Früher als gewöhnlich ging Frau Oisille am folgenden Morgen an die Vorbereitung für ihren Vortrag. Ob dieser Kunde beeilten sich die andern alsbald derart beim Anziehen, daß sie kaum auf sich warten ließen. Und jene nahm auf die Herzen der Gesellschaft Rücksicht und las den Brief des Johannes vor, der voll von Liebe ist. Das behagte den Hörern so wohl, daß sie mehr denn eine halbe Stunde länger zuhörten als sonst und gar vermeinten, das Ganze habe nur eine Viertelstunde gedauert. Während der Messe empfahlen sie sich dem Heiligen Geiste an, auf daß jeglicher an diesem Tage seine geneigten Zuhörer erfreuen könne. Und nachdem sie dann gespeist und geruht hatten, begaben sie sich zum Orte der gewohnten Kurzweil.
Als Frau Oisille fragte, wer den neuen Tag beginnen solle, erwiderte Longarine: »Ich gebe meine Stimme Euch, edle Frau. Denn Ihr habt uns heut einen so wundervollen Vortrag gehalten, daß Ihr sicherlich auch eine Geschichte wißt, die würdig diese Leistung krönen kann.« Alsbald hub Oisille an:
»Leider weiß ich nichts, was den lehrreichen Betrachtungen des Morgens gleichzusetzen wäre. Doch will ich mich an die Worte der Heiligen Schrift halten: »Trauet nicht den Fürsten noch den Söhnen der Menschen, denn in ihnen ruht nicht euer Heil.« Und darüber will ich nun eine wahrhaftige Geschichte erzählen, die sich so kürzlich zutrug, daß schier die Tränen, die darob vergossen wurden, noch nicht getrocknet sind.«