Fünfte Abhandlung – Über den Umstand, daß die schönen und ehrbaren Damen die tapferen Männer lieben und die tapferen Männer die mutigen Frauen.

Es kam niemals vor, dass die schönen und ehrbaren Damen tapfre und mutige Männer nicht liebten, wenn sie auch von Natur Memmen und Furchthasen sind; die Tapferkeit aber wird von ihnen so hoch geschätzt, daß sie sie lieben. Das heißt nur, daß sie im Widerspruch zu ihrem eignen Naturell die gegensätzliche Natur lieben! Daß es wahr ist, beweist Venus, vormals die Göttin der Schönheit, der Ehrbarkeit und aller Artigkeit, die, als es ihr im Himmel und am Hofe Jupiters freistand, einen hübschen und schönen Liebhaber zu erwählen und Vulkan, ihren Schwachkopf von Gemahl zum Hahnrei zu machen, ihre Wahl nicht aus den stutzerhaftesten, spielerischsten oder gekräuseltsten traf, so viele es deren auch gab, sondern sie wählte den Gott Mars und verliebte sich in ihn, in den Gott des Krieges und der Tapferkeit, wenn er auch ganz schmutzig und schwitzend aus dem Feld zurückkam, wenn er auch dreckschwarz vor Staub war, da er mehr wie ein Kriegssoldat aussah als ein Hofstutzer; und was noch schlimmer ist, möglicherweise schlief er sehr häufig, ganz blutig von der Schlacht herkommend, bei ihr, ohne sich irgendwie zu reinigen und zu parfümieren.

Als das Gerücht der adligen schönen Königin Penthesilea von der Tüchtigkeit und dem Mut des tapferen Hektor Kunde gegeben hatte und sie von seinen wunderbaren Waffentaten erfuhr, die er vor Troja über die Griechen vollbrachte, verliebte sie sich auf das bloße Gerücht hin so sehr in ihn, daß sie mit dem Wunsch, von einem so tapferen Ritter Kinder zu haben, das heißt Töchter, die ihr Königreich erben sollten, sich aufmachte, um ihn in Troja aufzusuchen; sie sah, betrachtete und bewunderte ihn, und sie bot alles auf, um seine Gunst zu gewinnen, sowohl durch die Waffentaten wie durch ihre seltene Schönheit; und Hektor machte nun keinen Angriff auf seine Feinde mehr, ohne daß sie ihn begleitete, daß sie sich vor Hektor dort ins Gemenge stürzte, wo es am heißesten zuging; man sagte auch, sie setzte mit dem Vollbringen so großer Heldentaten Hektor verschiedene Male in solche Bewunderung, daß er oft ganz plötzlich gleichsam hingerissen mitten im heftigsten Kampf einhielt und sich auf die Seite stellte, um bequemer zuzusehen, wie jene tapfere Königin so tüchtige Streiche austeilte. Danach kann sich jedermann vorstellen, wie sie es mit ihrer Liebe hielten und ob sie sie zur Ausführung brachten: das Urteil kann darüber bald gesprochen werden. Wie es aber auch darum stand, ihre Lust hatte keine lange Dauer; denn um ihrem Liebhaber immer mehr zu gefallen, setzte sie sich täglich den größten Gefahren aus, daß sie schließlich im heftigsten und grausamsten Handgemenge getötet wurde. Manche sagen indessen, sie habe Hektor gar nicht gesehen, und er sei gestorben, bevor sie ankam; als sie dann bei ihrer Ankunft seinen Tod erfuhr, geriet sie in solche Trauer und Verzweiflung, weil ihr die Wohltat seines Anblickes verloren war, den sie so sehr gesucht und aus fernem Lande so heiß ersehnt hatte, daß sie sich freiwillig in die blutigsten Kämpfe stürzte und den Tod fand; sie wollte nicht mehr leben, da sie das tapfere Wesen nicht mehr sehen konnte, das sie am höchsten geschätzt und am meisten geliebt hatte.

Das gleiche tat Tallestris, eine andere Königin der Amazonen, die ein großes Land durchquerte und ich weiß nicht wieviel Meilen machte, um Alexander den Großen aufzusuchen, indem sie als Gnade oder als Vergeltung von ihm verlangte (in jener guten Zeit machte und gab man’s als Vergeltung), er möchte bei ihr schlafen, damit sie von einem so hohen und adligen Blute, als das sie ihn so sehr rühmen hörte, Nachkommenschaft bekäme; Alexander gewährte ihr das gern; es wäre aber auch sehr geschmacklos von ihm gewesen, hätte er anders gehandelt; denn jene Königin war ebenso schön wie tapfer. Quintus Curtius, Orosius und Justinus versichern auch, daß sie ihn mit dreihundert Frauen im Gefolge aufsuchte, die in so brillanter Verfassung waren und ihre Waffen so anmutig trugen, daß sie unübertrefflich waren. Dermaßen machte sie Alexander ihre Aufwartung und wurde von ihm mit hoher Ehre empfangen; dreizehn Tage und dreizehn Nächte blieb sie bei ihm und fügte sich in allem seinen Wünschen und Launen, sagte aber stets dabei: bekäme sie eine Tochter, würde sie diese als den kostbarsten Schatz bewahren; brächte sie aber einen Sohn zur Welt, würde sie ihn zurückschicken, weil sie das männliche Geschlecht aufs höchste haßte, was die Regierung anlange, und da es unter ihnen nicht befehlen könne. Diese Gesetze waren in ihrer Gemeinschaft eingeführt worden, seitdem sie ihre Gatten getötet hatten. Zweifellos haben es die andern Frauen und »Unter-Frauen« ebenso gemacht und sich den Hauptleuten und Soldaten Alexanders hingegeben: denn sie hatten dem Beispiel ihrer Herrscherin zu folgen.

Als die schöne Jungfrau Camilla, die schöne und edle, die der Diana, ihrer Herrin, in ihren Forsten und ihren Wäldern und auf ihren Jagden so treu diente, den Ruf der Tapferkeit des Turnus vernommen hatte, und daß er mit einem gleichfalls tapfern Manne, nämlich mit Aeneas, im Streit lag, der ihm hart zusetzte, trat sie zu dessen Partei; sie suchte ihn allein mit drei sehr ehrbaren und schönen Frauen auf, Gefährtinnen, die sie zu großen Freundinnen und getreuen Vertrauten erwählt hatte; diese waren übrigens auch ihre Tribaden. Der Ehre halber nahm sie allerorten ihre Dienste in Anspruch, wie Virgil in seiner Aneis sagt; die eine hieß Armia, die jungfräuliche und die tapfere, die andere Tullia, die dritte Tarpeja, die den Speer und den Wurfspieß wohl zu schwingen wußte; man denke, auf zweierlei Verschiedene Art; und alle drei Mädchen stammten aus Italien.

Camilla suchte also mit ihrer schönen kleinen Schar (man sagte auch: klein und schön und gut) Turnus auf, mit dem sie sehr tüchtig focht; so oft kam sie heran und mischte sich unter die tapferen Trojaner, daß sie getötet wurde, zum größten Bedauern des Turnus, der sie höchlich ehrte, ebenso sehr wegen ihrer Schönheit wie wegen ihrer tapferen Hilfe. So strebten also jene schönen und mutigen Damen den tapfern und kühnen Männern zu und brachten ihnen in ihren Kriegen und Kämpfen Hilfe. Und wer warf denn das so heiße Liebesfeuer in die Brust der armen Dido, wenn nicht die Tapferkeit, die sie in ihrem Äneas empfand, wenn wir Virgil Glauben schenken wollen? Denn nachdem sie ihn gebeten hatte, ihr von dem trojanischen Krieg zu erzählen, von der Verwüstung und Zerstörung Trojas, und nachdem er sie befriedigt hatte, zu seinem großen Bedauern indessen, daß er solche Schmerzen wieder wachrufen mußte (er vergaß in seinem Vortrag auch seine Heldentaten nicht), und nachdem Dido sie gemerkt und bei sich erwogen hatte, waren, als sie ihrer Schwester Anna ihre Liebe zu erklären begann, die ersten und dringendsten Worte, die sie zu ihr sagte, diese: »Ach! meine Schwester, was für ein Gast ist da zu mir gekommen! Welch‘ männliche Gestalt er hat! Wie edel er sich zeigt, mit seiner Tapferkeit und Tüchtigkeit, mit den Waffen und mit seinem Mute! Ich glaube fest, er stammt von göttlichem Geschlechte; denn die gemeinen Herzen sind feige von Natur.« Das waren ihre Worte. Und ich glaube, sie verliebte sich ebensosehr deshalb in ihn, weil sie tapfer und edel war, und weil ihr Instinkt sie antrieb, ihresgleichen zu lieben, als auch um sich im Falle der Not seiner zu bedienen und ihn zur Unterstützung zu haben. Aber der Elende täuschte sie und gab sie nichtswürdig preis; das durfte er dieser ehrbaren Dame nicht antun, die ihm ihr Herz und ihre Liebe geschenkt hatte, ihm, sage ich, einem Fremden und Seeräuber.

In seinem Buch von den Berühmten Unglücklichen erzählte Boccaccio die Geschichte einer Herzogin von Forli mit Namen Romilde, die ihren Gatten, ihre Länder und ihren Besitz verloren hatte; Caucan, König der Avaren, hatte ihr alles genommen und sie gezwungen, sich mit ihren Kindern auf ihr Schloß Forli zurückzuziehen, wo er sie belagerte; als er sich aber eines Tages dem Schloß näherte, um es zu bespähen, sah ihn Romilde von der Höhe eines Turms und betrachtete ihn eingehend und lange; und weil sie ihn so schön, in der Blüte seines Alters sah, wie er auf einem schönen Pferd saß und mit einem prachtvollen Harnisch bewaffnet war, so viel herrliche Waffentaten vollbrachte und sich nicht mehr schonte wie seinen geringsten Soldaten, verliebte sie sich sofort leidenschaftlich in ihn; sie achtete nicht mehr der Trauer um ihren Gemahl, ließ Schloß und Belagerung sein und teilte Caucan durch einen Boten mit, wenn er sie zur Gattin nehmen wolle, würde sie ihm an dem Tage, an dem die Hochzeit gefeiert würde, den Platz übergeben. Der König Caucan nahm sie beim Wort. Als der verabredete Tag also kam, kleidete sie sich prachtvoll in ihre schönsten und kostbarsten Herzogingewänder, die ihre hohe Schönheit nur noch steigerten; nachdem sie im Lager des Königs angelangt war, um die Hochzeit zu begehen, verbrachte der König, damit man ihm nicht vorwerfen konnte, daß er sein Wort nicht gehalten hätte, die ganze Nacht damit, die aufgeregte Herzogin zu befriedigen. Am andern Morgen, nachdem er aufgestanden war, ließ er zwölf seiner avarischen Soldaten rufen, die er für die stärksten und schnellsten Kameraden hielt, und überlieferte ihnen Romilde, damit sie einer nach dem andern ihr Vergnügen an ihr hätten; das taten sie denn auch eine ganze Nacht, so sehr sie nur konnten: und als der Tag angebrochen war, ließ Caucan Romilde rufen, schimpfte sie wegen ihrer Geilheit, sagte ihr eine Menge Beleidigungen und ließ sie durch ihre Natur pfählen, woran sie starb. Es war gewiß eine grausame und barbarische Handlung, eine so schöne und ehrbare Dame dermaßen zu behandeln, die doch den größten Dank und den freundlichsten Lohn verdient hätte, daß sie von seiner Großherzigkeit, seiner Tüchtigkeit und seinem adligen Mut eine so hohe Meinung gehabt und ihn darum geliebt hatte! Davor müssen sich die Frauen zuweilen sehr in acht nehmen! Denn so tapfere Männer sind sehr oft so sehr daran gewöhnt zu töten, das Eisen so roh zu handhaben und damit zu schlagen, daß ihnen manchmal die Laune ankommt, es auch ihren Frauen gegenüber zu tun. Von dieser Beschaffenheit sind aber freilich nicht alle; denn wenn ihnen ehrbare Damen die Ehre erweisen, sie voller Überzeugung von ihrer Tapferkeit zu lieben und anzunehmen, lassen sie ihre Wut und ihre Raserei im Feldlager, fügen sich in eine sanfte Freundlichkeit und verhalten sich durchaus anständig und höflich.

In seinen Tragischen Geschichten87 gibt Bandello eine, die schönste, die ich je gelesen habe; sie handelt von einer Herzogin von Savoyen, die eines Tages, aus Turin kommend, hörte, wie eine spanische Pilgerin, die eines bestimmten Gelöbnisses halber nach Loretto ging, ihre Schönheit laut verkündete und bewunderte, und wie sie ganz laut sagte, wenn eine so schöne und vollendete Dame mit ihrem schönen, tapfern und kühnen Bruder, dem Herrn von Mendozza, verheiratet wäre, dann könne man wohl überall sagen, es sei das schönste Paar der Welt miteinander vereinigt worden; die Herzogin, die sehr gut Spanisch verstand, hatte diese Worte in ihre Seele sehr tief eingeprägt und sich gemerkt und begann auch alsbald die Liebe hineinzugraben; das Gerücht schon veranlaßte sie, sich so leidenschaftlich in den Herrn von Mendozza zu verlieben, daß sie nicht ruhte, bis sie eine Wallfahrt nach St. Jakob vortäuschte, um ihren schnell gewonnenen Liebhaber zu sehen. Sie machte sich also auf den Weg nach Spanien und reiste durch die Besitzungen des Herrn von Mendozza, dabei hatte sie Zeit und Muße, ihre Augen an ihrem schönen Erwählten zu befriedigen und zu sättigen; denn die Schwester des Herrn von Mendozza, die Begleiterin der Herzogin, hatte ihren Bruder von der schönen und vornehmen Besucherin unterrichtet. Er verfehlte daher auch nicht, ihr, aufs beste herausgeputzt, auf einem schönen spanischen Pferd mit solcher Grazie entgegenzukommen, daß die Herzogin Gelegenheit hatte, die Berühmtheit, von der ihr berichtet worden war, bestätigt zu erhalten, und sie bewunderte ihn sowohl wegen seiner Schönheit wie wegen seiner schönen Gestalt, die ganz klar die Tapferkeit zeigte, die in ihm steckte. Diese schätzte sie ebenso hoch an ihm wie seine andern Tüchtigkeiten, Fertigkeiten und Vollkommenheiten, indem sie schon damals ahnte, daß sie eines Tages davon Nutzen haben würde, wie er ihr denn später bei der falschen Anklage, die der Graf Pancalier gegen ihre Keuschheit erhob, die größten Dienste leistete. Gleichwohl verhielt er sich, so tapfer und mutig sie ihn auch im Waffenhandwerk erkannte, für diesmal feige in der Liebe; denn er zeigte sich so kühl und respektvoll gegen sie, daß er ihr in keinerlei Weise Liebesworte äußerte, die sie doch erwartete und derentwegen sie ihre Reise unternommen hatte. Verdrießlich über eine so kühle Zurückhaltung oder vielmehr über solche Feigherzigkeit in der Liebe, trennte sie sich daher andern Tags von ihm, ohne Befriedigung ihres Sehnens gefunden zu haben.

Man sieht, die Damen lieben die in der Liebe kühnen Männer zuweilen ebensosehr wie die, die es in Waffentaten sind, nicht daß sie wollten, sie möchten frech und dreist, unverschämt und dumm sein, wie ich welche kannte; sondern sie müssen darin den mittleren Grad einhalten.

Ich kannte verschiedene, die wegen solcher Ehrerbietigkeiten viel Frauengunst verloren haben, über die ich viel erzählen könnte, wenn ich nicht fürchten müßte, allzuweit abzukommen; ich hoffe sie aber bei Gelegenheit zu bringen: diese eine Geschichte will ich aber berichten.

Ich hörte einst von einer Dame erzählen, einer der schönsten von der Welt: als sie ebenfalls einen Prinzen als tapfer und kühn rühmen hörte, und daß er bereits in seiner Jugend große Waffentaten vollbracht und besonders zwei große und ausgezeichnete Schlachten gegen seine Feinde gewonnen hatte, empfand sie große Sehnsucht, ihn zu sehen;88 daher reiste sie unter irgendeinem andern Vorwand, den ich nicht sagen will, in die Provinz, wo er sich damals aufhielt. Endlich näherte sie sich ihrem Ziel; was ist denn auch einem tapfern verliebten Herzen unmöglich? Sie sah ihn und konnte ihn mit Muße betrachten; denn er kam ihr schon von weitem entgegen und empfing sie mit allen Ehren und mit aller Hochachtung, wie er sie einer so hohen, schönen und großherzigen Prinzessin gegenüber bezeugen mußte, ja er tat des Guten zu viel, wie die andre sagte; denn es ging ihr ebenso wie der Herzogin von Savoyen mit dem Herrn von Mendozza: und derartige Ehrerbietigkeiten erzeugten den gleichen Verdruß und die gleiche Unzufriedenheit. Daher trennte sie sich von ihm, nicht so befriedigt, wie sie hingekommen war. Möglicherweise hätte er seine Zeit damit verloren, und sie hätte seinen Wünschen nicht Folge geleistet; aber der Versuch wäre doch nicht übel gewesen, sondern aller Ehren wert, und man hätte ihn darum noch höher geschätzt.

Was nutzt also ein kühner und adliger Mut, wenn er sich nicht in allen Dingen zeigt, in der Liebe ebensosehr wie im Kampfe, da Waffen und Liebe Kameraden sind, zusammen marschieren und ein und dieselbe Sympathie haben, genau wie der Dichter sagt: »Jeder Liebende ist Soldat, und Kupido hat ebensogut wie Mars sein Feldlager und seine Waffen.« Der Herr von Ronsard hat darüber in seinen ersten Amourl ein schönes Sonett gemacht. Um nun noch einmal auf die Begierden zurückzukommen, die den Damen innewohnen, edle und tapfere Männer zu lieben und zu sehen, so hörte ich von der heute regierenden Königin von England erzählen: als sie eines Tages bei Tisch saß und den Herrn Großprior von Frankreich aus dem Hause Lothringen, Herrn d’Amville, heute Herr von Montmorency und Konnetabel, zur Abendtafel bei sich hatte, kam sie unter den Tafelgesprächen auf die Lobpreisung des hochseligen Königs Heinrich II., rühmte ihn sehr, weil er tapfer, mutig und edel war und sehr martialisch, wie sie sagte, was er in allen seinen Taten wohl gezeigt habe; und wenn er nicht so früh gestorben wäre, hätte sie sich entschlossen, ihn in seinem Königreich zu besuchen, ihre Galeeren hätte sie schon zurichten und fertigmachen lassen, um nach Frankreich hinüberzufahren und mit ihren beiden Händen den Frieden zu besiegeln. »Kurz, es war einer meiner größten Wünsche, ihn zu sehen,« sagte sie, »ich glaube, er hätte es mir nicht verweigert; denn es ist nun einmal meine Laune, die tapfern Männer zu lieben; und ich zürne dem Tod, daß er uns einen so tapfern König entrissen hat, wenigstens bevor ich ihn sah.« Als dieselbe Königin einige Zeit später Herrn von Nemours wegen seiner Vollkommenheit und Tüchtigkeit sehr hatte rühmen hören, ergriff sie das Verlangen, sich bei dem jetzt verstorbenen Herrn von Rendan, als ihn König Franz II. nach Schottland schickte, um vor dem belagerten Petit-Lit Frieden zu machen, nach ihm zu erkundigen. Und wie er ihr ausführlich über dessen hohe Tüchtigkeit und Tapferkeit berichtet hatte, erkannte Herr von Rendan, der sich auf die Liebe ebensogut verstand wie auf die Waffen, wie auf ihrem Antlitz die Liebe aufleuchtete und dann aus ihren Worten eine große Lust sich kundgab, ihn zu sehen. Da er nun nicht auf halbem Weg stehenbleiben wollte, legte er es darauf an, herauszubringen, ob Nemours willkommen wäre, wenn er sie besuchen würde: des versicherte sie ihn, und daher vermutete er, daß zwischen beiden vielleicht eine Ehe gestiftet werden könnte.

Wie er also von seiner Gesandtschaft an den Hof zurückgekehrt war, berichtete er dem König und dem Herrn Nemours das ganze Gespräch. Darauf befahl der König dem Herrn von Nemours, Folge zu leisten, und redete ihm sehr zu, einzuwilligen: das tat er denn auch mit sehr großer Freude darüber, durch eine so schöne, tüchtige und ehrbare Königin zu einem so schönen Königreich kommen zu können.

Dann legten sie auch das Eisen ins Feuer: mit Hilfe der reichen Mittel, die ihm der König gab, traf Nemours für sein Auftreten vor jener schönen Fürstin die größten Vorbereitungen und stolzesten und schönsten Zurüstungen in Gewändern, in Pferden, in Waffen, kurz in allen köstlichen Dingen, ohne dabei etwas außer acht zu lassen (denn ich habe alles selbst gesehn). Vor allem vergaß er nicht, die Blüte der Jugend vom Hofe mit herüberzunehmen; so daß der närrische Greffier, dem darüber etwas einfiel, sie als Bohnenblüte bezeichnete, womit er die jungen Windbeutel vom Hofe stichelte.

Unterdessen wurde Herr von Lignerolles, ein sehr gewandter und geschickter Edelmann, der damals bei Herrn von Nemours, seinem Gebieter, in hoher Gunst stand, eiligst zu jener Königin entsandt und kehrte mit der schönen und sehr würdigen Antwort zurück, sie sei erfreut, und er möge seine Reise beschleunigen. Ich erinnere mich, daß man am Hofe die Ehe quasi für abgemacht hielt: wir mußten aber merken, daß plötzlich die Reise unterbrochen und nicht fortgesetzt wurde, womit der ganze teure Aufwand eitel und unnütz vertan war.

Ich könnte ebensogut wie irgendein anderer Mann in Frankreich sagen, woran es lag, daß dieser Bruch stattfand, hier nur im Vorübergehn das einzige Wort: andere Liebschaften bedrängten Nemours möglicherweise das Herz mehr, fesselten ihn mehr und hielten ihn fest; denn er war in allen Dingen so vollendet und verstand mit den Waffen und in anderem so geschickt umzugehen, daß die Damen aus Begierde gern mit Gewalt zu ihm gelaufen wären, wie ich sah, daß die Lebhaftesten und Keuschesten ihr Fastengelübde für ihn brachen.

In den Hundert Erzählungen der Königin Margarete von Navarra besitzen wir eine sehr schöne Geschichte von jener mailändischen Dame, die in einer Nacht, als sie den hochseligen Herrn von Bonnivet,89 späteren Admiral von Frankreich, zu sich geladen hatte, ihre Kammerfrauen mit bloßen Degen anstellte, damit sie in dem Augenblick auf der Treppe ein Geklirr machten, sowie er sich hinlegen wolle. Das machten sie denn auch in Befolgung des Befehls ihrer Herrin sehr gut, die ihrerseits die Erschrockene und Furchtsame spielte, indem sie sagte, das seien ihre Schwäger, die etwas bemerkt hätten, und sie wäre verloren, er solle sich unter das Bett verstecken oder hinterm Wandbehang. Aber Herr von Bonnivet nahm, ohne zu erschrecken, seinen Mantel um den Arm und seinen Degen in die andre Hand und sagte: »Und wo sind denn diese tapfern Brüder, die mir Furcht machen oder was antun wollen? Wenn sie mich sehn, werden sie nicht mal meine Degenspitze zu betrachten wagen.« Damit öffnete er die Tür und ging hinaus, und wie er gerade auf die Treppe losgehen wollte, fand er ihre Frauen mit ihrem Lärmen, die Furcht hatten, zu schreien anfingen und alles gestanden. Als Herr von Bonnivet sah, daß es nur das war, ließ er sie, schickte sie zum Teufel und verfügte sich in die Kammer zurück, schloß die Tür hinter sich und suchte seine Dame auf. Diese brach in ein Gelächter aus, umarmte ihn und gestand ihm, daß es ein von ihr abgekartetes Spiel wäre, und versicherte ihm, wenn er feige gewesen wäre und seine Tapferkeit nicht bewährt hätte, in deren Ruf er stände, hätte sie ihn niemals bei sich schlafen lassen. Weil er sich aber so edel und sicher gezeigt hatte, umarmte sie ihn und bettete ihn neben sich; und man braucht gar nicht zu fragen, was sie die ganze Nacht machten; denn es war eine der schönsten Frauen von Mailand, die zu gewinnen er sich viel Mühe hatte kosten lassen.

Ich kannte einen tapfern Edelmann, der eines Tages, als er in Rom mit einer feinen römischen Dame zusammenschlief, während ihr Gatte abwesend war, von ihr in den gleichen Schrecken versetzt wurde; sie ließ eine ihrer Frauen plötzlich kommen und die Kunde bringen, der Gemahl komme vom Felde heim. Die Frau stellte sich erschrocken und bat den Edelmann, sich in einem Kabinett zu verbergen, sonst wäre sie verloren. »Nein, nein,« rief der Edelmann, »um alles in der Welt täte ich das nicht; wenn er aber kommt, will ich ihn töten.« Und wie er gerade nach seinem Degen gesprungen war, begann die Dame zu lachen und gestand, das habe sie selbst angestiftet, um ihn auf die Probe zu stellen, was er täte, wenn ihr Gatte ihr etwas antun wolle, und ob er sie gut verteidigte. Ich kannte eine sehr schöne Dame, die ihren Liebhaber sofort heimschickte, weil sie ihn nicht für tapfer hielt; sie vertauschte ihn gegen einen andern, der ihm nicht glich, der jedoch wegen seines Degens aufs äußerste gefürchtet und einer der besten Kämpen war, die es damals gab. Von alten Leuten am Hofe hörte ich eine Geschichte von einer Hofdame erzählen, der früheren Geliebten des hochseligen Herrn de Lorge, der in seinen jungen Jahren ein lustiger Kamerad, aber auch einer der tapfersten und berühmtesten Infanteriekapitäne seiner Zeit war. Da sie so viel von seiner Tapferkeit gehört hatte, wollte sie eines Tages, als der König Franz I. an seinem Hofe einen Löwenkampf veranstaltete, erproben, ob er seinem hohen Ruf entspräche. Daher ließ sie einen ihrer Handschuhe in den Zwinger der Löwen fallen, die in der größten Raserei waren; dann bat sie Herrn de Lorge, ihn wiederzuholen, wenn er sie wirklich so sehr liebe, wie er sage. Ohne zu zaudern nimmt er seinen Mantel in die Faust und den Degen in die andere Hand und begibt sich wahrhaftig unter die Löwen, um den Handschuh wiederzuholen. Das Glück war ihm dabei so hold, daß ihn die Löwen dabei nicht anzugreifen wagten, da er ihnen mit heiterer Miene und ruhiger Sicherheit die Spitze seines Schwertes entgegenstreckte. Er nahm den Handschuh wieder auf, kehrte zu seiner Herrin zurück und überreichte ihn ihr, wobei ihm von ihr und allen Umstehenden das höchste Lob gezollt wurde. Wie man sagt, wurde sie jedoch von Herrn de Lorge verlassen, der empört darüber war, daß sie nur ihre Kurzweil mit ihm und seiner Tapferkeit hatte haben wollen. Ja, man sagt sogar, er habe ihr in edlem Zorn den Handschuh ins Gesicht geworfen; denn er hätte hundertmal lieber auf ihren Befehl ein Bataillon Fußtruppen durchbrochen, worin er sehr erfahren war, als mit Bestien gekämpft, deren Besiegung schwerlich ruhmreich ist. Solche Versuche sind gewiß weder schön noch anständig, und wer sie vornimmt, verdient den schärfsten Tadel.

Ähnlich ist ein Streich, den eine Dame ihrem Liebhaber spielte. Als er ihr gerade seine Dienste zu Füßen legte und ihr versicherte, er würde alles, auch das Gefährlichste für sie wagen, nahm sie ihn beim Wort und sagte ihm: »Wenn Ihr mich so sehr liebt und so mutig seid, wie Ihr sagt, dann stoßt Euch aus Liebe zu mir Euren Dolch in den Arm.« Der andre, der aus Liebe zu ihr fast starb, zog ihn sofort und wollte damit zustoßen; ich ergriff ihn jedoch am Arm und nahm ihm den Dolch weg, indem ich ihm vorstellte, es wäre eine große Torheit, von seiner Liebe und seiner Tapferkeit auf solche Art Zeugnis abzulegen. Ich will die Dame nicht nennen, aber der Edelmann war der verstorbene Herr Clermont-Tallard der Ältere, der in der Schlacht von Montcontour fiel, einer der tapfersten Edelleute von Frankreich; das bewies er auch bei seinem Tod, als er eine Kompagnie Soldaten befehligte; ich liebte und ehrte ihn sehr.

Ich hörte, daß etwas ganz Ähnliches dem in Deutschland gestorbenen Herrn von Genlis passierte, der beim dritten Aufstand die hugenottischen Truppen befehligte. Als er nämlich eines Tages mit seiner Geliebten vor dem Louvre über den Fluß fuhr, ließ sie ihr schönes und reiches Taschentuch mit Absicht ins Wasser fallen und sagte ihm, er solle sich hineinstürzen und es ihr herausholen. Er, der nicht besser als ein Stein schwimmen konnte, wollte sich entschuldigen; sie warf ihm jedoch vor, er sei ein feiger Freund und habe gar keine Kühnheit, und warf sich, ohne alle Ankündigung ungestüm ins Wasser, wo sie, anstatt das Taschentuch zu bekommen, ertrunken wäre, hätte man ihr nicht alsbald mit einem andern Kahn Hilfe gebracht.

Ich glaube, solche Frauen beabsichtigen mit derartigen Versuchen auf so unverfängliche Art ihre Liebhaber loszuwerden, die sie möglicherweise langweilen. Es wäre besser, sie schenkten ihnen schöne Feldbinden und bäten sie, sich aus Liebe zu ihnen auf die Felder der Ehre, in den Krieg zu verfügen und dort von ihrer Tapferkeit Zeugnis zu geben, oder sie noch mehr hineinzutreiben, statt solche Dummheiten zu begehen, wie ich sie soeben erzählte und von denen ich eine Unmenge berichten könnte. Ich erinnere mich, als wir beim ersten Aufstand auszogen, um Rouen zu belagern, war Fräulein de Piennes, eine der ehrbarsten Hoffräulein, in Zweifel, ob der selige Herr von Gergeay tapfer genug wäre, um allein und Mann gegen Mann den jetzt gestorbenen Baron d’Ingrande, einen der tapfersten Edelleute am Hofe, getötet zu haben, und beschenkte ihn, um seine Tapferkeit zu erproben, mit einer Binde, die er sich um den Helm legte; und als das Fort St. Catharina rekognosziert wurde, stürzte er sich so mutig und tapfer in einen Reitertrupp, der aus der Stadt gekommen war, daß er im Gefecht einen Pistolenschuß in den Kopf bekam, von dem er stracks auf dem Platz liegen blieb. Das befriedigte jenes Fräulein in betreff sein er Tapferkeit, und wenn er an dem Schuß nicht gestorben wäre, nachdem er seine Sache so gut gemacht, hätte sie ihn geheiratet; da sie aber ein wenig an seinem Mut gezweifelt und gemeint hatte, er habe jenen Baron nicht ehrlicherweise getötet, wollte sie über seinen Mut Sicherheit bekommen, wie sie sagte. Sicherlich werden die Männer, wiewohl viele schon von Natur tapfer sind, durch die Frauen nur noch mehr dazu angetrieben; wenn sie aber feige und kalt sind, entflammen sie ihnen den Mut. Ein sehr schönes Beispiel haben wir dafür in der schönen Agnes; als sie sah, daß der König Karl VII. heftig in sie verliebt war und sich um nichts weiter kümmerte als mit ihr zu liebeln, als sie ihn schlaff und weichlich sah, und daß er die Pflicht gegen sein Königreich gar nicht mehr beachtete, sagte sie eines Tages zu ihm, als sie noch ein junges Mädchen gewesen wäre, habe ihr ein Astrolog prophezeit, sie würde von einem der tapfersten und mutigsten Könige der Christenheit geliebt werden; und da der König ihr die Ehre erwies, sie zu lieben, habe sie gemeint, er wäre jener tapfere König, der ihr prophezeit worden wäre; da sie ihn aber so schlaff und so wenig um seine Angelegenheiten und Pflichten besorgt sähe, merke sie wohl, daß sie sich getäuscht habe; jener mutige König wäre nicht er, sondern der König von England, der so schöne Waffentaten vollbringe und ihm so viel schöne Städte aus dem Bart risse. „Und deshalb,´´ sagte sie, „will ich ihn aufsuchen; denn ihn hat der Astrolog gemeint.´´ Diese Worte stachelten das Herz des Königs so sehr, daß er in Tränen ausbrach; und von Stund an faßte er Mut, gab seine Jagden und Gärten auf und nahm das Gebiß in die Zähne; und er erreichte es auch, mit Glück und Tapferkeit, die Engländer aus seinem Königreich hinauszuzwingen.

Nachdem Bertrand du Gueselin seine Frau, Madame Tiphaine, geheiratet hatte, verlegte er sich völlig darauf, sie zu befriedigen, und ließ den Kriegslärm dahinten, er, der sich vorher so sehr darin getummelt und daraus so viel Ruhm und Preis gewonnen hatte; sie aber machte ihm darüber Vorwürfe und Vorstellungen: vor ihrer Ehe habe man nur von ihm und von seinen Heldentaten gesprochen, seitdem könne man ihr selbst vorwerfen, daß ihr Gemahl so plötzlich aufgehört habe, Waffentaten zu vollbringen. Das lasse sie sich und ihrem Gatten nicht nachsagen, daß er ein so arger Stubenhocker geworden wäre; das predigte sie ihm unaufhörlich, bis sie ihm seinen früheren Mut wiedergegeben und ihn wieder in den Krieg zurückgeschickt hatte, wo er noch Größeres vollbrachte als zuvor.

Man sieht, daß diese ehrbare Dame die Freuden ihrer Nächte nicht so sehr liebte wie die Ehre ihres Gemahls. Und so werden wir sicherlich auch nicht von unsern geliebt, wenn wir ihnen gar nicht von der Seite gehn; wenn wir aber vom Heere zurückkommen und etwas Tüchtiges und Schönes vollbracht haben, dann lieben und umarmen sie uns gern und sind ganz zufrieden.

Die vierte Tochter des Grafen von Provence, des Schwiegervaters des heiligen Ludwig, die Gattin Karls, des Grafen von Anjou, des Bruders jenes Königs, ärgerte sich, in ihrem Hochmut und Ehrgeiz, daß sie bloß eine simple Gräfin von Anjou und Provence sein sollte, und daß sie allein von ihren drei Schwestern, von denen zweie Königinnen, die dritte Kaiserin war, keinen andern Titel hatte als den einer Dame und Gräfin, und sie ließ darum nie ab, bis sie ihren Gemahl dazu gedrängt hatte, ein Königreich zu erobern. Das betrieben sie dann so sehr, daß sie vom Papst Urban zum König und zur Königin beider Sizilien erwählt wurden; beide fuhren mit 30 Galeeren nach Rom, um sich in großer Pracht von seiner Heiligkeit zum König und zur Königin von Jerusalem und Neapel krönen zu lassen; die Länder eroberte er nachher, sowohl durch mutige Waffentaten wie mit den Mitteln, die ihm seine Frau verschaffte, indem sie all ihre Ringe und Juwelen verkaufte, um zu den Kriegskosten beizutragen: und dann regierten sie noch lange und in Frieden in ihren eroberten Königreichen. Lange Zeit später vollbrachte eine ihrer Enkelinnen aus ihrem Geschlechte, Isabella von Lothringen, ohne ihren Gatten René dieselbe Tat; denn während er in den Händen Karls, des Herzogs von Burgund, gefangen lag, fiel ihnen das Königreich von Sizilien und Neapel als Erbe zu, und als kluge, großherzige und mutige Prinzessin sammelte sie ein Heer von 30000 Mann, führte es selbst, eroberte das Königreich und bemächtigte sich Neapels. Ich könnte noch eine Unmenge von Damen nennen, die auf solche Art und Weise ihren Gatten sehr genützt haben, die sie hochgemut und ehrgeizigen Herzens dazu trieben und ermutigten, sich zu erhöhen, Güter, Würden und Reichtümer zu gewinnen. Es ist auch das Schönste und Ehrenwerteste, sie mit der Spitze des Degens zu bekommen. Ich kannte deren viele in Frankreich und an unsern Höfen, die, sozusagen mehr von ihren Frauen angetrieben als aus eignem Willen, schöne und große Dinge unternommen und ausgeführt haben.

Aber ich kannte auch sehr viele Frauen, die, nur an ihr Vergnügen denkend, ihre Männer hemmten und stets bei sich behielten, sie verhinderten, schöne Taten zu vollbringen, und nicht wollten, daß sie sich mit anderem unterhielten als sie mit dem Venusspiel zu befriedigen, so geil waren sie danach. Ich könnte eine Unmenge Geschichten darüber erzählen, aber ich würde zu weit über meinen Gegenstand hinausschreiten, der gewiß schöner ist, da er von der Tugend handelt, der andere betrifft das Laster; es erfreut auch mehr, von jenen Damen reden zu hören, die die Männer zu schönen Taten getrieben haben. Ich rede nicht bloß von den verheirateten Frauen, sondern auch von verschiedenen andern, die mit einer einzigen kleinen Gunst ihre Liebhaber zu vielen Dingen anspornten, die sie sonst nicht vollbracht hätten; denn welche Befriedigung haben sie davon? Welcher Ehrgeiz und welche Herzenserregung ist größer, als wenn man im Krieg ist, und man denkt, daß man von seiner Herrin geliebt wird; und wenn man aus Liebe zu ihr etwas Tüchtiges vollbracht hat, mit wieviel guten Augenwinken, schönen Reizen, süßen heimlichen Blicken, Umarmungen, Wonnen, Gunstbezeigungen hofft man nachher von ihr belohnt zu werden.

Unter andern Vorwürfen, die Scipio Massinissa machte, als er, fast noch von Blut triefend, Sophonisbe heiratete, machte er ihm diese: es stände niemand wohl an, an die Frauen und an die Liebe zu denken, wenn man im Krieg sei. Er wird mir gefälligst verzeihen, aber was mich betrifft, so meine ich, nichts erfreut mehr, nichts gibt mehr Mut und Ehrgeiz zu großen Taten als gerade sie. Ich war früher auch in dieser Lage. Was mich betrifft, so glaube ich, alle die im Felde stehen, befinden sich in der gleichen Lage: ich berufe mich auf sie. Ich glaube, sie sind meiner Meinung, so viele es auch sind, und wenn sie auf einer Kriegsfahrt sind und sich mitten unter den heißesten Bedrängnissen des Feindes befinden, dann verdoppelt sich und wächst ihnen ihr Mut, wenn sie an ihre Damen denken, an die Binden, die sie von ihnen tragen, an die Liebkosungen und an den guten Empfang, den sie dann von ihnen bekommen werden, wenn sie zurückkommen; und wenn sie sterben, welche Klage sie in Mitleid mit ihrem Abscheiden erheben. Schließlich ist jede Unternehmung, die man aus Liebe zu seiner Dame und im Gedanken an sie vornimmt, leicht und bequem, alle Kämpfe für sie nur Turniere und jeder Tod für sie ein Triumph.

Ich erinnere mich an den hochseligen Herrn Des Bordes in der Schlacht von Dreux; ein tapferer und feiner Kavalier wie nur einer in seiner Zeit, war er Leutnant des Herrn von Nevers, früher Graf d’Eu, ein ebenso vollendeter Prinz; gerade als zum Angriff geschritten werden mußte und ein Bataillon Fußvolk durchbrochen werden sollte, das gerade auf die Vorhut zu marschierte, die der jetzt verstorbene hohe Herr von Guise befehligte, und als das Signal zum Angriff gegeben wurde, bricht jener Des Bordes auf einem grauen Türken im Schmuck einer sehr schönen Feldbinde, die ihm seine Geliebte geschenkt hatte, alsbald aus (ich will seine Geliebte nicht nennen, aber es war eines der schönsten und ehrbarsten Mädchen, das zu den Großen am Hofe gehörte); und beim Hinausspringen rief er: »Ha! ich will mich meiner Herrin zuliebe tapfer schlagen oder ruhmvoll sterben.« Das tat er denn auch; denn nachdem er die ersten sechs Reihen durchbrochen hatte, packte ihn in der siebenten der Tod und warf ihn auf die Erde. Was dünkt euch, ob jene Dame ihr Liebesband nicht sehr gut verwendet hatte und ob sie es verleugnen mußte, es ihm gegeben zu haben?

Herr de Bussy war jener junge Mann, der ebenfalls die Bänder seiner Geliebten hoch zur Geltung gebracht hat, besonders von einigen, die ich kenne, die mehr Kämpfe, Kriegstaten und Degenstöße verdienten als je die schöne Angelika früher Paladine und Ritter dazu anspornte, gleichviel ob sie Christen oder Sarazenen waren; ich hörte ihn jedoch oft sagen: in so vielen Einzelkämpfen, Kriegen und Zusammenstößen (denn er hat genug mitgemacht) er sich auch befunden, und so viele er auch unternommen habe, es geschähe nicht so sehr im Dienst seines Fürsten, auch nicht aus Ehrgeiz, als vielmehr nur wegen des Ruhmes allein, seiner Dame zu gefallen. Er hatte sicherlich recht; denn aller Ehrgeiz auf der Welt wiegt nicht die Liebe und die Gunst einer schönen und ehrbaren Geliebten und Dame auf.

Und weshalb haben so viele tapfere fahrende Ritter der Tafelrunde, so viel mutige Paladine von Frankreich in der alten Zeit so viel Kriege, so viel Fahrten in die Fremde, so viel Kriegszüge unternommen, wenn nicht aus Liebe zu den schönen Damen, denen sie dienten oder dienen wollten? Ich erinnere nur an unsere französischen Paladine, an unsre Rolande, unsre Reinholds, unsre Otkers, unsre Oliviers, unsre Yvons, unsre Richarde und an eine Unmenge anderer. Es war auch eine gute Zeit voller Glück; denn wenn sie aus Liebe zu ihren Damen etwas Schönes vollbrachten, wußten ihre gar nicht undankbaren Damen sie sehr dafür zu belohnen, wenn sie sich wiedersahen, oder sie verabredeten eine Begegnung im Forst, im Wald, bei einem Brunnen oder auf einer schönen Wiese. Das ist der Lohn für die Heldentaten, den man von den Damen begehrt!

Nun erhebt sich hier eine Frage: Warum lieben die Frauen diese tapfern Männer so sehr? Wie ich im Anfang sagte: Die Tapferkeit hat das Verdienst und die Kraft in sich, bei den Frauen Liebe zu erwecken. Noch mehr, es ist eine ganz bestimmte natürliche Neigung, die die Damen antreibt, den edlen Mut zu lieben, weil er eben sicherlich hundertmal liebenswerter ist als die Feigheit: es erweckt auch jede Tugend mehr Liebe als das Laster.

Manche Damen lieben jene tapfern Männer deshalb so sehr, weil es ihnen scheint, wenn sie mit den Waffen und im Kriegshandwerk so geschickt sind, seien sie es auch in dem der Liebe.

Diese Regel trifft auf alle zu. Und sie sind es in der Tat, wie früher Cäsar, der mutigste Mann der Welt, und eine Menge andrer Tapferer, die ich kannte, von denen ich aber schweige. Und dergleichen Leute bewähren darin eine ganz andre Kraft und Anmut als Bauern und andre Leute von andrem Beruf; so daß ein Stoß von ihnen viere von den andern aufwiegt; ich meine den Damen gegenüber, die mäßig geil sind, nicht jenen gegenüber, die kein Maß kennen, denn ihnen gefallen die hohen Nummern. Und wenn jene Regel zuweilen auf manche von jenen Leuten zutrifft und nach der Laune mancher Frauen, hat sie in bezug auf andre auch Ausnahmen; denn unter jenen Tapfern sind welche vom Harnisch und von der großen Kriegsfrone so gebrochen, daß sie nicht mehr können, wenn’s zum süßen Spiele kommen heißt, so daß sie ihre Damen nicht zu befriedigen vermögen; und diese ziehen dann einen guten Handwerker der Venus, der frisch und tüchtig geschliffen ist, vieren solcher Marssöhne vor, denen die Flügel so gebrochen sind.

Ich kannte viele von dieser weiblichen Gattung und von dieser Laune; denn schließlich handelt es sich nur darum, sagen sie, sich die Zeit gut zu vertreiben und die Quintessenz daraus zu genießen, ohne jemand zu bevorzugen. Ein tüchtiger Kriegsmann ist gut, und im Krieg ist er schön anzusehn; wenn er aber im Bett nichts machen kann, sagen sie, ist ein guter starker Bedienter bei guter Weile ebensoviel wert wie ein schöner und tapfrer müder Edelmann.

Ich berufe mich dabei auf jene, die den Versuch gemacht haben und ihn alle Tage machen; denn wenn die Lenden des Edelmanns, so galant und tapfer er auch sei, von dem Harnisch, den sie so lang getragen, zerbrochen und zerschlagen sind, können sie nichts zur Auszahlung bringen wie die andern, die niemals Mühen und Strapazen ertragen haben.

Andre Damen lieben die tapfern Männer, sei es als Gatten oder als Liebhaber, damit sie ihre Ehre und ihre Keuschheit verteidigen und dafür streiten, wenn Lästerzungen sie ihnen mit Worten schmutzig machen wollten; dergleichen sah ich am Hofe verschiedene. So kannte ich früher eine sehr schöne und große Dame, will sie aber nicht nennen, die unter dem Drucke von Verleumdungen einen von ihr sehr begünstigten Liebhaber verabschiedete, weil er zu schlaff war, ihr die Widersacher vom Leibe zu halten, weil er nicht Trotz bot und stritt; dafür nahm sie dann einen andern, einen stolzen, tapfern und kühnen Mann, der die Ehre seiner Dame auf seiner Degenspitze trug, so daß keiner irgendwie an sie zu rühren wagte.

Ich kannte sehr viele Damen von dieser Gemütsart, die zu ihrer Begleitung und Verteidigung stets einen Tapferen haben wollten; das ist oft sehr vortrefflich und sehr nützlich für sie; aber dann müssen sie sich wohl sehr davor hüten, abzufallen und sich zu verändern, wenn sie sich erst einmal unter ihre Herrschaft begeben haben; denn wenn diese nur im geringsten von der Welt ihre Streiche und Veränderungen bemerken, traktieren sie sie tüchtig und zahlen ihnen und ihren Galanen mit einer schrecklichen Behandlung heim; dergleichen Beispiele sind mir in meinem Leben viele vorgekommen.

Wollen sich also diese Frauen solcher tapferer und gefährlicher Leute versichern, so müssen sie sich wacker und sehr beständig gegen sie verhalten, oder sie müssen in ihren Angelegenheiten so heimlich vorgehen, daß sie sich nicht verraten können: wenn sie sie nicht bloß zum Teil haben wollen wie die Kurtisanen in Italien und Rom, die zu ihrer Verteidigung und Unterstützung einen »Bravo« haben wollen (so nennen sie ihn), aber sie verkünden stets ganz offen, daß sie noch andere Bewerber haben, und der Bravo verliert kein Wort darüber.

Das ist für die Kurtisanen in Rom und für ihre Bravis sehr gut, nicht aber für die feinen Edelleute in Frankreich oder in anderen Ländern; denn wenn eine ehrbare Dame sich in ihrer Festigkeit und Beständigkeit erhalten will, darf der Held ihres Herzens in keiner Weise sein Leben schonen, um sie zu unterstützen und zu verteidigen, wenn sie nur im geringsten, sei es an ihrem Leben oder an ihrer Ehre oder wegen eines üblen Geredes Gefahr läuft; so sah ich an unserm Hof verschiedene, die die Lästerzungen ganz geschwind zum Schweigen brachten, wenn sie an ihren Damen und Herrinnen mäkeln wollten, denen wir aus ritterlicher Pflicht und durchs Gesetz als Kämpen in ihrer Trübsal beistehen müssen; wie jener tapfere Reinhold der schönen Ginevra in Schottland, der Seigneur von Mendozza jener schönen Herzogin, die ich erwähnte, und zur Zeit König Karls VI. der Herr von Carouge seiner eigenen Frau, wie wir in unseren Chroniken lesen. Ich könnte noch eine Menge andrer aus alten und neuen Zeiten anführen wie auch von unsrem Hofe; aber ich würde niemals damit fertig werden.

Andre Damen kannte ich, die zaghafte Männer verließen, wenn sie auch sehr reich waren, und Edelleute liebten und heirateten, die bloß Schwert und Mantel besaßen, wenn man so sagen darf; aber sie waren tapfer und edel und konnten hoffen, mit ihrer Tapferkeit und ihrem edlen Mut zu Stand und Würden zu gelangen, wenn es auch ungerechter Weise gewiß nicht immer die tapfersten sind, die solche am häufigsten erreichen; und sehr häufig sieht man gerade die Feiglinge und die Verzagten emporkommen; wie es aber auch sei, was sie sich auch erjagen, es steht ihnen niemals so gut wie den Tapferen.

Nun, ich würde niemals ein Ende finden, wenn ich die verschiedenen Ursachen und Gründe erzählen wollte, weshalb die Damen die von edlem Mut erfüllten Männer so lieben. Ich weiß wohl, wollte ich dieses Gespräch mit einer Unmenge von Begründungen und Beispielen anfüllen, so könnte ich ein ganzes Buch daraus machen; da ich mich aber nicht an einem einzigen Gegenstand ergötzen, sondern mit mehreren und verschiedenen wechseln will, will ich mit dem zufrieden sein, was ich sagte; wenn mir auch verschiedene vorwerfen könnten, der Gegenstand sei würdig genug, mit verschiedenen Beispielen und breiten Gründen bereichert zu werden, sie könnten mir selbst sagen: »Er hat dies vergessen, er hat jenes vergessen.« Ich weiß es wohl; und ich habe vielleicht mehr gewußt, als sie anführen könnten, und zwar das Feinste und Geheimste; aber ich will es nicht alles öffentlich machen und nennen. Daher schweige ich. Bevor ich aber aufhöre, will ich im Vorbeigehn sagen: genau wie die Damen die tapfren und im Waffenhandwerk kühnen Männer lieben, lieben sie auch die Frechlinge der Liebe, und ein feiger und gar zu respektvoller Mann wird niemals sein Glück bei ihnen machen; nicht daß sie ihre Liebhaber so vermessen, verwegen und dünkelhaft wollten, daß sie in offnem Kampf zur Erde geworfen würden; sie verlangen sogar von ihnen eine bestimmte dreiste Bescheidenheit oder bescheidne Dreistigkeit; denn wenn sie nicht Wölfinnen sind, fordern sie’s nicht selbst oder lassen sich gehen, aber sie wissen die Begierde, die Lust danach so sehr zu reizen, sie locken so artig zum Scharmützel, daß, wer nicht die Zeit beim Schopf packt und nicht zum Handgemenge kommt, ohne irgendeine Rücksicht auf Rang und Würde, ohne Skrupel, Gewissen, Angst oder etwas anderes, der ist wahrlich ein Dummkopf und ein mutloser Kerl, der vom Glück auf immer verlassen zu werden verdient.

Ich kenne zwei ehrbare befreundete Edelleute, derentwegen zwei sehr ehrbare Damen von gewiß nicht geringem Rang eines Tages zu Paris eine Lustpartie machten und in einem Garten spazieren gingen; sowie sie dort waren, ging jede abseits von der andern, eine jede mit ihrem Liebhaber, eine jede in ihrer Allee, die mit schönen Weingeländern so dicht bedeckt war, daß das Tageslicht sozusagen gar nicht hineindringen konnte, und die Frische war da voller Reize. Einer der beiden, der ein kühner Herr war und wohl wußte, daß diese Partie nicht zum Spazierengehen und zur Erfrischung gemacht wurde, verspürte an der Haltung seiner Dame, die er in Begierde brennen sah, daß sie nach andrem verlangte, als die Muskatellerbirnen zu essen, die im Weingeflecht hingen, was sie ihn auch durch ihre hitzigen, gezierten und schäkerhaften Reden merken ließ, und darum versäumte er eine so schöne Gelegenheit nicht, sondern er nahm sie ohne jede Rücksicht, legte sie auf ein kleines, aus gestochenen Rasenstücken und Erdschollen hergestelltes Bett und genoß sie da in aller Süßigkeit, ohne daß sie etwas andres sagte, als: »Mein Gott! Was wollt Ihr machen? Seid Ihr nicht der größte Narr und verrückteste Kerl von der Welt? Und wenn jemand kommt, was wird man sagen? Mein Gott! Laßt mich doch.« Aber der Edelmann wurde gar nicht bange, sondern fuhr so tüchtig fort, daß er und sie und alles in solcher Befriedigung sich vollendete, daß sie nach drei- oder viermaligem Hin- und Hergehn in der Allee noch einen zweiten Angriff machten. Als sie dann in eine andre offene Allee herauskamen, sahen sie von der andren Seite den andren Edelmann und die andere Dame, die immer noch so lustwandelten, wie sie sie vorher verlassen hatten. Dabei sagte die befriedigte Dame zum befriedigten Edelmann: »Ich glaube, der hat einen argen Dümmling gespielt, und er hat seine Dame mit nichts weiter unterhalten wie mit Worten, mit Gesprächen und mit Spazierengehn.« Als alle viere wieder beisammen waren, befragten sich also beide Damen nach ihrem Wohlergehn. Die Befriedigte antwortete, sie befände sich vortrefflich, und für den Augenblick könnte es ihr nicht besser gehen. Die Unzufriedene sagte ihrerseits, sie habe mit dem größten Dummkopf und mit dem feigsten Liebhaber zu tun gehabt, den man je sehen könne; besonders hörten die beiden Edelleute, wie sie lachten und beim Fortspazieren einander zuriefen: »Oh, der Dummkopf! Oh, der Feigling! oh, der Herr Respektsmann!« Daraufsagte der befriedigte Edelmann zu seinem Kameraden: »Seht unsre Damen, die reden hübsch von Euch, sie bescheren’s Euch; Ihr werdet finden, Ihr habt den respektvollen Säusler zu sehr herausgebissen.« Das gab dieser zu; aber nun war es zu spät; denn die Gelegenheit hatte keine Haare mehr, an denen sie ergriffen werden konnte. Nachdem er indessen seinen Fehler erkannt hatte, reparierte er ihn nach einiger Zeit durch irgendein anderes Mittel, das ich wohl sagen könnte.

Ich kannte zwei große brüderliche Herren, die alle beide höchst vollendet und vollkommen waren; sie liebten zwei Damen, von denen aber die eine durchaus größer war als die andere; und nachdem sie das Zimmer jener großen Dame, die damals das Bett hütete, betreten hatten, begab sich jeder auf die Seite, um seine Dame zu unterhalten. Der eine unterhielt die größere mit aller Hochachtung, mit allen nur möglichen demütigen Handküssen, mit ehrenwerten und respektvollen Reden, ohne sich je den Anschein zu geben, als wolle er ihr näher kommen oder als wolle er den Turm bezwingen. Der andere Bruder faßte, ohne irgendeine Förmlichkeit des Respekts oder der Rede, die Dame in einer Fensternische und nachdem er ihr auf einen Schlag ihre Unterkleider aufgerissen hatte, die zusammengebunden waren (denn er war sehr stark), ließ er sie fühlen, daß er durchaus nicht nach spanischer Mode liebte, mit den Augen, mit den Mienen oder mit Worten, sondern in der wahrhaftigen, echten und wirklichen Weise, die ein wahrer Liebhaber wünschen muß: und als er mit seinem ausbedungenen Pensum fertig geworden war, entfernte er sich aus der Kammer; und beim Weggehen sagte er zu seinem Bruder, laut genug, daß dessen Dame es hörte: »Lieber Bruder, wenn Du es nicht machst wie ich, so ist das nichts; ich sage dir, du kannst anderswo so tapfer und kühn sein als du willst, wenn du aber deine Kühnheit hier nicht zeigst, spürst du’s an deiner Ehre; denn du bist hier nicht an einem Respektsort, sondern an einem Ort, wo du deine Dame auf dich warten siehst.« Damit verließ er seinen Bruder, der indessen für diese Stunde seinen Angriff zurückbehielt und ihn auf ein andermal aufsparte: die Dame jedoch schätzte ihn nicht mehr, sei es, daß sie ihm eine zu große Kälte in der Liebe oder Mangel an Mut oder körperliche Unfähigkeit zuschrieb; und er hatte es doch anderswo genug bewiesen, im Krieg wie in der Liebe.

Die hochselige Königin-Mutter ließ eines Tages, an einem Fastnachtsdienstag, in Paris, im Hotel de Rheims, eine sehr schöne italienische Komödie aufführen, die der Schiffskapitän Cornelio Fiasco verfaßt hatte. Der ganze Hof war anwesend, Männer wie Frauen, und eine Menge andrer aus der Stadt. Unter anderm wurde ein junger Mann dargestellt, der eine ganze Nacht in der Kammer einer sehr schönen Dame versteckt geblieben war und sie gar nicht berührt hatte; als er dieses Abenteuer seinem Kameraden erzählt hatte, fragte ihn der: Ch’avete fatto? Er erwiderte: Niente. Darauf sagte sein Kamerad zu ihm: Ah! poltronazzo, senza cuore! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltronneria!90

Als wir uns nach der Vorstellung am Abend im Zimmer der Königin befanden und uns über die Komödie unterhielten, fragte ich eine sehr schöne und ehrbare Dame, die ich nicht nennen will, was sie für das Beste an der Komödie beobachtet und was ihr am meisten gefallen habe. Sie erwiderte mir ganz naiv: »Als Schönstes fand ich, was der andre dem jungen Mann antwortete, der Lucio hieß und der ihm gesagt che non haveva fatto niente: Ah poltronazzo! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltronneria!

Diese Dame stimmte also mit jenem überein, der ihm seine Feigheit zum Vorwurf machte, und achtete ihn durchaus nicht, daß er so schwach und schlapp gewesen war; wir unterhielten uns auch offener über die Fehler, die man in der Hinsicht begeht, daß man nicht die Zeit und den Wind beim Schopf nimmt, wenn sie gerade wehn, wie es der gute Seemann macht. Ich muß auch noch folgende Geschichte erzählen, ich füge sie, lustig und spaßig, wie sie ist, zwischen die ernsten ein.

Ich hörte von einem ehrbaren Edelmann, meinem Freund, erzählen, eine Dame seines Standes hätte verschiedene Male ihrem Kammerdiener große Vertraulichkeiten und Freiheiten erwiesen, die auf den bekannten Zweck abzielten, und der Diener, der kein Dummkopf und kein Tropf war, habe an einem Sommermorgen seine Herrin im Halbschlummer in ihrem Bett gefunden, sie lag ganz nackt und auf die andre Seite des Alkovens gewandt da; ihre große Schönheit und famose und bequeme Stellung, sie zu berennen und sich ihrer zu bedienen, da sie auf dem Bettrand lag, brachte ihn in Versuchung, und er kam also sachte heran und bestieg die Dame, sie drehte sich halb um und sah, daß es ihr Bedienter war, nach dem sie verlangte; und in dieser bestiegenen Lage tat sie, ohne sich zu befreien oder zu rühren, ohne sich zu lösen oder sich seiner Umarmung zu entziehen, nichts weiter, als daß sie den Kopf herumdrehte, sich festhielt, aus Furcht, etwas zu verlieren, und sagte: »Monsieur Dummkopf, wer hat Euch so dreist gemacht, hereinzukommen?« Der Kammerdiener antwortete ihr mit aller Ehrfurcht: »Befehlen Madame, daß ich herausgehe?« »Nicht das sage ich Euch, Herr Dummkopf,« antwortete ihm die Dame. »Ich sage Euch: wer hat Euch so dreist gemacht, hereinzukommen?« Der andre aber wiederholte wieder die Worte: »Wollen Madame, daß ich herausgehe? Wenn Ihr wünscht, geh‘ ich heraus.« Und sie wiederholte: »Nicht das sag ich Euch wieder, Herr Dummkopf.« Dieselben Repliken und Dupliken gingen nun drei- oder viermal hin und zurück, ohne daß sie irgendwie von ihrem Geschäft abschweiften, bis es fertig war, wobei sich die Dame besser befand, als wenn sie ihrem Galan befohlen hätte, herauszugehn, wie er sie fragte. Und es war beiden sehr gut bei ihren ersten Fragen, Repliken und Dupliken ohne Änderung. In dieser Weise fuhren sie mit ihrer Methode noch lange Zeit später fort; denn es bedarf bloß des ersten Einschusses oder des ersten Liebespfeils, sagt man, d. h. nur der Anfang ist schwer.

Das nenne ich einen tüchtigen und verwegenen Bedienten! Von solchen kühnen Männern gilt das italienische Sprichwort: A bravo cazzo mai nun manca fapor.

Man sieht also hieraus, manche sind in der Liebe nicht weniger tapfer, kühn und mutig als mit den Waffen; andre sind es nur mit den Waffen und nicht in der Liebe; andre sind es in der Liebe und nicht mit den Waffen, wie jener Schurke Paris, der wohl die Kühnheit und Tapferkeit hatte, Helena ihrem armen Hahnreigatten Menelaus zu rauben und mit ihr zu schlafen, nicht aber, sich mit ihm vor Troja zu schlagen.

Darum lieben die Damen auch die Greise und die schon betagten Männer nicht, weil sie in der Liebe sehr furchtsam und im Verlangen schamhaft sind; nicht daß sie nicht ebenso große Begierden hätten wie die Jungen, sie haben sogar noch größere, aber sie haben nicht das Vermögen. Das sagte einmal eine spanische Dame: Die Greise glichen vielen Leuten, die, sobald sie die Könige in ihrer Größe, in ihrer Herrschaft und in ihrer Macht sähen, mächtig wünschten, ihnen gleich zu sein, ohne daß sie doch etwas gegen sie zu unternehmen wagten, um ihnen ihr Königreich zu entreißen und an ihre Stelle zu treten; sie sagte: Y a penas es nascido el deseo, quando se muere luego; »kaum ist der Wunsch geboren, stirbt er auch schon wieder.« So wagen auch die Greise, wenn sie etwas Schönes sehn, nicht es zu ergreifen, porque los viejos naturalmente son temerosos; y amor y temor no se caben en un saco; »denn die Greise sind von Natur sehr furchtsam, und Liebe und Furcht stecken niemals in einem Sack.« Das ist auch richtig; denn sie sind weder zum Angriff noch zur Verteidigung gerüstet wie die jungen Leute, die Jugend und Schönheit haben; wie auch der Dichter sagt: Nichts steht der Jugend übel an, was sie auch tun mag; ebenso sagt ein andrer: Ein alter Soldat und ein alter Liebhaber sind beide kein schöner Anblick.

Nun ist genug darüber gesprochen, daher mache ich Schluß und sage nichts weiter; ich wende mich nur zu einem neuen Gegenstand, der jenem verwandt ist, nämlich: genau wie die Damen die tapfern, mutigen und edlen Männer lieben, ebenso lieben die Männer die beherzten und edlen Damen. Und wie jeder edle und mutige Mann liebenswürdiger und bewundernswerter ist als ein andrer, ebenso jede berühmte, edle und mutige Dame; nicht daß ich damit sagen wollte, sie vollbringe die Taten eines Mannes, oder daß sie Soldat werde wie ein Mann, wie ich manche sah, kannte und von ihnen hörte, die aufs Pferd stiegen, wie ein Mann, ihre Pistole am Sattelbogen trugen, schössen und Krieg führten wie ein Mann.

Ich könnte wohl eine Frau nennen, die es während der Kriege der Ligue so gemacht hat. Diese Verkleidung heißt das Geschlecht verleugnen. Abgesehen davon, daß es nicht schön ist und nicht wohl ansteht, ist es nicht erlaubt und bringt größeren Schaden, als man glaubt: wie auch jener feinen Jungfrau von Orleans Übel daraus erwuchs, die in ihrem Prozeß sehr darum verleumdet wurde, auch teilweise an ihrem Schicksal und an ihrem Tod mit schuld war. Aus diesem Grunde will ich solche Vermännlichung nicht und schätze sie nicht allzusehr. Dagegen lobe ich mir sehr eine Dame, die in Unglück und Not ihren tapfern und tüchtigen Mut mit schönen weiblichen Taten zeigt, die einem männlichen Mut sehr nahe kommen. Ich entlehne die Beispiele nicht den vormaligen berühmten Frauen von Rom und Sparta, die hierin alle andern übertroffen haben, sie sind offenkundig genug und liegen klar vor unsern Augen; dagegen will ich von neuen schreiben, die aus unsrer Zeit sind.

Das erste und meines Erachtens das Schönste, das ich kenne, ist das jener schönen, ehrbaren und mutigen Damen von Siena gelegentlich der Empörung ihrer Stadt gegen das unerträgliche Joch der Kaiserlichen; denn nachdem der Befehl zur Verteidigung der Stadt einmal erlassen war, wollten die Damen, die sich auf die Seite geschoben fühlten, weil sie nicht für den Krieg geeignet waren wie die Männer, ein übriges tun und zeigen, daß sie noch etwas andres könnten, als tags und nachts ihre Besorgungen zu verrichten; und um für ihren Teil an der Arbeit mit beizutragen, teilten sie sich selbst in drei Scharen, und am Sankt Antoniustag, im Monat Januar, erschienen drei der schönsten, vornehmsten und bedeutendsten Frauen der Stadt auf dem Marktplatz (sicherlich ein sehr schöner Platz) mit ihren Tambour und Fahnen.

Die erste war Signora Forteguerra, in Violett gekleidet, dieselbe Farbe hatte ihre Fahne und ihre Schar, mit der Devise: Pur che sia iL vero. Alle diese Damen waren auf die Art von Nymphen gekleidet, mit einem kurzen Aufputz, der die Beine in ihrer Schönheit sehen ließ. Die zweite war Signora Piccolomini, in Fleischfarbe, insgleichen ihre Schar und ihre Fahne, die ein weißes Kreuz trug und die Aufschrift: Pur che no l’habbia tutto. Die dritte war Signora Livia Fausta, ganz in Weiß, mit ihrer weißen Schar und Fahne, auf der eine Palme war mit der Devise: Pur che l’habbia.

Rings um diese drei Damen, die drei Göttinnen schienen, und in ihrem Gefolge waren wohl dreitausend Frauen, Edelfrauen, Bürgerinnen und andre, alle vom schönsten Aussehen und reich geschmückt mit Kleidern und Gewändern aus Atlas oder Taft oder Damast oder andern Seidenstoffen, und alle entschlossen, für die Freiheit zu leben oder zu sterben. Eine jede trug auf der Schulter eine Faschine zu einem Fort, das gebaut wurde, und dazu riefen sie: »Frankreich! Frankreich!«, worüber der Herr Kardinal von Ferrara und Herr von Termes, Feldherren des Königs, so entzückt wurden als über etwas so Seltenes und Schönes, daß sie sich an nichts weiter ergötzten, als diese schönen und ehrbaren Frauen zu sehn, zu betrachten,zu bewundern und zu rühmen; und ich habe wahrhaftig von manchem und mancher, die dabei waren, sagen hören, daß es nie etwas Schöneres gab. Und Gott weiß, ob es an schönen Frauen in jener Stadt fehlt; denn hier lebt man im Überfluß, ohne Unterschied.

Die Männer, die sich mit Begeisterung der Sache ihrer Freiheit hingaben, wurden durch diesen schönen Zug nur noch mehr angetrieben und wollten ihren Frauen darin in nichts nachstehen: so daß alle, Edelleute, Herren, Bürger, Kaufleute, Handwerker, Reiche und Arme, um die Wette zum Fort eilten, um es ebenso zu machen wie jene schönen, tugendhaften und ehrwürdigen Damen; und in großem Wetteifer half nicht nur die Weltpriesterschaft, sondern auch die ganze Kirchengeistlichkeit bei diesem Werke mit. Und als nach der Rückkehr vom Fort die Männer für sich und ebenso die Frauen in Schlachtordnung auf dem Platz beim Palazzo der Signoria aufgestellt waren, gingen sie einer nach dem andern, Hand in Hand, das Bild der heiligen Junfrau Maria begrüßen, der Patronin der Stadt, indem sie Hymnen und Lobgesänge ihr zu Ehren anstimmten, wobei sie eine so süße Weise und so angenehme Harmonie sangen, daß allem Volk halb aus Lust, halb aus Mitleid die Tränen aus den Augen stürzten; und nachdem sie den Segen des verehrungswürdigsten Herrn Kardinal von Ferrara erhalten hatten, begab sich jeder in sein Haus mit dem Entschluß, seine Sache zukünftig noch besser zu machen.

Diese heilige Zeremonie der Frauen erinnerte mich (ohne einen Vergleich machen zu wollen) wieder an eine weltliche, aber nichtsdestoweniger schöne, die zur Zeit des punischen Kriegs in Rom sattfand; man findet sie in Titus Livius. Es war ein feierlicher Aufzug, eine Prozession, die aus drei mal neun, d. h. siebenundzwanzig, jungen schönen römischen Mädchen bestand, lauter Jungfern, in ziemlich kurzen Kleidchen (die Erzählung nennt die Farben dazu nicht); nachdem sie ihren feierlichen Aufzug vollendet hatten, hielten sie auf einem Platz an, wo sie vor dem Volk einen Tanz aufführten, wobei sie, eine an die andre gereiht, ein dünnes Seil hielten und bei ihrem Reigen die Bewegung und das Hüpfen ihrer Beine nach dem Takt der Weise und des Gesangs richteten, den sie vortrugen: es war schön anzuschauen, das machte die Schönheit dieser schönen Mädchen wie ihre Anmut, ihre schöne Tanzgebärde und ihr zierliches Bewegen der Füße, denn zierlich ist’s gewiß von einem schönen Jüngferchen, wenn sie diese Füßchen artig und graziös zu leiten und zu schlenkern weiß.

Ich kann mir diese Art Tanz in meiner Phantasie vorstellen; denn ich erinnere mich wieder an einen Tanz, den ich in meiner Jugend die Mädchen meines Landes tanzen sah, und den man den Strumpfbandtanz hieß; sie nahmen das Strumpfband in die Hände und reichten’s einander zu, schwenkten die Bänder über ihrem Kopf, wanden und verschlangen sie zwischen ihre Beine, indem sie munter darüber sprangen, artig mit kleinen Sprüngen zogen sie sich’s aus und banden’s sich los, indem sie stets einander folgten, ohne je den Takt des Lieds oder des Instruments, das sie begleitete, zu verlieren, so daß die Sache sehr lustig anzusehn war; denn diese Sprünge, Verschlingungen, Loslösungen, das Handhaben des Strumpfbandes und die Anmut der Mädchen hatten ich weiß nicht welch lieblichen sinnlichen Reiz, daß es mich wundert, daß dieser Tanz an unsern Höfen heute nicht mehr geübt wird; die heutigen Unterkleider sind dazu sehr geeignet, und man kann bequem das schöne Bein sehn; und wer seinen Strumpf am besten hinaufzog und wer die schönste Stellung hat. Diesen Tanz kann man besser veranschaulichen, indem man ihn sehn läßt, als daß man ihn hinschreibt.

Um wieder auf unsre sienesischen Frauen zu kommen: Ha! ihr schönen und wackren Frauen, ihr hättet niemals sterben sollen, so wenig wie Euer Ruhm untergehen durfte, dem auf ewig die Unsterblichkeit bewahrt ist, wie auch jenem schönen und feinen Mädchen in eurer Stadt, das bei eurer Belagerung eines Abends sah, wie ihr Bruder krank in seinem Bett lag und in sehr schlechter Verfassung war, auf Wache zu ziehn, da ließ sie ihn im Bett, stahl sich ganz sachte von ihm, nahm seine Waffen und seine Kleider und erschien wie das Ebenbild ihres Bruders auf der Wache; so wurde sie für ihren Bruder gehalten und dank der Nacht, nicht erkannt. Ein hübscher Streich, was! Denn obgleich sie sich in einen jungen Mann und in einen Soldaten verwandelt hatte, so tat sie es nicht, um nun eine Gewohnheit daraus zu machen, sondern nur um für diesmal ihrem Bruder einen guten Dienst zu leisten. Man sagt ja auch, keine Liebe kommt der Geschwisterliebe gleich, und man darf auch um eines guten Zweckes willen es an nichts fehlen lassen und den Adel seines Herzens zeigen, an welchem Ort es auch immer sei. Ich glaube, der Korporal, der damals die Schar kommandierte, in der sich jenes schöne Mädchen befand, war, als er den Streich erfuhr, sehr betrübt, daß er sie nicht besser erkannt hatte, er hätte sein Lob über sie auf der Stelle höchlich verkündet, oder er hätte sie von der Schildwache befreit, oder er hätte sich überhaupt daran ergötzt, ihre Schönheit, ihr Genie und ihr militärisches Benehmen zu betrachten; denn sie gab sich unzweifelhaft Mühe, es in allem nachzumachen.

Man kann gewiß diese schöne Tat nicht hoch genug loben, und besonders, weil sie durch den Bruder eine so gerechtfertigte Veranlassung hatte. Jener feine Richardet machte es auch so, aber aus andern Gründen; nachdem er am Abend seine Schwester Bradamante über die Schönheiten jener schönen Prinzessin von Spanien und ihrer hoffnungslosen Liebe hatte reden hören, ließ er sie zu Bett gehn, dann nahm er seine Waffen und ihr Gewand, mit dem er sich verkleidete, um als seine Schwester aufzutreten, so sehr glichen sie einander in ihrem Antlitz und in ihrer Schönheit; in dieser Gestalt zog er dann aus jener schönen Prinzessin, was seiner Schwester ihr Geschlecht versagt hatte; das wäre ihm aber bald sehr übel bekommen, wenn er nicht von Roger für seine Geliebte Bradamante gehalten und so vom Tod bewahrt worden wäre.

Ich hörte von dem Herrn de la Chapelle des Ursins, der damals in Italien war und dem hochseligen König Heinrich von der schönen Tat jener sienesischen Frauen Bericht erstattete, daß der König so gerührt darüber war, daß er mit Tränen in den Augen schwor, wenn Gott ihn eines Tages Frieden oder Waffenstillstand mit dem Kaiser schließen lasse, dann würde er mit seinen Galeeren ins toskanische Meer fahren und von da nach Siena, um die ihm und seiner Partei so ergebene Stadt zu besuchen und ihr für diesen tapfern und tüchtigen Willen zu danken, besonders aber, um jene schönen und ehrbaren Frauen zu besuchen und ihnen seinen besonderen Dank abzustatten. Ich glaube, er hätte es sicher getan; denn er ehrte die schönen und ehrbaren Frauen sehr; er schrieb ihnen auch, hauptsächlich den drei Führerinnen, die ehrenvollsten Briefe

363 von der Welt mit Danksagungen und Anerbietungen, die sie noch mehr befriedigten und anfeuerten.

Ach! er beschloß wohl einige Zeit später den Waffenstillstand; aber während die Stadt noch erwartete, daß er käme, wurde sie genommen, wie ich anderwärts schon erzählte. Das bedeutete für Frankreich einen unermeßlichen Verlust, einen so edlen und so wertvollen Bundesgenossen verloren zu haben, der in der Erinnerung und im Gefühl seines alten Ursprungs sich mit uns wieder vereinigen und unter uns wieder aufrichten wollte; denn man sagte, jene tapferen Sienesen stammten von den französischen Völkerschaften ab, die im ehemaligen Gallien Semnonen hießen, worauf wir noch vor unserm heutigen Sens hingewiesen werden; sie haben auch noch den Charakter von uns Franzosen; denn sie werden leicht heftig und sind gleich uns lebendig, hitzig und rasch. Ebenso lassen die Frauen die französische Feinheit, unsere Grazie, französische Vertraulichkeit erkennen.

In einer alten Chronik, die ich anderswo anführte, las ich: Als der König Karl VIII. auf seiner Reise nach Neapel durch Siena kam, wurde ihm ein so ruhmvoller und prächtiger Empfang bereitet, daß er alle andern übertraf, die er in ganz Italien erhielt; als höchste Ehrerweisung und zum Zeichen der Demut ließen sie sogar alle Stadttore aus den Angeln heben und auf die Erde legen; und so lange er verweilte, blieben sie jedem, der kam oder ging, offen und frei, und erst bei seiner Abreise wurden sie wieder an ihre Stelle gebracht.

Es kann sich jeder vorstellen, ob der König, sein ganzer Hof und sein Heer keine große Veranlassung hatten, diese Stadt zu lieben und zu ehren (in der Tat liebte er sie immer) und alles Beste von der Welt von ihr zu sagen. Der Aufenthalt war auch für ihn und für alle sehr angenehm, es war bei Leibesstrafe verboten, sich irgendeine Frechheit zuschulden kommen zu lassen, und sicher kam auch nicht die geringste vor. Oh! wackre Sienesen, mögt ihr ewig leben! Möge Gott euch noch ganz die unsrigen werden lassen, wie ihr es vielleicht an Herz und Seele seid; denn die Herrschaft eines Königs von Frankreich ist viel milder als die

364 eines florentinischen Herzogs; und dann kann die Stimme des Blutes nicht lügen. Wären wir ebenso benachbart, wie wir einander fern sind, wir würden alle miteinander willenseinig, in diesem Sinne zu wirken.

Bei der Belagerung durch König Franz befaßten sich die vornehmsten Frauen Pavias unter der Führung und dem Beispiel der Signora Contessa Hippolita von Malespina, ihrer Generalin, ebenso damit, den Tragkorb zu tragen, Erde aufzuschütten, die Breschen wieder zu verschanzen, und waren mit den Soldaten um die Wette tätig. Eine rühmliche Tat wie die jener sienesischen Damen, die ich soeben erzählt, sah ich bei der Belagerung von La Rochelle von Frauen dieser Stadt vollbringen. Dabei fällt mir ein, daß am ersten Fastensonntag, als die Belagerung stattfand, der Prinz, unser General, Herrn de La Noue91 an sein Wort mahnen und zu sich kommen ließ, damit er ihm von der Unterhandlung, womit er ihn betreffs dieser Stadt beauftragt hatte, Rechenschaft ablege; dieser Bericht wäre lang und sehr wunderlich, und ich hoffe ihn anderswo zu schreiben. Herr de La Noue hatte seine Sache gemacht, und so wurde Herr von Strozzi als Geisel in die Stadt gegeben, und für diesen und den folgenden Tag wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Nach dessen Abschluß erschienen alsbald gleich uns, die wir aus den Laufgräben kamen, eine Menge Leute aus der Stadt auf den Wällen und Mauern; vor allem erschienen etwa hundert der vornehmsten, reichsten und schönsten Damen und Bürgersfrauen, alle in Weiß, auf dem Kopf wie am Leibe, alle in feine holländische Leinwand gekleidet, was sehr schön anzuschaun war. Diese Kleider hatten sie wegen der Befestigung der Wälle angelegt, an denen sie mitarbeiteten, sei es, daß sie den Tragkorb trugen oder die Erde aufschaufelten; andere Kleider wären schmutzig geworden, diese weißen litten nicht darunter, weil sie in die Lauge gesteckt werden konnten; auch machten sie sich mit dem weißen Gewand unter den andern besser bemerkbar. Wir andern waren sehr entzückt, diese schönen Damen zu sehn; und ich versichere euch, manche fanden überhaupt keine Grenze für ihr Entzücken, auch wollten sie sich uns sehr gern zeigen; und sie kargten kaum mit ihrem Anblick; denn sie pflanzten sich in schönster Haltung und anmutigstem Gang auf dem Rand des Walls auf, so daß sie es wohl wert waren, betrachtet und begehrt zu werden. Wir fragten begierig, was für Frauen es wären. Sie antworteten uns, sie wären eine Schar von Frauen, die sich unter einem Schwur und in derselben Tracht vereinigt hätten, um an den Befestigungswerken zu arbeiten und ihrer Stadt derartige Dienste zu leisten; gewiß und wahrhaftig leisteten sie ja gute, ja die männlichsten und kräftigsten führten sogar die Waffen: ich habe sogar von einer erzählen hören, die ihre Feinde oft mit einer Pike zurückgetrieben hatte und sie daher als eine geheiligte Reliquie noch so sorgfältig bewahrte, daß die Frau sie nicht für viel Geld gäbe und es auch nicht wollte, so wert hielt sie sie bei sich. Ein paar alte Komture von Rhodus hörte ich erzählen, und ich habe es auch in einem alten Buch gelesen: Als Rhodus vom Sultan Soliman belagert wurde, schonten die schönen Damen und Mädchen der Stadt ihre schönen Gesichter und ihre zarten und köstlichen Leiber nicht und trugen ihr gutes Teil an den Mühen und Anstrengungen der Belagerung, ja oft zeigten sie sich sogar in den heftigsten und gefährlichsten Stürmen und halfen den Rittern und Soldaten mutig, sie abzuschlagen. Oh! Ihr schönen Rhodiserinnen! Euer Name, euer Schicksal waren zu allen Zeiten hochberühmt, und ihr verdientet nicht, unter der Herrschaft von Barbaren zu stehn.

Zur Zeit König Franz‘ I. wurde die Stadt St.Riquier in der Pikardie von einem flämischen Edelmann mit Namen Domrin angegriffen und gestürmt; es war ein Fähnrich des Herrn du Ru, und begleitet war er von hundert Reitern und zweitausend Fußsoldaten und einiger Artillerie. Drinnen waren bloß hundert Fußsoldaten, was sehr wenig war. Und als der Angriff geschah, zeigten sich bloß die Frauen der Stadt auf der Mauer mit Waffen, mit kochendem Wasser und Ol und Steinen und warfen tapfer die Feinde zurück, obwohl diese alle Anstrengungen machten, um hineinzudringen. Zwei jener Frauen rissen sogar zwei Fahnen aus den Händen der Feinde und warfen sie von der Mauer aus in die Stadt; so wurden die Belagerer gezwungen, die Bresche, die sie gebrochen hatten und die Mauern zu lassen, sich zurückzuziehen und zu flüchten: der Ruhm dieser Begebenheit drang durch ganz Frankreich, Flandern und Burgund. Als nach einiger Zeit König Franz hindurchkam, wollte er die Frauen sehen und lobte sie und dankte ihnen. Die Frauen von Peronne machten es ebenso, als die Stadt vom Grafen Nassau belagert wurde; sie leisteten den tapfern Kriegsleuten, die darin waren, auf ganz dieselbe Weise Beistand, und sie wurden darum von ihrem König sehr geachtet, gelobt und bedankt.

Gelegentlich der Bürgerkriege und ihrer Belagerung wurden die Frauen von Santerre wegen der tüchtigen Leistungen, die sie auf jederlei Weise dabei vollbrachten, ebensosehr gelobt und gerühmt.

Während des Krieges der Ligue taten die Frauen von Vitré in ihrer von Herrn von Mercueur belagerten Stadt ebenso ihre Pflicht. Die Frauen waren dort zu allen Zeiten sehr schön und immer köstlich gekleidet; sie schonten aber darum ihre Schönheit nicht und bewiesen eine männliche Tapferkeit; und gewiß sind alle männlichen und edlen Taten zu solchen Zwecken an den Frauen ebenso hoch zu schätzen wie an den Männern.

Geradeso verhielten sich einst die edlen Frauen von Karthago; als sie sahen, daß ihre Gatten, ihre Brüder, ihre Väter, ihre Verwandten und ihre Soldaten aufhörten, auf ihre Feinde zu schießen, weil sie keine Sehnen mehr an ihren Bögen hatten, die wegen der langen Dauer der Belagerung vollständig verbraucht waren, und sie also keinen Hanf, keinen Flachs, keine Seide und auch nichts anderes mehr bekommen konnten, um Stricke daraus zu machen, entschlossen sich die Frauen, ihre schönen Flechten und blonden Haare abzuschneiden und diese schönen Zierden ihrer Häupter, diesen Schmuck ihrer Schönheit nicht zu schonen; und sie selbst drehten mit ihren schönen, weißen und feinen Händen Schnüre daraus und lieferten sie ihren Soldaten: es kann sich jeder denken, mit welchem Mut und mit welcher Stärke diese daher ihre Bögen spannen und straffen, damit schießen und kämpfen konnten, wenn sie so schöne Liebeszeichen von den Frauen trugen. In der Geschichte von Neapel lesen wir, daß der große Feldherr Sforza, als er unter der Regierung der Königin Johanna II. von dem Gemahl der Königin, Jakob, ergriffen worden war, in strenger Gefangenschaft gehalten wurde, und es hing zweifellos an einem Haar, und er wäre geköpft worden, wäre nicht seine Schwester Margarete in Waffen ins Feld gezogen. Sie machte ihre Sache in eigner Person so gut, daß sie vier der vornehmsten neapolitanischen Edelleute gefangen nahm und dem König sagen ließ, sie würde dieselbe Behandlung seinen Leuten bescheren, die er ihrem Bruder zuteil werden lasse. Damit wurde er gezwungen, einen Vertrag zu machen und ihn heil und gesund freizulassen. Ach! tapfere und edle Schwester, du gehörtest dabei schwerlich deinem Geschlechte an!

Ich kenne ein paar Schwestern und Verwandte; hätten diese vor gewisser Zeit eine solche Tat vollbracht, sie hätten vielleicht einen tapfern Bruder retten können, der zugrunde ging, weil es ihm an solcher Hilfe und Unterstützung fehlte.

Lassen wir jetzt diese kriegerischen und tapferen Frauen im allgemeinen und reden wir von ein paar besonderen. Als das schönste Schauspiel des Altertums will ich für alle nur jene Zenobia anführen, die nach dem Tod ihres Gemahls sich nicht, wie manche andere, die Zeit damit verschwendete, daß sie ihn beweinte und beklagte, sondern sie bemächtigte sich im Namen ihrer Kinder der Herrschaft und erklärte den Römern und dem damaligen Kaiser Aurelian den Krieg. Acht Jahre hindurch machte sie ihm viel Mühe, bis sie eine Schlacht mit ihm einging, besiegt und gefangen genommen und vor den Kaiser geführt wurde; als dieser sie fragte, wie sie zu der Kühnheit gekommen wäre, mit den Kaisern Krieg zu führen, antwortete sie ihm bloß: »Wahrhaftig! ich erkannte wohl, daß Ihr Kaiser seid, weil Ihr mich besiegt habt.« Aurelian war über diesen seinen Sieg so erfreut und empfand eine so große Genugtuung darüber, daß er sie im Triumph mitführen wollte; in großer Pracht und Herrlichkeit schritt sie vor seinem Triumphwagen her, in kostbarster Kleidung und angetan mit einem Reichtum von Perlen und edlen Steinen, großen Juwelen und goldenen Ketten, mit welch letzteren sie am Körper, an den Füßen und an den Händen gefesselt war, zum Zeichen, daß sie Gefangene und Sklavin war; die große Schwere ihrer Juwelen und Ketten zwang sie, mehrmals stehn zu bleiben und sich während des Triumphzugs häufig auszuruhen. Es ist sicherlich ein bedeutender und wunderbarer Fall, daß sie besiegt und gefangen noch dem triumphierenden Sieger Gesetze diktierte, daß sie ihn anhalten und warten ließ, bis sie wieder zu Atem gekommen war! Es bedeutete aber auch vom Kaiser eine hohe und ehrenwerte Höflichkeit, daß er ihr erlaubte, daß sie sich ausruhte, und daß er ihre Schwäche ertrug, statt sie zu zwingen oder zu drängen, sich mehr zu beeilen, als sie konnte: man weiß daher nicht, was man mehr rühmen soll, die Ritterlichkeit des Kaisers oder das Verhalten der Königin, die dieses Spiel vielleicht mit Absicht trieb, nicht so sehr aus Schwäche und Müdigkeit, als vielmehr, weil sie mit ihrem Ruhm prahlen und der Welt zeigen wollte, daß sie am Abend ihres Glücks noch dieses Restchen pflückte, wie sie es am Morgen getan, und daß der Kaiser ihr darin nachgab, wie er sie mit ihren langsamen und schweren Schritten erwartete. Sie erwarb sich bei Männern und Frauen hohe Bewunderung, und manche darunter hätten wohl diesem schönen Leib gleichen wollen; denn sie war nach den Angaben derer, die darüber schrieben, überaus schön. Sie hatte einen sehr schönen, stolzen und kräftigen Wuchs, ihre Haltung war sehr edel, ebenso ihre Anmut und Würde; weiter war auch ihr Antlitz sehr schön und freundlich, ihre Augen waren schwarz und sehr glänzend. Unter andern hatte sie sehr schöne und sehr weiße Zähne, eine lebendige, sehr züchtige, aufrichtige und mildtätige Gesinnung; sie redete sehr schön und sprach mit heller Stimme: auch gab sie alle ihre Gedanken und Willensmeinungen ihren Soldaten selbst kund und redete sie häufig an.

Ich meine, sie war sicherlich ebenso schön anzuschauen, wie sie so stolz und hübsch in Frauenkleidung daherkam, als wie ganz blank gewaffnet; denn das Geschlecht trägt immer den Sieg davon: auch steht zu vermuten, daß der Kaiser sie bloß in ihrem schönen weiblichen Geschlecht zeigen wollte, das sie besser zur Schau stellte und dem Volk die Vollkommenheit ihrer Schönheit angenehmer machte; außerdem ist auch zu vermuten, daß sie der Kaiser geschmeckt und gekostet hatte und noch genoß; wenn er sie auf die eine Art besiegt hatte, hatte er sie auch auf die andere besiegt, es kann aber hier ebenso umgekehrt sein. Es wundert mich, daß der Kaiser, da jene Zenobia so schön war, sie nicht als eine seiner Mätressen nahm und aushielt, oder daß sie nicht mit seiner oder des Senats Erlaubnis ein Liebesgeschäft und ein Lusthaus eröffnete und gründete wie Flora, um sich mit ihrer körperlichen Arbeit und ihrer Betterschütterung eine Menge Reichtümer zu erwerben und aufzuspeichern; in diesen Laden hätten die Größten von Rom kommen können, einer mit dem andern um die Wette; denn ein höheres Glück und einen höheren Genuß gibt es scheinbar nicht auf der Welt, als sich auf Königreiche und Fürstentümer zu stürzen und eine schöne Königin, Fürstin und große Dame zu genießen. Ich berufe mich auf solche, die derartige Fahrten gemacht und dabei so schöne Taten vollbracht haben. Damit hätte sich diese Königin Zenobia aus der Börse jener Großen bald reich gemacht wie Flora, die auch nur die Vornehmen bei sich empfing. Hätte sie nicht besser daran getan, so in Schmausereien, in Pracht, Reichtümern und Ehren zu leben als so in Not und äußerste Bedürftigkeit zu versinken wie sie, daß sie ihren Lebensunterhalt unter gewöhnlichen Frauen mit Spinnen erwarb und vor Hunger gestorben wäre, hätte ihr nicht der Senat aus Mitleid mit ihr und ihrer vergangenen Größe zum Lebensunterhalt eine Pension sowie ein paar kleine Ländereien und Besitzungen ausgesetzt, die man lange Zeit die zenobianischen Besitzungen nannte; denn schließlich ist die Armut ein großes Unglück; und wer sie vermeiden kann, mit welchen Mitteln es auch geschehe, der tut wohl daran; so sagte einer, den ich kenne. Somit bewahrte Zenobia ihren großen Mut nicht bis ans Ende ihrer Laufbahn, wie sie hätte tun sollen, und wie man ihn stets in allen Handlungen aufrechterhalten muß. Man sagt, daß sie sich einen Triumphwagen hatte bauen lassen (es war der prächtigste, den man je in Rom sah), um in Rom zu triumphieren, wie sie häufig während ihres großen prahlenden Glückes sagte; denn sie war so anmaßend, das Römische Reich erobern zu wollen! Aber alles war umgekehrt; denn nachdem sie der Kaiser besiegt hatte, nahm er ihn für sich und triumphierte damit, während sie zu Fuße ging, und er machte mit ihr einen größeren Triumph und Aufzug, als wenn er einen mächtigen König besiegt hätte. Freilich ist der Sieg, den man über ein Weib davonträgt, in welcher Art er auch sei, kein großer und ruhmreicher!

So wünschte auch Augustus über Kleopatra zu triumphieren; aber es glückte ihm nicht. Sie beugte dem beizeiten vor, auf dieselbe Art, die Paulus Aemilius dem Perseus anriet; als er ihn in seiner Gefangenschaft bat, Mitleid mit ihm zu haben, antwortete er, es hätte an ihm gelegen, hier zuvorzukommen, womit er meinte, er hätte sich selbst töten sollen.

Ich hörte, daß der hochselige König Heinrich II. nichts so sehr wünschte, als die Königin von Ungarn gefangen nehmen zu können, nicht um sie schlecht zu behandeln, wiewohl sie ihm mit ihrem Sengen und Brennen genug Veranlassung dazu gegeben hatte, sondern um des Ruhmes willen, diese große Königin gefangen zu halten und zu sehen, wie sie sich in der Gefangenschaft benehme, und ob sie sich so tapfer und stolz gebärden würde wie in ihrem Heere: denn es gibt ja auch nichts Stolzeres und Herrlicheres wie eine schöne, tapfre und große Dame, wenn sie will und wenn sie Mut hat, wie es bei dieser der Fall war, die an dem Namen, den ihr die Soldaten gegeben hatten, großen Gefallen fand; denn wie sie den Kaiser, ihren Bruder el padre de los soldados nannten, nannten sie sie la madre; ebenso wurde einst zur Zeit der Römer Vittoria oder Vittorina in ihren Heeren die Lagermutter genannt. Wenn eine große und schöne Dame ein Kriegsamt übernimmt, nützt sie sicherlich dabei sehr viel und begeistert ihre Leute sehr, wie ich von der Königin-Mutter sah, die sehr oft zu unsrer Armee kam und bei den Truppen den Mut befestigte und erhöhte, wie noch heute ihre Enkelin, die Infantin, in Flandern, die ihre Armee befehligt und ihren Soldaten in Tapferkeit vorausgeht, und ohne sie und ihre schöne und angenehme Gegenwart, sagen alle, könnte sich Flandern nicht halten; die Königin von Ungarn, ihre Großtante, konnte sie niemals an Schönheit, Tapferkeit, Adel und Grazie übertreffen.

Es steht in unsern französischen Geschichten, welchen Wert die Anwesenheit jener tapfern Gräfin von Montfort halte, als sie in Annebon belagert wurde; denn so tapfer auch ihre Soldaten waren, so mutig sie auch kämpften und den Stürmen standhielten und so gut sie ihre Sache auch machten, so begannen sie doch den Mut zu verlieren und neigten zur Übergabe; aber sie redete ihnen so tüchtig zu und feuerte sie mit so schönen und mutigen Worten an, daß sie die Hilfe abwarteten, die ihnen, hoch ersehnt, dann auch zur rechten Zeit wurde und die Aufhebung der Belagerung herbeiführte. Sie tat sogar noch mehr; denn wie ihre Feinde sämtlich beim Angriff beschäftigt waren und sie die Zelte ganz leer sah, bestieg sie ein gutes Pferd und machte mit fünfzig tüchtigen Reitern einen Ausfall, schreckte den Feind und legte Feuer ans Lager; so daß Karl von Blois im Glauben, verraten zu sein, sofort dem Sturm Einhalt gebot. Dazu will ich noch das folgende Geschichtchen erzählen: Während der letzten Kriege der Ligue erließ der erst jüngst verstorbene hochselige Herr Prinz von Condé, als er in Saint-Jean war, an Madame de Bourdeille, eine sehr schöne Witwe im Alter von vierzig Jahren, die Aufforderung, sechs oder sieben der reichsten Leute von ihren Gütern auszuliefern, die sich auf ihr Schloß Mathas zu ihr geflüchtet hatten. Sie verweigerte es ihm stracks und sagte, niemals würde sie diese armen Leute verraten oder ausliefern, die sich unter ihren Schutz gestellt und sich unter ihr Treuwort gerettet hätten. Er ließ ihr zum letztenmal sagen: schicke sie ihm die Leute nicht, so würde er ihr Gehorsam lehren. Sie gab ihm zur Antwort (ich war nämlich zu ihrem Beistand bei ihr), da er nicht gehorchen könne, fände sie es sehr merkwürdig, daß er von andern Gehorsam verlange, und nur wenn er seinem König gehorcht hätte, würde sie ihm gehorchen: übrigens fürchte sie bei all seinen Drohungen weder seine Kanonen noch seine Belagerung, sie stamme von der Gräfin Montfort ab, von der sie nicht nur diesen Platz, sondern auch ihren Mut geerbt habe; sie sei entschlossen, den Platz so gut zu hüten, daß er ihn nicht nehmen solle; und sie würde ebenso handeln, wie ihre Ahnherrin, eben jene Gräfin, es in Annebon getan hatte. Der Prinz dachte lange über diese Antwort nach und zögerte ein paar Tage, ohne sie weiter zu bedrohen. Wäre er jedoch nicht gestorben, er hätte sie trotzdem belagert; aber sie hatte sich mit Mut und Entschlossenheit, mit Männern und allem andern sehr gut gerüstet, um ihn wohl zu empfangen; und ich glaube, er hätte nur Schande heimgetragen.

In seinem Buch Über den Krieg erzählt Macchiavelli, daß Katharina, die Gräfin von Forli, in diesem ihren Platz von Cesare Borgia, den das französische Heer unterstützte, belagert wurde; sie leistete ihm tapfern Widerstand, aber endlich wurde die Stadt genommen. Die Ursache ihres Unglücks war, daß der Platz so viele kleine Forts und befestigte Punkte besaß, so daß man sich von einem Ort zum andern flüchten konnte; so gab denn, als Cesare anrückte, der Herr Giovanni de Casale (den jene Gräfin zu ihrem Schutz und Beistand bei sich hatte) die Bresche preis, um sich in seine Forts zurückzuziehen; infolge dieses Fehlers überfiel Borgia die Festung und nahm sie ein. Durch diese Mißlichkeiten, sagt der Autor, geschah dem edlen Mut und dem Ruf jener tapfern Gräfin großer Schaden, sie hatte ein Heer erwartet, das der König von Neapel und der Herzog von Mailand nicht gewagt hatten zu erwarten; und wenn auch ihr Ausgang ein unglücklicher war, sie trug doch die Ehre davon, die ihre Tapferkeit verdiente; und es wurden daher damals in Italien zu ihrem Preise eine Menge Verse und Reime gemacht. Diese Stelle verdient von jenen gelesen zu werden, die sich damit befassen, Städte zu befestigen und darin eine große Menge von Forts, Schlössern, Türmen und Zitadellen bauen.

Um wieder auf unser Thema zurückzukommen, es gab früher bei uns in Frankreich eine Menge Prinzessinnen und große Damen, die schöne Beweise ihrer Heldentaten abgelegt haben: so Paula, die Tochter des Grafen von Penthièvre, die von dem Grafen von Charollais in Roye belagert wurde und sich dabei so tapfer und kühn zeigte, daß nach der Einnahme der Stadt der Graf sie freundlich und liebenswürdig behandelte und sie sicher nach Compiègne geleiten ließ, dazu erließ er den ausdrücklichen Befehl, daß ihr kein Übel geschehen solle; er ehrte sie sehr wegen ihrer Tapferkeit, wenn er auch ihrem Gemahl sehr zürnte, den er beschuldigte, er habe ihn durch Zaubereien und Hexereien mit Bildern und Kerzen nach dem Leben getrachtet. Richilde, die einzige Tochter und Erbin von Mons im Hennegau, die Gemahlin Balduins VI., Grafen von Flandern, machte alle Anstrengungen gegen Robert den Friesen, ihren Schwager, der zum Vormund der Kinder Flanderns eingesetzt war, um ihm die Entscheidung und die Verwaltung abzunehmen und auf sich zu übertragen: im Verfolg dieser Sache wagte sie mit Unterstützung Philipps, Königs von Frankreich, zwei Schlachten gegen ihn. In der ersten wurde sie gefangen genommen, was ebenfalls ihrem Feind Robert passierte, und dann wurden sie gegenseitig ausgetauscht: dann lieferte sie ihm die zweite Schlacht, und sie verlor sie und verlor auch ihren Sohn Arnulph und wurde bis Mons gejagt.

Isabella von Frankreich, Tochter des Königs Philipp des Schönen und Gemahlin König Eduards II., Herzogs der Guyenne, war beim König, ihrem Gemahl, in Ungnade gefallen, infolge böser Nachreden seitens Hugos von Depensier, auf Grund deren sie gezwungen wurde, sich mit ihrem Sohn Eduard nach Frankreich zu flüchten. Dann kehrte sie mit dem Chevalier von Hainot, ihrem Verwandten, wieder nach England zurück und führte ein Heer hinüber, mit dessen Hilfe sie ihren Gemahl gefangen nahm, den sie dann jenen in die Hände gab, mit denen er seine Tage beschließen sollte; das gleiche widerfuhr ihr aber selbst; denn sie wurde, weil sie mit einem Herrn Mortimer liebelte, von ihrem Sohn bis an ihr Ende auf ein Schloß verbannt. Sie war es, die den Engländern Veranlassung gab, daß sie zu Unrecht gegen Frankreich stritten. Das nenne ich aber eine üble Erkenntlichkeit und eine große Undankbarkeit von einem Sohn, der eine große Wohltat vergessend seine Mutter eines so geringen Vergehens halber unwürdig behandelte. Gering nenne ich es, weil es natürlich ist, und weil sie sich im Umgang mit den Soldaten so sehr daran gewöhnt hatte, in den Armeen und Zelten und Pavillons Soldat zu spielen, daß sie es wohl oder übel auch im Alkoven mußte, wie das häufig vorkommt. Ich berufe mich auf unsre Königin Leonore,92 Herzogin der Guyenne, die den König und ihren Gemahl übers Meer und in den heiligen Krieg begleitete. Sie war mit dem Soldatenhandwerk so vertraut und hatte mit der Kriegsmannschaft so häufig Umgang gehabt, daß sie ihrer Ehre immer mehr vergab, bis sie sogar mit Sarazenen Verkehr hatte. Der König verstieß sie deshalb, was für uns einen Verlust bedeutete. Man stelle sich vor, sie wollte erproben, ob diese guten Kameraden im geheimen ebenso tapfre Kämpen wären wie in der offnen Feldschlacht, und daß es möglicherweise ihre Laune war, die tapfern Leute zu lieben; denn eine Tapferkeit lockt die andre an wie die Tugend; denn niemals redet der falsch, welcher sagte, die Tugend gliche dem Blitzstrahl, der alles durchbohrt.

Jene Königin Leonore war nicht die einzige, die ihren königlichen Gemahl in diesen heiligen Krieg begleitete. Sondern vor ihr, mit ihr und nach ihr nahmen manche andre Prinzessinnen und große Damen mit ihren Gatten das Kreuz, das soll aber nicht heißen, daß sie ihre Beine kreuzten, im Gegenteil, sie spreizten sie weit, daß manche dort blieben und die andern als tüchtige Huren zurückkehrten. Unter dem Vorwand, das Heilige Grab zu besuchen, trieben sie unter so vielen Kriegern mit viel Genuß ihre Liebschaften; auch passen, wie ich sagte, Waffen und Liebe sehr gut zusammen, eine so tüchtige und gemeinsame Sympathie haben sie. Solche Damen sind doch sehr zu achten und zu lieben, daß sie so mit den Männern umgehen und es nicht machten wie früher die Amazonen, die sich, obwohl sie sich Töchter des Mars nannten, ihrer Gatten entledigten, indem sie sagten, die Ehe sei eine wahre Sklaverei: nach dem Umgang mit andern Männern strebten sie freilich sehr, weil sie Töchter von ihnen haben wollten, während sie die männlichen Kinder umbrachten.

In seiner Cosmographie berichtet J. v. Nauclerus, daß im Jahre Christi 1123, nach dem Tode Libussas, der Königin der Böhmen, die Prag mit Mauern umgeben ließ und die Herrschaft der Männer aufs höchste verabscheute, eines ihrer Edelfräuleins, das großen Mut hatte, mit Namen Valaska, aufstand und die Mädchen und Frauen des Landes gewann, ihnen die Freiheit in so schönen Farben ausmalte und ihnen einen solchen Abscheu vor der Sklaverei der Männer einflößte, daß eine jede ihren Gemahl, ihren Bruder, ihren Verwandten, ihren Nachbarn tötete, dadurch gelangten sie in einem Nu zur Herrschaft; und nachdem sie die Waffen ihrer Männer genommen hatten, bedienten sie sich ihrer so gut und zeigten sich als so gewandte und tapfre Amazonen, daß sie verschiedene Siege erfochten. Später wurden sie jedoch durch die Umtriebe und Schlauheiten eines Primislaus, Gemahls der Libussa, eines Mannes, den sie aus niedrigem und gemeinem Stand genommen hatte, aufs Haupt geschlagen und zum Tode gebracht. Das war Gottes Strafgericht für die ungeheuerliche Tat, so das menschliche Geschlecht zum Aussterben bringen zu wollen. Diese Frauen hätten ihren Mut lieber in andern schönen tapfern und männlichen Taten zeigen können als mit solchen Grausamkeiten; wir haben ja auch so viel Kaiserinnen, Königinnen, Prinzessinnen und große Damen gesehen, die in edlen Taten, in der Verwaltung und Beherrschung ihrer Staaten und in andern Dingen hervorragten; die Geschichte ist voll genug davon, und ich brauche es nicht zu erzählen; denn der Ehrgeiz, zu herrschen, zu regieren und zu gebieten, wohnt ebensogut in ihrer wie in der Männer Seele, und sie wollen ihn nicht weniger stillen.

Nun will ich eine Frau nennen, die weniger davon ergriffen war, Vittoria Colonna, die Gemahlin des Marquis von Pescara, von der ich in einem spanischen Buche folgendes las. Als jener Marquis die schönen Anerbietungen vernahm, die ihm Hieronymos Mouran von Seiten des Papstes machte (wie schon oben erwähnt), wenn er ein Bündnis mit ihm eingehen wolle, setzte er seine Gemahlin selbst davon in Kenntnis; überhaupt verhehlte er ihr nichts von seinen geheimsten Angelegenheiten weder von den großen noch von den kleinen; da schrieb sie ihm; denn sie redete und schrieb vorzüglich, er möge sich an seine alte Tapferkeit und Tugend erinnern, die ihm solches Lob und solche Achtung eingetragen habe, daß sie den Ruhm und das Glück der größten Könige der Erde überträfen, indem sie sagte: non con grandeza de los reynos, de Estados ny de hermosos titulos, sino con fe illustre y clara virtud, se alcançava la honra, la qual con loor siempre vivo, legava à los descendientes; y que no havia ningun grado tan alto que non fuese vencido de una trahicion y mala fé. Que por esto, ningun deseo tenia de ser muger de rey, queriendo antes ser muger de tal capitan, que no solamente en guerra con valorosa mano, mas en paz con gran honra de animo no vencido, havia sabido vencer reyes, y grandisimos principes, y capitanes y darlos a triunfos, y imperiarlos; »nicht mit der Größe der Reiche und Staaten, auch nicht mit hohen und schönen Titeln wurde die Ehre erworben, die sich mit einem stets lebendigen Preise auf uns Nachkommen übertrug; und kein Rang wäre so hoch, daß er durch einen Verrat oder ein gebrochenes Wort nicht wieder zusammenstürzte; und daher wünsche sie gar nicht, die Frau eines Königs zu sein, sondern sie wolle die eines Feldherrn sein, der nicht nur im Krieg mit seiner tapfern Hand sondern auch im Frieden mit der Ehre eines unüberwindlichen Geistes, die Könige, die großen Fürsten und Feldherren besiegen, über sie triumphieren und herrschen könnte.« Diese Frau redete mit einem hohen Mut, mit großer Tüchtigkeit und Wahrhaftigkeit: Denn mit einem Verbrechen zu regieren, das ist in der Tat sehr gemein, groß und schön aber ist es, die Reiche und Könige mit seiner Tugend zu beherrschen.

Fulvia, die Frau des P. Claudius und in zweiter Ehe mit Marc Anton verheiratet, hatte gar keine Freude daran, ihre Hausangelegenheiten zu besorgen; sie befaßte sich vielmehr mit den großen Sachen und besorgte die Staatsgeschäfte, ja man verlieh ihr sogar den Ruf, den Kaisern Befehle zu erteilen. Auch wußte ihr Kleopatra sehr viel Dank dafür und fühlte sich ihr verpflichtet, daß sie Marc Anton so wohlgeschult und an Zucht gewöhnt hatte, daß er sich den Gesetzen beugte und unterwarf.

Jener große französische Fürst Karl Martell, steht zu lesen, wollte den Königstitel nicht selbst annehmen und tragen, was doch in seiner Macht gestanden hätte, sondern er wollte lieber die Könige beherrschen und ihnen Befehle geben.

Sprechen wir nun von einigen unserer Damen. Im Krieg der Ligue hatten wir Madame von Montpensier,93 die Schwester des hochseligen Herrn von Guise, die eine große Staatsmännin war, und die ihren guten Teil Erfindungskraft, geistiger Betriebsamkeit und körperlicher Arbeit zur Gründung jener Ligue beitrug. Als sie nach deren Aufrichtung eines Tages Karten spielte, die Prime (dieses Spiel liebte sie nämlich sehr), und man ihr sagte, sie mische die Karten sehr gut, antwortete sie vor vielen Leuten: »Ich habe sie so gut gemischt, daß man gar nicht daran denken kann, sie besser zu mischen oder wieder zu entmischen.« Das war gut, wenn die Ihrigen dabei nicht getötet worden wären, ohne über diesen Verlust den Mut zu verlieren, übernahm sie es, sie zu rächen. Und als ihr die Kunde in Paris gebracht wurde, hielt sie sich nicht in ihrer Kammer verschlossen und hub Wehklagen an wie andre Frauen, sondern sie ging mit den Kindern ihres Bruders an den Händen aus dem Haus, führte sie durch die Straßen und stimmte vor dem Volk ihre Klage an, indem sie es mit Tränen, mit Schreien um Mitleid anfeuerte und alle mit flammenden Worten aufforderte, die Waffen zu ergreifen; es erhob sich ein rasender Aufstand, in dem es an Frechheiten gegen das Haus und Bild des Königs nicht mangelte (darüber hoffe ich in ihrer Lebensbeschreibung berichten zu können), sie forderte das Volk auf, ihm jede Treue abzuschwören, ja ihm Empörung und Aufruhr zu schwören, was später auch seine Ermordung im Gefolge hatte; daraus ist zu erkennen, von welchen Leuten der Rat dazu herrührt, und wer die Schuld dafür zu tragen hat. Das Herz einer Schwester, die solcher Brüder verlustig geht, konnte sicherlich jenes Gift nicht verdauen, ohne den Mord zu rächen. Ich hörte, nachdem sie so das Volk von Paris zu diesen Empörungen und Frechheiten aufgehetzt hatte, reiste sie zu dem Prinzen von Parma, um ihn um Unterstützung für ihre Rache zu bitten. Sie reiste in so großen und langen Strecken, daß ihre Wagenpferde eines Tages so müde und abgemattet mitten in der Picardie im Schlamme stecken bleiben mußten, daß sie weder vorwärts noch rückwärts und keinen Fuß vor den andern setzen konnten. Zufällig kam ein sehr ehrbarer Edelmann des Landes, ein Religionsangehöriger, vorbei, der sie erkannte, obwohl sie einen andern Namen trug und verkleidet war; er verschloß sich gegen die Umtriebe, die sie gegen seine reformierten Glaubensgenossen begangen hatte, und die Unverschämtheiten, die sie ihnen zuteil werden ließ und sagte ihr voller Höflichkeit: »Madame, ich kenne Euch wohl, ich bin Euer Diener: ich sehe Euch in so üblem Zustand, wenn’s Euch gefällt, kommt Ihr in mein Haus, es ist ganz nahe, da trocknet Ihr Euch und ruht Euch aus. Ich will Euch mit allem versorgen, wie ich nur kann, so gut es mir möglich sein wird. Fürchtet nichts; auch wenn ich dem reformierten Bekenntnis angehöre, auch wenn Ihr uns sehr haßt, möchte ich mich doch nicht von Euch trennen, ohne Euch einen Gefallen zu erweisen, den Ihr sehr brauchen könnt.« Dieses Anerbieten akzeptierte sie dankbar; nachdem ihre Erholung vollendet war, machte sie sich wieder auf den Weg, und er gab ihr zwei Meilen weit das Geleite, dennoch verhehlte sie ihm ihre Reise; soweit ich hörte, beglich sie später mit vielen andern Freundlichkeiten dem Edelmann gegenüber ihre Schuld.

Es waren manche erstaunt, daß sie sich dem Manne anvertraute, da er doch Hugenott war. Aber die Not bringt einen zu vielen Dingen; auch durfte sie aus seinen freimütigen und ehrbaren Worten schließen, daß er sich ehrlich gegen sie verhalten würde.

Als Madame von Nemours, ihre Mutter, nach dem Tode ihrer Kinder gefangen gesetzt wurde, geriet sie in eine tiefe Verzweiflung über diesen unersetzlichen Verlust; von Natur eine Dame von sehr sanftem Gemüt und einem kühlen Wesen, das nur zur rechten Zeit in Erregung gerät, überhäufte sie den König mit Beleidigungen, stieß Verwünschungen und Verfluchungen gegen ihn aus (denn wenn es einen so heftigen Schmerz und Verlust gilt, was könnte man dann nicht sagen!), ja sie nannte den König immer nur und nicht anders als »dieser Tyrann«. Als sie dann wieder zu sich gekommen war, sagte sie: »Ach, was sage ich, Tyrann? Nein! Nein! ich will ihn nicht mehr so nennen, sondern einen gütigen und mildtätigen König, wenn er mich tötet wie meine Kinder; auf daß er mich meinem Elend entreißt und mir zur himmlischen Seligkeit verhelfe.« Darauf mäßigte sie ihre Worte und Schreie, bezwang sich etwas und sagte bloß: »Ach! meine Kinder!« indem sie fortwährend diese Worte mit Tränen wiederholte, die ein Herz von Stein erweicht hätten. Ach! sie hatte wohl recht, sie also zu beklagen und zu beweinen, sie waren so gut, so edel, so tüchtig, so tapfer, besonders aber jener große Herzog von Guise, der wahre Erstgeborne und das echte Muster aller Tapferkeit und Edelmutes. Auch liebte sie ihre Kinder so sehr, daß mir eines Tages eine große Dame am Hofe, mit der ich über Frau von Nemours sprach, sagte: sie wäre die glücklichste Fürstin von der Welt, wofür sie mir verschiedene Gründe anführte, einen ausgenommen, sie liebte ihre Kinder zu sehr; denn sie liebte sie so sehr, daß die beständige Furcht, die sie um sie hatte, die Furcht, es möchte ihnen etwas Übles zustoßen, ihr ganzes Glück zerstörte, und daß sie in einer fortwährenden Unruhe und Aufregung lebte. Nun kann sich also jeder denken, wieviel Schmerzen, Bitternisse und Qualen sie über den Tod dieser beiden empfand, und wie sie um den andern, der gegen Lyon gezogen war, und um den gefangenen Herrn von Nemours fürchtete; denn um ihre Gefangenschaft, sagte sie, kümmere sie sich nicht, auch nicht um ihren Tod, wie ich schon oben sagte. Als man sie aus dem Schloß von Blois wegbrachte, um sie in das von Amboise in noch strengere Gefangenschaft überzuführen, drehte sie beim Durchschreiten des Tors ihren Kopf und hob ihn zum Bilde König Ludwigs XII., ihres Großvaters, empor, der in den Stein darüber gemeißelt ist, wo er mit einer vortrefflichen Anmut und kriegerischen Haltung auf einem Pferde sitzt. Sie hielt ein wenig an, betrachtete ihn und sagte ganz laut vor einer Menge Menschen, die da zusammengelaufen waren, und mit ihrer schönen und sichern Haltung, von der sie niemals verlassen wurde: »Wenn der dort oben noch lebte, er würde nicht erlauben, daß man seine Enkelin so gefangen wegführte, und daß man sie so behandelt.« Dann setzte sie ihren Weg fort und sagte nichts weiter. Man stelle sich vor, daß sie in ihrer Seele die Manen ihres edlen Großvaters anrief und anflehte, sie möchten gerechte Rächer ihrer Gefangenschaft sein: genau so wie einst verschiedne der Verschwörer gegen das Leben Cäsars sich auf dem Gange zu ihrem Handstreich zur Statue des Pompejus wendeten und im geheimen den Schatten seiner vordem so kräftigen Hand anriefen und anflehten, damit sie ihnen helfe, ihren Schlag auszuführen. Vielleicht mochte die Anrufung jener Fürstin zum Tod des Königs, der sie so beschimpft hatte, beitragen und ihn beschleunigen. Eine hochgemute Dame, die Rache brütet, ist sehr zu fürchten.

Ich erinnere mich: als ihr hochseliger Herr Gemahl, Herr von Guise, den Stoß erhielt, an dem er starb, war sie im Feldlager; sie war ein paar Tage vorher hingekommen, um ihn zu besuchen. Wie er verwundet in sein Quartier trat, kam sie ihm in Tränen und Verzweiflung bis an die Tür entgegen, grüßte ihn und schrie plötzlich auf: »Kann es sein, daß der Elende, der den Streich geführt und der ihn dazu angestiftet hat (sie glaubte der Herr Admiral), ungestraft bleibe! Gott! Wenn du gerecht bist, wie du es sein mußt, räche das; sonst …!« sie vollendete nicht, ihr Herr Gemahl aber griff das Wort auf und sagte zu ihr: »Meine Liebe, beleidige Gott nicht mit deinen Worten. Wenn er es mir zur Strafe für meine Sünden geschickt hat, so geschehe sein Wille, und Preis sei seinem Namen. Wenn es aber nicht von ihm kommt, wird er die Rache, da sie sein ist, wohl ohne dich vollbringen!« Nach seinem Tod betrieb sie jedoch die Verfolgung so gut, daß der Mörder von vier Pferden zerrissen wurde, während der mutmaßliche Urheber nach einigen Jahren ermordet wurde, wie ich an anderm Ort zu sagen hoffe, und zwar auf die Unterweisungen hin, die sie ihrem Sohn gab, wie ich’s erlebte, auf die Ratschläge und Überredungen hin, mit denen sie ihn seit seiner zartesten Kindheit ernährte, bis daß die Rache dafür vollendet war.

Die Ratschläge und Ermahnungen der edlen Frauen und Mütter vermögen hierin sehr viel: so erinnere ich mich, als König Karl IX. die Reise durch sein Königreich machte und in Bordeaux war, wurde der Baron Bournazel, ein sehr tapferer und ehrbarer gascognischer Edelmann, gefangen gesetzt, weil er einen andern Edelmann seines eigenen Landes, mit Namen Latour, getötet hatte: man sagte, es sei wegen einer argen List geschehen. Die Witwe betrieb die Bestrafung so lebhaft, daß man dafür sorgte, daß in die Kammer des Königs und der Königin die Kunde kam, jener Baron solle geköpft werden. Die Edelleute und Damen gerieten plötzlich in Erregung, und man arbeitete sehr daran, ihm das Leben zu retten. Zweimal bat man den König und die Königin, ihn zu begnadigen. Der Herr Kanzler setzte sich dem sehr entgegen, indem er sagte, die Gerechtigkeit müsse ihren Lauf nehmen. Der König, der jung war, konnte ihn sehr leiden und verlangte nichts mehr, als ihn zu retten; denn der Baron gehörte zu den feinen Leuten am Hofe; und der Herr von Cipierre trieb ihn auch sehr dazu an. Indessen nahte die Stunde der Hinrichtung, und jedermann war darüber erschrocken. Da schritt der Herr von Nemours ein (er liebte den armen Baron, der ihn in den Kriegen an manche gute Plätze begleitet hatte), warf sich der Königin zu Füßen und flehte sie an, dem armen Edelmann das Leben zu schenken, und bat und drängte sie mit solchen Worten, daß es ihm gewährt wurde; sofort wurde daher ein Kapitän der Garde abgeschickt, der sofort seine Hand auf ihn legen sollte, sowie er zur Hinrichtung herausgeführt würde. Damit wurde er gerettet. Die Furcht, die er ausgestanden hatte, blieb aber immer seinem Antlitz aufgeprägt, seitdem bekam er nie wieder Farbe, wie ich sah und wie ich es auch von Herrn von Saint-Vallier hörte, der bei seinem Streit mit Herrn de Bourbon auch mit dem Leben davonkam.

Indessen war die Witwe nicht müßig, sie suchte am andern Morgen den König auf, als er zur Messe ging, und warf sich ihm zu Füßen. Sie zeigte ihm ihren Sohn, der drei oder vier Jahre alt sein konnte, und sagte zu ihm: »Sire, da Ihr dem Mörder des Vaters dieses Kindes gnädig gewesen seid, flehe ich Euch an, ihm auch von dieser Stunde an Gnade zu gewähren, damit er sich, wenn er groß ist, rächen und jenen Elenden töten kann.« Seitdem weckte, wie ich sagen hörte, die Mutter alle Morgen ihr Kind auf, zeigte ihm das blutige Hemd, das sein Vater anhatte, als er umgebracht wurde, und sagte ihm dreimal: »Schau es genau an und erinnere dich genau, daß du das rächst, wenn du groß geworden bist: sonst enterbe ich dich!« Welche Erbitterung!

Als ich in Spanien war, wurde mir erzählt: Antonio Roques, einer der tapfersten, kühnsten, schlauesten, verschlagensten, gewandtesten, berüchtigsten und ritterlichsten Buschklepper und Briganten, die es je in Spanien gab (so die Meinung), hatte Lust, von seinem ersten Berufe weg Priester zu werden, und als der Tag gekommen war, an dem er seine erste Messe singen sollte, und er in großer Feierlichkeit, köstlich zum Gottesdienst gekleidet und geschmückt, den Becher in der Hand aus dem Revestiarium zum Hauptaltar seiner Pfarrkirche trat, hörte er, wie er vorüberschritt, wie seine Mutter zu ihm sagte: »Ah! vellaco, vellaco, mejor seria de vengar la muerte de tu padre, que de cantar misa«; »Ach, du elender und schlechter Kerl! besser wär’s, du rächtest den Tod deines Vaters, statt Messe zu lesen.« Diese Stimme ging ihm so zu Herzen, daß er auf dem halben Wege kaltblütig umkehrte und in die Sakristei zurückging; hier zog er sich aus und machte glauben, das Herz täte ihm weh und er müsse es auf ein andermal verschieben: er begab sich ins Gebirge hinauf unter die Räuber und errang sich dort hohe Achtung und Berühmtheit, so daß er zum Hauptmann gewählt wurde: er vollführte eine Menge Untaten und Räubereien, rächte den Tod seines Vaters, der von einem andern getötet worden sein sollte; nach andern wurde er von der Justiz hingerichtet. Ein Brigant selbst erzählte mir das, der früher unter seinem Befehl stand, und rühmte ihn mir bis in den dritten Himmel, und Kaiser Karl konnte ihm niemals an den Kragen. Um nun nochmals auf Madame von Nemours zu kommen, so behielt sie der König keineswegs im Gefängnis, was teilweise auf Veranlassung des Herrn von Escars geschah; denn er entließ sie und schickte sie nach Paris zu den Herren du Mayne und de Nemours und andern verbündeten Prinzen und ließ allen Friedensworte überbringen, die dem Vergessen alles Vergangenen galten; und wer tot sei, sei tot, und sie wollten Freunde sein wie vorher. In der Tat ließ sich der König einen Eid von ihr darauf leisten, daß sie diese Botschaft, überbringe. Nach ihrer Ankunft fand sie zuerst nur Tränen und Wehklagen über ihren Verlust; dann berichtete sie ihren Auftrag. Herr du Mayne antwortete ihr, indem er fragte, ob sie ihm dazu riete. Sie antwortete ihm bloß: »Mein Sohn, ich bin nicht hierher gekommen, um dir zu raten, sondern nur um dir zu überbringen, was man mir gesagt und aufgetragen hat. Es ist deine Sache, zu überlegen, ob du Veranlassung dazu hast und es tun sollst. Was ich dir sage, darüber geben dir dein Herz und dein Gewissen den besten Rat. Was mich anlangt, so entledige ich mich nur dessen, was ich versprach.« Unter der Hand aber wußte sie das Feuer, das lange Zeit fortbrannte, wohl zu schüren.

Verschiedene Leute staunten sehr darüber, inwiefern der König, der so klug war und zu den gewandtesten Männern seines Reiches gehörte, sich für einen solchen Auftrag dieser Dame bediente, nachdem er sie so beleidigt hatte, daß sie kein Herz und kein Gefühl hätte besitzen müssen, wenn sie sich nur im geringsten damit beschäftigte; auch spottete sie ja seiner sehr. Man sagte, es wäre auf den Rat des Marschalls von Retz geschehen, der das gleiche dem König Karl empfahl, er solle Herrn de la Noue nach La Rochelle hinein schicken, damit er den Einwohnern zum Frieden, zum Gehorsam und zur Pflicht rede; ja er erlaubte ihm sogar, damit sie Vertrauen zu ihm gewännen, sich so zu stellen, als rege er sich für sie und ihre Partei auf und erglühe dafür, sie anzufeuern, den Krieg bis zum äußersten zu führen und ihnen gegen den König Rat zu geben; er hatte ihm jedoch die Bedingung auferlegt, daß er herauskäme, wenn es ihm von dem König oder dem Prinzen, seinem Oberfeldherrn, befohlen würde. Er tat beides, er schürte den Krieg und verließ die Stadt wieder; er befestigte indessen jenen Leuten den Mut so sehr, versteifte sie so sehr auf den Krieg, brachte ihnen so gute Zucht bei und begeisterte sie dermaßen, daß sie uns für dieses Mal über waren. Eine Menge Leute fanden, daß keine Schlauheit dabei war: ich habe alles das gesehen; und ich hoffe es anderswo vollständig erzählen zu können. Aber der Marschall brachte es für seinen König und für Frankreich zuwege; man hielt ihn eher für einen Scharlatan und Schmeichler als für einen guten Beamten und Marschall von Frankreich.

Von jener meiner Frau von Nemours will ich nur noch ein paar kurze Worte sagen. Man erzählte mir: Als die Ligue gegründet wurde und als sie die Rollen und Listen der Städte, die zum Bündnis gehörten, durchsah, fand sie Paris noch nicht darin und sagte immer zu ihrem Sohn: »Mein Sohn, das ist nichts, ihr braucht noch Paris. Und wenn ihr Paris nicht habt, ist nichts getan, also, verschafft euch Paris.« Und kein Wort weiter als immer Paris klang von ihren Lippen; die Folge waren denn auch die Barrikaden.

So zielt ein edles Herz immer aufs Höchste ab: Das bringt mir eine kleine Geschichte wieder ins Gedächtnis, die ich in einem spanischen Roman las, betitelt Conquista de Navarra. Als dieses Königreich dem König Johann abgenommen und von dem König von Arragonien usurpiert worden war, sandte der König Ludwig XII. ein Heer hin, unter Herrn de la Palice, um es wieder zu erobern. Der König ließ der Königin Donna Catherina durch Herrn de la Palice, der ihr es überbrachte, sagen, sie solle an den Hof von Frankreich kommen und dort bei der Königin Anna, seiner Gemahlin, bleiben, während der König, ihr Gemahl, und der Herr de la Palice versuchen sollten, das Königreich wieder zu gewinnen. Die Königin antwortete ihm voller Adel: »Und wie, mein Herr! ich meinte, der König, Euer Herr, hätte Euch hierher geschickt, damit Ihr mich mit in mein Königreich bringt und mich in Pampeluna wieder einsetzt; ich meinte, ich begleite Euch dabei, wie ich auch dazu entschlossen und gerüstet war; und jetzt ladet Ihr mich an den Hof von Frankreich ein? Das bedeutet eine böse Ahnung und ein schlimmes Vorzeichen für mich! Ich sehe wohl, daß ich es nie wieder betreten werde.« Und wie sie es voraussagte, so traf es ein.

Der Frau Herzogin von Valentinois wurde beim Herannahen des Todes König Heinrichs und bei der geringen Hoffnung auf sein Gesundwerden gesagt und befohlen, sie solle sich in ihr Hotel zu Paris zurückziehen und nicht mehr in sein Zimmer kommen, was ebenso seinen Grund darin hatte, daß sie ihn in seinen frommen Betrachtungen nicht stören solle, wie in der Feindseligkeit, die gewisse Leute gegen sie hegten. Als sie sich zurückgezogen hatte, schickte man zu ihr und ließ ihr ein paar Ringe und Kleinodien abfordern, die der Krone gehörten und die sie zurückzuerstatten hatte. Sie fragte den Wortführer der Boten sofort: »Wie! ist der König tot?« – »Nein, Madame,« antwortete der andere, »aber es kann schwerlich lange dauern.« – »Solange noch ein Finger an ihm lebendig ist,« sagte sie, »sollen meine Feinde wissen, daß ich sie nicht fürchte und daß ich ihnen nicht gehorchen werde, solange er lebt. Mein Mut ist noch unbesiegbar. Wenn er aber tot ist, dann will ich nicht länger leben; und alle Bitternisse, die man mir zufügen konnte, kämen mir süß vor gegen meinen Verlust. Also, sei mein König tot oder lebendig, meine Feinde fürchte ich nicht.«

Diese Dame zeigte einen großen Herzensadel. Sie starb jedoch nicht, wird jemand einwenden, wie sie gesagt hatte. Verschiedene Male freilich nahte ihr der Tod; aber statt zu sterben, tat sie wirklich besser daran, daß sie leben wollte, womit sie ihren Feinden bewies, daß sie sie nicht fürchtete; diese hatten einst demütig vor ihr gezittert, aber sie wollte sich nun ihnen nicht beugen, sie zeigte ihnen ein solches Gesicht, wies ihnen so ihre Zähne, daß sie es nie wagten, ihr Mißfallen zu erregen. Ja, es ward noch besser! Binnen zwei Jahren suchten sie ihre Gunst mehr denn je und schlossen wieder Freuudschaft mit ihr, wie ich sah: so ist es eben bei den großen Herren und Damen der Brauch, die in ihren Freundschaften wenig Haltung haben und sich streiten und einigen, sich schlagen und vertragen, sich lieben und hassen wie Spitzbuben auf dem Jahrmarkt: das tun wir Kleinen nicht; denn entweder muß man sich schlagen, rächen und sterben, oder man muß es mit Verträgen erledigen, die auf den Punkt genau ausgemacht, peinlich abgewogen und feierlich festgesetzt werden; dabei befinden wir uns besser.

Sicher muß man die Dame um dieses Zuges willen sehr bewundern, wie ja gewöhnlich jene großen Damen, die in Staatsgeschäfte eingreifen, stets über das gewöhnliche Tun der andern erhaben sind. Daher liebten der hochselige König Heinrich III., der letzte, und die Königin-Mutter durchaus nicht die Damen am Hofe, die ihren Witz und ihre Nase in die Staatsgeschäfte steckten oder sich herausnahmen, viel davon zu reden, wie von dem, was in der Tat das Reich nahe anging, als ob sie (sagten Ihre Majestäten) stark teil daran hätten, und als ob sie es erben sollten, oder als trügen sie zu seiner Behauptung überhaupt den Schweiß ihres Körpers oder die Arbeit ihrer Hände bei wie die Männer: sie dagegen ließen sich’s gute Zeit sein, plauderten am Kamin, wohlbehaglich in ihren Lehnstühlen, oder auf ihren Kissen oder auf ihren Ruhebetten, schwatzten in höchster Bequemlichkeit von der Welt und den Angelegenheiten Frankreichs, als ob sie alles selbst täten. Darauf hatte einmal eine Dame von da und da, die ich nicht nennen will, eine Erwiderung; als sie sich herausnahm, ihren Rechen voll über die ersten Landstände in Blois zu sagen, ließen Ihre Majestäten ihr einen kleinen Verweis erteilen, sie solle sich mit ihrem Hausstand beschäftigen und zu Gott beten. Sie, die ihre Zunge etwas locker sitzen hatte, antwortete: »Zur Zeit, als die Prinzen, die Könige und großen Herren das Kreuz nahmen, um übers Meer zu gehn und im heiligen Lande so schöne Heldentaten zu vollbringen, war es uns Frauen gewiß nicht erlaubt, sondern wir mußten bitten, beten, Gelübde tun und fasten, damit ihnen Gott eine gute Fahrt und eine gute Rückkehr schenkte; aber seit wir sie heute nicht mehr tun sehn wie wir, ist es uns erlaubt, von allem zu sprechen; denn aus welchem Grund sollten wir für sie zu Gott bitten, da sie doch nichts Besseres tun wie wir?«

Diese Rede war gewiß allzu verwegen, sie wäre ihr auch beinahe teuer zu stehn gekommen, und es kostete ihr große Mühe, dafür Vergebung und Verzeihung zu bekommen, um die sie bitten mußte; und ohne einen Grund, den ich wohl sagen könnte, hätten ihr durchaus Kummer und Strafe geblüht, und zwar sehr schimpfliche.

Es tut manchmal nicht gut, einen Witz zu machen, so wie er einem in den Mund kommt; so sah ich verschiedene Leute, die sich nicht zu beherrschen verstanden; ausschweifender sind sie wie ein Berberroß; und wenn sie ein Spottwort auf der Zunge hatten, dann müssen sie’s ausspucken, ohne Schonung für Verwandte, Freunde oder Große. Leute von solcher Gemütsart kannte ich eine Menge an unserm Hofe, und man nannte sie marquis et marquises de belle-Bouche, Herrschaften von Maulwerk; aber sehr häufig waren sie auch an den Unrechten gekommen.

Nunmehr will ich, da ich bereits den Mut und den Adel der Damen von den schonen Taten ihres Lebens ableitete, von einigen schreiben, die sie bei ihrem Tode gezeigt haben. Ohne dem Altertum ein Beispiel zu entnehmen, will ich nur das der hochseligen Frau Regentin, der Mutter des großen Königs Franz, anführen. Zu ihrer Zeit war sie, wie ich von manchem und von mancher hörte, die sie gesehen und gekannt haben, eine sehr schöne und sehr lebenslustige Dame, sogar noch in ihren abnehmenden Jahren. Daher haßte sie es sehr, wenn man ihr vom Tode redete, ja sie haßte sogar die Geistlichen, die in ihren Predigten davon redeten: »Als ob man nicht schon hinreichend wüßte,« sagte sie, »daß alle einmal sterben müssen; daß doch solche Prediger, wenn sie in ihrem Sermon nichts weiter sagen können und am Ende ihrer Weisheit sind, wie Ignoranten vom Sterben anfangen müssen.« Auch die hochselige Königin von Navarra, ihre Tochter, liebte ebensowenig wie ihre Mutter diese Sterbelieder und Todespredigten.

Als das vorbestimmte Ende gekommen war und sie, drei Tage bevor sie starb, in ihrem Bett lag, sah sie in der Nacht ihre Kammer voller Helligkeit, die durchs Fenster hereingedrungen war. Sie geriet in heftigen Zorn über ihre Kammerfrauen, die sie aus dem Schlaf weckten, und fragte sie, warum sie ein so glühendes und helles Feuer angezündet hätten. Sie antworteten ihr: sie hätten nur ein wenig Licht, und es wäre der Mond, der so leuchtete und solchen Glanz ausstrahlte. »Wie!« sagte sie, »wir stehn aber im abnehmenden Mond, er wird sich hüten, jetzt zu scheinen.« Plötzlich sah sie, als sie ihren Vorhang öffnen ließ, einen Kometen, der gerade auf ihr Bett schien. »Ha!« sagte sie, »das ist ein Zeichen, das erscheint Leuten von niedrigem Rang nicht. Für uns große Leute läßt Gott es erscheinen. Schließt das Fenster: es ist ein Komet, der mir den Tod ankündigt; nun heißt es sich vorbereiten.« Am andern Morgen erfüllte sie, nachdem sie ihren Beichtvater hatte holen lassen, alle Pflichten einer guten Christin, wiewohl ihr die Ärzte versicherten, es sei noch nicht so weit mit ihr. »Wenn ich das Zeichen meines Todes nicht gesehen hätte, würde ich es glauben,« sagte sie, »denn ich fühle mich durchaus nicht so elend;« und sie erzählte ihnen allen die Erscheinung ihres Kometen. Und nachdem drei Tage verflossen waren, ließ sie die Träume der Welt hinter sich und verschied.

Ich könnte nicht glauben, daß die großen Damen und jene, die schön, jung und ehrbar sind, nicht mehr darüber klagen, die Welt verlassen zu müssen wie die andern; gleichwohl will ich ein paar nennen, die sich überhaupt nicht darum kümmerten und den Tod willig erduldeten, wenn ihnen auch für den Augenblick seine Ankündigung sehr bitter und schrecklich gewesen sein mag.

Als der verstorbenen Gräfin von La Rochefoucauld, aus dem Hause Roye, nach meiner und anderer Meinung eine der schönsten und freundlichsten Frauen von Frankreich, von ihrem Prediger (denn sie war reformiert, wie jedermann weiß) verkündet wurde, daß sie nicht mehr an die Welt denken dürfe und daß ihre Stunde gekommen sei, da sie zu Gott eingehn müsse, der sie riefe, und daß sie sich von den Eitelkeiten der Welt trennen müsse, die nichts wäre im Vergleich mit der Glückseligkeit des Himmels, sagte sie zu ihm: »Herr Prediger, das kann gut für jene sein, die am Leben keine große Befriedigung und Lust haben und die am Rand ihres Grabes stehn; aber für mich, die ich erst in der Rüstigkeit meiner Jahre, meiner Schönheit und meiner Lust stehe, ist Euer Spruch sehr bitter. Und weil ich mehr Veranlassung habe, lieber auf dieser Welt zu sein als auf jeder anderen, und mir um meinen Tod leid ist, will ich Euch meine edle Gesinnung beweisen und zeigen, daß ich den Tod als das gemeinste, verworfenste, niedrigste, häßlichste und älteste, das es auf der Welt gibt, gern erleide.« Dann begann sie unter großer Ergebenheit Psalmen zu singen und verschied.

Madame von Epernon aus dem Hause Candale wurde von einer so plötzlichen Krankheit befallen, daß sie in weniger als sechs oder sieben Tagen hinweggerafft wurde. Bevor sie starb, versuchte sie alle möglichen Mittel, um sich zu heilen; Menschen und Gott rief sie um Beistand an und verlangte Hilfe von allen ihren Freunden, Dienern und Dienerinnen; denn es schmerzte sie sehr, so jung sterben zu müssen; nachdem man ihr aber vorgestellt hatte, daß sie mit gutem Willen zu Gott eingehen müsse, und daß es kein Heilmittel mehr dagegen gäbe, sagte sie: »Ist es wahr? So laßt mich denn; ich will mich also tapfer dazu entschließen.« Das waren ihre eigensten Worte. Sie hob ihre schönen weißen Arme in die Höhe und legte die beiden Hände zusammen und erbot sich mit offenem Antlitz und festem Herzen, den Tod in Geduld zu ertragen und die Welt zu verlassen, die sie mit sehr christlichen Worten zu verabscheuen begann; und dann starb sie als sehr fromme und gute Christin, im Alter von 26 Jahren, und war eine der schönsten und angenehmsten Damen ihrer Zeit gewesen. Man sagt, es sei nicht schön, wenn man die Seinen rühmt; eine gute Wahrheit darf man aber auch nicht verhehlen, und daher will ich hier Madame von Aubeterre preisen, meine Nichte, die Tochter meines ältesten Bruders, von der mir jeder, der sie am Hofe oder anderswo sah, zugeben wird, daß sie eine der schönsten und vollendetsten Damen war, die man sehen konnte, leiblich wie seelisch. Der Körper zeigte klar und in seinem Aussehn, was an ihm war, sie hatte ein schönes und angenehmes Gesicht, einen hohen Wuchs, eine anmutige Gestalt: sie hatte auch einen vortrefflichen Geist und besaß viele Kenntnisse; sie redete vorzüglich gut, naiv und ungeschminkt, und was aus ihrem Munde kam, war höchst angenehm, sei es in ernsten Dingen, sei es in fröhlicher Entgegnung. Niemals sah ich eine Frau, die meiner Meinung nach unserer Königin Margarete von Frankreich im Aussehen und in ihrer Vollkommenheit mehr glich als sie; das hörte ich auch einmal die Königin-Mutter sagen. Dieses Lob würde schon genügen; ich will auch nichts weiter von ihr sagen: wer sie gekannt hat, der wird mich, des bin ich sicher, wegen dieses Rühmens keiner Lüge zeihen. Sie wurde plötzlich von einer Krankheit befallen, der gegenüber die Ärzte ratlos waren und ihr Latein daran verschwendeten; sie selbst war jedoch der Ansicht, daß sie vergiftet worden sei; von welcher Seite will ich nicht sagen; aber Gott wird alles rächen und vielleicht auch die Menschen. Sie tat zu ihrer Rettung alles, was sie konnte, nicht daß sie sich darum bekümmerte, zu sterben, sagte sie; denn seit dem Verlust ihres Gatten hatte sie jede Furcht verloren, wiewohl er ihr sicherlich nicht ebenbürtig war und sie auch nicht verdiente, wie auch die heißen Tränen nicht, die sie nach seinem Tod aus ihren schönen Augen vergoß; aber aus Liebe zu ihrer Tochter, die sie im zartesten Alter verließ, hätte sie sehr gewünscht, noch ein Weilchen zu leben; so hatte sie auch eine gute und schöne Veranlassung zum Leben, und die Klage um einen dummen und verdrießlichen Gatten brauchte nicht schwer und wichtig zu sein.

Als sie dann sah, daß es keine Hilfe mehr gab, und als sie sich selbst ihren Puls fühlte und ihr Ende lebhaft erkannte (denn sie verstand sich auf alles), ließ sie zwei Tage, bevor sie starb, ihre Tochter zu sich rufen und richtete eine sehr schöne und fromme Ermahnung an sie, wie sie vielleicht keine Mutter schöner oder besser gehalten hat, ebenso um ihr ein ordentliches Leben auf der Welt zu lernen als um die Gnade Gottes zu erlangen; dann gab sie ihr ihren Segen und befahl ihr, die Ruhe ihrer Todesstunde nicht mehr mit ihren Tränen zu stören. Dann verlangte sie ihren Spiegel, betrachtete sich sehr aufmerksam und sagte: »Ach du trügerisches Antlitz meiner Krankheit, warum hast du dich nicht verändert« (denn sie sah noch ebenso schön aus wie sonst); »bald wird aber der Tod, der naht, das Recht darüber haben, er wird dich verfaulen und von Würmern zerfressen lassen.« Sie hatte auch ihre meisten Ringe an die Finger gesteckt; sie betrachtete sie und überhaupt ihre Hand, die sehr schön war, und sagte: »Das ist nun eine Weltlust, die ich früher sehr geliebt habe; aber in dieser Stunde lasse ich sie gern und schmücke mich für die andere Welt mit einem schönern Schmuck.« Und als sie ihre Schwestern sah, die über alle Maßen über sie weinten, bat sie, sie möchten willig annehmen, was Gott ihr zu schicken gefalle; nachdem sie einander stets so sehr geliebt, sollten sie nicht beklagen, was ihr Freude und Befriedigung brächte; die Freundschaft, die sie ihnen stets entgegengetragen, würde ewig dauern, und sie bat sie desgleichen zu tun und besonders ihrer Tochter gegenüber; da die Tränen ihrer Schwestern aber immer nur noch stärker flossen, sagte sie ihnen noch: »Meine Schwestern, wenn ihr mich liebt, warum freut ihr euch nicht mit mir, daß ich ein elendes Leben gegen ein so glückliches vertausche? Müde von so viel Anstrengungen, wünscht meine Seele davon frei zu sein und mit Jesus Christus, meinem Heiland, am Ort der Ruhe zu weilen; und ihr wünscht sie noch an diesen elenden Leib gefesselt, der bloß ihr Gefängnis, nicht aber ihre wahre Wohnung ist. Ich bitte euch also, meine Schwestern, betrübt euch nicht mehr.«

Sie sagte noch viele ähnliche schöne und christliche Worte, kein noch so großer Gelehrter hätte schönere sprechen können, und ich übergehe sie. Besonders verlangte sie Madame von Bourdeille, ihre Mutter, zu sehen, die holen zu lassen sie ihre Schwestern gebeten hatte, und oft sagte sie zu ihnen: »Mein Gott! liebe Schwestern! kommt denn Frau von Bourdeille nicht? Ach! Wie lange eure Eilboten brauchen! Für eilige Sachen und Extraposten sind sie doch gar nicht tüchtig.« Die Mutter traf ein, sah sie aber nicht mehr am Leben; denn sie war eine Stunde vorher gestorben.

Sie verlangte auch sehr nach mir, den sie stets ihren lieben Onkel nannte, und sandte uns das letzte Lebewohl. Sie bat, man solle nach ihrem Tod ihren Leib öffnen lassen, was sie stets sehr verabscheut hatte, damit sich die Ursache ihres Todes, sagte sie zu ihren Schwestern, klarer herausstelle, und es für sie und für ihre Tochter eine Veranlassung sei, ihr Leben zu bewahren und in acht zu nehmen; »denn ich muß gestehen,« sagte sie, »daß ich den Argwohn hege, vor fünf Jahren mit meinem Onkel Brantôme und meiner Schwester, der Gräfin von Durtal, vergiftet worden zu sein; aber das größte Stück habe doch ich genommen: damit will ich aber nun nicht jemand beschuldigen, weil ich fürchten muß, es ist falsch, und das soll nicht auf meiner Seele lasten, die ich frei von allem Tadel, allem Groll, aller Feindseligkeit und aller Sünde haben will, damit sie geradeswegs zu Gott ihrem Schöpfer hinauffliegt.«

Ich würde nie ein Ende finden, wenn ich alles sagte; denn ihre Gespräche waren groß und lang und ließen keineswegs einen verwelkten Leib, einen schwachen und hinfälligen Geist verspüren. Da war ein Edelmann, ihr Nachbar, ein beredter und witziger Mann, der gern mit ihr plauderte und spaßte; er stellte sich vor, und sie sagte zu ihm: »Ach! mein Freund! diesmal ist’s aus, nun heißt’s sich übergeben, die Zunge, den Dolch, alles! Lebwohl!«

Ihr Arzt und ihre Schwestern wollten ihr irgendein herzstärkendes Mittel einflößen: sie bat sie, es ihr nicht zu geben; »denn es nützt nichts mehr,« sagte sie, »es verlängert nur meine Qual und verzögert meine Ruhe.« Und sie bat, man solle sie lassen: und oft hörte man sie sagen: »Mein Gott, wie süß ist der Tod! wer hätte das je gedacht?« Dann wurde allmählich ihr Geist immer sanfter, sie schloß die Augen, ohne irgendwelche häßliche oder schreckensvolle Anzeichen zu geben, die bei manchen andern im Tode einzutreten pflegen.

Madame von Bourdeille, ihre Mutter, folgte ihr bald nach; denn die Melancholie, die sie wegen dieser ehrbaren Tochter erfaßte, raffte sie in achtzehn Monaten hinweg, von denen sie sieben krank lag, zwischen Hoffnung und Heilung und Verzweiflung hin und her schwankend; von Anfang an sagte sie, sie würde nie davonkommen; den Tod fürchtete sie nicht und bat Gott auch nicht, ihr Leben oder Gesundheit zu verleihen, sondern sie bat nur um Geduld in ihren Schmerzen, vor allem bat sie, er möge ihr einen sanften Tod schicken, keinen harten und schmachtenden: und wie wir sie in Ohnmacht glaubten, gab sie so sanft den Geist auf, daß man kein Glied an ihr zucken sah und auch keinen schreckensvollen oder entsetzten Blick an ihr merkte; sondern sie verschied, indem sie ihre Augen so schön herumgehn ließ denn je, und war tot ebenso schön, als sie es lebend in ihrer Vollendung gewesen war.94

Es war gewiß sehr schade um sie und um jene schönen Damen, die so in der Blüte ihrer Jahre starben! Vielleicht will der Himmel, der nicht zufrieden ist mit den schönen Lichtern, die seit der Erschaffung der Welt sein Gewölbe schmücken, in diesen Damen noch mehr neue Gestirne haben, mit denen er uns leuchten kann, wie sie es im Leben mit ihren schönen Augen taten.

Jetzt nur noch dieses, dann nichts weiter:

Man erinnert sich noch der Frau von Balagny, die in allem die echte Schwester jenes tapfern Bussy war. Als Cambray belagert wurde, tat sie mit tapferm und edlem Mut alles, was sie konnte, um die Einnahme zu verhindern; nachdem sie aber alle Verteidigungsmittel, die sie herbeibringen konnte, erschöpft hatte, und als sie sah, daß die Stadt in die Hand des Feindes fiel, und daß ihm die Zitadelle ebenso anheimfiel, konnte sie das große Herzeleid nicht ertragen, ihre Fürstenschaft niederzulegen (denn sie und ihr Gemahl ließen sich Fürst und Fürstin von Cambray und Cambresis nennen; ein Titel, den man in verschiedenen Ländern hassenswürdig und allzu anmaßlich fand, in Anbetracht ihrer Qualitäten als einfacher Edelleute), sie starb und verging vor Trauer auf dem Platz der Ehre. Manche sagen, sie habe sich selbst den Tod gegeben, was man indessen wieder mehr für heidnisch als für christlich hielt. Wie dem auch sei, man muß sie rühmen, daß sie sich so brav zeigte, und daß sie ihren Gemahl in ihrer Todesstunde ermahnte, als sie ihm sagte: »Was bleibt dir nach deinem traurigen Unglück zu leben übrig, Balagny, als daß du der Welt zum Gespött und zum Schauspiel dienst, die mit den Fingern auf dich zeigen wird, da du aus dem Gipfel des Ruhms, zu dem du dich hoch erhoben hast, einem niedrigen Geschick verfällst; denn ein solches sehe ich dir bereitet, wenn du nicht wie ich handelst? Lerne also von mir, ordentlich zu sterben und nicht dein Unglück und deine Schande zu überleben.« Es ist ein bedeutender Fall, wenn uns eine Frau leben und sterben lehrt. Er wollte aber weder gehorchen noch daran glauben; denn nach sieben oder acht Monaten war ihm bereits die Erinnerung an jene tapfre Frau geschwunden, und er verheiratete sich mit der Schwester der Frau von Monceaux, gewiß einem schönen und ehrbaren Fräulein; damit bewies er, daß es schließlich doch nur eines gibt: zu leben, auf welche Art es auch immer sei.

Gewiß ist das Leben gut und süß; aber auch ein edler Tod ist sehr zu rühmen wie der jener Dame; wenn sie am Kummer starb, war das sehr gegen die Natur mancher Damen, von denen man sagt, sie täten gerade das Gegenteil dessen, was in der Gemütsart der Männer läge; denn sie sterben in Freuden und mit Freuden.

Ich will bloß die Geschichte von Fräulein von Limneil der Älteren erzählen, die als eine der Fräulein der Königin am Hofe verstarb. Während der Krankheit, an der sie verschied, wurde niemals ihr Schnabel stille, sondern sie schwatzte fortwährend; denn sie war außerordentlich beredt und hatte einen beißenden Witz, der sehr tüchtig und immer am rechten Orte kam, und das machte sie sehr schön. Als ihre Todesstunde gekommen war, ließ sie ihren Kammerdiener zu sich kommen (die Hoffräulein haben nämlich jede ihren Kammerdiener); er hieß Julien und spielte vortrefflich die Geige; »Julien,« sagte sie zu ihm, »nehmt Eure Geige und spielt mir, spielt mir der ›Schweizer Niederlage‹, bis Ihr mich tot seht (denn es geht zu Ende mit mir), und so gut, als Ihr nur könnt, und wenn Ihr bei dem Vers Tout est perdu seid, spielt Ihr es vier- oder fünfmal, so klagend als Ihr nur könnt.« Das tat der andere, und sie begleitete ihn mit ihrem Gesang: und als er zu dem Tout est perdu kam, wiederholte sie es zweimal; drehte sich auf die andere Seite des Kissens, sagte zu ihren Freundinnen: »Jawohl, diesmal ist alles verloren!«, und darauf verschied sie. Das nenne ich einen fröhlichen und lustigen Tod. Ich habe die Geschichte von zweien ihrer Gefährtinnen, glaubwürdigen Mädchen, die Zeugen des Vorganges waren.

Gibt es also manche Frauen, die in Freuden oder mit Freuden sterben, so finden sich ebensoviel Männer, die es ebenso machten: So lesen wir von jenem großen Papst Leo, der vor Freude und Glück starb, als er uns Franzosen ganz und gar aus Mailand verjagt sah; so haßte er uns!

Den hochseligen Herrn Großprior von Lothringen faßte einmal die Lust an, zwei seiner Galeeren unter dem Befehl des Kapitän Beaulieu, einem seiner Seeleutnants, von dem ich anderswo rede, den Kurs gegen die Levante nehmen zu lassen. Jener Beaulieu fuhr sehr tüchtig darauf los; denn er war tapfer und mutig. Gegen den Archipel zu begegnete er einer wohl bewaffneten und gut ausgestatteten venezianischen Fregatte: er begann, sie zu beschießen, aber das Schiff erwiderte ihm die Salve tüchtig; denn gleich mit der ersten Lage riß sie ihm zwei seiner Ruderbänke mit den Sklaven darauf rein weg und mit seinem Leutnant, namens Kapitän Korb, einem lustigen Kameraden, der vor seinem Tod gerade noch sagen konnte: »Adieu, Korb, die Weinlese ist fertig!« Dieser Witz erheiterte seinen Tod. Herr von Beaulieu mußte sich zurückziehen; denn jenes Schiff war für ihn unbesiegbar.

Im ersten Jahre, als König Karl IX. regierte, damals, als das Juli-Edikt erlassen wurde und er sich im Faubourg Saint-Germain aufhielt, sahen wir, wie daselbst ein Bursche des dortigen Gesindels aufgehängt wurde, der aus der Küche des Prinzen von La Roche-sur-Jon sechs Silberschüsseln gestohlen hatte. Als er auf der Leiter stand, bat er den Henker, er möchte ihm ein wenig Zeit zum Reden lassen, und begann zu schwatzen und stellte dem Volke vor, daß er zu Unrecht umgebracht würde; »denn«, sagte er, »ich habe niemals arme Leute, Bettler und Krüppel bestohlen, sondern immer nur Fürsten und Große, die selbst größere Spitzbuben als wir sind und die uns alle Tage plündern; es ist daher nur wohlgetan, daß wir uns von ihnen wieder holen, was sie uns stehlen und abnehmen.« Er sagte noch viele andere Stichelreden, deren Erzählung überflüssig wäre, bis der Priester, der mit ihm die Leiter hinaufgestiegen war, sich zum Volke wandte, wie man es sieht, und ihm zurief: »Herrschaften, dieser arme Sünder empfiehlt sich euren Bitten und Gebeten; wir wollen alle für ihn und für seine Seele ein Paternoster und ein Ave Maria sagen und das Salve singen;« und als das Volk ihm respondierte, senkte der besagte arme Sünder den Kopf, betrachtete den Priester, begann wie ein Kalb zu brüllen und machte den Pfaffen auf die lustigste Weise lächerlich, dann versetzte er ihm eins mit dem Fuß und stieß ihn hoch von der Leiter in einem solchen Sprunge herunter, daß er sich ein Bein brach. »Ach! Herr Pfaffe,« sagte er, »bei Gott, ich wußte wohl, daß ich’s Euch hier versalzen würde. Nun hat er sein Teil, der Kerl.« Als er ihn klagen hörte, begann er aus vollem Halse zu lachen, dann warf er sich selbst in die Luft. Ich schwöre euch, am Hofe lachte man sehr über diesen Streich, wiewohl der arme Priester sich sehr weh getan hatte. Das ist doch gewiß kein trauriger Tod.

Der verstorbene Herr von Etampes hatte einen sehr lustigen Narren namens Colin. Als sein Tod nahte, fragte Herr von Etampes, wie es Colin gehe. Man antwortete ihm: »Schlecht, gnädiger Herr; er wird sterben; denn er will nichts mehr zu sich nehmen.« – »Halt,« sagte Herr von Etampes, der gerade bei Tische saß, »bringt ihm diese Suppe hin und sagt ihm, wenn er nicht aus Liebe zu mir etwas ißt, will ich ihn nie wieder gern haben; denn man habe mir gesagt, er wolle nichts mehr nehmen.« Man richtete die Botschaft Colin aus, der, den Tod zwischen den Zähnen, antwortete: »Und wer hat denn meinem Herrn gesagt, daß ich nichts mehr essen wollte?« Rings schwärmte eine Million Fliegen um ihn (denn es war im Sommer), in die griff er mit der Hand hinein, wie man’s von den Pagen und Lakaien und kleinen Kindern sieht; und nachdem er zwei auf einmal gefaßt hatte, machte er die kleine Handbewegung, die man sich besser vorstellen als beschreiben kann, und sprach: »Sagt dem gnädigen Herrn, das hab‘ ich aus Liebe zu ihm genommen, und ich ziehe jetzt ins Fliegenreich ein;« damit drehte sich der Galan auf die andre Seite und verschied.

In dieser Hinsicht hörte ich von verschiednen Philosophen, daß sich manche Leute bei ihrem Abscheiden gern an die Dinge erinnern, die sie am meisten geliebt haben, sie wiederholen sie wie die Edelleute, die Krieger, die Jäger, die Künstler, kurz alle, denen sozusagen ihr Beruf in die Erinnerung kommt, beim Sterben reden sie etwas davon: das hat man erlebt und kann’s oft erleben.

Ebenso reden die Frauen dann ihren Rechen voll bis herunter zu den Dirnen; so hörte ich von einer Dame aus ziemlich gutem Stande, deren Triumph es bei ihrem Tod war, mit ihren verwichenen Liebschaften, Hurereien und Tändeleien herauszuplatzen: so daß sie mehr sagte, als die Welt wußte, obwohl man schon eine arge Buhlerin hinter ihr witterte. Vielleicht enthüllte sie es, während sie träumte, oder weil die Wahrheit, die nicht verheimlicht werden kann, sie dazu zwang, oder weil sie ihr Gewissen erleichtern wollte; wie sie auch wahrhaftig aus Gewissenhaftigkeit und Reue einige Sünden beichtete und dafür um Vergebung bat, sie machte sie aber so deutlich kenntlich, so daß man ganz klar hineinsah. »Wahrhaftig,« sagte jemand, »sie tat sehr recht daran, daß sie in dieser Stunde ihr Gewissen von diesen Liederlichkeiten säuberte, und zwar gleich gründlich!«

Ich hörte von einer Dame, die alle Nächte Träumen ausgesetzt war, so daß sie in der Nacht alles sagte, was sie am Tage getrieben hatte; dadurch brachte sie sich selbst ihrem Gatten gegenüber ins Ärgernis, der sie reden und plaudern und sich in ihre Träume einspinnen hörte, was ihr nachher übel bekam.

Vor nicht langer Zeit verkündete auch ein Edelmann von da und da, in einer Provinz, die ich nicht nennen will, bei seinem Tode öffentlich seine Liebschaften und Buhlereien und zählte die Damen und Fräulein auf, mit denen er zu tun gehabt, und an welchen Orten und Treffpunkten, und auf welche Art und Weise, darüber legte er ganz laut die Beichte ab und bat Gott vor aller Welt dafür um Vergebung. Der machte es schlimmer wie die Frau; denn sie kompromittierte doch nur sich, der Edelmann aber brachte mehrere Frauen hinein. Das nenne ich saubere Galane und Buhlen.

Man sagt, die geizigen Leute hätten ebenfalls die Gemütsart, daß sie bei ihrem Tode stark an ihre Schätze von Goldstücken denken und sie immer im Munde haben. Vor ungefähr 4o Jahren lebte eine Dame von Mortemar, eine der reichsten und geldkräftigsten Damen von Poitou, die bei ihrem Sterben nur an ihre Taler dachte, die sie in ihrem Kabinett hatte, und solange sie krank war, stand sie zwanzigmal am Tag auf, um ihren Schatz aufzusuchen. Als endlich ihre letzte Stunde nahte und der Priester sie ans ewige Leben mahnte, sagte sie nichts weiter und antwortete nur: »Gebt mir meinen Rock; die Kerle plündern mich.« Die gute Dame dachte nur ans Aufstehn, um ihr Kabinett aufzusuchen, und strengte sich an, als ob sie gekonnt hätte; und so starb sie.

Ich bin am Ende etwas in meinen ersten Diskurs hineingekommen; man nehme es jedoch hin, wie nach dem Sittenstück und nach der Tragödie die Farce kommt. Und hiermit mache ich Schluß.

  1. Die »Novellen« Bandellos. Die drei ersten Bände wurden 1554 in Lucca gedruckt, der vierte in Lyon 1574.
  2. Es war der Herzog von Anjou, später Heinrich III.
  3. Bonnivet mochte sehr tapfer sein, aber in den Schlachten, die er befehligte, hatte er kein Glück.
  4. O du feiger Dummkopf! Du hast nichts gemacht? Verflucht sei deine Feigheit!
  5. La Noue, einer der tapfersten und geachtetsten hugenottischen Feldherren.
  6. Wurde später von dem englischen König Heinrich II. geheiratet.
  7. Es ist dieselbe stolze Herzogin, die, wie man sagt, Heinrichs III. Verachtung nicht verzeihen konnte. Sie hatte sich goldne Scheren gekauft, um ihm eigenhändig die Tonsur zu schneiden, bevor er nach seiner Abdankung ins Kloster kam; daran arbeitete sie.
  8. Siehe den 9. Abschnitt des IX. Diskurses der Dames illustres.