Ich kehre mit der zur Gräfin Lascaris gemachten Corticelli nach Paris zurück. – Mißlungene Geschlechtsverwandlung. – Aachen. – Zweikampf. – Mimi d’Ache. – Verrat der Corticelli, der jedoch auf sie selbst zurückfällt. – Reise nach Sulzbach.
»Und warum, du Närrin, hast du deiner Mutter erlaubt, sich für meine Frau auszugeben; glaubst du, dies sei für mich sehr schmeichelhaft? Sie hätte sich für deine Gesellschaftsdame ausgeben müssen, wenn sie dich für meine Tochter gelten lassen wollte.«
»Meine Mutter ist eigensinnig; sie würde sich lieber prügeln lassen als für meine Gesellschaftsdame gelten. Denn in ihrem beschränkten Verstande verwechselt sie die Bedeutung von Gesellschaftsdame und Kupplerin.«
»Das ist dumm und verrückt; aber ich werde sie mit Güte oder mit Gewalt zur Vernunft bringen. Du bist ja, wie ich sehe, gut ausgestattet; es ist dir also gut ergangen?«
»Ich hatte in Prag den Grafen N… gewonnen, und dieser war freigebig. Vor allem aber, lieber Freund, bitte ich dich, Herrn Monti nach Hause zu schicken. Der brave Mann hat seine Familie in Prag: er kann nicht lange hier bleiben.«
»Du hast recht, ich werde ihn sofort heimschicken.«
Der Postwagen fuhr am selben Abend nach Frankfurt ab; ich ließ Monti rufen, dankte ihm für seine Gefälligkeit und belohnte ihn reichlich; er reiste sehr zufrieden ab.
Da ich in Metz nichts mehr zu tun hatte, verabschiedete ich mich von meinen neugewonnenen Bekannten. Die zweite Nacht schlief ich in Nancy und schrieb von dort aus an Frau von Urfé, ich käme mit meiner Jungfrau, dem letzten Sproß der Familie Lascaris, die in Konstantinopel regiert hätte. Ich bat sie, das junge Mädchen aus meinen Händen in einem Landhause zu empfangen, das ihrer Familie gehörte, und wo wir notwendigerweise einige Tage bleiben müßten, um uns mit etlichen kabbalistischen Zeremonien zu beschäftigen.
Sie antwortete mir, sie erwarte mich in Pont-Carré, einem alten Schloß, vier Stunden von Paris, und werde dort die junge Prinzessin mit aller Freundschaft empfangen, die sie nur wünschen könne.
»Ich schulde ihr dies um so mehr,« schrieb die großartige Närrin, »da die Familie Lascaris mit der Familie Urfé verschwägert ist, und da ich aus der Frucht wiedererstehen soll, die dem Schoße dieser glücklichen Jungfrau entsprießen wird.«
Ich fühlte, daß ich ihre Begeisterung zwar nicht abkühlen, wohl aber in Zaum halten konnte und von Ausbrüchen abhalten mußte. Ich schrieb ihr daher sofort über dieses Kapitel und setzte ihr auseinander, warum sie sich damit begnügen müsse, das Mädchen als Gräfin zu behandeln. Zum Schluß meldete ich ihr, wir würden mit der Gesellschaftsdame der jungen Lascaris am Montag der Karwoche eintreffen.
Ich verbrachte in Nancy ein Dutzend Tage damit, meinem jungen Tollkopf Instruktionen zu geben und ihre Mutter davon zu überzeugen, daß sie sich damit begnügen müßte, die bescheidene Dienerin der Gräfin Lascaris zu sein. Dies gelang mir mit großer Mühe; ich mußte ihr nicht nur vorstellen, daß ihr Glück von ihrem unbedingten Gehorsam abhänge, sondern ich mußte ihr sogar drohen, sie allein nach Bologna zurückzuschicken. Ich habe meine Hartnäckigkeit tief bereut. Der Eigensinn der alten Frau war eine Eingebung meines guten Geistes, der mir den schwersten Fehler ersparen wollte, den ich je in meinem Leben begangen habe!
Am verabredeten Tage kamen wir in Pont-Carré an. Frau von Urfé, der ich die Stunde unserer Ankunft angezeigt hatte, ließ die Zugbrücke des Schlosses herunter und stand über dem Tor inmitten aller ihrer Leute, wie ein General, der uns die Festung mit allen Kriegsehren hätte übergeben wollen. Die liebe Dame, die nur darum verrückt war, weil sie zu viel Geist hatte, empfing die falsche Prinzessin so ausgezeichnet, daß diese sehr erstaunt darüber gewesen wäre, hätte ich sie nicht vorsichtigerweise darauf vorbereitet. Sie drückte sie mit überströmender mütterlicher Zärtlichkeit dreimal in ihre Arme, nannte sie ihre herzlich geliebte Nichte und erzählte ihr die ganze Genealogie der Häuser Urfé und Lascaris, um ihr nachzuweisen, inwiefern sie ihre Tante wäre. Es überraschte mich sehr angenehm, daß die ausgelassene Italienerin ihr mit einer Miene herablassender Würde zuhörte und nicht einen Augenblick lachte, obgleich ihr diese Komödie sehr lächerlich erscheinen mußte.
Sobald wir das Haus betreten hatten, brachte die Fee geheimnisvolle Rauchopfer; sie beräucherte die Neuangekommene, die diese Ehre mit der ganzen Bescheidenheit einer Operngöttin hinnahm und sich hierauf in die Arme der Priesterin stürzte, die sie mit der größten Begeisterung empfing.
Bei Tisch war die Gräfin lustig, anmutig und unterhaltsam; dies gewann ihr die Liebe von Frau von Urfé, die durchaus nicht erstaunt war, daß sie nur gebrochen französisch sprach. Dame Laura, die nur italienisch verstand, kam gar nicht in Betracht. Man gab ihr ein gutes Zimmer; sie aß dort und verließ es nur, um in die Messe zu gehen.
Schloß Pont-Carré war eine Art Festung, die zur Zeit der Bürgerkriege mehrere Belagerungen bestanden hatte. Das Schloß war viereckig, wie schon sein Name besagt; an den vier Ecken befanden sich zinnengekrönte Türme, und es war von einem breiten Graben umgeben. Die Gemächer waren groß und reich, aber altertümlich möbliert. Die Luft wurde von giftigen Mücken verpestet, die uns beinahe aufaßen und uns sehr schmerzhafte Beulen im Gesicht verursachten; ich hatte mich jedoch verpflichtet, acht Tage dort zu verbringen, und es wäre für mich sehr schwer gewesen, einen Vorwand zu finden, um diese Zeit abzukürzen. Die Schloßherrin ließ neben ihrem Bett ein zweites für ihre Nichte aufschlagen; ich hatte jedoch nicht zu befürchten, daß sie versuchen würde, sich von ihrer Jungfernschaft zu überzeugen, denn das Orakel hatte ihr dies verboten, mit der Drohung, daß dadurch die Operation, die wir auf den vierzehnten Tag des Aprilmondes angesetzt hatten, wirkungslos bleiben würde.
An jenem Tag nahmen wir ein einfaches Abendessen ein, worauf ich mich zu Bett legte. Eine Viertelstunde darauf fühlte Frau von Urfé mir die Jungfrau Lascaris zu. Sie entkleidete sie, parfümierte sie und legte ihr einen herrlichen Schleier an. Nachdem sie sie an meine Seite gelegt hatte, blieb sie; denn sie wollte bei der Operation anwesend sein, deren Ergebnis neun Monate später ihre Wiedergeburt sein sollte.
Der Akt wurde in aller Form vollzogen; als dies geschehen war, ließ die Schloßherrin uns für die Nacht allein, die wir aufs beste anwendeten. Hierauf schlief die Gräfin bis zum letzten Tage des Mondes bei ihrer Tante. An diesem Tage mußte ich das Orakel befragen, um zu erfahren, ob die junge Lascaris nach meiner Operation, empfangen habe. Dies konnte wohl sein, denn es war nichts versäumt worden, um dieses Ziel zu erreichen; ich hielt es jedoch für vorsichtiger, ihr antworten zu lassen, die Operation sei mißlungen, weil der kleine d’Aranda hinter einem Bettschirm alles gesehen habe. Frau von Urfé war in Verzweiflung darüber; ich tröstete sie jedoch durch eine zweite Antwort, worin das Orakel ihr sagte, was im Aprilmonat in Frankreich nicht gelungen sei, könne wohl im Maimonat außerhalb des Königreichs gelingen; sie müsse jedoch den neugierigen Knaben, dessen Einfluß so verhängnisvoll gewesen sei, mindestens auf ein Jahr hundert Meilen von Paris fortschaffen. Das Orakel gab zugleich an, wie d’Aranda reisen sollte: er müßte einen Hofmeister, einen Bedienten und eine gute Ausstattung haben.
Das Orakel hatte gesprochen, mehr war nicht nötig. Frau von Urfé dachte sofort an einen Abbé, den sie liebte, und der junge d’Aranda wurde mit dringenden Empfehlungen an ihren Verwandten Herrn von Rochebaron nach Lyon geschickt. Der Jüngling war hocherfreut, daß er auf Reisen gehen solle, und hat niemals die geringste Ahnung von der kleinen Verleumdung gehabt, die ich mir erlaubte, um ihn zu entfernen. Daß ich so handelte, geschah nicht aus reiner Laune. Ich hatte auf das deutlichste bemerkt, daß die Corticelli in ihn verliebt war und daß ihre Mutter das Verhältnis begünstigte. Ich hatte sie zweimal auf ihrem Zimmer mit dem jungen Mann überrascht, der sich aus ihr nicht mehr machte, als ein heranwachsender Jüngling sich überhaupt aus Mädchen macht. Da ich die Absichten meiner Italienerin nicht billigte, so ärgerte Signora Laura sich, daß ich mich der Neigung ihrer Tochter widersetzte.
Die Hauptsache war nun, den Ort im Auslande zu bestimmen, wohin wir uns begeben sollten, um die geheimnisvolle Operation zu erneuern. Wir entschieden uns für Aachen, und in fünf oder sechs Tagen war alles zu unserer Reise bereitet.
Die Corticelli war böse auf mich, daß ich ihr den Gegenstand ihrer Liebe entrissen hatte. Sie machte mir heftige Vorwürfe darüber und begann sich ungezogen gegen mich zu benehmen; sie verstieg sich sogar zu Drohungen, falls ich den hübschen Jungen, wie sie ihn nannte, nicht zurückkommen ließe.
»Es kommt Ihnen nicht zu, eifersüchtig zu sein,« sagte sie zu mir, »ich bin meine eigene Herrin.«
»Zugegeben, meine Schöne; aber in der Lage, in die ich dich versetzt habe, kommt es mir zu, dich davon abzuhalten, daß du dich wie eine Prostituierte beträgst.«
Die Mutter wurde wütend und sagte nur, sie wolle mit ihrer Tochter nach Bologna zurückkehren; um sie zu beruhigen, versprach ich ihr, ich würde sie nach unserer Aachener Reise selber hinbringen.
Trotz dieser scheinbaren Aussöhnung war ich nicht ruhig; ich befürchtete Scherereien und beschleunigte daher meine Abreise. Im Mai fuhren wir ab. In einer Berline saß ich mit Frau von Urfé, der falschen Lascaris und einem Kammermädchen namens Brognole. Ein zweisitziges Kabriolett folgte; in ihm fuhren Signora Laura und eine Kammerzofe. Zwei Bediente in großer Livree saßen auf dem Bock der Berline. Wir ruhten uns einen Tag in Brüssel aus und einen zweiten in Lüttich. In Aachen fanden wir eine große Menge sehr vornehmer Fremde, und auf dem ersten Ball stellte Frau von Urfé meine Lascaris zwei mecklenburgischen Prinzessinen als ihre Nichte vor. Die falsche Gräfin empfing ihre Freundlichkeiten mit bescheidener Anmut; sie erregte die besondere Aufmerksamkeit des Markgrafen von Bayreuth und seiner Tochter, der Herzogin von Württemberg, die sie völlig in Beschlag nahmen und sie erst am Ende des Balles wieder freigaben. Ich stand wie auf Dornen, denn ich hatte Angst, meine Heldin möchte sich durch irgendeinen Kulissenstreich verraten. Sie tanzte mit einer Anmut, die ihr die Aufmerksamkeit und den Beifall der ganzen Gesellschafft verschaffte. Man machte mir Komplimente darüber. Ich litt Höllenqualen, denn diese Komplimente kamen mir boshaft vor; ich glaubte, jeder hätte in der Gräfin die verkleidete Operntänzerin erraten, und ich hielt mich für entehrt. Als ich einen Augenblick Gelegenheit hatte, mit dem ausgelassenen Mädchen unter vier Augen zu sprechen, beschwor ich sie, wie ein Fräulein von Stande und nicht wie eine Ballettfigurantin zu tanzen; sie aber war stolz auf ihre Erfolge und wagte mir zu antworten, ein Fräulein von Stande könne recht wohl wie eine Tänzerin tanzen; sie würde niemals sich dazu herbeilassen, mir zuliebe schlecht zu tanzen. Dieses Benehmen machte mir die Schamlose so zum Ekel, daß ich mich ihrer sofort entledigt haben würde, hätte ich nur gewußt, wie ich es anfangen sollte. Innerlich gelobte ich ihr jedoch, aufgeschoben sollte nicht aufgehoben sein. Mag es ein Laster oder eine Tugend sein – die Rache erlischt in meinem Herzen erst, wenn sie befriedigt ist.
Am Tage nach diesem Ball schenkte Frau von Urfé ihr ein Schmuckkästchen mit einer sehr schönen brillantenbesetzten Uhr, ein paar Ohrringen mit Diamanten und einen Ring, dessen Kasten eine fünfzehnkarätige Diamantrose trug. Das Ganze hatte einen Wert von sechzigtausend Franken. Ich nahm den Schmuck an mich, damit sie nicht auf den Einfall käme, ohne meine Einwilligung abzureisen.
Um mir die Langeweile zu vertreiben, spielte ich; ich verlor mein Geld und machte schlechte Bekanntschaften. Die schlechteste von allen aber war die eines jungen Offiziers d’Aché, der eine hübsche Frau und noch hübschere Tochter hatte. Diese Tochter bemächtigte sich bald des Platzes, den die Corticelli bereits nur noch sehr oberflächlich in meinem Herzen eingenommen hatte; sobald jedoch Frau von Aché bemerkte, daß ich ihre Tochter ihr vorzog, nahm sie meine Besuche nicht mehr an.
Ich hatte d’Aché zehn Louis geliehen und glaubte mich daher bei ihm über das Benehmen seiner Frau beklagen zu dürfen; er antwortete mir jedoch in scharfem Ton: da ich nur wegen der Tochter in seine Wohnung komme, so habe seine Frau recht. Seine Tochter könne Anspruch darauf machen, einen Gatten zu finden, und wenn ich gute Absichten habe, brauche ich mich nur ihrer Mutter zu erklären. An diesen Worten war allerdings weiter nichts beleidigend als der Ton, aber ich fühlte mich durch diesen wirklich verletzt; da ich jedoch den Mann als einen rohen Grobian und Trunkenbold kannte, der stets bereit war, um ein Ja oder Nein die Klinge zu kreuzen, so entschloß ich mich, zu schweigen und die Tochter zu vergessen; denn ich wollte mich nicht mit einem solchen Menschen bloßstellen.
Ich war von meiner Phantasie für die Tochter einigermaßen geheilt, als ich vier Tage nach diesem Gespräch einen Billardsaal betrat, wo d’Aché mit einem Schweizer Offizier in schwedischen Diensten, namens Schmitt, spielte. Als d’Aché mich erblickte, fragte er mich, ob ich um die zehn Louis wetten wolle, die er mir schuldig sei. Da die Partie gerade begann, so antwortete ich ihm: »Topp! Also zwanzig oder nichts!«
Als gegen Ende der Partie d’Aché sich im Nachteil sah, machte er einen so offenbar unredlichen Stoß, daß der Billardkellner es ihm sagte; d’Aché aber, der durch diesen Stoß gewonnen hatte, bemächtigte sich des Goldes, das im Beutel lag, und steckte es in die Tasche, ohne auf die Bemerkungen des Kellners und seines Gegners zu achten. Als dieser sich angeführt sah, versetzte er dem Gauner mit dem Queue einen Schlag übers Gesicht. D’Aché hatte den Schlag gemildert, indem er ihn zum Teil mit dem Arm parierte, er zog den Degen und stürzte sich auf Schmitt, der waffenlos war. Der Kellner, ein kräftiger junger Mensch, packte d’Aché um den Leib und verhinderte den Mord. Der Schweizer ging hinaus und sagte: »Auf Wiedersehen.«
Der Spitzbube war inzwischen ruhig geworden, er sah mich an und sagte: »Wir sind also quitt.«
»Sehr quitt.«
»Das ist alles ganz schön, aber zum Teufel nochmal, Sie waren in der Lage, mir eine Beschimpfung zu ersparen, die mich entehrt.«
»Ich hätte das gekonnt, aber mich zwang nichts dazu, übrigens müssen Sie Ihre Rechte kennen. Schmitt hatte seinen Degen nicht bei sich; aber ich halte ihn für einen beherzten Mann, und er wird Ihnen Genugtuung geben, wenn Sie Mut genug haben, ihm sein Geld wiederzugeben, da Sie nun doch mal verloren haben.«
Ein Offizier, namens de Pyène, nahm mich auf die Seite und sagte mir, er würde mir selber die zwanzig Louis bezahlen, die d’Aché in die Tasche gesteckt hätte; aber Schmitt müßte ihm mit dem Degen in der Hand Genugtuung geben. Ich versprach ihm ohne Zaudern, daß der Schweizer diese Pflicht erfüllen würde, und erbot mich, ihm am nächsten Tage eine bejahende Antwort nach derselben Stelle zu überbringen.
Ich konnte nicht daran zweifeln, daß Schmitt mich nicht Lügen strafen würde: ein Ehrenmann, der eine Waffe trägt, muß stets bereit sein, sich ihrer zu bedienen, um eine Beleidigung zurückzuweisen, die seine Ehre verletzt, oder um für eine Beleidigung, die er etwa zugefügt hat, Genugtuung zu geben. Ich weiß, dies ist ein Vorurteil, das man, vielleicht mit Recht, barbarisch nennt. Aber es gibt gesellschaftliche Vorurteile, denen ein Mann von Ehre sich nicht entziehen kann, und ich hielt Schmitt für einen tadellosen Mann.
Bei Tagesanbruch begab ich mich zu ihm; er lag noch im Bett und sagte, sobald er mich sah: »Ich bin überzeugt, Sie wollen mich einladen, mich mit d’Aché zu schlagen. Ich bin gern bereit, einen Schuß loszuknallen, wenn ihm das Vergnügen macht, aber nur unter der Bedingung, daß er mir die zwanzig Louis bezahlt, die er mir gestohlen hat.«
»Sie bekommen sie morgen früh; ich werde Ihnen zur Seite stehen. D’Achés Sekundant wirb Herr von Pyène sein.«
»Abgemacht. Ich werde Sie mit Tagesanbruch hier erwarten.«
Zwei Stunden später kam ich mit Pyène zusammen, und wir verabredeten, daß das Zusammentreffen am nächsten Morgen sechs Uhr mit zwei Pistolen stattfinden sollte. Als Ort wählten wir einen Garten, der eine halbe Stunde von der Stadt lag.
Mit Tagesanbruch fand ich meinen Schweizer vor der Tür seiner Wohnung; er summte den Kuhreigen, der seinen Landsleuten so teuer ist. Dies schien mir ein gutes Vorzeichen zu sein.
»Da sind Sie ja! Gehen wir.«
Unterwegs sagte er: »Ich habe mich stets nur mit anständigen Leuten geschlagen, und es kommt mir hart an, daß ich einen Spitzbuben töten soll; das wäre ein Henkersgeschäft.«
»Ich begreife,« erwiderte ich, »daß es sehr unangenehm ist, sein Leben gegen solche Leute zu wagen.«
»Ich wage nichts dabei,« sagte Schmitt lachend; »denn ich bin sicher, daß ich ihn töten werde.«
»Sicher? Warum?«
»Vollkommen sicher; denn ich werde ihm Angst machen.«
Er hatte recht. Dieses Mittel ist unfehlbar, wenn man sich desselben zu bedienen weiß und wenn man es mit einem Feigling zu tun hat. Wir fanden d’Aché und Pyène bereits an Ort und Stelle und sahen außerdem fünf oder sechs Leute da, die nur aus Neugier gekommen sein konnten.
D’Aché zog zwanzig Louis aus seiner Tasche, gab sie seinem Gegner und sagte ihm: »Ich kann mich getäuscht haben; aber ich werde Sie Ihre Roheit teuer bezahlen lassen.« Hierauf wandte er sich zu mir und sagte: »Ich schulde Ihnen zwanzig Louis.«
Ich antwortete ihm nicht.
Schmitt steckte mit dem ruhigsten Gesicht und ohne dem Prahlhans ein Wort zu erwidern, das Gold in seine Börse, stellte sich zwischen zwei Bäume, die etwa vier Schritte weit voneinander entfernt waren, zog zwei Mensurpistolen aus der Tasche und sagte zu d’Aché: »Sie können sich in einer Entfernung von zehn Schritten aufstellen und zuerst schießen. Die Entfernung zwischen diesen zwei Bäumen bestimme ich zu meinem Spaziergang. Sie können, wenn Sie Lust haben, ebenfalls hin und hergehen, wenn ich an der Reihe bin, zu schießen.«
Man konnte sich nicht deutlicher und ruhiger ausdrücken.
»Aber,« sagte ich, »es müßte doch erst entschieden werden, wer den ersten Schuß haben soll.«
»Das ist überflüssig,« sagte Schmitt, »ich schieße niemals zuerst; übrigens hat der Herr ein Recht auf den ersten Schuß.«
De Pyène wies seinem Freund einen Platz in der angegebenen Entfernung an und trat dann mit mir zur Seite. D’Aché schoß auf seinen Gegner, der langsam hin- und herging, ohne ihn anzusehen. Schmitt drehte sich mit der größten Kaltblütigkeit um und sagte zu ihm: »Sie haben mich gefehlt, mein Herr; ich war dessen sicher; schießen Sie noch einmal.«
Ich glaubte, er wäre verrückt geworden, und dachte, es würde zu Vergleichsverhandlungen kommen. Aber nein: d’Aché machte von der Erlaubnis Gebrauch und feuerte seinen zweiten Schuß ab, fehlte aber zum zweitenmal seinen Gegner. Dieser sagte kein Wort, feuerte mit fester und entschlossener Miene seinen ersten Schuß in die Luft ab, schlug dann die zweite Pistole auf d’Aché an und traf ihn mitten vor die Stirn, so daß er tot zu Boden stürzte. Schmitt steckte seine Pistolen wieder in die Tasche und entfernte sich sofort allein, wie wenn er seinen Spaziergang fortsetzte. Zwei Minuten später ging ich ebenfalls, als ich mich überzeugt hatte, daß der unglückliche d’Aché leblos war.
Ich war starr vor Erstaunen; ein derartiger Zweikampf kam mir wie ein Traum vor, mehr wie ein Vorkommnis eines Romans als wie eine wirkliche Begebenheit. Es blieb mir völlig unbegreiflich; ich hatte auf Schmitts unbeweglichem Gesicht nicht die geringste Veränderung des Ausdrucks bemerkt.
Ich ging zum Frühstück zu Frau von Urfé, die ich untröstlich fand, weil gerade an dem Tage Vollmond war und ich um vier Uhr drei Minuten die geheimnisvolle Erschaffung des Kindes bewirken sollte, durch welches sie wiedergeboren zu werden hoffte. Die göttliche Lascaris aber, die das auserwählte Gefäß sein sollte, krümmte sich in ihrem Bett vor angeblichen Krämpfen, die es mir unmöglich machen mußten, das Zeugungswerk zu vollziehen.
Als Frau von Urfé untröstlich mir dieses Mißgeschick berichtete, heuchelte ich großes Bedauern; in Wirklichkeit war der boshafte Streich meiner Tänzerin mir sehr erwünscht, erstens weil sie mir durchaus keine Begierde mehr einflößte, zweitens weil ich sah, daß ich diesen Umstand benutzen konnte, um mich zu rächen und sie zu bestrafen.
Ich spendete der Frau von Urfé wortreichen Trost; dann zog ich das Orakel zu Rate und fand, die kleine Lascaris sei durch einen schwarzen Dämon verdorben worden, und ich müsse von neuem das vom Schicksal bestimmte Mädchen suchen, dessen Reinheit unter dem Schutze der oberen Geister stände. Als ich die Närrin von den Versprechungen des Orakels vollständig beglückt sah, verließ ich sie und suchte die Corticelli auf, die ich auf ihrem Bett liegend fand; ihre Mutter saß neben ihr.
»Du hast also Krämpfe, meine Liebe?«
»Nein, ich befinde mich sehr wohl; aber ich werde so lange Krämpfe haben, bis du mir mein Schmuckkästchen herausgibst.«
»Du bist unartig geworden, arme Kleine, und das kommt davon, daß du den Ratschlägen deiner Mutter folgst. Das Schmuckkästchen wirst du vielleicht niemals bekommen, wenn du dich so aufführst.«
»Dann werde ich alles entdecken.«
»Man wird dir nicht glauben, und ich werde dich nach Bologna zurückschicken und lasse dir kein einziges von den Geschenken, die Frau von Urfé dir gemacht hat.«
»Du mußt mir das Schmuckkästchen augenblicklich herausgeben, oder ich erkläre mich für schwanger. Ich bin es. Wenn du mein Verlangen nicht erfüllst, sage ich deiner alten Verrückten alles, und was danach kommt, ist mir einerlei.«
Sehr überrascht sah ich sie an, ohne ein Wort zu sprechen; aber ich dachte bereits über die Mittel nach, wie ich mir das freche Geschöpf vom Halse schaffen könnte. Signora Laura sagte mir ganz ruhig, ihre Tochter sei wirklich schwanger, aber sie sei es nicht von mir.
»Von wem denn?«
»Vom Grafen von N., dessen Geliebte sie in Prag war.«
Dies schien mir nicht möglich, denn es war kein äußeres Anzeichen von Schwangerschaft an ihr zu entdecken; aber immerhin konnte es doch sein. Da ich einen Entschluß fassen mußte, um die Pläne der beiden Spitzbübinnen zu vereiteln, so entfernte ich mich, ohne ein Wort zu sagen, und schloß mich mit Frau von Urfé ein, um das Orakel wegen der Operation zu befragen, die sie glücklich machen sollte.
Nachdem das Orakel eine Menge Antworten gegeben hatte, welche dunkler waren als die Weissagungen der Pythia auf dem Dreifuß von Delphi, und deren Auslegung ich infolgedessen meiner armen betörten Frau von Urfé überließ, fand sie selber – und ich hütete mich wohl, ihr zu widersprechen –, daß die kleine Lascaris wahnsinnig geworden wäre. In dieser Befürchtung bestärkte ich sie, und es gelang mir, sie aus einer kabbalistischen Zahlenreihe die Antwort finden zu lassen: die Prinzessin habe den Erwartungen nicht entsprechen können, weil sie durch einen dem Rosenkreuzerorden feindlichen schwarzen Dämon befleckt sei; und da sie einmal so schön auf dem Wege war, so fügte sie aus eigenem Antrieb hinzu, das junge Mädchen müsse mit einem Gnomen schwanger gehen.
Hierauf bildete sie eine andere Zahlensäule, um zu erfahren, wie wir uns benehmen müßten, um unser Ziel sicher zu erreichen, und dank meiner Leitung fand sie die Antwort, sie müsse an den Mond schreiben.
Dieser Unsinn, der sie hätte zur Vernunft bringen müssen, erfüllte sie mit höchster Freude. Sie war vor Begeisterung ganz verzückt, und ich gewann die Überzeugung, daß alle meine Mühe vergeblich gewesen wäre, selbst wenn ich ihr die Nichtigkeit ihrer Hoffnungen hätte dartun wollen. Sie hätte höchstens geglaubt, ein feindlicher Genius habe mich beherrscht und ich sei kein vollkommener Rosenkreuzer mehr. Ich dachte jedoch nicht daran, eine Heilung zu versuchen, die für mich so unvorteilhaft gewesen wäre, ohne ihr zu nützen. Ihre Chimäre machte sie glücklich, und die Wahrheit würde sie ohne Zweifel unglücklich gemacht haben.
Sie empfing also den Befehl, an den Mond zu schreiben, mit um so größerer Freude, da sie den Kultus, der diesem Planeten gefällt, und die Zeremonien, die dabei erforderlich waren, genau kannte; sie konnte jedoch die Vorschriften nur mit dem Beistand eines Adepten ausführen, und ich wußte, daß sie auf mich rechnete. Ich sagte ihr, ich stände vollkommen zu ihrem Befehle; wir müßten jedoch die erste Phase des nächsten Mondes abwarten – was sie ebensogut wußte wie ich. Es war mir sehr angenehm, Zeit zu gewinnen, denn da ich im Spiel viel Geld verloren hatte, so war es mir unmöglich, Aachen vor dem Empfang einer Summe zu verlassen, die ich durch einen Wechsel auf Herrn d’O. in Amsterdam gezogen hatte. Unterdessen kamen wir überein, daß wir auf alles, was die Lascaris in ihren Wahnsinnsanfällen sagen würde, nicht achten wollten; denn da ihr Geist sich in der Gewalt eines bösen Geistes befände, der sie besessen hielte, so wurden ihre Worte ihr ja von diesem eingeflößt.
Da jedoch ihr Zustand bemitleidenswert sei, so beschlossen wir, um ihr ihr Los so erträglich wie möglich zu machen, sie auch in Zukunft mit uns essen zu lassen; abends jedoch sollte sie sofort nach Tisch und im Zimmer ihrer Gesellschaftsdame zu Bett gehen.
Nachdem ich auf diese Weise den Geist der Frau von Urfé dahin bearbeitet hatte, daß sie von allen Mitteilungen, die die Corticelli ihr etwa machen konnte, nichts glaubte, sondern sich nur mit dem Brief beschäftigte, den sie dem Geiste Selenis, der den Mond bewohnt, schreiben sollte, beschäftigte ich mich erstlich mit den Mitteln, das verlorene Geld wiederzugewinnen, was nicht auf dem Wege der Kabbala geschehen konnte. Ich versetzte das Schmuckkästchen der Corticelli für tausend Louis und hielt eine Bank in einem Klub von Engländern, von denen ich viel mehr gewinnen konnte als von Franzosen oder Deutschen.
Drei oder vier Tage nach dem Tode d’Achés schrieb seine Witwe mir ein Briefchen und bat mich, bei ihr vorzusprechen, Ich fand Pyène bei ihr vor. Sie sagte mir in traurigem Ton, ihr Mann hätte viele Schulden gehabt und seine Gläubiger hätten sich daher aller ihrer Sachen bemächtigt; es sei ihr infolgedessen unmöglich, die Reisekosten zu bestreiten, um sich mit ihrer Tochter zu ihrer Familie nach Colmar zu begeben.
»Sie sind schuld an dem Tode meines Gatten; ich verlange von Ihnen tausend Taler. Wenn Sie mir diese verweigern, werde ich Sie verklagen; denn da der Schweizer Offizier abgereist ist, kann ich mich nur an Sie halten.«
»Ihre Sprache überrascht mich, gnädige Frau,« antwortete ich ihr in kaltem Ton. »Wenn ich nicht vor Ihrem Unglück Achtung hätte, so würde ich darauf mit der ganzen Bitterkeit antworten, die Ihr Vorgehen mir einflößen muß. Zunächst besitze ich überhaupt keine tausend Taler, um sie zum Fenster hinauszuwerfen; und selbst wenn ich sie hätte, so wäre Ihr drohender Ton wenig geeignet, mich zu einem solchen Opfer zu veranlassen, übrigens bin ich neugierig, wie Sie es anfangen wollen, mich zu verklagen. Herr Schmitt hat sich als tapferer und rechtlicher Mann geschlagen, und ich weiß noch nicht recht, ob es Ihnen wirklich großen Vorteil bringen würde, ihn zu verklagen, wenn er hier geblieben wäre. Leben Sie wohl, Madame!«
Ich war kaum fünfzig Schritte von dem Hause entfernt, als Pyène mir nachkam und mir sagte, bevor Frau von Aché die Klage gegen mich einreichte, müßten wir an einem abgelegenen Ort uns die Kehle abschneiden. Wir hatten alle beide keinen Degen bei uns.
»Ihre Absicht ist schmeichelhaft,« sagte ich ruhig zu ihm; »es liegt darin etwas Brutales, das mir durchaus keine Lust macht, mich mit einem Mann bloßzustellen, den ich nicht kenne, und dem ich nichts schuldig bin.«
»Sie sind ein Feigling!«
»Ich wäre es vielleicht, wenn ich wäre wie Sie. Welche Meinung Sie von mir haben, ist mir höchst gleichgültig.«
»Es wird Ihnen leid tun!«
»Vielleicht; einstweilen mache ich Sie als ehrlicher Mann darauf aufmerksam, daß ich niemals ohne zwei gut geladene Pistolen ausgehe und daß ich mich derselben zu bedienen weiß. Hier sind sie!« Mit diesen Worten zog ich meine Pistolen aus der Tasche und spannte die eine, die ich in der rechten Hand hielt.
Bei diesem Anblick stieß der freche Raufbold einen Fluch aus und verschwand; ich entfernte mich nach der anderen Seite.
Dicht bei dem Ort, wo dieser Auftritt vorgefallen war, traf ich einen Neapolitaner namens Maliterni, der damals Oberstleutnant und Adjutant des kommandierenden Generals der französischen Armee, Prinzen Condé, war. Dieser Maliterni war ein Lebemann, stets zu Diensten bereit und stets ohne Geld. Wir waren Freunde; ich erzählte ihm, was mir zugestoßen war, und sagte zu ihm: es wäre mir unangenehm, mich mit dem de Pyène einlassen zu müssen, und wenn er ihn mir vom Halse schaffen könne, verspreche ich ihm hundert Taler.
»Das wird nicht unmöglich sein,« antwortete er; »ich werde Ihnen morgen Bescheid sagen.«
Wirklich kam er am nächsten Vormittag zu mir und sagte mir, mein Halsabschneider sei bei Tagesanbruch auf höheren Befehl von Aachen abgereist; zugleich übergab er mir einen guten Paß vom Herrn Prinzen Condé.
Ich gestehe, daß diese Nachricht mir angenehm war. Ich habe mich niemals gefürchtet, mit dem ersten Besten den Degen zu kreuzen, obgleich ich auch niemals das barbarische Vergnügen geliebt habe, Menschenblut zu vergießen; diesesmal aber widerstrebte es mir im höchsten Grade, mich mit einem Menschen bloßzustellen, den ich nicht für zartfühlender halten konnte als seinen Freund d’Aché. Ich dankte also Maliterni recht herzlich und übergab ihm die versprochenen hundert Taler, die nach meiner Meinung sehr gut angewandt waren, so daß mir diese Ausgabe nicht leid tat.
Maliterni war ein Zechkumpan des Marschalls d’Estrées, ein Lustigmacher ersten Ranges, es fehlte ihm weder an Geist noch an Kenntnissen, wohl aber an Ordentlichkeit und vielleicht auch ein bißchen an Zartgefühl. Übrigens verkehrte es sich sehr angenehm mit ihm, denn er besaß eine unverwüstliche Fröhlichkeit und war ein sehr gewandter Weltmann. Nachdem er im Jahre 1768 zum Range eines Generalmajors emporgestiegen war, heiratete er in Neapel eine reiche Erbin, die er schon nach dem ersten Jahr seiner Heirat als Witwe zurückließ.
Am Tage nach Pyènes Abreise erhielt ich von Fräulein d’Aché ein Briefchen, worin sie mich im Auftrage ihrer kranken Mutter bat, sie zu besuchen. Ich antwortete ihr, ich würde mich um die und die Stunde da und da einfinden, und sie könnte mir dort sagen, was sie wünschte.
Ich fand sie am bestimmten Ort mit ihrer Mutter, die trotz ihrer angeblichen Krankheit gekommen war. Da gab es Klagen, Tränen, Vorwürfe! Sie nannte mich ihren Verfolger und sagte mir, die Abreise ihres einzigen Freundes Pyène bringe sie zur Verzweiflung; sie habe alle ihre Sachen versetzt und besitze keine Hilfsmittel mehr; ich dagegen sei reich und müsse ihr beispringen, wenn ich nicht ein ganz verworfener Mensch wäre.
»Ich bin durchaus nicht unempfindlich gegen Ihr Schicksal, Madame. Ich bin auch nicht unempfindlich gegen Ihre Beleidigungen, aber ich kann mich nicht enthalten, Ihnen zu sagen, daß Sie sich als verworfenes Weib gezeigt haben, indem Sie Pyène, der ja sonst vielleicht ein ganz anständiger Mensch ist, aufgehetzt haben, mich zu ermorden. Kurz und gut – mag ich reich sein oder nicht, ich bin Ihnen nichts schuldig, aber ich werde Ihnen das Geld geben, um Ihre Sachen auszulösen, und vielleicht werde ich selber Sie nach Colmar bringen; aber Sie müssen damit einverstanden sein, daß ich gleich hier Ihrer reizenden Tochter Beweise meiner Liebe zu geben beginne.«
»Und Sie wagen es, mir solchen abscheulichen Vorschlag zu machen?«
»Abscheulich oder nicht – ich mache ihn.«
»Niemals!«
»Leben Sie wohl, Madame!«
Ich rief den Kellner, um die Erfrischungen zu bezahlen, die ich hatte kommen lassen, und drückte dem jungen Mädchen sechs doppelte Louisdor in die Hand; die stolze Mutter bemerkte es jedoch und verbot ihr, das Geld anzunehmen. Mich überraschte dies nicht, trotz der Not, worin sie sich befand; denn diese Mutter war reizend und mehr wert als ihre Tochter. Dies wußte sie. Ich hätte sie vorziehen und auf diese Weise jedem Streit ein Ende machen sollen. Aber die Launen! Wenn man verliebt ist, fragt man sich nach so etwas nicht. Ich fühlte, daß sie mich hassen mußte, um so mehr, da sie ihre Tochter nicht liebte und daher ihr Stolz gedemütigt war, indem sie in ihr die bevorzugte Nebenbuhlerin sehen mußte. Ich behielt die sechs doppelten Louisdor, die der Stolz oder der Ärger zurückgewiesen hatte, in der Hand, ging damit an die Pharaobank und beschloß, sie dem Glück zu opfern; aber die launenhafte Göttin war nicht weniger stolz als die hochmütige Witwe und verweigerte wie diese ihre Annahme. Ich ließ sie fünfmal auf einer Karte stehen und hätte mit diesem einzigen Satz beinahe die Bank gesprengt. Ein Engländer, namens Martin, bot mir eine Teilhaberschaft an; ich nahm diese an, weil ich ihn als guten Spieler kannte, und in acht oder zehn Tagen machten wir so gute Geschäfte, daß ich nach der Auslösung des Schmuckkästchens nicht nur meine anderen Verluste gedeckt hatte, sondern noch mit einer ziemlich großen Summe im Gewinn war.
Wütend auf mich, hatte die Corticelli unterdessen der Frau von Urfé alles entdeckt; sie hatte ihr eine Beschreibung ihres Lebens und unserer Bekanntschaft gegeben und ihre Schwangerschaft mitgeteilt. Aber je mehr Wahrheit ihre Erzählung enthielt, desto fester bestärkte die gute Dame sich in dem guten Glauben, daß das Mädchen wahnsinnig sei. Sie lachte mit mir nur über den vermeintlichen Wahnsinn meiner Verräterin und setzte ihr ganzes Vertrauen auf die Unterweisungen, welche Selenis ihr in seiner Antwort geben würde.
Da mir jedoch das Benehmen des Mädchens nicht gleichgültig sein konnte, so beschloß ich, sie künftighin im Zimmer ihrer Mutter essen zu lassen. So blieb ich allein mit Frau von Urfé, der ich versicherte, wir würden leicht ein anderes ausgewähltes Gefäß finden, da die Lascaris wegen ihres Wahnsinnes durchaus nicht imstande sei, an unseren Mysterien teilzunehmen.
Von der Not getrieben, sah d’Achés Witwe sich bald gezwungen, mir ihre Mimi abzutreten; aber ich versöhnte sie durch freundliches Benehmen und rettete im Anfang den Schein, so daß sie tun konnte, wie wenn sie nichts merkte. Ich löste alle von ihr versetzten Sachen aus; mit ihrem Verhalten zufrieden, obgleich ihre Tochter sich noch nicht meiner Glut ganz hingegeben hatte, beschloß ich, die beiden Damen mit Madame d’Urfé nach Colmar zu begleiten. Um die Dame zu diesem guten Werke zu bestimmen, ohne daß sie etwas von dem Beweggrund bemerkte, kam ich auf den Gedanken, sie diesen Befehl in dem Briefe empfangen zu lassen, den sie vom Mond erwartete; ich war gewiß, daß sie alsdann blindlings gehorchen würde.
Den Briefwechsel zwischen Selenis und Frau von Urfé brachte ich folgendermaßen zustande.
Am Tage des Vollmondes speisten wir zusammen in einem Garten vor der Stadt zu Abend. Ich hatte in einem Zimmer zu ebener Erde alles vorbereitet, was für den Kultus notwendig war. In meiner Tasche hatte ich den Brief, der vom Monde herabschweben sollte, um den von Frau von Urfé mit großer Sorgfalt vorbereiteten Brief zu beantworten, den wir an seine Adresse befördern wollten. Dicht neben dem Zimmer, wo die Feierlichkeit stattfand, hatte ich eine große Badewanne aufgestellt, die mit lauem Wasser gefüllt war und von würzigen Kräutern duftete, wie sie dem Gestirn der Nacht gefallen. In dieses Wasser sollten wir gemeinsam hineinsteigen, sobald der Mond unterging. Dieser Untergang fand an jenem Tage um ein Uhr nach Mitternacht statt.
Nachdem wir die würzigen Kräuter verbrannt und die Essenzen versprengt hatten, die dem Kultus des Gottes Selenis angemessen sind, sagten wir die geheimnisvollen Gebete. Dann zogen wir uns vollständig aus. Meinen Brief in der linken Hand verborgen haltend, führte ich mit der rechten in feierlichem Ernst Frau von Urfé bis an den Rand der Badewanne, in welcher sich eine Alabasterschale voll Wacholdergeist befand. Ich zündete diesen an, indem ich kabbalistische Worte sprach, die ich nicht verstand und die sie wiederholte, indem sie mir den an Selenis geschriebenen Brief gab. Diesen Brief verbrannte ich an der Wacholderflamme, auf die der Mond mit vollem Schein fiel, und die gläubige Frau von Urfé versicherte mir, sie habe die von ihrer Hand geschriebenen Buchstaben auf den Strahlen des Gestirns zum Himmel emporschweben sehen.
Hierauf stiegen wir in die Badewanne, und der in meiner Hand verborgen gehaltene Brief, der mit silbernen Buchstaben im Kreise auf grünes Glanzpapier geschrieben war, erschien zehn Minuten später auf der Oberfläche des Wassers. Sobald Frau von Urfé ihn sah, ergriff sie ihn salbungsvoll und verließ mit mir das Bad.
Nachdem wir uns abgetrocknet und parfümiert hatten, zogen wir unsere Kleider wieder an. Sobald wir in anständiger Verfassung waren, sagte ich der gnädigen Frau, sie könne den Brief lesen; sie hatte diesen auf ein parfümiertes weißes Atlaskissen gelegt. Sie gehorchte, und eine sichtbare Traurigkeit bemächtigte sich ihrer, als sie las, ihre Mannwerdung sei bis zur Ankunft Querilints verschoben, den sie im Frühling des nächsten Jahres bei mir in Marseille sehen würde. Der Genius schrieb ihr außerdem, die junge Lascaris könne ihr nur schaden und sie müsse meine Anordnungen befolgen, um sich ihrer zu entledigen. Zum Schluß befahl ich ihr, mich zu bitten, ich möchte eine Frau, die ihren Mann verloren hätte, nicht in Aachen lassen; diese Frau habe eine Tochter, die von den Genien bestimmt sei, unserem Orden große Dienste zu leisten. Sie solle sie nebst ihrer Tochter nach dem Elsaß befördern und sie bis zu ihrer Ankunft nicht aus den Augen lassen, damit unser Einfluß sie vor den Gefahren schütze, die ihnen drohen würden, wenn sie sich selber überlassen blieben.
Frau von Urfé war, abgesehen von ihrer Verrücktheit, sehr wohltätig; sie empfahl mir diese Witwe mit aller Wärme fanatischer Leichtgläubigkeit und menschlicher Teilnahme und war sehr ungeduldig, ihre ganze Geschichte zu erfahren. Ich sagte ihr in kühlem Ton so viel, wie mir gut schien, um sie in ihrem Entschluß zu bestärken, und versprach ihr, die Damen sobald wie möglich vorzustellen.
Wir fuhren nach Aachen zurück und verbrachten die Nacht zusammen in Gesprächen über alles, was unsere Phantasie beschäftigte. Da alles nach Wunsch stand, so beschäftigte ich mich nur noch mit der Reise nach dem Elsaß und traf meine Vorbereitungen, um mir den vollen Genuß meiner Mimi zu sichern, nachdem ich durch den ihr geleisteten Dienst ihre Gunst so reichlich verdient hatte.
Am nächsten Tage war ich glücklich im Spiel, und um dem Tage einen guten Abschluß zu geben, ging ich zu Frau d’Aché, um mich an ihrer angenehmen Überraschung zu weiden, indem ich ihr mitteilte, daß ich beschlossen hätte, sie nebst ihrer Mimi selbst nach Colmar zu bringen. Ich sagte ihr, zunächst müsse ich sie der Dame vorstellen, die zu begleiten ich die Ehre habe; ich bat sie, sich für den nächsten Tag bereit zu halten, weil die Marquise ungeduldig sei, sie kennen zu lernen. Ich sah deutlich, daß sie kaum an die Wahrheit meiner Worte zu glauben vermochte; denn sie bildete sich ein, die Marquise sei in mich verliebt, und dieser Gedanke vertrug sich nicht mit dem von Frau von Urfé bekundeten Eifer, mich mit zwei Frauen zusammen zu bringen, welche sehr gefährliche Nebenbuhlerinnen werden konnten.
Am nächsten Tage holte ich sie zur vereinbarten Stunde ab, und Frau von Urfé empfing sie mit Freudenbezeigungen, über die sie sehr erstaunt sein mußten; denn sie konnten nicht wissen, daß sie diesen Empfang einer Empfehlung verdankten, die vom Monde gekommen war. Wir speisten selbviert, und die beiden Damen unterhielten sich als Frauen, die die Welt kennen; Mimi war reizend, und ich beschäftigte mich ganz besonders mit ihr; warum, das wußte ihre Mutter sehr wohl; die Marquise jedoch schrieb den Grund der Liebe zu, die die Rosenkreuzer für dieses Mädchen hegten.
Am Abend gingen wir alle auf den Ball. Die Corticelli, die stets darauf bedacht war, mir jeden möglichen Ärger anzutun, tanzte, wie ein junges Mädchen von guter Herkunft nicht tanzen darf. Sie machte achtfache Entrechats, Pirouetten, Kapriolen und Battements à mijambe, mit einem Wort, alle Grimassen einer Opernspringerin. Ich stand Folterqualen aus. Ein Offizier, der vielleicht wußte, daß ich für ihren Oheim galt, vielleicht auch nur so tat, fragte mich, ob sie eine berufsmäßige Tänzerin sei. Einen anderen Herrn hörte ich hinter mir sagen, er glaube sie im letzten Karneval in Prag auf dem Theater tanzen gesehen zu haben. Ich mußte meine Abreise beschleunigen, denn ich sah, daß das unglückselige Weib mir schließlich noch das Leben kosten würde, wenn wir noch länger in Aachen blieben.
Frau d’Aché, die, wie gesagt, den Ton der guten Gesellschaft beherrschte, nahm Frau von Urfé vollständig für sich ein, denn diese glaubte in ihrer Liebenswürdigkeit eine neue Gunst von Selenis zu sehen. Frau d’Aché fühlte, daß sie nach den Diensten, die ich ihr in so vornehmer Weise erwies, mir einige Dankbarkeit schuldete; sie stellte sich daher, wie wenn sie ein wenig unwohl wäre, und verließ den Ball zuerst, so daß ich ihre Tochter nach Hause bringen mußte und in voller Freiheit mit ihr zusammen war. Ich machte mir diesen absichtlich herbeigeführten Zufall zunutze und blieb zwei Stunden bei Mimi, die sich sanft, gefällig und leidenschaftlich verliebt zeigte, so daß ich nichts mehr zu wünschen hatte, als ich sie verließ.
Am dritten Tage gab ich Mutter und Tochter neue Reisekleider, und nachdem ich mir eine elegante und bequeme Berline verschafft hatte, verließen wir Aachen in fröhlicher Stimmung. Eine halbe Stunde vor der Abreise hatte ich ein Zusammentreffen, das durch seine späteren Folgen verhängnisvoll wurde. Ein belgischer Offizier, den ich nicht kannte, redete mich an und schilderte mir seine traurige Lage, so daß ich nicht umhin konnte, ihm zwölf Louis zu geben. Zehn Minuten später brachte er mir einen Schein, wodurch er seine Schuld anerkannte und sich verpflichtete, zu einem bestimmten Termin zu bezahlen. Ich erfuhr durch diesen Schein, daß er sich Malingan nannte. Das weitere wird der Leser in zehn Monaten erfahren.
Im Augenblick der Abreise wies ich der Corticelli einen viersitzigen Wagen an, worin sie mit ihrer Mutter und zwei Kammermädchen reisen sollte. Sie zitterte bei diesem Anblick; ihr Stolz war verletzt, und ich glaubte einen Augenblick, sie würde den Verstand verlieren: es gab Tränen, Beleidigungen, Verwünschungen! Mich rührte dies alles nicht, und Frau von Urfé lachte nur über die tollen Reden ihrer angeblichen Nichte und schien sehr erfreut zu sein, daß sie mir gegenüber saß und zu ihrer Seite den Schützling des mächtigen Selenis hatte, während Mimi mir auf tausenderlei Art das Glück bezeugte, das sie empfand, weil sie an meiner Seite sitzen durfte.
Am nächsten Tage kamen wir bei Anbruch der Nacht in Lüttich an; ich überredete Frau von Urfé, den nächsten Tag noch dazubleiben, weil ich Pferde nehmen wollte, um auf dem Wege durch die Ardennen nach Luxemburg zu fahren; diesen Umweg machte ich absichtlich, um meine reizende Mimi länger besitzen zu können.
Nachdem ich in aller Frühe aufgestanden war, ging ich aus, um mir die Stadt anzusehen. Als ich die große Brücke entlang ging, sprach mich eine Frau an, die so dicht in einen schwarzen Mantel gehüllt war, daß man nur ihre Nasenspitze sehen konnte. Sie bat mich, ihr in ein Haus zu folgen, dessen offene Tür sie mir zeigte. Ich antwortete ihr: »Da ich nicht den Vorzug habe, Sie zu kennen, erlaubt die Vorsicht mir nicht, Ihre Einladung anzunehmen.«
»Sie kennen mich!« antwortete sie mir; zugleich zog sie mich an die Ecke der nächsten Straße und enthüllte ihr Gesicht. Der Leser stelle sich meine Überraschung vor: es war die schöne Stuard von Avignon, die gefühllose Statue von der Quelle von Vaucluse. Es machte mir Vergnügen, sie wieder zu treffen.
Neugierig folgte ich ihr und ging mit ihr in ein Zimmer im ersten Stock, wo sie mir den zärtlichsten Empfang bereitete. Aber dies war verlorene Mühe; denn trotz ihrer Schönheit hatte ich einen Groll gegen sie. Ich verschmähte daher, ihr entgegenzukommen, ohne Zweifel, weil ich Mimi liebte, die mich glücklich machte und die ich zufriedenstellen wollte, indem ich mich ganz für sie aufbewahrte. Indessen zog ich drei Louis aus meiner Börse und bot sie ihr an, indem ich sie zugleich bat, mir ihre Geschichte zu erzählen.
»Stuard,« berichtete sie, »war nur mein Begleiter; ich heiße Ranson und werde von einem reichen Grundbesitzer unterhalten. Nach vielen Leiden bin ich nach Lüttich zurückgekehrt.«
»Es freut mich, daß es Ihnen jetzt gut geht; aber Sie müssen gestehen, daß Ihr Benehmen in Avignon ebenso unbegreiflich wie lächerlich war. Doch sprechen wir nicht mehr davon. Leben Sie wohl, gnädige Frau!«
Ich ging in meinen Gasthof zurück, um diese Begegnung dem Marchese Grimaldi mitzuteilen.
Am nächsten Tage reisten wir ab. Wir brauchten zwei Tage für die Reise durch die Ardennen. Dies ist die eigentümlichste Landschaft Europas: ein riesiger Wald, dessen Sagen von altem Ritterwesen dem Ariosto so schönen Stoff über den Helden Bayard geliefert haben.
In diesem ungeheuren Walde, der keine einzige Stadt enthält, den man jedoch durchqueren muß, um von dem einen Lande in das andere zu gelangen, findet man fast nichts von dem, was zu einem behaglichen Leben notwendig ist.
Vergeblich würde man dort Laster oder Tugenden suchen oder was wir Sitten nennen. Die Bewohner haben keinen Ehrgeiz, und da sie von der Wahrheit keine richtige Vorstellung haben können, hecken sie ungeheuerliche Ideen aus und denken sich sonderbare Sachen über die Natur, über die Wissenschaften und über die Macht gewisser Menschen, die nach ihrer Meinung den Namen weiser Männer verdienen. Es genügt, sich mit Naturwissenschaften zu beschäftigen, um für einen Astrologen, ja für einen Zauberer zu gelten. Trotzdem sind die Ardennen ziemlich stark bevölkert; denn wie man mir versichert hat, enthalten sie zwölfhundert Kirchspiele. Die Menschen sind gut, ja sogar gefällig, besonders die jungen Mädchen; aber im allgemeinen ist das weibliche Geschlecht dort nicht schön. Mitten in diesem großen Bezirk, der seiner ganzen Ausdehnung nach von der Maas durchströmt wird, liegt die Stadt Bouillon, ein richtiges Loch. Aber es war zu meiner Zeit der freieste Ort in ganz Europa. Der Herzog von Bouillon war so eifersüchtig auf seine Gerichtsbarkeit, daß er sein Vorrecht allen Ehren vorzog, deren er am französischen Hofe hätte genießen können.
Wir hielten uns einen Tag in Metz auf, wo wir jedoch keine Besuche machten; in drei Tagen gelangten wir dann nach Colmar, wo wir Frau d’Aché ließen, deren Gunst ich völlig gewonnen hatte. Ihre sehr wohlhabende Familie empfing Mutter und Tochter mit größter Zärtlichkeit. Mimi weinte sehr, als sie von mir Abschied nahm; aber ich tröstete sie durch das Versprechen, daß ich sie bald wiedersehen würde. Frau von Urfé, die ich auf diese Trennung bereits vorbereitet hatte, machte sich nicht viel daraus, und auch ich tröstete mich ziemlich leicht. Indem ich mich freute, zum Glück der Mutter und der Tochter beigetragen zu haben, betete ich zugleich die tiefen Geheimnisse der Vorsehung an.
Am nächsten Tage fuhren wir nach Sulzbach, wo ein Bekannter der Frau von Urfé, Baron von Schaumburg, uns sehr freundlich empfing. Ohne das Spiel würde ich mich in diesem traurigen Nest sehr gelangweilt haben. Frau von Urfé hatte Gesellschaft nötig und ermunterte daher die Corticelli, auf eine Wiedergewinnung meiner Huld und damit auch der ihrigen zu hoffen. Das unglückselige Mädchen hatte alles aufgeboten, um mir zu schaden; als sie aber sah, wie leicht ich ihre Anschläge zunichte gemacht und wie tief ich sie gedemütigt hatte, da änderte sie ihr Benehmen: sie war sanft, gefügig und unterwürfig geworden. Sie hoffte den vollständig verlorenen Einfluß wenigstens teilweise wiederzugewinnen und glaubte bereits Siegerin zu sein, als sie sah, daß Frau d’Aché und ihre Tochter in Colmar geblieben waren. Was ihr jedoch am meisten am Herzen lag, war weder meine Freundschaft, noch die der Marquise, sondern das Schmuckkästchen, das sie von mir nicht mehr zu verlangen wagte und das sie in der Tat nicht wiedersehen sollte. Durch ihre hübschen, ausgelassenen Scherze bei Tisch, worüber Frau von Urfé gerne lachte, gelang es ihr, auch mir einige Liebesanwandlungen einzuflößen; aber die Höflichkeiten, die ich ihr in dieser Hinsicht erwies, konnten mich nicht veranlassen, meine Strenge zu mildern; sie schlief stets bei ihrer Mutter.
Acht Tage nach unserer Ankunft in Sulzbach überließ ich Frau von Urfé der Sorgfalt des Barons von Schaumburg und fuhr nach Colmar, wo ich Liebesfreuden zu finden hoffte. Ich wurde enttäuscht, denn ich fand Mutter und Tochter in Begriff, sich zu verheiraten.
Ein reicher Kaufherr, der vor achtzehn Jahren die Mutter geliebt hatte, fühlte die alte Glut wieder erwachen, als er sie als Witwe und immer noch schön sah; er bot ihr seine Hand an, und seine Werbung wurde angenommen. Ein junger Advokat fand Mimi nach seinem Geschmack und machte ihr einen Heiratsantrag. Mutter und Tochter befürchteten die Folgen meiner Zärtlichkeiten; außerdem fanden sie die Partie gut und gaben daher ihre Zustimmung. Ich wurde in der Familie mit großen Ehren aufgenommen und soupierte in zahlreicher, gewählter Gesellschaft. Da ich jedoch sah, daß ich, um eine flüchtige Gunst zu erhaschen, die Damen nur stören und mich selber unbehaglich fühlen konnte, so verabschiedete ich mich von ihnen und fuhr schon am nächsten Tage nach Sulzbach zurück. Ich fand dort eine reizende Straßburgerin namens Salzmann und drei oder vier Spieler, die angeblich zur Brunnenkur gekommen waren und uns die Ankunft mehrerer weiblicher Gäste ankündigten, die der Leser im nächsten Kapitel kennen lernen wird.