Der Propst zu Fiesole verliebt sich in eine hübsche Witwe, die ihn aber nicht ausstehen kann. Er meint, bei ihr zu schlafen, und liegt bei ihrer Magd, bei welcher ihn auf Anstiften der Brüder der Dame sein Bischof antrifft.
Das uralte Fiesole war einst eine sehr berühmte und bedeutende Stadt, während es jetzt ganz heruntergekommen ist; inzwischen hat es jedoch nie aufgehört, Bischofssitz zu sein, und ist es auch noch jetzt. Dort besaß nahe bei der Stiftskirche eine adlige Witwe namens Madonna Picarda ein Grundstück mit einem kleinen Wohnhause, wo sie sich, weil sie nicht reich war, den größten Teil des Jahres aufhielt und ihre zwei Brüder, ein paar sehr artige und wohlerzogene Leute, bei sich hatte. Da sie nun immer die Stiftskirche zu besuchen pflegte, so fügte es sich, weil sie noch jung, schön und liebenswürdig war, daß der Propst dieser Kirche sich bis über die Ohren in sie verliebte. Nach einiger Zeit war er so dreist, ihr seine Wünsche selbst zu erkennen zu geben und sie zu bitten sich seine Liebe gefallen zu lassen und ihm ihre Gegenliebe zu schenken. Er war schon ein ältlicher Mann, aber von Johannistrieben heftig geplagt, dabei sehr stolz und vermessen und bildete sich nicht wenig ein auf seine Sitten und Manieren, obwohl er der abgeschmackteste Mensch von der Welt und so widerlich und unausstehlich war, daß ihn niemand leiden konnte; am allerwenigsten diese Dame, die ihm nicht nur nicht hold war, sondern ihn ärger haßte als das Kopfweh. Als eine gescheite Frau gab sie ihm indessen zur Antwort: »Ehrwürdiger Herr, ich kann es mir gern gefallen lassen, daß Ihr mich liebt, und ich bin verpflichtet, Euch wiederzulieben, und will Euch auch gern lieben; aber Eure Liebe und die meinige darf nie Unerlaubtes zum Endzweck haben. Ihr seid mein geistlicher Vater und seid ein Priester, und Ihr geht dem Alter mit ziemlich schnellen Schritten entgegen; deswegen müßt Ihr keusch und züchtig leben. Andererseits bin ich selbst auch kein Kind mehr, daß dergleichen Liebeleien sich für mich schickten; und noch dazu bin ich eine Witwe, und Ihr wißt wohl, wie ehrbar die Witwen sich halten müssen. Nehmt mir’s also nicht übel, daß ich Euch nicht auf die Weise lieben oder mir Eure Liebe gefallen lassen kann, wie Ihr von mir verlangt.«
Der Propst, obwohl er für diesmal von ihr nichts weiter erlangen konnte, ließ sich dennoch durch diesen ersten Mißerfolg nicht irre machen, sondern fuhr mit unverschämter Hartnäckigkeit fort, sie mit Briefen und Botschaften zu bestürmen und sie selbst anzusprechen, so oft sie in die Kirche kam. Da ihr nun seine Zudringlichkeit gar zu beschwerlich und verdrießlich ward, so nahm sie sich vor, ihn sich auf eine solche Art wie er es verdient, vom Halse zu schaffen, da sie es auf eine andere Weise nicht bewerkstelligen konnte; doch wollte sie nichts ohne Wissen ihrer Brüder vornehmen. Diesen erzählte sie demnach das Benehmen des Propstes gegen sie und sagte ihnen zugleich, was sie willens wäre zu tun. Als sie damit zufrieden waren, ging sie nach einigen Tagen wieder in die Kirche, wie sie gewohnt war. Sobald der Propst sie gewahrte, kam er zu ihr und fing an, seiner Gewohnheit nach ein sehr vertrauliches Gespräch mit ihr anzuknüpfen. Sie machte ein sehr freundliches Gesicht, sobald sie ihn nur kommen sah, ging mit ihm auf die Seite, und nachdem der Propst ihr einige von seinen gewöhnlichen Redensarten vorgeschwatzt hatte, gab sie ihm mit einem tiefen Seufzer zur Antwort: »Ehrwürdiger Herr, ich habe oft gehört, keine Festung sei so stark, daß sie nach einer anhaltenden Belagerung sich nicht endlich ergeben müßte, und ich finde, daß dieses mir selbst begegnet ist. Ihr habt mir bald mit Euren einnehmenden Reden, bald mit diesen, bald mit jenen Gefälligkeiten so lange zugesetzt, daß Ihr mich endlich bewogen habt, meinen Vorsatz aufzugeben, und weil Ihr so großes Wohlgefallen an mir findet, so bin ich entschlossen, mich Euch zu ergeben.«
Fröhlich antwortete der Propst: »Madonna, ich danke Euch herzlich. Ich habe mich wahrlich nicht wenig gewundert, daß Ihr solange gegen mich ausgehalten habt, weil mir das noch mit keiner andern begegnet ist; vielmehr habe ich mir schon oft gesagt, wenn die Frauen aus Silber wären, so taugten sie nicht in die Münze, weil sie die dauernde Bearbeitung mit dem Hammer nicht ertragen können. Doch sage mir nun, wann und wo können wir zusammen sein?«
»Liebster Herr,« antwortete sie, »das ‚wann‘ würde sich wohl finden, sobald wir nur wollen, da ich keinen Mann habe, dem ich von meinen Nächten Rechenschaft geben müßte; allein das ‚wo‘ scheint mir schwierig.«
»Warum denn?« sprach der Propst. »Ich dächte in Eurem Hause.«
»Ehrwürdiger Herr,« versetzte die Dame, »Ihr wißt, ich habe zwei Brüder, junge Leute, die bei Tage und bei Nacht ihre Freunde zu sich kommen lassen, und unser Haus ist nur klein. Ich könnte Euch demnach nicht anders zu mir kommen lassen als im Dunkeln, Ihr müßtet wie ein Blinder Euch vorwärtstasten und so stumm sein wie ein Fisch und keinen Laut von Euch geben. Wenn Ihr das wolltet, so könnte es angehen; denn sie betreten nie mein Zimmer; das ihrige stößt nur so dicht daran, daß man das leiseste Wort, das gesprochen wird, hören kann.«
»Madonna,« sprach der Propst, »für eine Nacht oder zwei soll es mir darauf nicht ankommen, bis ich Maßregeln getroffen habe, daß wir uns mit mehr Bequemlichkeit an einem andern Ort sprechen.«
»Gut, ehrwürdiger Herr,« antwortete die Dame, »es steht bei Euch; aber um eins muß ich Euch noch bitten, daß Ihr die Sache geheim haltet, und daß niemand ein Sterbenswort davon erfährt.«
»Seid deswegen unbesorgt«, sprach der Propst, »und macht, wenn’s möglich ist, daß wir noch diesen Abend zusammen kommen.«
»Ich bin’s zufrieden«, sprach sie und verabredete mit ihm, wie und wann er kommen sollte; worauf sie nach Hause ging. Nun hatte sie eine Magd, die nicht mehr jung war und von Gesicht und Gestalt so häßlich, wie man sie sich nur denken kann; denn sie hatte eine platte Nase, ein schiefes Maul, aufgeworfene Lippen, lange, schwarze und übelgepflanzte Zähne. Sie hatte Triefaugen und schielte und sah so grün und gelb aus, als wenn sie den Sommer nicht in dem guten Klima von Fiesole, sondern in den Sümpfen von Sinigagli zugebracht hätte. Übrigens war sie hüftlahm und hinkte an der rechten Seite. Ihr Name war Ciuta; weil sie aber so grundhäßlich war, so ward sie von jedermann Ciutazza genannt; bei all ihrer Häßlichkeit hatte sie jedoch als Gegengewicht ein wenig Bosheit im Leibe. Diese rief die Dame zu sich und sagte ihr: »Ciutazza, wenn du mir diesen Abend einen Dienst leisten willst, so kannst du dir ein hübsches neues Hemd bei mir verdienen.« »Ein neues Hemd?« sprach Ciutazza mit Freuden. »Dafür könnt Ihr mich durch Feuer schicken, wieviel mehr sonst wohin!«
»Gut,« sprach die Dame, »du sollst diese Nacht mit einem Mann in meinem Bett schlafen und ihn zärtlich liebkosen; aber hüte dich, daß du einen Laut von dir gibst, damit dich meine Brüder nicht hören, die, wie du weißt, dicht daneben schlafen; so sollst du hernach das Hemd bekommen.«
»Mit sechsen, wenn’s darauf ankommt, lieber als mit einem«, sprach Ciutazza.
Kaum war der Abend gekommen, so kam auch der Herr Propst laut Abrede. Die beiden jungen Herren waren auf Anstiften der Dame in ihrem Zimmer und ließen ihre Stimme hören. Der Propst schlich also im Dunkeln und in aller Stille in die Kammer der Dame und, wie sie ihm beschrieben hatte, auf ihr Bett zu, und Ciutazza, welche sie von allem unterrichtet hatte, kam von der anderen Seite. Der Herr Propst, im Glauben, seine Dame vor sich zu haben, umarmte und küßte sie, ohne ein Wort zu sagen, und Ciutazza küßte ihn ebenso. Dann begann er sich mit ihr zu vergnügen und nahm Besitz von den lang ersehnten Schätzen. Als dieses geschehen war, ging die Dame zu ihren Brüdern und bat sie, das übrige zu veranstalten, was sie verabredet hatten. Diese gingen demnach leise aus dem Zimmer nach dem Markt, und der Zufall begünstigte ihre Absicht über ihre Erwartung. Denn weil der Abend schwül war, so hatte der Bischof, den sie zu sich bitten wollten, schon nach ihnen gefragt, um sich bei ihnen auf einen kühlen Trunk zu Gast zu bitten. Er sagte ihnen sein Anliegen, sobald er sie kommen sah, ging mit ihnen nach Hause und setzte sich mit ihnen in ihrem Hofe im Kühlen nieder, wo er beim Fackellicht mit Vergnügen ihren guten Wein kostete. Nachdem er getrunken hatte, sagten die Jünglinge: »Messer, da Ihr so gütig gewesen seid, uns in unserer bescheidenen Hütte zu besuchen, wie wir Euch eben einladen wollten, so laßt es Euch auch noch gefallen, etwas anzusehen, das wir Euch zu zeigen haben.«
»Sehr gern«, sprach der Bischof. Einer von den jungen Herren nahm hierauf eine brennende Fackel in die Hand und ging geradeswegs in die Kammer, wo der Propst bei Ciutazza lag, und der Bischof und die übrige Gesellschaft folgten ihm nach.
Der Propst, der, um desto eher anzukommen, seinen Gaul tüchtig gespornt und, bevor sie erschienen, schon drei Meilen zurückgelegt hatte, war darüber so müde geworden, daß er, der großen Hitze ungeachtet, in den Armen der Schönen eingeschlafen war. In dieser Lage zeigte ihn der Jüngling, die Fackel über ihn haltend, mit Ciutazza im Arm dem Bischof und der ganzen Gesellschaft, als sie in die Kammer traten. Plötzlich erwachte der Propst, und als er das Licht und die vielen Menschen sah, verbarg er vor Furcht und Scham sein Gesicht unter der Decke. Der Bischof machte ihn indessen ohne Barmherzigkeit herunter und befahl ihm, den Kopf aufzuheben und zu sehen, bei wem er gelegen hatte. Als der Propst den Betrug inneward, grämte er sich sehr darüber und über die Schande, die er sich zugezogen hatte. Der Bischof befahl ihm, sich anzukleiden, und schickte ihn unter gehöriger Bewachung nach Hause, wo er ihm für sein Verbrechen schwere Buße auferlegte. Weil er neugierig war, zu wissen, wie der Propst zu der Ciutazza ins Bett gekommen wäre, so erzählten es ihm die jungen Leute mit allen Umständen. Darüber lobte der Bischof nicht nur die Dame, sondern auch ihre Brüder, die ihre Hände nicht mit Priesterblut besudelten und dennoch den Propst nach Verdienst gezüchtigt hatten. Diesem legte der Bischof eine vierzigtägige Buße auf; allein Zorn und Liebe machten, daß er seine Torheit länger als sieben Wochen beweinte. Überdies konnte er sich hernach lange Zeit nicht auf der Straße zeigen, ohne daß die Kinder mit Fingern auf ihn wiesen und ihm nachriefen: »Da geht der, der bei der Ciutazza geschlafen hat.« Dies verdroß ihn so sehr, daß er fast rasend darüber werden wollte.
So schaffte die kluge Dame sich den lästigen Propst, der ihr so viel Ärger bereitet hatte, vom Halse, und Ciutazza gewann dabei ein neues Hemd und eine fröhliche Nacht.