Mit Tagesanbruch sprangen die beiden Frauen aus dem Bett, packten einige Eßwaren, die sie schon am Abend vorher gekocht hatten, in einen großen Deckelkorb und setzten diesen der Magd auf den Kopf. Diese ging voraus, eine Korbflasche Korserwein in der Hand, hinter ihr kam Toni mit einem Tischtuch und drei Mundtüchern über dem Arm. Diese waren für die Mahlzeit, die die Magd nach dem Weinberg brachte. Dort angekommen, breiteten sie das Tuch über einen Steintisch, der in einer Laube neben dem Brunnen stand; dann machte die wackere Magd den Korb auf, holte erst das Salz heraus und legte es auf den Tisch, hierauf die sauber zusammengefalteten Mundtücher und dann die Messer. Und da die Sonne bereits in vollem Glanze zu strahlen begann, so beeilten sie sich mit dem Frühstück, damit das heiße Himmelsgestirn nicht mitäße. Nach der Mahlzeit aßen sie zum Zeitvertreib noch einen halben Quarkkäse, und dann ließen sie die Magd verzehren, was übriggeblieben war, einschließlich des andern halben Käses und des Weinrestes, worauf Antonia ihr sagte: »Räume nachher alles ab!« Dann machten Nanna und Antonia zweimal die Runde um den Weinberg und setzten sich endlich auf den Platz, auf dem sie die Tage vorher gesessen hatten. Und nachdem sie sich ein bißchen ausgeruht hatten, begann die Antonia.

Antonia: Beim Ankleiden mußte ich so bei mir selber denken, es wäre doch famos, wenn einer deine Erzählungen niederschriebe; derselbe müßte dann auch das Leben der Priester und Mönche und Pfarrer beschreiben; da würden dann die von dir durchgehechelten weidlich über jene lachen, die sich ja gewiß auch über uns amüsieren werden, die wir uns einbilden, besonders gewitzigt zu sein, und dabei nur zu unserem eigenen Schaden reden. Mir ist’s bereits, als ob irgendein Meister Soundso schon am Schreiben sein müßte, denn mir klingen die Ohren. Also wird es in Erfüllung gehen.

Nanna: Wie könnte das auch anders sein! Aber wir wollen uns nun den Erlebnissen zuwenden, die meine Mutter und ich gleich nach unserer Ankunft in Rom hatten.

Antonia: Bitte, nur zu!

Nanna: Wenn ich mich recht erinnere, kamen wir am Tage vor Sankt Peter, und Gott weiß, was für ein Vergnügen mir das Feuerwerk und die Raketen machten, die auf der Engelsburg abgebrannt wurden. Es war eine abscheulich schöne Kanonade, und nachher spielten die Pfeifer, und dann wie lustig war das Menschengedränge auf der Brücke, im Borgo und bei den Bänken!

Antonia: Wo wart ihr denn zuerst abgestiegen?

Nanna: Bei Torre di Nona in einem möblierten Zimmer, das ganz und gar mit Tapeten ausgeschlagen war. Die Wirtin war ganz vernarrt in mich von wegen meiner Anmut und Schönheit, und als wir kaum acht Tage da waren, sprach sie ein Wörtlein über mich mit einem Kavalier. Da hättest du am anderen Tage schon sehen sollen, wie die Stutzer, gleich spatlahmen Pferden, vor unserem Hause auf und ab promenierten und sich beklagten, daß ich mich nicht nach Herzenslust von ihnen begaffen ließ. Ich stand nämlich hinter einem Fensterladen, den ich nur ab und zu mal ein bißchen in die Höhe hob und gleich wieder niederließ, nachdem ich kaum das halbe Gesicht herausgestreckt hatte. Und obwohl ich ohnedies schön war, so machte doch dieses Aufblitzen meiner Reize ein Wunder an Schönheit aus mir. Dadurch wurden sie dann erst recht lüstern, mich zu sehen, und man sprach in ganz Rom bloß noch von der neu angekommenen Fremden. Und da, wie du weißt, das Neue immer gefällt, so rückten die Neugierigen sozusagen in Reih und Glied an, um mich zu sehen, und unsere Hauswirtin hatte keinen Augenblick mehr Ruhe, weil fortwährend an die Tür geklopft wurde. Du kannst dir wohl denken, warum sie klopften und was sie der Frau alles versprachen, wenn sie die Vermittlerin machen wollte. Meine kluge Frau Mutter aber, von der ich alles gelernt hatte, was ich getan hatte, tat und noch tun sollte, die wollte von solchen Sachen nichts hören und rief: »Was? sehe ich denn aus wie eine von der Sorte? Das wolle Gott nicht, daß meine Tochter zu Fall käme! Ich bin von adeligem Stande, und wenn wir auch augenblicklich im Unglück sind, so haben wir, Gott sei Dank, doch noch soviel übrig, daß wir uns durchs Leben schlagen können.« Solche Reden brachten meine Schönheiten überall nur noch mehr in Ruf. Vielleicht hast du mal einen Sperling gesehen, der zur Luke eines Kornbodens hereinfliegt, zehn Körnchen aufpickt und wieder fortfliegt, nach einer Weile mit zwei anderen zum Futter zurückkehrt, dann wiederum fortfliegt und mit vieren wiederkommt, dann mit zehn, dann mit dreißig und schließlich mit einer ganzen Wolke von lauter Spatzen. So schwärmte es rings um unser Haus von lauter Liebhabern, die alle mit ihrem Schnabel auf meinem Fruchtboden picken wollten. Ich konnte mich gar nicht satt sehen an all den feinen Kavalieren und guckte mir hinter meinem Fensterladen die Augen aus dem Kopf! Wie sie einherstolzierten in ihren Wämsern von Samt und Atlas, mit einer Agraffe am Barett, goldene Ketten um den Hals, und auf Pferden, die so blank waren wie Spiegel. So ritten sie ganz sachte, sachte vorbei, ihre Bedienten an den Steigbügeln, auf die sie nur die alleräußersten Fußspitzen aufstützten; und ihren Taschenpetrarca in der Hand, sangen sie gar zierlich:

›Wenn dies nicht Liebe ist – was fühl ich denn?« 54

Bald hielt dieser, bald jener vor dem Fenster, hinter welchen ich ›Guck-guck‹ spielte, sein Rößlein an und sprach: »Signora, seid Ihr so mörderisch grausam, daß Ihr so viele treue Diener umkommen lasset?« Dann hob ich ein wenig den Vorhang hoch, ließ ihn aber mit einem leisen Lächeln gleich wieder fallen und eilte hinweg; er aber ritt davon mit einem ›Küß die Hand, Euer Gnaden!‹ und ›Gott im Himmel, wie seid Ihr grausam!‹

Antonia: Ah! Heut bekomm ich ja das Allerschönste zu hören!

Nanna: Das war nun eine Zeitlang so fortgegangen, da beschloß eines Tages meine kluge Frau Mutter, eine kleine Vorstellung mit mir zu geben; indessen sollte alles so aussehen, als ob es der reine Zufall wäre. Sie zog mir also ein ganz einfaches violettes Atlaskleid ohne Ärmel an und kämmte mir die Haare zurück, daß du hättest schwören mögen, es seien keine Haare, sondern golddurchwirkte Seidensträhnen.

Antonia: Warum mußtest du ein Kleid ohne Ärmel anziehen?

Nanna: Um meine schneeweißen Arme zu zeigen. Sie ließ mich mein Gesicht mit einem sehr kräftigen Wasser waschen, sonst aber keine Schminke auflegen, und als dann ein recht voller Strom von Kavalieren am Hause vorbeizog, mußte ich ans offene Fenster treten. Mein Anblick wirkte auf sie wie der Stern von Bethlehem auf die Weisen aus dem Morgenland. Sie wurden alle ganz fröhlich, legten die Zügel auf die Hälse ihrer Pferde und sahen mich so voll Genuß an, wie die Stromer sich von der Sonne bescheinen lassen. Und wie sie mich so mit zurückgelegten Köpfen unverwandt anblickten, da sahen sie aus wie jene Tiere, die vom anderen Ende der Welt kommen und bloß von Luft leben.

Antonia: Du meinst das Chamäleon?

Nanna: Ganz recht. Und sie schwängerten mich mit ihren Blicken, wie jene Vögel, die wie Sperber aussehen, aber keine sind, mit ihrem Gefieder die Nebelwolken schwängern.

Antonia: Du meinst die Ziegenmelker?

Nanna: Natürlich, die Ziegenmelker!

Antonia: Was machtest du denn, während sie dich angafften?

Nanna: Ich stellte mich schamhaft wie eine Nonne, sah sie fest und unbefangen an wie eine Ehefrau und benahm mich dabei wie eine Hure.

Antonia: Ausgezeichnet!

Nanna: Nachdem ich nun etwa eine drittel Stunde lang mich hatte begucken lassen und das Getuschel der Kavaliere untereinander im schönsten Gange war, kam meine Mutter ans Fenster und ließ sich auch einen Augenblick sehen, wie wenn sie sagen wollte: ›Das ist meine Tochter.‹ Dann nahm sie mich mit sich. Da saßen nun die angeführten Maulaffen auf dem trocknen wie ein Netz voll gefangener Fische, und vor Ungeduld hüpften sie herum und zappelten wir Barben und Rotaugen außerhalb des Wassers. Sowie es Nacht wurde, da ging es ticktack! tack! an der Tür. Unsere Wirtin ging hinunter, meine Mutter aber stellte sich auf die Treppe, um zu hören, was der Klopfende zu sagen hätte. Dieser hatte sich ganz dicht in seinen Mantel gewickelt und sagte: »Was ist das für eine, die vorhin am Fenster stand?« – »’s ist die Tochter einer fremden Edeldame«, antwortete jene. »Soviel ich aus ihren Erzählungen entnommen habe, ist der Vater in den Bürgerkriegen ums Leben gekommen; da ist nun die Arme hierher geflüchtet mit ein paar geringen Habseligkeiten, die sie bei der Flucht hat retten können.« Alle diese Märchen hatte meine Mutter ihr unvermerkt eingetrichtert.

Antonia: ’ne tüchtige Frau!

Nanna: Als der Vermummte das hörte, fragte er: »Auf welche Weise könnte ich wohl die Dame zu sprechen bekommen?« – »Auf gar keine Weise«, antwortete sie; »denn sie will von solchen Sachen nichts hören.« Er erkundigte sich darauf, ob ich wohl noch Jungfer wäre, und unsere Wirtin rief: »Das will ich meinen! Jungfer von der allerreinsten Sorte; man sieht sie fortwährend bloß Ave-Marias kauen.« – »Wer Ave-Marias kaut, spuckt Paternoster«, sagte er, und damit will er ganz keck die Treppe hinaufgehen. Aber das gelang ihm nicht, denn die Wirtin ließ ihn nicht vorbei. Schließlich sagte ihr der Kavalier: »Tu mir wenigstens einen Gefallen: Sag ihr, wenn sie überhaupt jemals einen Anbeter erhören wollte, so würdest du ihr was Schönes geben, wofür sie ihr Leben lang dich segnen würde!« Sie schwor ihm zu, das würde sie tun, bat ihn dann zu gehen, und er ging wirklich; ein Weilchen darauf aber kam sie zu uns herein und sagte: »Ganz gewiß weiß niemand geschwinder einen guten Wein aufzuspüren als ein Zechbruder; Eure Tochter ist aufgestöbert; diese Bracken von Kavalieren sind ja sofort hinter jeder Wachtel her. Ich sage Euch das, weil einer in höchsteigener Person hier war und mit Euch zu sprechen begehrte.« – »Nein, nein!« rief meine Mutter. »Nein, nein!« Die Wirtin aber hatte eine wahre Schlangenzunge und fuhr fort. »Wenn eine eine kluge Frau sein will, so gehört dazu vor allen Dingen, daß sie die Gelegenheit zu nutzen weiß, wenn der liebe Gott sie ihr gibt; der Kavalier ist ein Mann, der für Euch eine Goldgrube werden kann.« Dann sagte sie bloß noch: »Überlegt es Euch!« und ließ uns allein. Am anderen Morgen setzte sie uns ein sehr hübsch angerichtetes Frühstück vor und klopfte dabei wieder auf den Busch und setzte meiner Mutter, die ja für einen guten Rat nicht taub war und ihren Nutzen recht geschickt wahrzunehmen wußte, dermaßen zu, daß sie sich mit allem einverstanden erklärte. Sie versprach ihr also, sie wolle ihrem Freund Gehör schenken, und dieser Herr glaubte, er hätte Ware von allererster Güte gekauft, indem er bei mir schlafen dürfte. Sie ließ ihn kommen; er tat tausend Schwüre und Eide und gab ein schönes Angeld auf meine Jungfernschaft, für die er außerdem noch ganz Rom und sieben goldene Berge versprach.

Antonia: Famos!

Nanna: Um’s kurz zu machen: Der verabredete Abend kam heran. Erst hatten wir eine Mahlzeit, die schon mehr einem Bankett glich. Ich aber aß höchstens zehn Bissen, die ich mit zusammengepreßten Lippen hinunterwürgte, und trank in zwanzig Schlückchen ein einziges halbes Glas Wein, worin fast nur Wasser war, und sagte kein Sterbenswörtlein. Dann wurde ich in die Kammer unserer Wirtin geführt, die diese uns für die eine Nacht aus gutem Herzen und für einen Dukaten zur Verfügung gestellt hatte. Kaum war ich drinnen, so schloß er die Tür mit dem Riegel, indem er erklärte, er wolle sich allein ausziehen. Er war auch richtig im Handumdrehen damit fertig, legte sich zu Bett und versuchte, mich mit den allersüßesten Schmeichelreden kirre zu machen. Zwischendurch rief er alle Augenblicke: »Ich werde dich einrichten und beschenken, daß du die erste Kurtisane in ganz Rom nicht sollst zu beneiden brauchen.« Die Langsamkeit, womit ich mich auszog, um mich nicht so bald an seine Seite legen zu müssen, wurde ihm schließlich so unerträglich, daß er aus dem Bette sprang und trotz all meinem Sträuben mir die Strümpfe von den Beinen zog. Dann ging er wieder zu Bett und drehte, während ich ebenfalls hineinstieg, das Gesicht nach der Wand, damit ich mich nicht schämen möchte, mich vor einem Manne im Hemd zu zeigen. Ich löschte das Licht aus, obwohl er rief: »Nicht doch! Nicht doch!« und kaum lag ich im Bett, so stürzte er sich mit einer Inbrunst auf mich, und wie eine Mutter ihren bereits als tot beweinten Sohn umarmt – so küßte er mich und umschlang mich mit seinen Armen. Er griff mit den Händen nach meiner Harfe, die aufs beste gestimmt war; trotzdem aber wand ich mich in seinen Armen und tat, als ob ich durchaus nicht wollte. Indessen ließ ich ihn schließlich an die Orgel greifen, als er dann aber die Spule in die Kunkel stecken wollte, da weigerte ich mich entschieden. Er sagte zu mir: »Meine Seele, meine Hoffnung, halte nur ganz still! Wenn ich dir weh tue, darfst du mich totschlagen!« Ich blieb aber hartnäckig, und nun fing er an zu bitten, und während des Bittens tat er einige Stöße, die aber vorbeigingen. Darüber geriet er ganz außer sich, drückte mir seinen in die Hand und rief: »Mach es alleine, ich werde mich nicht rühren!« Ich aber antwortete ihm ganz weinerlich: »Was ist denn das für ’n dickes Ding? Haben denn die anderen Männer auch so große? Ihr wollt mich wohl mitten auseinanderspalten!« Während ich so sprach, hielt ich einen ganz kurzen Augenblick stille, aber gerade als er in der schönsten Erwartung war und ihm schon das Wasser im Munde zusammenlief, kroch ich unter ihm weg, worüber er ganz außer sich geriet. Vom Bitten ging er zu Drohungen über, die er unter greulichen Flüchen ausstieß: »Beim heiligen Donnerwetter! Ich drehe dir das Genick um, ich erwürge dich!« Dabei packte er mich wirklich an der Kehle und drückte sie mir zusammen, aber nur ganz sachte, sachte. Dann fing er wieder an zu betteln, so daß ich ihm versprach, ich wollte ihm jetzt zu Willen sein. Sobald er aber mit der Schaufel ins Ofenloch hineinfahren wollte, weigerte ich mich wieder. Er stand auf und griff nach seinem Hemd, als ob er’s anziehen und dann gehen wollte; da nahm ich ihn aber bei der Hand und rief: »Aber nicht doch! Kommt wieder ins Bett: Ich werde tun, was Ihr verlangt!« Kaum hatte er diese Worte vernommen, so war sein Zorn völlig verraucht; ganz fröhlich küßte er mich und sagte: »Du hast Angst davor; aber es tut nicht weher als ein Mückenstich, ganz gewiß nicht! Paß nur auf, wie sachte ich’s machen werde!« Ich ließ ihn nun ein Stückchen, etwa ein Drittel einer Bohne, eindringen, dann aber kam er nicht weiter, sosehr er auch wütete und tobte. Schließlich rutschte er nach dem Bettrand; da lag er auf den Knien, den Kopf vorgestreckt, den Hintern hoch in der Luft, und vertrieb sich mit der Hand das Gelüste, das er mit mir hatte befriedigen wollen. Hierauf stand er auf und zog sich an und ging in der Kammer auf und ab, aber nicht lange, denn die Nacht, die er um meinetwillen wachend wie eine Nachtschwalbe verbracht hatte, war beinahe herum. Mit einem bitterbösen Gesicht wie ein Spieler, der um all sein Geld und um den Schlaf obendrein gebracht ist, und mit Flüchen, wie einer, den seine Geliebte an die Luft gesetzt hat, öffnete er das Fenster der Kammer, stützte den Ellbogen auf die Brüstung, legte die Wange in die hohle Hand und sah nach dem Tiber, der so blank herüberschien, als ob er ihn wegen jenes Kampfes der ›Fünfe gegen einen‹ noch obendrein auslachte. Während er seinen Gedanken nachhing, schlief ich die ganze Zeit; kaum aber hatte ich die Augen aufgeschlagen und wollte aufstehen, so fuhr er auf mich los, und niemals hat ein Schwarzkünstler beim Geisterbeschwören soviel Gefasel vorgebracht wie er in diesem Augenblick; aber seine Reden waren so vergeblich wie die Hoffnungen von Verbannten. Zuletzt wollte er zufrieden sein, wenn ich ihm einen einzigen Kuß gäbe, aber auch diesen schlug ich ihm ab. Als er im Nebenzimmer meine Mutter mit der Hauswirtin plaudern hörte, rief er sie herein, machte ihnen die Tür auf und rief: »In was für ’ne Mördergrube bin ich hier geraten? solche Sachen machen ja die Räuber im Baccanerwald nicht!« Als er jedoch immer lauter tobte, suchte die Wirtin ihn zu beruhigen, indem sie sagte: »Ja, wenn man’s mit ’ner Jungfer zu tun hat, da ist der Teufel los!« Unterdessen zog ich mich an, ging in meine Kammer und ließ ihn sich mit den beiden Frauen auskrächzen. Der arme Schelm hatte sich in eine Hartnäckigkeit verrannt wie ein Spieler, der durchaus sein verlorenes Geld wiedergewinnen will. Er verließ endlich das Haus; kaum aber war er ’ne Stunde fort, so kam ein Schneider mit einem ganzen Stück grünen Seidentaft, nahm mir Maß und schnitt den Stoff zu einem Kleid für mich ab, das er mir sofort nähen mußte. Auf diese Weise glaubte der Verliebte zu erreichen, daß in der nächsten Nacht alles nach seinen Wünschen verlaufen würde. Ich nahm das Geschenk an, aber ich hielt mich an den Rat meiner Mutter, die, als sie es zu sehen bekam, sofort ausrief: »Der Hammer ist am Schmieden! Bleib nur fest, so wird er dir ein Haus mieten; er muß dir Möbel kaufen, sonst mag er verrecken!« Übrigens hätte ich auch ohne ihre Ermahnungen meine Pflicht nicht vergessen. Gleich darauf werfe ich einen Blick zum Fenster hinaus auf die Straße und seh ihn herankommen. »Da ist er!« ruf ich, gehe ihm auf die Treppe entgegen und sage: »Gott ist mein Zeuge, mit welchem Schmerze ich Euch fortgehen sah, ohne daß Ihr mir auch nur ein Wort zum Abschied gönntet. Nun bin ich aber ganz getröstet, weil Ihr wiedergekommen seid; und wenn ich daran sterben sollte – heute nacht will ich alles tun, was Ihr verlangt!« Als er diese Worte von mir hörte, lief er mit offenem Mund auf mich zu und küßte mich; dann schickte er nach einem guten Frühstück, und wir schlossen fröhlich und munter Frieden. Als es endlich Abend wurde – und, ich glaube, die Zeit wurde ihm so lang wie einem Verliebten, der ein Stelldichein hat, nachdem er sich seit zehn Jahren gesehnt hatte – da ließ er wieder ein Essen auftragen, und als dann die Zeit gekommen war, legten wir uns zusammen in dasselbe Bett, in welchem wir auch die vorige Nacht zugebracht hatten. Als er mich aber seinen verliebten Wünschen nicht geneigter fand als einen Juden zum Geldleihen, wenn er kein Pfand erhält, da konnte er sich nicht mehr halten und gab mir eine tüchtige Tracht Prügel mit der Faust. Ich ließ sie ruhig über mich ergehen und sagte nur zu mir selber: »Die sollst du mir teuer bezahlen!« Es blieb ihm aber nichts weiter übrig, als sich wieder den Saft selber abzuziehen. Er machte das genau wie in der vorhergehenden Nacht, stand auf und stürzte in die Kammer, in der meine Mutter und die Hauswirtin schliefen. Vier geschlagene Glockenstunden stieß er lauter Drohungen gegen mich aus. Als er endlich schwieg, sagte meine Mutter: »Mein werter Herr, seid unbesorgt: In der nächsten Nacht soll sie sterben oder Euch nach Wunsch bedienen; dafür stehe ich Euch!« Mit diesen Worten stand sie auf, gab ihm einen ganz langen Gürtel aus Doppeltaft und sagte: »Hier! Damit müßt Ihr ihr die Hände binden!« Der Schafskopf nahm das Ding, bezahlte wieder Mittag- und Abendessen und ging zum drittenmal mit mir zu Bett. Diesmal fand er mich so störrisch, daß ich ihm nicht mal erlauben wollte, mich auch nur anzurühren. Darüber geriet er in eine solche Wut, daß er mit einem Dolch auf mich losging. Ich will’s dir nur gestehen: Da kriegte ich doch ein bißchen Angst und drehte ihm notgedrungen den Hintern zu, so daß ich seinen Bauch berührte. Diese Einladung verdoppelte seinen Appetit, und er begann an mir herumzustochern. Ich ließ mich von all seinen Bewegungen nicht anfechten, bis ich merkte, daß er auf einen falschen Weg geriet. Als er sich aber erkühnte, dahinein zu wollen, rief ich: »Es wäre wohl besser, wenn Ihr aufwachtet!«, schlüpfte unter seinem Bauch hervor und drehte ihm das Gesicht zu. Er legte mich nun so, daß ich alle Balken der Zimmerdecke zählen konnte, kletterte auf mich hinauf und drang nicht ganz bis zur Hälfte ein. Da fing ich an zu schreien: »O weh, o weh! o weh, o weh!« Er aber ging nicht runter, sondern streckte die Hand aus und holte seine Börse hervor, die er unters Kopfkissen gelegt hatte. Aus dieser nahm er etwa zehn Dukaten und eine ganze Menge Juliusse, drückte mir all das Geld in die Hand und sagte: »Da!« Ich schrie: »Nein, ich will es nicht!«, machte aber schnell die Hand zu und ließ ihn bis zur Hälfte hinein. Weiter kam er nicht, und so ergab er sich darein und spuckte seine Seele aus.

Antonia: Aber warum band er dir denn nicht die Hände mit dem Gürtel?

Nanna: Wie sollte denn einer, der als Legat selbst gebunden war, mich binden können?« 55

Antonia: Du sprichst wie ’s Evangelium.

Nanna: Noch viermal, ehe wir aufstanden, ging sein Rößlein ›bis an die Hälfte unsrer Lebensbahn‹.

Antonia: Ja, so sagt Petrarca.

Nanna: Nein, Dante.

Antonia: Oh! Petrarca!

Nanna: Dante, Dante! Damit war er denn auch zufrieden und stand am anderen Morgen ganz fröhlich auf, und ich auch. Da er nicht bei mir zum Essen bleiben konnte, so schickte er mir die Speisen ins Haus, und am Abend kam er wieder zum Nachtessen, das er ebenfalls bezahlte.

Antonia: Wart mal ’nen Augenblick! Merkte er denn nicht, daß bei dir kein Blut kam?

Nanna: Ganz und gar nicht! Was verstehen denn auch diese feinen Herren von Jungfern und Märtyrern? Ich ließ mitten im Geschäft mein Wasser und gab ihm zu verstehen, es wäre Blut. Wenn sie ihn nur drin haben, so sind sie völlig zufrieden. In dieser vierten Nacht nun ließ ich ihn richtig hinein, und als der Biedermann das merkte, fiel er vor Freude beinahe in Ohnmacht. Am Morgen kam meine Mutter lachend in unsere Kammer, und als sie uns im Bette sah, gab sie mir ihren Segen, grüßte Seine Gnaden und sprach zu ihm, während ich ihn herzte und küßte, so gut ich’s nur gelernt hatte: »Morgen reise ich von Rom ab; ich habe einen Brief aus meiner Heimat bekommen und will dorthin zurückkehren und im Kreise meiner Familie sterben. Rom ist bloß für die gut, die Glück haben, und nicht für die, die keins haben. Gewiß wäre ich ja niemals abgereist, wenn wir nur unsere Güter verkaufen könnten, um hier wenigstens ein Haus zu erwerben. Ich hatte gedacht, ich könnte hier eins mieten, aber meine Gelder bleiben aus, und eine Frau wie ich kann nicht in möblierten Zimmern bei anderen Leuten wohnen.« Ich aber fiel ihr ins Wort und rief: »O liebes Mütterchen, ich bin in zwei Tagen tot, wenn ich von meinem Herzliebsten scheiden muß!«, und dabei gab ich ihm einen Kuß, und zwei Tränchen rannen mir über die Wangen. Er fuhr empor, setzte sich im Bett aufrecht und sagte: »Bin ich denn nicht der Mann dazu, euch ein Haus zu mieten und es fein säuberlich einzurichten? Blix Hurenkind noch mal!« Er ließ sich seine Kleider reichen, zog sich in aller Eile an und stürmte fort. Gegen Abend kam er wieder mit einem Schlüssel in der Hand, zwei Lastträger hinter sich, die mit Matratzen, Bettdecken und Kopfkissen schwer beladen waren. Zwei andere Packträger hatten Bettstellen und Tische; außerdem waren da eine ganze Menge Juden mit Vorhängen, Bettüchern, Zinngeschirr, Eimern und Küchengeräten. Man hätte meinen mögen, eine ganze Familie zöge um. Er holte meine Mutter ab und brachte mit ihr ein ganz reizendes Häuschen jenseits des Flusses in Ordnung. Dann kam er zu mir zurück, bezahlte unsre Hauswirtin, ließ unsere Sachen auf einen Karren laden, und ehe es Nacht war, hatte er mich schon in das neue Häuschen eingeführt. Da lebte er mit mir und gab für seine Verhältnisse ein schönes Stück Geld aus, kann ich dir sagen. Da ich nun nicht mehr am Fenster unserer früheren Wohnung zu sehen war, so erkundigte man sich nach mir und erfuhr bald, wo ich war, und ein Schwarm von Liebhabern summte um mich herum wie Bienen um einen Klimperkasten oder wie Hummeln um ein Blumenbeet. Einer von ihnen, der sich hatte, als ob er um mich sterben wollte, fand Gnade vor meinen Augen, und ich war ihm, unter Vermittlung einer Kupplerin, zu Gefallen. Und da er mir alles gab, was er hatte, so fing ich an, meinem ersten Wohltäter den Rücken zu drehen. Er war natürlich zu sehr ins Zeug gegangen, hatte alle Sachen, die er mir schenkte, auf Pump genommen. Und da er kein Geld hatte, um seine Schulden zu bezahlen, so wurde er mit den Teufeln exkommuniziert und gehängt, wie’s in Rom Brauch ist. Ich aber, die ich vom echten Hurenstamm war, maß dem zweiten jetzt die Liebe ebenso knapp zu, wie ich ihm vorher das Geld knapp gemacht hatte. So fand er denn ab und zu bereits meine Tür zugefroren; dann hielt er mir all das Gute vor, das er mir erzeigt hatte; nichtsdestoweniger aber mußte er ›mit ’nem steifen abziehen‹, wie’s in der Boccaccioschen Novelle vom Gespenst heißt. Nachdem ich nun dem zweiten den Beutel ganz geleert hatte, machte ich mich an einen dritten heran. Kurz, mich hatten alle, die mit Quibus zu mir kamen, wie Gonella sagt. Ich mietete ein großes Haus, hielt mir zwei Zofen und lebte wie die allergrößte Dame. Und glaube nur nicht, daß es mir beim Erlernen der Hurenkünste ging wie jenen Studenten, die voll Pracht zur Hochschule kommen und nach sieben Jahren als Pracher nach Hause zurückkehren. Ich lernte in drei Monaten – was sage ich in dreien? in zweien, in einem! –, wie man den Männern einen Vogel in den Kopf setzt, wie man sich Freunde macht, ihnen das Geld aus dem Beutel lockt, sie zum besten hält, unter Tränen lacht, lachend weint. Das alles werde ich dir noch erzählen. Meine Jungfernschaft verkaufte ich öfter als jene Schelmenpfaffen ihre erste Messe, indem sie in allen Städten an allen Kirchentüren anschlagen, daß sie ihre Primiz zelebrieren würden. Nur einen ganz kleinen Teil von meinen Halunkenstreichen – das ist wirklich der richtige Name dafür –, die ich den Männern spielte, will ich dir erzählen. Und alle, die ich dir erzähle, sind Streiche meiner eigenen Erfindung; und wenn du auch kein Albichrist oder Algebrist bist, so kannst du dir doch dann ungefähr denken, wie groß die Gesamtzahl aller meiner Streiche war.

Antonia: Albichrist bin ich nicht und will’s auch nicht sein. Ich glaube dir, wie ich an die Quatember glaube und noch dreimal mehr – wenn du mir gestatten willst, dir’s zu sagen!

Nanna: Unter anderen hatte ich einen Liebhaber, dem ich sehr zu Dank verpflichtet war. Aber ’ne Hure hat ein Herz bloß für bares Geld, sie weiß nichts von Dank und Undank und hat nicht mehr Liebe als ein Holzwurm. Lieb ist ihr einer nur, solange er berappt; dreht sie ihm den Rücken, so heißt’s: »In Lucca hab ich dich mal gesehen!« Diesem also spielte ich die allerschlimmsten Streiche, die ich nur ersinnen konnte, und immer schlimmere, als er mir nicht mehr mit vollen Händen gab. Immerhin zahlte er noch. Ich schlief mit ihm jeden Freitag, und jedesmal fing ich beim Abendessen an, mit ihm zu zanken.

Antonia: Warum denn?

Nanna: Damit ihm das Essen Leibweh machte.

Antonia: Pfui, wie grausam!

Nanna: Aber praktisch. Nachdem ich das ganze Essen allein verschlungen hatte, trödelte ich mit dem Zubettgehen, bis es mindestens sieben oder acht Uhr geworden war. Dann legte ich mich mit ihm nieder und gab ihm so übellaunig sein Liebesfutter, daß er von mir wieder herunterkletterte und wie ein Renegat die Taufe abschwor. Schließlich war dann freilich das Liebesbedürfnis bei ihm doch stärker als der Ärger, und da ich ihm nicht die guten Worte gab, die er erwartete, so kam er von selber wieder an; ich aber lag stocksteif da. Hierauf packte er mich und rief mit Tränen in den Augen greuliche Verwünschungen auf mich herab; ich erlaubte ihm aber nicht eher, mich wieder zu besteigen, als bis er mir alles Geld gegeben hatte, das er bei sich trug.

Antonia: Du warst ja eine Neronin!

Nanna: Gegen die Fremden, die nach Rom zu Besuch kommen, um nach acht oder zehn Tagen wieder abzureisen, gegen die verübte ich die größten Halunkereien. Ich hatte einige Halsabschneider bei der Hand, die’s mir einmal auf hundert umsonst machen durften; die benutzte ich, um meinen Besuchern Angst einzujagen, wie du hören wirst. Die Fremden, die nach Rom kommen, um sich die Stadt anzusehen, wollen, nachdem sie die Antiquitäten besichtigt haben, sich auch mit den Modernitäten bekannt machen, nämlich mit dem Damen, bei denen sie den feinen Herrn spielen möchten. Ich war immer die erste, zu der diese Leutchen kamen und wer bei mir die Nacht schlief, der war seine Kleider los.

Antonia: Wie zum Teufel – die Kleider?

Nanna: Gewiß, die Kleider. Du wirst gleich hören, wie. Frühmorgens kam die Magd in meine Kammer und holte des Fremden Kleider unter dem Vorwande, daß sie sie reinigen wollte. Sie versteckte sie aber und erhob ein Geschrei, als ob sie gestohlen wären. Der gute Fremde springt im Hemd aus dem Bett und verlangt seine Sachen und droht mir, er werde die Truhen aufbrechen, um sich bezahlt zu machen. Da fange ich fürchterlich an zu schreien und zu rufen: »Du willst meine Truhen aufbrechen? Du willst mir in meinem eigenen Hause Gewalt antun? Du willst mich als Spitzbübin hinstellen?!« Das hören die Schnapphähne, die unten im Hause im Versteck liegen, laufen mit blanken Degen herzu und sagen: »Was gibt’s denn, Signora?« Zugleich packen sie den Fremden an den Kragen. Der steht im bloßen Hemde da und sieht aus wie einer, der ein Pilgergelübde getan hat. Er bittet mich um Verzeihung und ist noch froh, daß ich ihm erlaube, zu einem Freunde oder Bekannten zu schicken, um sich von diesem Hosen, Wams, Mantel und Barett zu leihen. Diese zieht er an und empfiehlt sich mir, seelenfroh, daß man ihn nicht noch obendrein zur Beruhigung mit den Degen gekitzelt hat.

Antonia: Was sagte denn dein Herz dazu?

Nanna: Nichts. Denn es gibt keine Gemeinheit, keine Verräterei und keine Halunkerei, wovor eine Hure zurückschräke. Als sich mit der Zeit der Ruf meiner Gesinnung verbreitete, da kamen die Fremden, die davon Wind gekriegt hatten, nicht mehr zu mir. Oder wenn sie doch kamen, so ließen sie sich von ihrem Diener ausziehen und ihre Kleider in ihr Logis bringen; am nächsten Morgen brachte sie dann der Diener wieder, um sie seinem Herrn anzuziehen. Bei allem dem brachte es aber kein einziger fertig, nicht wenigstens seine Handschuhe oder den Gürtel oder die Nachtmütze bei mir einzubüßen, denn eine Hure hat für alles Verwendung: eine Schnalle, einen Zahnstocher, eine Haselnuß, eine Kirsche, eine Fenchelspitze, und war’s auch nur ein Birnenstiel!

Antonia: Und trotz all ihren Gaunereien bringen sie’s kaum dahin, nicht ihre Lichtstümpfchen verkaufen zu müssen; und oft rächt die Franzosenkrankheit die von ihnen so schlecht Behandelten. Es ist wirklich ’ne Freude für unsereine, mit anzusehen, wie ’ne Alte, die ihr Alter durchaus nicht mehr unter Puder, Parfüms, Schminken, schönen Kleidern und großen Fächern verstecken kann, ihre Halsketten, Ringe, seidenen Kleider, Hauben und all den anderen Staat zu Gelde machen muß und schließlich die vier niederen Weihen 56 nimmt, wie die Knaben, welche Priester werden wollen.

Nanna: Wieso denn.

Antonia: Zuerst vermieten sie Zimmer an Krethi und Plethi, nachdem sie für ihre Schmucksachen Betten gekauft haben. Nachdem sie beim Zimmervermieten ihr Geld zugesetzt haben, gehen sie zur Epistel über, das heißt, sie werden Kupplerinnen; dann kommen sie zum Evangelium, indem sie Wäscherinnen werden; endlich singen sie die Messe in San Rocco, in der Chiesa del Popolo, auf den Treppen von Sankt Peter, bei der Friedenskirche, bei St. Johannes und bei der Trostkirche. Ihre Gesichter sind gezeichnet mit der Beule, womit Sankt Hiob seine Stuten zeichnete, außerdem noch mit diesem oder jenem Schmiß, den sie einem durch ihre Verruchtheiten außer sich Gebrachten zu verdanken haben. Diese Verruchtheiten haben sie an den Bettelstab gebracht, nachdem sie sich vorher Affen und Papageien gehalten hatten, ja sogar Leibzwerge wie eine Kaiserin.

Nanna: So wie diese hab ich’s nicht gemacht. Wenn eine keine Grütze im Kopf hat, so ist’s ihr eigener Schade. Man muß sich in diese Welt zu schicken wissen und nicht höher hinauswollen als ’ne Königin. Man muß seine Tür nicht bloß Prälaten und Kavalieren öffnen. ›Wenig und oft‹ – das gibt die höchsten Berge, und alberne Gänse nur können sagen: Ein Ochs macht auf einmal einen so großen Haufen wie tausend Fliegen, denn es gibt mehr Fliegen als Ochsen; und auf einen großen Herrn, der dir ins Haus läuft und was Rechtes daläßt, kommen zwanzig, die dich bloß mit Versprechungen abspeisen; und tausend brave Leute, die keine großen Herren sind, füllen dir die Hände. Eine, die bloß Liebhaber in Samt und Seide haben will, ist verrückt; denn unter dem groben Wollwams stecken blanke Dukaten, und ich weiß aus Erfahrung, was für schöne Batzen man von Wirten und Hühnerbratern, von Wasserträgern und Juden einnimmt. Diese letzteren hätte ich eigentlich obenan auf meine Liste stellen sollen, denn sie geben das Geld noch leichter aus, als sie’s zusammenstehlen. Man muß sich also als Hure nicht an die schönen Wämser halten.

Antonia: Warum?

Nanna: Warum? Weil diese Wämser mit faulen Schulden gefüttert sind. Die meisten Kavaliere sind wie Schnecken, die ihr ganzes Besitztum auf dem Rücken tragen. Sie wissen kaum mehr aus noch ein. Das bißchen, was sie noch haben, geht drauf für das Öl, womit sie Bart und Haar salben. Auf ein Paar neue Schuhe, das du bei einem von ihnen siehst, kommen hundert alte abgetragene. Ich muß lachen, wenn ich daran denke, daß mit ihren Kleidern sich Mirakel begeben, denn die seidenen Stoffe sehen mit der Zeit aus, wie wenn sie mal geschorener Samt gewesen wären.

Antonia: Du kennst eben nur die schäbigen Knauser von heutzutage. Zu meiner Zeit hatten wir ’ne andere Sorte. Aber wo der Herr ein Spitzbube ist, da sind die Diener schäbige Bettler. Aber weiter im Text!

Nanna: Da war einer, der berühmte sich, als er von mir gehört hatte: »Ich will’s ihr besorgen, ohne ihr was zu bezahlen.« Der kam zu mir ins Haus mit den allersüßesten Redensarten, die du je gehört hast, und erzählte mir Geschichten, schmeichelte mir und bediente mich. Wenn mir was aus der Hand gefallen war, hob er’s mit abgezogenem Barett auf, küßte es und überreichte mir’s mit Verbeugungen, von denen ich nur sagen kann: sie waren parfümiert. Eines Tages saß er auch wieder bei mir und schwatzte, und da sagte er: »Warum erhalte ich nicht eine Gnade von Eurer Herrlichkeit, meiner Gebieterin, damit ich hernach sterbe!« – »Ich bin zu Euren Diensten«, antwortete ich, »sagt mir nur, was Ihr wünscht.« – »Ich flehe Euch an«, sagt er, »kommt heute nacht zu mir und schlaft bei mir. Ich hege diesen Wunsch, damit Euer Gnaden in einem mir gehörigen Zimmerchen, das Euch gefallen wird, als Herrin schalten mögen.« Ich versprach es ihm, sagte aber, ich könnte erst nach dem Nachtessen kommen, weil ich einen Freund eingeladen hätte. Dies freute ihn erst recht, weil er dann damit renommieren konnte, er hätte mir nicht mal was zu essen vorgesetzt. Zur verabredeten Stunde ging ich zu ihm und schlief mit ihm. Ich wartete, bis er gegen Morgen fest eingeschlafen war, und als ich ihn schnarchen hörte, ließ ich ihm mein Hemd zurück, indem ich mir statt dessen das seinige anzog. Seine goldenen Schmucksachen hatte ich schon seit einem Monat aufs Korn genommen. Nicht lange, so kam eine Magd, die ich hinbestellt hatte, und da ich in einem Winkel ein dickes Bündel von seiner feinen Wäsche sah, das für die Wäscherin zurechtgelegt war, so packte ich es meiner Magd auf den Kopf und ging mit ihr nach Hause. Was er sagte, als er aufwachte, kannst du dir wohl denken.

Antonia: Es ist nicht schwer zu erraten.

Nanna: Als er aufstand und mein Hemd sah, das über und über mit Spitzen besetzt war, da dachte er zuerst, ich hätte es aus Versehen mit dem seinigen verwechselt; als er aber auch die schmutzige Wäsche nicht mehr vorfand, ließ er mich vor Gericht fordern, wo man ihn aber mit Spott und Hohn fortschickte. So machte ich mich über einen lustig, der sich über mich hatte lustig machen wollen.

Antonia: Geschah ihm recht!

Nanna: Nun ’ne andere Geschichte! Ich hatte zum Liebhaber einen Kaufmann, ’ne Seele von ’nem Menschen, der mich nicht bloß liebte, sondern geradezu anbetete. Er hielt mich aus, und soviel ist gewiß: Ich war sehr lieb zu ihm, indes hatte die Liebe mich durchaus nicht verrückt gemacht. Denn das will ich dir nur sagen: wenn man dir erzählt, die und die Kurtisane ist sterbensverliebt in den und den – so ist es ganz gewiß nicht wahr. Das sind Kapricen, die darauf hinauslaufen, daß wir zwei- oder dreimal ’nen dicken Stengel befühlen möchten, und sie vergehen so geschwind wie Wintersonne oder Sommerregen. Es ist unmöglich, daß eine, der alle Welt auf’m Bauche liegt, für irgendeinen Mann Liebe empfindet.

Antonia: Das weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung.

Nanna: Besagter Kaufmann schlief also mit mir, sooft er Lust hatte. Um nun meinen Ruf noch zu erhöhen, und auch, um ihn vollends einzuseifen, machte ich ihn auf eine ganz vertrackte Art eifersüchtig, und das machte mir um so mehr Spaß, weil er immer behauptete, er wisse gar nicht, was Eifersucht sei.

Antonia: Wie fingst du es denn an?

Nanna: Ich ließ zwei Paar Rebhühner und einen Fasan kaufen; dann paukte ich einem Dienstmann, den mein Liebster nicht kannte und der von Natur ein Erzschelm war, seine Lektion ein. Als wir beim Mittagessen sitzen, mein Kaufmann und ich, klopft es an die Tür. Ich sage zur Magd: »Mach auf!« Und schau! da kommt mein Dienstmann rein: »Gesegnete Mahlzeit Euer Gnaden! Der spanische Botschafter bittet Euer Gnaden, Ihr möchtet geruhen, ihm zuliebe diese Vögel zu essen, und wenn’s Euch recht wäre, so würde er fünfundzwanzig Worte mit Euch sprechen.« Ich mache ein ganz finsteres Gesicht und knurre: »Botschafter hin, Botschafter her! Trag das Zeug wieder fort; mit mir soll kein anderer Botschafter sprechen als dieser hier, der mir mehr Gutes erweist, als ich verdiene.« Damit geb ich dem guten Pinsel einen Schmatz, wende mich dann wieder zum Dienstmann und sage ihm drohend, er solle sich fortscheren. Mein Kaufmann aber sagt zu mir: »Nimm doch die Vögel, kleine Närrin! Geschenke kann man immer brauchen!« Dann sagt er zum Dienstmann: »Sie wird sie sich gut schmecken lassen!« und lacht dabei, aber nur mit den äußersten Lippenspitzen, und wird ganz nachdenklich. Ich rüttle ihn und sage: »Was denkst du denn? Der Kaiser selbst bekam nicht einen einzigen Kuß von mir, geschweige denn sein Botschafter; Eure Stiefelsohlen sind mir mehr wert als eine Million Dukaten!« Er dankt mir von Herzen und geht aus, um einige Geschäfte zu besorgen.

Inzwischen befehle ich, meine Schnapphähne sollten sich um vier Uhr einfinden. Um vier Uhr aßen wir nämlich immer zu Abend. Sie suchten sich einen abgefeimten verteufelten Burschen, sagten ihm, was er zu tun hätte, gaben ihm einen Fackelstumpf in die Hand und ließen ihn an meine Tür pochen. Sie selber standen vermummt hinter ihm. Der Bursche kommt nach oben, grüßt mich mit echter spanischer Grandezza und sagt: »Signora, der Herr Botschafter ist schon unterwegs, um Eurer Durchlaucht die Hand zu küssen.« Ich antwortete ihm: »Der Herr Botschafter wird mich entschuldigen; ich habe Verpflichtungen gegen den Botschafter, den du hier bei mir siehst.« Damit lege ich meinem Kaufmann den Arm um den Hals. Der Bursch geht und klopft nach einem Weilchen wieder an; ich weigere mich, ihm öffnen zu lassen, und da hören wir ihn sagen: »Wenn Ihr nicht aufmacht, wird mein Herr die Tür einschlagen lassen.« Ich laufe ans Fenster und rufe hinunter: »Dein Herr kann mich totschlagen, mich lebendig verbrennen, mich zugrunde richten, ganz wie’s ihm beliebt. Ich liebe nur einen einzigen, dessen Huld ich alles verdanke, was ich bin und habe; für ihn will ich gerne sterben, wenn es sein muß!« In diesem Augenblick, tack! tack!, schlagen die Pharisäer an meine Tür. Es waren nur fünf oder sechs, aber es sah aus, als ob es tausend wären. Und einer von ihnen ruft mir zu, mit ’ner Stimme wie ’n Kaiser: »Alte Hure! Das wird dich noch gereuen! Und dem traurigen Suppenhuhn, das dir den Nabel poliert, dem werden wir’s schon besorgen, Herrgottsdonnerwetter!« – »Tut, was ihr dürft!« antwortete ich, »aber feine Herrschaften machen so was nicht, daß sie den Leuten mit Gewalt in die Häuser brechen!« Ich wollte noch weiter sprechen, aber mein Tolpatsch zupfte mich am Rock und sagte: »Kein Wort mehr! Kein Wort mehr, wenn du nicht willst, daß diese Spanier mich in Stücke hauen!« Dann zog er mich vom Fenster weg und dankte mir für die hohe Achtung, die ich ihm erzeigt hätte, überschwenglicher, als die losgelassenen Gefangenen den Viertelsmeistern, wenn sie sie zum Augustfest in Freiheit setzen. Am nächsten Morgen ließ er mir ein Kleid aus prachtvollem orangegelbem Atlas machen. Von der Zeit an hättest du ihn nach dem Ave-Läuten nicht mehr auf der Straße gefunden, und wenn du ihm ein Königreich dafür geschenkt hättest, solche Angst hatte er vor den Spaniern. Auch fürchtete er, der Gesandte könnte ihm mal ein X ins Gesicht zeichnen lassen, und bei jeder Gelegenheit sagte er zu jedem, der es hören wollte: »Das kannst du mir glauben, meine Liebste, die weiß mit Botschaftern umzuspringen!«

Antonia: Was wollte er denn damit sagen?

Nanna: Oh, ich hatte ihm weisgemacht, ich hätte mal in einer schönen kalten Januarnacht nicht weniger als neun Botschafter auf einmal unter einer Treppe versteckt, warten lassen. Die Dummköpfe hätten da bis zum Morgengrauen gesessen! Und dann schwor ich ihm: »Neulich nacht, als du bei mir schliefst, da war einer unten im Keller und mußte sich mit sich selber amüsieren. Und gestern erst machte der Dingsda im Hof meinem Brunnen den Hof.« Na, hatte der Gute ’ne Freude! Und damit ich keinen Anlaß hätte, mich zur Botschafterin machen zu lassen, schickte er mir das Doppelte an Geschenken und sagte dabei zu jedem: »Ich bin ihr zu Dank verpflichtet, und damit basta!«

Antonia: Niedliche Schlauheiten!

Nanna: Schön ist der nächste Streich: Ich schlief oft mit einem Renommisten mit ’nem großen Federhut. Wenn dem einer sagte: »Nimm dich vor der Soundso in acht!«, flugs platzte er los: »Ich? Haha! Mir sagst du das? Haha! Wo ich in Garnison lag: in Siena, in Genua, in Piacenza, da hab ich mit einigen von der Sorte umspringen gelernt; meine Batzen sind nicht für die Hurenmenschen, nee, weiß Gott nicht!« Bei diesem Prahlhans bemerkte ich eines Tages zehn Taler, die er in der Börse hatte; ich hätte sie ihm ja nachts fortnehmen und an deren Stelle Kohlen lassen können – aber ich kriegte sie auch so, wie du gleich hören wirst. Eines Tages war er bei mir im Hause und war ganz unwohl, so stark klopfte ihm das Herz, weil ich mich gestellt hatte, als läge mir ein anderer im Sinn. Wie ich ihn in dem Zustand sehe, geh ich auf ihn zu, fahr ihm mit den Händchen in den Bart, zupf ihn ganz sachte, sachte zweimal dran und sage: »Ei, wer ist denn dein liebes Mädel?«, und damit setz ich mich auf ihn, krieg ihn um den Hals und presse ihm mit dem Knie die Schenkel auseinander, daß ihm die Gefühle kommen, und küß ihm das Gesicht. Da sagt er denn zu mir: »Ei, nu ja denn!« und stößt dabei einen ganz tiefen Seufzer aus, daß ich den Wind spüre. Dann schweigt er. Ich aber umarme ihn und herze ihn so zärtlich, daß er wieder ganz munter wird. Und gerade, als ich zu ihm sage: »Ich möchte, daß wir heute nacht zusammen schlafen!« – da klopft’s an die Tür. Das war einer, dem ich Bescheid gesagt hatte; die Magd läuft ans Fenster und sagt mir: »Signora, ’s ist der Meister!« – »Sag ihm, er soll raufkommen«, antwortete ich. Er kommt also und verlangt von mir zehn Taler, die ich ihm noch für einen Bettvorhang schuldig sei. Außerdem bittet er mich, ich möchte ihm doch das Geld sofort geben, denn er hätte andere Geschäfte. Ich sage also meinem Zöfchen: »Nimm diesen Schlüssel hier und gib ihm von den Talern, die du im Geldkoffer findest, seine zehn.« Sie geht, um den Kasten zu öffnen, und ich bleibe da und streichle meinem Kater den Schwanz, dem Schlaumeier, der gegen alle Pfiffe gefeit war, und bin dabei, ihm den Kopf zu verdrehen und hab ihn auch schon recht hübsch verdreht, da ruft der Meister wieder nach mir. Ich hatte der Magd schon ein paarmal zugeschrien: »Beeil dich doch, dummes Vieh!«, ich höre sie aber fortwährend brummen und stehe auf. Ich geh zu ihr hinaus und finde sie sehr eifrig am Geldkasten beschäftigt, den sie durchaus nicht aufkriegen konnte, was auch kein Wunder war – denn wie der Tapezierermeister, der sein Geld verlangte, nicht echt war, so paßte der Schlüssel, den ich ihr gegeben hatte, nicht zur Geldkassette. Ich tu so, als hätte sie mir das Schloß verdreht, und springe ihr ins Gesicht; sie bekam aber mehr Geschrei als Püffe. Dann sag ich ihr, sie solle den Kasten aufbrechen, aber das Brecheisen ist nicht zu finden. So wende ich mich denn an den Herrn Schlaumeier und sag zu ihm: »Oh, bitte, bitte, wenn Ihr zehn Taler habt, gebt sie ihm doch; gleich im Augenblick werde ich den Kasten öffnen oder zerschlagen lassen, und dann kriegt Ihr Euer Geld wieder.«

Antonia: Du ihrztest ihn also, wenn’s sich um wichtige Angelegenheiten handelte, hahaha!

Nanna: Flugs hat er die Hand an der Börse, öffnet sie, wirft die zehn Taler hin und sagt: »Da, Meister! und geh mit Gott!« Und wie ich immerfort mit dem Fuß gegen den Kasten stoße, wie wenn ich ihn in Stücke schlagen wollte, da sagt er mir: »Schick nach dem Schlosser und laß ihn öffnen; wir haben’s ja nicht so eilig!« Er duzte mich, als wenn ich jetzt ganz und gar nach seinen Befehlen stände, wegen des Geldes, das er mir geliehen!

Antonia: Rotznase!

Nanna: Ich ließ nun den Geldkasten mit meinen Fußtritten in Ruhe und legte mich mit ihm aufs Bett, wobei ich mir vornahm, er sollte nicht ’ne Lippenspitze von mir kriegen. Und kaum hatte er mich in seine Arme gepreßt, da klopfte es ganz stark. Darauf hatte ich bloß gewartet, um den Prahlhans anzuführen. Sofort stand ich auf, soviel er mich auch festhielt, und bat, ich möchte doch nicht erst nachsehen, wer der Mensch wäre, der an meine Tür klopfte. Ich laufe an den Fensterladen und sehe, es ist ein Monsignorchen, der in Hut und Mantel auf ’nem Maultier sitzt. Er ruft mir zu, ich möchte runterkommen und mich hinter den Sattel setzen. Ich sage ja, nehme den Mantel seines Dieners, da ich im übrigen schon Knabenkleidung anhatte – die ich überhaupt fast immer trug –, und reite mit ihm ab. Der Rekruten- und Hurenbändiger aber zerfetzte aus Wut mit seinem Sarras mein Bildnis, das in meiner Kammer an der Wand hing, und ging dann ab, wie ein Spieler aus einer Spielhölle, wo man ihn Schelm geheißen hat. Übrigens hab ich noch was zu erzählen vergessen: Er fing an, die Möbel zu zerschlagen, um sich bezahlt zu machen, aber meine Magd schrie nach der Straße hinaus um Hilfe, und so zog er denn mit ganz geknicktem Federbusch ab, teils, weil eine Menge Leute herbeiliefen, teils weil er in dem Geldkasten, den er schließlich aufkriegte, nichts weiter gefunden hatte als Salben und Einreibungen für gewisse Übel, die einem zustoßen können… Aber indem ich dir meine Streiche erzähle, geht es mir wie der Sünderin, die eine Generalbeichte ablegen und alles sagen will, was sie jemals begangen hat: Sobald sie dem Beichtiger zu Füßen sitzt, erinnert sie sich kaum noch der Hälfte.

Antonia: Erzähle mir nur die Geschichten, die dir einfallen; nach ihnen werde ich dann die anderen, die du ausläßt, schon beurteilen können.

Nanna: So will ich’s denn machen. Da war ein guter Trottel, der auf der ganzen Welt nichts hatte als einen einzigen Weinberg; davon hatte er sich aber hundert Dukaten auf die Kante gelegt und setzte sich nun in den Kopf, mich zur Frau nehmen zu wollen. Er besprach die Sache mit meinem Friseur, und dieser ließ mir ein Wörtchen darüber zukommen. Sowie ich von dem Mittelsmann hörte, daß der Verliebte bares Geld hätte, wiegte ich ihn in so schöne Hoffnungen, daß er ganz gewiß glaubte, er würde mich kriegen. So kam er denn in mein Haus, wo ich ihn mit vielen Liebkosungen empfing und ihn bald dahin, brachte, daß er in Zeit von einem Monat mit seinen hundert Dukaten meine Betten, meine Küche und mein ganzes Haus fein zurechtmachen ließ. Ein- oder zweimal – aber nicht mehr! – ließ ich ihn mal dran picken, dann brach ich einen Streit um des Kaisers Bart vom Zaun, nannte ihn Schafskopf, Landstreicher, Halunke, Lumpenkerl, Dummkopf, Ignorant und schmiß ihm die Tür vor der Nase zu. Da sah der Unglückswurm ein, daß er sich ein wenig geirrt hatte, wurde Mönch und ergab sich großer Frömmigkeit. Und ich lachte aus vollem Halse!

Antonia: Warum denn?

Nanna: Weil eine Hure ganz besonders im Ansehen steigt, wenn sie sich rühmen kann, jemanden zur Verzweiflung, an den Bettelstab oder um seine Vernunft gebracht zu haben.

Antonia: Darum beneide ich keine!

Nanna: Wieviel schönes Geld hab ich nicht gewonnen, indem ich bald diesen, bald jenen auf den Leim lockte! In meinem Hause speisten gar oft Leute; gleich nach dem Essen kamen die Karten auf den Tisch, und ich rief: »Holla! Wir wollen doch zwei Juliusse für Konfekt ausspielen; und wer, sagen wir meinetwegen, den Treffkönig kriegt, der bezahlt.« Das Naschzeug wurde ausgespielt und gekauft; hatten aber die Leute mal die Karten gesehen, so konnten sie sowenig die Finger davon lassen, wie ’ne Hure das Nummern lassen kann. Sie schmissen ’s Geld auf den Tisch und fingen an zu spielen, daß es ’ne Art hatte. Dauert nicht lange, so erscheinen zwei Gauner mit recht einfältigen Gesichtern, lassen sich erst ein bißchen bitten und nehmen dann die Karten, die falscher waren als Dublonen von Mirondola, und gewinnen so ganz in aller Unschuld meinen Gästen alles Geld ab; ich selber gab ihnen dabei Winke, was für Karten die anderen hatten, da mir die Falschheit der Karten für sich allein noch nicht sicher genug erschien.

Antonia: Das sind so kleine Scherze!

Nanna: Für zwei Dukaten verriet ich einem Gewissen, daß sein Feind zwei Stunden vor Tage ganz mutterseelenallein zu mir käme, um mich zu beschlafen. Er lauerte ihm auf und hackte ihn in Stücke.

Antonia: Ein kleiner Wespenstich! Aber sag mir doch, warum kam er denn zwei Stunden vor Tage?

Nanna: Weil um diese Stunde ein anderer von mir ging, der nicht länger bleiben konnte. Aber du glaubst doch nicht etwa, wenn einer auch die ganze Nacht bei mir schlief, er wäre der einzige gewesen, der mich gekitzelt hätte? Ah! Tausendmal stand ich von der Seite meines Kaufmanns auf, indem ich vorgab, ich hätte Durchfall oder Magendrücken, und dann machte ich die Runde und befriedigte diesen und jenen, der im Hause versteckt auf mich wartete. Im Sommer stöhnte ich über die große Hitze, stand im bloßem Hemd auf, ging in den Saal und lehnte mich ein bißchen zum Fenster hinaus, sprach mit dem Mond, den Sternen und dem Himmel. Und da hatte ich manchmal im Handumdrehen zweie hintereinander, die mir’s von hinten machten.

Antonia: Man soll mitnehmen, was man kriegen kann, sonst hat man nichts davon!

Nanna: Das ist ganz gewiß. Nun hab ich noch ’nen schönen Leckerbissen für dich: Nachdem ich ein Stücker zehn oder zwölf Freunde ausgepumpt hatte, so daß sie mir nichts mehr geben konnten, beschloß ich, ihnen auch noch den letzten Tropfen abzupressen.

Antonia: Was hattest du denn da für ’nen Trick?

Nanna: Unter den Kunden meines Äpfel- und Fenchelgeschäfts waren auch ein Apotheker und ein Arzt, auf die ich mich verlassen konnte. Zu denen sagte ich also: »Ich will mich krank stellen, und meine schönen Hausfreunde sollen mich kurieren lassen. Sobald ich mich also ins Bett gelegt habe, kommt Ihr, Doktor, und erklärt, ich sei futsch, und verschreibt die allerteuersten Medizinen, die es gibt. Und du, Apotheker, schreibst sie in dein Buch ein und schickst mir nicht das Zeug, sondern statt dessen, soviel dir gut dünkt.«

Antonia: Ah, ich hör dich laufen! Auf diese Weise sacktest du alles Geld ein, das deine Liebhaber dem Doktor und dem Apotheker gaben, denn diese mußten es dir wiedergeben.

Nanna: Du bist gut von Begriff, Antonia! Es war, um sich krumm zu lachen, als ich bei Tisch plötzlich tat, als ob ich ’ne Ohnmacht kriegte, und unter den Tisch fiel. Meine Mutter, die in den ganzen Schwindel eingeweiht war, nestelte mir mit ’nem ganz ängstlichen Gesicht das Mieder auf, trug mich mit Hilfe der Gäste auf mein Bett und erhub ein Jammergeheul, wie wenn ich schon tot wäre. Ich kam wieder zu mir, stieß einen Seufzer aus und flüsterte: »Oh, wie weh mir mein Herz tut!« Als sie das hörten, riefen alle wie aus einem Munde: »Ach! Das ist nichts! Das sind Blähungen, die ins Gehirn steigen.« Ich aber stöhne: »Ich weiß recht wohl, wie mir zumute ist!« – und falle wieder in Ohnmacht. Da laufen schleunigst zwei von ihnen zum Doktor. Der kommt, nimmt meinen Arm zwischen zwei Finger – wie wenn er das Griffbrett am Lautenhals hielte –, besprengt mich mit seinen Rosenessigen und sagt: »Der Puls ist vollständig weg!« Damit geht er zur Kammer hinaus; und von meinen im Glauben Seligen trösteten die einen meine Mutter, die sich durchaus aus dem Fenster stürzen wollte, die anderen standen um den Doktor herum, der das Rezept schrieb, das sofort nach der Apotheke geschickt werden müßte. Sowie es geschrieben war, lief einer von ihnen selber damit hin, und als er zurückkam, hatte er alle Hände voll von Papiertüten und Flaschen. Der Arzt ordnete an, was gemacht werden müßte, und ging hierauf fort; und meine Mutter hatte die allergrößte Mühe, unsere Freunde nach Hause zu schicken, denn sie wollten durchaus in vollen Kleidern bei mir wachen. Sobald es Morgen war, kamen sie alle wieder zu mir. Der Medikus kam auch wieder, und als er hörte, daß ich in der Nacht beinahe in die andere Welt gegangen sei, befahl er, es müßten fünfundzwanzig venezianische Dukaten aufgebracht werden, um irgendwelches Zeug – ich weiß nicht mehr, was – zu destillieren. Sofort gab einer von den Pinseln, ohne zu fragen, ob nicht auch die Dukaten durch das Kochen kleiner werden könnten, meiner Mutter das Geld, die es auf Nummer Sicher brachte. Nachher konnte der Schafskopf krächzen, soviel er wollte – er sah seine Dukaten niemals wieder. Kurz und gut, an den Medizinen, den Rhabarbermixturen, Sirupen, stärkenden Tropfen, Klistieren, Manuschristi, Juleps, Salben, dem Doktorhonorar, dem Holz und den Kerzen machte ich mir einen schönen runden Beutel voll von Talern zum Gewinn.

Antonia: Brachte es dich denn nicht um, daß du kerngesund zu Bett liegen mußtest?

Nanna: Es hätte mich wohl umgebracht, wenn ich allein gewesen wäre. Aber die eine Nacht bearbeitete mir der Doktor den Hintern, und die andere machte der Apotheker mir Einsalbungen. Und als ich wieder in der Genesung war, da flogen mir die Kapaunen fix und fertig gerupft ins Haus; und dann die Weinchen! Da gab’s keinen Prälatenkeller, der nicht für mich entjungfert wurde!

Antonia: Hahaha!

Nanna: Der Kaufmann, von dem ich dir sprach, hatte, obwohl er nie ein Wort darüber sagte, die größte Lust, von mir ’nen Jungen zu kriegen. Dies schien mir eine gar zu schöne Gelegenheit; ich tat, als ob ich mich sterbensübel fühlte, wand und krümmte mich morgens und abends, aß drei Mundvoll, spuckte viere aus und rief: »Was ist das für bitteres Zeug!« und tat dabei, als müßte ich mich brechen. Der gute Trottel tröstete mich und sagte: »Oh, wenn doch Gott das gäbe!« Und dann schwieg er wieder. Ich aß wie ein Scheunendrescher, wenn er nicht dabei war; in seiner Gegenwart aber wurde mein Appetit immer schwächer und schwächer, und zuletzt aß ich keinen Bissen mehr. Schließlich stellte ich mich an, als hätte ich Kopfschwindel, Leibweh, Mutterweh, Brennen im Kreuz, beklagte mich, meine Regel käme nicht mehr, und ließ ihm durch meine Mutter beibringen, ich sei schwanger; und mein Gehilfe, der Doktor, bestätigte das. Flugs fängt der Hosenscheißer voller Freude an, Leute zu Gevattern zu bitten, Kapaunen zur Mast in Käfige zu sperren, Windeln und Binden zu kaufen und ’ne Amme zu bestellen. Wenn’s Vögelchen, Erstlingsobst, frische Blumen gab, sofort kaufte er sie mir, damit nur ja unser Kleines kein Muttermal kriegte. Er konnte es nicht mal mit ansehen, wenn ich mit der Hand meinem Mund zu nahe kam, darum steckte er mir selber die Bissen in den Mund; auch stützte er mich, wenn ich aufstand oder mich niedersetzte. Zum Totlachen war’s, wie er weinte, wenn er mich sagen hörte: »Wenn ich im Kindbett sterben sollte, so lege ich dir unsern Kleinen ans Herz!« Ich machte auch ein Testament, worin ich ihn für den Fall meines Todes zum Erben meiner ganzen Habe einsetzte; das zeigte er überall herum und sagte einem jeden: »Lest doch nur dies hier und das da, und dann sagt mir, ob ich nicht recht habe, daß ich sie anbete!« Nachdem ich ihn mit diesem Unsinn eine Weile unterhalten hatte, tat ich eines Tages wie von ungefähr einen Fall und stellte mich, als ob ich mich schwer verletzt hätte; dann ließ ich ihm in einer Schale lauen Wassers einen ungeborenen Lammsfötus bringen. Du hättest darauf geschworen, es sei ein menschlicher Embryo. Als er den sah, da rannen ihm die Tränen hernieder; er stimmte ein großes Wehklagen an und schrie doppelt so laut, als gar meine Mutter ihm sagte, es sei ein Knäblein gewesen und habe ihm ähnlich gesehen! Und er gab, ich weiß nicht wie viele Taler aus, um den Kleinen beerdigen zu lassen; wir brachten ihn auch dazu, daß er sich in Schwarz kleidete; vor allem aber war er darüber in Verzweiflung, daß der Junge nicht die Taufe empfangen hätte.

Antonia: Wer war denn der Vater von der Pippa?

Nanna: Vor Gott war’s ein Marchese; vor der Welt aber hat er’s nicht anerkennen wollen. Bitte sprechen wir von was anderem.

Antonia: Ganz, wie du willst.

Nanna: Mal bekam ich den Einfall, die Laute klimpern zu lernen; nicht weil ich besondere Lust dazu gehabt hätte, sondern damit es aussehen sollte, als ob ich mich mit schönen edlen Künsten abgäbe. Ganz gewiß sind solche Künste, wenn Huren sie gelernt haben, gute Schlingen, um Gimpel drin zu fangen; und sie kommen den Gästen teurer zu stehen als die Fenchelkörner, Oliven und Gelées, die ihnen von den Wirten vorgesetzt werden. Von ’ner Hure, die Kanzonen singen und vom Blatt spielen kann, geht man barfuß von dannen.

Antonia: ’s ist eben alles Schwindel auf dieser Welt.

Nanna: So wie ich verstand es keine, jeden kleinen Vorteil wahrzunehmen; ich hätte sogar in ’ner Kirche mein Netz ausgeworfen, wie Margutte sagt; niemals schlief einer bei mir, ohne Haare zu lassen. Du mußt dir nicht einbilden, daß er ein Hemd, ’ne Nachtmütze oder Strümpfe, Hut, Degen und sonst ’ne Kleinigkeit jemals wieder zu sehen bekam, wenn das Zeug mal bei mir im Hause geblieben war. Denn man braucht alles, und darum kann man alles brauchen. Und Wasserträger, Holz-, Öl-, Spiegel- und Brezelhändler, dann die Verkäufer von Seife, Milch, Käse, Heißem-Gebratenem-Gekochtem bis herab zu Schuhputzern und Schwefelfadenhausierern, sie alle waren meine Freunde und eiferten um die Wette, dafür zu sorgen, daß bei mir immer ein ganzer Berg Besucher waren.

Antonia: Warum taten sie denn das?

Nanna: Weil ich alle Augenblicke ans Fenster kam und alle möglichen Sachen kaufte, die natürlich meine Liebhaber bezahlen mußten. Wer zu mir kam, um mir die Kur zu schneiden, der mußte ganz bestimmt etwas ausgeben: einen Julius, einen Grosso, einen Baiocco. Da erschien zum Beispiel plötzlich meine Magd auf der Bildfläche und sagte mir: »Es fehlen uns tausend Meilen Schnürbänder für die Kopfkissenbezüge!« Ich gab dem ersten besten, der mir in den Wurf lief, ’nen Kuß und sagte: »Gib ihr ’nen Julius!« Und er hätte ja als ein lausiger Knicker dagestanden, wenn er’s nicht getan hätte. Nach der Magd kam meine Mutter rein, beide Arme voll von Linnenzeug, und sagte: »Wenn du dir dieses aus den Fingern gehen läßt, findest du niemals so ’ne gute Gelegenheit wieder!« Da gab ich denn einem andern zwei Küsse, und der bezahlte mir den Flachs. War die Gesellschaft fortgegangen und es kamen andere Leute, so ließ ich sagen, ich hätte Gäste bei mir; dann öffnete ich nur einem, der allein kam. Den machte ich mit dem Feuer meiner Küsse mürbe wie ein Stück Kochfleisch und bearbeitete ihn so meisterhaft, daß er mir noch selbigen Tages eine gesteppte seidene Bettdecke oder einen Vorhang oder ein Gemälde oder sonst was Schönes schickte, wovon ich wußte, daß er’s besaß. Für dies Geschenk versprach ich ihm, ehe er mich noch darum gebeten hatte, er dürfte zu mir kommen und bei mir schlafen; er schickte mir dann ein sehr anständiges Nachtessen ins Haus, und wenn er selber kam, ließ ich ihm sagen, er möchte erst noch einen kleinen Spaziergang machen; das tat er, und wenn er dann wieder an die Tür kam, sagte ihm die Magd: »Nur noch ein kleines Augenblickchen!« Er wartet zwei ganz kleine Augenblickchen, klopft wieder, niemand antwortet ihm, und da fängt er an zu brüllen: »Hure! Sau! Beim Leibe der Unbefleckten, Hochgebenedeiten und Geweihten, das sollst du mir bezahlen!« Unterdessen saß ich und tafelte auf seine Kosten mit einem andern, lachte aus vollem Halse und sagte: »Fasele du nur immerzu; wisch dir den Bart und laß mich in Ruh!«

Antonia: Wie brachtest du ihn nachher wieder dazu, dir zu verzeihen – vorausgesetzt, daß es irgend jemand von Belang war?

Nanna: Er mochte sein, wer er wollte; zwei Tage lang grollte er mir; dann konnte er sein Hähnchen nicht mehr im Zaum halten und ließ mir sagen, er möchte gern ein Wörtlein mit mir sprechen, worauf ich antwortete: »Nicht eins, sondern tausend von Herzen!« Und sowie ihm die Tür aufgemacht war, kam er zornschnaubend auf mich los und rief: »Nein, das hätt ich nie von dir gedacht!« Und ich: »Meine geliebte Seele, wenn du mir doch glauben wolltest! Oh, glaube mir, nur dir gilt meine Liebe, nur du bist meine Lust, nur für dich schlägt mein Herz; wenn du wüßtest, ach, wenn du doch nur wüßtest, was für eine wichtige Sache neulich abend mich auszugehen zwang, da würdest du mich loben. Wenn ich mich nicht mal auf deine Liebe fest verlassen kann, auf wessen Liebe dann sonst?« Du kannst dir wohl denken, was für ’nen Haufen Entschuldigungen ich vorbringen mußte: ich hätte zu irgend ’nem Advokaten oder Prokurator oder Beamten ins Haus gehen müssen wegen eines sehr wichtigen Prozesses. Und dann ließ ich mich auf ihn sinken, schlang ihm die Arme um den Hals, und während er seinen Lilienstengel in mein Gärtlein pflanzte, nahm ich ihm das Herz aus dem Leibe und den Verdruß aus der Seele; und ich ließ ihn nicht eher von mir gehen, bis er wieder hübsch artig nachsang, was ich ihm vorsang.

Antonia: Man tut wirklich sehr unrecht, daß man aus dir nicht eine Gesangslehrerin macht.

Nanna: Danke recht schön für deine Güte!

Antonia: Du brauchst dich nur für dein Talent zu bedanken.

Nanna: Nein, nein, für deine Güte! Aber höre jetzt ’ne Geschichte, wie ich beinahe mit einemmal reich geworden wäre. Ein Edelmann war sterblich in mich verliebt und schlug mir vor, mich für zwei Monate mit sich auf seine Güter zu nehmen; dies brachte mich auf den Gedanken, das Gerücht auszustreuen, ich sei zu Gottes Seligkeit eingegangen; ich ließ daher einen Juden kommen, ließ ihn meine ganze Hauseinrichtung abschätzen und verkaufte sie ihm zum großen Herzeleid meiner Anbeter; dann legte ich, ohne daß sie etwas davon erfuhren, die erhaltenen Gelder bei einer Bank an und reiste mit dem Edelmann ab.

Antonia: Warum verkauftest du denn dein Hausgerät?

Nanna: Um für das alte neues wiederzukriegen. Und so war es auch; denn kaum war ich wieder da, so liefen sie von allen Seiten herzu wie Ameisen nach einem Getreidehaufen, und jeder wollte mir neue Möbel kaufen.

Antonia: Das ist gewiß: Je mehr wir die unglücklichen Trottel behexen, desto fester und eifriger glauben sie an uns!

Nanna: Ich kann nicht leugnen, daß da alle möglichen Künste angewandt werden, um sie zu verblenden, daß wir ihnen sogar von unserm A-a und von unserm Marchese zu essen geben. Eine war da – ich will ihren Namen nicht nennen –, die wollte ’nen Liebhaber recht verliebt und treu machen und gab ihm ’ne hübsche Menge Schorf von Franzosenbeulen, von denen sie voll saß.

Antonia: Brrr! berx!

Nanna: Was ich dir sage! Mit einer Kerze aus dem Fett eines lebendig Verbrannten ist mir’s gelungen, eine hübsche Menge von meinen Geschäftchen recht warm zu halten. Aber schließlich und im Grunde sind doch alle diese Zaubergeschichten mit Kräutern, die im Dunkel der Nacht getrocknet sind, mit dem Strick des Gehenkten, mit Leichennägeln, mit Teufelsworten und dergleichen nur Tand und Narretei neben dem Zaubermittel, das ich dir nennen würde, wenn’s erlaubt wäre.

Antonia: Du hast ein so zartes Gewissen wie Fra Ciapelletto.

Nanna: Nun, um nicht für eine Heuchlerin zu gelten, so will ich dir also sagen, daß zwei stramme Popobacken mehr vermögen als alle Philosophen, Astrologen, Alchimisten und Nekromanten, die je auf der Welt waren. Ich probierte soviel Kräuter, wie auf zwei Wiesen wachsen, und soviel Worte, wie auf zehn Märkten geschwatzt werden, und vermochte doch nicht auch nur um Fingers Breite einem, dessen Namen ich dir nicht nennen darf, das Herz zu rühren. Und dann machte ich ihn mit einer einzigen Bewegung meiner Hinterbäckchen so bestialisch verrückt nach mir, daß alle Bordelle ganz baff darüber waren; und da pflegt man sich doch nicht so leicht über was zu wundern, weil man da ja jeden Tag merkwürdige neue Sachen sieht.

Antonia: Schau, schau, worin doch die Geheimnisse der Zauberkunst bestehen!

Nanna: In unserer Hinterpforte. Und die Hinterpforte ist so zauberstark wie das Geld. Denn die Hinterpforte lockt das Geld aus den Hosen heraus, wie das Geld sogar die Hinterpforte eines Klosters zu öffnen vermag.

Antonia: Wenn der Popo soviel Gewalt hat wie ’s Geld, so ist er stärker als Ronceval, der alle Paladine totschlug!

Nanna: Viel stärker, ganz gewiß! Aber fahren wir in unserem Gespräch fort, und merke dir die folgende recht einträgliche kleine Schlauheit: Ich hatte einen Freund, der war cholerisch wie alle Verschwender, die nicht, viel Geld auszugeben haben. Bei jeder Gelegenheit kroch ihm ’ne Laus über die Leber, und dann konnte er sich nicht halten und sagte mir Grobheiten wegen jeder Kleinigkeit, die ihm nicht behagte. War dann seine Wut verraucht, so warf er sich mir zu Füßen, breitete die Arme in Kreuzesform aus und flehte mich um Verzeihung an. Und ich war dann so freundlich und gewährte sie ihm auf Kosten seiner Börse. Eines Nachts aber, als er’s ganz besonders schlimm getrieben hatte, brachte ich ihn völlig zur Verzweiflung, indem ich mich von seiner Seite aus dem Bett erhob und mich einem seiner Rivalen hingab. Das brachte ihn so in Wut, daß er mir etliche überzog. Als er dann wieder zur Besinnung kam, nahm ich ihm alle Hoffnung, daß ich ihm je wieder verzeihen würde, indem ich kein Wort mehr von ihm anhörte. Da gab er mir die Hälfte seines Vermögens, und auf diese Art kriegte er denn auch seinen Frieden mit mir.

Antonia: Du machtest es mit ihm wie ein Angstmeier, der einem, der ihn bedroht hat, Kaution hinterlegen läßt, daß er ihn nicht tätlich angreifen werde; nachher tut er alles, was er kann, um seinen Feind zu reizen, bis der ihm ein paar mit der Faust gibt, und dann streicht er das Strafgeld ein.

Nanna: Ja, ich machte es ganz genau wie so einer. Hahaha! Ich mache mich vor Lachen ganz naß, wenn ich daran denke, daß der Prediger für alle Menschen auf der Welt nur Sieben Todsünden aufgestellt hat, während die allererbärmlichste Hure allein schon deren hundert hat! Denk doch nur, wie viele eine hat, die, um ihren Altar zu bedenken, tausend fremde Kirchen entblößt. Antonia, die Völlerei, der Zorn, der Stolz, der Neid, die Trägheit und der Geiz wurden am selben Tag geboren, an dem die Hurerei erstand. Und wenn du gern erfahren willst, wie eine Hure schlingt, so frage nur ihre Tischgesellen; wenn du wissen willst, in welchen Zorn eine Hure sich hineintobt, so frage nur Vater und Mutter von Allerheiligen. Du mußt wissen, wenn sie’s könnten, sie verschlängen die Welt in ihren Abgrund und brauchten nicht mal so lange Zeit dazu wie der liebe Herrgott.

Antonia: Das ist ’ne böse Geschichte!

Nanna: Der Stolz einer Hure ist ärger als der eines Bauern im Sonntagsstaat; und Hurenneid frißt sich selber auf wie die Franzosen den, der sie in den Knochen hat.

Antonia: Bitte, sprich mir nicht davon! Ich hab sie gehabt und habe niemals begreifen können, woher ich sie gekriegt hatte.

Nanna: Verzeih mir, ich hatte nicht daran gedacht, daß diese scheußliche Krankheit auch dich gemeuchelt hat. Die Trägheit einer Hure ist schärfer ausgeprägt und sitzt tiefer im Herzen als die Melancholie eines Kavaliers, der ohne Hoffnung auf einen Heller Pension sich im Hofdienst verfaulen sieht. Der Geiz einer Hure gleicht einem habsüchtigen Geldwechsler, der seinem Hunger einen Bissen abknappst, um ihn zu den anderen in den Schrank zurückzulegen.

Antonia: Was sagst du denn von der Wollust einer Hure?

Nanna: Antonia, wer fortwährend trinkt, hat niemals großen Durst, und wer immer bei Tafel sitzt, hat selten Hunger. Und wenn sie auch mal nach einem großen Schlüssel greifen, so tun sie das gleichsam wie ’ne Schwangere, die ein Gelüste kriegt und ’ne Knoblauchzehe oder eine unreife Pflaume ißt; und ich schwöre dir bei der glücklichen Zukunft, die ich für meine Pippa suche: Die Wollust ist die unschuldigste der Begierden, von denen sie besessen sind, denn sie denken an nichts weiter als daran, wie sie ihren Mitmenschen Herz und Eingeweide aus dem Leibe ziehen können.

Antonia: Das glaube ich dir, auch ohne daß du schwörst.

Nanna: Ja, das kannst du mir auch glauben. Nun aber koste bitte von den tausend niedlichen Sachen, die ich dir sozusagen in einem Atem vorlegen werde.

Antonia: Bitte, erzähle sie nur.

Nanna: Drei Leute waren vor allen anderen in mich verliebt: ein Maler und zwei Kavaliere; und sie vertrugen sich so gut wie Hund und Katz. Jeder lauerte fortwährend um mein Haus herum, um mich zu besuchen, wenn er glaubte, daß niemand bei mir wäre. Nun geschah es, daß einmal zu ungewohnter Stunde der Maler vor meiner Tür erschien; er klopfte an, und ihm wurde auf getan; er stieg die Treppen hinauf und wollte sich gerade neben mich setzen, auf einmal, tapp! topp!, da pocht’s, und es erscheint der eine von den beiden Kavalieren; ich erkenne ihn am Klopfen, verstecke meinen Maler und gehe meinem Freund entgegen, um ihn zu bewillkommnen. Kaum sieht er mich, so ruft er schon: »Alle Teufel! Laß mich bloß deinen Schlingel von Prangermützenbeschmierer hier begegnen!« Der Maler konnte dies übrigens nicht hören; und während der andere noch weiter schimpft, kommt mein dritter Liebhaber, den ich immer schon an seinem Husten erkannte, und ruft, ich solle ihm aufmachen. Ich verstecke also auch den zweiten, der’s auf den Maler abgesehen hatte, und auf der Bildfläche erscheint der dritte hustend und spuckend; der spricht mich gleich mit den Worten an: »Ich bin zu dir gekommen, weil ich dachte, ich würde bei dir einen von deinen beiden Kerlen finden; und wenn ich einen fände, ja, wenn ich einen fände, das mindeste wäre, daß ich ihm ein Ohr abhackte.« Bilde dir aber nur nicht ein, der Held, der so tapfer sprach, sei ein Mann gewesen, um dem Castruccio einen Fußtritt vor den Hintern zu geben. 57 Das wirst du gleich sehen. Nämlich als der Maler in seinem Versteck, der nichts vom ersten Kavalier wußte, und der Kavalier, der nichts vom Maler wußte, diese Worte hörten, sprangen sie alle beide hervor, um vom Prahlhans Abbitte zu verlangen. Kaum sieht er die beiden, so hält er’s für geratener, an den Rückzug zu denken, tritt an der obersten Treppenstufe vorbei und purzelt die ganze Treppe hinunter; die beiden anderen, die vor Wut nicht klar vor Augen sehen, fallen ihm nach. Da lagen nun die drei, die sich auf den Tod haßten, innig zu einem Bündel verschlungen und begannen selbdritt eine Prügelei, und zwar mit solcher Energie, daß auf den Lärm eine Menge Leute herzuliefen. Es konnte aber niemand hereinkommen, um sie auseinanderzureißen, weil sie mit ihren Schultern gegen die Tür lagen, so daß diese nicht zu öffnen war. Das Geschrei der Leute draußen auf der Straße wurde nun immer lauter, und da wollte es der Zufall, daß gerade der Gouverneur vorbeikam. Der ließ die Tür einschlagen, die drei verhaften und sie, zerklopft und blutbesudelt, wie sie waren, in ein und dasselbe Gefängnis werfen. Da blieb ihnen denn nichts anderes übrig, als sich wieder zu vertragen, denn sonst wollte man sie nicht wieder herauslassen. So vertrugen sie sich denn also.

Antonia: Ei, das war wirklich ’ne hübsche Geschichte.

Nanna: Sie war so hübsch, daß ich sie allen Fremden erzählte und daß ich sogar daran dachte, vom Juden Gianmaria eine Ballade darauf machen zu lassen; ich tat es nur deshalb nicht, damit man nicht von mir sagen möchte, ich sei ’ne Renommistin.

Antonia: Möge Gott dir das lohnen!

Nanna: Amen. Aber wenn über diese Geschichte jedermann lachte, so war über ’ne andere, die ich dir gleich erzählen werde, ein jeder baff. Als ich bei meinen Freunden auf dem Höhepunkt meiner Beliebtheit stand – und ich war ja allerdings ein leckerer Happen –, da kam ich auf die Idee, mich im Campo Santo einmauern zu lassen.

Antonia: Warum denn nicht in Sankt Peter oder in Sankt Johann?

Nanna: Weil ich das Mitleid der Menschen viel tiefer zu rühren gedachte, indem ich mich unter allen diesen Totengebeinen vergraben ließ.

Antonia: Das war ’ne gute Idee von dir.

Nanna: Nachdem ich das Gerede in Umlauf gebracht hatte, begann ich ein heiliges Leben zu führen.

Antonia: Ehe du weiter erzählst, sag mir doch bitte, wie du auf diesen verrückten Gedanken gekommen warst, dich einmauern zu lassen?

Nanna: Damit mich meine Freunde auf ihre Kosten wieder ausgraben ließen.

Antonia: Ach so!

Nanna: Ich begann also, meinen Lebenswandel zu ändern; zuerst entfernte ich alle schönen Sachen aus meiner Kammer, von meinem Bett, von meinem Tisch; dann legte ich ein Kleid aus grauer Sackleinwand an, tat Ketten, Ringe, Hauben und anderen Tand ab und begann jeden Tag zu fasten – indessen hielt ich das ganz gut aus, weil ich im geheimen aß. Das Sprechen versagte ich mir nicht ganz und gar, dafür aber hielt ich meine Freunde recht knapp; sie mußten sich von Tag zu Tag immer mehr meines Leibes entwöhnen, so daß sie ganz in Verzweiflung gerieten. Als ich nun hörte, daß das Gerücht, ich wollte mich einmauern lassen, sich schon in der ganzen Stadt verbreitet hätte, da packte ich all meinen besseren Hausrat zusammen, verwahrte ihn an einem sicheren Ort und begann um der Liebe Gottes willen hier und da einige Almosen zu geben. Als mir nun der günstige Zeitpunkt gekommen zu sein schien, da rief ich meine Freunde, die sich schon als meine Witwer fühlten – ihnen wäre es besser gewesen, sie hätten mich ganz verloren, als daß ich ihnen nur zeitweise abhanden kam! –, und bat sie, Platz zu nehmen; und nachdem ich mir eine kleine Weile still für mich ein paar Worte noch einmal überlegt hatte, die ich mir selber ausgedacht, preßte ich meinen Augen zehn Tränen ab, die ich mit einer mir selbst unbegreiflichen Geschicklichkeit so rinnen ließ, daß sie auf meinen Wangen haftenblieben. Dann begann ich: »Liebe Brüder, Väter und Kinder! Wer nicht an seine Seele denkt, der hat entweder keine, oder er hat sie nicht lieb. Ich aber, ich habe die meine lieb; ich habe sie mir von einem Prediger und von der Legende der heiligen Chiepina bekehren lassen, und in gerechter Furcht vor der Hölle, die ich im Bilde gemalt gesehen habe, habe ich beschlossen, nicht ins heiße Haus zu gehen. Und da meine Sünden bereits nicht viel geringer sind als die göttliche Barmherzigkeit, darum, liebe Brüder, darum, liebe Kinder, will ich dies schnöde Fleisch, diesen schnöden Leib, dieses schnöde Leben einmauern lassen.« Da ging ein Gemurmel durch die Versammlung, und den armen Kerlen kamen die Seufzer in die Kehlen, wie den frommen Christen, die das Schluchzen nicht zurückhalten können, wenn der Priester den Passionsgesang anstimmt. Dann fuhr ich fort und sprach: »Keinen Putz und Tand mehr und überhaupt nichts mehr für mich: Mein geschmücktes Zimmer ist von nun an ein schrittbreites nacktes Kämmerchen; mein Bett ein Arm voll Stroh auf einem Holzschrägen; mein Essen, was Gottes Gnade mir zukommen läßt, mein Trinken das Wasser, das vom Himmel regnet, und mein goldgewirktes Gewand – dieses!« Damit zog ich unter mir ein sehr rauhes härenes Büßerhemd hervor und zeigte es ihnen – ich hatte darauf gesessen! Vielleicht erinnerst du dich des Weinens und Heulens der guten Christenseelen, wenn ihnen im Coliseo das Kreuz gezeigt wird – so sah und hörte auch ich meine Verliebten wehklagen, und Schmerz und Tränen erstickten ihre Stimmen. Aber als ich dann sagte: »Brüder, ich bitte euch um Vergebung!« – da erhoben sie ein Geschrei, wie es Rom erheben würde, wenn es ein zweites Mal geplündert werden sollte – wovor Gott uns behüten wolle! Einer von ihnen warf sich mir gar zu Füßen, aber da er mit all seinen Litaneien nichts ausrichten konnte, so stand er schließlich wieder auf und rannte zwanzigmal mit dem Kopf gegen die Wand.

Antonia: Schade um den Kopf!

Nanna: So kam denn der Morgen heran, an dem ich mich einmauern lassen sollte; da hättest du schwören mögen, ganz Rom sei in der Kirche des Campo Santo; wenn du all die Leute zusammennimmst, die jemals hingegangen sind, um sich eine Judentaufe anzusehen, so kommt noch nicht annähernd die Menge heraus, die an meinem Ehrentage zugegen war. Und verlaß dich darauf, denen, die am Morgen gehängt werden sollen, und denen, die ein Duell ausfechten müssen, ist nicht elender zumute, als meinen Liebhabern war. Aber wozu soll ich dich über die Baumwipfel führen? Ich wurde eingemauert, unter dem Gezischel des ganzen Volkes. Da sagte der eine: »Der liebe Gott hat ihr das Herz gerührt.« Der andere: »Sie wird den anderen Frauenzimmern ein gutes Beispiel geben.« Noch wieder andere: »Wer hätte das je gedacht?« Mancher wollte es nicht glauben, obwohl er’s mit eigenen Augen sah; manche waren ganz starr vor Staunen; andere aber lachten und sagten: »Oh! wenn sie’s einen Monat aushält, will ich mich kreuzigen lassen!« Und es war ein wahrer Jammer und ’ne wahre Lust mit anzusehen, wie meine armen Liebhaber sich in der Kirche drängten und schubsten, um mit mir sprechen zu können; und das Heilige Grab wurde nicht so gut von den Pharisäern bewacht wie ich von jenen. Als jedoch ein paar Tage verstrichen waren – in der Tat, nur ein paar –, da begann ich ihren täglichen und stündlichen Bitten, ich sollte doch herauskommen, ein günstiges Ohr zu leihen. »Wozu denn dies?« sagten sie fortwährend. »Seine Seele kann man ja allerorten retten.« Und um’s in einem Wort zu sagen: Sie mieteten mir ein neues Haus und statteten es ganz funkelnagelneu mit Möbeln aus. So ging ich denn aus meinem Mauerloch heraus, das von ihnen eingerissen wurde, wie man die Steine der Jubiläumstür einreißt, sobald der Heilige Vater den ersten Ziegel herausgenommen hat. Und ich wurde schamloser denn je; ganz Rom hielt sich den Bauch vor Lachen, und die, die meine baldige Entmauerung vorausgesehen hatten, riefen einander laut zu: »Na? was hatte ich gesagt?«

Antonia: Ich weiß nicht, wie’s menschenmöglich ist, daß eine Frau sich alle deine Streiche ausdenken kann!

Nanna: Die Huren sind keine Frauen, sondern sie sind eben Huren; und darum ersinnen und machen sie alles, was ich getan und erzählt habe. Aber wie steht’s bei ihnen mit jener Eigenschaft, die die Ameisen auszeichnet, daß sie im Sommer für den Winter Vorsorgen? Antonia, liebe Schwester, du mußt bedenken, daß ’ne Hure immer im Herzen einen Stachel fühlt, der ihr alle Zufriedenheit raubt: nämlich die bange Angst vor jenen Kirchenstufen und Lichtstümpfchen, von denen du so verständig sprachst; und ich will’s dir nur gestehen: auf eine Nanna, die ihr Schäfchen ins trockene zu bringen wußte, kommen tausend, die im Spittel sterben. Und Meister Andrea pflegte zu sagen: Mit Huren und Hofkavalieren ist’s so ziemlich die gleiche Leier; unter diesen beiden Klassen gibt’s viel mehr Karlinen als Goldstücke. Und was macht jener Stachel, den sie nicht nur im Herzen, sondern auch in der Seele spüren? Er macht sie an ihr Alter denken: Darum gehen sie in die Hospitäler, suchen sich das schönste kleine Mädchen aus, das sie dort finden können, und ziehen’s als ihr Töchterlein auf. Sie wählen sie von einem solchen Alter, daß sie gerade aufblühen müssen, wenn sie selber verblühen, geben ihnen den schönsten Namen, den sie sich ausdenken können, wechseln diesen aber jeden Tag, so daß niemals ein Fremder den richtigen wissen kann. Heute heißen sie Giulia, morgen Laura, dann wieder Portia, Lucretia, Penthesilea, Prudentia, Cornelia. Und auf eine, die eine richtige Mutter hat, wie meine Pippa mich, kommen tausend, die in den Spitälern aufgelesen worden sind. Auch ist es eine Heidenarbeit, die Namen der Väter von den Kindern, die wir selber kriegen, richtig anzugeben. Natürlich sagen wir immer, sie seien die Töchter von irgend ’nem Edelmann oder Monsignor. Aber unsere Gärten werden ja so mannigfaltig besamt, daß es unmöglich ist zu behaupten, das Pflänzlein sei von diesem oder jenem bestimmten Samen. Und ’ne Närrin ist die, die sich rühmt, sie wisse genau, von welchem Samen ein Gewächs ist, wo zwanzig Arten Samen ausgestreut werden, ohne daß man sich ein bestimmtes Zeichen macht.

Antonia: Das ist ganz gewiß.

Nanna: Und wehe dem, der einer Hure, die ’ne Mutter hat, in die Hände fällt! Armer Mann, der sich in ihre Netze verstrickt! Denn wenn die Mütter auch schon alt sind, so wollen sie doch gleichwohl ihren Anteil am Salbentopf haben: Daher müssen sie denn zu den Gaunereien ihrer Tochter auch noch einige Schelmenstreiche eigenen Produkts hinzufügen, um den Kerl, der’s ihnen feinfein besorgt, bezahlen zu können; denn ihnen stechen immer gerade die jungen Bürschchen in die Nase; und wie’s nun mal den Alten geht: Sie finden kaum für bares Geld was Ordentliches.

Antonia: Was du da sagst, ist so recht mitten aus dem Leben gegriffen.

Nanna: In welche Gefahr begibt sich nicht der unglückliche Mensch, um den sich Mutter und Tochter in der Enge ihres Kämmerleins streiten! Was für spitzbübische Anschläge werden da gegen seine Börse geschmiedet, was für hinterlistige Ratschläge ihm gegeben, was für verräterische Reden ihm gehalten. Der Fechtmeister, der neben meinem Hause wohnte, brachte seinen Schülern nicht so viele Finten bei, wie diese falschen oder nicht falschen Mütter sie ihre Töchter lehren. Da sagen sie ihnen: »Wenn dein Freund kommt, sag ihm doch das und das, bitte ihn um das und das, küsse ihn auf die und die Art, liebkose ihn so und so, rege dich auf, wenn er dir die und die Laune nicht erfüllen will und werde wieder nett zu ihm, wenn er das und das tut. Stoß ihn nicht vor den Kopf, liebkose ihn auch nicht zu sehr, und wenn du mit ihm Scherze treibst, mach plötzlich ein nachdenkliches Gesicht und geh ins Nebenzimmer. Versprich ihm etwas und brich dein Versprechen, je nachdem, wie’s gerade dein Vorteil ist; und sieh immer zu, daß du ein Armband, einen Ring, ein Halsband oder ’nen Rosenkranz ergatterst: Das schlimmste, was dir passieren kann, ist, daß du ihm die Sachen wiedergeben mußt.« Glaube mir, so ist’s, wie ich dir sage!

Antonia: Mich dünkt beinahe, daß ich dir glauben muß.

Nanna: Glaube mir nur ruhig ganz und gar, und nicht beinahe.

Antonia: Und bist du auch so niederträchtig gewesen?

Nanna: Wer wie die andern pißt, ist auch sonst so wie sie. Darum war ich Hure, solange ich vom Huren lebte, und habe nichts unterlassen, was zum Geschäft einer Hure gehört. Denn ich wäre ja keine Hure gewesen, hätte ich nicht auch hurenmäßige Gesinnung gehabt; und wenn jemals eine verdient hat, das Doktordiplom der Hurerei zu erhalten, so ist’s deine Nanna gewesen. Meisterin war ich besonders in der Kunst, immer fünfundzwanzig Jahre alt zu sein. Leichter läßt sich die Zahl der Feuerfliegen von zehn Sommern feststellen als das Alter einer Hure, die dir heute sagt: »Ich bin zwanzig!« und dir sechs Jahre darauf schwört, sie sei neunzehn. Aber sprechen wir jetzt von ernsteren Sachen. Wie viele arme Kerle sind zu meiner Zeit um meinetwillen in Stücke gehauen und von Dolchstößen durchlöchert worden!

Antonia: Du gefällst mir besser, wie du jetzt bist.

Nanna: So wie ich jetzt bin, wird dank dem Jubeljahr, reichlichem Ablaß und fleißigem Kirchengehen meine Seele in der anderen Welt nicht unter den letzten sein, wie auch mein Leib auf dieser Welt nicht unter den letzten gewesen ist. Bei der Madonna, nein! Ich werde nicht hintenan zu stehen brauchen, wenn ich auch mal mein Vergnügen daran gehabt habe, daß die Männer sich um meinetwillen die Hälse abschnitten. Denn ich tat es aus großartiger Gesinnung: Es schien mir eine Glorifizierung meiner Schönheit zu sein, wenn um ihretwillen Tag und Nacht die Funken von den Degen stoben. Und wehe dem, der’s wagte, mich schief anzugucken! Ich hätte mich dem Henker hingegeben, um meine Rache an dem Beleidiger zu haben!

Antonia: Das Böse ist bös, und das Gute ist gut.

Nanna: Wie man’s nimmt. Ich hab’s nun mal getan und bereue es natürlich, aber es tut mir nicht leid. Aber wer könnte dir beschreiben, mit welcher Kunst ich den Leuten die Köpfe zu verdrehen wußte! Antonia, manchmal hatte ich gleichzeitig zehn Liebhaber im Hause und wußte meine Küsse, Karessen, Koseworte, Händedrücke so vorzüglich unter ihnen allen zu verteilen, daß sie glaubten, sie wären im Paradies, bis mir ein neuer Vogel zuflog, nach der Mode von Mantua oder Ferrara, mit Nesteln, Tressen und Bändern überladen. Den nahm ich dann auf, wie man einen empfängt, der mit Geschenken kommt, ließ meine Galanten – wie die Genuesen sagen – auf dem trockenen sitzen und zog mich mit ihm in meine Kammer zurück. Das dämpfte denen, die ich im Saale zurückgelassen hatte, ein bißchen den Übermut, wie die Mandeln durch die Kälte von den Bäumen fallen und die Blumen vorm Winde sich hinlegen. Dann hörte man von ihnen Seufzer ohne Worte, und sie sahen aus wie Leute, die mit Gewalt fortgeführt werden und sich mit den Rücken gegenstemmen, weil sie nichts anderes machen können. Nach den Seufzern kam etliches Zähneknirschen; dann bissen sie sich auf die Finger, schlugen mit den Fäusten auf den Tisch, kratzten sich am Kopf, sprangen auf und liefen stumm im Saal auf und ab und sangen schließlich ein paar Töne aus irgend ’nem Liedchen, um sich den Zorn zu vertreiben. Und da ich mir Zeit ließ, ehe ich wieder zu ihnen kam, so gingen sie zuletzt die Treppe hinunter; aber in der Hoffnung, ich möchte sie zurückrufen, sagten sie dabei der Magd oder ihren Kameraden noch irgendein Wort mit recht lauter Stimme. Sie machten einen kleinen Spaziergang, kamen zurück, fanden die Tür verschlossen und kriegten vor Liebesschmerzen die Krämpfe.

Antonia: So grausam wie du war ja nicht mal die Ancroia. 58

Nanna: Du bist recht sehr zum Mitleid geneigt!

Antonia: Ja, das bin ich und will’s auch bleiben.

Nanna: O bitte, bleib’s nur, wenn du’s bist. Wenn du nur anhörst, was ich erzähle – das genügt.

Antonia: Anhören werd ich dich schon, darauf kannst du dich verlassen.

Nanna: Wie komisch war es anzusehen, wenn ich mitten im Pläsier, das sich einer mit mir machte, plötzlich ohne jeden Grund zu weinen anfing! Und wenn ich dann gefragt wurde: »Warum weint Ihr denn?«, dann antwortete ich mit tiefen Seufzern und herzbrechendem Schluchzen und tränenerstickten Worten: »Du verhöhnst mich, du hast keine Achtung vor mir; aber nur Geduld, ich muß mich eben in mein schwarzes Unglück ergeben!« Ein anderes Mal sagte ich weinend zu einem, der für zwei Stunden von mir Abschied nahm: »Wohin geht Ihr denn? Gewiß zu einer von denen, die Euch behandeln, wie Ihr’s verdient!« Da hielt der Dummkopf sich für was Rechtes, weil eine Frau sich so um ihn hatte! Oft weinte ich auch, wenn einer wiederkam, der zwei Tage lang nicht bei mir gewesen war; das tat ich, damit er glauben sollte, ich weinte aus Freude über das Wiedersehen.

Antonia: Mit den Tränen warst du also leicht bei der Hand.

Nanna: Ja, du mußt dir vorstellen, daß ich einem Erdreich glich, woraus das Wasser hervorquillt, sobald man’s betritt, oder gar einem solchen, das fortwährend sintert, auch ohne daß man’s anrührt. Aber ich weinte immer nur mit einem Auge.

Antonia: Oh! Kann man denn mit einem Auge allein weinen?

Nanna: Die Huren weinen mit einem, die Ehefrauen mit zweien und die Nonnen mit vieren!

Antonia: ’s ist wirklich schön, wenn man so was vernimmt.

Nanna: Ja, es wäre schön, wenn ich’s dir ausführlich erzählen wollte; für heute sage ich dir nur soviel: Die Huren weinen mit dem einen Auge und lachen mit dem anderen.

Antonia: Das ist ja wahrhaftig noch schöner! Aber sage mir nun auch bitte, wieso.

Nanna: Weißt du denn nicht, du armer Unschuldsengel, daß wir Huren – gewiß, so nenn ich mich! – immer im einen Auge das Gelächter und im anderen die Träne haben? Denn es ist ganz gewiß wahr, um die eine Kleinigkeit lachen, um die andere weinen wir. Unsere Augen sind wie die wolkenverdeckte Sonne, die jetzt einen Strahl hervorschießt, während sie sich im nächsten Augenblick versteckt. Mitten im Gelächter lassen wir ein Tränchen fallen; und auf solches Weinen, auf solches Lachen verstand ich mich besser als irgendeine Hure, die je von Spanien zu uns kam; und damit meuchelte ich mehr Leute, als auf dem Strohlager in den allerheiligsten Gefängnissen der Inquisition gestorben sind! Es gibt nichts Notwendigeres als dies Lachen und Weinen, wovon ich dir sprach; aber man muß sie zur rechten Zeit anbringen; denn wenn man den richtigen Augenblick verpaßt, sind sie nichts mehr wert; mit ihnen ist’s wie mit den Röschen von Damaskus, die ihren Duft verlieren, wenn man sie nicht in der Morgenfrühe pflückt.

Antonia: Man lernt doch alle Tage was Neues!

Nanna: Nach dem Lachen und Weinen kommen dann ihre Schwestern, die Lügen; an diesen ergötzte ich mich mehr als die Bauersleute an ihren Karpfen, und ich sagte mehr Lügen, als im Evangelium Wahrheiten stehen. Und ich vermauerte sie mit dem Kalk meiner Schwüre in den Glauben des Nächsten, daß du hättest rufen mögen: ›Sie ist die erste Evangelistin!‹ Ich erfand die durchtriebensten Sachen von der Welt über meine Verwandtschaften, meine Besitzungen und andere Schwindelgeschichten; ich dachte mir die verrücktesten Märchen aus, legte sie auf meine Art aus und erzählte sie, wie wenn ich sie geträumt hätte. Auf ein Täfelchen hatte ich alle Namen meiner Liebhaber geschrieben; ich verteilte unter sie die Nächte der Woche und schrieb für jede Nacht den Namen dessen auf, der mit mir schlafen sollte, und wenn du je gesehen hast, wie auf gewissen Täfelchen, die in der Sakristei angeschlagen sind, die Namen der Priester, die die Messe lesen, der Reihe nach angeschrieben stehen, so weißt du auch mit meinen Namenstäfelchen Bescheid.

Antonia: Die Priestertafeln habe ich gesehen, und mich dünkt, ich sehe auch deine Namenstafeln deutlich vor mir!

Nanna: Na, das ist nur gut.

Antonia: Aber was hat denn die Namenstafel mit den Lügen zu tun, die du den Leuten aufbandest?

Nanna: Ei nun, die Gelbschnäbel hielten sich durch die Tafel, die ihnen ihre Nacht garantierte, für gesichert, und dadurch gingen sie oft auf den Leim. Denn es kamen eben auch Programmänderungen vor – gerade wie in den Kirchen mit den Priestern, die die Messe lesen.

Antonia: Ah so, nun versteh ich! Ja, da gehört allerdings das Täfelchen zu deinen Lügenstreichen!

Nanna: Nun höre mal folgende Geschichte und heb sie dir auf, um deine Freude dran zu haben: Von einem, der in mich ganz verschossen war, lieh ich eine Kette von großem Wert, die er selber von einem Edelmann geliehen hatte; dieser aber hatte sie seiner eigenen Frau heimlich weggenommen, um seinem Freund den Gefallen zu tun. Und er hängte sie mir an dem Tage um den Hals, wo der Papst in der Minervakirche den vielen armen Mädchen die Mitgift schenkt.

Antonia: Am Tage von Maria Verkündigung?

Nanna: An der Verkündigung, ganz recht. An eben jenem Tage hängte ich sie mir um den Hals, aber ich behielt sie nicht lange.

Antonia: Warum denn nicht?

Nanna: Kaum war ich in der Kirche und sah da das große Gedränge, so dachte ich daran, daß die Kette mein werden müßte. Was tat ich also? Ich nahm sie mir vom Hals ab und gab sie einem, der mir verschwiegener war als der Beichtvater. Dann drängte ich mich in die Menge hinein, und als ich mittendrin war, stieß ich plötzlich einen Schrei aus wie einer, der sich auf dem Campo di Fiore vom Marktschreier einen Zahn ziehen läßt. Und als jeder sich nach dem Geschrei umdrehte, da ruft deine gute Nanna: »Meine Kette! meine Kette! der Räuber, der Spitzbube, der Schurke!« Und so schreie ich und heule und raufe mir die Haare aus. Alles läuft auf mein Geschrei herzu, und die ganze Kirche gerät in Aufruhr. Auf den Lärm rennt auch der Bargello herbei und packt irgendeinen Unglücklichen, der ihm dem Gesicht nach der Kettenräuber zu sein scheint, und schafft ihn auf der Stelle nach Torre di Nona ins Loch. Und es fehlt nicht viel, so hätt er ihn brühwarm gleich aufgehängt!

Antonia: Nein, davon mag ich nichts mehr hören!

Nanna: Doch! Du mußt die Geschichte weiter hören!

Antonia: Ich möchte lieber hören, was der Mann sagte, der dir die Kette geliehen hatte.

Nanna: Ich verließ die Kirche und ging nach Hause, wobei ich den ganzen Weg über weinte und die Hände rang. Dann schloß ich mich in meiner Kammer ein und sagte der Magd: »Laß keinen ein, der mich belästigen will!« Schon aber ist der Freund da und will mit mir sprechen. Gibt’s nicht! Er klopft und klopft, ruft und ruft und sagt: »O Nanna, Nanna! Öffne mir doch, sag ich dir! Willst du dich denn wegen solcher Geschichte der Verzweiflung ergeben?« Ich tat, als hörte ich ihn nicht, und sagte halblaut: »O ich Arme, ich Unglückliche! Ich Unglückselige, vom Schicksal Verfolgte! Ich will bei den Büßerinnen eintreten! Ich will mich ins Wasser stürzen! Ich will Einsiedlerin werden!« Damit stehe ich vom Bette auf, auf das ich mich hingeworfen hatte, und sage zur Zofe, aber ohne meine Kammer zu öffnen: »Höre, Mädel, lauf zu einem Juden. Ich will alles verkaufen, was ich habe, und mit dem Gelde können wir die Kette bezahlen!« Wie er nun meine Zofe ausgehen sieht, wie wenn sie den Juden holen wollte, da fängt mein guter Liebhaber ganz laut an zu schreien: »Mach mir doch auf! Ich bin’s ja!« Ich öffne, und als ich ihn sehe, rufe ich, so laut ich kann: »O weh, o weh mir Armen!« Und er: »Habe keine Sorge! Und wenn ich mich von allem entblößen müßte, so sollst du von dieser Geschichte nicht mehr spüren als ich von diesem Nasenstüber, den ich mir gebe!« – »Nein, nein!« antworte ich, »ich bin zufrieden, wenn du mir nur zwei Monate Zeit läßt, die Kette zu bezahlen!« Aber er rief: »Schweig doch, Närrin, schweig!«, und dann schlief er die Nacht bei mir, und ich machte sie ihm so süß, daß dann von der Kette nicht mehr die Rede war.

Antonia: Du hattest ein gutes Geschäft!

Nanna: Ein alter Graubart, runzlig, gelb, lang und dürr, vergaffte sich in mich wie ich mich in seine Börse. Und da er von der Liebeslust gerade noch soviel Vergnügen haben konnte wie ein Zahnloser von einer harten Brotrinde, so amüsierte er sich damit, mich zu tätscheln, mich zu küssen und mir an den Brustwarzen zu lutschen. Und er konnte Trüffeln, Artischocken, Elektuarium zu sich nehmen – half alles nichts, das richtete ihm den Stengel nicht auf; und wenn er sich auch wirklich mal ein bißchen erhob, so fiel er doch gleich wieder – genau wie ein Lampendocht, der kein Öl mehr hat und ausgeht, während er noch einmal aufzuflackern scheint. Da half’s auch nicht, wenn ich seinem Ding den Schüttelpapa machte, da half kein Finger im Pfeifenloch, kein Krabbeln an den Oliven. Mit diesem nun trieb ich ganz verrückte Scherze. Unter anderem gab ich einer Menge Kurtisanen ein großes Gastmahl, das ganz und gar aus seiner Tasche bezahlt wurde, und von dreißig Stück Silbergeschirr, das er mir für die Tafel lieh, mauste ich ihm vier. Und als er darob einen großen Spektakel machte, warf ich mich ihm um den Hals und rief: »Papachen! liebes Papachen! schilt doch nicht und verdirb dir damit nicht die Verdauung! Nimm alle meine Kleider und alles, was ich besitze, und mache dich damit bezahlt!« Er stand ganz sprachlos da, denn ich sprang ihm mit so vielen ›Papachen!‹ ins Gesicht, daß er schließlich dastand wie ein Vater, dem sein kleiner Junge mit seinem ›Papachen! liebes Papachen!‹ das Herz rührt. Und er bezahlte die Schüsseln von seinem eigenen Gelde und schwor nur, er werde keinem Menschen auf der Welt jemals mehr was leihen.

Antonia: Du warst eine von den Schlauen!

Nanna: Wenn ich eine neue Freundschaft anknüpfte, war ich so süß, daß jeder, der mit mir zum erstenmal sprach, wie ein Prediger in der Stadt herum mein Loblied sang; wenn er mich dann freilich ein bißchen genauer kostete, dann verwandelte sich die Aloe in Manna. 59 Denn wenn ich im Anfang einen großen Abscheu vor dem Bösen zeigte, so hatte ich ihn in der Mitte und am Ende vorm Guten. Denn wie jede gute Hure hatte ich eine wahre Lust daran, Skandale zu säen, Stänkereien anzuzetteln, Freundschaften zu stören, Haß zu erregen, Schimpfereien anzuhören und Prügeleien zuwege zu bringen. Mein freches Mundwerk beschäftigte sich immer mit den Fürsten, schwätzte über den Großtürken, den Kaiser, den König, die Teuerung, den Reichtum des Herzogs von Mailand und den künftigen Papst. Ich behauptete, die Sterne seien so groß wie der Fichtenzapfen des heiligen Peter und nicht größer und der Mond sei ein Bastardbruder der Sonne. Und von den Herzogen auf die Herzoginnen übergehend – von denen sprach ich, wie wenn ich zeitlebens auf ihnen herumgetrampelt wäre. Protzige Manieren hatte ich, wie man sie kaum Herzoginnen hingehen läßt – denn was man von denen der Kaiserin sagt, ist nur ein Schnack –, und ich machte es wie eine Gewisse, die zu ihren Füßen seidene Matratzen ausbreiten ließ, auf denen niederknien mußte, wer mit ihr sprechen wollte.

Antonia: Es gibt also noch Päpstinnen?

Nanna: Die Päpstin – wie ich mir habe sagen lassen – machte nicht annähernd soviel Scheißkram. Nein, wahrhaftig – das tat sie nicht! Und sie legte sich keinen solchen Namen bei, wie die Kurtisanen sich aussuchen. Die eine nennt sich eine Tochter des Herzogs von Valentinois, die andere sagt, ihr Vater sei Kardinal Ascanio, und Madrema unterschreibt mit ›Lucretia Portia, römische Patrizierin‹, und siegelt ihre Briefe mit ’nem riesengroßen Siegel. Aber bilde dir nur nicht ein, daß die schönen Titel, die sie sich selber geben, sie besser machen; im Gegenteil, sie sind so von Liebe, Mitleid und Frömmigkeit verlassen, daß sie, wenn der heilige Rochus, der heilige Hiob und der heilige Antonius sie um ein Almosen bäten, ihnen doch nichts geben würden, obwohl sie vor diesen dreien große Angst haben.

Antonia: Rüdige Bande!

Nanna: Und verlaß dich darauf: Wenn man was in den Tiber wirft, so ist’s besser angewandt, als wenn man’s den Huren gibt. Denn sosehr sie dich hochzuhalten scheinen, ehe sie ihr Geschenk haben, sosehr verachten sie dich, sobald du ihnen was gegeben hast. Treu und Glauben findest du bei ihnen wie bei den Zigeunern und den Mönchen, die aus Indien zurückkommen. Kurz und gut: Die Huren haben Honig im Mund und Rasiermesser in der Hand; du kannst zweie sich vom Kopf bis zu den Füßen ablecken sehen, und kaum sind sie voneinandergegangen, so sagen sie sich gegenseitig Sachen nach, daß Desiderius und die ›Priester vom guten Wein‹ Angst davor kriegen würden, die doch sogar dem Tode bange machten, indem sie ihn auslachten, als er sie vierteilen und am Spieß braten wollte. Schandmäuler, haben sie, daß sie einem jeden etwas anhängen, er sei, wer er wolle, und habe ihnen noch soviel Gutes getan – darum kümmern sie sich gar nicht. Sie tun also, als seien sie ganz verschossen in einen, den man für ihren Favoriten hält und den sie hinten und vorn mit hunderttausend ›Euer Gnaden‹ umschmeicheln; und wenn er geht, um einem andern Platz zu machen, der ihr die Kur schneiden will, so erweisen sie ihm tausend Ehren mit Grimassen und Worten. Kaum aber ist er die Treppe hinunter, so kriegt er seinen Senf; und kaum ist er zur Tür heraus, so könnten sie über einen Lumpenkerl nicht gemeiner schimpfen. Und der andere, der bei ihnen bleibt, bildet sich ein, er sei Frauchens Pintchen.

Antonia: Warum sind sie denn so?

Nanna: Warum, oh? Eine Hure wäre ja keine rechte Hure, wenn sie nicht sozusagen Brief und Siegel auf Schuftigkeit hätte. Und eine Hure, die nicht alle Hureneigenschaften hätte, wäre wie eine Küche ohne Koch, wie Essen ohne Trinken, wie ’ne Lampe ohne Öl, wie Makkaroni ohne Käse.

Antonia: Ich glaube, es ist für einen, der von ihnen zugrunde gerichtet ist, ein süßer Trost, wenn er sieht, daß von ihnen mal eine ausgepeitscht wird wie zum Beispiel in jenem Capitolo, worin es heißt:

O Mamachen-erlaubt’s-nicht, o Lorenzina
O Laura, o Cecilia, o Beatrice
Seht hier die Unglückliche, nehmt euch ein Beispiel dran!

Ich weiß es auswendig und hab’s eigens auswendig gelernt, weil ich glaubte, es sei vom Meister Andrea; ich habe aber später gehört, es sei von dem, der die großen Herren behandelt 60 wie mich dieses verhenkerte Franzosenübel: keine Parfüms, keine Salben, keine Medikamente wollen mir helfen. Ach herrje!

Nanna: Aber ich weiß wirklich nicht, was ich dir noch erzählen soll, und doch weiß ich, daß ich noch mehr zu erzählen habe, als ich schon gesagt. Mir ist zumute, als wenn mein Hirn in heißem Waschwasser schwämme, als wenn’s auf dem Ofen stände, als wenn’s mir wie Bohnen abgepellt würde – und das kommt davon, daß du fortwährend vom Ast auf den Zweig springst. Nun hör bitte mal ruhig an, was ich dir erzähle: Nach Rom kam ein junger Dachs von zweiundzwanzig Jahren, adlig, reich, Kaufmann bloß dem Namen nach, ein richtiger Hurenbissen. Der fiel mir sofort in die Finger. Ich tat, als sei ich fürchterlich in ihn verliebt, und je demütiger ich ihn umschmeichelte, desto mehr stieg ihm der Stolz zu Kopf. Und da ich vier- bis sechsmal täglich meine Zofe zu ihm schickte und ihn bat, er möchte doch geruhen, mich zu besuchen, so verbreitete sich in der ganzen Stadt das Gerede, ich sei seinetwegen schon beim Hühnersalmi und der letzten Ölung, und man sagte: »Endlich hat’s auch mal die Hure erwischt! Und um wen? Um einen, dessen Schnabel noch nach der Milch riecht. Um einen Burschen, der nicht ’ne Stunde ernst zu nehmen ist, hat sie Sinn und Verstand verloren.« Ich schwieg ganz still, aber ich tat, als ob ich mich vor Liebe nach ihm mit Haut und Haaren verzehrte, stellte mich, als könnte ich nicht mehr essen und nicht mehr schlafen, sprach immer von ihm und ließ ihn alle Augenblicke rufen. Und schließlich wettete man, ich würde mich um seine schönen Augen an den Bettelstab oder gar ins Grab bringen. Der junge Mann erhielt von mir einige süße Nächte und ein paar gute Mahlzeiten bewilligt und renommierte in der ganzen Stadt herum und zeigte überall einen Türkis von geringem Wert, den ich ihm geschenkt hatte; und wenn er bei mir war, sagte ich ihm fortwährend: »Wenn’s Euch mal am Geld fehlt, so wendet Euch nur ja an niemand als an mich, denn alles, was ich habe, gehört Euch, da ja ich selber Euch gehöre.« Darob stolzierte er wie ein Pfau bei den ›Banchi‹ einher, besonders, als er sah, daß man mit den Fingern auf ihn zeigte. Eines Tages, als er auch wieder bei mir war, kam ein sehr großer Herr zu mir, ich ließ meinen Jungen sich in einem Kämmerchen verstecken und öffnete Seiner Exzellenz. Er kommt nach oben, nimmt Platz und sieht von ungefähr meine frischen leinenen Bettlaken. »Wer wird denn die entjungfern?« lacht er. »Wohl Euer Ganymed?« Oder Canimed, ich erinnere mich nicht mehr so genau. Und ich antworte ihm: »Ganz gewiß wird der sie entjungfern! Und ich liebe ihn, ich bete ihn an, er ist mein Gott! Und ich bin seine Magd und werde es in Ewigkeit sein! Denn euch anderen allen verkaufe ich meine Liebkosungen bloß für euer Geld!« Stell dir bloß vor, wie der sich im Kämmerlein aufblähte, als er mich so reden hörte! Als der andere weg war, lief ich hin und machte ihm auf; und wie er rauskam, da ging er, wie wenn ihm ’s Hemd über den Hintern raufgerutscht wäre, und er schritt einher mit Blicken, wie wenn er der Herr über mich und meine Dienstboten und mein ganzes Haus wäre. Aber um zum Amen meines Paternosters zu kommen: Eines Tages wollte er mich nach seiner Weise auf einem Koffer vornehmen, da ließ ich ihn plötzlich in seiner Brunst stehen und schloß mich mit einem andern ein. An solche Scherze war er nicht gewöhnt: Er ließ einen grimmigen Fluch fahren, nahm seinen Mantel und ging fort. Er dachte, ich würde ihn wie gewöhnlich zurückrufen lassen; als er aber die Friedenstaube nicht erscheinen sah, da fuhr ihm vor Wut der Teufel in den Leib. Und als er wieder an die Tür kommt, wird ihm gesagt: »Die Signora hat Gesellschaft!« Da machte er ein klägliches Gesicht wie ’ne Maus, die ins Öl gefallen ist, das Kinn sank ihm auf die Brust, in den Mund stieg ihm ein bitterer Geschmack, die Lippen wurden ihm trocken, die Augen feucht, und er neigte den Kopf zur Seite, wie wenn er ihn an eines Freundes Schulter lehnen wollte. Mit klopfendem Herzen, Schritt für Schritt, ging er langsam fort, und die Knie zitterten ihm wie einem, der nach langer Krankheit eben das Bett verlassen hat. Durch die Löcher des Fensterladens sah ich ihn so ruckweise fortgehen und immer mal wieder stillstehen. Wie ich da lachte! Und als ihn jemand grüßte, da antwortete er, indem er kaum ein wenig den Kopf erhob. Als er am selben Abend wiederkam, ließ ich ihm aufmachen; er fand aber bei mir eine große Gesellschaft, mit der ich lustig schwatzte, und da sah er, daß ich ihm nicht wie gewöhnlich sagte: »Nehmt Platz!« So nahm er sich selber diese Freiheit und setzte sich in eine Ecke. Da blieb er sitzen, ohne sich durch alle die scherzhaften Sachen, die er mit anhörte, aufheitern zu lassen, bis alle anderen fort waren. Als er aber mit mir allein war, sagte er: »Ist das deine Liebe? Sind das deine Küsse? Sind das deine Schwüre?« Und ich antwortete ihm: »Brüderchen, deinetwegen bin ich unter allen Kurtisanen Roms zum Stadtgespräch geworden; man macht schon Komödien über meine Einfalt; am meisten aber wurmt und brennt es mich, daß meine Liebhaber mir nichts mehr geben wollen, denn sie sagen: ›Wir wollen nicht den Braten kaufen, damit ein anderer uns das Fett von der Tunke ißt.‹ Aber wenn du willst, daß ich wieder zu dir werde, wie du selber gut genug weißt, daß ich sein kann, und wie ich früher war, so tu mir einen Gefallen!« Als er diese Worte hört, da wirft er den Kopf empor wie einer, der zum Galgen geführt wird und dem man zuruft: »Reiß aus! Reiß aus!«, und er schwört, mir zuliebe wollte er den Flöhen Augen machen, und ich möchte nur nach Herzenslust verlangen, was ich haben wollte. Da sag ich ihm denn: »Ich will mir ein seidenes Bett machen lassen; das kostet mit den Fransen, dem Atlasüberzug und dem Holzgestell, aber ohne den Macherlohn, hundertneunundneunzig Dukaten oder so drumrum. Und damit meine Freunde sehen, daß du die Sache aus dem vollen betreibst und Schulden machst, um mir Geschenke geben zu können, so wünsche ich, daß du das alles auf Kredit nimmst. Wenn der Zahltermin da ist, so laß mich nur machen: bezahlen sollen die anderen oder dran verrecken.« – »Das geht nicht«, sagte er, »denn mein Vater hat seinen Geschäftsfreunden geschrieben, man dürfe mir keinen Kredit geben; und wenn mir trotzdem einer etwas borgte, so geschähe es auf seine eigene Gefahr.« Ich drehte ihm den Rücken zu und schickte ihn fort. Einen Tag darauf aber ließ ich ihn wieder holen und sagte ihm: »Geh zum Salomon, er wird dir das Geld auf einen bloßen Schuldschein geben.« Er geht hin, Salomon sagt ihm aber: »Ohne Unterpfand leihe ich kein Geld aus.« Er kommt wieder zu mir, erzählt mir alles, und ich sage ihm: »Geh zum Soundso, er wird dir für die betreffende Summe Juwelen geben, die der Jude dir gerne abkaufen wird.« Er geht hin, findet den Mann mit den Juwelen, wird mit ihm handelseins, gibt ihm einen Wechsel auf zwei Monate, trägt die Juwelen zum Salomon, verkauft sie ihm und bringt mir das Geld.

Antonia: Wo will das hinaus?

Nanna: Sehr einfach. Die Juwelen gehörten mir, und sobald der Jude von mir sein Geld zurückbekam, brachte er sie mir wieder. Nach acht Tagen ließ ich den Mann kommen, der dem jungen Fant die Juwelen auf seinen Schuldschein hin verkauft hatte, und sagte ihm: »Laß den jungen Mann ins Schuldgefängnis werfen und schwöre, er sei fluchtverdächtig.« Mein Auftrag wurde sofort ausgeführt, der Maulaffe verhaftet und kam nicht eher wieder heraus, als bis er die Zeche doppelt bezahlt hatte, denn die alten Wirte pflegen sowenig wie die jungen umsonst zu essen zu geben.

Antonia: Ich hatte mich bis jetzt selber für eine Abgefeimte gehalten, aber ich gestehe, im Vergleich mit dir bin ich ein Waisenmädchen!

Nanna: Etwas anderes: Es kam die Zeit des Karnevals, der die Folter, der Tod und die Verwesung der armen Pferde, der armen Kleider und der armen Verliebten ist. Ich hatte damals ’nen Freund, der viel guten Willen, aber wenig Mittel hatte. Es war kurz nach Weihnachten, um die Zeit, wo die Masken anfangen sich zu zeigen, wenn auch noch nicht viel. Immerhin sieht man schon welche, und diese werden von Tag zu Tag immer mehr, wie die Melonen, von denen zuerst jeden Morgen fünf oder sechs erscheinen, dann zehn, zwölf, dann ein Korb voll, dann eine Fuhre, und endlich so viele, daß man nicht weiß, wohin damit. Wie gesagt, die Masken traten noch nicht in Scharen auf, da sagt mein Freund mit dem Vogel im Kopf, als er mich ein Gesicht machen sieht wie eine, die gerne verstanden werden, aber selber nichts sagen möchte: »Habt Ihr denn keine Lust, als Maske auszugehen?« – »Ich bin ein Hausmütterchen«, antwortete ich ihm; »ich mach mir mein Vergnügen, indem ich hinter den Fensterläden hervorluge; die Maskeraden überlasse ich den Schönen und denen, die was anzuziehen haben.« – »Sonntag«, sagt er, »möchte ich, daß du als Maske ausgehst, und zwar im höchsten Staat.« Eine Weile bin ich ganz still, dann fall ich ihm um den Hals und sage: »Mein Herz, wie willst du mich denn als Maske gehen lassen?« – »Zu Pferde«, antwortet er, »und zwar in prachtvollem Kostüm. Ich bekomme den Gaul vom Reverendissimo; nämlich, um dir die Wahrheit zu sagen, sein Stallmeister hat ihn mir versprochen.« – »Das paßt mir famos!« sage ich und bestimm ihm sogleich als Tag den siebenten nach jenem, an dem wir dies Gespräch über die Maskerade hatten. Am Montag laß ich ihn wieder zu mir kommen und sage: »Was du mir zuallererst beschaffen mußt, sind ein Paar Strümpfe und ein Paar Hosen; aber damit dir die Sache nicht zu teuer wird, kannst du mir deine Samthosen schicken; ich werde alle abgenutzten Stellen herausnehmen lassen und sie so herrichten, daß sie mir passen; die Strümpfe wirst du mir ganz, ganz billig beschaffen, und eins von deinen Wämsern, eins von den weniger guten, wird für mich völlig ausreichend sein, sobald es nach meinem Wuchs zurechtgemacht ist.« Auf diese Worte hin seh ich ihn ein Gesicht schneiden, und zwischen den Zähnen bringt er ein »Mir ist’s recht!« hervor, als ob’s ihm schon leid täte, mich auf die Sprünge gebracht zu haben. Darum sag ich ihm: »Du tust es nicht gerne; lassen wir’s also nur, ich will von der Maskengeschichte gar nichts mehr wissen.« Damit will ich in meine Kammer gehen, er hält mich aber fest und sagt: »Ist das Euer ganzes Vertrauen zu mir?« Sofort schickt er den Diener, um die Kleider zu holen und den Schneider gleich mitzubringen, der sie für meinen Gebrauch zurechtmachen soll. Am selben Tage kauft er den Stoff zu den Strümpfen, läßt sie zuschneiden, und zwei Tage darauf sind sie fertig. Er war gerade bei mir, als sie gebracht wurden, half mir beim Anziehen und rief: »Sie sitzen dir wie angemalt!« Und da ich mal in Knabenkleidern war, so gestattete ich ihm, mich als Knaben zu behandeln; dann sag ich: »Liebe Seele, der den Besen kauft, kann wohl auch den Stiel kaufen: Ich möchte gerne ein Paar Samtschuhe dazu haben.« Da er kein Geld hatte, zog er sich einen Ring vom Finger, kaufte dafür den Samt und gab diesen dem Schuster, der mir Maß nahm und im Handumdrehen die Schuhe fertig hatte. Hierauf nahm ich ihm ein goldgesticktes, seidenes Hemd nicht etwa aus seiner Kommode, sondern direkt ihm vom Leibe; und da mir auch ein Barett fehlte, so sagte ich ihm. »Gib mir dein Barett; die Agraffe werde ich mir selber besorgen.« Er war jetzt ganz hitzig, weil man sich überall von ihm erzählen würde, er ginge mit mir maskiert aus; so gab er mir sein ganz neues und behielt für sich selbst eins, das er schon seinem Bedienten hatte schenken wollen. – So kam denn nun der Vorabend des Tages, an dem ich mit ihm paradieren sollte; und wer ihn um mich beschäftigt gesehen hätte, der hätte sagen mögen: ›Da kleidet das Kapitol den Senator an!‹ Und um fünf Uhr in der Nacht schickte ich ihn fort, um mir eine Feder für das Barett zu kaufen; dann ging er noch einmal aus, um die Maske zu besorgen, und weil er mir keine von Modena brachte, schickte ich ihn noch mal weg, um mir eine modenesische zu holen, und dann ließ ich ihn auch noch mal um ein Dutzend Schnürbänder gehen.

Antonia: Du hättest ihn doch alle diese Besorgungen in einem Gange machen lassen sollen!

Nanna: Das hätte ich sollen, aber ich wollt es nicht.

Antonia: Warum nicht.

Nanna: Da ich schon dem Namen nach eine Signora war, wollt ich’s auch dem Kommandieren nach sein.

Antonia: Schlief er denn mit dir die Nacht vor eurem Festtag?

Nanna: Auf tausend flehentliche Bitten ließ ich ihn ein einziges kleines Mal stochern, indem ich ihm sagte: »Morgen abend kannst du’s mir zwanzigmal machen, wenn zehnmal dir nicht genügen!« So wurde es denn Morgen, und ehe noch die Sonne aufgegangen war, ließ ich ihn aufstehen und sagte ihm: »Geh jetzt und laß das Pferd bereithalten, damit ich gleich nach dem Frühstück in den Sattel steigen kann.« Er steht auf, zieht sich an, geht fort, sucht den Stallmeister auf und sagt recht liebenswürdig zu ihm: »Na, da bin ich.« Der Stallmeister steht da und macht ein Gesicht und sagt weder ja noch nein. »Was?« ruft da der andere. »Wollt Ihr denn mein Verderben?« – »Oh, ich nicht«, antwortet der Stallmeister, »aber mein Herr, der Reverendissimo, ist ganz vernarrt in sein Pferd. Na, und ich weiß, wie die Huren sind: die nehmen ja nicht mal auf den lieben Gott Rücksicht, geschweige denn auf ’nen Gaul, und ich möchte nicht, daß er mir mit ’ner ausgerenkten Schulter oder spatlahm wieder in den Stall käme; denn das wäre mein Verderben und noch ganz anders, als es Euer Verderben wäre, wenn Ihr das Pferd nicht kriegt.« Der andere bittet und bettelt, bis ihm zuletzt der Stallmeister sagt: »Ich kann Euch nicht mein Wort brechen; laßt also das Pferd holen, man wird’s Eurem Diener mitgeben.« Der Stallmeister befahl also seinem Reitknecht, der das Pferd wartete, es solle verabfolgt werden, und mein Freund schickte mir als Extrapost seinen Diener, der mir das ganze Gespräch erzählte, worüber wir herzlich zusammen lachten.

Antonia: Ja, diese Diener sind große Schurken; ganz gewiß sind sie die schlimmsten Feinde ihrer Herren.

Nanna: Ohne allen Zweifel. Aber schon ist’s Zeit zum Frühstücken. Ich esse mit meinem Freund, und kaum laß ich ihn sechs Bissen hinunterschlucken, so sag ich ihm schon: »Laß deinen Burschen essen und schick ihn nach dem Pferd.« Mein Befehl wird ausgeführt, der Bursche ißt und geht ab; und als ich glaube, er bringt das Pferd, da kommt er ohne den Gaul, kommt rauf zu uns und sagt: »Der Reitknecht will mir das Pferd nicht geben, weil der Stallmeister erst noch mit Euch sprechen will.« Kaum hat er seine Botschaft ausgerichtet, so hat der arme Kerl auch schon ’nen Teller am Kopf.

Antonia: Warum tat denn sein Herr das?

Nanna: Weil der Diener ihn hätte auf die Seite rufen und ihm die Geschichte ins Ohr flüstern sollen, so daß ich nichts davon gehört hätte, wenn ich mich nicht nach ihnen umgedreht hätte. Aber ich hatte mich umgedreht und rief: »Ah! das ist ja recht nett, das ist ja ganz reizend; da hab ich ja ’ne viel hübschere Maske gekriegt, als ich sie von meiner Frau Mutter, die auch ’ne Hure war, geerbt hatte! Aber ich wußte schon vorher, daß mir so was passieren würde. Du lockst mich aber nicht mehr auf den Leim! Ich war verrückt, daß ich dir glaubte und mich von dir hineinlegen ließ. Aber was mich noch mehr ärgert, als dies, daß ich das Pferd nicht kriege, das ist, daß man sich überall erzählen wird, ich sei gefoppt worden.« Er wollte mir sagen ›Verlaß dich darauf, das Pferd wird kommen!‹, aber mit einem ›Ach was! laß mich in Ruh!‹ drehte ich ihm den Rücken. Er nimmt sofort seinen Mantel, rennt nach dem Stall, macht vor allen Reitknechten tiefe Bücklinge, läßt sich zum Stallmeister führen und beschwört diesen himmelhoch und so lange, bis er wirklich den Wundergaul bekommt. Ich war derweil bei jedem Geräusch, das ich hörte, im Glauben, das Pferd käme, ans Fenster gelaufen, und schließlich sehe ich seinen Diener, der ganz schweißüberströmt, den Mantel über die Schultern gehängt, angesprungen kommt und mir zuruft: »Signora, jetzt! Jetzt kommt er gleich!« Kaum gesagt, da kommt schon einer, der das Pferd am Zügel führt und dabei das Blaue vom Himmel herunterflucht, weil der Gaul so um sich schlägt, daß die Straße nicht breit genug ist. Als er vor meiner Tür stillhält, da lehne ich mich mit dem ganzen Leib zum Fenster hinaus, damit alle Vorübergehenden sähen, daß ich die wäre, welche auf dem schönen Pferd ausreiten sollte; und ’ne wahre Freude hatte ich an den Straßenkindern, die um den Gaul herumstanden und zu jedem, der vorbeikam, sagten: »Die Signora hier reitet in Maske aus!« Bald nach dem Pferd kam auch mein Liebster, halb ärgerlich, halb vergnügt, und sagte mir: »Wir müssen die Leute wegschicken!« Da standen nämlich zehn, die nur auf ’nen Wink von mir warteten. Ich gebe ihm einen Kuß und verlange von ihm das Samtwams, das der Diener mir schon am Abend vorher hätte bringen sollen; das Wams ist nicht da, der Trunkenbold hat es vergessen! Und wenn ich seinen Herrn nicht zurückgehalten hätte, der Taugenichts hätte mir solche Vergeßlichkeiten nicht mehr gemacht! Genug – er springt schnell nach Hause und holt es; ich ziehe es an, und da ich beim Anlegen meiner Strümpfe bemerke, daß seine Hosenbänder sehr schön sind, so luchse ich sie ihm mit einem Wörtchen ab und geh ihm dafür meine, die nicht eben hübsch waren. Als ich endlich mit meinem Ankleiden fertig war, was mehr Zeit kostete, als man braucht, um reich zu werden, wurde ich unter hundert Schnacken und Firlefanzereien aufs Pferd gehoben. Und sobald ich oben saß, stieg mein Verliebter auch auf seinen Klepper und ritt mit mir ab, indem er mich an der Hand führte. Und am liebsten hätte er’s gehabt, wenn ganz Rom ihn in so hoher Gunst gesehen hätte. So ritten wir dahin, bis wir an den Platz kamen, wo die Eier verkauft werden, deren Schalen vergoldet sind und deren Inneres mit Rosenwasser gefüllt ist. Ich rief einen Dienstmann heran und ließ ihn mir alle bringen, die der Verkäufer hatte. Mein Freund entledigte sich einer Halskette, die auf seiner Brust Staat machte, und ließ diese zum Pfand für die Eier, die ich in Zeit von einem Credo in die Kreuz und die Quer warf. Dann reiche ich ihm wieder die Hand und reite so mit ihm weiter, bis wir einer ganzen Horde von Maskierten und Unmaskierten begegnen; unter diese Gesellschaft mische ich mich nach Herzenslust mitten hinein, und mein Dummkopf bleibt mit einem ganz langen Gesicht dahinten. Und als ich durchs Borgo kam oder bei den Banchi vorbei – der Dreck liegt an beiden Orten gleich hoch –, da machte ich, ohne auf Pferd und Mantel die geringste Rücksicht zu nehmen, zweimal die Runde in Karriere. Vier- oder sechsmal an jenem Tag begegnete ich meinem Freund wieder und behandelte ihn so freundlich und lieb wie einen Menschen, mit dem man niemals verkehrt. Er trottete wohl ein bißchen hinter mir drein, konnte mich aber mit seinem Zuckeltrab nie einholen und saß auf seinem Klepper wie ’ne ausgestopfte Gliederpuppe. Als dann die Nacht herankam, da sang ich im Chor mit tausend anderen Huren und Zuhältern:

Frostzitternd im heißen Sommer
Glühend im Winterfrost…

Und dann endlich ließ ich mich von meinem verzweifelten Liebhaber wiederfinden und an der Hand führen. Der lustigen Gesellschaft rief ich zu: »Gute Nacht, gute Nacht, meine Herrschaften!«, und die Maske in der Hand, sag ich zu meinem Ritter Georg: »Du bist mir ein schöner Prinz! Du hast dich vor mir gedrückt, und ich weiß wohl, warum! Aber warte nur, das gedenk ich dir schon noch mal!« Der gute Trottel entschuldigt sich, und während er mir klarmachen will, daß ich ihm unrecht tue, kommen wir auf den Campo di Fiore. Da halte ich vor der Bude eines Geflügelhändlers, nehme ein paar Kapaune und zwei Drosseln, gebe sie einem, um sie mir nach Hause zu tragen, und sage zu meinem Begleiter: »Zahle!« Da mußte er denn ein Rubinchen dalassen, das ihm seine Mutter gegeben hatte, als er nach Rom reiste; und dieser Ring lag ihm ebensosehr am Herzen, wie’s mir am Herzen lag, ihn zu rupfen. Als wir nun in mein Haus kamen, da war da keine Kerze, kein Holz, kein Feuer, kein Brot, kein Wein – (vielleicht war dies alles nicht da, weil ich nicht wollte, daß es dasein sollte) –, worüber ich in großen Zorn geriet. Ich besänftigte mich erst wieder, als er selbst fortging, um die notwendigen Einkäufe zu machen; sein Diener war nämlich nicht da, weil er fortgegangen war, um das Pferd zurückzubringen, bei dessen Anblick der Stallmeister sagte, er würde es niemals wieder verleihen, und wenn der Herr Christus selber ihn darum bäte. Ich warf mich unterdessen auf mein Bett und hatte einen kleinen Augenblick dagelegen, als er schon wieder da war und alles in Hülle und Fülle angeschleppt brachte. Meine Mutter legte mit Hand an, und in Zeit von einem Glockengeläute war das Abendessen zurechtgemacht und gekocht; wir setzten uns zu Tische, und als wir so ziemlich mit dem Essen fertig waren, da hörte ich einen husten und spucken. Dies Husten und Spucken war ein harter Schlag für meinen armen Freund, denn sofort lief ich ans Fenster, erkannte einen anderen Freund, eilte zu ihm herunter und ging mit ihm davon. Den Gastgeber aber ließ ich in meinem Hause, wo er die ganze Nacht kein Auge zutun konnte, ruhelos hin und her lief und davon schwatzte, was er mir sagen und was er mir tun wollte. Er hatte noch Glück, daß er sein Samtwams ziemlich bald von mir wiederbekam; immerhin mußte es sein Diener eine Woche lang jeden Tag verlangen, ehe er’s kriegte.

Antonia: Es war nicht eben nett, so mit einem umzuspringen, der für dich soviel getan hatte, um dich eine Nacht ganz nach seinem Gefallen besitzen zu können!

Nanna: Es war die Nettigkeit einer Hure, und sie war nicht weniger nett als die, welche ein Zuckerhändler bei mir fand, der sogar seine Kisten in meinem Hause ließ, um etwas noch viel süßeres als seinen Zucker zu bekommen. Und solange sein Liebesrausch dauerte, hatten wir Zucker sogar an unserem Salat. Und wenn er den Honig kostete, der aus meiner Verstehstdumich troff, da schwor er, im Vergleich damit sei sein Zucker bitter.

Antonia: Darum eben bedachte er dich so verschwenderisch mit seinem Zucker.

Nanna: Haha! Ich erinnere mich noch, daß er immer ganz närrisch wurde, wenn er meine kleine Honigbüchse betrachtete. Er krabbelte dran rum, bis ihm sein eigenes Ding ganz steif wurde; und er verglich sie gern mit dem Mund einer jener marmornen Frauenbildsäulen, die in Rom überall herumstehen und die Lippen so fest geschlossen halten. Und er behauptete, meine Kleine lachte wie die Lippen jener Marmorbilder, die also, wie’s scheint, auch lachen können. Und in der Tat, das konnte er wohl sagen – obwohl es mir nicht zukommt, mich selber zu loben –, aber ich hatte wirklich die allerreizendste, die sich denken läßt. Die Haare drumrum zeigten sich nicht allzu vordringlich; und gespalten war sie so schön, daß man den Spalt kaum bemerkte; und er war nicht zu hoch, nicht zu tief; und ich versichere dir auf mein Wort: Der Zuckerhändler gab mir mehr Küsse darauf als auf meinen Mund und lutschte sie aus wie ein ganz frisch gelegtes Ei.

Antonia: Der Schurke!

Nanna: Wieso Schurke?

Antonia: Möge Gott ihn dafür strafen!

Nanna: Hat er ihn nicht schon genug gestraft, indem er ihn in mich verliebt machte?

Antonia: Nein, nach meiner Meinung lange nicht genug!

Nanna: Ich will dir heute nicht im einzelnen alle meine schlauen Streiche erzählen, mit denen ich meine Nächsten rupfte, ohne daß sie meine Hände zu sehen bekamen. Als ein gutes Mittel dazu benutzte ich das Kauderwelsch, sooft mir irgendein rechtes Kalb zwischen die Finger kam, denn da sie die Ausdrücke nicht verstanden, waren sie schon halb verloren wie ein kranker Bauer vom gelehrten Gerede der Doktoren. Ganz gewiß ist die Gaunersprache der Gauner würdig, denn mit ihrer Hilfe werden tausend Gaunereien vollbracht. Aber laß mich dir jetzt erzählen, wie ich einen Tölpel hochnahm, der, wenn ich mich recht erinnere, aus Siena war.

Antonia: Anderswoher konnte er gewiß nicht sein!

Nanna: Dieser Senese, der seit kurzem erst in Rom war, verschlang mich mit den Augen und konnte niemals meine Zofe auf der Straße sehen, ohne sie anzukrallen und mit Fragen nach mir zu langweilen. Das eine Mal sagte er: »Dieses Herz gehört deiner Signora!« Ein anderes Mal: »Was macht denn deine Signora, schönes Kind?« Und sie antwortete dann: »Der Signora geht’s gut, Euer Gnaden aufzuwarten.« Hinter seinem Rücken aber schnitt sie ihm Gesichter. Eines Tages sehe ich ihn von weitem kommen und sage zu meiner Vertrauten: »Geh hinunter und zwack ihm die Miete für die Straße ab, die er fortwährend versperrt, indem er alle Augenblicke hier vorbeigeht.« Sie stellt sich unten in die Tür, und im Augenblick, wo er den Mund auftut, um ihr guten Tag zu bieten, fängt sie aus Leibeskräften an zu schreien: »Wenn er sich doch das Bein bräche, damit er niemals wiederkommen könnte. Oh! oh! oh! Ganz genau, wie wir’s dachten, man sieht ihn nicht wieder erscheinen! der Halunke! der Tagedieb!« Der Pflastertreter, der aussah wie ’ne Vogelscheuche auf der Schaukel, sagt zu ihr: »Was ist denn los? Ich stehe ja völlig zu Euren Diensten; ich bin der Signora ergebener Diener – jawohl, das bin ich.« Sie tut, als ob sie ihn gar nicht gehört habe, und schimpft weiter: »Vor vier Stunden, vor vier geschlagenen Glockenstunden schickten wir den kleinen Spitzbuben aus, um eine Dublone zu wechseln, weil wir dem Dienstmann, der meiner Herrin die zwei Stücke von karmesinfarbenem Atlas gebracht hat, einen Dukaten Trinkgeld geben wollen, denn sie sind ein Geschenk vom Prinzen de la Storta. Nun kommt dieser Bengel nicht zurück!« Der Schafskopf, der gerne wegen seiner Freigebigkeit ebenso bekannt gewesen wäre wie wegen seiner Dummheit, öffnet seine Börse und sagt zur Zofe: »Da, nimm! Ich bete ja deine Signora an, ich bete sie an!« Damit drückt er ihr vier Kronen in die Hand, wobei er sich aufbläst wie ein großer Herr. Dann sagt er noch: »Sie hat mich gern, nicht wahr?« Die Zofe wird inzwischen von mir gerufen, antwortet ihm nicht, ob ich ihn gern hätte oder nicht, sondern schlägt ihm die Tür vor der Nase zu. Und da stand er nun draußen wie einer, den man von der Hochzeit wegjagt, auf der er, ohne eingeladen zu sein, erschienen war.

Antonia: Dem albernen Hans Narren geschah ganz recht!

Nanna: Jetzt kommt die Geschichte von den Katzen.

Antonia: Von was für Katzen?

Nanna: Ich war einem Leinwandhändler fünfundzwanzig Dukaten schuldig, und da ich nicht daran dachte, sie ihm bezahlen zu wollen, so beschloß ich, ihn darum zu prellen. Was tat ich also? Ich hatte zwei recht schöne Katzen, und als ich nun vom Fenster aus wieder mal den Mann ankommen sehe, sage ich zu meiner Zofe: »Gib mir eine von den Katzen und nimm du die andere; sobald der Leinenhändler da ist, werde ich schreien: ›Ich verlange, daß du sie erwürgst!‹ Dann tust du so, als ob du das nicht wolltest, und ich werde mich stellen, als ob ich die, die ich in meinen Händen habe, erwürgte.« Kaum hatte ich diese Worte gesagt, so war er schon oben.

Antonia: Hatte er denn nicht vorher an die Tür geklopft?

Nanna: Nein, denn er hatte sie offen gefunden. Sobald er hereinkommt, fang ich an zu schreien: »Dreh ihr den Hals um! dreh ihr den Hals um!«, und meine Zofe bittet mich ganz weinerlich, ich möchte doch dem Tier verzeihen, und verspricht mir, es würde niemals mehr vom Essen naschen. Ich aber umspanne mit ganz wütendem Gesicht die Kehle meiner Katze mit der Hand und rufe: »Wart! du tust es mir nicht wieder!« Mein Gläubiger – der zu seinem Schaden Geld von mir zu fordern hatte! – sieht die Katzen, fühlt Mitleid mit ihnen und bittet mich, ich möchte sie ihm doch schenken. »Ach, jawohl!« sag ich. »Bitte, bitte, Signora!« fährt er fort, »überlasset sie mir für acht Tage, dann werde ich selber Euch helfen, sie totzumachen, falls Ihr sie mir dann nicht schenken oder den Tierchen verzeihen wollt.« Mit diesen Worten nimmt er mir die Katze weg – wogegen ich mich ein wenig sträubte –, dann nimmt er auch meiner Zofe die andere aus den Händen, gibt die Tiere dem Markthelfer, den er mitgebracht hatte, und läßt sie von diesem hinaustragen, nachdem die Zofe sie zuvor in einen Sack gesteckt hat. Und ich sage ihm: »Gebt acht, daß Ihr sie mir nach acht Tagen zurückschickt, denn ich will sie totschlagen, die Spitzbübinnen!« Er verspricht mir, das wolle er tun, und fordert sodann seine fünfundzwanzig Dukaten; ich schwöre ihm einen Eid, binnen zehn Tagen würde ich sie ihm in seinen Laden bringen lassen, und er geht zufrieden von dannen. Es vergehen zehn Tage, es vergehen zwei Wochen; da kommt er abermals und verlangt wiederum das Geld von mir. Ich habe das Geld in ein Schnupftuch gebunden, lasse die Dukaten klingen und sage: »Sehr gern! Aber erst will ich meine Katzen wiederhaben.« – »Wieso Eure Katzen?« antwortet er. »Die sind über alle Dörfer verschwunden, sobald sie im Hause losgelassen wurden.« Sobald ich dies hörte – was ich übrigens schon wußte, auch ohne es gehört zu haben –, da machte ich ihm ein Gesicht wie eine Stiefmutter und sagte ihm: »Sorgt dafür, daß meine Katzen wieder zu mir kommen, sonst werden sie Euch mehr kosten als Eure lumpigen fünfundzwanzig Dukaten. Die Katzen sind schon einem versprochen, sie sollen nach der Berberei geschickt werden, meine Katzen; meine Katzen, mein guter Meister, sind hierher zurückzubringen, hierher zurückzubringen sind sie!« Der Arme stand an die Fensterbrüstung gelehnt und sah, daß von dem Geschrei, das ich erhob, bereits die Leute auf der Straße zusammenliefen. Und ohne mir ein Wort zu erwidern – worin er sehr vernünftig handelte! –, eilte er die Treppen hinunter und sagte bloß: »Na ja! Trau einer ’ner Hure!«

Antonia: Nanna, ich will dir was sagen, was mir eben durch den Kopf geht.

Nanna: Bitte, nur zu!

Antonia: Deine Katzengeschichte ist so hübsch reizend, daß um ihretwillen vier andere von deinen gottlosen dir vergeben werden.

Nanna: Glaubst du?

Antonia: Darauf würde ich meine Seele gegen eine Pistazie verwetten.

Nanna: Das will was heißen – (hustend) hö! hö! ho! Jetzt hab ich ’nen Schnupfen gekriegt! Hö! hö! ho! Dieser Feigenbaum hat die Sonne sehr schlecht von mir abgehalten. Es wird mir nicht möglich sein, dir von den vielen anderen zu erzählen, die ich dermaßen einseifte, daß sie glaubten, die Judensynagoge schwebe in der Luft, wie es dem Gerede nach Mohammeds Grabstein tut. Hö! Hö! Ich kann kaum noch Luft kriegen; ich bin schon ganz heiser; von dem Katarrh ist mir ’s Zäpfchen angeschwollen.

Antonia: Sonst ist doch der Schatten des Nußbaums schädlich und nicht der des Feigenbaums.

Nanna: Sag mir nun, wie du’s mir versprochen hast, deine Ansicht in drei Worten. Ich ersticke! Hö! hö! ho! Ich fühle mich ganz schlecht, und noch mehr wurmt es mich, daß ich dir nicht erzählen kann, wie ich meine Liebhaber zu vernünftigen Leuten erzog. Wenn ich irgendwas verloren hatte, heuchelte ich Mitleid mit ihren Börsen und verbot ihnen, sich in schönen Kleidern, in Gastmählern und in unnützen Tand zu ruinieren. Das tat ich aber bloß, damit ihr Geld für meinen eigenen Appetit übrigbliebe. Und die Dummköpfe sangen noch mein Loblied, weil ich so ein vernünftiges Mädchen sei und mich um ihr Vermögen bekümmere. Oje! Ich verrecke! Hö! hö! ho! Sehr leid tut es mir auch, dir nicht die Geschichte von meinem Betthimmel erzählen zu können. Damit legte ich alle Beteiligten gründlich hinein: den, der ihn verpfändete, den, der Geld darauf lieh, den, der ihn mir abkaufte, zwei, die dabeistanden, als der Handel abgemacht wurde, den, der ihn mir in mein Haus trug, und einen, der gerade dazukam, als ich ihn in meinem Schlafzimmer anbringen ließ.

Antonia: Ach! gib dir doch ’nen kleinen Stoß und erzähle mir die Geschichte! Ach, bitte, bitte, Nanna, süße Nanna, liebe Nanna!

Nanna: Die Geschichte war die: Meister …, hilf mir doch ein bißchen: Mei … Meister …, ich sterbe! nein, es geht nicht! Verzeih mir, ich werde sie dir ein anderes Mal erzählen, und dann zugleich auch die von dem Monsignore, der nackt über alle Dächer des Viertels floh. Ach, ach! ich krieg die Krämpfe! Anto … Antonia … mei… meine liebe Antonia … hö, hö, hö, hö!

Antonia: Verdammt sei der Schnupfen! verdammt sei auch dies hübsche Ding von Sonne, die uns unsere Unterhaltung verdorben hat! Ich wollte dir nichts davon sagen, aber vielleicht ist es doch nicht ganz wahrscheinlich, daß du gleich am ersten Tag, wo du bei den Nonnen eintratest, so viele Dinge zu sehen bekamst; auch glaube ich nicht recht, daß du mit deinem Bakkalaur gleich ohne weiteres so vertraut geworden bist.

Nanna: Ich kann dir aber versichern: Als ich Nonne wurde, war ich noch halb und halb Jungfer. Daß ich im übrigen so viele scherzhafte Sachen hintereinander gesehen habe, das kannst du mir wahrhaftig glauben. Ich sah sogar noch viel, viel schli… schlim … schlimmere. Verdammter Husten! Hö, hö, hö, hö!

Antonia: Hast du wirklich?

Nanna: Ja, ja, gewiß! Aber sag mir nun, wie du’s versprachst, in drei Worten deine Ansicht.

Antonia: Dieses Versprechen, das ich dir gab, ich würde dir mit drei Worten zu einem festen Entschluß verhelfen, das kann ich dir leider nicht halten!

Nanna: Warum denn nicht? Ach, ach! Hö, hö, hö!

Antonia: Dies Versprechen konnte ich dir damals wohl geben, als ich’s gab. Mit uns Frauen ist’s ebenso: Wir sind klug, wenn wir etwas ohne zu denken tun; wenn wir’s uns aber erst reiflich überlegen, so machen wir Unsinn. Indessen will ich dir wohl meine Meinung sagen: Nimm von dieser dann, bitte, die Rosen und laß die Dornen.

Nanna: Nun, so sprich!

Antonia: Nun, wenn ich von allem, was du mir gesagt hast, einen Teil abstreiche und den Rest dir glaube – denn man mischt ja immer einige Unwahrheiten in die Wahrheit und bringt wohl allerlei goldene Schnörkel und Zierat an, um die Erzählung zu verschönen …

Nanna: Also, da hältst du mich für eine Lü… hö, hö! für ’ne Lügnerin?

Antonia: Nicht für ’ne Lügnerin, aber für eine, der es beim Erzählen auf ein Wort mehr nicht ankommt. Und ich glaube, wenn du auf die Normen und Ehefrauen so schlecht zu sprechen bist, so mußt du dazu andere Gründe haben. Genug, ich räume dir ein, es sind unter ihnen mehr schlechte, als da sein sollten. Zur Verteidigung der Huren sage ich gar nichts.

Nanna: Ich kann dir lei… hö, hö! leider nicht antworten. Ich fürchte, dieser Husten entwickelt sich zu einem regelrechten Katarrh. Bitte, beeile dich und gib mir deinen Rat!

Antonia: Ich bin der Meinung, du solltest deine Pippa Hure werden lassen, denn die Nonne verrät ihr heiliges Gelübde, und die Ehefrau gibt dem Sakrament der Ehe den Todesstoß; aber die Hure tut weder dem Kloster noch dem Ehemann was zuleide, sondern sie macht’s wie ein Soldat, der dafür bezahlt wird, daß er Unheil anrichtet. Und wegen des Übels, das sie tut, kann man ihr keinen Vorwurf machen, denn in ihrem Laden wurde eben verkauft, was da ist. Wenn ein Wirt eine neue Kneipe aufmacht, so braucht er kein Schild auszuhängen, denn gleich am ersten Tage weiß man, daß bei ihm getrunken, gegessen, gespielt, gehurt, geflucht und gegaunert wird. Und wer dahinein ginge, um zu beten oder zu fasten, der würde weder Altar noch Fastenzeit finden. Die Gärtner verkaufen Kräuter, die Gewürzkrämer Gewürze, und die Bordelle verkaufen Flüche, Lügen, Verleumdungen, Skandale, Schande, Gaunereien, Schweinereien, Haß, Grausamkeit, Mord, Franzosenkrankheit, Hinterhalt, schlechten Ruf und Armut. Aber mit dem Beichtiger ist’s ja ähnlich wie mit dem Arzt: Er heilt das Übel schneller, wenn’s ihm auf der flachen Hand gezeigt wird, als wenn man’s ihm verbirgt. Deshalb mach mit der Pippa keine Umschweife, sondern laß sie sofort Hure werden, denn mit Hilfe einer kleinen Bußübung nebst zwei Tropfen Weihwassers wird ihre Seele allen Hurenkrams wieder ledig sein; ferner sind, wenn ich dich recht verstanden habe, alle Laster an einer Hure als Tugenden zu betrachten. Außerdem ist es eine schöne Sache, sogar von gnädigen Herren als ›gnädige Frau‹ angeredet zu werden, immer wie eine Signora sich zu kleiden und zu essen und immer herrlich und in Freuden zu leben, wie du selber, die du mir so viel von ihnen erzählt hast, ja viel besser weißt als ich. Auch ist es nichts Geringes, jede Laune befriedigen und jeden, dem man wohlwill, begönnern zu können. Denn Rom war immer und wird immer sein …ich will nicht sagen die Hurenstadt, damit ich den Ausdruck nicht zu beichten nötig habe.

Nanna: Was du sagst, Antonia, hat Hand und Fuß, und ich werde nach deinem Rat handeln.

Diese Worte sprach Nanna mit ganz heiserer Stimme; dann ging sie hin und weckte die Magd, die während der ganzen Unterhaltung geschlafen hatte. Sie setzte ihr den Korb wieder auf den Kopf und gab ihr die leere Flasche in die Hand. Antonia nahm die Mundtücher, die sie am Morgen unter dem Arm getragen hatte, und dann gingen sie nach Nannas Haus zurück. Für die Nanna wurden ein paar Stücke Lakritzen geholt, und dann aß man zu Abend: die Nanna nahm sich wohl vor dem Essig in acht und verzehrte eine Brotwassersuppe; der Antonia gab sie jedoch etwas anderes. Diese blieb bei ihr die Nacht über und kehrte am Morgen bei guter Zeit zu ihren kleinen Geschäftchen zurück, mit denen sie ihr Leben fristete. Wohl war sie wegen ihrer Armut dieses Lebens überdrüssig, doch fand sie Trost in den mit der Nanna geführten Gesprächen. Und sie war wie betäubt, wenn sie daran dachte, wieviel Unheil die Huren auf der Welt anrichten und daß sie zahlreicher sind als die Ameisen, Fliegen und Mücken von zwanzig Sommern und daß die Nanna ihr soviel erzählt und doch noch nicht die Hälfte gesagt hatte.

  1. Anfang des hundertundzweiten Sonetts von Petrarca: Se amor non è, che dunque è quel ch’io sento?
  2. ›Come vuoi tu che mi legasse un legato?‹ Unübersetzbares Wortspiel mit Legato, das ›Gebundener‹ und ›Legat‹ bedeutet.
  3. Die vier anderen Weihen sind die des Ostiario oder Türhüters; des Lettore, der die Epistel liest; des Esorcista oder Teufelsaustreibers; des Accolito oder Meßgehilfen.
  4. italienisches Sprichwort. Castruccio-Castracani, Tyrann von Lucca, ist Machiavellis Ideal eines Fürsten.
  5. Heldin des zu jener Zeit in Italien sehr beliebten Rittergedichts: ›Libro chiamato la Regina Artcroia‹. Sprichwörtlich für eine garstige alte Hexe.
  6. Dies ist natürlich eine scherzhafte Verwechslung seitens der unwissenden Nanna, da das Bittere gerade die Aloe ist.
  7. Pasquino. Jedenfalls sind die Verse von Aretino selber, der sehr häufig Epigramme an den berühmten Torso heftete, solange er sich in Rom aufhielt.