hält,
Die sehn nach mir herunter.

Wie bist du schön! Hinaus, im Wald
Gehn Wasser auf und unter,
Im grünen Wald sing, daß es schallt,
Mein Herz, bleib frei und munter!

Die Sonne uns im Dunkeln läßt,
Im Meere sich zu spülen,
Da ruh ich aus vom Tagesfest
Fromm in der roten Kühle.

Hoch führet durch die stille Nacht
Der Mond die goldnen Schafe,
Den Kreis der Erden Gott bewacht,
Wo ich tief unten schlafe.

Wie liegt all falsche Pracht so weit!
Schlaf wohl auf stiller Erde,
Gott schütz dein Herz in Ewigkeit,
Daß es nie traurig werde!

Bist du manchmal auch verstimmt,
Drück dich zärtlich an mein Herze,
Daß mirs fast den Atem nimmt,
Streich und kneif in süßem Scherze,
Wie ein rechter Liebestor
Lehn ich sanft an dich die Wange
Und du singst mir fein ins Ohr.
Wohl im Hofe bei dem Klange
Katze miaut, Hund heult und bellt,
Nachbar schimpft mit wilder Miene –
Doch was kümmert uns die Welt,
Süße, traute Violine!

Mürrisch sitzen sie und maulen
Auf den Bänken stumm und breit,
Gähnend strecken sich die Faulen,
Und die Kecken suchen Streit.

Da komm ich durchs Dorf geschritten,
Fernher durch den Abend kühl,
Stell mich in des Kreises Mitten,
Grüß und zieh mein Geigenspiel.

Und wie ich den Bogen schwenke,
Ziehn die Klänge in der Rund
Allen recht durch die Gelenke
Bis zum tiefsten Herzensgrund.

Und nun gehts ans Gläserklingen,
An ein Walzen um und um,
Je mehr ich streich, je mehr sie springen,
Keiner fragt erst lang: warum? –

Jeder will dem Geiger reichen
Nun sein Scherflein auf die Hand –
Da vergeht ihm gleich sein Streichen,
Und fort ist der Musikant.

Und sie sehn ihn fröhlich steigen
Nach den Waldeshöhn hinaus,
Hören ihn von fern noch geigen,
Und gehn all vergnügt nach Haus.

Doch in Waldes grünen Hallen
Rast ich dann noch manche Stund,
Nur die fernen Nachtigallen
Schlagen tief aus nächtgem Grund.

Und es rauscht die Nacht so leise
Durch die Waldeseinsamkeit,
Und ich sinn auf neue Weise,
Die der Menschen Herz erfreut.

Durch Feld und Buchenhallen
Bald singend, bald fröhlich still,
Recht lustig sei vor allen,
Wers Reisen wählen will!

Wenns kaum im Osten glühte,
Die Welt noch still und weit:
Da weht recht durchs Gemüte
Die schöne Blütenzeit!

Die Lerch als Morgenbote
Sich in die Lüfte schwingt,
Eine frische Reisenote
Durch Wald und Herz erklingt.

O Lust, vom Berg zu schauen
Weit über Wald und Strom,
Hoch über sich den blauen
Tiefklaren Himmelsdom!

Vom Berge Vöglein fliegen
Und Wolken so geschwind,
Gedanken überfliegen
Die Vögel und den Wind.

Die Wolken ziehn hernieder,
Das Vöglein senkt sich gleich,
Gedanken gehn und Lieder
Fort bis ins Himmelreich.

Seemanns Abschied

Joseph von Eichendorff

Ade, mein Schatz, du mochtst mich nicht,
Ich war dir zu geringe.
Einst wandelst du bei Mondenlicht
Und hörst ein süßes Klingen,
Ein Meerweib singt, die Nacht ist lau,
Die stillen Wolken wandern,
Da denk an mich, ’s ist meine Frau,
Nun such dir einen andern!

Ade, ihr Landsknecht‘, Musketier‘!
Wir ziehn auf wildem Rosse,
Das bäumt und überschlägt sich schier
Vor manchem Felsenschlosse,
Der Wassermann bei Blitzesschein
Taucht auf in dunklen Nächten,
Der Haifisch schnappt, die Möwen schrein –
Das ist ein lustges Fechten!

Streckt nur auf eurer Bärenhaut
Daheim die faulen Glieder,
Gott Vater aus dem Fenster schaut,
Schickt seine Sündflut wieder,
Feldwebel, Reiter, Musketier,
Sie müssen all ersaufen,
Derweil mit frischem Winde wir
Im Paradies einlaufen.