Fortgang meiner Liebschaft mit der schönen C. C.

Am nächsten Tage trat P. C. mit triumphierendem Gesicht in mein Zimmer und sagte mir, seine Schwester habe ihrer Mutter gesagt, wir liebten uns, und wenn sie sich verheiraten müßte, so könnte sie nur mit mir glücklich werden.

»Ich bete Ihre Schwester an,« erwiderte ich ihm; »aber glauben Sie, daß Ihr Vater mir ihre Hand wird bewilligen wollen?«

»Ich glaube, nein. Doch er ist alt. Einstweilen liebt euch nur ruhig. Meine Mutter erlaubt, daß sie heute abend mit uns die Oper besucht.«

»Gut, mein lieber Freund, wir werden also hingehen.«

»Ich sehe mich genötigt, Sie um einen kleinen Dienst zu bitten.«

»Befehlen Sie über mich.«

»Es ist ausgezeichneter Cyperwein billig zu verkaufen. Ich kann gegen einen Sechsmonatswechsel ein Faß bekommen. Ich bin sicher, dieses sofort mit Gewinn weiter verkaufen zu können; der Händler will jedoch eine Bürgschaft, und er will die Ihrige annehmen, wenn Sie sie für mich leisten wollen. Wollen Sie meinen Wechsel mit unterzeichnen?«

»Mit Vergnügen.«

Ich unterschrieb ohne Zaudern; denn welcher Verliebte auf Erden verweigerte wohl in solchem Fall einen Dienst jemandem, der ihn unglücklich machen könnte, um sich für die Weigerung zu rächen? Wir verabredeten uns hierauf für den Abend und trennten uns beide in zufriedener Stimmung.

Nachdem ich mich angekleidet hatte, ging ich aus und kaufte ein Dutzend Paar Handschuhe, ebensoviel seidene Strümpfe und ein Paar gestickter Strumpfbänder mit goldenen Schnallen; ich freute mich schon darauf, meiner neuen Freundin dieses erste Geschenk zu machen.

Ich brauche nicht zu sagen, daß ich pünktlich zur Stelle war; aber als ich eintraf, sah ich sie bereits Umschau nach mir halten. Wären nicht P. C.’s Absichten mir verdächtig gewesen, so würde eine derartige Zuvorkommenheit mir geschmeichelt haben. Kaum war ich bei ihnen, so sagte P. C. zu mir, er habe Geschäfte und lasse mich darum mit seiner Schwester allein; im Theater werde er uns dann treffen. Als er fort war, sagte ich zu C. C., es bliebe uns nichts anderes übrig, als bis zum Beginn der Opernvorstellung in der Gondel spazieren zu fahren. »O nein!« rief sie; »gehen wir doch lieber in einen der Gärten auf der Zuecca!«

»Sehr gern.«

Ich nahm eine Überfahrtsgondel, und wir fuhren nach San Biagio zu einem Garten, den ich kannte; ich mietete ihn für eine Zechine auf den ganzen Tag, so daß niemand mehr hinein durfte. Es stellte sich heraus, daß wir beide noch nicht zu Mittag gegessen hatten; ich bestellte daher ein gutes Essen, und wir gingen in ein Zimmer, wo wir unsere Maskenkleider ablegten. Dann begaben wir uns wieder in den Garten.

Die liebenswürdige C. C. hatte nur ein Taffetmieder und ein Röckchen von demselben Stoffe an; aber sie sah in dieser leichten Kleidung entzückend aus! Mein liebendes Auge drang durch diese Hüllen hindurch, und meine Seele sah sie nackt. Seufzend vor Lust und Begier hielt ich mich dennoch zurück.

Leichtfüßig wie ein Reh sprang meine junge Begleiterin, die ein solches Glück noch nie genossen hatte, nach rechts und links über den Rasen zur Seite der langen Allee. Sie jauchzte in der Fröhlichkeit ihres Herzens; als sie aber bald still stehen mußte, weil ihr der Atem ausging, lachte sie laut darüber auf, daß ich in einer Art von Verzückung stillschweigend ihr zusah. Gleich darauf forderte sie mich zu einem Wettlauf heraus. Der Vorschlag gefiel mir, und ich nahm ihn an, doch fiel mir ein, ihm durch eine Wette noch einen erhöhten Reiz zu verleihen. Ich sagte daher: »Wer verliert, muß tun, was der Sieger befiehlt.«

»Einverstanden.«

Wir bestimmten das Ziel und liefen los. Ich war des Sieges sicher, aber ich wollte verlieren, um zu sehen, zu was für eine Strafe sie mich verurteilen würde. Sie lief sofort so schnell sie nur konnte, während ich meine Kräfte schonte; so kam sie denn vor mir ans Ziel. Während sie frischen Atem schöpfte, dachte sie darüber nach, was für eine Buße sie mir auferlegen könnte; plötzlich versteckte sie sich hinter einem Baum und sagte mir, ich solle ihren Ring suchen. Sie hatte ihn an ihrem Leibe versteckt und dadurch brachte sie ihre ganze Person in meinen Besitz. Ich fand das reizend, denn ich sah darin deutlich die schalkhafte Absicht; doch fühlte ich, daß ich meinen Vorteil nicht mißbrauchen durfte; ihr unbefangenes Vertrauen mußte vielmehr ermutigt werden. Wir setzten uns auf den Rasen, ich durchsuchte ihre Taschen, die Falten ihres Mieders und ihres Rockes, ihre Schuhe und endlich sogar ihre Strumpsbänder, die sie oberhalb der Knie trug. Da ich nirgends etwas fand, setzte ich mein Suchen fort, denn da der Ring sich auf ihrem Leibe befinden sollte, so mußte ich ihn doch irgendwo finden. Der Leser errät gewiß, daß ich das reizende Versteck, wo meine Schöne den Ring verborgen hatte, recht wohl ahnte; aber bevor ich ihn fand, mußte ich mir doch erst eine Menge von Genüssen verschaffen, die ich recht mit Wonne auskostete. Schließlich wurde der Ring im Gehege der beiden schönsten Hügel entdeckt, die jemals die Natur gewölbt hat. Aber ich war, als ich ihn hervorholte, so aufgeregt, daß meine Hand sichtlich zitterte.

»Warum zittern Sie denn?« fragte sie.

»Ich zittere vor Freude, weil ich den Ring gefunden habe, denn Sie hatten ihn so gut versteckt. Aber Sie sind mir Revanche schuldig, und diesmal werden Sie mich nicht besiegen!«

»Das werden wir sehen!«

Wir liefen, und da ich sie sich nicht sehr beeilen sah, so glaubte ich, ich könnte sie nach Belieben jederzeit einholen. Aber ich täuschte mich. Sie hatte Ihre Kräfte geschont, und als wir zwei Drittel des Weges zurückgelegt hatten, legte sie sich plötzlich ins Zeug und gewann einen Vorsprung. Ich sah, daß ich verloren hatte. Da fiel mir eine List ein, die unfehlbar wirken mußte. Ich tat, als fiele ich der Länge nach hin, und stieß dabei einen Schmerzensschrei aus. Die arme Kleine blieb stehen und lief dann ganz erschreckt auf mich zu, um unter Ausrufen des Bedauerns mir beim Aufstehen zu helfen. Als ich wieder auf den Beinen war, fing ich plötzlich an zu lachen, lief davon und erreichte das Ziel lange vor ihr.

Die reizende Läuferin fragte mich ganz verblüfft: »Haben Sie sich denn nicht verletzt?«

»Nein, ich bin absichtlich hingefallen.«

»Absichtlich? Um mich zu täuschen? Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Auf betrügerische Weise zu siegen, ist nicht erlaubt. Also habe ich nicht verloren.«

»O doch! Sie haben verloren, denn ich habe das Ziel vor Ihnen erreicht. List gegen List! Gestehen Sie, daß auch Sie versucht haben, mich zu täuschen, indem Sie plötzlich schnell davon liefen.«

»Das ist aber erlaubt; Ihre List dagegen, lieber Freund, ist von ganz anderer Art.«

»Aber sie hat mir den Sieg verschafft, und:

Vincasi per fortuna o per inganno
Il vincer sempre p›u laudabil cosa.

Ob du durch Glück, ob du durch Täuschung siegtest –
Die Hauptsach‘ ist der Sieg: der ist stets rühmlich.«

»Das habe ich oft meinen Bruder sagen hören, niemals aber meinen Vater. Nun, ich gebe zu, daß ich verloren habe. Befehlen Sie, legen Sie mir meine Buße auf: ich werde gehorchen.«

»Warten Sie. Wir wollen uns setzen, denn ich muß erst nachdenken. –Ich verurteile Sie dazu, mit mir die Strumpfbänder zu tauschen.«

»Die Strumpfbänder? Sie haben sie gesehen; sie sind häßlich und nichts wert?«

»Einerlei; ich werde täglich zweimal an den geliebten Gegenstand denken, und ungefähr zu den gleichen Zeitpunkten werden Sie genötigt sein, an mich zu denken.«

»Der Einfall ist sehr hübsch und für mich schmeichelhaft. Ich verzeihe Ihnen jetzt, daß Sie mich getäuscht haben. Hier sind meine häßlichen Strumpfbänder!«

»Und hier die meinigen.«

»Ach, mein lieber Betrüger, wie sind die schön! Welch hübsches Geschenk! Wie werden sie meiner Mutter gefallen. Ganz gewiß sind sie ein Geschenk, das Ihnen gemacht worden ist; denn sie sind ja ganz neu!«

»Nein, es ist kein Geschenk. Ich habe sie für Sie gekauft, und ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich Sie dazu bringen könnte, sie anzunehmen. Die Liebe gab mir den Gedanken ein, sie als Preis eines Wettlaufes zu verwenden. Jetzt können Sie sich meinen Kummer vorstellen, als ich sah, daß Sie abermals gewinnen würden. Der Verdruß darüber gab mir eine Täuschung ein; aber diese gründete sich auf ein Gefühl, das Ihnen Ehre macht; denn gestehen Sie, Sie hätten doch ein gar zu schlechtes Herz gezeigt, wenn Sie mir nicht zu Hilfe geeilt wären!«

»Und ich bin überzeugt, Sie hätten nicht von dieser List Gebrauch gemacht, wenn Sie hätten ahnen können, wie weh Sie mir damit getan haben.«

»Sie nehmen also recht lebhaften Anteil an mir?«

»Ich würde alles nur Menschenmögliche tun, um Sie davon zu überzeugen. Ich liebe über alle Maßen meine hübschen Strumpfbänder, ich will gar keine andern mehr tragen, und ich bürge Ihnen dafür, mein Bruder soll sie mir nicht stehlen!«

»Wäre er denn dazu imstande?«

»Oh, vollkommen! Besonders, wenn die Schnallen von Gold sind.«

»Sie sind es; aber sagen Sie ihm nur, es sei vergoldetes Kupfer.«

»Sie werden mir doch zeigen, wie diese hübschen Schnallen befestigt werden?«

»Ja, ganz gewiß!«

Wir gingen zum Essen. Nach dem Mahle, dem wir beide gleich viel Ehre antaten, wie ich mich noch jetzt erinnere, wurde sie immer lustiger und ich immer verliebter, aber auch um so beklagenswerter wegen des harten Gesetzes, das ich mir selber auferlegt hatte. Ungeduldig, ihre Strumpfbänder anzulegen, bat sie mich ihr zu helfen, aber in aller Unschuld und ohne jede kokette Nebenabsicht. Ein unschuldiges junges Mädchen, das trotz seinen fünfzehn Lenzen noch nicht geliebt hat und das weder mit anderen jungen Mädchen noch in der Gesellschaft verkehrt hat, ahnt nichts von der Heftigkeit der Liebesbegierden und ebensowenig von den Ursachen, wodurch solche hervorgerufen werden. Ganz gewiß hat sie keinen Begriff von den Gefahren eines Beisammenseins unter vier Augen. Wann der Naturtrieb sie zum erstenmal verliebt macht, glaubt sie, der Gegenstand ihrer Liebe sei jedes Vertrauens würdig, und sie glaubt dessen Liebe nur dadurch erringen zu können, daß sie ihm ein rückhaltloses Vertrauen bezeigt.

Da sich herausstellte, daß ihre Strümpfe zu kurz waren, um die Bänder oberhalb der Knie befestigen zu können, so sagte sie mir, sie würde sie anlegen wenn sie längere Strümpfe trüge; geschickt diesen Umstand benutzend, zog ich die von mir gekauften Strümpfe aus der Tasche und es gelang mir, sie zur Annahme derselben zu bewegen. Fröhlich und voll Dankbarkeit setzte sie sich auf meinen Schoß und gab mir in ihrer überströmenden Freude so viele Küsse, wie sie ihrem eigenen Vater gegeben haben würde, wenn er ihr ein solches Geschenk gemacht hätte. Gewaltsam, immer wieder die Heftigkeit meiner Begierden unterdrückend, gab ich ihr die Küsse zurück; ich sagte ihr nur, ein einziger ihrer Küsse sei mehr wert als ein Königreich.

Meine reizende C. C. zog ihre Strümpfe aus und legte ein Paar von den neuen an, die ihr bis an die Mitte des Oberschenkels reichten. Je unschuldiger ich sie fand, desto weniger wagte ich mich zu entschließen, mich dieser köstlichen Beute zu bemächtigen.

Wir gingen wieder in den Garten hinunter, wo wir bis zum Abend lustwandelten; dann gingen wir in die Oper, wo wir unsere Masken nicht ablegten; denn da das Theater klein war, so hätte man uns erkennen können, und meine reizende Freundin war überzeugt, daß ihr Vater sie nicht mehr hätte ausgehen lassen, wenn er erführe, daß sie solche Vergnügungen mitmachte.

Wir waren sehr erstaunt, ihren Bruder nicht zu sehen. Links von uns saß der spanische Gesandte, Marquis von Montalegre, mit seiner anerkannten Mätresse, Fräulein Bola, rechts von uns zwei Masken, ein Herr und eine Dame, die sich nicht demaskiert hatten. Diese beiden Masken sahen beständig zu uns hinüber, da aber meine junge Freundin ihnen den Rücken zukehrte, so konnte sie nichts davon bemerken. C. C. hatte während des Balletts das Operntextbuch auf die Logenbrüstung gelegt, plötzlich streckte der maskierte Herr die Hand aus und nahm es. Ich schloß daraus, daß wir ihm bekannt sein müßten, und sagte dies meiner Freundin, die sich umwandte und ihren Bruder erkannte. Die Dame konnte nur seine Freundin C. sein. Da P. C. die Nummer unserer Loge wußte, hatte er einfach die Nebenloge genommen; dies konnte er nicht ohne Absicht getan haben, und ich sah voraus, daß er seine Schwester mit der Frau zusammen essen lassen würde. Das ärgerte mich, aber ich konnte die Sache nur verhindern, wenn ich eine offene Aussprache herbeiführte. Und das wollte ich nicht; dazu war ich zu sehr verliebt.

Nach dem zweiten Ballett kam er mit seiner Schönen in unsere Loge. Die üblichen Komplimente wurden ausgetauscht; damit war die Bekanntschaft geschlossen, und wir mußten zum Essen in sein Kasino gehen. Sobald die beiden Damen die Masken abgenommen hatten, umarmten sie sich, und P. C›s. Geliebte überhäufte meine junge Freundin mit Lobeserhebungen und zuvorkommenden Redensarten. Bei Tisch trug sie eine außerordentliche Liebenswürdigkeit zur Schau, und C. C., die von der Welt noch keine Ahnung hatte, kam ihr mit größter Ehrerbietung entgegen. Indessen merkte ich doch, daß C. trotz all ihrer Verstellungskunst den Verdruß durchblicken ließ, den ihr der Anblick der weit überlegenen Reize verursachte, die ich den ihrigen vorgezogen hatte. P. C. war von ausgelassener Lustigkeit und machte unaufhörlich fade Späße, über die nur seine Schöne lachte; ich in meiner schlechten Laune zuckte nur die Achseln darüber, und seine Schwester verstand nichts davon und antwortete ihm daher auch gar nicht darauf. So war denn unsere schlecht zusammengesetzte Quadrille nicht sehr ergötzlich.

Beim Nachtisch küßte P. C., etwas von Wein erhitzt, seine Schöne und forderte mich auf, seinem Beispiel zu folgen und mit seiner Schwester das Gleiche zu tun. Ich antwortete ihm: da ich Fräulein C. C. wirklich liebte, würde ich mir solche Freiheiten nicht eher herausnehmen, als bis ich mir Anrechte auf ihr Herz erworben hätte. P. C. fing an darüber Scherze zu machen, aber C. gebot ihm Schweigen. Für diese anständige Handlungsweise dankbar, zog ich das von mir gekaufte Dutzend Handschuhe aus der Tasche, schenkte ihr sechs davon und bat meine Freundin, die anderen anzunehmen. P. C. stand hohnlachend vom Tisch auf, zog seine Geliebte, die ein bißchen im Weinberge des Herrn war, mit sich fort und warf sich mit ihr auf ein Kanapee. Da die Szene schlüpfrig wurde, stellte ich mich so hin, daß ich die Gruppe verdeckte und zog meine Freundin sanft in eine Fensternische hinein. Doch hatte ich nicht verhindern können, daß C. C. in einem Spiegel die Stellung der beiden Schamlosen sah. Sie war glühendrot im Gesicht; da ich aber nur ganz anständige Bemerkungen machte, so sprach sie von ihren schönen Handschuhen, die sie auf der Fensterbrüstung glattstrich. Nach seiner rohen Heldentat kam P. C. frech auf mich zu, um mich zu umarmen; seine schamlose Gefährtin folgte seinem Beispiel und küßte meine junge Freundin, indem sie sagte, sie sei überzeugt, daß sie nichts gesehen habe. C. C. antwortete ihr bescheiden, sie wüßte nicht, was sie hätte sehen können; aber ein Blick, den sie mir zusandte, ließ mich erraten, was sie dabei empfand. Wie mir selber dabei zumute war, das mag der Leser sich vorstellen, wenn er das Menschenherz kennt. Einen solchen Vorgang mußte ich ertragen in Gegenwart eines unschuldigen Mädchens, das ich anbetete! Und dabei mußte ich meine eigenen Begierden bekämpfen, um mich nicht gegen sie zu vergehen! Ich war wie auf glühenden Kohlen. Zorn und Entrüstung stritten in mir mit der Zurückhaltung, die geboten war, um mir das geliebte Wesen zu erhalten. Ich zitterte an allen Gliedern. Die Herren Erfinder der Hölle hätten gewiß auch diese Qual unter ihr Rüstzeug aufgenommen, wenn sie sie gekannt hätten. Der schamlose P. C hatte mit seinem rohen Streich mir einen großen Beweis seiner Freundschaft abzulegen geglaubt; aus der Entehrung seiner Geliebten und aus dem Zartgefühl seiner Schwester, die er der Prostitution preisgab, machte er sich eben gar nichts. Ich begreife noch jetzt nicht, wie ich es über mich gewann, ihn nicht zu erdrosseln. Als er am andern Tage mich besuchte, überschüttete ich ihn mit Vorwürfen; er suchte sich damit zu entschuldigen, daß er mir sagte, er würde es niemals getan haben, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, ich hätte bei unserem Alleinsein mit seiner Schwester bereits dasselbe gemacht, wie er vor unseren Augen mit seiner Geliebten.

Meine Liebe zu C. C wurde mit jedem neuen Tage inniger und heißer, und ich war entschlossen, alles zu wagen, um sie davor zu schützen, daß ihr elender Bruder sie an irgend jemanden verhandelte, der vielleicht weniger bedenklich sein möchte als ich. Die Sache schien mir dringlich zu sein. Welch ein Greuel! Was für eine unerhörte Verführung! Welch seltsames Verfahren, um meine Freundschaft zu gewinnen! Dabei sah ich mich in die harte Notwendigkeit versetzt, dem Menschen gegenüber, den ich auf der ganzen Welt am tiefsten verachtete, mich zu verstellen. Ich hatte durch meine Erkundigungen erfahren, daß er überschuldet war und daß er in Wien, wo er Frau und Kinder hatte, Bankerott gemacht hatte; daß er in Venedig seinen Vater in Ungelegenheiten gebracht hatte, so daß dieser ihn aus dem Hause jagen mußte und nur aus Mitleid sich stellte, als wüßte er nicht, daß er immer noch dort wohnte. Er hatte seine Frau oder vielmehr seine Geliebte verführt; deren Mann wollte nichts mehr von Ihr wissen, und nachdem er ihr ganzes Vermögen verzehrt hatte, suchte er daraus Nutzen zu ziehen, daß sie sich prostituierte, denn er wußte nicht mehr aus noch ein. Seine arme Mutter, die ihn vergötterte, hatte ihm alles gegeben, was sie besaß, sogar ihre Schmucksachen und Kleider. Auch ich sah voraus, daß er mich von neuem wegen irgend eines Darlehens oder wegen einer Gutsage belästigen würde; aber ich war fest entschlossen, ihm alles abzuschlagen. Unerträglich war mir der Gedanke, daß C. C. die unschuldige Ursache meines Ruins werden und ihrem Bruder als Werkzeug dienen sollte, um seinen ausschweifenden Lebenswandel fortführen zu können.

Von einem unwiderstehlichen Gefühl aufrichtiger Liebe angetrieben, suchte ich schon am nächsten Tage P. C. auf. Ich sagte ihm, daß ich seine Schwester mit den reinsten Absichten liebte, und machte ihm bemerklich, welche Qual er mir bereitet hätte, indem er alle Rücksichten und sogar jene Scham verletzt hätte, die auch der durchtriebenste Wüstling niemals außer acht lassen darf, wenn er Anspruch darauf machen will, zur guten Gesellschaft zu gehören.

»Und sollte ich selbst«, so rief ich, »auf das Vergnügen verzichten müssen, Ihre engelsgleiche Schwester noch fürderhin zu sehen, so bin ich entschlossen, nicht mehr mit Ihnen zusammenzukommen; aber ich sage Ihnen, ich werde zu verhindern wissen, daß sie mit Ihnen ausgeht; denn es soll nicht von neuem irgendein niederträchtiger Handel mit ihr getrieben werden.«

Abermals entschuldigte er sich mit seiner Trunkenheit; er habe auch nicht geglaubt, daß ich für seine Schwester eine Liebe empfände, die den Genuß ausschlösse. Er bat mich um Verzeihung, indem er mich weinend umarmte, und ich hätte mich vielleicht erweichen lassen, als plötzlich seine Mutter und Schwester eintraten und mir in überschwenglicher Weise für mein hübsches Geschenk dankten. Ich antwortete der Mutter, ich liebte ihre Tochter nur in der Hoffnung, daß sie sie mir zur Gattin geben würde.

»In dieser Hoffnung, gnädige Frau, werde ich mit Ihrem Herrn Gemahl sprechen, sobald ich mir eine sichere Stellung errungen habe, die mich in Stand setzt, sie angemessen zu unterhalten und sie glücklich zu machen.« Mit diesen Worten küßte ich ihr die Hand; ich war dabei so bewegt, daß mir die Tränen über die Wangen rollten. Meine Tränen waren ansteckend, und die gute Mutter ließ auch die ihrigen fließen. Nachdem sie mir herzlich gedankt hatte, ließ sie mich allein mit ihrer Tochter und mit ihrem Sohn, der starr wie eine Bildsäule dastand.

Es gibt auf der Welt viele Mütter dieser Art, und sehr oft sind dies gerade solche, die beständig keusch und züchtig gewesen sind: sie argwöhnen keine Täuschung, weil sie an sich selber keine anderen Beweggründe kennen als solche der Tugend; aber sie fallen fast alle ihrer Vertrauensseligkeit zum Opfer und der Zuversicht, die sie auf die von ihnen für rechtschaffen gehaltenen setzen. Die Worte, die ich der Mutter gesagt hatte, setzten die Tochter in Erstaunen; aber ihr Erstaunen wurde noch viel größer, als sie erfuhr, was ich zu ihrem Bruder gesagt hatte. Nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte, sagte sie ihm, mit jedem anderen außer mir würde sie verloren gewesen sein; sie würde an Stelle seiner Dame ihm nicht verziehen haben; denn sein Benehmen habe diese ebenso tief entehrt wie ihn selber. P. C. weinte; aber der falsche Kerl vermochte seinen Tränen stets nach Belieben zu gebieten.

Es war Pfingstsonntag, und da deshalb im Theater keine Vorstellung war, so sagte er mir, wenn ich am nächsten Tage mich am selben Orte wie sonst einfinden wollte, würde er mir seine Schwester zuführen, und da die Ehre ihm nicht erlaubte, Frau C. allein zu lassen, so würden sie uns unsere volle Freiheit gönnen. »Ich gebe Ihnen meinen Schlüssel, und Sie bringen meine Schwester nach Hause, nachdem Sie mit ihr zu Abend gegessen haben, wo Sie Lust haben.«

Mit diesen Worten gab er mir den Schlüssel, den zurückzuweisen ich nicht stark genug war, und ließ uns allein. Einen Augenblick nach ihm ging auch ich, indem ich meiner Freundin sagte, wir würden am andern Tage in den Garten auf der Zuecca gehen.

»Mein Bruder«, sagte sie, »hat sich so anständig benommen, wie es unter diesen Umständen möglich war.«

Pünktlich war ich am verabredeten Ort und da ich vor Liebe glühte, so sah ich voraus, wie es kommen würde. Ich hatte natürlich eine Loge in der Oper besorgt, aber bis zum Abend gingen wir in unseren Garten. Da Festtag war, saßen mehrere kleine Gesellschaften an getrennten Tischen. Wir wollten nicht mit anderen Leuten in Berührung kommen und beschlossen daher, in den Zimmern zu bleiben, die wir uns anweisen ließen, und von der Oper uns nur den Schluß anzusehen. Ich bestellte demgemäß ein gutes Abendessen. Wir hatten sieben Stunden vor uns, und meine reizende Freundin sagte mir, wir würden uns nicht langweilen. Sie warf ihr Maskenkleid ab, setzte sich auf meinen Schoß und sagte mir, ich hätte sie vollends erobert durch die Art und Weise, wie ich sie nach jenem abscheulichen Abendessen geschont hätte. Alle unsere Gespräche aber waren von Küssen begleitet, die immer feuriger und feuriger wurden.

»Hast du gesehen,« fragte sie mich, »was mein Bruder mit seiner Dame machte, als sie sich rittlings auf ihn setzte? Ich sah es nur im Spiegel, aber ich konnte es mir wohl vorstellen.«

»Hast du nicht befürchtet, ich könnte dich ebenso behandeln?«

»Nein, das kann ich dir versichern! Wie hätte ich dies befürchten können? Ich weiß doch, wie sehr du mich liebst. Du würdest mich dadurch so gedemütigt haben, daß ich dich nicht mehr hätte lieben können. Wir sparen uns das solange auf, bis wir verheiratet sind, nicht wahr, mein lieber Freund! Du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Freude ich empfand, als ich dich meiner Mutter gegenüber deine Gesinnungen erklären hörte. Wir werden uns ewig lieben. Aber da fällt mir ein, Liebster, erkläre mir doch die Worte, die auf den Strumpfbändern gestickt stehen.«

»Ist eine Inschrift darauf? Das wußte ich gar nicht.«

»O ja; sie ist französisch. Mache mir doch die Freude und lies sie.«

Auf mir sitzen bleibend, machte sie das eine Strumpfband ab, während ich ihr das andere löste. Die beiden Verse hätte ich lesen sollen, ehe ich ihr das Geschenk machte, sie lauteten:

En voyant chaque jour le bijou de ma belle, Vous lui direz, qu’amour veut, qu‘ il lui soit fidèle.

Ihr, die ihr täglich meiner Schönen Kleinod seht, Sagt ihm: die Liebe will, daß sie in Treu besteht.

Diese Verse waren ohne Zweifel sehr frei, aber sie schienen mir gut gemacht, komisch und geistvoll. Ich lachte laut auf und lachte noch lauter, als ich auf ihren dringenden Wunsch ihr den Inhalt übersetzen mußte. Da ihr der Gegenstand ganz neu war, mußte ich mich in eine Erklärung der Einzelheiten einlassen, wodurch wir beide in Feuer gerieten. »Ich werde nun nicht mehr wagen,« sagte sie, »meine Strumpfbänder irgend einem Menschen zu zeigen, und das tut mir leid.«

Und da ich ein nachdenkliches Gesicht machte, fuhr sie fort: »Sage mir, woran denkst du?«

»Ich denke, diese glücklichen Strumpfbänder genießen eines Vorzugs, den ich vielleicht niemals haben werde. Wie gerne möchte ich an ihrer Stelle sein. An diesem Wunsche werde ich vielleicht sterben, und ich werde glücklich sterben.«

»Nein, mein Freund! Mir geht es ja genau wie dir, und ich bin überzeugt, daß ich leben werde. Ubrigens können wir ja unsere Heirat beschleunigen. Ich bin bereit, mich schon morgen mit dir zu verloben, wenn du willst. Wir sind frei, und mein Vater wird seine Einwilligung geben müssen.«

»Da hast du recht; die Ehre würde ihn dazu zwingen. Ich beabsichtige jedoch, um ihm ein Zeichen meiner Ehrfurcht zu geben, ihn durch einen andern um deine Hand zu bitten; dann werden wir bald unser eigenes Heim haben. In acht oder zehn Tagen wird er meinen Antrag erhalten.«

»Sobald schon? Du wirst sehen, er antwortet, ich sei zu jung.«

»Und da hat er vielleicht recht.«

»Nein, denn ich bin zwar jung, aber nicht zu jung, und ich bin überzeugt, ich kann deine Frau sein.«

Ich befand mich auf glühenden Kohlen, und es war mir fast unmöglich, dem Feuer, das mich verzehrte, noch länger Widerstand zu leisten.

»Oh, meine holde Geliebte,« rief ich aus, »bist du auch davon überzeugt, daß ich dich liebe. Hältst du mich für fähig dich zu betrügen? Bist du auch sicher, daß du niemals bereuen wirst, meine Gattin geworden zu sein?«

»Ich bin dessen mehr als gewiß, mein Herz; denn du kannst mich nicht unglücklich machen wollen.«

»Nun, so laß uns denn gleich in diesem Augenblick uns vermählen. Gott allein wird Zeuge unserer Schwüre sein, und einen besseren Zeugen können wir nicht haben, denn er kennt die Reinheit unserer Absichten. Schwören wir uns gegenseitig Treue, vereinigen wir unsere Geschicke und seien wir glücklich. Wir werden das Band unserer Zärtlichkeit, das uns vereint, durch die Zustimmung deines Vaters und durch die feierlichen Handlungen der Religion verstärken, sobald es uns möglich sein wird. Bis dahin aber sei mein! sei ganz und gar mein!«

»Nimm mich hin, mein Freund! Ich verspreche Gott und dir: von diesem Augenblick an will ich mein ganzes Leben lang deine treue Gattin sein. Dies werde ich auch meinem Vater, dem Priester, der unseren Bund einsegnen wird, und überhaupt der ganzen Welt erklären.«

»Und ich schwöre dir das Gleiche, meine zärtliche Freundin, und ich versichere dir, wir sind hiermit in unanfechtbarer Weise verheiratet. Komm in meine Arme und vollende mein Glück.«

»O mein Gott! Ist es möglich, daß ich dem Glück so nahe bin!«

Nachdem ich sie zärtlich umarmt hatte, ging ich hinaus und sagte der Wirtin des Kasinos, sie sollte uns das Essen erst bringen, wenn wir sie rufen würden, und möchte uns nicht stören. Inzwischen hatte meine reizende C. C. sich völlig angekleidet aufs Bett geworfen, aber ich sagte ihr, unangebrachte Hüllen schüchterten den Gott der Liebe ein, und machte in weniger als einer Minute aus ihr eine neue Eva, nackt und schön, wie wenn sie eben erst aus den Händen des allerhöchsten Schöpfers hervorgegangen wäre. Ihre atlasglatte Haut war von blendender Weiße, die durch ihr prachtvolles ebenholzschwarzes Haar, das sich über ihre Alabasterschultern gebreitet hatte, noch mehr hervorgehoben wurde. Ihre schlanke Gestalt, ihre breiten Hüften, ihre tadellos gerundete Büste, ihre Rosenlippen, ihre lebhaft angehauchte Hautfarbe, ihre großen Augen, die sanft schimmerten und im nächsten Moment sehnend aufblitzten – alles an ihr war von vollendeter Schönheit und bot meinen gierigen Blicken die ganze Vollkommenheit der Mutter der Liebesgötter dar, noch vermehrt durch den Zauber, den die Schamhaftigkeit über die Reize eines schönen Weibes ausbreitet.

Ganz außer mir, begann ich schon zu fürchten, mein Glück sei nicht wirklich oder es werde der vollkommene Genuß ausbleiben, um es vollständig zu machen, da beliebte es dem schalkhaften Amor gerade in diesem so ernsten Augenblick mir Stoff zum Lachen zu bieten. »Sollte es etwa ein Gesetz sein,« fragte meine Gattin mich, »daß der Gatte sich nicht entkleiden darf?«

»Nein, mein Engel, nein! Und wenn es ein solches gäbe, würde ich es zu barbarisch finden, um mich ihm zu unterwerfen.« Im Nu hatte ich alle Kleider von mir abgeworfen, und nun überließ sich meine Liebste allen Antrieben ihres Instinkts und ihrer Neugier; denn alles an mir war ihr neu! Gleichsam berauscht von dem Genuß, den ihre Augen hatten, preßte sie mich endlich heftig gegen ihren Busen und rief: »O Liebster, welcher Unterschied ist zwischen dir und meinem Kopfkissen!«

»Deinem Kopfkissen, mein Herz? Aber du lachst ja – erkläre es mir doch!«

»Es ist eine Kinderei. Aber du wirst doch nicht böse darüber sein?«

»Böse? Könnte ich wohl im süßesten Augenblick meines Lebens dir böse sein?«

»So höre denn! Seit mehreren Tagen konnte ich nicht einschlafen, wenn ich nicht mein Kopfkissen in den Armen hielt: ich liebkoste es, nannte es meinen lieben Mann. Ich stellte mir vor, es sei du, und wenn ich dann nach süßem Genuß unbeweglich dalag, schlief ich ein, und am Morgen beim Erwachen fand ich mein großes Kissen immer noch in meinen Armen.«

Meine liebe C. C. wurde mit Heldenmut mein Weib, denn im Uberschwang ihrer Liebe wurde sogar der Schmerz ihr zur Wonne. Nachdem wir drei Stunden mit den süßesten Kämpfen verbracht hatten, stand ich auf und rief hinunter, man sollte uns das Essen bringen. Das Mahl war einfach, aber köstlich. Ohne zu sprechen sahen wir uns nur immer an, denn welche Worte hätten wir sagen können, um unsere Gefühle würdig auszudrücken. Wir fanden unser Glück übermenschlich, und wir gaben uns dem Genusse desselben hin in der Überzeugung, daß wir es nach unserm Belieben jederzeit erneuern könnten.

Die Wirtin kam nach oben, um uns zu sagen, ob wir irgend etwas wünschten und ob wir nicht in die Oper gingen, die – wie sie gehört hätte – so schön sein sollte.

»Sind Sie denn niemals drin gewesen.«

»Niemals. Für Leute unseres Standes ist so etwas zu teuer. Meine Tochter ist aber so neugierig darauf, daß ich – Gott verzeih‘ mir! – daß ich glaube, sie würde ihre Jungfernschaft hingeben, um ein einziges Mal das Vergnügen zu haben, die Oper zu besuchen!«

»Das wäre eine teure Bezahlung!« rief lachend meine kleine Frau. »Liebster, wir könnten sie doch glücklich machen, ohne daß es ihr so hoch zu stehen käme, denn das tut sehr weh!«

»Ich dachte auch schon daran, Liebste. Da hast du den Logenschlüssel, du kannst ihn ihnen schenken.«

Sie sagte darauf zur Wirtin: »Hier ist der Schlüssel zu einer Loge im Theater San Moisè. Sie kostet zwei Zechinen. Gehen Sie statt unserer hin und sagen Sie Ihrer Tochter, sie möchte ihre Rose für etwas Besseres aufsparen.«

»Und damit Sie sich gut unterhalten können, Mütterchen,« sagte ich zu ihr, »haben Sie hier noch zwei Zechinen: lassen Sie Ihre Tochter sich recht gut amüsieren!«

Die gute Frau war ganz verblüfft über die Freigebigkeit ihrer Gäste; sie lief eilends zu ihrer Tochter, wir aber wünschten uns Glück, daß wir auf diese Art uns in die Zwangslage versetzt hatten, uns wieder zu Bett legen zu müssen.

Die Wirtin kam mit ihrer Tochter zurück, einer schönen und sehr appetitlichen Blonden, die ihren Wohltätern durchaus die Hand küssen wollte. »Sie wird sofort mit ihrem Schatz fortgehen,« sagte die Mutter zu uns; »er ist unten, aber ich werde sie nicht alleine gehen lassen, denn er ist ein Schlingel, ich gehe mit ihnen!«

»Schön, gute Frau, aber wenn Sie wiederkommen, lassen Sie die Gondel warten, die Sie bringt; wir werden uns ihrer bedienen, um nach Venedig zurückzufahren.«

»Was? Sie wollen hier bleiben, bis wir zurückkommen?«

»Ja. Wir haben uns heute verheiratet.«

»Heute! Gott segne Sie!«

Als sie darauf an das Bett trat, um es zurechtzumachen, sah sie die ehrenvollen Beweise für die Jungfräulichkeit meiner Gattin. In einer freudigen Aufwallung lief Sie auf meine teure C. C. zu und umarmte Sie; hierauf begann sie eine Ansprache an ihre Tochter zu halten, indem sie ihr die Blutspuren zeigte, die nach ihrer Behauptung einer Neuvermählten unermeßliche Ehre machten. »Das sind ehrwürdige Zeichen,« rief sie, »die in unseren Tagen Hymen nur selten auf seinem Altare sieht!«

Die Tochter schlug ihre schönen blauen Augen nieder und antwortete ihr, sie sei überzeugt, daß es bei ihrer Hochzeit genau ebenso sein werde.

»Davon bin ich auch überzeugt; denn ich lasse dich nicht aus den Augen. Hole jetzt Wasser in dieser Schale und bringe es hierher; das reizende Bräutchen wird es nötig haben.«

Die Tochter gehorchte. Nachdem dann die Frauen wieder hinausgegangen waren, legten wir uns wieder zu Bett, und mit unglaublicher Schnelligkeit vergingen vier Stunden in köstlichen Verzückungen. Unser letzter Kampf würde länger gedauert haben, wenn nicht meiner reizenden Freundin die Laune gekommen wäre, die Rollen zu tauschen und meine Stelle einzunehmen. Erschöpft von Glück und Genuß, schliefen wir ein und erwachten erst, als die Wirtin kam und uns sagte, daß die Gondel auf uns wartete. Sofort stand ich auf und öffnete ihr. Ich hoffte, es würde etwas zu lachen geben, wenn sie uns von der Oper erzählte. Dies überließ sie aber ihrer Tochter, die mit ihr heraufgekommen war; sie selber ging in die Küche, um Kaffee für uns zu machen. Die Blonde half meiner Freundin beim Ankleiden; dabei warf sie mir von Zeit zu Zeit Blicke zu, die mich auf den Gedanken brachten, sie möchte wohl mehr Erfahrung haben, als ihre Mutter vermutete.

Die Augen meiner reizenden Freundin waren höchst verräterisch; sie trugen die unverkennbaren Spuren ihrer ersten Liebesleistungen; sie mußte aber auch wirklich nach einem solchen Kampf, wie sie ihn bestanden hatte, eine ganz andere geworden sein.

Wir tranken recht heißen Kaffee, und ich sagte der Wirtin, sie solle für den nächsten Tag ein leckeres Essen bereit stellen. Dann gingen wir. Der Morgen begann zu grauen, als wir, um die neugierigen Gondelführer auf falsche Spuren zu locken, am Platz Santa Sofia an Land gingen. Wir trennten uns glücklich, zufrieden und völlig überzeugt, daß wir uns in allen Ehren verheiratet hätten. Ich ging mit dem festen Vorsatz zu Bett, durch das Orakel Herrn von Bragadino zu verpflichten, daß er mir in aller Form Rechtens die Hand meiner angebeteten C. C. verschaffte. Ich blieb bis Mittag im Bett; den Rest des Tages verbrachte ich damit, unglücklich zu spielen, wie wenn das Glück mir hätte kundtun wollen, daß es mit meiner Liebe nicht einverstanden sei.