Theodoro verliebt sich in Violante, die Tochter seines Herrn Messer Amerigo. Sie wird schwanger, und er wird zum Galgen verurteilt. Indem man ihn mit Geißelhieben nach dem Richtplatze führt, erkennt ihn sein Vater; er kommt los und heiratet seine Geliebte.

Zur Zeit, als der gute König Wilhelm über Sizilien herrschte, lebte auf dieser Insel ein Edelmann namens Messer Amerigo, Abata von Trapani, der unter anderen zeitlichen Gütern auch mit Kindern reichlich gesegnet war. Weil er nun viele Bedienung nötig hatte, und einmal einige genuesische Freibeuter auf ihren Galeeren aus der Levante ankamen, die an der armenischen Küste gekreuzt und eine Menge Kinder entführt hatten, so kaufte er einige davon, weil er sie für Türken hielt. Die meisten schienen Kinder von Hirten, aber ein Knabe befand sich darunter von edlerer Bildung und Anstand als die übrigen, der Theodoro hieß. Als er heranwuchs, ward er, seiner Dienstbarkeit ungeachtet, ein beständiger Gesellschafter der Kinder seines Herrn, und da bei ihm die Natur über die zufälligen Umstände siegte, so ward er so wohlerzogen und gesittet, daß Amerigo großen Wohlgefallen an ihm fand und ihm die Freiheit schenkte. Weil er von ihm nichts anderes wußte, als daß er ein Türke wäre, so ließ er ihn taufen und Pietro nennen und machte ihn zum Verwalter seines Hauswesens, weil er unbedingtes Zutrauen auf ihn setzte.

Als die Söhne des Amerigo heranwuchsen, entwickelte sich eine seiner Töchter, namens Violante, zu einem sehr schönen und liebenswürdigen Mädchen, und weil ihr Vater eben nicht eilte, sie zu verheiraten, so hatte sie Zeit, sich in Pietro zu verlieben, den sie wegen seines angenehmen Wesens und seiner Aufführung sehr hoch schätzte; doch schämte sie sich, ihm ihre Neigung zu entdecken. Die Liebe sparte ihr indessen diese Mühe; denn so schüchtern auch die Blicke Pietros ihre Reize gemustert hatten, so hinterließen diese dennoch einen so tiefen Eindruck auf sein Herz, daß ihm nicht wohl war, wenn er sie nicht sah; wiewohl er sich sorgfältig hütete, daß jemand seine Liebe gewahr würde, die er selbst nicht für erlaubt hielt.

Doch die Jungfrau, die ihn gern sah, ward bald von seiner Gegenliebe überzeugt, und um ihn noch mehr aufzumuntern, ließ sie ihn deutlich merken, daß sie sie billige. So stand es eine geraume Zeit zwischen ihnen, ohne daß sie sich getrauten, einander ihre Herzen zu eröffnen, so sehr dieses auch ihr beiderseitiger Wunsch war. Doch indem sie sich beide von der Glut ihrer Liebe durchdrungen fühlten, bereitete der Zufall eine Gelegenheit, welche sich ihnen ausdrücklich anzubieten schien, damit sie die Schüchternheit fahren ließen, welche bisher ihrer Liebe im Wege gestanden hatte. Herr Amerigo hatte nämlich ungefähr eine Meile von Trapani ein sehr schönes Landhaus, wohin seine Gattin mit ihrer Tochter und mit anderen Frauen oft zum Vergnügen zu Fuß zu gehen pflegte.

Als sich einst an einem schwülen Tage daselbst befanden und Pietro sie dahin begleitet hatte, überzog sich, wie oft im Sommer, der Himmel plötzlich mit Wolken, die ein nahes Ungewitter ankündigten, daher die Dame mit ihrer Gesellschaft, um nicht dort von dem Unwetter überrascht zu werden, sich aufmachte und so schnell wie möglich nach Trapani zurückeilte. Ihre Tochter und Pietro gingen indessen als junge Leute viel schneller als die Mutter und die übrige Gesellschaft, und vielleicht beflügelte die Liebe ihre Schritte nicht weniger als die Furcht vor dem Sturme. Als sie nun bereits einen solchen Vorsprung vor den übrigen gewonnen hatten, daß sie ihnen fast aus dem Gesicht gekommen waren, entstand nach einigen Donnerschlägen ein heftiges Hagelwetter. Die alte Dame nahm nebst ihren Gefährtinnen Zuflucht in einem Bauernhause. Pietro und Violante aber hatten sich in eine kleine, leere, verfallene Hütte geflüchtet, wo sie genötigt waren, sich unter dem geringen Obdach ganz nahe aneinander zu schmiegen. Diese Berührung weckte ihre Sehnsucht und gab ihnen Mut und Worte, sie zu gestehen. Pietro sprach zuerst: »Ach, wollte Gott, daß der Hagel nimmer aufhören möchte, wenn ich unterdessen immer in meiner jetzigen Lage bleiben könnte!«

»Ach!« seufzte das Mädchen. »Ich fühle mich hier nicht weniger behaglich.«

Auf diese Worte folgte ein Händedruck, auf diesen eine Umarmung; ihre Lippen begegneten einander. Und währenddessen hagelte es immer weiter. — Doch warum soll ich jede Stufe beschreiben, welche sie allmählich, noch bevor es zu hageln aufhörte, bis zum letzten und höchsten Wonnegenuß der Liebe führte? Genug, sie wurden einig, sich diesen Genuß in Zukunft ferner heimlich zu verschaffen. Das Ungewitter ging vorüber, sie erwarteten vor dem Tore, welches nicht mehr weit war, die Mutter und kehrten mit ihr nach Hause zurück. Hier wußten sie ihre Maßregeln so geschickt zu treffen, daß sie sich noch oft ihrer Liebe insgeheim erfreuen konnten, und dieses währte so lange, bis das Mädchen endlich schwanger ward, worüber sie beide in unbeschreibliche Verlegenheit gerieten. Deshalb probierte sie allerlei Mittel, gegen das Gebot der Natur sich ihrer Leibesfrucht zu entledigen. Aber vergebens. Pietro war deshalb für sein Leben besorgt und wollte fliehen. Als er dieses aber seiner Geliebten sagte, antwortete sie ihm: »Wenn du mich verläßt, so bringe ich mich selbst ums Leben.«

Pietro, der sie zärtlich liebte, versetzte: »Wie kannst du wünschen, meine Seele, daß ich hier bleiben soll? Deine Schwangerschaft wird unsern Fehltritt entdecken. Dir zwar wird man leicht verzeihen, aber ich Armer werde allein für dein und mein Vergehen büßen müssen.«

Das Mädchen erwiderte: »Pietro, mein Fehltritt wird sich freilich nicht verhehlen lassen; aber sei versichert, daß der deinige nimmermehr kund werden soll, wenn du dich nicht selbst verrätst.«

»Wenn du mir dies versprichst, so will ich bleiben,« sprach Pietro, »aber vergiß nicht, mir Wort zu halten.« Violante, die, solange sie konnte, ihre anderen Umstände verhehlte, vermochte endlich nicht länger, den zunehmenden Umfang ihrer Gestalt zu verbergen, so daß sie sich gezwungen sah, ihrer Mutter mit Tränen ihren Zustand zu offenbaren und sie um Schonung und Rettung zu bitten. In der ersten Hitze machte die Mutter ihr die härtesten Vorwürfe, indem sie zugleich darauf drang, genau zu wissen, wie alles zugegangen wäre. Violante fand jedoch Mittel, die Wahrheit in ein fabelhaftes Gewand zu hüllen, um alles Unglück von Pietro abzuwenden. Die Mutter glaubte ihr und schickte ihre Tochter nach einer entlegenen Meierei, um ihren Zustand zu verbergen. Hier überfiel sie die Stunde der Geburt, und wie die Frauen zu tun pflegen, schrie sie in den Wehen. Amerigo, dessen Gegenwart seine Gattin hier nicht vermutete, weil er äußerst selten an diesen Ort zu kommen pflegte, kam unglücklicherweise eben von der Reiherbeize dahin und ging nahe an dem Zimmer vorbei, wo er das Geschrei der Gebärenden hörte und voll Verwunderung hineintrat, um zu sehen, was es gäbe. Als seine Gattin ihn so unerwartet erblickte, stand sie auf und gestand ihm mit Schmerzen, was ihrer Tochter begegnet war. Weil er aber nicht so leichtgläubig war wie die gute Frau, so ließ er sich durchaus nicht einreden, daß das Mädchen nicht wüßte, von wem sie schwanger sei, und er drang in sie, wenn sie Verzeihung von ihm erlangen wolle, ihm die reine Wahrheit zu gestehen oder ohne Barmherzigkeit ihren Tod zu gewärtigen. Die Frau gab sich zwar alle ersinnliche Mühe, ihrem Manne die Sache so vorzustellen, wie ihre Tochter sie erzählt hatte. Allein es war umsonst. Er ging sinnlos vor Raserei mit gezücktem Degen auf das Mädchen los, das während des Wortwechsels ihrer Eltern von einem Knaben entbunden worden, und schrie ihr zu: »Sage, wessen Kind dies ist, oder stirb auf der Stelle!«

Das arme Mädchen brach in Todesangst das Pietro gegebene Wort und berichtete alles was zwischen ihm und ihr vorgegangen war. Kaum enthielt sich der wütende Vater, sie ums Leben zu bringen; doch machte er nur mit Worten und Vorwürfen seinem Zorne Luft, schwang sich dann auf sein Roß, ritt nach Trapani und klagte dem königlichen Statthalter, Messer Currado, welchen Schimpf ihm Pietro angetan hätte. Dieser ward demnach, ehe er sich’s versah, ergriffen und gestand auf der Folter alles. Er ward hierauf nach einigen Tagen von dem Statthalter verurteilt, öffentlich durch die Stadt gestäupt und gehängt zu werden. Und damit auf einmal die beiden Liebenden und die Frucht ihrer Liebe getilgt würden, so mischte Amerigo, dem es nicht genügte, Pietro zum Tode gebracht zu haben, einen Gifttrank und gab ihn nebst einem gezückten Dolche einem Diener mit dem grausamen Befehl: »Geh mit diesen beiden Dingen zu Violante und sage ihr in meinem Namen, sie soll zwischen diesen beiden Todesarten, dem Gift und dem Dolche, wählen, oder ich werde sie im Angesicht aller Einwohner der Stadt verbrennen lassen, wie sie es verdient hat. Dann nimm ihr neugeborenes Kind, zerschmettere ihm den Schädel an der Mauer und wirf es den Hunden zum Fraß vor.«

Als der grausame Vater diesen unmenschlichen Befehl gegen seine Tochter und seinen Enkel gegeben hatte, ging der Diener davon und war nur zu sehr geneigt, den blutdürstigen Auftrag zu vollziehen.

Indem Pietro seinem Urteil gemäß von den Schergen nach dem Richtplatz gegeißelt ward, traf es sich, daß der Zug von ihnen vor einem Gasthofe vorbeigeführt wurde, in dem drei edle Armenier abgestiegen waren, die als Abgesandte des Königs von Armenien mit wichtigen Aufträgen, einen neuen Kreuzzug betreffend, zum Papst reisen sollten und sich hier einige Tage aufhielten, um auszuruhen und sich zu erholen, und vom Adel in Trapani, besonders von Herrn Amerigo, äußerst liebenswürdig aufgenommen wurden. Als diese den Zug kommen hörten, der Pietro vorbeiführte, traten sie ans Fenster, um zuzusehen. Pietro war bis an den Gürtel entblößt, und die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden.

Einer von den drei Abgesandten, ein sehr ehrwürdiger alter Mann namens Fineo, ward von ungefähr gewahr, daß Pietro auf der Brust einen großen roten Fleck hatte, der nicht von irgendeinem äußeren Grund, der Stäupung etwa, herrührte, sondern in der Natur der Haut lag, mit anderen Worten ein Muttermal, wie wir es nennen, war. Dieses Mal erinnerte ihn auf der Stelle an einen Sohn, den ihm vor mehr als fünfzehn Jahren am Ufer von Lajazzo die Seeräuber geraubt hatten, und von dem er nie die geringste Nachricht hatte erhalten können. Als er nun das Alter des Gestäupten ungefähr schätzte, so meinte er, sein Sohn, wenn er noch lebe, müsse gerade so alt sein, und das Mal veranlaßte ihn vollends zu glauben, daß er es selbst wäre, und daß er sich in diesem Falle seines eigenen und des väterlichen Namens noch wohl erinnern und die armenische Sprache nicht ganz vergessen haben würde. Er rief ihn demnach, als er näher kam, bei seinem Namen Theodoro!

Pietro horchte auf, und Fineo fragte ihn auf armenische »Aus welchem Land und wessen Sohn bist du?«

Aus Achtung für den ehrwürdigen Alten hielten die Häscher still und ließen Pietro Zeit zu antworten. »Ich bin aus Armenien«, gab er zur Antwort, »und bin der Sohn eines Mannes, der sich Fineo nennt. Unbekannte Männer haben mich als Kind entführt.«

Mehr Zeugnis brauchte Fineo nicht, um versichert zu sein, daß er seinen längst verlorenen Sohn wiedergefunden hatte. Er eilte mit nassen Augen mit seinen Gefährten die Treppe hinunter, umarmte ihn mitten unter den Henkersknechten, warf ihm seinen eigenen Mantel von kostbarem Stoff um und bat den, der ihn zum Tode führte, zu warten, bis er Befehl erhalten würde, ihn weiterzuführen.

Dieser zeigte sich willig, zu warten. Fineo hatte die Ursache schon vernommen, weswegen Pietro das Leben abgesprochen worden war, weil das Gerücht davon sich schon überall verbreitet hatte. Er eilte demnach mit seinen Gefährten und Dienern zum Statthalter und sagte zu ihm: »Mein Herr, der, den Ihr als einen leibeigenen Knecht zum Tode verurteilt habt, ist ein freigeborener Mensch und mein leiblicher Sohn und ist bereit, die zu seiner Gattin zu nehmen, die er, wie ich höre, um ihre Jungfräulichkeit gebracht hat. Ich bitte Euch demnach, seine Hinrichtung so lange aufzuschieben, bis man erfahren kann, ob sie ihn haben will; damit Ihr nicht im Falle, daß sie ihn mag, ungesetzlich gegen ihn verfahrt.« Messer Currado erstaunte nicht wenig, als er hörte, daß Pietro der Sohn des Fineo wäre; er gestand, daß dieser recht hätte, war ein wenig beschämt über den bösen Streich, den das Schicksal dem Jüngling gespielt hatte, und ließ ihn deswegen eiligst holen und Messer Amerigo zu sich rufen, um ihm zu erzählen, was geschehen war. Amerigo, der glaubte, daß seine Tochter und sein Enkel schon hingerichtet wären, empfand darüber die bitterste Reue, als er sah, daß alles so glücklich könne ausgeglichen werden, wenn sie noch lebten. Er sandte jedoch eiligst hin, um womöglich die Ausführung seines Befehls noch zu verhindern. Glücklicherweise fand man den Diener, den Amerigo abgeschickt hatte, noch mit dem Dolche und Giftbecher in der Hand, aber im Begriff, das unglückliche Mädchen, das nicht den Mut hatte zu wählen, mit harten Worten zur Entscheidung zu zwingen.

Auf den Befehl seines Herrn ließ er nunmehr ab und kam zurück, um ihm zu sagen, wie die Sachen ständen. Amerigo war darüber sehr froh; er eilte zu Fineo, entschuldigte sich so gut er konnte unter Tränen wegen des Geschehenen und bat ihn um Verzeihung, mit der Versicherung, daß er seine Tochter mit Freuden Theodoro zur Gemahlin geben wolle, wenn er willig sei, sie zu heiraten. Fineo ließ die Entschuldigung gelten und antwortete: »Mein Sohn soll allerdings Eure Tochter heiraten, und weigert er sich, so mag das gesprochene Urteil über ihn ergehen.«

Da Amerigo und Fineo darüber einig waren, begaben sie sich zu Theodoro, der noch zwischen der Todesangst und der Freude, seinen Vater wiedergefunden zu haben schwebte, und verlangten seine Entschließung zu wissen. Als dieser vernahm, daß er Violante zur Gemahlin haben solle, glaubte er einen Sprung aus der Hölle ins Paradies zu tun und versicherte den beiden Alten, daß sie ihm keine größere Gnade gewähren könnten, wenn es ihnen so gefiele.

Jetzt sandte man noch zu Violante, um auch ihren Willen zu vernehmen. Als sie hörte, was Theodoro geschehen war, und als man ihr sagte, was ihnen beiden jetzt bevorstehe, nachdem sie kurz vorher voll Schmerz und Verzweiflung einem augenblicklichen Tode entgegengesehen hatte, so kostete es sie nicht wenig Mühe, die gute Nachricht zu glauben und sich allmählich wieder zu erheitern. Endlich antwortete sie, wenn sie selbst wählen dürfte, so könne ihr kein größeres Glück widerfahren, als die Gattin Theodoros zu werden; doch unterwerfe sie sich ganz den Befehlen ihres Vaters.

Nachdem man also über des Mädchens Vermählung einer Meinung war, wurde zur großen Freude aller Einwohner von Trapani ein glänzendes Fest gefeiert. Violante erholte sich, sie übergab ihren Knaben einer Amme und verließ schöner als je das Wochenbett. Als Fineo von Rom zurückkam, bezeigte sie ihm ihre kindliche Ergebenheit, wie es einem Vater gegenüber geziemt. Er freute sich seiner schönen Schwiegertochter; die Hochzeit ward von ihm mit Pracht und Jubel gefeiert, und Fineo liebte sie stets mit väterlicher Zärtlichkeit wie seine eigene Tochter. Nach wenigen Tagen ging er mit Sohn, Schwiegertochter und Enkel zu Schiff und begab sich mit ihnen nach Lajazzo, wo sie ferner blieben und das junge Ehepaar bis ans Ende seiner Tage in Frieden und Eintracht lebte.